Alles neu! 100 Jahre Neue Typografie und Neue Grafik in Frankfurt am Main

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ALLES NEU! 100 JAHRE NEUE TYPOGRAFIE UND NEUE GRAFIK IN FRANKFURT AM MAIN

Klaus Klemp Matthias Wagner K (Hrsg.)


Liselotte Müller _________ Anzeige Futura Bauersche Gießerei 1929/ 31

Gefördert durch:


Matthias Wagner K

V76 Vorwort

Klaus Klemp

16 Typografie in Frankfurt von 1900 bis 1945

Julia Meer

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Petra Eisele / Isabel Naegele

82 Elegant, klassisch, modern: die Futura

Katharina Pennoyer

98 Zu Ferdinand Kramer und Paul Renner – bisher unbeachtete Fakten und Details

Revolution oder Diffusion? Die zunehmende Akzeptanz und Verbreitung der „Neuen Typografie“ in den 1920er Jahren

Carina Danzer

128 Fritz Wichert – Direktor der Frankfurter Kunstschule

Stefan Beuttler

140

Das Bauhaus in Frankfurt – eine Spurensuche

Jin Yung Bargon

168 Figurensatz

Nadine Auth / Nora Etmann

180 Schriftgießereien in Frankfurt und Offenbach

Kai Dreyer

190

Simon Keckeisen

196 „Neue Typografie“ in Unternehmensanzeigen

Der Bund Deutscher Gebrauchsgraphiker

Florian Hundt

202 Ein Signet für das „Neue Frankfurt“

Sarah Spichal

220 „Schnelle und beste Lesbarkeit ist unser oberstes Gesetz“ Walter Dexels Vision einer gestalteten Großstadt

Friedrich Friedl

240 Gestaltung in Frankfurt nach 1945

Peter Zizka

302 Der monadische Pixeljongleur und die Frankfurter Schule

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Fußnoten Quellen- und Literaturverzeichnis Abbildungsnachweis Autoren


Klemp: 1920er Jahre 1


Ludwig Hohlwein _________ Broschürenumschlag Frankfurter Internationale Einfuhrmesse 1919

unbk. Entwerfer _________ Festschrift Zwiebelfische Karikatur Philipp Albinus Typographische Gesellschaft Frankfurt 1910

Typografie in Frankfurt von 1900 bis 1945 _________ Klaus Klemp

Professor für Designgeschichte und Designtheorie an der HfG Offenbach und Kurator für Design am Museum Angewandte Kunst, Frankfurt am Main

Eine Stadt versucht sich neu zu erfinden, so könnte man jenes Gestaltungsprojekt im Frankfurt der 1920er Jahre charakterisieren, bei dem es sich nicht nur um neue Wohnbauten im Stil der Moderne handelte, sondern um einen ganzheitlichen politischen Anspruch: um eine neue Stadt und eine neue Gesellschaft. Dabei kann man die Bedeutung von Design, vor allem auch des Grafikdesigns in diesem „Neuen Frankfurt“ kaum überschätzen. Neben den radikal sachlichen Einrichtungsentwürfen von Kramer, Schuster, Schütte-Lihotzky oder Dell spielte der gesamte Bereich der visuellen Kommunikation eine herausragende Rolle. Das betraf zunächst das Corporate Design der Kommune selbst, das von Hans Leistikow geprägt werden sollte, an dem aber auch Walter Dexel, Robert Michel, Werner Epstein, Max Bittrof oder die Druckwerkstätten der Kunstgewerbeschule arbeiteten. Was dabei entstand, war weniger corporate als vielmehr diffus und oft pragmatisch. Die jahrhundertealte föderale Struktur Deutschlands hatte nie nur ein einziges politisches oder kulturelles Zentrum, sondern war stets polyzentrisch und oft auch antithetisch organisiert. War etwa das Bauhaus vor allem dem Experiment und den Grundlagen zu einer Gestaltungsmoderne verpflichtet, so waren Städte wie Magdeburg, Bielefeld, Breslau, Stuttgart oder eben Frankfurt sehr viel mehr an einer direkten praktischen Anwendung orientiert. Die architektonischen Leistungen 17



Max Bittrof _________ Initialen um 1930

unbk. Entwerfer _________ Beispiel für die domestizierte Form der Neuen Typografie um 1930

Julia Meer

Revolution oder Diffusion? Die zunehmende Akzeptanz und Verbreitung der „Neuen Typografie“ in den 1920er Jahren _________

Designerin und Designhistorikerin, Berlin

1 _________ Vgl. zu diesem Mythos den Beitrag von Petra Eisele und Isabel Naegele ab S. 83.

