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Witterswil
E IN L EB EN W IE V IE LE
Keine Orientierung über die finanziellen Familienverhältnisse
Mitte des letzten Jahrhunderts waren oft nur die Ehemänner, damals noch «Oberhaupt» der Familie, im Grundbuch eingetragen.
Benildis Bentolila
Bis 1947 hatte Agnes, meine Mutter, drei Kinder geboren: Das Mädchen ohne Namen, das 1943 im siebten Monat tot zur Welt kam, dann ein Mädchen und einen Knaben. Auf diesem Bild erwartet sie ihr viertes Kind. Die Aufnahme irritiert mich: Mutter und Tochter zeigen sich im Sonntagsstaat. Das Mädchen schaut misstrauisch zur fotografierenden Person. Die Mutter hält zwar das Mädchen, schaut es aber weder an, noch hat sie den Blick auf die Kamera gerichtet. Kann es sein, dass sie finanzielle Sorgen plagen?
Was die beiden wohl denken?: Mutter und Tochter in Sonntagskleidung.
FOTO: BENILDIS BENTOLILA Oder macht sie sich Gedanken zur Lage ihres neuen Heims? Diese wird später eine traurige Rolle spielen. Vater — ich schreibe bewusst nur von ihm, weil dannzumal die meisten Frauen vom Geschäftlichen ausgeschlossen waren — hatte kurz vorher ein bescheidenes Haus gekauft, direkt am tiefen, dunklen Tobel. Das Geld hatte ihm — nur er war im Grundbuch eingetragen — eine reiche, kinderlose, verwitwete Tante zu günstigen Bedingungen geborgen. Sie hatte schon immer Mitleid gehabt mit dem Neffen, der ohne Mutter aufgewachsen war. Diese starb, als er noch in den Windeln lag.
Ein kleines Vermögen
Am 1. Januar wiederholte sich jährlich das gleiche Ritual: Nach dem Hochamt begaben sich die Kinder zur grosszügigen Grosstante, die jedem einen Fünfliber in die Hand drückte und Geschichten von armen Seelen erzählte. Fünf Franken, ein kleines Vermögen für uns, die wir das Wort Sackgeld nicht kannten. Unser Reichtum hielt allerdings nicht lange, weil Vater ihn später zu sich nahm. Er selbst besuchte die Tante, nachdem wir Kinder weggegangen waren, und bezahlte ihr den Jahreszins bar. Ob er jeweils einen Betrag amortisieren musste, weiss ich nicht. Wie auch, wenn es nicht einmal die Mutter wusste?!
Kleider auszutragen war keine Demütigung
Zurück zum Bild von Mutter und Tochter: Das Mädchen trägt ein hübsches Kleidchen, ein Geschenk des Grossvaters mütterlicherseits. Seiner Lebtag lang bezahlte er den Grosskindern Sonntagskleider und Gewänder zur ersten Kommunion und Firmung, welche sich die Eltern nicht hätten leisten können.
Die Mutter trägt auf dem Bild zwar ein schickes Kleid mit einem eleganten Brusteinsatz. Aber es muss ein Rock sein, den sie aus zweiter Hand geschenkt erhalten hat, denn er sitzt nicht. In jener Zeit war es keine Schande, alte Kleider auszutragen, welche man heute auf die Müllhalde werfen würde.
Im letzten Jahr porträtierte das Wochenblatt unter der Serie «50 Jahre Frauenstimmrecht» verschiedene Persönlichkeiten. Unter der Rubrik «Ein Leben wie viele» beschreibt Benildis Bentolila in diesem Jahr monatlich einen Teil ihrer Lebensgeschichte. Die 76-Jährige wuchs als ältestes von sieben Kindern auf. Es ist ein Leben, wie viele Frauen ihrer Generation es erlebten. Die Autorin schreibt seit vielen Jahren als freie Journalistin fürs Wochenblatt und die BauernZeitung.
