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Warum Insekten sterben

Foto: Yolo-Team

Sandra Aurenhammer (links) hat uns für ein Interview besucht

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Möchten Sie sich bitte vorstellen?

Ich heiße Sandra Aurenhammer und ich bin Biologin. Ich arbeite beim Ökoteam in Graz, das ist ein Institut für Tierökologie und Naturraumplanung und mein Spezialgebiet sind die Käfer. Ich bin sozusagen Käferexpertin.

Wie sind Sie zu diesem Beruf gekommen?

Ich habe in Graz bis 2014 Ökologie und Evolutionsbiologie studiert, habe 2012 mit meiner Masterarbeit begonnen und im Rahmen dieser habe ich mich mit Käfern zu beschäftigen begonnen - insbesondere mit holzbewohnenden Käfern. Ich habe die Masterarbeit in Kooperation mit dem Ökoteam durchgeführt und bin seitdem zu Beginn als Werkvertragsnehmerin beim Ökoteam tätig und jetzt schon seit vielen Jahren dort als Angestellte.

Was ist das Ökoteam?

Das Ökoteam ist ein zoologisches Fachbüro, das ist das größte zoologische Fachbüro in Österreich. Wir haben drei Gesellschafter, neun Angestellte und zehn Werkvertragsnehmer. Man kann sich das so vorstellen, dass das eine Gruppe aus unterschiedlichsten Experten ist, die alle ihren eigenen Bereich haben. Alle sind für eine eigene Tiergruppe verantwortlich. Es gibt sehr viele Tierarten in Österreich und man braucht sozusagen einen eigenen Experten für jede einzelne Tiergruppe, weil es so viele unterschiedliche Arten gibt und das Ökoteam macht zum einen Forschung - wirklich zoologische Grundlagenforschung, beispielsweise in Naturschutzgebieten - aber auch Gutachten. Das Ökoteam ist auch planerisch tätig, d.h. bei Bauvorhaben gibt es zum Beispiel Umweltverträglichkeitsprüfungen, die vom Ökoteam durchgeführt werden, sowie ökologische Bauaufsichten und dergleichen. Wir haben Projekte in ganz Österreich. Aber eine ganz große Vielfalt haben die Insekten mit ihren vielen Arten. Die zu prüfen, das ist unser Spezialgebiet. Wir behandeln auch andere Tiergruppen, auch Wirbeltiergruppen, Säugetiere, Vögel usw. Aber was uns vielleicht besonders macht, ist der Expertenreichtum im Bereich der Insekten. Wir haben Experten für Wanzen, für Zikaden und ich beschäftige mich mit den Käfern.

Werden Insekten immer weniger?

Die Insekten erleben gerade einen Aufschwung. Durch das Schlagwort »Insektensterben« werden die Leute aufmerksam auf die Kleinsten, aber tendenziell gibt es Gruppen die populärer sind und wo es auch mehr Bearbeiter gibt, die die Gruppe behandeln, beispielsweise Vögel und Säugetiere und Gruppen, die weniger populär sind, wie vielleicht Spinnen oder versteckte Formen, die man nicht so leicht zu Gesicht bekommt und wo es auch österreichweit sehr wenige Experten gibt, die die Arten unterscheiden können. Das ist ein großer Auftrag. Für einen Biologen ist das wahrscheinlich ein Lebensauftrag in einer Tiergruppe die einzelnen Arten voneinander trennen zu können. Das braucht sehr viel Zeit und sehr viel Erfahrung und natürlich wissenschaftliches Equipment mit Insektensammlung und Bestimmungsliteratur.

Warum Insekten sterben

Insektenarten zu bestimmen ist eine aufwendige Arbeit

Wie fangen Sie die Käfer?

Wenn ich draußen unterwegs bin, dann packe ich meinen Klopfschirm ein. Den kann man sich so vorstellen, wie einen verkehrten Regenschirm. Da ist ein Leinentuch aufgespannt auf einen Metallring und den halte ich unter die Äste und oben schlage ich mit einem Stock drauf und schaue dann, was alles auf dieses weiße Leinentuch rauffällt. Das ist mein erstes Werkzeug. Mein zweites ist beispielsweise der Kescher. Den kann man sich vorstellen wie ein Schmetterlingsnetz, mit dem man durch die Vegetation oder die Wiese keschert. Es gibt aber auch Untersuchungen, die über einen längeren Zeitraum gehen, beispielsweise über mehrere Monate. Da installiere ich oft Fallen, die automatisch fangen, die man zum Beispiel in eine Baumkrone reinhängt und die Insekten fliegen dagegen, beispielsweise an einer Plexiglaswand runterrutschen und durch einen Trichter mit einem Gefäß dran gesammelt werden. Da schaue ich regelmäßig alle paar Wochen vorbei und entleere diese.

Wo gibt es in Österreich noch Urwälder?

