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Job.Dich.Schlau

Lesen, wie es wirklich ist: Josef erzählt von seinem «Was will ich»-Jahr.

Abi fertig. Und dann? Weißt nicht? Mut zur Lücke mal anders: 1 Jahr Jobben. Real-Life-Experience.

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Gefühlt alle scheinen zu wissen, was sie nach dem Abi machen wollen. Nur du nicht. „Ich kann nix so richtig“, „Ich bin in nix so richtig gut“, so Sprüche drückst du dir die ganze Zeit. Vor Corona der Selbstentdeckungs-Klassiker: Ausland, Neuseeland, Kiwis ernten, Schafe zählen. Geht nicht mehr; ausgeschaft. Einfach irgendwas studieren? Im Zweifel BWL, auch Klassiker? Muss nicht. So war zumindest bei mir die Überlegung – Wirtschaft hat mich schon interessiert, was Handwerkliches irgendwie auch, oder was mit Menschen, hmmm – Weil Gap-Year geht auch hier, auch hier gibt’s Farming, Hofmithilfe, Kühekolonnen. Freiwilligenarbeit halt. Aber - SpecialTipp: Du könntest auch so richtig arbeiten. Mal ein Jahr lang. Fabrik, Dienstleistung, Gastro, Fahrer, Supermarkt.

KLINGT ERSTMAL UNSEXY?

Verständlich. Aber: Mehr echte Lebenserfahrung kannst du nirgends sammeln - und gleichzeitig wissen, dass du diesen Job nicht für immer machen wirst! Beispiel: Supermarkt. Viele Ketten suchen grade junge Leute nach dem Abi für drei Monate, Sommeraushilfe. Bei mir war’s sogar ein Bio-Supermarkt mit vielen Filialen in unserer Region, also kein Öko-Traumtänzer-Lädelchen, sondern handfestes Wirtschaften. Während der Schulzeit hatte ich noch nie längerfristig gejobbt, also war das für mich Neuland. Meine To Do’s: Kasse & Co. Ok, man muss kein Einstein sein, um die Kasse zu bedienen, aber trotzdem: Am Anfang war’s schon schissbehaftet, ich wollte natürlich nicht zu langsam sein und jedes Mal nach einer zweiten Kasse klingeln müssen, stimmen muss die Kasse am Ende des Tages logischerweise auch und Kundenfreundlichkeit (also ich zu den Kunden, nicht andersrum, haha) ist ebenfalls ein Muss. Dazu Schichten am Wochenende, sehr gewöhnungsbedürftig, und die Frühschicht ab 6 Uhr, dito. Vorher fand ich um 8 Uhr in der Schule sei schon die Megaleistung. In diesen Monaten hab ich mehr und vor allem völlig andere Sachen als jemals am Gymnasium gelernt: Dass ich vorher auf ziemlich hohem Niveau gejammert hab, wenn ich mal acht Schulstunden am Tag hatte, wie anstrengend 40-Stunden-Wochen sind, was die Crew in so einem Markt eigentlich leistet, wie viel Führungskraft dahintersteckt, wenn der Laden laufen soll und wie wichtig Kollegialität ist. Ich bin krass aus meiner Abi-Kumpels-Blase rausgekommen und hab viele engagierte und witzige Leute kennen gelernt, auf die das irgendwie old-school klingende Wort ‚fleißig’ richtig passt. Wenn du denen erzählt hättest, dass du es bis vor vier Wochen richtig stressig fandest, deinen Biostoff zu lernen, die hätten dich nach einer 9-Stunden-Schicht zwischen Salat und Kasse für verrückt erklärt. Cool auch die Erfahrung, eine brauchbare Summe eigenes Geld zu verdienen, das hat sich schon anders angefühlt als ein 450 Euro-Job in der Eisdiele. Dann waren die drei Monate rum, ich aber immer noch nicht sicher, wo ich hinwill, also hieß es: weiterjobben. Next Stop: Hotelbranche. Rezeption. In einem kleinen, inhabergeführten Stadthotel hab ich mich beworben und wurde genommen: Wieder Schichtarbeit, Wochenenddienste auch am Sonntag und an Feiertagen, klar, Tourismus kennt jenseits von Corona keine Pausen.

Gas. Bremse. Das Geheimnis des Bandes. Bewerben: Ich hab ganz klassisch im Internet, in der Papier-Zeitung und auch bei Aushängen im Supermarkt gekuckt.

Benefit: Für mich war der größte Benefit dieses zeitlich begrenzte “Eintauchen” in ein Leben, das Millionen Leute jahrein, jahraus führen.