Die „Neue Typografie“ wird gemeinhin mit dem Bauhaus verbunden, ‚BauhausTypografie‘ ist ein geläufiger Begriff. Bei genauerer Betrachtung wird allerdings schnell deutlich, dass es weitere Zentren der „Neuen Typografie“ gab, u.a. Frankfurt am Main. Willi Baumeister arbeitete dort. Walter Dexel ebenfalls. Die Futura soll auf eine Schrift von Ferdinand Kramer zurückgehen 1 und auch ihr ‚offizieller‘ Entwerfer Paul Renner war einige Zeit in Frankfurt aktiv, ebenso Hans Leistikow. Es wäre problemlos möglich aufzuzeigen, dass auch Frankfurt ein wichtiges Zentrum für die Entwicklung der „Neuen Typografie“ war. Auf den nachfolgenden Seiten soll jedoch eine andere ‚Lücke‘ in der Designgeschichtsschreibung geschlossen werden: Bislang wurde die Geschichte der „Neuen Typografie“ vorwiegend aus Sicht der Avantgarde erzählt. Sie umfasst die Genese der „Neuen Typografie“ aus der abstrakten Kunst und den anfänglichen Widerstand der Fachwelt gegen die neue Ästhetik sowie dessen Schwinden. Jan Tschichold stellte 1930 fest: „Zunächst 51



Walter Dexel _________ Neue Leuchtreklame in Frankfurt um 1927

Philipp Albinus _________ Anwendung des Probeschnitts der Futura auf einer Einladungskarte zu einem Vortrag von Paul Renner 1925

Petra Eisele

Elegant, klassisch, modern: die Futura _________

Professorin für Designgeschichte und Designtheorie an der Hochschule Mainz

Isabel Naegele

Professorin für Typografie an der Hochschule Mainz

Wie keine andere Schrift hat die von Paul Renner geschaffene Futura bis heute die ästhetische Vorstellung von ‚Moderne‘ geprägt. Entwickelt im Kontext der Neuen Typografie, spiegelt sie die Forderungen der gestalterischen Avantgarde der 1920er Jahre nach einer neuen Grotesk wider, als Ausdruck einer einheitlichen, wahrhaft internationalen ‚modernen‘ Haltung. Der Münchner Maler Paul Renner, der sich bereits beim renommierten Georg Müller Verlag als Buchgestalter einen Namen gemacht hatte, war nicht nur mit den damals aktuellen typografischen Fragestellungen bestens vertraut, sondern auch in der Lage, eine neue Schrift als symptomatischen Ausdruck seiner eigenen Zeit zu entwerfen. 83



Ferdinand Kramer _________

Paul Wolff _________

Zapfsäule Großgarage 1926

Ferdinand Kramer am Eisernen Steg 1926

Katharina Pennoyer

Zu Ferdinand Kramer und Paul Renner – bisher unbeachtete Fakten und Details _________

Kramer Archiv, Frankfurt am Main

1 _________ Ferdinand Kramers Scherenschnitte zu Sindbad der Seefahrer wurden anlässlich seines 100. Geburtstages in der Ausstellung Hommage an Kramer 1998 auf der Mathildenhöhe in Darmstadt gezeigt. 2 _________ Im Hotel zum Schwan wurde 1872 der Vertrag zum Frankfurter Frieden zwischen Reichskanzler Otto von Bismarck und dem französischen Außenminister Jules Favre abgeschlossen.

Schon seit seiner frühen Jugend interessierte sich Ferdinand Kramer für Schriften. An der Schule des Städel erhielt er Grafik-Unterricht, und noch im hohen Alter sprach er von der hervorragenden Morris-Drucksammlung im Kunstgewerbemuseum in Frankfurt, die im Zweiten Weltkrieg vernichtet wurde. Bereits als Schüler erhielt er erste Aufträge: Für Albert Voigtländer-Tetzner von der Galerie Prestel entwarf er ein Signet und für Marie Swarzenski, Frau des Städeldirektors, Einladungskarten für ihre legendären Feste. Als Fünfzehnjähriger schnitt er hinreißende filigrane Schattenbilder zu Szenen aus Sindbad der Seefahrer. 1 Im berühmten Hotel zum Schwan, im Steinweg 12, 2 führten seine Eltern Anna Kramer, geb. Leux, und Gustav Kramer Frankfurts renommiertes Hutgeschäft, wo sich Ferdinand Kramer schon früh mit unterschiedlichen Materialien, Formen und 99


Fond noch erweitern


Martin Elsaesser _________ Entwurf Kunstschule Frankfurt 1926 / 27

Carina Danzer

_________ Fritz Wichert Leiter der Frankfurter Kunstschule um 1928

Fritz Wichert – Direktor der Frankfurter Kunstschule _________

Wissenschaftliche Volontärin am Bauhaus-Archiv / Museum für Gestaltung, Berlin

1 _________ Die folgenden Ausführungen stützen sich auf meine Dissertation Fritz Wichert (1878–1951) – Die Arbeitsbiografie eines Kulturpolitikers, Frankfurt 2015.

