Artem@Artis Katalog

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Artem @ Artis Ausstellung Kunst & Handwerk in Kommunikation Hommage an 100 Jahre Bauhaus Ein grenzüberschreitendes Kunstprojekt der Stadt Bocholt 1


IMPRESSUM Herausgeber Stadt Bocholt Fachbereich Kultur und Bildung Jule Wanders Neutorplatz 3 D-46395 Bocholt Redaktion Verena Winter Petra Taubach Design Joop van Reeken GrenzBlickAtelier Hellweg 80 D-46399 Bocholt Druck IDrukker Schiedamse Vest 89 NL-3012 BG Rotterdam Bocholt 2022 ISBN: 978-3-00-072176-2

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Leonardo da Vinci– einer der berühmtesten Universalgelehrten aller Zeiten war ein italienischer Maler, Bildhauer, Architekt, Mechaniker, Ingenieur und Naturphilosoph. Im grenzüberschreitenden Projekt „Leonardo da Vinci-Innovation“ lag es deshalb nahe, die Bereiche Kunst und Handwerk mit aufzunehmen. ARTEM@ARTIS (lat. Kunst und Handwerk) ist die erste deutschniederländische Zusammenarbeit auf diesem Gebiet. Die Ausstellung mit dem gleichnamigen Titel fand vom 19. September bis zum 13. Oktober 2019 im Kunsthaus Bocholt statt. 26 Künstlerinnen und Künstler nahmen teil. Sie arbeiteten mit 34 Handwerksbetrieben aus beiden Ländern zusammen. Projektpartnerin war die niederländische Organisation „Warmgroen“. Markenzeichen für die Ausstellung ARTEM@ARTIS war die Arbeit der Kunstschaffenden mit den Materialien der Handwerksbetriebe. Gemeinsam haben sie im Bauhaus-Jahr 2019 Kunst und Handwerk kreativ in Szene gesetzt. Die Unterschiedlichkeit und Faszination der einzelnen Kunstwerke, die in diesen Kooperationen entstanden, begeisterten die Besucherinnen und Besucher. Mein Dank gilt den Kunstschaffenden, den Handwerksbetrieben und den Projektpartnern, die mit Hilfe des INTERREG-Programms Deutschland-Nederland dieses einmalige grenzüberschreitende Kunstprojekt ermöglicht haben. ARTEM@ARTIS hat Kunstschaffende, Handwerksbetriebe und die Menschen in unserer Grenzregion auf innovative Weise miteinander verbunden. Gerne ist die Europastadt Bocholt auch künftig wieder Gastgeberin für außergewöhnliche Kunst- und Kulturprojekte. Thomas Kerkhoff Bürgermeister der Stadt Bocholt

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Teilnehmende ARTEM@ARTIS Kunstschaffende und Handwerksbetriebe 26 Künstlerinnen & Künstler (Seite)

ARTEM@ARTIS Get-together im Garten vom „GrenzBlickAtelier“

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Anjeliek Blaauw 6 Werner Brand 9 Emeke Buitelaar 12 Anke Burger 15

Maria Neumann 48 Lydia Oermann 51 Georg Paar 54 Philipp Pohl 57

Léon Marie Dekker 18 Ute Ida Fischer 21 Arie Grevers 24 Diana Joseph 27 Christa Maria Kirch 30 Monique Klaassen 33 Dagmar Kleimann 36 Ingo Krasenbrink 39 Han Lammers 42 Kristie Legters 45

Maarten Rots 60 Daglef Seeger 63 Georg Spogahn 66 Hans Michael Spogahn 69 Teeyoo 72 Marij van Hameren 75 Ulrich Vogel 78 Thea Zweerink 80