Unvergesslich: Die große Weihnachtsfeier meines Supermarkt-Arbeitgebers: Wir wurden total stylish in eine Art Bar eingeladen mit DJ und allem drum und dran. Zu sehen, wie die Mitarbeiter*innen sich megagefreut haben, war echt schön.

TIPPS

Bitte nicht: Irgendwas studieren, nur um ‘verräumt’ zu sein. Gib dir lieber ein Jahr Selbsttest und Erfahrungen sammeln.

Status: Doof: du verlierst deinen Kindergeld-Anspruch für die Zeit, in der du ‘normal’ verdienst. Aber man kann nicht alles haben.

Gäste ein- und auschecken, Rechnungen schreiben und abrechnen, Beschwerden managen (die Toilette ist verstopft, in unserem Zimmer ist es laut, die Nachbarn singen, der Parkplatz ist zu weit weg und so weiter), in der Frühschicht Frühstück machen, Würstchen braten, Kaffee kochen, Rührei anrühren und Co. ‚Mein’ Hotel war ein wirklich winziges mit 15 Zimmern, entsprechend persönlich waren Team und Service und vielfältig die Aufgaben. Auch aus diesem Job hab ich megaviel für mein jetziges Leben und mein jetziges Mindset mitnehmen können: Wie hart Geld verdient ist – meine Chefin, übrigens multilinguale Griechin mit Bachelor-Abschluss, ultra-gewissenhaft und zuverlässig, hat kaum mehr verdient als ich. Wie wichtig es ist, „dein Team“ mitzunehmen und auf deiner Seite zu haben. Wie gut es ist, wenn man Fremdsprachen kann. Wie gut drauf viele Leute sind, wie wenig sie sich beklagen, wie ‚normal’ es für sie ist, ihren Job engagiert und gründlich zu erledigen. Wie unbequem es sein kann, in der Führungsebene zu sein – weil: Nettsein allein reicht nicht immer, manchal braucht’s eine unkompromittierbare Ansage und Toughness, auch wenn jemandem das schwerfällt. Sonst ist die AusnutzGefahr groß. Das alles kriegt man sehr viel besser, weil distanzierter mit, wenn man den Job nur eine Zeitlang macht: Man kann in die Rolle des*der Beobachtenden schlüpfen und für sich die Erkenntnisse rausziehen, die einem wichtig sind. Nach einem guten Jahr hab ich aufgehört in ‚meinem’ Hotel, nicht nur um einige Tausend Euro, sondern ebenso viele Erfahrungen reicher. Und wie ging es weiter mit mir? Nach den JobErfahrungen wusste ich schon etwas besser, was ich will und vor allem: nicht will. Ich hab mir ganz in Ruhe tatsächlich eine Excel-Stärken-Schwächen-Go-No go-Interessiert mich - kann ich-Liste erstellt. In der Job-Zeit hab ich gelernt: Geld verdienen interessiert mich, aber auch die ethischen und nachhaltigen Themen, die sich automatisch anschließen. Die Arbeit mit Menschen interessiert mich, kritisch hinterfragen interessiert mich und komplexe Themen auch. Herausgekommen ist ein Studium der P&E, Philosophy & Economics, das es so in Deutschland nur in Bayreuth und Witten-Herdecke gibt. Der Studiengang ist zulassungsbeschränkt, ich hatte das Glück, genommen zu werden – in diesem Prozess haben meine Jobs sicher auch ein Waagenzünglein gebildet. Vor den Jobs, das nur nebenbei, war ich stark in Richtung Psychologie unterwegs – das hab ich währenddessen gelernt: Was Wirtschaftlicheres gefällt mir besser. Und wenn die Zulassung zu P & E nicht geklappt hätte? Ganz ehrlich: Ich hätte noch ein Jahr gebjobbt. Besser als irgendwo irgendwas studieren, und viel, viel lehrreicher. Ich kann’s nur empfehlen.

SCHAFFST DU!

Du solltest: Lernen. Du machst: dir Sorgen. Im Bett rumliegen. Zimmer aufräumen. Auf Insta gucken. Aufschieberitis hoch 3, kennen wir alle. Hier deshalb unsere KeinePrüfungsangst-Lern-Motivations-Tipps von Dr. Doris Wolf.

Ein wesentlicher Einflussfaktor bei der Entstehung von Prüfungsängsten ist deine Einstellung.

Die Angst überwinden Um deine Prüfungsangst abzubauen, kannst du an drei Punkten ansetzen: Erstens an den Angst erzeugenden Einstellungen, zweitens an den Angst erzeugenden Vorstellungen und drittens im körperlichen Bereich.

