Beschaffung / Vergaberecht
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ffentliche Auftraggeber können bei europaweiten Ausschreibungen das Verhandlungsverfahren ohne Teilnahmewettbewerb anwenden, teilt das BMWI in seinem Rundschreiben mit. Die dafür aufgeführten Voraussetzungen aus § 14 Abs. 4 Nr. 3 der Vergabeverordnung (VgV) seien mit den kurzfristigen Bedarfen infolge der Pandemie gegeben, insbesondere bei medizinischen Verbrauchsgütern wie Heil- und Hilfsmitteln sowie bei notwendigen Produkten, um den Beschäftigten das Arbeiten von zu Hause aus zu ermöglichen, wie Laptops oder Videokonferenztechnik. “Angebote können im Rahmen eines Verhandlungsverfahrens ohne Teilnahmewettbewerb formlos und ohne die Beachtung konkreter Fristvorgaben eingeholt werden”, heißt es in dem Rundschreiben. Danach sei es sogar denkbar, oberhalb der Schwelle die Fristen für die Erstellung von Angeboten auf bis zu null Tage
So flexibel wie möglich Bund und Länder erleichtern Beschaffung (BS/Jörn Fieseler) Für Zeiten wie diese sieht das Vergaberecht Verfahrenserleichterungen vor. Das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (BMWi) und die Europäische Union haben mittels Rundschreiben und Leitfaden darüber informiert, welche Voraussetzungen nun als gegeben angenommen werden können und welche Varianten für eine schnellere Beschaffung bestehen. Auch für Bauaufträge gibt es Vereinfachungen. Inzwischen haben auch einige Länder reagiert. zur reduzieren. Dies sei auch durch die Auslegung der europäischen Regelungen durch die EU-Kommission gedeckt, heißt es seitens des BMWi unter Verweis auf eine Mitteilung der Kommission vom 9. September 2015. Die EU-Kommission hat ihrerseits einige Tage später einen Leitfaden herausgegeben, in dem sie die Ausführungen des Wirtschaftsministeriums bestätigt hat. Im Sinne des Wirtschaftlichkeitsgebots zur effizienten Verwendung von Haushaltsmitteln sollen möglichst mehrere Unternehmen zur Angebotsabgabe aufgefordert werden. Es sei jedoch
Um dringend benötigte Güter wie medizinische Hilfs- und Heilmittel schneller beschaffen zu können, haben die Länder das Vergaberecht erleichtert. Foto; BS/pasja 1000, pixabay.com
Ein ausgereiftes Angebot braucht Zeit Vier Aspekte für erfolgreiche Angebote (BS/Patrick Hofstadt*) Immer wieder fühlen sich Unternehmen nach Wertung einer Vergabe benachteiligt. Sie sind überzeugt, eine den Erfordernissen des Auftraggebers optimal entsprechende Lösung konzipiert und zu einem attraktiven Preis angeboten zu haben. Tatsächlich mag die Lösung sogar gut gepasst haben, die Beschreibung der Lösung im Angebot oder die Darstellung des Angebots innerhalb der Vergabe-Rahmenbedingungen hat dies aber nicht widergespiegelt. In der Folge erhielt das Angebot nicht die Anzahl von Punkten, die gegebenenfalls möglich gewesen wäre. Es obliegt an dieser Stelle aber grundsätzlich dem Bieter, einen bestehenden Wissensvorsprung zum Auftraggeber zu überbrücken. In öffentlichen Ausschreibungen darf der Anteil qualitativer Wertungskriterien bis zu 70 Prozent betragen. Die Erfahrung zeigt, dass es eine große qualitative Bandbreite abgegebener Angebote gibt. Die Gründe sind vielfältig, drei Muster tauchen jedoch immer wieder auf: Zum einen besitzen fachliche und technische Mitarbeiter nicht oft das nötige Wissen, um mehrwert- und kundenorientiert zu argumentieren. Zum Zweiten stammen Vertriebsmitarbeiter oft selbst aus der Technik und haben es nicht gelernt, für fachfremde Zielgruppen professionell Texte zu verfassen. Und drittens existiert eine Bruchstelle zwischen der vertrieblichen und der fachlich-technischen Kommunikationswelt. Wichtige Informationen werden auf der inhaltlichen Ebene nicht von allen Beteiligten gleich verstanden. Bieter können zur Verbesserung an folgenden vier Punkten ansetzen: • Grundwissen zu öffentlichen Vergaben verbessern, • Informationslücke zwischen Vertrieb und Technik schließen, • Grundkenntnisse kunden orientierter Kommunikation beherrschen und • erkennen, dass ein ausgereiftes Angebot Zeit zur Erstellung benötigt.