34 Handwerksbetriebe Alex Lorei Grabmale GmbH (Bocholt, D) Bas Hesselink Industrial Design (Arnhem, NL) Berufsbildungsstätte Westmünsterland GmbH (Standorte Ahaus & Bocholt, D) Bors Mein Bäcker GmbH (Hamminkeln, D) Broemmling Stahl- und Metallbau GmbH (Bocholt, D) Dekalu Reklame (Winterswijk, NL) Die Schmiede (Bocholt, D) Elektro Nelskamp GmbH (Bocholt, D) Elskes Baustahl GmbH & Co. KG (Bocholt, D) Fliesen Hüning OHG (Bocholt, D) Goldschmidtböing Bedachungen GmbH (Rhede, D) Holz Design Habers (Rhede, D) J. Tekampe GmbH (Bocholt, D) Jan ter Haar Glas in lood (Aalten & Oegstgeest, NL) KEIMFARBEN GmbH (Diedorf, D) Laurens Westhoff Möbel (Südlohn, D) Lovink Industries Technocast (Terborg, NL) Maler- und Glaserbetrieb Jörg Giesen (Bocholt, D) Natur-Tischlerei H.R. Primas (Hamminkeln, D) rabTex Deckenmanufaktur GbR (Südlohn, D) Richter Textilien GmbH & Co KG (Bocholt, D) Robert Urzedowicz Lehmzeit e.K. (Münster, D) Schlütter & Gehlmann GmbH & Co. KG (Isselburg, D) Sporker Trödelhalle (Bocholt, D) Stefan Hardeweg Raumausstattung (Velen, D) Stil&Stein GmbH (Bocholt, D) Strickerei Overkämping GbR (Südlohn, D) Theo Bollwerk Tischlermeisterbetrieb (Bocholt, D) TextilWerk Bocholt LWL-Industriemuseum (Bocholt, D) Timmer- en Aannemersbedrijf R.G. Westendorp en Zn. (De Heurne, NL) Udo Böing design & konzept (Bocholt, D) Waning Anlagenbau GmbH und Co. KG (Vreden, D) Weenink Malergeschäft GmbH & Co. KG. (Bocholt, D) X-Team Bocholt GmbH und Co. KG (Bocholt, D)

Der Künstler „aRteS“ alias Reinhard Schlusemann hatte eigens für die Vernissage eine Performance einstudiert

Um die 250 Gäste kamen zur Eröffnung am 19.9.2019 um 19.00 Uhr

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Kunst und Handwerk in Kommunikation Im Bauhaus-Jubiläumsjahr 2019 verknüpfte das grenzüberschreitende Kunstprojekt ARTEM@ARTIS deutsche und niederländische Künstlerinnen und Künstler mit Handwerksbetrieben. Ganz im Sinne des Bauhaus-Gründers Walter Gropius: „... wir alle müssen zum Handwerk zurück.“

V.l.n.r. Thomas Venhorst von der Kreishandwerkerschaft Borken, Verena Winter und Erster Stadtrat Thomas Waschki, der die ARTEM@ARTIS Vernissage eröffnete

Kunst und Handwerk Am 18. März 2019 ging das grenzüberschreitende Kunstprojekt ARTEM@ ARTIS an den Start. ARTEM und ARTIS bedeuten (aus dem Lateinischen übersetzt): Kunst und Handwerk. Für dieses Kunstprojekt wurden Künstlerinnen und Künstler aus Deutschland und den Niederlanden eingeladen, sich bei ARTEM@ARTIS mit einer Projektidee zu bewerben. Es ging darum, dass sich Handwerk verschiedener Gewerke und Kunst verschiedener Genres verbinden. Dabei standen das kooperative Arbeiten, ein spielerischer, experimenteller Umgang und die direkte Kommunikation zwischen deutschen und niederländischen Kunstschaffenden und Handwerksbetrieben im Mittelpunkt. Dieses Projekt stellte auch die Chance dar, auf Ideen, Kreativität und handwerkliches Können hinzuweisen - für den Nachwuchs bzw. die jungen Arbeitskräfte von Morgen. Ziel des Projektes war eine gemeinsame Ausstellung, die im September und Oktober 2019 die künstlerisch-handwerklichen Ergebnisse im Kunsthaus Bocholt präsentierten. Die Eröffnung fand am Donnerstag, 19. September 2019 statt. Die Finissage beendete am Sonntag, 13. Oktober 2019 die große und erfolgreiche Werkschau. Hommage an 100 Jahre Bauhaus ARTEM@ARTIS verstand sich auch als Hommage an das Bauhaus-Jubiläumsjahr 2019. Kunst und Handwerk kommen hier im Sinne des BauhausMottos zusammen: „Handwerk und Kunst stehen sich nahe“. Dieses Kunst und Handwerk verbindende Projekt gab den teilnehmenden Betrieben, die immer wieder mit Fachkräfte- und Nachwuchsmangel konfrontiert sind, außerdem die Möglichkeit, sich auf hohem Niveau einer breiten Öffentlichkeit auf positive, besondere Art und Weise darzustellen.