STRATEGIE 1: Du korrigierst deine Angst erzeugenden Einstellungen Alles was du denkst, jeder einzelne Gedanke, bewirkt automatisch auch eine Veränderung in deinen Gefühlen. Nicht immer entsprechen unsere Gedanken den Tatsachen. Manchmal interpretieren wir etwas in eine Situation hinein, ziehen falsche Schlussfolgerungen oder malen die Zukunft übertrieben schwarz. Unser Gehirn kann nicht unterscheiden, ob ein Gedanke eine Situation unangemessen oder angemessen beschreibt. Deshalb ist es umso wichtiger, eigene Gedanken bewusst wahrzunehmen und zu prüfen, inwieweit sie der Realität entsprechen.

In den Köpfen von Leuten mit Prüfungsangst gibt es typische negative Einstellungen, die Prüfungsangst auslösen. Diese Einstellungen stellen wir im Folgenden vor, gleich danach gibt’s deren Korrektur:

Der Realität entsprechende Gedanken: »Ich verlange übermenschliches von mir, wenn ich an mich den Anspruch habe, keinen Fehler zu machen. Außerdem setze ich mich dadurch so unter Druck, dass ich vor lauter Angst erst recht Fehler mache. Fehler machen ist kein Beinbruch. Deswegen falle ich nicht gleich durch eine Prüfung.«

»Ich bekomme in der Prüfung bestimmt kein Wort raus. Mir fällt garantiert nichts ein.«

Der Realität entsprechende Gedanken: »Ich weiß nicht, ob ich in der Prüfung kein Wort rausbringe. Selbst wenn ich einen Augenblick blockiert wäre, wäre das keine Katastrophe. Ich werde mich gut vorbereiten und ein Entspannungsverfahren erlernen, dann kann ich mein Wissen besser abrufen. Es ist unwahrscheinlich, dass mir überhaupt nichts einfällt, wenn ich mich vorbereite.«

»Es wird garantiert nicht gefragt, worauf ich mich vorbereitet habe.«

Der Realität entsprechende Gedanken: »Natürlich gibt es keine 100-prozentige Garantie, dass auch die Themen drankommen, auf die ich mich vorbereitet habe. Ich werde mir Informationen verschaffen, welche Themen gewöhnlich vorkommen, und mich darauf vorbereiten.«

»Ich bin vollkommen in der Hand des Lehrers oder der Lehrerin.«

Der Realität entsprechende Gedanken: »Die Lehrer*innen bestimmen zwar über meine Note, aber nicht über mein Leben. Sie sind nämlich auch nur Menschen wie ich. Ich habe durch meine Leistungen Einfluss auf ihre Bewertung.«

»Wenn ich die Prüfung nicht bestehe, kann ich mein Berufsziel nicht erreichen. Dann ist alles aus.«

Der Realität entsprechende Gedanken: »Wenn ich die Prüfung beim ersten Mal nicht bestehe, habe ich die Möglichkeit, einen zweiten Anlauf zu nehmen. Sollte ich die Prüfung auch dann nicht bestehen, geht mein Leben dennoch weiter. Aber da ich die Schule bis hierhin geschafft habe, ist es eher unwahrscheinlich, dass ich die Prüfung nicht bestehe.« BUCHTIPP Dr. Doris Wolf, Dr. Rolf Merkle: ›So überwinden Sie PRÜFUNGSÄNGSTE‹ pal Verlag, 9,80 €

»Alle werden mich für eine*n Versager*in halten, wenn ich durchfalle.«

Der Realität entsprechende Gedanken: »Ich weiß nicht, wie die anderen über mich denken und wie sie reagieren würden. Möglicherweise hält mich der ein oder die andere für eine*n Versager*in. Aber es ist völlig unwichtig, was andere denken. Ich weiß, dass eine nicht bestandene Prüfung aus niemandem eine*n vollkommene*n Versager*in machen kann. Alles, was man objektiv sagen könnte, wäre, dass ich eine Prüfung nicht bestanden habe.«

Immer, wenn du eine der fett gedruckten Angst auslösenden Einstellungen bei dir erkannt hast: ersetze sie durch die korrigierten Einstellungen! Nicht davon abschrecken lassen, wenn dir die korrigierten Gedanken zunächst gekünstelt vorkommen oder du das Ganze als Wortspielerei betrachtest.

