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Der Rechtsstaat und die digitale Transformatation der Polizei ........................Seite

Viele Straftaten spielen sich digital ab. Zudem ist ein großer Teil der Ermittlungsarbeit eine Suche in Facebook-Profilen, Bildern, Videos, Audio-Dateien und Chatprotokollen. Deshalb ist das wohl größte Problem der Digitalisierung die schiere Menge an Daten, mit denen die Behörden klarkommen müssen. “Wie sollen wir uns ohne Künstliche Intelligenz einen Reim auf diese Datenmenge machen?”, fragte Irakli Beridze. Der Leiter des Zentrums für Künstliche Intelligenz und Robotik beim Interregionalen Forschungsinstitut der Vereinten Nationen für Kriminalität und Rechtspflege (UNICRI) spricht damit eine Kerntechnologie moderner Polizeiarbeit an. Er ist überzeugt, dass der Einsatz nötig, aber auch ethisch vertretbar sei. Für das Jahresende kündigte er gleich ein Handbuch an, wie man KI auf eine Weise nutzen könne, die mit den Menschenrechten vereinbar sei.

KI zum Zwecke der Gesichtserkennung

Lea Wedekind von Europol stimmte Beridze zu: “Moderne Technologie und KI sind eine Voraussetzung für moderne Polizeiarbeit. Wir sehen KI aber nicht als Allheilmittel, sondern als ein Hilfsmittel, ohne das wir bei Big Data aufgeschmissen wären.”

“Ein Abgleich von Bildern ist Standard. Ohne würden wir der Arbeit gar nicht Herr werden”, erklärte Wedekind. Die Polizei nutze KI, um zum Beispiel Personen auf Fahndungsfotos zu identifizieren. Wenn der Algorithmus zum Beispiel Gemeinsamkeiten mit einem Facebook-Profilfoto entdecke, könne die Polizei so den Namen einer gesuchten Person herausfinden.

Dennoch dürfe die Polizei auch dieses Werkzeug nicht in jedem Kontext einsetzen, schränkte sie ein. Zum Beispiel werde es

Daten- oder Täterschutz?

Der Rechtsstaat und die digitale Transformation der Polizei

(BS/Benjamin Hilbricht) Einmal angenommen, die Sicherheitsbehörden hätten Geld wie Heu und unbeschränkte Befugnisse. Welche Geräte und Programme würde sie einkaufen, welche Technologien würde sie nutzen? Vermutlich wären die Polizeien nicht wiederzuerkennen. Schon jetzt ist technisch weit mehr möglich, als die Behörden einsetzen dürfen. Künstliche Intelligenz (KI), Vorratsdatenspeicherung, Fingerabdruck-Scan per Smartphone und Live-Gesichtserkennung sind nur einige Beispiele. Das meiste davon ist jedoch rechtlich und ethisch umstritten.

Expertinnen und Experten diskutieren auf dem 25. Europäischen Polizeikongress darüber, welche digitalen Mittel die Polizei künftig einsetzen soll: Lea Wedekind (Europol), Thomas Striethörster (Moderator), Irakli Beridze (UNICRI) und Guido Brockmann (eu-LISA) (v.l.n.r.).

Fotos: BS/Trenkel “Der Rechtsstaat zeichnet sich dadurch aus, dass er die Organe, die das Recht durchsetzen, auch selbst an das Recht bindet”, sagte Manuel Höferlin (FDP).

eine Live-Gesichtserkennung in der EU nicht geben. Technisch gesehen wäre es möglich, die Gesichter von Bürgerinnen und Bürgern mit einer Datenbank abzugleichen, während sie sich im öffentlichen Raum bewegten. Voraussetzung sei erstens, dass sie dabei gefilmt würden. Zweitens müsse die Polizei KI mit den Daten füttern. Diese Maschine gleiche dann riesige Datenmengen miteinander ab und identifiziere die gefilmten Personen. Doch für Live-Gesichtserkennung fehle die rechtliche Grundlage, sagte Wedekind. Außerdem gilt das Verfahren als nicht ethisch. “Da kommen Erinnerungen an einen gewissen Roman von Orwell auf”, kommentiert Guido Brockmann, Leiter Product Management bei der Europäischen Agentur für das Betriebsmanagement von IT-Großsystemen im Raum der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts (eu-LISA). Im Roman “1984” von George Orwell überwacht der Staat seine Bürger überall mit Kameras und Mikrofonen.

Biometrische Datenbanken für Europol

Allerdings entwickelt und implementiert eu-LISA die IT-Systeme für EU-Sicherheitsbehörden wie Europol und Frontex. Zu diesen Systemen zählen unter anderem das “Shared Biometric Matching System”. Darin werden die biometrischen Daten von Menschen gespeichert, die aus Drittstaaten in die EU einreisen. Mittels solcher Datenbanken wollen die europäischen Sicherheitsbehörden Kriminelle identifizieren, die keine EU-Bürger sind. Auch solche Datenbanken wecken bei Gegnern die Erinnerung an Orwell. Aber das sind europäische Projekte. Daneben stehen auch typisch deutsche Probleme. Es gibt 16 Polizeien, eine Bundespolizei und so weiter und so fort. Gerade im Bereich IT-Sicherheit fordern Expertinnen und Experten schon seit Jahren eine stärkere Zentralisierung. Doch dem steht der deutsche Föderalismus entgegen. Der ist in der Verfassung verankert, denn die Sicherheitskompetenz wollten die Autoren des Grundgesetzes nach den Erfahrungen des Dritten Reichs nicht mehr beim Zentralstaat bündeln.

“Aus IT-ProjektmanagementSicht ist das eine große Herausforderung”, gibt Manuel Höferlin, Innenpolitischer Sprecher der FDP-Bundestagsfraktion, zu. “Aber es ist auch lösbar – wenn alle mitmachen wollen.” Es gebe verschiedene Wege zum Ziel. Vielleicht könnten alle Polizeien unterschiedliche Versionen derselben Systeme benutzen. Höferlin erklärte: Wenn die Polizeien nicht dasselbe System nutzen wollten, dann müssten sie zumindest dafür sorgen, dass sie Daten austauschen könnten. “Dann spielt es am Ende keine Rolle, ob die Landesbehörden unterschiedliche User Interfaces haben, solange es Schnittstellen gibt und die Daten insgesamt gleich sind.”

Rechtsstaat oder schon Täterschutz?

Trotzdem frustrieren all diese Einschränkungen viele in den Sicherheitsbehörden. Wann immer die Sprache auf rechtliche Beschränkungen bei der polizeilichen Nutzung gewisser Technologien kam, grummelte es irgendwo im Saal beim Europäischen Polizeikongress. Die Frage steht im Raum: Ist das noch Rechtsstaat und Datensicherheit oder schon Täterschutz? “Ich denke, dass der Weg der EU, bei dem der Mensch im Zentrum steht, der richtige Weg ist”, antwortete Beridze. Yves Rolland, Programm-Berater für Polizeiangelegenheiten beim Direktorat für allgemeine Menschenrechte und Rechtsstaatlichkeit beim Europäischen Rat, stimmte ihm zu. Doch bei manchen EU-Staaten sei die Lage besser als bei anderen. “Wir sind nicht alle auf demselben Level, soweit es Polizeiarbeit betrifft.” Denn in einigen EUStaaten würden Menschenrechte und Datenschutz längst nicht so genau genommen wie in Deutschland oder Frankreich. Ein Punkt, den Rolland sehr kritisch sieht.

Können und dürfen

Natürlich verbieten weder die EU noch der deutsche Staat den Sicherheitsorganen alle Tools, die sie haben wollen. Aber manchmal darf die Polizei Mittel nicht einsetzen, die technisch durchaus im Bereich des Möglichen lägen. Können und dürfen fallen dabei auseinander. Das habe einen guten Grund, erklärt Höferlin: “Der Rechtsstaat zeichnet sich dadurch aus, dass er die Organe, die das Recht durchsetzen, auch selbst an das Recht bindet”, unterstreicht der FDP-Politiker aus dem Deutschen Bundestag.

Aktualität fehlt

Polizeiliche Kriminalstatistik bald in Echtzeit?

(BS/bhi) “Für die heutige Situation ist das polizeiliche Lagebild zur Kriminalität nicht mehr aktuell genug”, kritisiert Udo Littke, CEO bei Atos Deutschland. Verbrechen sei schnell geworden, insbesondere im CyberRaum ändere sich die Lage minütlich. Statt einer Statistik einmal im Jahr schlägt er ein Echtzeitlagebild vor, bei dem Realdaten eingebunden werden.

Smart ohne Papier

Human Error wird vermieden

(BS/sp) Geschäftsabschlüsse digital durchzuführen, hat einige Vorteile. So könne eine Automatisierung der Prozesse vorgenommen werden und es sei keine Papier- oder Formulararbeit notwendig, erklärt Mario Hempel, Director Sales Development Public Sector von Bechtle, auf dem Europäischen Polizeikongress. Auch andere “smarte” Ansätze wurden diskutiert.

