Artists Zeitung Nr. 3

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2011

2011

2011


2011

2011

Z e i t u n g

Ju b i l ä u m s a u f

d o k u m e n t i e r t

vo n A r t i s t s

d a s Au s s t e l l u n g s -

d a s

U n l i m i t e d

Ja h r

u n d

d e s

b i e t e t

2 5 - j ä h r i g e n e i n e n Au s bl i ck

u n d Ve r a n s t a l t u n g s p rog r a m m

M I TG L I E D E R 1 1 / 2 0 1 0 Katja Böhme, Klaus D. Braun, Steffen Budke, Steffen Bunte, Rebecca Butzlaff, Ricarda Enderweit, Cathleen Falckenhayn, Jenna Gesse, Janine Gockel, Cecilia Herrero, Heinrich Holtgreve, Angelika Höger, Michael Kohls, Ele Krekeler, Cem Kozcuer, Rainer Krause, Antje Löbel, Lucie Marsmann, Irini Metz, Harriet Esther Muntean, Tim Rehm, Lars Rosenbohm, Wojtek Ruhnau, Uwe Schweer-Lambers, Tim Sürken, Reiner Tintel

2011

D i e s e

2 0 1 1 .


Ó R Ó I

Au sblick

„My name is Anna, I like to make things. Sometimes I call it art, sometimes I don’t.“ So stellt Anna Louisa Wolff sich und ihr Tun vor. Die 76. Gastkünstlerin von Artists Unlimited kommt gerade aus einer kleinen Stadt nahe dem Polarkreis, genannt Reykjavik, Island. Bielefeld kennt sie aber auch sehr gut. Es ist sozusagen ihre erste Heimat. Und die Größen der beiden Städte findet sie angenehm ähnlich.   Während ihres Stipendiums in Bielefeld sucht sie „Freiraum zum Denken, Phantasieren und Arbeiten“. Sie bezeichnet sich selbst als eine „Nomadin“. Neugier treibt sie an. Ebenso, wie sie die künstlerischen Disziplinen traumhaft wechselt und sich gefügig macht, wechselt sie die Orte, an denen sie lebt. Sie will sich auf keine künstlerische Technik festlegen lassen und verzichtet auf etwaige Sicherheiten, die damit verbunden sind – wie Label, Netzwerke oder Routinen. Lieber sucht sie den Zustand der Rastlosigkeit. Sie will sich nicht damit abfinden – was wie ein Lebensziel klingt –, „dass die künstlerische Arbeit und das Geldverdienen voneinander getrennt sind.“ Daher auch ihr Arbeitstitel órói, der sowohl „eine Skulptur oder ein Arrangement hängender Elemente“ bezeichnet als auch „Unruhe / Ruhelosigkeit / Rastlosigkeit“ bedeutet. Die Ergebnisse ihrer Bielefelder Rastlosigkeit wird sie in ihrer Abschlussausstellung präsentieren. Und was kommt danach? Die Suche nach dem nächsten Ort. Ihrem nächsten Ort. Die Sehnsucht bleibt.

Ó R Ó I

A n n a L o u is a Wolf f

07 01 11 – 16 01 11


Ó R Ó I 07 01 11 – 16 01 11

( VO R S C H AU )

A n n a L o u is a Wolf f

Au sblick

Ó R Ó I


VO N G E IST U N D ZU STA ND: KO PFBILD ER

Au sblick „Je weniger die Dinge der Natur ähneln, desto mehr rühren sie uns an.“ (J. Suter) „Sagen Sie nicht immer natürlich, sagen Sie doch unnatürlich.“ (Thomas Bernhard)

Karsten Habighorst sieht sich „von der Suche nach dem perfekten Abbild getrieben“. Dabei wechselte er bereits vom für ihn „absoluten Realismus der Holographie“ zu einer – wie er es nennt – „expressiv-abstrakten, direkten

„Und ich glaube, diese Laune, Verse zu machen, kommt von einer starken

Malerei“. Der 1963 in Bielefeld geborene Künstler lehrte von 1996 bis 1999

Erregung der Tiergeister, welche die Einbildung derer, die kein gut gefügtes

an der Fachhochschule Bielefeld „Holographie – Darstellen mit Licht“. Seit

Gehirn haben, völlig durcheinander bringen könnte, die Kräftigen aber

1999 unterrichtet er an der Musik- und Kunstschule Bielefeld. Während seiner

lediglich ein wenig mehr erhitzt und sie der Poesie geneigt.“

Ausstellung bei Artists Unlimited wird er an einigen Tagen öffentlich in der

(Descartes)

Galerie arbeiten, wozu alle Interessierten herzlich eingeladen sind.

VON G EIST U N D ZU STA N D : KO PFBILD ER

K a r s te n H ab ig h o r s t

18 02 11 – 03 03 11


O F F E N E D RU CK WER K STAT T 3 30 03 11 – 20 04 11

widmen – mit aller Energie und seiner allseits bekannten Impulsivität. Die

schule Bielefeld, Fachbereich Gestaltung) die Artists Unlimited Ausstellungs-

dritte Veranstaltung der 2008 begonnenen Druckwerkstatt-Reihe dauert drei

räume als temporäre Druckwerkstatt nutzen. Statt der häufig üblichen Ab-

Wochen (nachdem logischerweise die erste eine Woche und die zweite genau

geschiedenheit im Mikrokosmos des Studiums, wird es jeden Tag geballte

zwei Wochen gedauert hat). Geilen möchte sich selbst eine Woche alleine in

Auseinandersetzung geben. Mit den Räumen, mit der Öffentlichkeit, mit

der Galerie schenken; danach kommen auch die Studierenden hinzu. Laut

der ungewohnten Situation. Doch 2011 soll alles anders sein. Jochen Geilen

Jochen Geilen „ein guter Jahrgang“, wovon man sich bereits während der

wird 65 – für ihn wird es voraussichtlich die letzte Veranstaltung dieser Art.

im Herbst 2010 ausgestellten Grafik-Edition am Fachbereich überzeugen

Nach 15 Jahren, in denen er am Fachbereich Gestaltung unterrichtete, hört

konnte. Es werden daher wieder ganz besondere Wochen für die Bielefelder

er im Lehrbetrieb auf und kann sich voll und ganz dem eigenen Schaffen

Druckgrafik-Szene, die man nicht verpassen sollte.