V.l.n.r. Petra Taubach (Stadt Bocholt), Verena Winter (Kuration), Jule Wanders (Leitung Fachbereich Kultur und Bildung)

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Jury wählt Ideen aus Aus den vielen interessanten und spannenden Projektideen, die eingesendet und einer fünfköpfigen Fach-Jury vorgelegt wurden, erhielten 26 Künstlerinnen und Künstler eine Zusage. Ein Teil von ihnen stand bereits in Kontakt mit Handwerksbetrieben. Für die anderen Teilnehmer/innen wurden passende Handwerksbetriebe mit Hilfe der Kreishandwerkerschaft Borken gesucht. Thomas Venhorst von der Kreishandwerkerschaft Borken stand bei der Findung und Verknüpfung zwischen den Kunstschaffenden sowie den Betrieben und Firmen – insbesondere in der Regio Achterhoek und dem Kreis Borken - der Kuratorin hilfreich zur Seite.


Erstes Get-together Am 27. Juni 2019 trafen sich viele der am Kunstprojekt ARTEM@ARTIS teilnehmenden deutschen und niederländischen Künstlerinnen und Künstler sowie Handwerkerinnen und Handwerker zu einem geselligen, grenzüberschreitenden Zusammenkommen. Das Treffen, bei dem fast 50 Gäste anwesend waren, fand in der an der deutsch-niederländischen Grenze gelegenen Galerie „GrenzBlickAtelier“ in den sonnigen Abendstunden statt. Jule Wanders, Leiterin des Fachbereichs Kultur und Bildung von der Stadt Bocholt, wies in ihrer Rede auf die Bedeutung dieses Kunstprojekts hin, das nicht nur zwei Länder, sondern auch Kunst und Handwerk aufs Engste verbindet. Kreative Herausforderung ARTEM@ARTIS war als interaktives und inspirierendes Projekt eine große Herausforderung für die beteiligten Kunstschaffenden und Handwerksbetriebe – das hatte sich in den ersten Wochen nach Beginn des Projekts gezeigt: Nicht jede Projektidee konnte 1:1 verwirklicht werden. In einigen Fällen wurden die Entwürfe angepasst.

Über 800 Besucherinnen und Besucher sahen ARTEM@ARTIS

So musste der niederländische Künstler Teeyoo (Theo Janssen), der mit dem LWL-Industriemuseum TextilWerk Bocholt zusammenarbeitete, sich auf die Möglichkeiten der Webmaschinen einstellen und seine Tücher-Entwürfe dementsprechend ändern. Das Objekt „Rode Kubus & Ecologie“ der niederländischen Künstlerin Kristie Legters, die mit dem deutschen Tischlermeisterbetrieb Theo Bollwerk verknüpft war, veränderte sich von einem Außenobjekt zu einer Skulptur für den Innenraum. Das von der Kölner Künstlerin Lydia Oermann geplante Kunstobjekt entwickelte sich schon während des Erstgesprächs mit Geschäftsführer Ralf Brömmling von der Broemmling Stahl- und Metallbau GmbH und dessen Metallarbeiter Guido te Laar zur Skulptur einer lebensgroßen Glühbirne: kreativer kann man kaum zusammenarbeiten. Als kommunikatives Kunstprojekt war ARTEM@ARTIS ein echter Ansporn zum Austausch von Erfahrungen und Wissen auf beiden Seiten: Auf der künstlerischen Seite und auf der handwerklichen. Erfolgsgeschichte Schon zur Eröffnung des grenzüberschreitenden Kunstprojekts waren fast 250 Interessierte erschienen, die sich dicht an dicht durch die Räume des Kunsthauses drängten. Viele nutzten die Chance, sich direkt mit Künstlerinnen und Künstlern sowie Handwerkerinnen und Handwerkern über die Kunstwerke und die zuvor erfolgten Arbeits- und Schaffensprozesse zu informieren. Auch die Ausstellungsperiode von 3,5 Wochen war von Erfolg gekrönt: über 800 Besucherinnen und Besucher sahen ARTEM@ARTIS.

