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Ein Fall für die ASTAG
from STR 9-10/2022 d
by astagschweiz
GEFAHRGUTTRANSPORTE MIT ALTERNATIVEN ANTRIEBEN
Transportfirmen stehen im Geschäftsleben immer wieder vor heiklen Fragen. ASTAGMitglieder profitieren von einer umfassenden Beratung in den Bereichen Betriebswirtschaft, Recht, Technik und Transport. STR stellt interessante Sachverhalte und Fälle vor.
AUTOR: FABIAN SCHMID / BILDER: ASTAG Ein Schweizer Transporteur möchte eine neue Zugmaschine für den Gefahrguttransport beschaffen und fragt sich, ob dafür ein batterieelektrisches oder mit H2/Brennstoffzelle angetriebenes Fahrzeug in Frage kommt. Von verschiedener Seite erhält er widersprüchliche Informationen und Antworten. Der Transporteur, angewiesen auf eine verlässliche Investitionsplanung, ist unsicher und wendet sich zwecks Klärung der Rechtslage an die ASTAG.
Es kommt darauf an
Heizöl, Benzin, brennbare und druckverflüssigte Gase, Reinigungsmittel, Abfälle und vieles mehr – Gefahrgut ist nicht gleich Gefahrgut. Ausschlaggebend für die Klassifizierung ist das Übereinkommen über die internationale Beförderung gefährlicher Güter auf der Strasse (ADR). Die Schweiz ist seit Jahrzehnten Vertragspartei dieses Übereinkommens und wendet es auch im nationalen Verkehr an (vgl. Artikel 4 der Verordnung über die Beförderung gefährlicher Güter auf der Strasse [SDR]; SR 741.621).
Was bestimmt das ADR über den Antriebsmotor von alternativ angetriebenen Fahrzeugen?
Es sieht nur für bestimmte Fahrzeuge Einschränkungen vor, und zwar für «Fahrzeuge EX/II und EX/III» sowie für «Fahrzeuge FL und AT». Bei «Fahrzeugen EX/II und EX/III» handelt es sich um (Zitat ADR) «Fahrzeuge zur Beförderung von explosiven Stoffen oder Gegenständen mit Explosivstoffen (Klasse 1)», bei «Fahrzeugen FL und AT» um Fahrzeuge zur Beförderung gefährlicher Güter in festverbundenen Tanks (flüssige Stoffe mit einem Flammpunkt von höchstens 60 °C oder entzündbare Gase) sowie um Batterie-Fahrzeuge mit einem Gesamtfassungsraum von mehr als 1 m3 zur Beförderung entzündbarer Gase. Für den Bau und die Zulassung dieser Fahrzeuge gelten besondere Bestimmungen, insbesondere auch betreffend des Antriebsmotors. Bei «Fahrzeugen EX/II und EX/III» ist der Fall klar: Der Antriebsmotor muss (Zitat ADR) «ein Motor mit Kompressionszündung sein, für den nur flüssige Kraftstoffe mit einem Flammpunkt über 55 °C verwendet werden dürfen. Gase dürfen nicht verwendet werden.» Demgegenüber dürfen «Fahrzeuge FL und AT» mit CNG, LNG oder LPG betrieben werden, wenn die spezifischen Bauteile dieser Antriebstechnik sowie deren Anbringung am Fahrzeug den ADR- und UN-Vorschriften entsprechen und zugelassen sind. Über batterieelektrische oder mit H2/Brennstoffzelle angetriebene Fahrzeuge schweigt sich das ADR aus, weshalb diese beiden Antriebsformen im Umkehrschluss (noch) nicht zugelassen sind.
Schlussfolgerungen zum Antriebsmotor:
1. Für den Transport von Explosivstoffen kommt nur der Dieselmotor (oder Biodiesel, HVO) als Antriebsmotor in Frage. Der
E-Antrieb und der H2-Antrieb sind nicht zulässig. 2. Für den Transport von flüssigen Stoffen oder entzündbaren Gasen in Tanks sind unter Auflagen gewisse Alternativantriebe zulässig, nicht hingegen der E-Antrieb und der H2-Antrieb. 3. Für alle übrigen Transporte gibt es keine
Einschränkungen, d. h. die gesamte Palette alternativer Antriebsstoffe darf genutzt werden (CNG, LNG, LPG, E-Antrieb, H2-Antrieb etc.). Ein vollelektrisches Fahrzeug zum Stückguttransport mit Kastenaufbau beispielsweise darf flüssige Gefahrgutstoffe transportieren oder entzündbare Gase, letzteres allerdings nur, wenn das Gesamtfassungsvermögen nicht mehr als 1 m3 beträgt.
Und in Zukunft?
Besteht die Aussicht, dass E- und H2-Antriebe für Transporte gemäss den obigen Ziffern 1 und 2 in absehbarer Zeit zulässig sind? Zuständig für Anpassungen des ADR ist die Wirtschaftskommission für Europa der Vereinten Nationen (UNECE) mit Sitz in Genf. Die 53 Vertragsstaaten, zu denen auch die Schweiz zählt, können Änderungsanträge stellen, über die anschliessend mit Mehrheit beschlossen wird. Obwohl die einschlägige Website der UNECE/ WP.15 (unece.org/transport/dangerous-goods) noch keine Hinweise enthält, kann davon ausgegangen werden, dass sich die UNECE mit der Thematik befasst. Wann und unter welchen Bedingungen eine Zulassung erfolgen könnte, lässt sich derzeit nicht abschätzen.