Ze ic h e n k la s s e G e ile n

Au sblick

Zum dritten Mal wird die Klasse von Professor Jochen Geilen (Fachhoch-

OF F EN E D RU CK WER K STAT T 3


M U J E R E S

Au sblick „Na ja gut okay“. Dieser Satz ist kein Punkt, aber immerhin eine kurze

fachen Menschen“, die keine Lobby haben. Näherinnen, Straßenverkäufer,

Pause, vielleicht ein Semikolon, wenn Cecilia Herrero sich über Wehlei-

Putzfrauen, deren Gesichter und Haltungen ganze Geschichten erzählen. Ge-

digkeit, Ungerechtigkeit und Bequemlichkeit ereifert. Sie ist eine Beob-

schichten aus Argentinien, aus Nicaragua, aus Deutschland ... Cecilia Herrero

achterin, aufmerksam und sensibel für die Dinge, die in ihrem Umfeld

sammelt sie und hält sie in ihren Arbeiten fest. Gesellschaftskritisch, ohne

passieren und energiegeladen und temperamentvoll im Umgang damit.

den Charakter und die Individualität der Dargestellten zu vernachlässigen.

Die in Argentinien geborene Künstlerin fertigte ihre ersten großen Ar-   Seit 2002 ist Cecilia Herrero Mitglied von Artists Unlimited. Wir freuen beiten in den 80er Jahren in Form von Wandbildern an, ein Format, das sie

uns, ihre neuen Arbeiten bei den Bielefelder Nachtansichten präsentieren

nach wie vor bearbeitet, z.B. im letzten Jahr an der Universität Bielefeld.

zu können.

In Deutschland war ihre erste Station die Hamburger Hafenstraße. Fassadenmalerei. Politisch natürlich. Seit einigen Jahren ist sie extrem nah am Menschen. Ihre Bilder und Skulpturen bekunden ein Interesse an den „ein-

M U J E R E S

C e c ilia H e r re ro

29 04 11 – 01 05 11


D ROWN IN G CLU B 06 05 11 – 15 05 11

Bildern und Videos zu produzieren. Das Ausgangsmaterial wird er einmal ge-

wohnen und arbeiten. Der Künstler und Kurator aus Portland (USA) rief

hörig durch den Internet-Wolf drehen, technische Begleiterscheinungen und

das experimentelle Projekt Cartune Xprez ins Leben, das Videolabel, Live- Bildstörungen werden zum Gestaltungsmittel im dichten Strom der Filmtheater, psychodelischer Tumult und Road Show in einem ist. Gleichzeitig

und Bilddateien. Bereits im Herbst 2009 folgte Peter Burr unserer Einladung

schafft Burr damit eine Plattform für Videokünstler, die kommerzielles Bild- und machte einen eintägigen Tour-Stop bei Artists Unlimited. Im vollbesetzmaterial anarchistisch verquirlen und neue Trickfilmformen abseits von üb- ten Kino im Filmhaus flimmerten zeitgenössische Animations-Kurzfilme über lichen Vormittags-Cartoons erkunden wollen. Seine Arbeit ist zum Aushän- die Leinwand, wurden kombiniert mit Musik, einer Installation aus aufblasgeschild dieses experimentellen Genres avanciert – ein Status, den er mit der

baren, leuchtenden Objekten, und – als absoluter Höhepunkt – mit der Per-

Veröffentlichung von DVDs, Publikationen und internationalen Touren (an

formance von Peter Burr. Wir freuen uns auf viele solcher Abende im Zuge

bisher 200 Spielorten in 19 Ländern) festigt. Für seinen Aufenthalt in Biele-

seines Gastkünstler-Stipendiums!

feld plant er, unter dem Arbeitstitel Drowning Club eine Arbeit aus digitalen

Pe te r B u r r

Au sblick

Im Frühjahr 2011 wird Peter Burr als 77. Gastkünstler bei Artists Unlimited

D ROWN IN G CLU B


D I E BA R B I E VO N S E V I L L A


D I E BA R B I E VO N S E V I L L A 20 05 11 – 05 06 11

statt. Nun gastiert die Künstlergruppe um Friederike Feldmann, Professorin an der Kunsthochschule Kassel, ein zweites Mal in Ostwestfalen, um ihr Experiment unter dem Titel Die Barbie von Sevilla fortzusetzen. Der befreundete Künstler Renaud Regnery betreut den Ausstellungs- und Arbeitssprozess und sieht sich mehr als Moderator denn als Kurator. Die beteiligten Künstler arbeiten auf eine Ausstellung hin, ohne im Vorfeld ein Thema festzulegen. Sie treffen selbst die Auswahl der auszustellenden Kunstwerke und die Art ihrer Installation. Wichtig ist, wie Regnery betont, dass alle an dem kommunikativen Prozess teilnehmen und sich wechselseitig beeinflussen. Daraus entstehen intensive Auseinandersetzungen – mit den Ausstellungsräumen und mit der eigenen gesellschaftlichen Realität. Wir sind gespannt, welche Art von Wirklichkeit die Gruppe in der Artists Unlimited Galerie entwickelt. mit: Janosch Becker, Meike Brinkmann, Andreas Eichinger, Mathias Esch, Stefan Geyer, Jana Graetschel, Marven Graf, Aimo Gräven, Susan Junge, Manuel Kirsch, Julia Kneise, Sung-Hern Lee, Mirjam Link, Greta Mattulat, Luisa Porsch, Theresa Rieß, Claudia Ritter, Katharina Wehner, Björn Wetzmüller und Clara Winter

K la s s e Fr ie d e r ike Fe ld m ann

Au sblick

Batman stinkt, Glöckchen klingt fand Anfang des Jahres in Schloss Holte

D I E BA R B I E VO N S E V I L L A



(D IS)O R D ER 08 01 10 – 17 01 10

einem so wissenschaftlichen Hintergrund, wenn es um eine so freie Disziplin

Januar mit einer Menge Zahlen. Zum Glück nicht in Form von Bilanzen

wie Zeichnen geht? Rachael Elwell faszinierte das Unerwartete, Unbeein-

oder Galerie-Hochrechnungen. Eigentlich waren die Zahlen nicht mal sicht- flusste in ihren Arbeiten. Während der Entstehung konnte sie eine Distanz bar und dennoch allgegenwärtig: In den Arbeiten von Rachael Elwell.

zu ihren Bildern aufbauen, die es ihr ermöglichte, den zeichnerischen Pro-

Unsere britische Gastkünstlerin sammelte während ihres Stipendiums

zess an sich zu erforschen und klassische Techniken zu untergraben.