S OL OT HU RN IS CH ES L EI M EN TA L
Die M USOL feiert 30 Jah re
Drei Flötistinnen: (v.l.) Mia, Fiona und Lea.
FOTO: FRANZISKA FASOLIN
Die Musikschule Solothurnisches Leimental feiert dieses Jahr ihr 30-jähriges Bestehen. Am 7. Mai findet das Jubiläumsfest in der Mehrzweckhalle in Witterswil statt. Ein Gespräch mit Toni Ebnöther, Leiter der MUSOL.
Franziska Fasolin
Herr Ebnöther, worauf darf man sich in diesem Jahr besonders freuen? Es gibt verschiedene Anlässe, nur leider mussten wir den geplanten Eröffnungsanlass, das «Diner Dansant» vom 12. Februar in Rodersdorf, aufgrund der unsicheren Lage absagen. Es wird voraussichtlich im Februar 2023 nachgeholt. Wir werden bald einen Flyer mit unseren Jubiläumsveranstaltungen veröffentlichen und ihn auf verschiedenen Wegen in der Bevölkerung streuen. Alle Anlässe werden auch in den Dorfzeitungen des Solothurnischen Leimentals und natürlich auf unserer Website angekündigt. Hier die Highlights: 12. April: Abschlusskonzert des Jubiläumsmusiklagers, 7. Mai: Jubiläumsfest mit Instrumentenschnuppertag, 20. November: Jubiläumskonzert.
Wie werden die Musizierenden ins Jubiläum einbezogen? Wichtig und äusserst beliebt ist das Musiklager. Die Kombination des gemeinsamen Musizierens und des «Lagerfeelings» macht den Anlass so attraktiv. Am Instrumententag/ Jubiläumsfest vom 7. Mai in Witterswil werden die jungen Musizierenden in verschiedensten Kombinationen zu hören sein: Solo, Duo, Ensembles bis zum Lagerorchester. Das Jubiläumskonzert vom 20. November in Rodersdorf ist für orchestrale Formationen gedacht. Unter anderem wird die «Schulmeister-Kantate» von G.F. Telemann mit Solisten, Chor und Orchester aufgeführt. Noch einmal sollen möglichst viele Kinder und Jugendliche zusammen auf der Bühne stehen.
Freuen sich die Schülerinnen und Schüler auf das Jubiläum? Ich denke, sie freuen sich auf ihre konkreten Auftritte. Ob es sich dabei um ein Jubiläum handelt, ist für sie sekundär. Jubiläen sind meist für die Organisatoren und Mitarbeitenden interessant. Sie stärken das Team und sind Fixpunkte, an denen man auf Erreichtes zurückschaut und sich neue Ziele für die Zukunft setzt. Ausserdem tritt man als Institution etwas mehr ins Rampenlicht.
Könnte die MUSOL mehr Schülerinnen und Schüler brauchen? Wäre es gut, wenn durch das Jubiläum mehr Personen auf den Musikunterricht aufmerksam würden? Das könnte in der Tat ein netter Nebeneffekt sein. Aus welchen Gründen man den Weg zu uns in die Musikschule findet, lässt sich allerdings nie eindeutig sagen. Im Rahmen des Jubiläums werden wir aber sicher wieder auf die Möglichkeit des Erwachsenenunterrichts hinweisen. Wir haben ein tolles Angebot für alle. Schon länger geplant ist ein Konzert mitMusizierendenausdemErwachsenenunterricht. Vielleicht liesse sich dieses Projekt noch in diesem Jubiläumsjahr verwirklichen.
Was möchten Sie den Lesern noch mitteilen? Wie immer bei Auftritten ist es schön, Publikum zu haben. Besuchen Sie die Anlässe und unterstützen Sie die Schülerinnen und Schüler mit einem kräftigen Applaus!
R OD ER SD OR F
180 Einsprachen gegen 5G-Antenne
Die Baukommission wird in den nächsten Tagen über das Gesuch für den Ausbau der bestehenden Antenne von Rodersdorf entscheiden.