Jürgen Schomakers, Managing Partner bei Esri, spricht von der “Wissenschaft des Wo”. Alles spiele sich irgendwo ab: sogar Cyber-Verbrechen. Die Polizei könne Karten mit Informationen zur Verbrechensbekämpfung kombinieren. Beispielsweise habe seine Firma Corona-Infektionen auf einer Deutschland-Karte visualisiert. Diese seien täglich mit den Meldungen des Robert Koch-Instituts (RKI) aktualisiert worden. So sei ein Echtzeit-Lagebild entstanden. Littke macht folgenden Vorschlag: Eine Karte, auf der sowohl die Verbrechen gemeldet würden als auch Live-Bilder von Überwachungskameras vor Ort per Mausklick verfügbar seien. Daneben gebe es noch andere Arten von Daten, die für die Verbrechensverfolgung interessant seien. Die Polizei könne Geodaten, Drohnenflugbilder, Videos von Überwachungskameras und Daten von IT-Sensoren alle in eine Applikation einbinden. Zudem

Jürgen Schomakers (l.), Managing Partner bei Esri, und Udo Littke (r.), CEO bei Atos Deutschland, forderten noch mehr Digitalisierung. Foto: BS/Trenkel

seien öffentlich zugängliche Informationen wie Flug-, Verkehrs- und Wetterdaten interessant für die Verbrechensbekämpfung. Wenn die Beamten all das in einer Karten-Applikation bündelten, entstehe ein wirklich umfassendes Lagebild der Kriminalität, betonte der Wirtschaftsvertreter Udo Littke. Die Rede ist von Smart Contracts. Sie seien eine kostengünstige Option zum Abschluss von Geschäftsprozessen, bei denen kein Zwischenhändler nötig sei und die auch kostengünstiger durchgeführt werden könnten. Üblicherweise würden sie verwendet, um die rechtsgültige Abwicklung eines Vertrages zu automatisieren. Dabei entfielen die Papier- und Formulararbeit. Eine Anwendungsoption sei beispielsweise die Zulassung von Kraftfahrzeugen, so Hempel. Oft seien Smart Contracts so ausgelegt, dass sie automatisch in Kraft träten, etwa wenn bestimmte Voraussetzungen erfüllt seien. Dabei sei keine menschliche Unterstützung notwendig – womit damit auch eine häufige Fehlerquelle vermieden werde, erklärte der Firmenvertreter von Bechtle. Andere Digitalansätze sah der IT-Experte zwiegespalten. Hempel kritisierte den Ansatz der selbstbestimmten Identität (Selfsovereign Identity) wie den des

Mario Hempel, Director Sales Development Public Sector von Bechtle, erklärt die Vorteile der Smart Contracts. Foto: BS/Trenkel

Online-Ausweises des Bundesministeriums des Innern und für Heimat (BMI). Er sei zwar im Ansatz richtig, käme jedoch zu spät, um staatliche Souveränität sicherzustellen. Ferner fehle “Design by Security”, also dass darauf geachtet werde, bei der Entwicklung der Software die ITSicherheit vollends mitzudenken, bemängelte Hempel. Es bleibt also noch einiges zu tun.

Katrin Göring-Eckardt (Bündnis 90/Die Grünen), Vizepräsidentin des Deutschen Bundestages, erklärte, die Mehrheit der Bevölkerung befürworte nach wie vor das demokratische Regierungssystem Deutschlands, insofern könne von einer direkten Spaltung nicht die Rede sein. Man muss ihrer Meinung nach aber “diejenigen, die die Demokratie in Frage stellen, genau beobachten und Gesetzesverstöße ahnden”. Die Gelsenkirchener Polizeipräsidentin und kommende Düsseldorfer Beigeordnete, Britta Zur, stimmte dem zu und appellierte: “Wir als Polizei müssen offen und ansprechbar sein und so den Extremisten den Nährboden nehmen.” Denn die Unsicherheit der Bevölkerung sei in den letzten Jahren vor allem für die Polizei spürbar geworden, die auf der Straße den Staat und die Entscheidungen der Regierung repräsentieren müsse. Gefahr durch Globalisierung

“Doch, wir sind gespalten und verunsichert”, meinte hingegen Ahmad Mansour, Psychologe, Autor sowie Geschäftsführer der Mansour-Initiative für Demokratieförderung und Extremismus-Prävention (MIND). Einen Grund hierfür sieht er in der Globalisierung und dem damit einhergehenden schnellen Austausch von Informationen. “Wir alle konsumieren von morgens bis abends Nachrichten. Das hat uns aber nicht klüger gemacht, sondern verunsicherter.” Beispielsweise komme ein Konflikt in Gaza keine 24 Stunden später in Berlin an und entfalte dort seine Konsequenzen. In seinen Augen regen wir uns so sehr auf, dass der gesellschaftliche Diskurs immer enger und enger werde. “Demokratie bedeutet aber, miteinander in Streit zu gehen und das auszuhalten.” Problematisch sind laut Dr. Nikolai Horn, Digitalisierungsexperte beim Think Tank iRights.Lab, Philosoph und ehrenamtlicher Leiter der AG Ethik der Initiative D21, auch die zunehmende Emotionalisierung der Debatte und der Wunsch vieler Menschen, die Welt einfach erklärt zu bekommen – beides bediene der Extremismus. Und die Sozialen Medien unterstützten diese Entwicklung, indem sie mit ihren Algorithmen dafür sorgten, dass “die Menschen sich nicht mehr aus ihrer Bubble bewegen”, ergänzte Mansour. Er plädierte dafür, dass Politiker sich einmischen und Jugendliche über die Gefahren einseitiger Information aufgeklärt werden müssten. Soziale Medien hätten jedoch auch wunderbare Funktionen, argumentierte Horn. Sie könnten vernetzen und Kommunikation herstellen beziehungsweise vereinfachen, beispielsweise für Journalisten in Krisengebieten. Seiner Meinung nach haben Soziale Medien eine Kanalisierungsfunktion, welche hervorbringe, “was sich eh schon in den Menschen befindet”, z.B. Selbstdarstellung, Gewalt, aber auch Argumente und Gemeinschaftssinn – sie seien ein Brennglas der Gesellschaft. Göring-Eckardt kritisierte in diesem Zusammenhang die Geschwindigkeit, mit der in Sozialen Medien Themen behandelt würden. Es werde erwartet, innerhalb von zwei bis drei Minuten auf Schlagzeilen zu reagieren, sodass keine Zeit bleibe, Hintergründe und Fakten zu überprüfen. “Man muss sich selbst extrem kontrollieren, die eigenen Aussagen ständig überprüfen und ist dadurch oft zu spät im Diskurs”, erklärte die Vizepräsidentin des Deutschen Bundestages. Für Vollzugsbeamtinnen und -beamten stelle dies noch eine ganz eigene Gefahrenquelle dar, erläuterte Zur. “Jeder Einsatz kann zu jeder Zeit gefilmt werden”, führte sie aus, “wovon meistens nur ein paar Sekunden online gestellt werden, sodass die dargestellten Situationen völlig aus dem Zusammenhang gerissen werden.” Für Außenstehende würde so die Arbeit der Polizei oft völlig falsch dargestellt. Es sei daher wichtig, proaktive Aufklärungsarbeit zu leisten, folgerte die Polizeipräsidentin. Und Göring-Eckardt ergänzte: “Für mich als Bürgerin ist es super, dass Polizei auf Social Media ist und ich da direkt und mit einem Augenzwinkern Informationen bekomme.”

Spaltung der Gesellschaft?

Soziale Medien beeinflussen Polizeiarbeit

(BS/mj) Reagieren wir zu aufgeregt auf die vermeintliche Spaltung der Gesellschaft? Darüber herrschten auf dem Europäischen Polizeikongress unterschiedliche Meinungen. Bezüglich des Einflusses der Sozialen Medien war man sich hingegen (fast) einig.

Diskutierten über eine mögliche gesellschaftliche Spaltung (v.l.n.r.): Britta Zur, Ahmad Mansour, Dr. Eva-Charlotte Proll (Moderation), Katrin Göring-Eckardt und Dr. Nikolai Horn. Foto: BS/Trenkel

Nada Milisavljevic, Team Leader beim Cluster B.4 Innovation & Security Research der EU-Kommission, stellt das Forschungsprojekt zu Chatbots vor. Diese automatisierten Programme könnten bei der Befragung von Opfern häuslicher Gewalt helfen. Foto: BS/Trenkel

Die Maschinen ermitteln mit

Mit Chatbots und AR-Brillen gegen das Verbrechen

(BS/Benjamin Hilbricht) Wenn man sich die Polizei der Zukunft vorstellt, denkt man an Cyborgs in Kampfanzügen, die in düsteren, verregneten Betonwüsten Verbrecher verhaften, noch bevor sie ihre Straftat begangen haben. Doch die Zukunft, wie sie jetzt schon in den Forschungsstätten der europäischen Polizeien entsteht, ist subtiler. Polizeikräfte tragen Brillen, die ihnen Handlungsanweisungen geben, und Roboter vernehmen Missbrauchsopfer. Rechtlich stehen die neuen Technologien jedoch noch auf wackeligen Füßen.