den ganzen Tag. Unbemerkt filterte sie ihren Alltag, Handlungen und

Während ihres Stipendiums dokumentierte sie ihren Aufenthalt auf dem

Gesehenes, und entwickelte daraus ein Zahlenkonzentrat, das die Grundla- Blog postcards from Bielefeld und entwickelte eine große Begeisterung für ge ihrer Arbeit wurde. Kein Zugplan, keine Quittung oder beiläufige Notiz

das Projekt Artists Unlimited. Dies äußerte sich nicht nur durch ihre Teil-

war vor ihr sicher – immer auf der Suche nach neuem Material archivierte

nahme am Jubiläum, zu dem sie gemeinsam mit Ben Gwilliam (Gastkünstler

sie den „Alltag in Ziffern“, pflegte ihn in Raster und Koordinaten-Systeme

2008) anreiste, sondern auch in ihren Bemühungen, das Stipendium von

ein, generierte ihn weiter durch einen Würfel, ließ ihn zu Regeln werden, Artists Unlimited international besser zu bewerben. An diesen Bemühungen an denen sich ihre künstlerische Arbeit orientierte. So entstanden Graphit- haben wir nun hart zu arbeiten – bei der Auswahl von ein bis zwei Gastund Buntstiftzeichnungen, die in ihrer Sensibilität und Lebendigkeit nicht

künstlern aus fast 400 Bewerbungen! Thank you, Rachael!

im Geringsten an mathematische Grundsätze erinnerten. Aber wieso bedient sich eine Künstlerin, die das Studium Master of Arts absolvierte, überhaupt

R a c h a e l E lwe ll

Rü ck blick

Wie es sich für ein gut strukturiertes Ausstellungsjahr gehört, begann der

(D IS)O R D ER


EIN Q U EEN

Rü ck blick

Re b e k k a S c h u lte

29 01 10 – 07 02 10

Eine unangekündigte Demo, die im Gastatelier startet und an der Viktoria-

Seit 2003 leitet sie das Offene Atelier im LWL-Zentrum für Forensische Psy-

straße endet? So ungefähr sah es aus, als kurz vor der Eröffnung das zehn

chiatrie Lippstadt. Sie untersuchte sich und ihre Zeichnungen auf mögliche

Meter lange, vor frischer Farbe tropfende Transparent nach draußen getra-

Impulse, die ihre Arbeit mit psychisch kranken Straftätern in ihre eigene

gen wurde, um es an der Artists Unlimited-Plakatwand anzubringen. In der

künstlerische Arbeit sendet. Ebenso die Notwendigkeit, sich als Person im-

Galerie hing bereits die Ausstellung ein queen mit Arbeiten von Rebekka

mer wieder neu zu definieren. Zeichnerisch löst und distanziert sie sich von

Schulte, die Jochen Geilen kurze Zeit später eröffnete.

Einflüssen, Gesehenem und Gehörtem, von Begegnungen, dem Druck, den

„Ich zeichne, um zu zeichnen. Ich zeichne die Dinge. Kopfgeschichten.

ihre Stelle im Maßregelvollzug mit sich bringt.

Geschichten und Schichten, verschichten. Alltagsschichten. Gehört und ge-   Die 1976 geborene Künstlerin, die in Bielefeld und Utrecht Freie Zeichzeichnet. Ganz viel Unwichtiges. Aber immer. Zeichne schnell. Muss nicht

nung studierte (Masterabschluss 2009) und 2005 mit einer Einzelschau in der

groß sein. Auch nachts.“ Bewegt, mehrlagig und fragmentarisch wirkte

MARTa Kapelle in Herford vertreten war, zeigte zu Beginn des Jahres 2010

schon dieser Auszug zur Beschreibung ihrer eigenen Arbeit. Die eigene Ver-

ihre Arbeiten in der Artists Unlimited Galerie.

sion von der Geschichte erzählen und Geschichten hinter sich lassen – diese Möglichkeit findet Rebekka Schulte in ihren Zeichnungen. Zuletzt befasste sich Schulte in ihrer Masterarbeit künstlerisch mit dem, was vom Tag bleibt.


EIN Q U EEN 29 01 10 – 07 02 10

EIN Q U EEN


T OT E TIER E LÜ G EN N ICHT

als Experimentierfeld sehen. Das ändert nichts daran, dass viele Arbeiten schon präsentationsfertig sind, wenn sie hier ankommen. Cem Kozcuer, seit 2007 Mitglied von Artists Unlimited, entdeckte eine kleine Lücke im Ausstellungszeitplan und nutzte sie, um sich zwei Wochen intensiv mit den Räumen auseinander zu setzen. Die dreitägige Ausstellung Tote Tiere Lügen Nicht zeigte einen Jetzt-Stand auf diesem Weg. „Die für die Galerie entstandenen Arbeiten haben für mich keine Endgültigkeiten. Ich arbeite eher daran, ein Geflecht von Ideen und Assoziationen zu schaffen, die einen Fächer von Resultaten hervorbringen können“. Im Vordergrund stand der installative Umgang mit Fotografie, zum Großteil mit vorgefundenem Material.   Verschiedene fotografische Medien wurden auf ihre Beschaffenheit hin untersucht. Was leistet ein Medium und wo gerät es an seine Grenzen? Was passiert, wenn man dem Medium eine andere Funktion zuweist, oder dem Betrachter eine andere Position? Die gezeigten Arbeiten waren verspielt, aber konzentriert. Poetisch, aber präzise. Und ein bisschen vergangen: Ein Diaprojektor, der den Raum mit Vertetungsstunden-Luft füllte, ein Funkgerät, aus dem alte Schlager plärrten. Waren das die Toten Tiere?   Cem Kozcuer, zunächst Social Sciences- und Medienwissenschaftsstudent an der Universität Osnabrück, studiert seit 2006 Fotografie und Medien an der Fachhochschule Bielefeld.

