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2 Sanfte Hügel, kurze Balken

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Von Bernau nach Eberswalde

Blick auf Biesenthal

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Wegverlauf der Tour

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TOUR KOMPAKT

Anreise: S-Bahnlinie 2, tagsüber im 20-Minuten-Takt Start: S-Bahnhof Bernau Ziel: Bahnhof Eberswalde Abreise: Regionalbahn ab Eberswalde-Hauptbahnhof R 3 stündlich bis Berlin-Hauptbahnhof, RB 60 nach Berlin-Gesundbrunnen, RB 63 bis Berlin-Lichtenberg Streckenlänge: 40 km Wegqualität: überwiegend asphaltiert, wenige Wegstücke Kopfsteinpfl aster Streckenprofi l: im Abschnitt Bernau–Biesental leichte Steigungen und Gefälle Verlauf: S-Bahnhof Bernau / Bernau Innenstadt / stadtauswärts Richtung Nordwest Oranienburger Straße / Wandlitzer Straße / FritzHeckert-Straße / Hannes-MeyerCampus / stadteinwärts Wandlitzer Straße / Oranienburger Straße / Bernau Innenstadt / Ladeburg / Lobetal / Biesenthal / Grafenbrück / Finowfurt / Eberswalde / Eberswalde Hauptbahnhof Kartenempfehlung: Fahrradkarte Seenland Oder-Spree Nordteil vom Pietruska Verlag Besichtigung: Innenstadt Bernau, Heimatmuseum im Henkerhaus, Steintor, Pulverturm, Wolf Kahlen Museum, Hannes-Meyer-Campus, Kaiser-Wilhelm-Turm Biesenthal Einkehrmöglichkeit: »Schleusengraf« Grafenbrück, Restaurant »Alte Brauerei«, Eberswalde Beschilderung: Radwegbeschilderung (grün/weiß), zusätzlich erster Teil Berlin–Usedom bis Wegkreuzung vor Grafenbrück, ab da Treidelradweg

Die heutige Tour führt von Bernau durch das Barnimer Land bis in die Stadt Eberswalde. Nach Bernau gelangen wir von Bahnhof Friedrichstraße mit der S-Bahnlinie 2.

BERNAU: Die Stadt hat eine lange Geschichte. Schon sehr früh gründeten sich hier Siedlungen. Im 13. Jahrhundert entstand die Stadt und wurde durch Tuchproduktion und Bierherstellung bald reich. 1432 kam es zur Belagerung durch Hussiten, die erfolgreiche Verteidigung übernahmen Frauen, welche den Angreifern heißen Biersud auf die Köpfe gossen.

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Bernauer Altstadt mit Pulverturm, Stadtmauer und Eingangsschild des Henkerhauses

Pest und Dreißigjähriger Krieg ließen Bernau über Jahrhunderte veröden. Erst die Eröffnung der Eisenbahnstrecke Berlin–Eberswalde und die Nähe zur preußisch-deutschen Hauptstadt brachten einen Aufschwung. Im Zweiten Weltkrieg blieb die Stadt verschont. Nach Kriegsende war Bernau ein Standort der sowjetischen Streitkräfte. In den 1980er Jahren wurden Altbauten abgerissen und durch öde Plattenbauten ersetzt.

Sehenswert sind die Reste der mittelalterlichen Stadtmauer, Pulver- und Hungerturm, das Heimatmuseum mit dem Steintor und dem Henkerhaus. An dessen Fassade sind die Namen der hier tätigen Scharfrichter verzeichnet, darunter einige Frauen. Das Wolf Kahlen Museum stiftete sein Namensgeber, ein aus dem Rheinland zugezogener Objekt- und Performance-Künstler.

Eine Stahlstele listet Namen von hingerichteten Ketzern und Hexen auf, die in Bernau verbrannt wurden.

Die Marienkirche, ein mächtiger spätgotischer Bau, beherbergt einen Flügelaltar, welcher der Schule des älteren Lucas Cranach zugehören soll. Das mittelalterliche Sankt-Georgen-Hospital, erbaut im Auftrag der Tuch- und Gewandschneider, übernahm die Behandlung von Pestkranken.

Im Norden der Stadt verzeichnet der Stadtplan einen »Hannes-MeyerCampus«, offensichtlich benannt nach dem Schweizer Architekten und Direktor des Dessauer Bauhauses.