STRATEGIE 2: Du gestaltest dir eine positive Vorstellung von Prüfungssituationen Wenn du deine Prüfungssituation in düsteren Farben ausmalst, dich hilflos auf dem Kuli kauend vor dem leeren Papier sitzend oder stotternd vor dem Prüfer siehst, dann musst du Angst empfinden. Du kannst aber bewusst eine alternative Vorstellung dagegensetzen und dich darin üben, mit der Angst in der Prüfungssituation umzugehen: Stell dir hierzu möglichst lebendig die Prüfungssituation vor, den Raum, die Sitzordnung, die anwesenden Personen. Stell dir vor, wie deine Angstgefühle auftauchen und du damit umgehen kannst. Sag dir: »Bleib ruhig. Du hast dich gut vorbereitet. Niemand will dir schaden. Deine Angst wird vorübergehen. Konzentriere dich auf die Fragen. Wenn du eine Frage nicht beantworten kannst, ist das keine Katastrophe. Bleibe ruhig, atme tief. Du kannst die Situation bewältigen.« Wichtig: Male dir aus, wie du deinen Körper wieder beruhigst und deine Fassung gewinnen kannst, auch wenn die Angst auftaucht. Wiederhole diese positiven Vorstellungen, wann immer die ›Katastrophenphantasien‹ auftauchen.

STRATEGIE 3: Du bringst deinen Körper in einen entspannten Zustand Angst macht sich in einer Umstellung des vegetativen Nervensystems und in einer Veränderung der Muskelanspannung bemerkbar. Außerdem beschleunigt sich der Atemrhythmus und es kommt zu einem flachen Atmen im oberen Brustbereich.

Eine einfache, aber effektive Methode als Ausweg: Die Bauchatmung. Lege deine Hand flach zwei Zentimeter unterhalb des Nabels auf die Bauchdecke. Atme tief ein und stell dir vor, wie der Atem langsam bis hinunter zu deiner Hand fließt und schließlich deine Hand hochatmet. Dann stell dir vor, wie der Atem langsam wieder über den Brustraum zurück über die Nase nach außen entweicht, und konzentriere dich darauf, wie die Hand wieder nach unten sinkt. Wiederhole diese Technik mehrere Minuten beziehungsweise so lange, bis du deutlich entspannter und ruhiger bist. Du kannst diese Übung vor dem Einschlafen am Abend, beim Warten vor dem Prüfungszimmer oder vielleicht sogar in den Pausen während der Prüfung einsetzen. Vorteil dieser Übung: Sie funktioniert schnell und benötigt kein Training.

Diese drei Strategien sind wichtige Handwerkszeuge, um gelassener ins Abi gehen zu können. Und immer dran denken: Eingefahrene Denk- und Verhaltensmuster lassen sich nicht durch Erkenntnis, sondern nur durch Training verändern.

LERN-UND ARBEITSTECHNIKEN

Wichtig: Bring dich in einen ›empfangsbereiten Zustand‹

Ganz klar: Ohne gute Lern- und Arbeitstechniken haut das mit der stressfreien Prüfung nicht hin. Sie sind unerlässlich für gute Prüfungserfolge. Alles beginnt mit unserer Motivation. Und die hängt von unserer körperlichen und mentalen Verfassung ab.

Körperliche Verfassung: Hier gilt: Bitte ausgeschlafen, leicht gesättigt und schmerzfrei! Außerdem: dich nicht aufs Bett fläzen, sondern eine Körperhaltung einnehmen, als ob du möglichst jede kleine Einzelheit einer spannenden Neuigkeit mitbekommen wolltest. Probier es am besten gleich aus – auch wenn du dir am Anfang affig vorkommst. Deine Kopfhaltung, Mimik, Körperhaltung und Atmung sollten gespannte Aufmerksamkeit signalisieren. Merkst du den Unterschied? Die gezielte Veränderung der Körpersprache mag sehr banal klingen; aber in der Tat ist es so, dass wir mit einer bestimmten Körperhaltung immer auch eine bestimmte seelische Verfassung verknüpfen. Nehmen wir die Körperhaltung ein, rufen wir die Stimmung wach.

Mentale Verfassung: Unser Körper aktiviert die Energie, die wir von ihm verlangen. Unser Drive ist umso stärker, je mehr wir ihm erzählen, dass es am Ende des Weges etwas Positives zu erlangen oder etwas sehr Negatives zu vermeiden gibt. Willst du deine Lernmotivation erhöhen, bedeutet dies: Du musst dir die Vorteile möglichst lebendig vor Augen führen, die das Bestehen der Prüfung mit sich bringen. Wie wird sich dein Leben nach der Prüfung verändern? Welche neuen Perspektiven hast du? Wie werden Freund*innen und Familie reagieren? Je positiver du dir alles ausmalst, umso mehr zieht es dich zu deinen Büchern. Und vergiss nicht, dich täglich für deinen Einsatz zu loben. Falls du die Kurve zum Lernen mal nicht bekommen hast, dann akzeptiere, dass der Schweinehund mal gesiegt hat und starte neu durch.