Rü ck bl i ck

In jedem offiziellen Text zu unserer Galerie betonen wir, dass wir sie auch

C e m Koz c ue r

19 03 10 – 21 03 10

T OTE TIER E LÜ G EN N I C H T


T OT E TIER E LÜ G EN N ICHT 19 03 10 – 21 03 10

C em Koz c ue r

T OTE TIER E LÜ G EN N I C H T

Rü ckbl ick


VI E L L E ICH T H AT ES SO B E G O N N EN


VIE L L E I C H T H AT ES SO BEGONNE N 09 04 10 – 25 04 10

„Stecken sie ihre Nasen rein, wo sie können und versuchen sie, ihren Spaß damit zu haben. Das ist hier sicher nicht verboten.“ So die Aufforderung von Daniel Neugebauer im Rahmen seiner Eröffnungsrede. Selbst regelmäßige Galerie-Besucher waren etwas verwirrt – gleich drei zusätzliche Räume hatte Angelika Höger für ihre Ausstellung Vielleicht hat es so begonnen geöffnet. obert und bespielt – eine gute Vorankündigung für die darauf folgende Jubiläumsausstellung, während der dieses Phänomen im ganzen Haus um sich griff. Bei keinem anderen Künstler könnte jedoch der Begriff „bespielen“ passender sein, als bei Angelika Höger – ihre Installationen sind lebendig, beweglich, wirken wie eine Momentaufnahme verspielter Neugier. In der Ausstellung Vielleicht hat es so begonnen kombinierte sie diese spielerischen Erfahrungsräume mit ruhigeren, entschleunigten Arbeiten, wie etwa einer Videoinstallation, in der sich Schnecken in einem Hamsterrad abmühten, oder einer Außeninstallation aus vielen Eimern und Zubern, die sich langsam, aber umso geräuschvoller mit Wasser füllten. „Ist sie ein Spielkind oder ist sie eine Wissenschaftlerin? Diese beiden Elemente tauchen in ihren Arbeiten immer wieder auf. Die Högersche Philosophie kann man vielleicht in verschiedenen Komponenten zusammenfassen: Die Veränderung, der Prozess, das ist ihr Thema, das Spiel ist ihre Vorgehensweise, Wissenschaftlichkeit ist ein Ordnungsprinzip, das sie gebraucht und sie benutzt dabei die Ästhetik des Alltäglichen.“ (Daniel Neugebauer)   Seit ihrem Diplomabschluss im Jahr 2004 an der Fachhochschule Bielefeld ist die 1966 in Freiburg geborene Künstlerin freischaffend tätig. Seit Anfang 2009 lebt und arbeitet sie bei Artists Unlimited. Vielleicht hat es so begonnen wurde auch während der Nachtansichten 2010 präsentiert.

VI E L L E ICH T H AT ES SO B E G O N N EN

Rü ckbl ick

A nge lik a Hö g er

Sonst versteckte Abstellräume wurden zum Ausstellungsraum erhoben, er-


O F F E N E D RU CK WER K STAT T 2

Zum zweiten Mal wurde die Artists Unlimited Galerie zum Arbeitsraum für die jungen Künstler der Zeichenklasse Geilen. Acht Studierende um Professor Jochen Geilen (Fachhochschule Bielefeld, Fachbereich Gestaltung) richteten sich in der Galerie für zwei Wochen ihre druckgrafische Werkstatt ein und arbeiteten von morgens bis abends, zum Teil bis tief in die Nacht. Wie im vorherigen Jahr waren wieder alle Interessierten eingeladen, in der Galerie vorbei zu schauen und den druckgrafischen Prozess hautnah mitzuerleben. Die entstandenen Arbeiten wurden in einer Abschluss-Ausstellung präsentiert, in den Räumen, in denen sie sich entwickelten. Wir freuen uns, Jochen Geilen und seine Studenten auch im Frühjahr 2011 wieder in unserer Galerie zu Gast zu haben.

Rü ck bl i ck

Ze ic he n kla ss e Ge il e n

31 05 10 – 11 06 10

OF F EN E D RU CK WER K STAT T 2


Z ei c he nkl a ss e G ei l en R端 ckbl ick


O B SERV ED MOTIO N

Rü ck blick

Schnell wurde man zum Versuchsobjekt, wenn man in der GastkünstlerWohnung vorbei schaute. In der Regel tat das Prozedere nicht weh – meistens musste man nur schätzen. Wie lang ist ein Meter? Wann ist eine Minute vergangen? Dabei wurde man gefilmt oder fotografiert. So sind fünf Artists Unlimited-Mitglieder die Hauptdarsteller in Tell me when you think one minute is up from …, ein Kurzfilm, der im August den Preis für den besten Film beim One Minute Film & Video Festival in der Schweiz erhielt. Sehr präsent ist im Film übrigens das grüne Sofa, das die nachfolgende Gastkünstlerin, Marion Lehmann, in ihrer Skulptur verbaute.   Doch zurück zu Bob Levene aus Sheffield. Die erste Gastkünstlerin im Artists-Jubiläums-Jahr beschäftigte sich mit der menschlichen Wahrnehmung im Bezug auf Raum und Zeit. Dabei interessierte sie besonders, wie sich dieses Verständnis durch neue Medien und andere Kommunikationswege gewandelt hat und weiter wandelt. Die 34-jährige Künstlerin ist fasziniert von den Kuriositäten und Widersprüchen, die bei den Versuchen entstehen, die Welt maßregeln und vermitteln zu wollen. Die simpelsten Überlegungen und Fragestellungen werden durch neue Perspektiven zu einem visuellen Erlebnis.    Während ihrer Zeit bei Artists Unlimited beschäftigte Bob Levene sich erstmals intensiv mit dem Medium Fotografie und präsentierte in ihrer Ausstellung spannungsvolle fotografische und filmische Arbeiten. Den Abschluss ihres dreimonatigen Aufenthalts bildete eine Filmvorführung im Kinosaal des Filmhauses. Dort fand im Anschluss an ihren Film Inertial Frame ein öffentlicher Artists-Talk mit Friederike Fast (Marta Herford) statt.

