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In amerikanischer Uniform: Von Barbizon nach Berlin

vor. Das Verhältnis der Amerikaner zu Charles de Gaulle war ambivalent und für den französischen Anspruch, zu den Siegermächten zu gehören, hatten viele Amerikaner wenig Verständnis, obwohl sie in Jalta dem britischen Drängen nachgegeben und eingewilligt hatten, Frankreich den Status einer vierten Siegermacht mit einer eigenen Besatzungszone zuzugestehen. Auch auf das Verhältnis Adenauers zum rheinischen Separatismus war Biel nicht eingegangen.

Der weitere Weg seines Memorandums ist schwer nachzuverfolgen. Ein Exemplar verblieb bei ihm. Auf sich gestellt, konnten Biel und Howley Adenauer kaum fördern, zudem war der April 1945 auch noch nicht der richtige Zeitpunkt. Biel hatte Adenauer nicht »entdeckt«, aber sehr gezielt auf ihn als möglichen führenden Politiker in einem künftigen westdeutschen Gebiet hingewiesen. Mit Biels Memorandum betrat Adenauer die Bühne der amerikanischen Deutschlandpolitik und damit auch der Weltpolitik. Wer will, kann hier zudem eine der frühesten Verschriftlichungen der Idee einer westdeutschen Staatsgründung entdecken. Biel wusste, dass sich diese Frage noch lange nicht stellen würde, und Adenauer seinerseits war bei dem Interview noch von einem Fortbestand Preußens ausgegangen. In seinem Interesse für seine Geburtsstadt Berlin unterschied sich Biel zudem grundlegend von Adenauer. Auch deswegen musste er, gemeinsam mit Howley, unbedingt weiter nach Berlin. Das »Interview« mit Adenauer war für ihn nur eine Durchgangs- oder Zwischenstation.

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In amerikanischer Uniform: Von Barbizon nach Berlin

Biels Reise nach Berlin begann zwei Monate später, im Jui 1945. Die deutsche Wehrmacht hatte am 8. Mai kapituliert, das Deutsche Reich war vollständig besiegt und besetzt. Hitler hatte sich am 30. April umgebracht. Konrad Adenauer war seit dem 4. Mai wieder Oberbürgermeister von Köln. Berlin war seit dem 2. Mai vollständig von der Roten Armee besetzt, aber Amerikaner und Briten sollten jeweils einen eigenen Sektor erhalten, die Franzosen später ebenfalls. Oberst Frank Howley wurde beauftragt, mit einem Vorauskommando Unterkünfte für die amerikanischen Truppen zu organisieren. Biel gehörte zu seinen engsten Mitarbeitern; beide einte ein pragmatisches Vorgehen, um

amerikanische Interessen gegen sowjetische Ansprüche durchzusetzen. Tatsächlich waren Howley, Biel und Lucius D. Clay damit in der amerikanischen Armee zunächst noch Ausnahmen. Sie riskierten früh einen Konflikt mit der Sowjetunion. Allerdings verlangten sie auch nicht mehr als das, was tatsächlich vereinbart worden war.

Mit der »Berliner Deklaration« vom 5. Juni 1945 übernahmen die Siegermächte zunächst gemeinsam die oberste Regierungsgewalt im Deutschen Reich – Deutschland hörte damit endgültig auf, als souveräner Staat zu existieren. Kurz darauf brach Howley zusammen mit Biel, 500 Soldaten und 120 Fahrzeugen nach Berlin auf. Nach einer Zwischenstation in Halle an der Saale ging es am 17. Juni 1945 über die Autobahn in die ehemalige Reichshauptstadt. Die Sowjetunion wollte zunächst nur eine viel kleinere Anzahl von amerikanischen Soldaten nach Berlin lassen. Howley machte sich deshalb zunächst nur mit der gerade erlaubten Zahl, 37 Offizieren, 175 Mannschaften und Unteroffizieren, auf den weiteren Weg. Biel war dabei. Die Einreise nach Berlin gestaltete sich jedoch schwierig. Erst am 30. Juni erhielt Howley, der zwischenzeitlich mit Biel wieder nach Halle hatte zurückkehren müssen, den neuerlichen Marschbefehl. Am 1. Juli 1945 erreichten die amerikanischen Truppen die Stadt. Wie sich die Sowjetunion den westalliierten Streitkräften gegenüber weiter verhalten würde, wusste niemand genau. Die amerikanischen Soldaten hatten zunächst keine Unterkünfte. Howley und sein Vorauskommando bildeten mit ihren Fahrzeugen eine Wagenburg im Grunewald. Die erste Nacht, die Ulrich Biel wieder in seiner Geburtsstadt verbrachte, fand unter den Bedingungen eines Feldlagers statt.

Und doch hatte Biel am 1. Juli 1945 endlich sein Ziel erreicht. Er war wieder in Berlin. Hier wartete kein Politiker wie Adenauer, zu dem bereits im Vorfeld Tuchfühlung aufgenommen werden konnte. Dies hätte die Rote Armee nicht zugelassen. In Berlin waren die Verhältnisse anders als in Köln. Auch hier gab es zwar seit dem 19. Mai einen Magistrat, an dessen Spitze Oberbürgermeister Arthur Werner stand, ein parteiloser Architekt. Ihm gehörten mit dem Gesundheitsstadtrat Ferdinand Sauerbruch und dem Baustadtrat Hans Scharoun glanzvolle Namen an, die Mehrheit des Magistrats waren jedoch Mitglieder der erst vor wenigen Wochen wieder zugelassenen KPD. Das entsprach den Vorgaben des KPD-Funktionärs Walter Ulbrichts, der schon seit dem 30. April mit einer Gruppe moskautreuer Kommunisten in Berlin war und den

»Why Army Wives Will Sail«: New York Evening Post, Ausgabe vom 27. März 1946; Untertitel »Germany was her home«

Amerikanischer Truppentransport nach Berlin 1945 auf der Autobahn zwischen Helmstedt und Berlin

Neuaufbau in enger Abstimmung mit der sowjetischen Militäradministration in Deutschland (SMAD) steuerte. An der Spitze der deutschen Zivilverwaltung einer Stadt könne gerne ein parteiloser Bürgerlicher »mit Doktortitel« stehen, doch die entscheidenden Positionen müssten in der Hand der KPD sein, lautete Ulbrichts Devise. Wörtlich sagte er zu den kommunistischen Funktionären, wie von Wolfgang Leonhard überliefert: »Es muss demokratisch aussehen, aber wir müssen alles in den Händen behalten.«

Es waren jetzt Offiziere wie Biel, die auf amerikanischer Seite geeignetes politisches Personal für die Verwaltung der West-Sektoren finden mussten. Geeignet hieß nach den Vorstellungen der USA: politisch unbelastet, ohne nennenswerte NS-Verstrickung. Nach den Vorstellungen von Biel und Howley waren eine antikommunistische Haltung und Misstrauen gegenüber der Sowjetunion weitere Kriterien. Der Kontakt zu Adenauer war zwar nicht gänzlich abgerissen, aber Biel konzentrierte sich jetzt klar auf Berlin. Die enge Zusammenarbeit mit dem Katholiken Howley zeigte sich in einer besonderen Aufmerksamkeit für katholische Einrichtungen wie dem Gymnasium Canisius-

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