Der klassische Ablauf eines Streifeneinsatzes braucht Zeit. Der Polizist muss eine Situation beobachten, sich orientieren, eine Entscheidung treffen und dann handeln. In der Regel gebe es zu viele Informationen, sagt Iván Martínez von der Lokalpolizei Valencia. Deswegen dauere es, bis eine Polizeikraft eingreifen könne. Wenn eine Polizistin zum Beispiel einen Mann sieht, der geschlagen wird, muss sie handeln. Doch welcher Teil der Szene ist relevant für sie? Wird die Frau, die daneben steht und schreit, sich einmischen? Steckt in den ausgebeulten Taschen des Geschlagenen ein Messer?

Brille gibt Anweisungen an Einsatzkräfte

Das Problem der Informationsflut will die Lokalpolizei Valencia lösen, indem sie Polizeikräfte mit sogenannten Augmented-RealityBrillen (AR-Brillen) ausstattet. “Augmented Reality” bedeutet, dass reale Bilder mit computergenerierten Inhalten ergänzt werden. Beispielsweise legen Apps wie Snapchat Hundeschnauzen und andere Simulationen über die Kamerabilder der Userinnen und User. Nach dem gleichen Prinzip sollen die AR-Brillen die Trägerin oder den Träger mit Echtzeitinformationen über das, was sie sehen, versorgen. Damit sollen Polizisten schneller Entscheidungen treffen und handeln können. Zum Beispiel könne die Brille zeigen, wie ein Beamter einer verletzten Person Erste Hilfe leisten muss. Oder bei einer terroristischen Gefahrenlage könnte sie den Beamten darauf hinweisen, wo die Waffen sind. Sogar bei der Entschärfung von Sprengsätzen könnte die Brille Anweisungen einspielen. Das Gerät sortiert die Informationsflut und gibt dem Polizisten damit einen Fokus. Dabei gibt es eine Kraft vor Ort und einen Planer im Hintergrund. Während der Planer im Hintergrund die Situation analysiert, folgt die Einsatzkraft dann nur noch nach bestem Wissen den Anweisungen. Das Projekt nennt sich DARLEnE, kurz für Deep AR Law Enforcement Ecosystem. Universitäten überall in der Europäischen Union (EU) nehmen teil, auch ein Standort in Bayern. Die EU finanziert.

Chatbots gegen das Totschweigen

Doch auch die eigenen Forschungszentren der EU forschen an der technischen Zukunft der Polizeiarbeit. Das Cluster B.4 Innovation & Security Research der EU-Kommission untersucht zum Beispiel den Einsatz von Chatbots bei der Befragung von Opfern häuslicher Gewalt. “Leute sprechen offener über häusliche Gewalt, wenn sie mit Chatbots reden. Sie fühlen sich nicht beurteilt”, erklärt Nada Milisavljevic, Team Leader beim Cluster B.4. Übergriffe und Gewalt gegen Partnerinnen und Partner hätten in der Corona-Krise deutlich zugenommen. Dieses Feld hat seit jeher eine hohe Dunkelziffer. Denn oft tun die Opfer sich schwer, über ihre Beziehungen und ihre gewalttätigen Partner zu reden. Insbesondere ist die polizeiliche Befragung eine belastende Situation für Betroffene. Chatbots könnten hier helfen, indem sie die Befragungen von Opfern übernehmen. Natürlich ist das noch Zukunftsmusik und weder juristisch noch durch Forschung abgestützt.

Rechtlich durchaus bedenklich

Während die Forscher gerade an Studien über die Wirksamkeit arbeiten, ist der Einsatz von Chatbots bei der Vernehmung noch rechtliches Neuland. Gilt eine Aussage, die ein Chatbot aufgenommen hat vor Gericht? Der Gesetzgeber wird das klären müssen. Klar hingegen ist, dass nicht alle Funktionen der AR-Brille eingesetzt werden dürfen. Denn theoretisch könnte sie auch Personen identifizieren. Aber europäisches Datenschutzrecht verbietet das. Und auch die deutschen Datenschutzbehörden würden hier sehr genau hinschauen.

Innovation auf Anfrage

Sichere Ausrüstung in Kooperation mit der Industrie

(BS/tkl) Es ist ein schizophrenes Bild: Die europäischen Polizeien haben diverse Probleme und Anliegen, die mit der entsprechenden Ausrüstung gelöst werden könnten. Und die Industrie hat viele Lösungen beziehungsweise die entsprechenden Ansätze. Trotzdem gibt es diverse Projekte, die scheinbar nicht vorankommen. Woran liegt das?

Wenn es nach Gerhard Schaub, Präsident des PolizeibeamtenVerbands Kommunalpolizeien (PBV KomPol) Zürich, geht, dann ist das vor allem ein Problem der frühzeitigen Kommunikation. Denn wenn die Polizeien schon sehr früh mit ihren Wünschen an die Unternehmen heranträten, dann könnten die Unternehmen bestehende Produkte entsprechend anpassen, oder speziell für den jeweiligen Bedarf entwickeln. Am Ende eines solchen Prozesses stünde dann zwar nicht immer die viel beschworene Goldrandlösung, aber für die Praxis würde es ja in der Regel schon ausreichen, wenn man mit der Lösung “leben kann”, so Andreas Backhoff, Inspekteur der Bereitschaftspolizeien der Länder. Besonders bei Problemen, die generell nicht nur Polizeien, sondern auch andere Sektoren beträfen, böten sich hier Gelegenheiten, auf bestehende Technologien aufzuspringen. ESG habe unter anderem aus diesem Grund angefangen, aus Innovationsprojekten vermehrt auch Produkte zu entwickeln, die auf dem militärischen und zivilen Markt angeboten werden könnten. Das berichtete Peter Pretscher, Product Manager Aviation Equipment bei ESG.

Den Markt erkunden

Gerhard Schaub empfiehlt, erfahrene Kolleginnen und Kollegen auf Messen und Tagungen zu schicken, um dort zu erkunden, was der Markt an neuen Ansätzen und Produkten zu bieten habe. So blieben die Polizeien immer auf dem neuesten Stand und könnten mit Problemen auch gezielt auf die Industrie zugehen, sodass Hersteller und innovative Firmen ihr Angebot entsprechend auf die Bedarfe ausrichten könnten. Das wäre auch im Rahmen des Vergaberechts möglich und habe vor einigen Jahren im Falle einer Schutzweste sehr gut funktioniert. Diese sei in der gewünschten Beschaffenheit mittlerweile von mehreren Anbietern verfügbar. Die angebotenen Lösungen würden außerdem zunehmend flexibler. Eines aber gelte es bei der Beschaffung sicherer Ausrüstung zu bedenken, so Schaub: “Wichtig ist, dass wir gutes Material bekommen. Und das kostet halt. Das müssen wir uns immer vor Augen halten.” Hier dürfe nicht am falschen Ende gespart werden, betont auch Rainer Wendt, Bundesvorsitzender der Deutschen Polizeigewerkschaft (DPolG): “Die Ausrüstung der Polizei muss immer ein bisschen robuster sein als die der Gegenseite. Und so sicher, wie für die Polizeibeamtinnen und -beamten notwendig.“ Er gibt jedoch auch zu bedenken, dass nicht alles, was technisch möglich sei, auch rechtlich erlaubt sei. “Das ist auch gut so. Das ist der Rechtsstaat”, so Wendt.

Behörden Spiegel: Sie sind der neue Innenminister Mecklenburg-Vorpommerns. Was steht auf Ihrer Agenda ganz oben?

Christian Pegel: Ganz besonders wichtig ist für uns momentan das Gewinnen von ausreichend Personal für die Bereiche Polizei sowie Brand- und Katastrophenschutz. Das treibt uns derzeit massiv um. Eigentlich wollen wir hier rund 6.200 Polizeistellen besetzen. Momentan sind davon nur etwa 5.900 besetzt. Wir müssen massiv ausbilden, um die erheblichen pensionierungsbedingten Abgänge in Mecklenburg-Vorpommern zu kompensieren und zusätzlich unsere Gesamtstärke aufzubauen. Außerdem müssen wir dafür sorgen, dass möglichst viele ihre Ausbildung in diesem Bereich auch tatsächlich abschließen.

Behörden Spiegel: Was ist Ihnen noch wichtig?

Pegel: Ich bin davon überzeugt, dass wir die Polizei sowie die Beamtinnen und Beamten auf der Straße durch die Digitalisierung massiv entlasten und länger im Dienst halten können. Außerdem müssen sie dann während ihrer Schichten deutlich seltener auf die Dienststelle zurückkehren, um Schreibarbeiten zu erledigen. Eine gute Digitalisierung bei der Polizei fördert das Interesse an diesem Beruf bei jungen Leuten. Davon bin ich überzeugt. Zugleich hat uns der Landtag aufgegeben, mögliches Fehlverhalten einzelner Polizeibereiche in der Vergangenheit transparent aufzuklären. Dafür gibt es nun einen Untersuchungsausschuss im Schweriner Landtag.