Lydia Oermann und die „E700“

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Künstlerin: Anjeliek Blaauw (Aalten, NL) Titel: „Verbinding“ Material: Irischer Blaustein, Glas Handwerksbetrieb: Stil & Stein GmbH (Bocholt, D) Christof A. Leson www.anjeliekblaauw.nl www.stilundstein.de

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ie niederländische Künstlerin Anjeliek Blaauw ließ sich vom Wort „Verbindung“ aus der Projektbeschreibung von ARTEM@ARTIS inspirieren: „Verbindung zwischen Deutschland und den Niederlanden, zwischen Handwerk und Kunst, zwischen Glas und Stein.“ Durch die Vermittlung von Thomas Venhorst kam es zur Zusammenarbeit zwischen der Künstlerin und Christof A. Leson, Steinmetzund Bildhauermeister bzw. Inhaber von Stil & Stein in Bocholt. Im April 2019 legte Anjeliek Blaauw ihre Entwürfe vor. Ein Wunsch der Künstlerin war es, Belgischen Blaustein zu verwenden. Christof Leson riet davon ab und schlug den Irischen Blaustein vor: Mit einer gleich hohen Qualität und ebenso schöner Farbe. Der Vorteil beim Irischen Blaustein liegt im Bearbeiten. Er entwickelt beim Schneiden und Schleifen keinen Geruch, denn der Belgische Blaustein stinkt tatsächlich nach Entenkot. Zuerst wurden die beiden Steinteile geschliffen, um die gewünschte Oberfläche zu erhalten. In einem weiteren Arbeitsprozess bog die Künstlerin die Glasscheiben, die sie zuvor in einer Form geschmolzen und dann geformt hatte. Eine diffizile Arbeit, wie Anjeliek Blaauw erzählte. Am Ende setzte Anjeliek Blaauw die Glasteile in die eingefrästen Schlitze der Steine. Entstanden ist ein zart wirkendes Kunstobjekt mit dem niederländischen Titel „Verbinding“: Die Glasplatten falten sich gleichsam umeinander und bilden zugleich einen neuen, fast intim wirkenden Raum.

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Künstler: Werner Brand (Bocholt, D) Titel: „artem@artis-Triptychon“ Material: Glas, Lackfarbe Handwerksbetrieb: Maler- und Glaserbetrieb Jörg Giesen (Bocholt, D) Jörg Giesen www.giesen-maler.de

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er Künstler Werner Brand bewarb sich mit Glasbildkunst-Entwürfen der besonderen Art: Durch Zufall hatte er eine Form der künstlerischen Glasbearbeitung entdeckt, bei der er die Rückseite einer lackierten Glasplatte mit Hammer und Meißel - wie bei einer Radierplatte - bearbeitete. Die so im Lack entstandenen Streifen und Flecken besprühte er anschließend mit unterschiedlichen Farben. Mit der gleichen Methode gestaltete der Künstler für ARTEM@ARTIS ein Triptychon plus einem vierten Bild in den Farben Grün, Blau und Rot. Ihm zur Seite stand Jörg Giesen vom gleichnamigen Malerund Glaserbetrieb. Nach ersten Werkproben, um die passenden Farben bzw. Lacke zu bestimmen, erfolgte die Grundierung der Glasplatten durch Jörg Giesen. Bei der Weiterverarbeitung zerbrach dem Künstler eine Glasplatte in der Hand - daher Nachbestellung und Neulackierung. Die grundierten Glasplatten wurden dann mit Meißeln und Feilen bearbeitet bzw. schraffiert. Dadurch entstanden die grafischen Muster, die teilweise an typische Bauhausformen erinnern. Am Ende erfolgte das Übermalen der Hinterseiten mit Farblacken. Für Werner Brand war die Kooperation mit einem Handwerksbetrieb auch deswegen interessant, weil künstlerisch gestaltete Glasplatten das Angebot sowohl von Küchenbauern als auch von Glasern ausweiten und zugleich eine weitere Form der Zusammenarbeit zwischen Handwerk und Kunst – ganz im Geiste vom Bauhaus – ermöglichen.