Grundwissen zu öffentlichen Vergaben Unternehmen sollten ein solides Grundwissen in Bezug auf Sprache und Kultur öffentlicher Vergaben aufbauen oder sich vermitteln lassen. Manchmal scheitert es schon am Verständnis, dass “maximal vier Seiten” auch “maximal vier Seiten” heißt. Wenn sich wichtige Informationen aus einer falsch verstandenen Dramaturgie heraus auf der abschließenden fünften Seite befinden, werden sie gegebenenfalls nicht mehr gewertet.
Schließen der Informationslücke An den Schnittstellen zwischen Abteilungen gehen wichtige Informationen verloren. Nicht nur aufgrund der unterschiedlichen Kommunikations- und Sprachwelten, sondern auch wegen unterschiedlicher Grundmotive. Der Vertrieb möchte das Geschäft abschließen, Fachabteilungen
Behörden Spiegel / April 2020
Dabei müssen sie verständlich und präzise formuliert sein. Vertriebliche Botschaften sollten mit professiPatrick Hofstadt ist Geschäftsführer der QBC Anonellen Grafiken gebotsberatung. und journalistisch-redaktioFoto: BS/privat nellen Stilmitteln untermalt werden. Des WeiteRisiken und Kosten begrenzen. ren sollten Leistungsmerkmale Ansatzpunkte für Verbesserun- erkennbar mit dem entstehenden Nutzen für den Auftraggeber vergen können sein: • Sensibilisierung für eine aktive knüpft sein. Für alle Punkte existieren handModeration, die Missverständnisse und Informationsverluste werkliche Best Practices, die erreduziert und im weiteren Pro- lernbar, objektiv nachvollziehbar zess die Brücke zur Sprache und vielfach durch Kennzahlen und Kultur des öffentlichen messbar sind. Der Maßstab der Auftraggebers schlägt, damit Verständlichkeit ist darüber ein qualitativ hochwertiges An- hinaus immer die individuelle gebot abgegeben werden kann. Sicht des Auftraggebers auf die • Durchführung des Kick-offs Leistung. Dazu gehört auch die als gut vorbereiteter Präsenz- erwartete technische oder fachtermin oder professionelles liche Tiefe der Darstellung. Web Meeting (keine “reine” Ressourcenfrage Telefonkonferenz). • Erstellen von Bieter-EntscheiAbschließend müssen Fühdungsvorlagen mit detaillierten rungskräfte in bietenden Unkundenbezogenen Fragen. ternehmen verstehen, dass die • Intensivere Nutzung vorhan- Ausarbeitung überzeugender dener Dialogmöglichkeiten Angebote nicht en passant geinnerhalb der Ausschreibung. schehen kann. Manchmal ist es sinnvoller, auf die Beteiligung Kundenorientierte an einer Vergabe zu verzichten Kommunikation und frei werdende Ressourcen Angebotstexte sollten kun- an anderer Stelle einzusetzen, denorientiert geschrieben und um dort ein Top-Angebot absprachlich sowie stilistisch aus zugeben. Ein im Vorbeigehen einem Guss sein. Um ein tat- erstelltes Angebot gewinnt hingesächliches “Verkaufsdokument” gen fast nie. Es führt im besten – denn ein solches ist das An- Fall zu einem Nicht-Zuschlag, gebot nun einmal – zu schaffen, im schlimmsten Fall sorgt es müssen gute Angebotstexte ei- mit schlechter Qualität für einen ne kundenorientierte Struktur Imageschaden. Denn jedes Anbesitzen, die aus Auftraggeber- gebot ist auch eine Visitenkarte sicht das Wichtige voranstellt, des abgebenden Unternehmens schlüssig aufgebaut und auf und ein Ausblick auf die künftige das Wesentliche begrenzt ist. Zusammenarbeit.