Behörden Spiegel: Jüngst wurden Zahlen zu möglichen Extremisten in den Sicherheitsbehörden bekannt. Wie ist die Lage in Mecklenburg-Vorpommern?

Ausbilden und Digitalisieren

Innenminister Pegel will Landespolizei M-V in die Zukunft führen

(BS) Er ist erst seit einigen Monaten im Amt, hat aber bereits eine große Agenda: Mecklenburg-Vorpommerns Innenminister Christian Pegel. Im Gespräch mit dem Behörden Spiegel äußert sich der Sozialdemokrat unter anderem zu Herausforderungen in den Bereichen Ausbildung und Digitalisierung. Die Fragen stellten Uwe Proll und Marco Feldmann.

Pegel: Gott sei Dank handelt es sich bei diesen Personen nur um einen ganz kleinen Teil der Beschäftigten. Aber auch hier gilt: Jeder von ihnen ist ein Fall zu viel, da so Ängste bei den Bürgerinnen und Bürgern ausgelöst werden und das Vertrauen in die Sicherheitsbehörden erschüttert wird. Leider sind wir in Mecklenburg-Vorpommern in dem Bericht auf den vordersten Rängen, wenn man die Zahl der Fälle prozentual an der Gesamtzahl der Beschäftigten misst.

Behörden Spiegel: Was wollen Sie dagegen tun?

Pegel: Dabei handelt es sich um extrem ehrliche Zahlen, da wir unsere Sicherheitsbehörden in den vergangenen Jahren bereits gründlich untersucht haben. Wir haben eine Vielzahl von Disziplinarverfahren eingeleitet und erleben eine sehr konstruktiv agierende Verwaltungsgerichtsbarkeit, die unser Vorgehen oftmals stützt. Wir haben auch bereits Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter aufgrund ihrer nachgewiesen extremistischen Einstellung aus dem Dienst entfernt. Hier müssen Bund und Länder aber noch mal nach besseren Lösungen bei rechtlichen Möglichkeiten suchen und über die tradierten Grundsätze des Berufsbeamtentums sowie das Disziplinarrecht sprechen. Es ist sehr schwer zu ertragen, dass Menschen ganz eindeutig rechtsextremistisch verwurzelt und eingestellt sind, aber dennoch nicht aus dem Dienst entfernt werden können. Es ist den Bürgern nicht zu erklären, dass Verfassungsfeinde innerhalb staatlicher Organe weiter aktiv sein dürfen. Hier braucht es noch mehr Konsequenz.

Christian Pegel (SPD) ist seit November 2021 Minister für Inneres, Bau und Digitalisierung des Landes Mecklenburg-Vorpommern. Zuvor war er dort Minister für Energie, Infrastruktur und Digitalisierung. Pegel gehört seit Oktober 2016 dem Schweriner Landtag an. Screenshot: BS/Hilbricht

Behörden Spiegel: Braucht es weitere Strafverschärfungen im Kampf gegen Angriffe auf Polizisten? Die letzten Verschärfungen haben offenbar nichts gebracht.

Pegel: Es stimmt, dass die Strafverschärfungen alleine nicht die Lösung bringen. Dennoch glaube ich, dass wir immer wieder schauen müssen, ob es an einzelnen Stellen im Strafgesetzbuch Nachbesserungen und Nachschärfungen braucht. Das allein reicht jedoch nicht aus. Der Kampf gegen Gewalt gegen Angehörige des Öffentlichen Dienstes ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe, die die Politik alleine nicht bewältigen kann. Es kommt auch darauf an, das Gewaltmonopol des Staates klar anzuerkennen und Gewalt gegen Polizisten zu stigmatisieren und Täterinnen und Täter zu isolieren. Hier braucht es ein klares Bekenntnis der Gesellschaft. Das Strafrecht alleine reicht nicht aus.

Behörden Spiegel: Wie erklären Sie sich die Radikalisierung auf Demonstrationen gegen die Corona-Schutzmaßnahmen?

Pegel: Dort gibt es eine kleine radikale Gruppe, die leider größer geworden ist. Das Gefühl, staatlichen Maßnahmen zur Eindämmung der Corona-Pandemie vermeintlich hilflos ausgeliefert zu sein, hat manche offenbar in die Radikalisierung getrieben. Momentan ist die Mobilisierung allerdings wieder deutlich geringer. Es gibt jedoch weiterhin eine Gruppe, die sich offenbar politisch nicht mehr mitgenommen fühlt und davon überzeugt ist, die Wahrheit für sich gepachtet zu haben. Das erschwert Diskussionen massiv. Dennoch werden Politik und Gesellschaft die Aufgabe haben, immer wieder auf diese Gruppe zuzugehen.

“Ich bin davon überzeugt, dass wir die Polizei sowie die Beamtinnen und Beamten auf der Straße durch die Digitalisierung massiv entlasten und länger im Dienst halten können.”

Behörden Spiegel: Welche Maßnahmen braucht es noch?

Pegel: Wir müssen noch mal schauen, ob das Strafrecht gegen Hass und Hetze im Netz verschärft werden kann. Dort gibt es oftmals gar keine Hemmungen mehr. Das ist aus meiner Sicht nicht hinnehmbar. Es braucht auch mehr polizeilichen Druck. Zudem müssen wir die Medienkompetenz der Bürger stärken.

Behörden Spiegel: Was muss bei der Digitalisierung der Polizei getan werden?

Pegel: Die Digitalisierung der Polizeien erfolgt in enger Abstimmung zwischen Bund und Ländern. In diesem bundesweit abgestimmten Korridor werden wir uns weiterbewegen. In Mecklenburg-Vorpommern möchte ich die verschiedenen Digitalisierungsprojekte, die derzeit bei der Landespolizei stattfinden, an einer Stelle bündeln. Das soll eine Art IT-Dienstleister für die Polizei werden. Außerdem dürfen wir bei der Digitalisierung der Polizei die Kriminalpolizei nicht vergessen. Künftig soll kein Polizist mehr zwingend den Notizblock benötigen. Das zu schaffen ist aber eine jahrelange Aufgabe.

Behörden Spiegel: Werden Sie die Polizei robuster ausstatten?

Pegel: Innerhalb der derzeitigen Regierungskoalition in Mecklenburg-Vorpommern ist unstrittig, dass wir Distanzelektroimpulsgeräte erst einmal nicht näher in den Blick nehmen. Wir werden Funkstreifenwagenbesatzungen damit zunächst nicht ausstatten. Denn diese Kräfte sind, was ihre Ausstattung, die sie an sich tragen, betrifft, durchaus bereits an der Grenze des Möglichen angekommen. Da geht vom Gewicht her, das sie am Körper tragen, kaum noch mehr. Wir haben uns vielmehr auf Körperkameras konzentriert, die wir nun flächendeckend ausrollen wollen. Wir wollen damit deeskalierend wirken. Und das scheint zu funktionieren.

Das komplette Videointerview findet sich in der Mediathek von "Digitaler Staat Online" (www.digitaler-staat.online/mediathek/): Suchbegriff: Pegel.

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Von einer "Hochwasserdemenz" kann man angesichts der Beiträge zur Flutkatastrophe 2021 auf der Tagung nicht sprechen. Dieses Ereignis ist immer noch Dreh- und Angelpunkt für die Überlegungen und Analysen zum Hilfeleistungssystem. Selbst in von der Flut nicht betroffenen Kommunen zeigen die Erfahrungen und Bilder Wirkung. "Das Thema Bevölkerungsschutz wurde in den vergangenen Jahren vernachlässigt. Deswegen ist eine Analyse der kürzlichen Krisen wichtig”, sagt der Würzburger Oberbürgermeister Christian Schuchardt (CDU). Im Kleinen habe sich auch in seiner Stadt schon etwas im Nachgang der Katastrophe getan. Zum einen treibe die Stadt, wie überall auch im Rest von Deutschland, die Modernisierung der Sireneninfrastruktur voran. Eine viel wichtigere Weiche sei in der Kompetenzverteilung gestellt. Man habe jetzt die Reglungen geändert, sodass auch der Direktor der Feuerwehr den Katastrophenfall ausrufen könne, wenn der Oberbürgermeister oder seine Stellvertreter nicht greifbar seien. Dies sei eine wichtige Lehre gewesen, um auch im Fall der Fälle handlungsfähig zu bleiben. Neben dem politischen müsse auch der finanzielle Rahmen geschaffen werden. Dies stelle aber Kommunen vor Schwierigkeiten, berichtet Schuchardt. “Geld kann nur einmal ausgegeben werden”, so der Oberbürgermeister. Als Entscheidungsträger müsse man immer den Ausgleich zwischen Katastrophenschutz und anderen kommunalen Aufgaben finden.