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Künstlerin: Emeke Buitelaar (Netterden, NL) Titel: „ARKANSAS“ Material: Fliesen, Steine, natürliche Materialien Handwerksbetrieb: Fliesen Hüning OHG (Bocholt, D) Peter Schuck, Willi Held, Christina Belting, Pia Brunsveld

www.emeke.nl www.fliesen-huening.de

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nterstützt von der Kreishandwerkerschaft verknüpfte sich die niederländische Künstlerin Emeke Buitelaar aus Netterden mit der Firma Fliesen Hüning, um ihren Entwurf für ein Mosaik aus Fliesenstücken zu realisieren. Das 1964 in Bocholt gegründete, familiengeführte Unternehmen präsentierte der Künstlerin eine große Vielfalt an hochwertigen Fliesen. Marketingleiter Peter Schuck und Vertriebsleiter Willi Held sorgten nicht nur dafür, dass die Künstlerin mit erlesenen Fliesen arbeiten konnte, sondern standen ihr mit ihrem Fachwissen zur Seite. Auf diese Weise sind sogar Ideen und Vorschläge der Firmenmitarbeiter in das Kunstwerk eingeflossen. Außerdem wurde extra für die Künstlerin im Ausstellungsraum des Geschäfts ein Bereich eingerichtet, wo sie eine Woche lang am Mosaik arbeiten konnte. Besucherinnen und Besucher durften live zuschauen. Entstanden ist das Mosaikbild „ARKANSAS“, welches „eine starke Frau, die sich durchsetzt“ versinnbildlicht und für Standhaftigkeit steht, so wie es die BauhausFrauen auch waren, erklärte Buitelaar. „Die innovative Vision des Bauhauses reizte mich ungemein, mit ihr zu arbeiten, weil sie nach Einheit strebt, und ich mit dem BauhausAnsatz in der Kunst, meiner Kunst, spielen wollte. Auch um minimalistisch und funktional mit Linien und Farben kreativ umzugehen. Es war interessant, in das Bauhaus einzutauchen und die eigene Kunst auf eine andere Art zu betrachten,“ erzählte die Künstlerin während der Workshop-Tage.

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BOCHOLT · ESSEN · GOCH · MÜLHEIM · DÜSSELDORF

WWW.FLIESEN-HUENING.DE

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Künstlerin: Anke Burger (Bocholt, D) Titel: „Rohhaus/Rohzimmer mit Würfelpuzzle“ Material: Stahl, Holz, Farbe, Papier Handwerksbetriebe: Elskes Baustahl GmbH & Co. KG (Bocholt, D) Thomas Honsel Weenink Malergeschäft GmbH & Co. KG. (Bocholt, D) Hans-Jürgen Weenink, Florian Duzha www.elskes-baustahl.de www.weenink.de

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ür die Bocholter Künstlerin Anke Burger stand von Anfang fest: „Wir wollen eine Baustahlkonstruktion im schlichten Bauhausstil als ‚Rohhaus/Rohzimmer‘ mit Baustahl erstellen.“ Dazu sollte in Anlehnung an die Kindermöbelgestaltung ein kubisches, aus Holz gemachtes Würfelpuzzle entstehen „auf dem an drei Seiten je die Grundfarben aufgetragen sind und an den anderen Seiten je ein von mir erstelltes Bild.“ Die Grundidee lehnte sich dabei eindeutig an die Bauhaus-Architektur, Plastik und Malerei. Schon beim Erstgespräch zwischen Künstlerin und Kuratorin standen die Räumlichkeiten des Kunsthauses im Zentrum, denn die begrenzten Raummaße fragten nach einer Abänderung des ursprünglichen Umfangs der Installation. Hier zeigte sich, wie gestalterisch und schöpferisch Anke Burger mit dem Raumproblem umging und es schaffte, ihr Kunstwerk zu realisieren. Es entstand eine beeindruckende Stahlinstallation, in deren Mitte das in den Bauhaustönen Gelb, Rot und Blau bemalte Würfelspiel zum Interagieren einlud. Anke Burger hatte selbst den Kontakt zu den Betrieben Elskes Baustahl und Weenink Malergeschäft hergestellt, welche die Künstlerin bei der Realisierung ihres Kunstprojekts aktiv und mit ihrem Knowhow unterstützten und zugleich als Material-Sponsoren auftraten. Außerdem stand der Künstlerin ihr Mann Klaus Burger zur Seite, der z.B. beim Bau der Würfel half und die MDF-Platten peinlich genau schliff, bis einheitliche glatte Oberflächen entstanden waren.