Inhouse-Schulungen zum Thema Da die Bewerbung um öffentliche Aufträge für die Bieterseite vielfach eine besondere Herausforderung darstellt, bietet der Behörden Spiegel Inhouse-Schulungen zum professionellen Angebotsmanagement und zur überzeugenden Angebotsgestaltung an. Die Schulungen vermitteln an zweimal zwei Schulungstagen geballtes Wissen rund um die Konzeption, die Gestaltung und das Management von Vergaben auf der Bieterseite. Die Teilnehmenden erlernen Techniken und Werkzeuge zur besseren Mehrwertdarstellung, Handlungs-BestPractices für die erfolgreiche Umsetzung von Antworten auf komplexe Ausschreibungen und erhalten zahlreiche wertvolle Anregungen für die Optimierung der unternehmensinternen Angebotsprozesse. Wir freuen uns auf Ihre Anfrage an: praxisseminare@behoerdenspiegel.de
zulässig, in der aktuellen Phase auch nur ein Unternehmen anzusprechen. Die Norm, mindestens drei Unternehmen bei diesem Verfahren anzusprechen, sei in diesem Kontext nicht anwendbar. Ähnliches gelte im Regelungsbereich der Unterschwellenvergabeordnung (UVgO) zur Verhandlungsvergabe ohne Teilnahmewettbewerb, so das BMWi. Hier seien jedoch die Länder gefordert, entweder Wertgrenzen zu definieren, bis zu welcher Auftragshöhe dieses Verfahren angewendet werden darf, oder festzulegen, ob einzelne Regelungen der UVgO ausgesetzt würden. Davon haben die ersten nach Informationen des Behörden
Spiegel und des forum vergabe e. V. bereits Gebrauch gemacht. In Thüringen hat das Wirtschaftsministerium die Regelungen aus dem Erlass des BMWi quasi weitergeleitet an die Landesbehörden und Kommunen. Im Unterschwellenbereich ist es bei der Verhandlungsvergabe ohne Teilnahmewettbewerb ausreichend, nur ein Angebot einzufordern. Demgegenüber hat das Land Niedersachsen sehr detaillierte Vorgaben erlassen. Sämtliche Vergaben, die vor dem 31. Mai 2020 beginnen, dürfen im Wege eines Verhandlungsverfahrens ohne Teilnahmewettbewerb durchgeführt werden. Zudem ist der Direktauftrag bis zu diesem Datum bis zu einer geschätzten Auftragssumme von 20.000 Euro möglich. Noch mehr Freiheiten genießen die niedersächsischen Kommunen. Ihnen ist erlaubt, die Wertgrenzen für den Direkteinkauf in eigener Zuständigkeit festzulegen.
Außer Kraft gesetzt Einen Schritt weiter gegangen sind Bayern und Hamburg. Im Freistaat ist der Direktauftrag bis zum 30. Juni 2020 bis zu 25.000 Euro möglich, Verhandlungsvergaben und beschränkte Ausschreibungen mit und ohne Teilnahmewettbewerb bis zur Höhe der EU-Schwellenwerte für
Liefer- und Dienstleistungen von 214.000 Euro. Letzteres ist auch in Hamburg der Fall. Darüber hinaus hat die Freie und Hansestadt die Pflicht zur E-Vergabe bis Ende des Jahres 2020 ausgesetzt. Außerdem hält es die Finanzbehörde für vertretbar, auf die Abfragen aus dem Register zum Schutz des fairen Wettbewerbs zu verzichten. Momentan gebe es dort keine Eintragungen und es sei unwahrscheinlich, dass in den nächsten Monaten welche hinzukämen. “Liefer-, Dienst- und Bauleistungen, die unmittelbar oder mittelbar zur Eindämmung der Corona-Pandemie beitragen, können unter Berücksichtigung der Haushaltsgrundsätze der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit ohne Durchführung eines förmlichen Vergabeverfahrens beschafft werden (Direktauftrag)”, heißt es hingegen im Rundschreiben des Ministeriums für Wirtschaft, Verkehr, Landwirtschaft und Weinbau in Mainz. Noch deutlicher hat es die Düsseldorfer Landesregierung formuliert: “Unterhalb des EU-Schwellenwertes wird die Wertgrenze für den Direktauftrag auf 3.000 Euro angehoben und für den Einkauf von Waren und Dienstleistungen, die der Eindämmung und kurzfristigen Bewältigung der Corona-Epidemie und/oder der Aufrechterhaltung des Dienstbetriebs dienen, wird die Unterschwellenvergabeordnung bis zum 30. Juni 2020 ausgesetzt.” Im Baubereich beziehen sich die Erleichterungen vor allem auf die Vertragsausführung. Grundsätzlich sei der Tatbestand der höheren Gewalt erfüllt, er müsse jedoch in jedem Einzelfall geprüft werden. (siehe auch Seite 42, Zentrale Beschaffung angelaufen)
Fehler vermeiden, Chancen nutzen Zuwendungsrecht als Instrument der Gestaltung (BS/Sven Gumpert) Jedes Jahr werden in der Bundesrepublik Deutschland etwa 100 Milliarden Euro an Fördermitteln zur Verfügung gestellt. Allein im Rahmen der aktuellen Debatte um den Ausstieg aus der Braunkohle hat die Bundesregierung beschlossen, den betroffenen Regionen bis zum Jahr 2038 rund 40 Milliarden Euro an Fördermitteln für den strukturellen Umbau bereitzustellen. Allein die vorgenannten Summen machen deutlich, welche zentrale Verantwortung die Stellen tragen, die sich mit der Bewilligung, Abwicklung und Prüfung dieser Fördergelder befassen. Fördermittel werden eingesetzt, um wirtschaftliche und gesellschaftliche Strukturen zu bewahren und zu gestalten. Hinzu kommen große Fördergebiete wie Landwirtschaft, Straßenbau oder Mittelstand. Ein besonderes Augenmerk liegt zudem auf den sozialen Bereichen sowie auf der Förderung von Kultur und Sport. Diese Vielzahl an Fördermöglichkeiten zeigt auf, welche ordnungs- und wirtschaftspolitische Bedeutung dieses politische Instrument im Alltag hat.
