Zwischen Demokratie und Diktatur Otto Braun in der Weimarer Republik M a n f r ed G ö r t e m a k e r
Sebastian Haffner hat in seinem Buch Preußen ohne Legende die Frage aufgeworfen, ob nach 1871 eine »Verreichung Preußens« oder eine »Verpreußung des Reiches« stattgefunden habe.1 Die Frage ist nicht ohne weiteres zu beantworten, da Preußen und das Reich noch lange nebeneinander bestanden und sogar inein ander verschränkt existierten. Erst die Revolution von 1918 und die Weimarer Verfassung von 1919 sowie die politischen, wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Rahmenbedingungen nach dem Ersten Weltkrieg führten zu Strukturen, die dem alten Preußen gänzlich fremd waren. Für Preußen schien es danach in der deutschen Geschichte keinen Platz mehr zu geben. Und doch lebte es weiter – nicht als selbständiger Staat, wohl aber als größtes Land im Deutschen Reich, das sich überdies in einer Republik, die nach der bitteren Niederlage im Krieg, dem folgenden wirtschaftlichen Absturz und der fortwährenden, bis 1933 nie wirklich entschiedenen Auseinandersetzung um den richtigen Weg in der Innen- und Außenpolitik immer wieder im Chaos zu versinken drohte, als »Hort der Stabilität und Ordnung« erwies.2
Respekt statt Verehrung Ministerpräsident des »Freistaates Preußen«, der an die Stelle der preußischen Monarchie trat, war von März 1920 bis März 1933, mit zwei kurzen Unter brechungen 1921 und 1925, Otto Braun – ein ostpreußischer Sozialdemokrat aus Königsberg, geboren 1872 als Sohn eines verarmten Schuhmachermeisters, ein Hüne von Mann, fast 1,90 Meter groß, dazu willensstark, sachlich, nüchtern
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