Im Frühjahr des Jahres 1923 berief die Frankfurter Stadtverwaltung den Kunsthistoriker Fritz Wichert als Gründungsdirektor an die Frankfurter Kunstschule. Unter seiner Führung wurde die Anfang der 1920er Jahre in die städtische Trägerschaft übernommene Kunstgewerbeschule und das Städelsche Kunstinstitut zu einem Institut zusammengeführt. Die Reorganisation des Frankfurter Kunstschulwesens lag somit in den Händen von Fritz Wichert. 1 Neben der Leitung der Kunstschule war Wichert auch als Bezirkskonservator für die Denk malpflege im Regierungsbezirk Wiesbaden und der Stadt Frankfurt tätig und übernahm weitere kulturpolitische Ämter, dazu zählten seine Aufgabe als Stadtkunstwart, seine Funktion im Kulturbeirat des Südwestdeutschen Rundfunks und die Herausgeberschaft der Zeitschrift Das Neue Frankfurt. Im Rahmen seiner Aufgaben wirkte Wichert – bestens vernetzt in der Frankfurter Gesellschaft – auf sämtlichen Feldern der städtischen Kulturpolitik durch seine Ideen und Anstöße zu neuen Projekten impulsgebend. Die Überzeugung einer notwendigen Durchdringung der Stadt, der Gesellschaft und des Lebens mit der Kunst bildete die Motivation seines Wirkens. 2 Doch wer war der Mann, der sich auf vielfältige Weise und 129



Herbert Bayer _________ Entwurf Adler Prospekt mit Bayer-Type für Berthold, Berlin 1935

Albert Fuss _________ Reklamemarke Frankfurter Messe 1927

Stefan Beuttler

Das Bauhaus in Frankfurt – eine Spurensuche _________

Sammler und Designer, Darmstadt

Als 2012 zum ersten Mal im Rahmen der Ausstellung Frankfurter Zimmer im Museum Angewandte Kunst das Design in Frankfurt 1920–1990 näher betrachtet wurde, stellte sich u.a. die Frage, welche Beziehungen, welchen Austausch das Bauhaus mit und welche Einflüsse es auf die moderne Typografie sowie die grafische Gestaltung in Frankfurt hatte. Einige Bauhäusler übersiedelten nach Frankfurt, andere arbeiteten im Auftrag von Unternehmen aus dem Rhein-Main-Gebiet. Der vorliegende Beitrag ist der erste Schritt einer Recherche über die Jahre 1919 bis 1945 nach Artefakten und Hinterlassenschaften sowie Wirkstätten von Meistern, Schülern und Weggefährten des Bauhauses, die sich im Bereich der grafischen Dienstleistungen ihren Lebensunterhalt verdienten. Ehemalige Bauhäusler aus den Bereichen Architektur, Metall, Keramik oder Textil sowie Ereignisse nach 1945 werden dabei nur am Rande berücksichtigt, da der Themenschwerpunkt hier auf der Gebrauchsgrafik liegt. 141


Liselotte Müller _________ Typographische Kalenderbilder Titelkarte und Monate Januar bis Dezember Werkstatt Albinus um 1928

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Illustration: Schneider _________ Werbeanzeige Autofum Zigarrenanzünder 1931 225


unbk. Entwerfer _________

Günther Kieser _________

Programmplakat Folklore Hessischer Rundfunk 1977

Konzertplakat Jimi Hendrix Experience 1969

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Dirk Streitenfeld _________ Plakat Frankfurter Schule Hessen Drei 1989

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Franz Aumüller _________ Titelseiten, Magazin Instant 1981, 1982, 1984, 1987

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Hans-Georg Pospischil (Art-Director) Seymour Chwast (Illustration) _________ Titelseite FAZ-Magazin 1987

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Diese Publikation erscheint anlässlich der Ausstellung Alles neu! 100 Jahre Neue Typografie und Neue Grafik in Frankfurt am Main Museum Angewandte Kunst, Frankfurt am Main 25. März – 21. August 2016