Schutz durch Rechtssicherheit und Fehlerfreiheit Dabei treffen nicht selten die unterschiedlichsten Interessenlagen der beteiligten politischen Gremien, der Verwaltung sowie der Empfängerinnen und Empfänger der Fördergelder aufeinander. Unterschiedliche Interessen und Anforderungen führen in der Praxis häufig zu Spannungen zwischen den einzelnen Beteiligten. Optimalerweise sollen zum Beispiel erhebliche Geldsummen möglichst zeitnah und “unbürokratisch” bewilligt und ausgezahlt werden. Unter Beachtung der komplexen haushalts- und verwaltungsrechtlichen Regularien ist dies jedoch nicht immer einfach zu realisieren. In der Praxis führen die komplexen Anforderungen dann oft zu Beanstandungen, welche in der Rückforderung von Fördermitteln enden können. Nur eine rechtssichere und möglichst fehlerfreie Vergabe und Abrechnung von Fördermitteln nach klaren und rechtsstaatlichen Grundsätzen können sicherstellen, die zuständigen Mitarbeiter vor Beanstan-
stehen zahlreiche Möglichkeiten, Projekte und FörSven Gumpert ist Beauftragter für den Haushalt und Leiderprogramme so ter des Bereiches “Haushalt, zu gestalten, dass Controlling und Beteiligungsdiese praxisnah, management” beim Landeserfolgreich und beamt für Natur, Umwelt und anstandungsfrei Verbraucherschutz NRW. zum Ziel geführt werden können. Foto: BS/privat Eine grundlegende und vor allem dungen, Rückforderungen und vertiefende Befassung mit dem auch persönlichen Konsequenzen Zuwendungsrecht stellt daher eine zielgerichtete Investition dar, zu schützen. welche sich nicht nur in einem Fehlerquelle “Wurf ins kalte erfolgreichen Projektverlauf wiWasser” derspiegelt, sondern sich auch in Die zentrale Herausforderung Euro und Cent auszahlt. im Bereich Förderung ist, dass das zugrunde liegende Zuwen- Seminarreihe zum Thema dungsrecht zumeist sehr komplex und vielschichtig ist. Keinesfalls Mit der Seminarreihe “Einfühaber selbsterklärend. Dennoch rung in die Grundlagen des Zuentstehen in der Praxis immer wendungsrechts” und “Vertiefung wieder Situationen, in denen Mit- im Zuwendungsrecht” werden arbeitende unzureichend oder praxisorientiert und anhand von sogar ohne fachliche Einarbei- Fallbeispielen die grundlegenden tung mit der Abwicklung oder Rechtsvorschriften und StruktuAbrechnung von Fördergeldern ren des Zuwendungsrechts erläubetraut werden. Entsprechende tert und auch das zunehmend Fortbildungen werden entweder wichtiger werdende Thema der überhaupt nicht oder erst viele Erfolgskontrolle behandelt. So Monate später besucht. Gerade werden die Teilnehmer in die Lage dieser “Wurf ins kalte Wasser” versetzt, die Gestaltungsspielführt oft dazu, dass zeit- und kos- räume des Zuwendungsrechts tenintensive Fehler entstehen, ergebnisorientiert zu nutzen und welche im schlimmsten Fall zu Fehler zu vermeiden, bevor sie Widerrufen und Rückforderun- entstehen. Die nächsten Termine, das Progen führen können. Mit einem fundierten Wissen könnten diese gramm und die Anmeldung finden Fehler vermieden werden. Eine Sie unter www.fuehrungskraef ausreichende Fortbildung führt te-forum.de, Suchwort: “Zuwenaußerdem dazu, die zahlreichen dung”. Gestaltungsspielräume des ZuWeitere Informationen des Autors wendungsrechts ergebnis- und zielorientiert nutzen zu können. auch unter www.zuwendungs Gerade im Zuwendungsrecht be- recht.biz