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BAUSTAHL

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Künstler: Léon Marie Dekker (Etten, NL) Titel 1 (Brot): „Wabenacker Brot“ Material: Schwarzer Winter-Emmer, Vollkorn- und Dinkelmehl, Roggensauerteig, Wasser, Salz Titel 2 (Siebdruck): „Raatakker“ Material: Mehlsackpapier Titel 3: O.T. Material: Fotodruck Handwerksbetrieb: Bors Mein Bäcker GmbH (Hamminkeln, D) Bastian Bors www.leonmariedekker.nl www.bors.de www.slaege.nl

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n seiner Projektbeschreibung skizzierte der niederländische Künstler Léon Marie Dekker seine Idee: „Ein Konzept in Zusammenarbeit mit einem Bäcker zu entwickeln, scheint mir eine Herausforderung zu sein. Form und Material sind in einem scheinbar einfachen Produkt verbunden. Die Tatsache, dass es seit langer Zeit und für viele Menschen auch heute noch ein tägliches Nahrungsmittel ist, sorgt dafür, dass Brot in unserer Gesellschaft einen besonderen Stellenwert hat. Der Prozess des Anbaus aller Zutaten, ihre Verarbeitung, die Form und das Endprodukt regen die Fantasie an.“ Bereits bei der ersten Besprechung in der Hauptbäckerei, „der gläsernen Backstube“, von Bors in Hamminkeln, zeigte sich Geschäftsführer und Inhaber Bastian Bors begeistert, mit Léon Dekker ein „Backkunstwerk“ zu realisieren. Auch hier hatte Thomas Venhorst den Kontakt vermittelt. Rezepturversuchen folgten Backgänge - stets in den frühmorgendlichen Bäckerstunden. Als Basis hatte der Künstler „Schwarzes Winter-Emmer Vollkornmehl“ von Jan Steverink (Silvolde, NL) mitgenommen, das in der Mühle „De Vier Winden Gunnewick“ (Vragender, NL) auf Stein gemahlen worden war. Ein tatsächlich grenzüberschreitendes und interdisziplinäres Kunstbackwerk, das die Besucherinnen und Besucher der Vernissage genießen durften! Léon Marie Dekker hatte nicht nur über Brot und Urgetreide viel gelesen, sondern sich ebenso mit den keltischen, schachbrettartig angeordneten Feldern (Wabenacker bzw. Raatakker) beschäftigt, was sich in stilisierter Form im Siebdruck-Bild wiederfand.


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Künstlerin: Ute Ida Fischer (Bocholt, D) Titel: „Farbtextur - Wandmosaik“ Material: Holzplatte 2x3 m, Hanffaser, Tempera, Farbpigmente, Lehmputz Handwerksbetrieb: Robert Urzedowicz Lehmzeit e.K. (Münster, D) Robert Urzedowicz www.ute-ida-fischer.de www.lehmzeit.com

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n Anlehnung an die Experimentierfreude der Bauhauskünstlerinnen und -künstler soll durch die Synergie von Materialien und Farbqualitäten im kompositorischen Zusammenspiel dieser eine Wand gestaltet werden, die unter ökologischen und gesundheitlichen Aspekten zeitgemäß ist und durch die künstlerische Gestaltung ein warmes wohnliches erlebbares Raum- bzw. Wandgefühl bewirken kann,“ beschrieb die Bocholter Künstlerin Ute Ida Fischer ihre Installation. Kunst und Handwerk versteht sie unbedingt als Einheit: „Innovation trifft auf Tradition. Kunst und Architektur, Innenraumgestaltung. Farbe trifft auf Struktur.“ Die ursprüngliche Idee einer begehbaren Installation wurde aufgrund des Platzbedarfes sowie eines hohen Materialaufwandes in eine „umgehbare“ Wand verändert. Die Kuratorin zeigte sich begeistert, wie es die Künstlerin verstand, die Raumverhältnisse des Kunsthauses mit ihrer Raumskulptur zu vereinen. Die Wandfläche wurde aus echten und natürlichen Materialien kreiert, wobei die Kombination von optischen und haptischen Reizen eine wichtige Rolle spielte. Das faszinierende Wandmosaik setzte sich aus zwei dreireihigen, leuchtend farbigen - Grün-Blau, Violett-Rotbraun, Ocker-Gelb, Gold - Hanffaserplatten zusammen. Diese wurden links, mittig und rechts von Lehmputzelementen in Ockertönen begleitet, die Robert Urzedowicz aus naturfarbenen sowie tonrotem Lehmfeinputz hergestellt hatte. In Robert Urzedowicz hatte die Künstlerin nicht nur einen Fachmann für Lehmbau gefunden, sondern auch einen sich äußerst kreativ einbringenden, handwerklichen Gestalter.