O BSERV ED MOTI O N

B o b L eve n e

01 05 10 – 12 05 10


O B SERV ED MOTIO N 01 05 10 – 12 05 10

O BSERV ED MOTI O N


B E N E F I Z PA RT Y 2 0 1 0 19 06 10

SA·19·JUNI WWW.ARTISTS WW S WWW.ARTISTSUNLIMITED.DE NLIMITED D

Invisible Urcle • Hamburg ~ Braindead Dogs • Arkansas T Trio Trois • Artists Unlimited ~ Pajou j Pajouh • Club!Ajz + Many more Artists 25 Years Unlimited

Rü ck blick

Artists 25 Years Unlimited

ARTISTS UNLIMITED

SA·19·JUNI WWW.ARTISTS WW S WWW.ARTISTSUNLIMITED.DE NLIMITED D

SA·19·JUNI PARTY

ARTISTS UNLIMITED

SA·19·JUNI BENEFIZ ARTISTS UNLIMITED

ARTISTS UNLIMITED

19·JUNI 25 YEA YEARS ARS

Zugegeben, das Wetter hatten wir in diesem Jahr nicht ganz auf unserer Sei-

Die Veranstaltung auf dem Innenhof und in der Galerie des Hauses ist

te. Vielleicht war das fehlende Motto schuld und brachte den Himmel gegen

der organisatorische Höhepunkt im Vereinsjahr – wenn nicht gerade eine

uns auf. Nichts desto trotz war die traditionelle Benefizparty wieder eine

Jubiläumsausstellung ansteht. Schon 1986, als Pip Cozens der erste Gast-

der schönsten Partys des Sommers, die Artists Unlimited neben allen künst-

künstler von Artists Unlimited war, wurde eine Party veranstaltet, um ihn

lerischen Aktivitäten seit Jahrzehnten in die Stadt sendet.

finanziell zu unterstützen: Ein Fliegenfest für Pip. Die Artists Unlimited-

Die massiven Hauswände, die das bunte Partytreiben umgeben, wurden

Benefizparty war geboren. Nach wie vor wird durch die Einnahmen das

wieder zur bewährten Projektionsfläche für selbst produzierte Kurzfilme,

Gastkünstlerstipendium finanziert, das seit 1986 dreimal jährlich an meist

Bebilderung zu den Bands Braindead Dogs (Arkansas) und Invisible Urcle,

ausländische Künstler vergeben wird. Zweimal im Jahr sichten alle Artists-

einer zehnköpfigen Band aus Hamburg, die mit einem Mix aus HipHop,

Mitglieder gemeinsam die Gastkünstler-Bewerbungen, die in den letzten

Jazz und Punk das Publikum mit Live-Musik beglückte. Danach wurden

Jahren stetig zugenommen haben und aus der ganzen Welt bei uns eintru-

zu den DJs Trio Trois und Pajouh bis zum Morgengrauen die Tanzbeine

deln. Dem sollten die Partygäste in nichts nachstehen.

und -arme geschwungen.

B E N E F I Z PAT Y 2 0 1 0

A r tis ts U n lim ite d

SA·19·JUNI PARTY


2041 23 07 10 – 31 07 10

gend erzählten oder nur beobachtet und beunruhigt hin und her rutschten.

sieren und mit dem Arbeiten zu beginnen. Bei Eszter Szabó hatte man nach

Das Festival scene – Ungarn in NRW präsentierte von April bis Sommer

einer Woche das Gefühl, sie sei schon seit Monaten da – anhand der Vielzahl

2010 zeitgenössische ungarische Kultur in 14 Städten Nordrhein-Westfa-

ihrer Werke. Im Rahmen des landesweiten Festivals scene – Ungarn in NRW

lens. Mehr als 100 Künstler aus den Sparten Musik, Theater, Tanz, Film,

lebte und arbeitete die 31-jährige Künstlerin aus Budapest für einen Monat

Literatur und bildende Kunst verwandelten NRW in eine ungarische Land-

bei Artists Unlimited. Unmittelbar vor ihrem Bielefeld-Aufenthalt hatte sie

schaft der Künste. Der Aufenthalt von Eszter Szabó wurde vom Bielefelder

ein Stipendium in Paris. Während der Zeit in Frankreich sammelte sie viele

Kulturamt unterstützt.

Ideen und Motive, die sie in der ostwestfälischen Ruhe umsetzte.   Eszter Szabós Malereien sind liebevolle, präzise Alltags-Portraits. Kurze Beobachtungen alltäglicher Sehnsüchte und Eigenarten. Ihre Ausstellung 2041 bei Artists Unlimited beschäftigte sich mit der Frage, wie unsere Generation wohl in 30 Jahren aussehen wird, inklusive ihrer Mode und Gewohnheiten. Abgebildet durch sensible, akkurate Linien und Flächen, angreifbar und nah. In ihren Kurzfilmen ging sie einen Schritt weiter: Diese setzten sich zusammen aus Aquarellmalerei und animierten Bewegtbildern auf Grundlage dieser Aquarelle. Aus der Kombination der beiden Medien entstanden charaktervolle Sequenzen, die lasierenden Farben ließen die gezeigten Personen zu zerbrechlichen Protagonisten werden, die in digitalen Bilderrahmen vor sich hin murmelten, kurze Geschichten aus ihrer Ju-

E s z te r S z ab ó

Rü ck blick

In der Regel brauchen unsere Gastkünstler ihre Zeit um sich zu aklimati-

2041



M A R IO N LEH MA N N / BU RCH H A R D G A R LICHS 20 08 10 – 29 08 10

eine skulpturale Formensprache zu entwickeln. Ihre Arbeit, die bei Artists

hatten wir natürlich nicht nachgedacht, als wir uns für Marion Lehmann

Unlimited entstand, spielte mit Materialbrüchen, mit wiedererkennbaren

als Gastkünstlerin entschieden. Beeindruckt von ihren wuchtigen, sperrigen

Alltagsgegenständen und abstrakten Elementen.

Installationen. Da sich der Gastkünstlerbereich mitten im Haus befindet –   Zeitgleich war in der Artists Unlimite Galerie eine Arbeit des Düsseldorfer was durchaus zum Konzept gehört – kann man nicht behaupten, dass unsere

Künstlers Burchhard Garlichs zu sehen, der gemeinsam mit Marion Lehmann

Gäste geräuschmäßig abgeschottet wären. Trotzdem gab es keinerlei Pro-

in Bremen studierte. Während des Studiums und auch danach pflegten sie

bleme – und eine handwerklich versierte Gastkünstlerin ist beim Aufbau der

einen Dialog über ihre Arbeiten und Positionen, der sich bis heute fortsetzt.

Benefizparty auch nicht zu verachten.