An vielen Stellschrauben drehen

Das Weichen auch im Katastrophenschutz selbst neu gestellt werden müssen, zeigt auch die Analyse der vfdb-Expertenkommission, die im Spätsommer des vergangenen Jahres im Nachgang an die Flutkatastrophe einberufen wurde. Dr. Ulrich Cimolino, Vorsitzender der Kommission und Branddirektor bei der Feuerwehr Düsseldorf, hat einen ganzen Strauß an Punkten, die unbedingt angegangen werden müssten. Angefangen beim Dauerthema Warnung über Führungssysteme, Kommunikation und Versorgung hin zu Ausstattung – bei allen Themen gebe es Verbesserungsbedarf. Gerade die Führungssysteme müssten überarbeitet werden. Zwar hätte die Führung auf Ebene unterhalb der Verbände, also bis zur Zugebene, gut funktioniert, doch darüber habe es erhebliche Schwierigkeiten gegeben. Besonders hinderlich für eine erfolgreiche Bewältigung habe sich die Uneinheitlichkeit der Führungssysteme erwiesen. Deshalb müsse die FwDV 100 dringend überarbeitet werden. “Dies wissen wir schon seit Jahren”, so Cimolino. Die Vorschrift müsse weiterentwickelt und konkretisiert werden. Die Weiterentwicklung setze aber auch eine weitere Professionalisierung von ausreichend viel Personal sowie den Aufbau von Redundanzen voraus. Zudem müssten die verschiedenen Führungsebenen besser miteinander verbunden, die Ausstattung verbessert sowie die Nutzung von Geodaten oder der Bildübertragung angeglichen werden. Ebenso müssten international bewährte Standards in die Überarbeitung miteinfließen. “Nur wenn wir aus Fehlern lernen, sind wir Profis, egal ob im Haupt- oder Ehrenamt”, resümiert Cimolino seine Analyse.

Es ist viel zu tun

Lehren und Forderungen auf der vfdb-Tagung

(BS/Bennet Klawon) An der Stärkung des Zivil- und Katastrophenschutzes müsse angesichts der vergangenen und kommenden Katastrophen und Krisen weitergearbeitet werden, zeigt sich Dirk Aschenbrenner, Präsident der Vereinigung zur Förderung des deutschen Brandschutzes (vfdb), auf der diesjährigen Jahrestagung überzeugt. Auch weitere Expertinnen und Experten sehen Handlungsbedarf. Im Fokus stehen die Überarbeitung der Feuerwehr-Dienstvorschrift 100 (FwDV 100) oder das Krisenmanagement der Länder. Auch das geplante Gemeinsame Kompetenzzentrum Bevölkerungsschutz von Bund und Ländern (GeKoB) trifft bei den Experten auf Vorbehalte.

Überarbeitung der FwDV 100 alle fünf Jahre

Der Forderung nach einer Überarbeitung schließt sich auch Prof. Dr. Peer Rechenbach, Mitglied des vfdb-Referats 13 (FI) – Forschungsmanagement und -information, an. “Die FwDV 100 ist jetzt schon 23 Jahre alt. Doch so was muss man alle fünf Jahre aktualisieren”, fordert Rechenbach. In ihrem jetzigen Zustand sei die Vorschrift nicht mehr aktuell. Sie müsse aber für Bereiche weiterentwickelt werden, die es vor 23 Jahren in dieser Form noch nicht gegeben habe und die somit noch nicht geregelt seien. Dies umfasse u. a. viele digitale Aspekte. Sie müsse aber auch die Weiterentwicklungen und Optimierungen von Verfahren angepasst werden, so der Experte. “Wir müssen bei der Analyse auch immer das Gute herausarbeiten, sonst besteht die Gefahr, dass wir alles über Bord werfen.” Ziel der Weiterentwicklung müsse sein, die FwDV 100 zu einer umfassenden Katastrophendienstvorschrift auszubauen. Dabei solle man sich an internationalen Standards orientieren. Natürlich dürfe dabei die kommunale bzw. örtliche Einsatzleitung nicht überfrachtet werden, da die internationalen Vorbilder andere Ressourcen zur Verfügung hätten. Anhaltspunkte für die Weiterentwicklung dieser Vorschrift, aber auch von weiteren Verfahren, könnten Lösungen und Guidelines von internationalen Organisationen sein, wie z. B. das United Nations Disaster Assessment and Coordination (UNDAC) Field Handbook oder die INSARAG Guideline. In diese Handbücher und Leitfäden seien die Erfahrungen von mehreren Großschadenslagen, die der durchschnittliche Katastrophenschützer meist nur einmal in seinem Leben sehe, eingeflossen. Dabei sollten die Vorgaben nicht eins zu eins übernommen werden, sondern müssten an die örtlichen Gegebenheiten angepasst werden. Rechenbach sieht die kommunale Ebene in der Pflicht, in einem Bottom-upVerfahren tätig zu werden. “Nicht auf irgendein Bundeszentrum warten, sondern selber machen”, fordert er.

Dirk Aschenbrenner, Leiter der Dortmunder Feuerwehr und Präsident der vfdb, eröffnete die 68. Jahrestagung der Vereinigung. Fotos: BS/Klawon Das Führungssystem in der Flutkatastrophe 2021 sei nicht optimal gewesen. Davon zeigt sich Dr. Ulrich Cimolino überzeugt. Benno Fritzen kritisiert die Zusammensetzung des geplanten Gemeinsamen Kompetenzzentrums Bevölkerungsschutz (GeKoB).

Geringe Bereitschaft für ein Ehrenamt

Wichtigkeit erkannt, aber keine Konsequenz

(BS/bk) Trotz Ukraine-Krieg, Flutkatastrophe oder Corona-Pandemie ist die Bereitschaft für ein ehrenamtliches Engagement nicht gestiegen. Dies geht aus dem zweiten Ehrenamtsmonitor des Malteser Hilfsdienstes (MHD) hervor. Wie schon im vergangenen Jahr führte das Unternehmen YouGov im Auftrag der Hilfsorganisation eine repräsentative Umfrage unter 2.000 Erwachsenen in Deutschland zu ihrer Einstellung zu ehrenamtlichem Engagement durch.

Auffällig bei der Umfrage ist, dass die Befragten (rund ein Drittel) sich spontan hilfsbereit zeigen, aber nur wenige sich langfristig in einer Hilfsorganisation engagieren wollen. Die Zahl derer, die sich länger binden wollen, liegt wie im vorherigen Ehrenamtsmonitor bei nur sieben Prozent. Von diesen sieben Prozent sind bereits fünf Prozent ehrenamtlich tätig. Dabei äußerten sich die Befragten durchaus sorgenvoll zu den kommenden gesellschaftlichen Herausforderungen. Rund drei Viertel der befragten Personen sahen den Themen Migration und Zuwanderung (76 Prozent), Pandemien (75 Prozent) und Naturkatastrophen (72 Prozent) mit mehr Beunruhigung als früher entgegen. Gleichzeitig wissen die Teilnehmerinnen und Teilnehmer der Umfrage um die Bedeutung des Ehrenamtes bei der Bewältigung von Krisensituationen. 70 Prozent halten das Ehrenamt bei der Bewältigung von Naturkatastrophen für wichtig und sehr wichtig. Nur noch höher (73 Prozent) wird die Bedeutung des Amtes für den sozialen Zusammenhalt bewertet. In diesem Zusammenhang ist zwar die Bereitschaft, ein Ehrenamt zu übernehmen, leicht gestiegen – von 28 Prozent auf 31 Prozent – doch bei 54 Prozent hat sich die Bereitschaft, ein Ehrenamt zu übernehmen, nicht verändert. Unter dem Eindruck der Flutkatastrophe 2021 ist die Bereitschaft, spontan helfen zu wollen, konstant bei 35 Prozent geblieben. Als Konsequenz aus diesem Missverhältnis von geringer Bereitschaft und den drängenden Herausforderungen fordert die Hilfsorganisation die Schaffung von verlässlichen Strukturen. “Die kurzfristige Hilfsbereitschaft reicht nicht aus, wo Zeit und Qualifikationen erforderlich sind, um wirkungsvoll helfen zu können. Daher müssen die auf langfristiges Engagement angelegten Strukturen im Bevölkerungsschutz gestärkt werden, damit diese im Notfall zur Verfügung stehen. Außerdem gilt es, die Hürden für den Eintritt ins Ehrenamt zu senken”, schreiben die Autorinnen und Autoren der Ehrenamtsmonitors. Eine Lösung könnte laut den Autoren die Schaffung eines “Gesellschaftsdienstes im Bevölkerungsschutz”, der eine vierjährige freiwillige Selbstverpflichtung vorsieht, sein. Für einen solchen Aufbau eines neuen Freiwilligendienstes im Bevölkerungsschutz für alle Altersgruppen, mit umfassender Ausbildung und mehrjährigem ehrenamtlichen Einsatz im Bevölkerungsschutz, sprachen sich in der Umfrage über 60 Prozent aus. “Die breite Zustimmung für einen “Gesellschaftsdienst im Bevölkerungsschutz” und die Stärkung der bereits tätigen Hilfsorganisationen zeigt, dass unsere Forderungen auf Akzeptanz in der Bevölkerung stoßen. Nun ist es an der Politik, die dafür notwendigen Voraussetzungen zu schaffen und bestehende Strukturen zu festigen. Unsere Gesellschaft braucht Ehrenamt, nicht nur in Krisenzeiten, wir brauchen auch Strukturen, die eine dauerhafte Versorgung sicherstellen”, erklärte dazu MHD-Präsident Georg Khevenhüller. Und wo bleibt die Feuerwehr?