Österreich ist zwar zur Hälfte von Wald bedeckt, aber in der Tat schaut's so aus, dass unter einem Prozent der Waldfläche noch natürlich ist. Wenn man von Urwäldern spricht, die seit der letzten Eiszeit vom Menschen unberührt geblieben sind, dann sind das vielleicht 0,15 Prozent der gesamten Fläche. Ganz winzige Reste an Urwald gibt's noch zum Beispiel im Wildnisgebiet Dürrenstein oder Rothwald, das sind die letzten Reste in Österreich. Es gibt keine alten Bäume mehr, zum Beispiel eine Eiche oder eine Buche, kann tausend Jahre alt werden. Wenn man einmal vor so einem Denkmalbaum steht, sieht man wie mächtig der ist, der ist viele Meter dick und wirklich beeindruckend. Wo sieht man so etwas schon? Wenn man durch einen Wald spaziert, sind die Bäume meist in Monokultur gepflanzt oder man sieht, dass dort bewirtschaftet und geerntet wird und das keine natürlichen Strukturen mehr vorhanden sind. Das ist für Insekten ein riesiges Problem, weil der Lebensraum verschwindet und viele Insekten sich in toten Bäumen entwickeln. Ein toter Baum ist vielleicht für's menschliche Auge was Abstoßendes, für mich als Biologin natürlich nicht. Das ist ein richtiges Insektenhotel, da leben abertausende unterschiedliche Tierarten.

Welche Insekten sind für Menschen nützlich?

In einem gesunden Ökosystem hat jede Insektenart ihren Platz und die Insekten verrichten ganz viele Ökosystemdienstleistungen, also die haben ganz viele Funktionen, die uns vielleicht gar nicht bewusst sind. Sie haben eine ganz wichtige Rolle bei der Bestäubung von Nutzpflanzen. Sie sind ganz massiv am Abbau von abgestorbenem Pflanzenmaterial beteiligt oder auch von anderem Material, was sozusagen wieder in den Kreislauf eines Ökosystems eingebettet werden muss. Von dem her ist es schwierig von nützlichen Insekten zu sprechen, weil alle einen großen Nutzen haben und natürlich auch in der Nahrungskette als Nahrungsgrundlage dienen, beispielsweise für Fische und für Vögel, für andere Tiere. Selbst Mücken, die uns lästig sind,

haben ihre Rolle im Ökosystem und dienen als Nahrungsgrundlage. Von den klassischen Schädlingen, die zum Beispiel in Fichtenplantagen auftreten, muss man dazu sagen, dass gewissen Probleme, die wir mit den Insekten haben, hausgemacht sind. Eine Fichtenmonokultur würde in der Natur in der Form wie wir sie bei uns haben, nicht vorkommen. Erst mit den Plantagen und den Monokulturen, die dann auch noch an unpassenden Standorten vorkommen, wie beispielsweise bei der Fichte, wo man die Tendenz hat sie in sehr niedrigen Lagen zu setzen, weil das Holz schnell und sehr gerade wächst, sind viele Probleme hausgemacht. Die Bäume werden schwach und in einer Monokultur kann sich natürlich auch ein Käfer, der auf Fichte spezialisiert ist, in Massen vermehren. Das ist in einem natürlichen Wald oder einem gemischten Wald nicht möglich. Die Schädlinge züchten wir uns eigentlich selber, sowohl in den Feldern als auch in den Forsten. In einem ausgewogenen Ökosystem würde so ein Schädling in der Masse nicht auftreten und nicht schädlich sein.

Was sind die Gründe für das gegenwärtige Artensterben?

Der Mensch hat die Tendenz jedes Stück Land zu nutzen, so gut es geht. Wenn man sich die Landschaft in Österreich anschaut, dann ist die vielerorts für das menschliche Auge sehr hübsch, aber man muss bedenken, dass jedes Stück Land - ob Wiese oder Wald - vom Menschen genutzt und bearbeitet wird. Da kommen Pestizide und Insektenvernichtungsmittel auf die Felder und das seit Jahrzehnten. Man bringt Tonnen von Gift in die Landschaft, Tonnen von Insektenvernichtungsmittel auf die Äcker und Wälder. Dadurch verlieren Insekten ihre Lebensgrundlage und den Lebensraum. Das ist die Industrialisierung der Land- und Forstwirtschaft, die ganz massiv mit dem Insektensterben zusammenhängt. Aber auch die Flächennutzung und natürlich auch durch die Versiegelung der Flächen.

Wie kann man das Artensterben verhindern?

Durch ein Umdenken kann man es hoffentlich eindämmen. Man muss großräumig denken und in erster Linie müsste man in der Land- und Forstwirtschaft von der Politik her Gesetze schaffen, die den Einsatz von Pestiziden und den Landverbrauch regeln. Als Einzelner ist es genau so super, wenn man vielleicht im eigenen Garten beginnt. Wenn man keinen Rasenroboter im Garten drüberlaufen lässt und nicht gleich alles, was vielleicht ein bisschen unordentlich aussieht, kleinhäckselt. Ist es nicht schöner eine Blumenwiese zu haben?

Was würde passieren, wenn es keine Insekten mehr gibt?

Es gibt das Zitat von Einstein: Wenn die Bienen von der Erde verschwinden, dann verschwinden auch nach vier Jahren die Menschen. Es gibt in Österreich 54.000 unterschiedliche Tierarten. Von diesen sind 3/4 Insekten, das heißt der Großteil unserer Tierarten weltweit sind Insekten. Wenn die verschwinden, dann haben wir ein gewaltiges Problem, dann wird's wohl nicht lange dauern, bis es keine Pflanzen oder Menschen mehr gibt. Ganz viele Funktionen im Ökosystem würden zusammenbrechen. Es gibt keine Nahrungsgrundlage mehr, es gibt keine Bestäuber mehr, es gibt niemanden mehr, der das abgestorbene Material abtransportiert oder die Mineralstoffe wieder in die Erde bringt. Die Böden würden unfruchtbar werden. Vielen Dank für das Gespräch! 

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