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Orientierung aus der Baudirektion zu laufenden Projekten
from 20210826_WOZ_GSAANZ
by AZ-Anzeiger
A UF E IN W OR T M IT . . . K A R L D IE T HE L M, G ES AM TL E IT E R «B A CH T EL E N» D i e G re n c h n e r- St a d t- An ze i g e r- Se r i e Wie «Mr. Bachtelen» Grenchen lieben gelernt hat
JOSEPH WEIBEL
Karl Diethelm erzählt über seine ersten Eindrücke, als er in Grenchen Süd aus dem Zug stieg und seine Augen verzweifelt Ausschau hielten nach etwas Schönem hier. «Es war ein Kulturschock», sagt er. Arbeiten könnte man hier vielleicht, aber in dieser Stadt wohnen? Nie im Leben! Während er das erzählt, lächelt er verschmitzt. Das war vor rund dreieinhalb Jahrzehnten. Wir verstehen uns. Mir ging das nicht anders, als ich mich, beruflich bedingt und als eingefleischter Wasserämter, erstmals richtig mit dieser Stadt befasste und zur gleichen Erkenntnis kam: Hier arbeiten: ja, vielleicht. Hier wohnen? Ganz bestimmt nicht!
Wir sind der lebende Beweis dafür, dass man sich im Leben immer mal wieder irren kann.
Nun lebt dieser Karl Diethelm, den seine Freunde «Charly» nennen, seit über 30 Jahren in der Stadt Grenchen –und habe sie längst entdeckt, die vielen schönen Ecken hier, sagt er heute. Einen ersten Kontakt mit Grenchen – der Kulturschock ereilte ihn erst später – hatte er bereits beim Antritt einer mehrwöchigen Praktikumsstelle im Kinderheim Bachtelen, wo der studierte Pädagoge und Psychologe die Kinderbibliothek aufbauen durfte. Dann ging es zurück in die Unistadt Freiburg, wo er eine akademische Laufbahn einleiten wollte. Das tat er auch, hatte aber noch die Absicht, die Theorie mit praktischer Erfahrung zu erweitern, um später wieder an den Lehrstuhl zurückzukehren. Und so kommt es oft unverhofft. Der Zufall wollte es, dass er auf eine Stellenausschreibung des Bachtelen stiess. Die ihm bekannte Institution suchte einen Leiter für den psychologischen Dienst. Mit Gesamtleiter Anton Meinrad Meier wäre er sicher schnell handelseinig geworden, hätte er ihm nicht gesagt, dass er nach spätestens drei Jahren wieder an der Universität unterrichten wolle. Seine Absichtserklärung führte vorerst zum Abbruch der Anstellungsverhandlungen, die aber kurze Zeit später wieder aufgenommen wurden. Anton Meier bekundete Diethelm in einem Telefongespräch, dass er sich eine Zusammenarbeit vorstellen könnte, auch wenn er «nur» drei Jahre in der Schule tätig sei. Daraus sind bekanntlich 34 Jahre geworden, 1995 übernahm Diethelm die Gesamtleitung für den abtretenden Anton Meier.
