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Leseprobe zu: Peter Hahne Suchet der Stadt Bestes Werte wagen – für Politik und Gesellschaft

Vorwort Zwei Trends kennzeichnen unsere Zeit. Wir beobachten einerseits eine Renaissance der Religion, eine neue Sehnsucht nach alten Werten – andererseits messen wir immer niedrigere Wahlbeteiligungen und höhere Politikmüdigkeit. Beides passt jedoch nicht zusammen, denn wer Werte will, kommt an der ordnenden Funktion des Staates und an der gestaltenden Aufgabe der Politik nicht vorbei. Christsein und Staatsverdrossenheit sind ein Widerspruch in sich. Deshalb dieses Buch. Doch der Verlust moralischer Werte und das Versagen der Eliten sind Wasser auf die Mühlen von Wahlmüdigkeit und Politikverdrossenheit. Korruption und Steuerkriminalität, Postengeschacher, Machtpoker und Wortbruch sind alles andere als eine Werbung für das politische Geschäft. Ist das jedoch als Rechtfertigung für politische Abstinenz stichhaltig und statthaft? Die Stellung des Christen zu Staat und Politik ist ein umstrittenes Thema. Die Spannweite reicht von totaler Enthaltung bis zum übersteigerten Engagement. Die einen verteufeln die Politik als »schmutziges Geschäft«, bei dem man »das Gewissen an der Garderobe abgeben« muss, andere vergötzen sie als eigentliche Erfüllung christlicher Weltverantwortung. Wieder andere halten Politik für ein notwendiges Übel, damit die Welt nicht ganz aus den Fugen gerät, von dem man als Christ aber besser die Finger lässt. Sollten sich Christen nicht ohnehin auf ihr Eigenes konzentrieren, auf Evangelisation und Mission? Sollte Religion nicht überhaupt die Finger von der Politik lassen, das fragen nicht wenige und verweisen, je nach Blickwinkel, auf den Einfluss des Islams in der arabischen Welt oder die amerikanische »Kreuzzugs-Politik« à la George W. Bush. Religion ist für die einen allenfalls Privatsache, für andere eine längst überholte und für attraktive Politik eher hinderliche Angelegenheit. Die Standpunkte reichen von Solschenizyns »Holt Gott zurück in die Politik!« bis zum Verdikt des Publizisten und Historikers Sebastian Haffner: »Das Christentum war einmal eine große Macht, aber heute ist es bedeutungslos geworden. Man zollt ihm noch Respekt, aber es hat keine gesellschaftsprägende Kraft mehr.« Welche Rolle spielt also das Christsein im öffentlichen Leben? Wie vereinbaren und bedingen sich Glaube und Politik? Woher nehmen Christen, die in Staat und Politik aktiv sind, ihre Maßstäbe? Diesen Fragen will das Buch nachgehen und dabei im


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