Garlichs setzt dem System Architektur ein eigenes System entgegen. Für

Marion Lehmann aus Bremen war die 75. Gastkünstlerin von Artists

die Arbeit bei Artists Unlimited verwendete er Nägel und blaue Packschnur,

Unlimited. Ständig veränderten sich ihre Arbeiten, von denen man oft dach-

aus denen eine ornamentale Zeichnung entstand, die sich ohne Unterbre-

te, etwas so Massives wird Bestand haben, wird sich nicht mehr wandeln,

chung über die Wände und Decken der Galerieräume erstreckte. Durch den

wartet nur noch darauf, gesehen zu werden ... und am nächsten Tag wur-

gleichmäßigen Abstand zwischen Schnur und Wand schien die Zeichnung

de man eines Besseren belehrt. In ihrer Abschluss-Ausstellung zeigte sie die

zu schweben, warf je nach Perspektive Schatten und schärfte den Blick für

bildhauerische Arbeit, die sich durch viele Phasen während ihres Stipendi-

Raum und Struktur.

ums entwickelt hatte. Eine raumbezogene Installation, die sie aus diesem Grund auch nicht in der Galerie sondern im Gastatelier präsentierte – dem Ort, an dem sie drei Monate lang daran gearbeitet hatte. Lehmanns Arbeiten bewegen sich im Grenzbereich von Bildhauerei und Installation. Sie interessiert der allgemeine Stadtraum, der uns umgibt, unsere Wahrnehmung von Architektur – auch von zerstörter Architektur. Ihr geht es dabei nicht um das Nachbilden solcher Motive, sondern darum, aus diesen Beobachtungen

M a r io n L e h m a n n B u rc h h a rd G a rlic h s

Rü ck blick

„Und es stört euch gar nicht, wenn ich hier säge und schraube?“ Darüber




T H E M A KIN G O F EN TH U SI ASM (CO PY )

zusammen. Ihre Performances, Rauminstallationen, Filme und Fotos kreisen um die Frage nach Autorenschaft, Originalität, Evidenz von Bildern, die Erwartungen der Gesellschaft an die Kunst und die eigenen Erwartungen. Einige Artists Unlimited-Mitglieder waren 2008 auf die Gruppe aufmerksam geworden und hatten sie daraufhin nach Bielefeld eingeladen.  Die Pathetic Sympathy Seekers fordern dazu auf, Kunst als Sympathiesuche zu begreifen, wobei sie durch ihre eigene Übereifrigkeit Mechanismen der Kunstproduktion und -rezeption offenlegen. In dem Versuch, die Erwartungen anderer zu kalkulieren, schießen sie über das Ziel hinaus und scheitern auf ebenso absurde wie poetische Weise. Für ihr Ausstellungsprojekt hatte die Künstlergruppe von ihrer in der Stockholmer Tillfällig Vanadislunden Konsthall stattfindenden Ausstellung Kopien angefertigt und zeigte diese weltweit an verschiedenen Orten, unter anderem in Bielefeld. Mit diesem neuen Ausstellungsformat erweiterten die Pathetic Sympathy Seekers ihre Arbeit zu einem ideellen Raumkonstrukt und erreichten ein bisher nicht dagewesenes Maß an globaler Rezeption. Die Kopieausstellungen mit dem jeweiligen Titel The Making of Enthusiasm (copy) versammelten von den Originalen losgelöste Duplikate, die sowohl eigenständige Arbeiten als auch zweitklassige Kopien waren.

Rü ck bl i ck

Die Berliner Künstlergruppe Pathetic Sympathy Seekers arbeitet seit 2003

P at h et i c S ymp athy Se e ke r s

19 09 10 – 26 09 10

T HE MA K IN G O F EN TH U SI A SM (CO PY )




H U R EN G EIST 01 10 10 – 10 10 10

nicht Erfinden sondern Entdecken. Photographieren ist eine Möglichkeit zu schreien, sich zu befreien, nicht aber seine eigene Originalität auszuprobieren oder sie unter Beweis zu stellen. Es ist eine Art zu leben.“ Mit diesem Zitat des französischen Fotografen Henri Cartier-Bresson beendete Felicitas von Richthofen ihre Rede zur Ausstellungseröffnung von Hurengeist. Das Entdecken und Reflektieren einer Lebensweise waren Hauptthemen dieser Arbeit von Matthias H. Risse, Leif Marcus und Bene Brandhofer. Vier Jahre nach ihrer letzten gemeinschaftlichen, interaktiven Installation, zeigten die drei Künstler ihr neustes experimentelles Werk in der Artists Unlimited Galerie.   Wer oder was ist der Hurengeist? Es handelt sich um einen demagogischen Begriff aus dem religiösen Sektor, der alles und alle verurteilt, die sich vom so genannten „rechten“ Weg abwenden, wie auch immer dieser definiert sein mag. Die sich dem Aneignen von Wissen, Intellekt und Besitz verschrieben haben, oder einfach eine egoistische, hedonistische Lebenseinstellung verfolgen und sich somit von äußeren Einflüssen abhängig machen.   Die Frage nach bewussten und unbewussten Einflüssen, sowie den daraus resultierenden Utopien des Individuums, bestimmte diese multimediale Ausstellung, die auf unterschiedlichste Weise den Betrachter in die Arbeiten einbezog. Er konnte eintauchen in eine Erlebniswelt, entdecken und sich selbst im Weg stehen, und durch diese Konfrontation seinen eigenen Standpunkt suchen. Hurengeist wurde im Rahmen der neuen Galerie-Initiative ARTUR! erstmalig gezeigt. Mit vereinten Kräften boten die galerie 61, Galerie Baal, Galerie van Laak-Bérenger, Galerie GUM und die Artists Unlimited Galerie an jenem Abend ein kulturelles Programm mit jeweils eigenen Ausstellungen, die zeitgleich eröffneten. Im Anschluss an die Hurengeist-Eröffnung befragten die DJs Karsten Fanta und Sebastian Winkler im Café Milestones bis 7 Uhr morgens alle Feierwütigen, wie es um ihren Hurengeist bestellt ist.

B e n e B r a n d h o fe r M atth ia s H . R is s e L e if M a rc u s

Rü ck blick

„Photographieren – wie alle anderen Ausdrucksmittel auch – bedeutet

H U R EN G EIST


SO U N D O F SILEN CE – W O M E N , V I C T I M S O F WA R

Rü ck blick

Schon während des ersten Balkan Art Festivals im letzten Jahr war klar, dass dies keine Einzelveranstaltung bleiben würde. So wurde auch im Herbst 2010 ein vielseitiges Programm zusammen gestellt, das der Kultur der Balkanregion gewidmet war. Die Organisatoren Mevludin Demirovic, Krunoslav Stojakovic und Branko Šimic präsentierten innerhalb von fünf Tagen Fotografie, Malerei, Film, Lesungen, Theater, Konzerte und – natürlich – eine Balkan-Party. An sieben Orten in Bielefeld wurden unter dem programmatischen Titel Kunstnomaden spartenübergreifend Künstler und ihre Arbeiten präsentiert. In der Artists Unlimited-Galerie stellte der Fotograf Armin Smailovic seine Arbeit Sound of Silence – Women, Victims of War aus. Die Bilder beschäftigen sich mit einer Opfergruppe, die der Krieg in BosnienHerzegowina hervorgebracht hat, und deren Schicksal bisher nahezu ungehört und ungesehen blieb: Frauen, die zu Opfern systematisch betriebener, sexueller Gewalt wurden. Armin Smailovic dokumentiert in Zusammenarbeit mit den United Nations Populations Fund die Geschichte dieser Frauen.   Der 1968 in Zagreb geborene, international renommierte Dokumentarfotograf, arbeitet unter anderem für das ZEIT-Magazin und das Hamburger Thalia Theater. Zum Abschluss der Ausstellung fand in der Galerie ein öffentliches Werkstatt-Gespräch mit Armin Smailovic statt, bei dem es mehr über die Arbeiten und den Künstler zu erfahren gab.