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Künstler: Arie Grevers (Bocholt, D) Titel: „La Rambla“ Material: Holz, Farbe, Stoff Mitwirkung (Kissen-Dessin): TEEYOO (Theo Janssen, Bredevoort, NL) Mitwirkung (Kissen-Produktion): Hanneke van Bergen (Winterswijk, NL) Handwerksbetrieb: Laurens Westhoff Möbel (Südlohn, D) Laurens Westhoff www.laurenswesthoff.de

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rie Grevers ist durch und durch ein grenzüberschreitender Künstler: Er kommt aus den Niederlanden und lebt in Bocholt. Wie er in seiner Projektbeschreibung darlegte, wollte Grevers in Zusammenarbeit mit einer Tischlerei den Prototyp für einen Gartenstuhl entwickeln, der als Bau-Paket verschickt werden kann und zugleich ein sichtbares Statement für die Synergie aus Künstlerischem und Handwerklichem darstellt. Der Stuhl sollte außerdem leicht zusammenstell- und auseinandernehmbar sein, mit Gartenmöbeln vergleichbarer Qualität konkurrieren können und wetterbeständig sein. Entstanden ist „La Rambla - der Gartenstuhl-Träger von Mensch und Kunst“. Er appelliert „an das Konsumentenverhalten, das Einwegartikeln abgeneigt ist - jedes Teil kann separat ersetzt werden, wenn es beschädigt oder kaputt ist; der nachhaltig und laut Regeln der Kreislaufwirtschaft angewendet werden kann; der gleichzeitig ein industriell hergestelltes Massenprodukt ist, aber mit einer individuellen Ausstrahlung versehen werden kann.“ Zusammen mit dem Designer, Möbelhersteller und Galeristen Laurens Westhoff wurde der einzigartige Gartenstuhl „La Rambla“ entwickelt und realisiert. Mitgemacht hat dabei auch der niederländische Künstler TEEYOO (Theo Janssen, der mit einem eigenen Projekt an ARTEM@ARTIS teilnahm), der die Farbentwürfe für das Sitzkissen gestaltete. Und Hanneke van Bergen aus Winterswijk produzierte die Stuhlauflage in Handarbeit. So viel Zusammenarbeit ist eine echte Hommage an 100 Jahre Bauhaus!


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Künstlerin: Diana Joseph (Emst, NL) Titel: „Rösselsprung 2019 – Paardensprong 2019“ Material: Holz, Farbe Handwerksbetrieb: Berufsbildungsstätte Westmünsterland GmbH Jörg Olthues (Standort Ahaus, D), Renate Schmiechen (Standort Bocholt, D) www.dianajoseph.nl www.bbs-ahaus.de