Und dieses Bundeszentrum, also das GeKoB, welches beim Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe (BBK) angesiedelt werden soll, bereitet so manchem Bauchschmerzen. Gerade an der Zusammensetzung der permanenten Kontaktpersonen dort entzündet sich Unmut. “Wo bleibt die Feuerwehr?”, fragt sich Benno Fritzen, Leitender Branddirektor der Feuerwehr Münster a. D. Er kritisiert, dass nur das Technische Hilfswerk (THW), die Bundespolizei sowie die Bundeswehr permanent in dieses Zentrum eingebunden werden sollen. Die Feuerwehren sollen nach derzeitigen Plänen nur fallweise hinzugezogen bzw. über individuelle Vereinbarungen eingebunden werden. Dies sei aus mehreren Gründen problematisch. Zunächst einmal spreche die Größe des Personalstammes der Feuerwehren mit 1,1 Millionen Mitgliedern gegen eine nachrangige Position. Ebenso seien die Feuerwehren schon von der Zuständigkeit her prädestiniert, permanent am GeKoB beteiligt zu sein. “So wird das nichts”, sagt Fritzen. “Wenn zu der Größe auch die Zuständigkeit kommt, dann sollte man überlegen, neben THW, Bundespolizei und Bundeswehr die Feuerwehren als gesetzte Organisationen mit operativ-taktischem Sachverstand auch mit in das GeKoB zu nehmen.” Die Zuständigkeit als staatliche Organisation in der Gefahrenabwehr, die nicht der Zivilschutz sei, werde auf Ebene der Feuerwehr im Alltag tausendmal gelebt. Dort sei auch die meiste Kompetenz, die meisten Helfer und die größte Führungskräfte. Deshalb sei es geboten, die Organisation als gesetzt zu betrachten. Man brauche alle Akteure in dem Zentrum, um effektiv Krisen und Katastrophen zu bewältigen. Es könne aber nicht sein, dass die größte und zuständige Organisation nur eventuell dabei sei, so Fritzen.

Thesen zur Zukunft der Stabsarbeit

Arbeitsgruppe formuliert Anforderungen und Entwicklungspotenziale

(BS) Expertinnen und Experten aus Praxis und Forschung, Behörden, Einsatzorganisationen und Unternehmen haben in mehreren Workshops von 2021 bis 2022 acht Thesen zur Zukunft der Stabsarbeit erarbeitet (siehe Abbildung). Motivation war es, die nötige gesellschaftliche Aufmerksamkeit für Stabsarbeit in all ihren Facetten zu erzeugen und zielgerichtete Diskussionen anzustoßen. Die Thesen sollen Entwicklungsmöglichkeiten aufzeigen sowie Entscheidungsträgerinnen und -träger sowie Anwenderinnen und Anwender anregen, Lösungen zu suchen, zu finden und umzusetzen.

Ausgangspunkt ist die Feststellung, dass Stäbe unterschiedlichster Zuständigkeit und Ausprägung herausragende Stellungen innehaben. Sie sind im öffentlichen und privaten Bereich ein Führungsinstrument zur Bewältigung außergewöhnlicher Ereignisse, wie beispielsweise Notfälle, Krisen oder Katastrophen. Ereignisbewältigung verlangt –vor allem im Bevölkerungsschutz – Zusammenarbeit unterschiedlicher Akteure. Zwar arbeiten alle Akteure mit Stäben; dennoch ist die Zusammenarbeit über Organisationsgrenzen bislang schwierig. Dies zeigt nicht zuletzt die Bewältigung der Flutkatastrophe in Deutschland 2021. Die Stabsarbeit in Deutschland hat für die Ereignisbewältigung schon heute eine große Bedeutung, was, auf die Zukunft gesehen, noch zunehmen wird. Um die gesellschaftliche Resilienz unter sich verändernden Rahmenbedingungen zu erhöhen, bedarf die Stabsarbeit einer Weiterentwicklung ihrer Strukturen und Prozesse sowie einer Ressourcenerhöhung. Das Zielbild sollten kompatible, leistungsfähige und durchhaltefähige Stäbe sein. Dieses gilt bei aller Unterschiedlichkeit für Notfall-, Krisen- und Führungsstäbe in Organisationen verschiedener Bereiche (z. B. Behörden und Organisationen mit Sicherheitsaufgaben (BOS), Bevölkerungsschutz, Stäbe der zivil-militärischen Zusammenarbeit der Bundeswehr, Hilfsorganisationen, Unternehmen), auf verschiedenen Ebenen und mit unterschiedlichen Aufgaben (z. B. operativ, administrativ, strategisch). In zwei Thesen wird ein Überblick über die Rahmenbedingungen für die Stabsarbeit gegeben, die derzeit als eher ungünstig diagnostiziert werden. Zudem wird festgestellt, dass gleichzeitig auch die Anforderungen an Stäbe und Stabsarbeit steigen werden. Um dem zu begegnen, gehen die weiteren Thesen auf die Menschen, die Organisation und die Arbeitsmittel ein, aus denen Stäbe letztlich bestehen. Es wird dafür plädiert, den Menschen als Verantwortungsträger im Mittelpunkt der Stabsarbeit zu verstehen. Entsprechend sollen Mensch, Technik, Technologie und Organisation im Zusammenhang betrachtet werden. Die Weiterentwicklung der Stabsarbeit sollte systematisiert werden. Neben einem kontinuierlichen Verbesserungsprozess sollten u. a. Praxis und Forschung bzw. die unterschiedlichen Anwender stärker zusammenarbeiten. Hieran schließt sich als Endpunkt die Forderung an, die grundsätzlich bewährte FeuerwehrDienstvorschrift 100 gezielt weiterzuentwickeln und an neue Anforderungen anzupassen.

THESEN ZUR ZUKUNFT DER STABSARBEIT

1

DIE RAHMENBEDINGUNGEN FÜR DIE STABSARBEIT SIND AKTUELL EHER UNGÜNSTIG UND MÜSSEN VERBESSERT WERDEN

2

ZUKÜNFTIG WERDEN DIE ANFORDERUNGEN AN STÄBE STEIGEN

3

MENSCHEN TRAGEN IN DER STABSARBEIT DIE VERANTWORTUNG UND STEHEN DEMENTSPRECHEND IM MITTELPUNKT

4

5

6

7

8

DER UMGANG MIT TECHNISCHEN SYSTEMEN, TECHNIKEN UND RÄUMEN MUSS ANGEMESSEN SEIN

DIE ORGANISATION MUSS DEN ANFORDERUNGEN DES EINSATZES ENTSPRECHEN

TECHNISCHE SYSTEME, ARBEITSMITTEL & RÄUME MÜSSEN DEN AKTUELLEN BEDARFEN UND MÖGLICHKEITEN ENTSPRECHEN & EINE WIRKSAME STABSARBEIT ERMÖGLICHEN

DIE WEITERENTWICKLUNG DER STABSARBEIT MUSS SYSTEMATISIERT WERDEN

DAS FÜHRUNGSSYSTEM DER FWDV 100 BEDARF EINER GEZIELTEN WEITERENTWICKLUNG ENTSPRECHEND ZUKÜNFTIGER ANFORDERUNGEN

Die Thesen liefern keine Lösungen, sondern weisen in mögliche Richtungen. Jede These behandelt holzschnittartig einen Aspekt des Stabes bzw. der Stabsarbeit. Aufgrund der Kürze des Papiers können die Aussagen nicht für jeden Stab bzw. für jede Organisation genau passen. Die nötigen Differenzierungen sind in der Diskussion und in der Umsetzung zu leisten. Jede These kann für sich stehen. Für ein Gesamtbild müssen die Thesen im Zusammenhang gelesen werden. Der Kreis der beteiligten Erstellerinnen und Ersteller teilt sich auf in die Arbeitsgruppe, die Autorinnengruppe und die Mitzeichnenden. Die Arbeitsgruppe war an der Erarbeitung der Thesen in Workshops beteiligt. Die Autorinnen und Autoren haben die Thesen auf Grundlage der Workshopdiskussionen und anschließender Rückmeldungen formuliert. Die Mitzeichnenden tragen die Thesen mit und geben den Aussagen durch ihre Zustimmung Gewicht. Sie werden in einem separaten Dokument als Anlage zum Thesenpapier geführt. Der Kreis der Beteiligten freut sich über Rückmeldungen und steht für die organisationsübergreifende Entwicklung von Lösungen gerne bereit. Das Thesenpapier ist das initiale Dokument und wird mit dem Fortschritt der Zeit möglicherweise weiterentwickelt. Die Thesen werden in diesen Wochen in verschiedenen Fachzeitschriften veröffentlicht und auf Fachtagungen vorgetragen. Das Papier und die Mitzeichnungsmöglichkeit sind über den nebenstehenden QR-Code sowie unter https://plattform-ev.de/stabsarbeit/index.html abzurufen.

