SHWirtschaft Newsletter 4_17

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S C H I F F FA H R T S B E T R I E B

«DIE KUNDEN WOLLEN ENTSCHLEUNIGUNG UND GENUSS.» BARBARA HOLDENRIEDER-MÄNDLI Geschäftsführerin

zur Probe, brachte sie ihren Mann mit, einen gelernten Koch, und der war genauso begeistert vom Leben am Fluss wie sie. So übernahmen die beiden nach und nach das Ruder von ihrem Vater.

KULINARISCHE HÄPPCHEN Gekonnt steuert die 49-Jährige das Schiff weg vom Rheinfall Richtung Rheinau, wo es träge entlang dem unverbauten, grünen Ufer dahingleitet: «Rheinischer Amazonas» nennen die Touristen diesen Flussabschnitt, und Barbara Holdenrieder-Mändli weiss, wie sich das Fahrerlebnis im digitalen Zeitalter gut vermarkten lässt. Am Telefon spürt sie die Bedürfnisse der Kunden am besten heraus. «Sie wollen Entschleunigung und Genuss.» Daher bietet sie grosse Rundfahrten und Spezialfahrten mit kulinarischen Häppchen an: vom Zmorgebrunch bis zum Fischerschmausteller. Nicht weit vom Bootshaus entfernt führt eine steile Treppe zum Büro und Wohnhaus der Mändlis hinauf. Der Arbeitsweg ist kurz. Als ihre Zwillinge noch klein waren, war sie froh darüber. Nun sind sie 15 Jahre alt und brauchen keine Nanny mehr, weil Mutter und Vater im Sommer rund um die Uhr arbeiten.

ein, sie will Generalisten, die überall anpacken. Die Putzfrau aus Brasilien reinigt nicht nur das Wohnhaus, sondern greift auch im Bootshaus zum Besen. «Ich habe gelernt, auf meinen Bauch zu hören.» Sie mag direkte Kommunikation. Alles andere ist der geradlinigen Frau zuwider. Der Betrieb ist familiär, die Wohnungstür steht auch dem Personal offen. «Die Kinder haben schon früh gemerkt, dass wir eine grosse Familie sind.»

KREATIVE WINTERZEIT Ist die Saison vorbei, geht die Arbeit nicht aus. Ende Oktober kehrt in Mändlis Büro der normale Büroalltag ein, wo sie das nächste Jahr vorbereiten, Kursfahrpläne erstellen, Prospekte entwerfen, neue Ideen entwickeln wie Badebootsfahrten, den Jahresabschluss erledigen und die Boote überholen. Dafür ist ihr Mann zuständig, und manchmal hilft auch noch ihr Vater mit, ein gelernter Schreiner, sowie ein weiterer Schreiner, den die Mändlis beschäftigen, denn im Nohl werden immer noch die legendären Mändli-Boote hergestellt – aus Kunststoff mit einem Auf bau aus Holz. Barbara Holdenrieder-Mändli und ihr Mann haben sich indes auf den Schifffahrtsbetrieb fokussiert.

Denn von Mai bis Oktober legt das Ehepaar kaum Pausen ein. Barbara Holdenrieder-Mändli plant zwar früh den Jahresablauf und teilt ihre Mitarbeitenden mit Vorlauf ein, doch abgesehen von den Spezialfahrten, die bei jedem Wetter stattfinden, ist das Business wetterabhängig. Strahlt die Sonne über dem wuchtigen Rheinfall, stehen die Passagiere Schlange, und die Geschäftsführerin muss selbst spontan ans Steuer eines ihrer Boote: «Ich bin die Springerin. Aber mir liegt dieses hektische Gewerbe.»

Die Strategie, auf Extrafahrten für Gruppen wie Schulklassen, Betriebs- und Hochzeitsgesellschaften sowie auf Spezialprogramme zu setzen, scheint aufzugehen. Barbara Holdenrieder-Mändli kommt gut über die Runden. Trotz Konkurrenz – vier Schifffahrtsunternehmen befahren den Rheinabschnitt. Sie glaubt an die persönliche Betreuung und ihr Organisationstalent. «Es braucht viel Wissen und Erfahrung, um alles zu koordinieren.»

Weil das Wetter höchst unberechenbar ist, braucht Barbara Holdenrieder-Mändli flexible Mitarbeiter, die auf Abruf herbeieilen. Diese findet sie vor allem unter Männern, die kurz vor der Pensionierung stehen oder bereits im Ruhestand sind und denen es nichts ausmacht, am Wochenende zu arbeiten und während der Essensfahrten nicht nur das Boot zu steuern, sondern auch Speis und Trank zu servieren: «Die Qualifikation spielt keine Rolle.» Die Mändlis bilden ihre Fahrleute selbst aus. «Das ist ein enormer Aufwand. Wir sind laufend dran.» Die Bootsausbildung dauert ein Jahr. Barbara Holdenrieder-Mändli setzt auch sonst keine Spezialisten

Die sportliche Kapitänin wendet das Boot und fährt langsam zurück Richtung Bootshaus. Von Weitem winkt ihr Mann. «Ich habe einen zuverlässigen und verständnisvollen Partner. Ohne ihn ginge es nicht.» Auch für den Krankheitsfall hat sie vorgesorgt und eine Bürokraft angestellt, die nun immer präsent ist. Mittlerweile kann sie sich sogar ein paar Tage im Sommer freischaufeln. Dann gönnt sich die Familie Kurzferien. Im Winter darf die Reise auch mal länger sein. Dann lassen Barbara Holdenrieder-Mändli und ihr Mann ihre gemächlichen Vehikel im Bootshaus stehen und reisen mit dem Flugzeug in die wohlverdiente Erholung.

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