S O U N D O F S I L E N C E – W O M E N , V I C T I M S O F WA R

A r m in S m a ilov ic

27 10 10 – 31 10 10


SO U N D O F SILEN CE – W O M E N , V I C T I M S O F WA R 27 10 10 – 31 10 10

A r m in S m a ilov ic

Rü ck blick


IM D R AU SSEN

Rü ck blick Wo ist diese Arbeit entstanden? Bin ich dort auch schon gewesen? In der „Endlich wieder draußen! Zur Stadtbahn. Oder zu Fuß durchs Viertel? Ausstellung Im Draußen grübelten einige der Bielefelder Galeriebesucher

Langsam machen die Gedanken den Landschaftsbildern Platz. Zur Bahn.

über die Arbeiten von Harald Kinski. Neben Naturlandschaften zeigte der

Der Schornstein am Stadtwerkekraftwerk überragt den Stadtteil, und unter

Künstler ebenso Malereien und Zeichnungen von Stadtansichten, auf denen

der Eisenbahnbrücke mit den stählernen Spannbögen rauscht der Autover-

das ein oder andere zu verortende Detail zu erkennen war. Bielefeld und

kehr. Richtung Süden ist der Blick frei bis zu einem Ausschnitt der Teuto-

seine Umgebung, wie Kinski sie erlebt. Unscheinbare Ecken werden zu faszi-

hügelkette. Die Stadtlandschaft dringt zu den inneren Bildern – oder ist

nierenden Orten, lebendig durch ihre Farbigkeit, charakterstark durch den

es umgekehrt? Herbstlicht. Zuversicht nehme ich mit die Treppe hinunter

Strich und die Fläche, mit denen sie auf Papier gebracht wurden.

in die miefige Luft der Stadtbahnhaltestelle.“ (Text: Harald Kinski, 2010)

Harald Kinski wurde 1957 in Bremen geboren und ist seit 2001 freischaffend tätig. Reduktion, Abstraktion und Verfremdung sind die Mittel, die er einsetzt, um neue Perspektiven zu eröffnen – für sich selbst und den Betrachter.

IM D R AU SSEN

H a r a ld K in s k i

05 11 10 – 21 11 10


IM D R AU SSEN 05 11 10 – 21 11 10

IM D R AU SSEN



D I D I LO O K LIEK A N MAI L ? 26 11 10 – 28 11 10

werden durch das Überlagern und Ineinandergreifen verschiedener Medien

Rehm, Tim Sürken) und Lars Rosenbohm arbeiten seit einiger Zeit inner-

und Werkgruppen sichtbar und spiegeln die offene Arbeitsweise von G117

halb eines spielerisch-experimentellen Dialogs in den Bereichen Fotografie,

und Lars Rosenbohm wider.

Video, Zeichnung und Malerei zusammen. Unter anderem entstanden in den

Im letzten Jahr präsentierten G117 zum ersten Mal öffentlich die Ergebnis-

vergangenen Monaten übermalte / überzeichnete Fotoprints, die zuletzt un-

se ihrer Zusammenarbeit bei Artists Unlimited. Schon in seiner Eröffnungs-

ter dem Titel Misstrauen – Geilheit – Interesse in der Galerie KunstLeben

rede stellte Daniel Neugebauer fest, dass es „sich hier um Personen handelt,

im Gängeviertel Hamburg zu sehen waren. Diese Werke wurden an einem

die Lust haben, visuelles Neuland zu betreten.“ Die intensive Zusammenar-

Wochenende in der Artists Unlimited Galerie gezeigt. Maskerade, Selbstin-

beit mit Lars Rosenbohm ist ein weiterer Schritt auf diesem Weg, der unmit-

szenierung und Rollenspiel sind Themen, mit denen sich die Künstler sowohl

telbar durch das Artists Unlimited-Gebäude führt: Rebecca Butzlaff, Tim

in ihren Einzelarbeiten als auch in ihrer Kollaboration auseinandersetzen.

Rehm, Tim Sürken und Lars Rosenbohm leben und arbeiten in dem Biele-

Spontan entstandene Szenen, Figurenkonstellationen und Zeichnungen

felder Künstlerhaus.

bilden dabei Grundlagen. Die unterschiedlichen inhaltlichen Ebenen

G 1 1 7 u n d L a r s Ro s e n b o hm

Rü ck blick

Die Künstler G117 (Rebecca Butzlaff, Dennis Neuschaefer-Rube, Tim

DI D I LO O K LIEK A N M A I L ?


WEIH NA RT 2010

Rü ck blick

Artists Unlimited beendet das ereignisreiche Jubiläumsjahr traditionell mit der WeihnArt, der alljährlichen Benefizausstellung im Dezember. Bevor den Galerieräumen eine kurze Pause gegönnt wird (nach 15 Veranstaltungen im Galerieprogramm 2010), besteht die Gelegenheit, einige Punkte auf der Geschenkliste abzuhaken. Malereien, Zeichnungen, druckgrafische Arbeiten, Fotografien, Skulpturen, Schmuck ... der Gabentisch ist angerichtet. Die Idee der WeihnArt ist einfach und erfolgreich: Jedes Jahr lädt Artists Unlimited befreundete Künstler ein, an der Ausstellung teilzunehmen und ihre Werke zum Verkauf anzubieten. Die Hälfte der Einnahmen geht an den Künstler, die andere Hälfte geht an die Galerie. Dieses Geld wird verwendet, um laufende Kosten zu decken, wie Strom, Einladungsversand und Instandhaltung der Räume. Alle Galeriearbeiten werden nach wie vor ehrenamtlich geleistet – eine der Grundideen von Artists Unlimited.   Bei der WeihnArt 2009 konnten wir uns wieder über eine überfüllte Galerie (an Werken und Besuchern) freuen, in der die Tombola-Tanne sich jeden Meter hart erkämpfen musste. Auch in diesem Jahr sind wir gespannt, wer das Losglück auf seiner Seite hat. Alle anderen können sich an Glühwein, Bier und Keksen erfreuen, die druckfrische Artists-Zeitung studieren – und kaufen, kaufen, kaufen!