Die Thesen wurden formuliert von Franziskus Bayer, Frank Fiedrich, Dominic Gißler, Gesine Hofinger, Andreas Karsten und Christoph Lamers in Autorenschaft für die Arbeitsgruppe.

Neuausrichtung des Katastrophen- und Zivilschutzes

(BS/Boris Pistorius) Deutschland, Europa und die Welt stehen angesichts des Angriffs auf die Ukraine vor einer komplett neuen Sicherheitslage. Das hat nicht nur Folgen für die Außenpolitik und die äußere Verteidigung Deutschlands, sondern ist zugleich eine zentrale Herausforderung für unsere Innere Sicherheit. Gerade in einer von Krisen geprägten Zeit – neben den Folgen des Ukraine-Krieges stehen wir vor dramatischen Entwicklungen angesichts des fortschreitenden Klimawandels – ist es entscheidend, dass sich Industrie, Wissenschaft, Politik sowie Einsatzkräfte der Feuerwehren, des Rettungswesens und des Bevölkerungsschutzes vernetzen. Einen idealen Rahmen dafür bildet die Weltleitmesse Interschutz.

In Niedersachsen haben wir wichtige Schritte für einen modern aufgestellten Katastrophenschutz gemacht. Wir haben etwa die Erkenntnisse der Krisen und Katastrophen der vergangenen Jahre – Corona-Pandemie, Flutkatastrophe, Moorbrände, des Klimawandels insgesamt und nun des Krieges in der Ukraine – in einen umfangreichen Runderlass zur “Gliederung und Sollstärke der Einheiten des Katastrophenschutzes” einfließen lassen. Geplant sind eine umfangreiche Aufstellung des Betreuungsdienstes, der Ausbau der Logistik- und Versorgungsfähigkeiten, die Stärkung des Wasserrettungsdienstes für Sturmflut- und Hochwasserlagen sowie die Unterstützung von Pflegeleistungen. Auch die zentralen Landeseinheiten und die Materialvorhaltungen für besondere, überregional relevante Schadenslagen sollen erweitert werden. Zusätzlich sind der Ausbau der Satellitenkommunikationstechnik und der Aufbau eines Satellitenkommunikationsnetzwerkes für alle Katastrophenschutzbehörden geplant. Die Landesregierung hat zudem das Gesetz zur Änderung des niedersächsischen Katastrophenschutzgesetzes beschlossen. Damit werden die Krisenmanagementstrukturen angepasst und weiterentwickelt, um so noch effektiver aktuellen Entwicklungen entgegenzutreten und für bestmögliche Rahmenbedingungen bei der Weiterentwicklung des Katastrophenschutzes zu sorgen. Außerdem bauen wir damit insbesondere die Reaktionsfähigkeiten in unserem Bundesland weiter aus und sind so auf Krisenlagen jeglicher Art noch besser vorbereitet. Diese Maßnahmen und Anpassungen müssen immer finanziell abgedeckt sein. Die Landesregierung hat deshalb ein von mir initiiertes Ad-hoc-Paket im Umfang von 40 Millionen Euro zur Stärkung des niedersächsischen Bevölkerungs- und Katastrophenschutzes auf den Weg gebracht. Mit diesen zusätzlichen Mitteln können wir den Katastrophenschutz in Niedersachsen deutlich stärken und noch besser für neue Herausforderungen aufstellen. Diese werden zusätzlich zu den knapp 18 Millionen Euro bereitgestellt, die ohnehin jährlich für diesen Bereich eingeplant sind. Dadurch wird die Finanzierung kurzfristiger und mittelfristiger Maßnahmen ermöglicht. Daneben wird das im Haushaltsplan 2022 mit zehn Millionen Euro veranschlagte Sirenenprogramm wie geplant fortgeführt. Die Feuerwehren in Niedersachsen bleiben, neben den Hilfsorganisationen, die entscheidende Stütze bei der Neuausrichtung des Katastrophenund Zivilschutzes. Sie stellen sich den wachsenden Herausforderungen und einer sich ständig verändernden Sicherheitslage. Darüber hinaus soll deren Innovationskraft durch eine Neustrukturierung der Kreisfeuerwehrbereitschaften gefördert werden. Hierfür stellt das Land zusätzlich jährlich fünf Millionen Euro bereit. In den Jahren 2020 bis 2023 konnten darüber hinaus insgesamt weitere zehn Millionen Euro für die Wald- und Vegetationsbrandbekämpfung eingesetzt werden. Einen ersten Eindruck davon vermitteln wir bei der Interschutz 2022, wo am Stand der niedersächsischen Feuerwehren unter dem Motto “Einsatzort Zukunft” eine Einheit für die Vegetationsbrandbekämpfung in Niedersachsen vorgestellt wird. Wir leben in herausfordernden Zeiten, die sich nachhaltig auf unsere Gesellschaft und auch auf unser Verhältnis zur Inneren und Äußeren Sicherheit auswirken. Die äußere Verteidigung durch die Bundeswehr und die Innere Sicherheit der Bevölkerung sind zwei Seiten derselben Medaille. Deshalb ist ein weiterer wichtiger Schritt, dass wir jetzt mit unseren internationalen und europäischen Partnern gemeinsam Antworten auf diese Herausforderungen entwickeln. Katastrophenlagen, Pandemiebekämpfung, Bevölkerungsschutz vor dem Hintergrund des Ukraine-Krieges – die Probleme unserer Zeit spiegeln sich mehr denn je auch in den Feuerwehren wider. Vor diesem Hintergrund ist die Durchführung des 29. Deutschen Feuerwehrtages und der Interschutz 2022 nach zweimaliger pandemiebedingter Verschiebung wichtiger denn je. Wir werden die beiden sich ergänzenden Feuerwehr-Großveranstaltungen auch dazu nutzen, um gegenüber den politischen Entscheidungsträgern klare Positionen einzunehmen und Forderungen zu unterstreichen. So werden sich unter anderem Bundesinnenministerin Nancy Faeser und Bundesarbeitsminister Hubertus Heil dem direkten Gespräch mit Führungskräften der Feuerwehrverbände stellen. Bringen auch Sie sich hier ein! Resilienz, Internationalität und Gewaltprävention werden deutliche Schwerpunkte der Fachveranstaltungen während des Deutschen Feuerwehrtages sein. Die ganze Welt steht aktuell vor gewaltigen Herausforderungen. Das wirkt sich auch auf die Feuerwehren aus. Ein gemeinsamer Blick auf Möglichkeiten, Ideen, Trends und Perspektiven gehört deshalb ganz selbstverständlich zu unseren Aufgaben. Mit dem Zukunftskongress wollen wir dazu ein aktuelles Forum bieten. Es ist mir sehr wichtig, dass wir bei unserem Symposium “Gewalt gegen Einsatzkräfte – Feuerwehr und Politik wehren sich” hochkarätige Diskutanten

Boris Pistorius (SPD) ist niedersächsischer Innenminister. Foto: BS/Niedersächsisches Ministerium für Inneres und Sport zu den Fragen “Wie verhindern wir Gewalt? Wie unterstützen wir Betroffene?" gewinnen konnten. Die Veranstaltung findet am Freitag, 24. Juni 2022, von 10 bis 12:30 Uhr im Convention Center statt und wird im Rahmen des Bundesprogramms “Zusammenhalt durch Teilhabe” des Bundesinnenministeriums veranstaltet. Ich freue mich darauf, hier mit vielen Feuerwehrangehörigen diskutieren zu können. Der Gemeinschaftsstand des DFV auf der Interschutz (Halle 27, Stand D38) umfasst zahlreiche Partner. Damit zeigt er die Vielfalt des Feuerwehrwesens, um die der Deutsche Feuerwehrverband nach innen wie außen eine Klammer des Zusammenhalts bildet. Auf der Plaza als zentraler Kommunikationsfläche laufen interessante Vorträge aus der Facharbeit des Deutschen Feuerwehrverbandes, etwa zu Elektromobilität, Krebsrisiko, belastenden Einsätzen, Rettungshunden, FwDV 500, Social-Media-Strategien und vielem mehr. Informieren Sie sich unter www.feuerwehrtag.de über das aktuelle Programm und melden

Der 29. Deutsche Feuerwehrtag

(BS/Karl-Heinz Banse) Der 29. Deutsche Feuerwehrtag findet vom 20. bis 25. Juni 2022 unter dem Motto “Sicherheit.Leben” in Hannover statt. Parallel lockt die Weltleitmesse Interschutz in diesem Zeitraum Interessierte aus Feuerwehr, Rettungswesen, Bevölkerungsschutz und Sicherheit zum “Einsatzort Zukunft”. Der 29. Deutsche Feuerwehrtag findet in Zusammenarbeit mit dem Land Niedersachsen, dem Landesfeuerwehrverband Niedersachsen, der Stadt Hannover sowie der Feuerwehr Hannover in der niedersächsischen Landeshauptstadt statt.