Fit machen für die berufliche Zukunft Auch wenn Karl Diethelm in Grenchen längst heimisch ist, mit seiner Familie in einem schönen Haus in unmittelbarer Nähe des Bachtelen wohnt, wird im Gespräch rasch klar, dass er nicht aus der Region, sondern aus einer ganz anderen Ecke der Schweiz kommt. Genau genommen aus dem sankt-gallischen RufiDie Zeitgeschichte des Bachtelen gab es auch im Rahmen einer Ausstellung im Kultur-Historischen Museum. Karl Diethelm führt an der Vernissage interessierte Besucher durch diese Zeitgeschichte. Foto: Oliver Menge
Schänis im Bezirk See-Gaster in der Linth-Ebene. Weil das auch nicht gerade am Nabel der Welt ist, hilft Karl Diethelm auf die Sprünge und verweist auf den bekannteren Walensee, der westlich von der Streusiedlung Rufi liegt. Eine Rückkehr in seine Heimat erwägt er auch nach seiner Pensionierung nicht. Seine drei Geschwister leben dort, die er ab und zu besuche. Aber zurück zieht es ihn nicht mehr. Als er vor 34 Jahren im Bachtelen Fuss fasste, war alles noch ein bisschen anders und kleiner. Schon sein Vorgänger hatte viel Aufbauarbeit geleistet, das Angebot professionalisiert, Neubauten realisiert und im Kinderheim die Sonderschulen aufgebaut. Lange haftete am Kinderheim der Ruf einer Institution für schwer erziehbare Kinder. Das mochte vielleicht für die Anfänge dieses Heims stimmen, der Weg ging aber schon früh in eine ganz andere Richtung. Normal begabte Kinder mit ausgeprägten Schwierigkeiten im Verhalten und Lernen oder mit einer Sprachbeeinträchtigung sollten hier gezielt betreut und therapiert werden. Dabei handelt es sich meist um Kinder, die im normalen Schulbetrieb nicht integrierbar sind, aber trotzdem einen normalen Schulabschluss vorweisen sollten, um so für ihre berufliche Zukunft fit zu sein.
Eindrückliche Zahlen Diese Absicht war und ist oberste Maxime der Schule. Wie erfolgreich dieses Bestreben in die Praxis umgesetzt werden konnte, dafür sprechen die Zahlen. Das Mutterhaus in Grenchen ist heute das Herz der Sonderschulinstitution, die im ganzen Kanton Fuss gefasst hat und mittlerweile im Schnitt 650 Kinder betreut, 130 davon in Grenchen. Die Gehaltsliste umfasst 250 Mitarbeitende (mit 180 Vollzeitstellen). An dieser positiven Evolution hatte Karl Diethelm einen grossen Anteil. 2016 feierte das Bachtelen sein 125-Jahr-Bestehen und legte den Fokus auf die grosse Entwicklung dieser Institution, deren Erfolg auch in einer Studie der Fachhochschule widerspiegelt wird. 83 Prozent aller Schulabgängerinnen und -abgänger, ist da zu lesen, haben ihr Leben im Alter von 26 Jahren ohne jegliche Fremdunterstützung gemeistert. Der nahtlose Übergang von der Schule in die erste Arbeitswelt beginne mit einer Berufslehre. Die Sonderschule sorgt dafür, dass jede und jeder eine Berufslehre beginnen kann. Ein wichtiger Grundstock dafür bilden auch die therapeutischen Angebote und die sonderpädagogische Betreuung auf den Wohngruppen sowie auf den Lehrlingsfoyers in Grenchen und Olten. Die Institution selbst bietet zudem interne Berufslehren.
Das Engagement der Institution schlägt natürlich auf der Aufwandseite der öffentlichen Hand zu Buche, die sich aber später als langfristige Investition auszahlt. Heute gehört das Bachtelen schweizweit zu den grössten Institutionen in dieser Form.
Kein einfacher Spagat Es gäbe noch viel zu erzählen über die grosse Bedeutung dieser Sonderschule, die in ihren Anfängen erstaunlicherweise kaum Schülerinnen und Schüler aus der eigenen Stadt betreute. Das hat sich geändert, wie das äussere Bild des Bachtelen zeigt, das in mehreren Etappen immer wieder erweitert wurde, seinen ursprünglichen Charme dadurch aber nie verloren hat. Nicht einfach ist der Spagat zwischen einer geschützten Schule und der Aussenwelt. «Wir befinden uns auf einem grossartigen und natürlich behüteten Gelände, das trotzdem einen nahtlosen Kontakt zur Aussenwelt ermöglicht. Diese Aussage widerspiegelt sich nicht nur optisch, sondern auch in den regelmässigen Aktivitäten im Bachtelen – unter anderem mit den Konzerten im Rahmen der Mazzini-Stiftung. Seit Beginn des neuen Schuljahres wurde zudem auf dem Areal ein städtischer Kindergarten in Betrieb genommen.