Bea Asper
Die Ankündigung, dass die Swisscom die bestehende Antenne in der Landwirtschaftszone im Gebiet Forstbüel mit der 5G-Technologie ausbauen will, sorgte in Rodersdorf für Diskussionen. Kritiker und Befürworter konnten im Rahmen eines Informationsanlasses über die Vorund Nachteile der Mobilfunktechnologie debattieren. Danach ging es in das Rechtsverfahren. Die Swisscom reichte bei der örtlichen Baukommission ihr Gesuch ein und die Bevölkerung deponierte ihre Einwände. «Insgesamt hat die Baukommission Einsprachen von 180 Einwohnerinnen und Einwohnern erhalten», hält Christian Hefel, Präsident der Baukommission, auf Anfrage fest. Der 5G-Streit findet offenbar auch dann statt, wenn sich die Antenne ausserhalb der Bauzone befinde, bestätigt Hefel. Der Standort sei historisch gewachsen, die dafür notwendige Ausnahmebewilligung liege vor. Seitens der kantonalen Behörde seien die Auswirkungen einer 5G-Technologie am Standort Rodersdorf geprüft und die Betriebs-Bewilligung ausgesprochen worden. Die Baukommission habe im laufenden Rechtsverfahren auch den Gemeinderat um eine Stellungnahme gebeten und werde in den nächsten Tagen zu einem Entscheid kommen, erklärt Hefel.
Rechtsverfahren wäre nur teuer
Beim Gemeinderat nachgefragt, erklärt Gemeindepräsident Thomas Bürgi, dass man sich vor allem Gedanken zur Standortfrage gemacht habe. «Der Gemeinderat ist einstimmig der Meinung, dass keine weiteren Standorte für 5G-Antennen in Rodersdorf evaluiert werden sollen. Dies bedeutet einen Verzicht auf jeglichen Standort innerhalb des Siedlungsgebiets im Rahmen der Ortsplanungsrevision.» Der Gemeinderat nehme die Sorgen eines Teils der Einwohnerschaft ernst, sich durch 5G-Antennen allfälligen gesundheitlichen Beeinträchtigungen auszusetzen. «Wir sind aber der Ansicht, dass sich die Bewilligung einer 5G-Antenne nicht verhindern lässt. Jüngste Entscheide des Bundesgerichts lassen keinen anderen Schluss zu. Ein allfälliges Rechtsverfahren dürfte folglich aussichtslos sein und würde unter erheblicher Kostenfolge für die Gemeinde den Antennenausbau etwas verzögern, aber keineswegs verhindern», meint Bürgi und führt aus: «Wir stehen seit einigen Monaten in engem Kontakt mit Verantwortlichen der Swisscom, um den Ausbau des Glasfaser-Festnetzes in Rodersdorf voranzutreiben. 5G-Antennen geben nämlich nur dorthin Leistung, und damit Strahlung ab, wo diese Leistung angefordert wird. Wenn ein grösserer Teil dieser Leistung durch das installierte Glasfasernetz erbracht wird, so verringert sich die Strahlung der 5GAntenne in entsprechendem Masse.» Das Glasfaser-Festnetz sei in Rodersdorf installiert, die Knotenpunkte in den Gemeindestrassen seien fast überall erstellt. «Entsprechend höher fällt die abruf bare Leistung in den angeschlossenen Gebäuden aus», erklärt Bürgi. Allerdings bestehe die letzte Strecke vom Knotenpunkt in der Strasse zum Gebäude hin noch immer aus Kupfer. «Leider ist es zurzeit wegen eines Rechtsstreits sowohl der Swisscom als auch anderen Firmen untersagt, diese letzte Strecke mit einem Glasfaserkabel zu versehen, selbst wenn die Hauseigentümerin diese Leistung bezahlen würde.» Es sei noch etwas Geduld gefragt, so Bürgi.