WEIH NA RT 2010

A r tis ts u n d Fre u n d e

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WEIH NA RT 2010


2010

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25YE


2010

AR

„Ich wusste gar nicht, wo ich schlafen soll.“ Zwei durchnächtigte Augen blinzeln mich am Morgen des zweiten Jubiläumstags aus einem verschatteten Gesicht an. Dieses Problem werden am Wochende des 1./2. Mai die meisten Artists gehabt haben. Das hat man davon, wenn man Erdhaufen in sein Schlafzimmer fährt, sich den Weg ins Bad mit wuchtigen Installationen verbaut, wenn man 2000 Quadratmeter Wohn- und Arbeitsfläche in ein großes, begehbares Kunsterlebnis verwandelt. Anlass dieser Metamorphose war das 25-jährige Bestehen von Artists Unlimited. Begleitet von Blasmusik und blauem Himmel eröffnete Jenna Gesse (Artists Unlimited Vorstand) im Innenhof das Fest mit den selben Worten, wie Daniel Bérenger (Gründungspräsident) ein Vierteljahrhundert zuvor: „Meine Damen und Herren, das Haus Artists Unlimited ist für sie geöffnet.“ Die Jährung der Schlüsselübergabe durch die Stadt (1. Mai 1985) nahmen die Mitglieder zum Anlass, ihr Haus so zu präsentieren, wie sie es am liebsten sehen: Vielfältig. Voller Austausch, Überraschungen und Energie. Ein Ort für freie und angewandte Künste. Monatelang wurde die Veranstaltung geplant und vorbereitet. Im Bericht des WDR-Fernsehens, dessen Team einige Tage vor dem Jubiläum zum Dreh anrückte, erkannte man viele Räume kaum noch wieder, als würden alle 25 Artists gleichzeitig umziehen – oder den Verstand verlieren. Eine Architektur, die sich wildwuchsartig im Lauf der letzten 25 Jahre im Haus entwickelt hat, machte die Verwirrung bis in den letzten Winkel erkunden konnten. Und zu entdecken gab es einiges. Auf vier Etagen im Haupthaus, vier Etagen in den Flügeln, im Innenhof, im Garten, im Filmhaus-Foyer und im Kinosaal präsentierten über 50 Künstler ihre Arbeiten und vereinten verschiedenste Kunstgattungen zum multimedialen Geburtstagskuchen. Der Mix aus Arbeitsräumen, Wohnräumen und inszenierten Orten betonte die besondere Atmosphäre des Künstlerhauses. In Kooperation mit einigen Artists Unlimited-Mitgliedern beteiligten sich ebenso befreundete Künstler, die eine enge Verbindung zum Haus haben, darunter auch ehemalige Mitglieder und Gastkünstler. An beiden Tagen wurde das Ausstellungsprogramm durch Performances und Live-Musik ergänzt, z.B. durch The Von Duesz, die Eis-LP-Performance von Ben Gwilliam oder die Performances im Fahrstuhl, die stündlich auf einer anderen Etage stattfanden. Erwähnt werden soll auch die Live-Sound-Collage von Projekt Fein, die Archiv-Texte aus 25 Jahren Artists Unlimited vertonten und Hausversammlungs-Protokollen eine ganz neue Dynamik verliehen. Die Schlusspunkte setzten eine ausschweifende Party im Café Milestones, das sich im Erdgeschoss des Künstlerhauses befindet, und der Auftritt der Schwitzenden Männer, die ebenso 1985 beim Auftakt gespielt hatten. „Im Jahr 1985 gründeten kunstbegeisterte, junge Menschen den Verein Artists Unlimited aus dem Wunsch heraus, gestalterisches Arbeiten und gemeinsames Wohnen zu verbinden und vor allem: Für beides endlich Platz zu haben.“ So beginnt unsere Geschichte. Wir leben und gestalten sie weiter, freuen uns schon auf das 30. Jubiläum von Artists Unlimited – und fangen schon mal an, aufzuräumen.

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perfekt. Sonst verborgene Ein- und Durchgänge wurden geöffnet, damit die ca. 1.500 Besucher das Haus

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U N D :

Sarah Berger, Marcus Beuter, Pedda Borowski, Rachael Elwell, Ben Gwilliam, Gereon Inger, Katrin Kamrau, Wilma Keuler, Regina Knueppel, Annette K체per, Bob Levene, Leif Marcus, Timo Nentwig, Fatima Njai, Stan Pete, Matthias H. Risse, Paul Schwaderer, ART at WORK, Die schwitzenden M채nner, Garp, Dennis Neuschaefer-Rube, Projekt Fein, Sky Brass Angels, The Von Duesz

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07 01 – 16 01 18 02 – 03 03 30 03 – 20 04 29 04 – 01 05 30 04 06 05 – 15 05 20 05 – 05 06 18 06 07 10 – 16 10 07 10 02 12 – 04 12

PROGRAMM 2011 ANNA LOUISA WOLFF KARSTEN HABIGHORST OFFENE DRUCKWERKSTATT 3 ZEICHENKLASSE GEILEN CECILIA HERRERO NACHTANSICHTEN PETER BURR KLASSE FRIEDERIKE FELDMANN KUNSTHOCHSCHULE KASSEL BENEFIZPARTY SUSAN JUNGE ARTUR! WEIHNART

Gastkünstler 15 02 – 15 05 01 06 – 31 08 15 09 – 15 12

PETER BURR (US) RICCARDO BERETTA (IT) JOOHEE YANG (KR/FR)

Artists Unlimited Herausgeber: Artists Unlimited e.V. Gestaltung: Steffen Budke Textredaktion: Jenna Gesse, Wojtek Ruhnau Bildredaktion: Rebecca Butzlaff, Harriet Esther Muntean, Tim Sürken Alle Bild- und Textrechte bei den Autoren. Artists Unlimited e.V. August-Bebel-Straße 94 33602 Bielefeld Germany www.artists-unlimited.de


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