Sie sich für unsere Fachveranstaltungen an! Diese sind im Sinne des VernetzungsKarl-Heinz Banse ist Präsident gedankens intedes Deutschen Feuerwehrver- graler Bestandteil bands (DFV). des 29. Deutschen Foto: BS/Rico Thumser, DFV Feuerwehrtages. Überall in Hannover selbst ist der Status als “Weltfeuerwehrhauptstadt” sichtbar: Beim “Tag der Feuerwehr” am Dienstag, 21. Juni, wird es von 10 bis 18 Uhr in der Innenstadt auf dem zentral gelegenen Trammplatz zur Eröffnung der Großveranstaltung Feuerwehr zum Erleben geben. Ich freue mich darauf, dass sich die Feuerwehr in allen Facetten präsentieren wird – von der Brandschutzerziehung für die Kleinsten mit dem VGH-Brandschutzmobil bis hin zu mächtigen Hubrettungsfahrzeugen der Feuerwehr. Am Samstag, 25. Juni 2022, findet von 10 bis 18 Uhr das große Treffen historischer Feuerwehrfahrzeuge zusammen mit den “Red Knights” (International Firefighters Motorcycle Club) statt. Der Oldtimer- und Motorradkorso führt von der Messe über die Innenstadt und wieder zurück. Täglich von 10 bis 18 Uhr soll zudem in Hannover Feuerwehrmusik erklingen. Feuerwehr leistet als lernende Einheit ihren Beitrag im Sinne der Sicherheit für die Menschen und als zivilgesellschaftlicher Akteur für ein friedliches Miteinander – gestern, heute und in Zukunft: Sicherheit.Leben!

Auswirkungen auf auch die Feuerwehrtechnik

VDMA-Geschäftsführer im Interview

(BS) Es gebe Licht und Schatten bei der aktuellen Lage der Maschinenbauer, sagt Dr. Bernd Scherer, Mitglied der Hauptgeschäftsführung des Verbands Deutscher Maschinen- und Anlagenbau (VDMA) und Geschäftsführer des VDMA-Fachverbands Feuerwehrtechnik. Lieferengpässe beträfen auch die Fertigung von Feuerwehrfahrzeugen. An Lösungen werde aber schon gearbeitet. Die Fragen stellte Bennet Klawon.

Behörden Spiegel: Wie ist die momentane Lage der Maschinenbauer im Hinblick auf Feuerwehrtechnik?

Scherer: Die Lage stellt sich aktuell, wie in vielen anderen Segmenten des Maschinen- und Anlagenbaus, zweigeteilt dar. Auf der Marktseite können wir nach wie vor sehr positive Nachrichten vermelden, die Lieferseite dagegen zeigt sich ausgesprochen angespannt. Der Auftragsbestand der Feuerwehrtechnikindustrie bewegt sich anhaltend auf sehr hohem Niveau. Branchenweit entsprechen die vorhandenen Aufträge einer Produktionsdauer von mehr als einem Jahr – ein Wert, der nicht nur im FeuerwehrtechnikSegment einen Rekord darstellt. Die Auftragsbücher sind voll, die Innovationsfülle erzeugt einen regelrechten Nachfragesog. Die Kehrseite dieser Entwicklung ist in manifesten Liefer- und Logistikengpässen zu sehen. Die kaum vorhersehbare Kostenentwicklung erschwert die Kalkulation erheblich. Insofern wäre es an der Zeit, Ausschreibungen auf Basis von Stoffpreisgleitklauseln zu flexibilisieren.

Behörden Spiegel: Wie stark wirken sich die verschiedenen Engpässe aus? Zeit bei Komponenten, aber auch in der Transportlogistik erleben, sind ihrem Ursprung nach in erster Linie pandemiebedingt. Stahl-, Mikrochip- und Containermangel bremsen Industrieunternehmen allerorten aus. Der Ukraine-Krieg hat die Problematik natürlich weiter verschärft; denken Sie beispielsweise an die stark eingeschränkte Kabelbaumfertigung in der Ukraine, die auch hierzulande zu signifikanten Friktionen geführt hat. Lieferfragen sind momentan segmentübergreifend im Fokus, ganz unabhängig davon, ob wir über Fahrgestelle, Aufbauten oder Ausrüstung sprechen. Auch strategische Überlegungen, z.B. Beschaffungsmodelle von morgen, werden in der Industrie praktisch überall angestellt.

Dr. Bernd Scherer, Mitglied der Hauptgeschäftsführung des Verbands Deutscher Maschinen- und Anlagenbau (VDMA) und Geschäftsführer des VDMA-Fachverbands Feuerwehrtechnik.

Foto: BS/Varnhorn

Behörden Spiegel: Welche Rolle wird die E-Mobilität in der Zukunft spielen? der Entwickler und Konstrukteure unserer Branche längst zu einer festen Größe geworden. Ihre Verwendung ist allerdings segment- und einsatzabhängig. Als Fahrantrieb für bestimmte Feuerwehrfahrzeuge im urbanen Umfeld ist der Elektroantrieb sicher eine sinnvolle Option, die zunehmend gezogen wird. Auch Nebenantriebe eignen sich für die Elektrifizierung, da sie gut und wirkungsvoll realisierbar sind. Andererseits gibt es nach wie vor auch gute Gründe für saubere Verbrennungsmotoren, so etwa mit Blick auf die kontinuierliche Einsatzbereitschaft unter allen denkbaren Bedingungen. In Verbindung mit klimaneutralen E-Fuels ist der Dieselmotor auch langfristig ein Modell, mit dem zu rechnen ist. Angesichts der erforderlichen Skaleneffekte hängt der Elektrifizierungserfolg in unserer Industrie indessen maßgeblich von der weiteren Entwicklung im Batterie- und Lkw-Sektor ab.

Neuer Auftritt, neue Produkte, neue Technik

Präsentation von Steigtechnik und Transportlogistik auf der Interschutz

(BS/Bettina Sauter*) Geballtes Know-how, eine ganze Reihe an Innovationen und ein 3D-Erlebnis der Spitzenklasse: All das erwartet die Besucherinnen und Besucher der Interschutz 2022 am Stand der Munk Rettungstechnik (Stand J02 in Halle 26). Der Technologie- und Innovationsführer für Steigtechnik- und Rollcontainerlösungen für den Brand-, Rettungs- und Katastropheneinsatz präsentiert sich in Hannover mit neuem Markenauftritt als starker Partner für Feuerwehren und Hilfsorganisationen.

“Die Interschutz ist das Event schlechthin für das Lösch- und Rettungswesen. Die vergangene Präsenz-Auflage liegt bereits sieben Jahre zurück. In diesem Zeitraum hat sich sehr viel getan. Umso mehr freut es mich, dass wir unsere Highlights endlich wieder live präsentieren und uns dem Fachpublikum mit dem neuen Markenauftritt als Munk Rettungstechnik vorstellen können”, sagt Ferdinand Munk, Inhaber und Geschäftsführer der Munk Group (Günzburg). Im Jahr 2021 hatte die Günzburger Steigtechnik GmbH die Weichen für eine wachstumsstarke Zukunft gestellt und sich unter dem Dach der Munk Group eine neue Markenstruktur gegeben: Die Munk Rettungstechnik ist dabei der Geschäftsbereich, der an seinem neuen Firmenstandort im benachbarten Leipheim das Produktsortiment an Multifunktions-, Steck- und Schiebeleitern, Rettungsplattformen, Werkzeugkästen und Rollcontainern sowie die komplette Gerätehausausstattung repräsentiert.

3D-Show zum Miterleben

Der Interschutz-Auftritt der Munk Rettungstechnik hat es in sich: Die RettungstechnikExperten präsentieren neue Produkte und nutzen dafür auch völlig neue Technologien, wie zum Beispiel eine aufsehenerregende audiovisuelle Projektionsshow, die das breite Sortiment an Rollcontainern in hautnah erlebbaren Einsatzszenarien zum Leben erweckt. “So hat man Rollcontainer auf einer Messe noch nie erlebt. Die Besucher können sich wirklich auf ein Spektakel freuen”, verspricht Ferdinand Munk “Großes Kino” wartet auf die Besucher am Stand der Munk Rettungstechnik. Weiteres Highlight: Mit einer VR-Brille lassen sich weitere Produktneuheiten realitätsnah virtuell erleben und die Interschutz-Gäste können sich hier in verschiedene Einsatzszenarien beamen. Alle Neuheiten und ihre Klassiker aus dem Produktsortiment präsentiert die Munk Rettungstechnik nicht nur live vor Ort und virtuell, sondern auch im neuen Rettungstechnik-Ratgeber Nr. 9, der zur Interschutz 2022 neu aufgelegt wird. Dieser zeigt sich auch so digital wie nie zuvor. Denn neben der Printversion wird pünktlich zur Interschutz auch eine neue, hochfunktionale Digitalvariante verfügbar sein: Auf www.steigtechnik.de/ katalog können Anwender dann direkt online im digitalen Ratgeber blättern und navigieren. *Bettina Sauter ist Leiterin Unternehmenskommunikation bei der Munk Group.

Die Munk Rettungstechnik präsentiert auf der Interschutz dem Fachpublikum ihre innovativen Rettungstechniklösungen. Foto: BS/Munk Rettungstechnik

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