Katalog Herausgeber: Klaus Klemp Matthias Wagner K Redaktion: Lucia Hornfischer Assistenz: Monika Wagener Autoren: Stefan Beuttler Carina Danzer Petra Eisele Friedrich Friedl Klaus Klemp Julia Meer Isabel Naegele Katharina Pennoyer Matthias Wagner K Peter Zizka Kurztexte von Studierenden der HfG Offenbach: Nadine Auth, Jin Yung Bargon, Kai Dreyer, Nora Etmann, Florian Hundt, Simon Keckeisen und Sarah Spichal Manuskriptlektorat: Bettina Reichmuth, Freiburg i.Br. Konzeption, Grafikdesign: Burkardt | Hotz, Büro für Gestaltung, Offenbach am Main Digitale Bildbearbeitung: Thomas Nikolai, Oberursel Papier: Hello fat matt, 150 g/m² Schrift: Futura SB (Scangraphic) Druck und Buchbindung: Kösel, Altusried-Krugzell © 2016 av edition GmbH, Stuttgart, Autoren und Museum Angewandte Kunst, Frankfurt am Main Erschienen bei: av edition GmbH Senefelderstr. 109 70176 Stuttgart kontakt@avedition.de www.avedition.com ISBN 978-3-89986-246-1 Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek; Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar. 318


Ausstellung Museum Angewandte Kunst, Frankfurt am Main

Stiftung Museum Angewandte Kunst gemeinnützige UG (haftungsbeschränkt)

Direktor: Matthias Wagner K

Kuratorium: Gregor Ade, Dr. Andreas Dietzel, Heike Eichhorn, Prof. Dr. Rainer Forst, Prof. Dr. Klaus Günther, Peter Gatzemeier, Wilfried Kuehn, Ute Kunze, Bascha Mika, Klaus Mössle, Alex Oppermann, Dr. Claudia Orben, Till Schneider, Karin Thoma, Robert Volhard, Dr. Alexander von Boch, Elena von Metzler

Kuratoren: Klaus Klemp und Friedrich Friedl Peter Zizka und Matthias Wagner K (zeitgenössische Positionen) Organisation und Koordinationsassistenz: Monika Wagener Ausstellungsarchitektur: Stefan Weil, Atelier Markgraph, Frankfurt am Main Sibylle Schneider, Stefanie Henrich

Präsidentin: Dr. Paula Macedo Weiß Vorsitzender: Peter Zizka Stellvertretende Vorsitzende: Ulrike Berendson

Ausstellungsleitung: David Beikirch Beratung: Stefan Beuttler Ausstellungsaufbau: Nadine Auth, Johannes Grehl, Florian Hundt, Peter Otterbein, Katrin Trost Papierrestauratorin: Vera Gunder Objekt- und Wandbeschriftung: Martincolor, Frankfurt am Main Restauratoren: Sabine Maurischat Christian Dressen Presse- und Öffentlichkeitsarbeit: Dorothee Maas Julia Quedzuweit

Fördernde Firmenmitglieder Bögner Hensel & Partner Rechtsanwälte Notare Steuerberater Clifford Chance Deutschland LLP Ernst & Young GmbH Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Fördermitglieder Sandra Doeller und Gabi Schirrmacher Rebecca Schmidt Dr. Daniel Weiß Exitecture Architekten IQ Steuerberatungsgesellschaft mbH KGV – Kunstgewerbeverein Frankfurt am Main Freunde des Museums Angewandte Kunst Vorsitzender: Dr. Friedrich Heigl

Create / Vermittlung: Alexandra Sender Simone Bahr Direktionsassistenz: Sandra Schwarz

Ein Museum der Stadt Frankfurt am Main

Verwaltung: Natalie Schwab

Gefördert von:

Museumstechnik: Marcel Bode, Tilo Kohl Haustechnik: Michael Frenz, Ralf Gehner Hausmeister: Stanislav Yakushev Kasse, Empfang: Marija Baruch Schließdienst: Vojislav Nujkic 319


Nach dem Ersten Weltkrieg entstand in Frankfurt am Main ein einzigartiges Modernisierungs- und Gestaltungsprojekt, das als das „Neue Frankfurt“ vor allem in die Architekturgeschichte eingegangen ist. Es handelte sich dabei jedoch um ein sehr viel umfangreicheres Vorhaben, das politische, gesellschaftliche und gesamtkulturelle Dimensionen besaß und keinen geringeren Anspruch hatte, als eine neue Stadt und eine neue Gesellschaft zu erschaffen. Design, vor allem auch Grafik design, visuelle Kommunikation und Schriftgestaltung spielten in diesem „Neuen Frankfurt“ eine herausragende Rolle. Davon handelt dieses Buch und zeigt erstmals einen umfassenden Überblick zur Typografie und zum Grafikdesign im „Neuen Frankfurt“.

€ 39.00 (D) ISBN 978-3-89986-246-1 Katalogbuch zur Ausstellung im Museum Angewandte Kunst, Frankfurt am Main

9 783899 862461 >


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