Energiewende: Wie die Schweiz die Kurve kriegt

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POLITBLOG Montag 6. Januar 2014 Bastien Girod

Energiewende: Wie die Schweiz die Kurve kriegt Heute vergeben wir eine Carte Blanche an den Zürcher Nationalrat Bastien Girod (GP). Während die grosse Koalition in Deutschland bereits neue Impulse für die Energiewende erarbeitet, ist die Schweiz noch ganz am Anfang. Sechs Lehren, welche die Schweiz für die anstehende Revision des Energiegesetzes ziehen sollte. 1.

Energiewende als Chance für die Wirtschaft

In Deutschland wechselt die Energiewende vom Umwelt- ins Wirtschaftsministerium. Das zeigt, dass die Energiewende mehr ist als ein Schutz vor nuklearen Risiken und Klimaerwärmung. Die Energiewende ist auch eine Chance für die (Export-)Wirtschaft. Saubere Energie ist nicht nur in Deutschland, sondern auch global stark gefragt und zeigt die grössten Wachstumsraten. Und wer die Werbung des BMW i3 gesehen hat, weiss: Saubere Produktion ist das Verkaufsargument der Zukunft. Mit der Energiewende verbessert sich die Swissness um das immer wertvollere Attribut «made with clean energy». Doch diese Vorteile kommen nur zum Tragen, wenn die Schweiz die Energiewende rasch und intelligent umsetzt. 2.

Atomausstieg verbindlich regeln

Bereits 2002 regelte Deutschland den Automausstieg verbindlich mit den Energieversorgern. Die Regellaufzeit für AKWs wurde auf 32 Jahre festgelegt. Kanzlerin Merkel hat diese Vereinbarung erst aufgeweicht, aber dann nach Fukushima schnell wieder reaktiviert. Dadurch wird Deutschland im 2022 sein letztes AKW abstellen, während in der Schweiz ein verbindliches Ausstiegsdatum fehlt. Nicht einmal die Einhaltung der vom Ensi geforderten Sicherheitsmarge ist gewährleistet. Das führt zu enormen nuklearen und finanziellen Risiken und verzögert die Energiewende. 3.

Auf Sonne und Wind setzen

Heute sind die Kosten für Wind- und Solarstrom fast gleich hoch wie jene für die konventionelle Stromerzeugung. In Deutschland machen Wind und Sonne 13 Prozent der Stromversorgung aus, bis 2020 soll dieser Anteil auf 29 Prozent und bis 2030 gar auf 48 Prozent erhöht werden. Da die Schweiz bereits mit 60 Prozent Wasserkraft startet, brauchen wir nur etwa 33 Prozent Wind und Sonne, den Rest kann Strom aus Biomasse sowie ein Ausbau der grossen Speicherkraftwerke decken. Diese Potentiale sind


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vorhanden, wir müssen sie nur nutzen. Leider will der Bundesrat insbesondere den Solarstrom abbremsen, statt ihn zu beschleunigen. So ist geplant, ab 2015 keine neuen Solarstromprojekte mehr mit dem wichtigsten Förderinstrument, der kostendeckenden Einspeisevergütung (KEV), zu fördern. 4.

Eigenverbrauch von Solarstrom fördern

Eigenverbrauch bedeutet, dass der erzeugte Solarstrom direkt vor Ort genutzt wird. Weil so kein oder weniger Solarstrom ins öffentliche Netz eingespeist wird, reduzieren sich die Netzkosten deutlich. Diesen Vorteil hat Deutschland – vielleicht etwas zu spät – erkannt und gefördert. Die Schweiz hat früher reagiert. Bald können kleine Anlagen statt der KEV einen Investitionsbeitrag von 30 Prozent beziehen und sich über den reduzierten Stromeinkauf finanzieren. Diese Unterstützung ist aber bis heute auf Anlagen mit weniger als 30 kW beschränkt. Damit können grössere Analgen auf Büro- und Gewerbeflächen nicht profitieren, obwohl hier der Eigenverbrauch besonders hoch wäre. Deshalb braucht es neben einer Erhöhung des KEV-Deckels eine Erweiterung der Möglichkeit, Investitionshilfe zu beziehen. 5.

Kohle und Gas verteuern

Da in Deutschland und der EU die fossile Stromerzeugung weiter stark subventioniert bleibt, wird eine Stromschwemme verursacht, die europaweit zu extrem tiefen Strompreisen führt. Darunter leidet die Schweizer Wasserkraft, welche nicht über die KEV gefördert und für ihre tiefe Umweltbelastung nicht entschädigt wird. Wenn wir zurück zu mehr Markt wollen, braucht es statt KEV-Gelder für die technologisch reife Wasserkraft eine Abgabe auf nicht erneuerbare Stromerzeugung. Eine solche Abgabe liesse sich dank dem Herkunftsnachweis für Strom und dem bestehenden Rückverteilungssystem der CO2-Abgabe einfach umsetzen. 6.

Effizienz nicht vergessen

Während Deutschland mit der Förderung der Erneuerbaren viel erreicht hat, wurde die Effizienz etwas vernachlässigt. So wurden energieintensive Unternehmen bedingungslos und vollständig von der KEV-Umlage befreit. Da ist die bedingte Befreiung mit Effizienzverpflichtung, wie sie die Schweiz eingeführt hat, sinnvoller. Die Schweiz sollte diesen Vorsprung nicht aus der Hand geben und die Anreize für Energieeffizienz weiter verbessern. Schlagwörter: Atomkraft, Energiepolitik, Erneuerbare Energien

Bastien Girod ist seit 2007 Nationalrat (Grüne/ZH). Bastien Girod est conseiller national (Verts/ZH).


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