Mythos und Geheimnis. Der Symbolismus und die Schweitzer Künstler (extrait)

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Abb. 27 Gustav Klimt Ausschnitt aus dem Beethovenfries (Die feindlichen Gewalten), 1902 Kaseinfarben, Stuckauflagen, Zeichenstift, Applikationen aus Glas, Perlmutt und anderen Materialien, Goldauflagen auf Mörtel, Stirnwand 215 × 630 cm Belvedere, Wien Als Dauerleihgabe in der Secession in Wien montiert

Abb. 28 Hans Tichy Am Brunnen der Liebe, 1908 Öl auf Leinwand, 227 × 327 cm Belvedere, Wien Inv. 896 9. Franz von Stuck, Innocentia, 1889, Öl auf Leinwand, 68 × 61 cm, W. A. Stewart Jr., Palm Beach (Florida); Die Sünde (s. Anm. 5); Wächter des Paradieses, 1889, Öl auf Leinwand, 250 × 167 cm, Privatsammlung; Luzifer, 1890, Öl auf Leinwand, 161 × 152 cm, Nationale Kunstgalerie, Sofia. 10. Gustav Klimt, Adele Bloch-Bauer I, 1907, Öl, Blattsilber und Blattgold auf Leinwand, 140 × 140 cm, Neue Galerie, New York; Judith I, 1901, Öl und Blattgold auf Leinwand, 84  × 42 cm, Belvedere, Wien. 11. Hermann Müller, Marina Schuster, Noemi Smolik, Claudia Wagner (unter der Leitung von), Karl Wilhelm Diefenbach (1851-1913): Lieber sterben, als meine Ideale verleugnen!, Ausst.-Kat. Villa Stuck, München / WienMuseum, München 2009, S. 40f.

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1889, und sein Gegenteil Luzifer, 18909, sie spiegeln die Triebhaftigkeit und Sinnlichkeit des Menschen wider. Zwar findet in Gustav Klimts10 idealisiertem Bildnis der Adele Bloch-Bauer I, 1907, und Judith eine ähnliche Sublimierung der tugendhaften und der erotisch verführerischen Frau statt, doch hält sie zum Betrachter eine Distanz, indem ihr Blick verschleiert bleibt, sie nicht in Diskurs mit dem Betrachter tritt. Wie von Stuck kommt auch Karl Wilhelm Diefenbach 1892 aus München nach Wien. Sein Auftreten, seine Hinwendung zur Freikörperkultur, die Ablehnung der Monogamie und seine vegetarische Ernährung erregten immer wieder Aufsehen und lösten Skandale aus. Mit seinem einfachen härenen Gewand, langen Haaren und der Gründung einer religionsartigen Gemeinschaft näherte er sich einer Christusikonografie an und wurde zum Vorbild für die Lebensreformer. Sein skandalträchtiges Auftreten förderte den Erfolg seiner Ausstellung im Österreichischen Kunstverein, die ihn jedoch durch die Unterschlagung des erwirtschafteten Geldes von Seiten der Organisatoren finanziell ruiniert11. Diefenbachs symbolistisch-esoterische Bilder inspirierten Künstler wie Frantiček Kupka oder den zum Symbol der Lebensreformer und der Wandervogelbewegung aufgestiegenen Hugo Höppner, alias Fidus, dessen Bilder wie Lichtgebet (1894)12 zu populären Ikonen der Jugendbewegung wurden. Esoterik, Spiritismus und Theosophie waren jedoch keine Münchner Spezialität, sondern als Mode- bzw. Zeitgeistströmungen international verbreitet und auch in Wien, beispielsweise mit Rudolf Steiner, stark präsent. Ätherische Engelsfiguren finden sich daher auch in Broncia Koller-Pinells13 Orangenhain an der französischen Riviera. In pointillistischer Malweise entwickelt sie einen Blumen- und Pflanzenteppich, über dem die Engel schweben und dennoch durch die aufgetupfte Malweise wie in ein Ornament integriert wirken. Theosophische Bezüge bestehen ebenfalls bei dem an der Wiener Kunstgewerbeschule arbeitenden Erich Mallina, dessen Engelszug (1904)14 abstrahiert als flächiges Ornament, syntaktisch gestaffelt, am Betrachter vorbeizieht. Mallina hatte hierbei sicher noch die Wand mit einem Engelornament, Die sinkende Nacht, 1902, von Alfred Roller vor Augen. Die sinkende Nacht, 190215, war für die Beethovenausstellung 1902 in der Secession geschaffen, in der Klingers Beethoven-Zeus in einer sakralen Inszenierung präsentiert wurde16. Im Gesamtkonzept dieser Ausstellung war auch Gustav Klimts Beethovenfries enthalten. Er ist eine Hommage an Beethoven, dessen Neunte Symphonie wiederum auf Schillers Ode an die Freude16 beruht. Im Fries werden die Leiden und Laster der Menschheit dargestellt. Diesen tritt der tugendhafte Mensch unter dem Schutz der Genien entgegen, um mit seinen schöpferischen Kräften die Leiden und Laster zu überwinden. Sie


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