Engelsloge Nr. 20

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OPER

Auf den Kern skelettierte Handlung

Seit 1841

Wie schon bei Il trovatore, der letzten Staatsopern-Neuinszenierung des Komponisten, dessen 200. Geburtstag in diesem Jahr allerorts begangen wird, bediente sich Verdi einer dramatischen Vorlage aus der düsteren spanischen Romantik. Die in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts neu geschaffenen Theaterstücke zeichnen sich durch ihre tableauxartige Struktur aus; dramatischer Effekt erhält den Vorzug gegenüber einer logisch nachvollziehbaren Handlung. So auch im Fall von Duque de Rivas’ 1835 veröffentlichtem Stück Don Álvaro o La fuerza del sino, das Verdi wie so oft bis auf seinen Kern skelettierte. In der hektischen Anfangssituation planen die sich heimlich Liebenden Leonora und Alvaro gerade die Flucht aus dem Haus des Vaters, als dieser auftaucht und durch einen sich offenbar zufällig lösenden Schuss aus Alvaros Waffe getötet wird. Die verzweifelte Leonora sucht daraufhin Zuflucht in einer klösterlichen Einsiedelei. Alvaro irrt durch die Welt, wird im

Martin Kušej – Inszenierung

G

eboren in Kärnten, studierte Regie in Graz. Nach Assistenzen in Salzburg und Ljubljana entstanden ab 1987 eigene Inszenierungen u.a. am Burgtheater Wien, am Bayerischen Staatsschauspiel, am Deutschen Schauspielhaus und am Thalia Theater Hamburg sowie an der Volksbühne Berlin. Mehrere Produktionen wurden zum Berliner Theatertreffen eingeladen. Er inszenierte an der Staatsoper Stuttgart (u.a. Fidelio, Die Gezeichneten, Otello), am Opernhaus Zürich (Elektra, Die Zauberflöte, Genoveva) und bei den Salzburger Festspielen (Don Giovanni, La clemenza di Tito). An der Staatsoper Berlin brachte er Carmen, an der Nederlandse Opera in Amsterdam Lady Macbeth von Mzensk und Der fliegende Holländer zur Aufführung. An der Bayerischen Staatsoper inszenierte Kušej Macbeth und Rusalka und führt Regie bei der Neuinszenierung von La forza del destino. Seit Herbst 2011 ist er Intendant des Münchner Residenztheaters, wo er u.a. Hedda Gabler, Die Anarchistin, In Agonie (Koproduktion mit den Wiener Festwochen) und Die bitteren Tränen der Petra von Kant inszenierte. Für die letztgenannte Inszenierung bekam er den Theaterpreis Faust 2012.

Krieg verwundet und trifft dort auf den ihm unbekannten, rachegetriebenen Bruder Leonoras, Don Carlo, dem er zuvor sogar das Leben gerettet hatte. Alvaro kann das Duell vermeiden, verwundet Carlo tödlich und sucht verzweifelt Schutz an einem geistlichen Ort, der natürlich Leonoras Einsiedelei ist. Dort kommt es zum großen Showdown: Leonora macht ihrem Leben ein Ende und wird in Verdis zweiter Fassung mit großer Geste verklärt.

Radspieler: Mode und Einrichtung Eine Sehenswürdigkeit in München

„Wirkungsvoll, einzigartig und äußerst weitgespannt“ und „mit Sicherheit etwas Außergewöhnliches“ schrieb Verdi 1861 über das spanische Drama, nachdem sein erster Vorschlag für St. Petersburg, Victor Hugos Ruy Blas, von der Zensur abgelehnt worden war. Gemeinsam mit dem Librettisten Francesco Maria Piave, aus dessen Feder unter anderen Macbeth, Rigoletto, La traviata und der ebenfalls nach einer spanischen Vorlage geschriebene Simon Boccanegra stammen, machte er sich an die Textfassung. Die Nebenfigur der Preziosilla wurde zur vierten Hauptfigur aufgewertet, die eine der außergewöhnlichsten Chornummern der Operngeschichte anstachelt. Mit den lautmalerischen Silben „Rataplan, pim, pum, pam“ wird minutenlang die Kriegsbegeisterung erneuert, militärisch prasselt die kleine Trommel dazu. Mit allerlei Kolorit aus Erotik, Kartenspiel und Heldentum zitiert Verdi romantisierende Kriegsbilder herbei, deren Wahrheit er in einem großen Lazarett-Tableau enthüllt, wofür ihm Duque de Rivas’ Vorlage nicht ausreichte. Er fügte Passagen aus Friedrich Schillers Wallensteins Lager ein, des-

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