In der Reihe Gegenspieler des Fischer-Verlages veröffentlichte Kathrin Gerlof einen Band19, der keine neue Erkenntnisse, sondern eine alte Polemik brachte: den Vergleich Löwenthals mit dem Chefkommentator des DDR-Fernsehens, Karl-Eduard von Schnitzler. Die Autorin gelang es an kaum einer Stelle, sich in die Zeit des kalten Krieges, insbesondere der Propaganda, hineinzudenken. Die großen Unterschiede – Werte und Einstellungen einerseits, Arbeitsbedingungen andererseits – blieben auf der Strecke. Beispielsweise hatte Schnitzler, der Partei-Agitator, nie einen Gegner seiner politischen Einstellungen ins Studio des Schwarzen Kanals geladen. Umgekehrt hatte Löwenthal, der Journalist, persönliche Schmähungen und plumpe Unwahrheiten nach Art Schnitzlers gegenüber politischen Gegnern vermieden. Ferner waren Schnitzlers Kommentare v. a. als »Argumentationshilfen« für SED-Mitglieder gedacht, also im Bereich des totalitären Agitprop angesiedelt. Wissenschaftliche Aufsätze über Gerhard Löwenthal im Rahmen der Mediengeschichte oder der Journalismusforschung fanden sich nicht. Vielmehr war Löwenthal sehr oft Gegenstand von journalistischen Beiträgen im Spiegel oder Stern, also in den weit verbreiteten, einflussreichen Publikumszeitschriften. Diese Texte sind zumeist polemischer Natur: Sie waren gegen Löwenthal und seine Vereine gerichtet und schon durch die Auswahl des Bildmaterials als Teil eines journalistischen Kampfes gegen den Konservatismus erkennbar. Der Forscher kann diese Texte nicht ignorieren, doch findet er letztlich zu wenig über die Werte, Einstellungen und Meinungen Löwenthals. Winzig erscheint daher die Bedeutung dieser Texte verglichen mit den Aussagen Löwenthals in dessen journalistischem Output. Denn diese Quellenlage ist insgesamt recht gut: Die Witwe Dr. Ingeborg Löwenthal übergab 2003 seinen schriftlichen Nachlass dem Archiv für christlich-demokratische Politik (ACDP)20 der Konrad-Ade nauer-Stiftung in Sankt Augustin, wo unter anderem auch die Dokumente des christdemokratischen Bundesministers Ernst Lemmer, seines Schwiegervaters, lagern. Der Umfang beträgt 90 Aktenordner, d. h. 20 laufende Meter, die Laufzeit reicht von 1946 bis 2002 (also von Löwenthals journalistischen Anfängen beim RIAS bis zu seinem Tode). Es handelt sich dabei erstens um Akten, die seine journalistische Tätigkeit dokumentieren: Reportagen für den RIAS, ferner Niederschriften einiger Interviews, die er führte. Mehrere Protokolle seiner Hochschulfunk-Sendungen sind vom RIAS gedruckt und vervielfältigt worden. Weit schlechter steht es hingegen mit Quellen aus Löwenthals kurzer Dienstzeit als stellvertretender Intendant des Senders Freies Berlin 19 Kathrin Gerloff: Gegenspieler. Gerhard Löwenthal, Karl-Eduard von Schnitzler. Frankfurt a. M.: Fischer Taschenbuch, 1999. 20 Archiv für christlich-demokratische Politik, Bestandssignatur 01-763. Im folgenden: ACDP, NL Löwenthal, 01-763.
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