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Kirche in Ladeburg, Radweg vor Biesenthal, Felder bei Lobetal

FUNDSTÜCK: 1928 erwarb der Allgemeine Deutsche Gewerkschaftsbund (ADGB) ein etwa 6,2 Hektar großes Gelände. Er schrieb einen Wettbewerb zum Bau eines Zentrums für Weiterbildung und Erholung aus, und der Architekt Hannes Meyer setzte sich mit seinem Entwurf unter anderem gegen Erich Mendelsohn und Max Taut durch. Die Grundsteinlegung erfolgte im Juli 1928, im Mai 1929 feierte man Richtfest, im Mai 1930 war die Eröffnung. Drei Jahre nutzte der ADGB den Bau für Weiterbildung und Erholung, dann, nach Hitlers Machtübernahme, besetzten SAEinheiten das Objekt. Eine Reichsschule der NSDAP zog ein. Auch andere Nazi-Organisationen wurden aktiv, im Sommer 1939 probte die SS hier den »polnischen Überfall auf den Sender Gleiwitz«, womit der Zweite Weltkrieg begann. 1945 wurde der Bau Lazarett der Roten Armee, 1946 übernahm der ostdeutsche Gewerkschaftsbund FDGB und schulte hier seine Funktionäre. Die Anlage wurde erweitert und unter Denkmalschutz gestellt. 1990 unterstand sie zunächst der Treuhandanstalt, 2001 übernahm die Handwerkskammer Berlin das Areal und ließ sanieren. Heute befi ndet sich hier ein Seminar- und Lehrgangshotel, andere Gebäudeteile nutzt das Barnim-Gymnasium. Die Anlage gilt als eine der bedeutendsten Architekturen des Bauhauses von Weimar und Dessau.

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Kaiser-Wilhelm-Turm Biesenthal, Wehrmühle Biesenthal, Rathaus Biesenthal

Wir verlassen Bernau auf der Route des Radweges Berlin–Usedom in nördliche Richtung. Blühende Wiesen, Waldstücke und Alleen prägen das Landschaftsbild. Das Dorf Ladeburg wurde 2001 Ortsteil von Bernau. Auf seinem dreieckigen Dorfanger steht eine Dorfkirche aus dem 13. Jahrhundert mit fünfseitiger Apsis. Der Weg führt durch Felder, die Sonne wärmt, es weht leichter Wind. Die von der Weichseleiszeit geformte Landschaft wird wellig, unsere Gangschaltungen leisten gute Dienste. Lobetal. Die Ortschaft wurde bekannt durch die 1905 von Pastor Friedrich von Bodelschwingh zunächst als Obdachlosenasyl gegründeten Hoffnungstaler Anstalten. Heute, als Zentrum des Diakonischen Werkes, bieten sie Wohn- und Werkstätten für Behinderte, Senioren sowie Epilepsie- und Suchtkranke. 1990 fand der abgesetzte SED-Chef Erich Honecker samt Frau Margot in ihr ein vorübergehendes Asyl.

Am Ortsrand von Lobetal beginnt der Naturpark Barnim. Es duftet nach Moos und Pilzen. Die Umgebung wird sumpfi g, Mücken schwärmen, gegen sie hilft nur schnelleres Fahrtempo. Mitten im Wald die Langerönner Getreidemühle, einst angetrieben von Wassern der umgebenden Fließe. Nach kleinen Steigungen und schönen Abfahrten erreichen wir Biesenthal. Dessen Ursprung waren slawische Siedlungen. Zwei Wehranlagen sind nachweisbar, eine auf dem großen Schlossberg, wo sich neben Resten einer askanischen Burg der im 19. Jahrhundert errichtete Kaiser-Friedrich-Turm fi ndet, eine

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Gebäude des »Schleusengraf« in Grafenbrück

inzwischen gesperrte Aussichtsplattform. Hinter dem Schlossberg beginnen Gartenanlagen.

Die Wehrmühle Biesenthal wurde erstmals 1375 erwähnt, sie diente der Burg als Vorwerk. Zur Mühle gehörte ein Verwaltungsgebäude, das 1907 ein jüdischer Unternehmer namens Mühsam erwarb, er verwandelte es in eine Villa mit Stuckfassade. Heute befi ndet es sich abermals in Privatbesitz. 2006 bis 2010 fand darin die jährliche Kunstaustellung ART Biesenthal statt.

Der Weg führt zu einer Brücke über die Autobahn A 11, dann zu einer Weggabelung und schließlich zum Pregnitzfl ieß. An einer Kreuzung schneiden sich der Radweg Berlin–Usedom und der Treidelradweg, dem wir folgen. Wir entdecken ein Gebäude mit auffälligem Dach, in der Form eines umgekehrten Bootes, Indiz für eine bemerkenswerte Geschichte: Das Haus gehörte zunächst der Königlichen Wasserbauinspektion, die von 1765 bis 1875 in Grafenbrück saß. Die Schleuse selbst existierte schon im 17. Jahrhundert, ihre Entstehung verdankte sie dem Bau des Finowkanals.

Die Dachkonstruktion des Inspektionsgebäudes geschah in Bohlenbinderbauweise, die eine Erfi ndung des preußischen Klassizisten David Gilly war: Mehrere Lagen kurzer Holzbohlen wurden zu langen, bogenförmigen Tragelementen verbunden, wodurch statt großer Balken auch minderwertige kurze Hölzer Verwendung fi nden konnten.

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