Wenden wir uns aber wieder voll und ganz dem Mann zu, der in den letzten drei Jahrzehnten dieser Institution den Stempel aufgedrückt hat. Hier hat er seine Frau kennen gelernt. Sie war als Leiterin der Hauswirtschaft tätig. 1995, als er vom Vorstand zum Gesamtleiter und Nachfolger von Anton Meier gewählt wurde, wechselte seine Frau als Lehrerin in die Berufsschule und widmete sich zudem ihren drei gemeinsamen Kindern. Die ursprüngliche Abneigung gegenüber dieser Stadt zeigte sich im ersten Jahr seiner Tätigkeit im damals gewählten Wohnort Solothurn. Ausgerechnet in Solothurn. Schon nach einem Jahr zog es ihn aber definitiv nach Grenchen.
In Grenchen rasch Anschluss gefunden Schon fast entschuldigend sagt er: «Es ist nicht so, dass ich vorher noch nie etwas von dieser Stadt gehört hätte. Mit ihr verbanden wir die zwei Attribute: Uhren und Fussball.» Immerhin. Bald waren es mehr. Er spricht von der Integrationsstärke ihrer Bevölkerung. «Als Zuzüger findet man hier rasch Anschluss», sagt der Mann, der sein berufliches Leben lang die Integration von Menschen in den Mittelpunkt stellte. Die hohe Akzeptanz habe er später auch als Mitglied des örtlichen Rotaryclubs gespürt von Vertretern aus Industrie und Gewerbe: «Da ist nichts von der sprichwörtlichen Versnobtheit in einem Serviceclub zu spüren.» So geht es ihm wie so vielen Neuzuzügerinnen und Neuzuzügern, die später feststellen, dass Grenchen zwar vielerorts noch ein schlechter Ruf anhaftet, dieser aber längst zu einem Mythos geworden ist. Wir sprechen vom Wohnhaus, das in unmittelbarer Nähe der Institution steht. War das kein Nachteil? «Nein. Im Gegenteil. Bei gelegentlichen Nachteinsätzen war ich um die Nähe froh.» Wenn er ausserhalb der Bürozeiten arbeiten musste, so ging er in sein Büro und nahm die Arbeit nicht nach Hause. Als Psychologe weiss er, wie wichtig es ist, zwischen Arbeit und Freizeit einen klaren Strich zu ziehen.
Diesen Strich zieht er jetzt bald unter > S TE CK B R I E F
Vorname/Name
Karl «Charly» Diethelm
Wohnort
Grenchen
Geburtsdatum
11. Januar 1957
Zivilstand
verheiratet, 3 Kinder
Ausbildung/Beruf
Studium der Pädagogik und Psychologie, Abschluss als Dr. phil.
Heutige Funktion
Gesamtleiter Bachtelen
Hobbys
Lesen, wandern, kochen, Besuch kultureller Veranstaltungen
> F ÜN F F RA GE N
Meine Lieblingsdestinationen
Kanada (Westen), Prag, Fribourg, Schwarzsee (Kanton Freiburg)
Lieblingsspeise
Risotto; Coniglio al forno
Aufsteller der Woche
Stabübergabe an neuen Gesamtleiter im Rahmen des Auftakts in das neue Schuljahr für alle Mitarbeitenden des Bachtelen vor knapp zwei Wochen
Auf was kann ich nicht verzichten
Ein gutes Buch und ein gutes Glas Wein
Ich würde nie ...
… meinen Entscheid, ins Bachtelen nach Grenchen zu gehen, rückgängig machen wollen.
seine berufliche Tätigkeit. Kann man sich ein Bachtelen ohne Diethelm vorstellen? «Natürlich kann ich das», sagt er. Deshalb hat er, wie schon sein Vorgänger, die Nachfolgeregelung früh eingeleitet. Gustav Keune tritt in seine Fussstapfen. Jetzt könne er seinen Arbeitsplatz mit einem guten Gefühl verlassen. Und dann? Erst einmal wolle er einen Break machen. Er habe Anfragen erhalten für nebenberufliche Tätigkeiten, die er später keinesfalls ausschliessen will. Arbeiten macht ihm Spass – ebenso aber auch die Reiserei, die er früher noch stärker pflegte. Und er wird wieder vermehrt wandern. Auf seinem Freizeitzettel stehen zudem Lesen und der Besuch von kulturellen Veranstaltungen. «Grenchen ist dafür bekanntlich ein gutes Pflaster.» Er sagt es und setzt noch einmal sein gewinnendes Lachen auf, als wollte er damit ausdrücken, wie gut er eben in dieser Stadt verankert und in gut drei Jahrzehnten auch zum «Mr. Bachtelen» geworden ist.
NEWS
GRENCHEN Pfadischnuppertag
Kommenden Samstag, 28. August 2021, findet zwischen 14 und 17 Uhr ein Pfadischnuppertag statt. Treffpunkt innerhalb dieser drei Stunden ist die Holzerhütte in Grenchen. Mit dabei haben sollten die interessierten Kinder und Jugendliche ein Zvieri, Trinksame und dem Wetter angepasste Kleider, gutes Schuhwerk, gute Laune und Freude. «Man kommt vorbei und erlebt mit der Pfadi ein Abenteuer», versprechen die Organisatoren den angesprochenen Kindern und Jugendlichen zwischen 6 und 16 Jahren. Wer noch mehr erfahren will, schreibt ein Mail an Sebastian Stalder v/o Sinus: sinus@pfadi-grenchen.ch (red.)
GRENCHEN Interkultureller Sprachtreff
Kommenden Dienstag, 31. August 2021, findet im Restaurant La Trattoria (Girardplatz) in Grenchen ein interkultureller Sprachtreff für Männer statt. Der Anlass lädt ein, mit Männern aus der ganzen Welt Deutsch zu sprechen. Der Sprachtreff ist für alle Männer aus Grenchen und Umgebung offen. Eine Anmeldung ist nicht nötig. Der Einstieg ist immer möglich. Kontakt: Martin Joss mailbox@martinjoss. ch oder info@granges.melanges.ch Weitere Infos: www.granges-melanges.ch (red.)
Gut informiert: mit «Café 70 plus»
Ich bin allein und freue mich meines Lebens in dieser Gegend, die für solche Seelen geschaffen ist wie die meine.
Es gibt ihn seit Anfang Jahr und der Anlass hat Erfolg: «Café 70 plus» steht für einen virtuellen Livestream, der gut anderthalb Stunden dauert und bequem beim Kaffeetrinken zu Hause verfolgt werden kann. Der nächste Livestream ist bereits heute Vormittag (10 Uhr). Ein nächster und letzter in diesem Jahr ist am 27. Oktober geplant.
Der Stadt Grenchen liege viel daran, den Kontakt zu den Einwohnerinnen und Einwohnern auch während der Pandemie aufrechtzuerhalten. So hatte der Livestream Anfang dieses Jahres zum Thema «Leben und Wohnen in Grenchen» bereits rund 600 Einschaltungen bewirkt. Sollten Sie den heutigen Livestream verpassen, so ist das kein Grund zur Sorge. Man kann sowohl diesen Beitrag als auch die früheren jederzeit nachschauen. Wiederum geht es um verschiedene Themen rund um Leben und Wohnen in Grenchen. Geplant sind im heutigen Livestream Präsentationen von Power Spitex, Livestyle Fitness, Anemonen, Les Bricoleurs und Diebstahlprävention mit Orsani und der Stadtpolizei Grenchen. Für die musikalische Unterhaltung sorgt die Musikschule Grenchen.
Produziert wird der Livestream von Salvatore De Vito im Hub 19 an der Rainstrasse 19. Moderiert wird der Anlass von Mike Brotschi, Projektleitung und Koordination Standortförderung/Kultur, Sport und Freizeit.
Wer heute Morgen live mit dabei sein will: www.youtube.com, in Suchmaske eingeben: stadtgrenchen. Und schon ist man mittendrin. Beginn: 10 Uhr, Dauer bis ca 11.45 Uhr. (jw)