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ie niederländische Künstlerin Diana Joseph ließ sich für ihre 235 cm x 130 cm x 40 cm große beeindruckende Skulptur „Rösselsprung 2019“ vom legendären BAUHAUS-Schachspiel von Josef Hartig aus dem Jahr 1925 inspirieren und erklärt sie wie folgt: „Seine minimalistischen Stücke repräsentieren die Bewegung auf dem Schachbrett. Das springende Pferd symbolisiert die vom BAUHAUS befürwortete Vorwärtsbewegung. Es besteht aus mehr als 200 ganzen und halben Pferdeschachfiguren und wird auf sechs Feldern des Schachbretts gelegt, dem Spielfeld, das dem Pferdestück zur Verfügung steht. ‚Rösselsprung‘ ist ein kontrastreiches, mathematisches Rätsel, in dem sich Widersprüche wie Verhältnis und Gefühl, Ästhetik und Funktionalität, Kunst und Handwerk im BAUHAUS-Sinne vereinen.“ Das rote Pferdeauge war übrigens das letzte Holzblöckchen, das angeleimt wurde. Das erste Treffen zwischen Diana Joseph und Jörg Olthues, dem Geschäftsführer der Berufsbildungsstätte Westmünsterland, hatte Thomas Venhorst in den Räumlichkeiten der BBS in Ahaus in die Wege geleitet, um alle Möglichkeiten für eine Zusammenarbeit zu erörtern. Zusammengebaut wurde der „Rösselsprung“ aber am BBS-Standort Bocholt, wo Renate Schmiechen (Leiterin der dortigen Farbenabteilung) sich vom Werdegang des Kunstwerks begeistert zeigte. „Die neun verschiedenen Größen der Blöcke bilden zusammen ein wunderschönes visuelles Spektakel. Und es ist eine Freude, mit diesen Holzformen zu arbeiten,“ erläuterte die Künstlerin ihre Arbeit.

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Künstlerin: Christa Maria Kirch (Rhede, D) Titel: „forma simplex“ Material: Garne Handwerksbetriebe: rabTex Deckenmanufaktur GbR (Südlohn, D) Berthold Doods Strickerei Overkämping GbR (Südlohn, D) André Overkämping Facebook; Instagram: christa_maria_kirch https://personalisierte-decken.de www.strickerei-overkaemping.de

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ie deutsche Künstlerin Christa Maria Kirch, mit Sitz in Rhede, hat gleich zwei Unternehmen in Südlohn gefunden, die bei der Verwirklichung ihres Projekts mitmachten. Berthold Doods, Geschäftsführer der rabTex Deckenmanufaktur, und André Overkämping, Geschäftsführer der Strickerei Overkämping, unterstützten mit Materialien, Arbeitsstunden und ihrem Know-how die Künstlerin. „Das Projekt ARTEM@ARTIS hat in mir ein großes Interesse für die besondere Geschichte der Frauen an der vom Berliner Architekten Walter Gropius 1919 gegründeten Kunst-und Gestaltungsschule geweckt. Die Gestaltungsgrundlagen der Bauhaustheorie begegnen uns bis heute bei der Entwicklung von Formen und Funktionen für Handwerk, Industrie und Technik sowie in der Architektur und im Design für Möbel und jeder Gattung von Kunst. Zwei Frauen, Gunta Stölzl und Gertrud Arndt, inspirierten mich besonders für meine Arbeit ‚forma simplex‘. In Anlehnung an eine Zeichnung von Gertrud Arndt entwickelte ich die Idee eines grafischen Musters aus den Grundformen Quadrat, Kreis und Dreieck,“ erklärte die Künstlerin die Wahl der geometrischen Formen für ihre textilen Exponate. Den Entwurf der Künstlerin hatte rabTex als zweifarbigen Wandbehang auf einem Jacquard-Webstuhl gewoben, der die Vorlage für eine Decken-Produktion in limitierter Auflage wurde. Zusätzlich waren aus farbigen Restbeständen der Strickerei Overkämping individuelle Kissen entstanden: mit den gleichen geometrischen Mustern der Decke. Eine echte und wunderschöne Hommage an 100 Jahre Bauhaus!

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STRICK MANUFAKTUR MADE IN GERMANY SINCE 1948

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Künstlerin: Monique Klaassen (Dinxperlo, NL) Titel: O.T. Material: Holz, Farbe Handwerksbetrieb: Timmer- en Aannemersbedrijf R.G. Westendorp en Zn. (De Heurne, NL) Gerard Westendorp, Erna Westendorp, Han Hofs moniqueklaassen.nl aannemersbedrijfwestendorp.nl

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ein Entwurf betrifft eine Wandskulptur, die mit der Spannung zwischen Räumlichkeit und Flächigkeit spielt. Dazu befestige ich geometrische Holzformen unterschiedlicher Dicke auf einer Grundformplatte aus MDF - einer ‚schwebenden Form‘ mit einer Höhe von ca. 150 cm. Einige kleinere, teilweise bemalte, mit der Form der Grundtafel identische Formen sollen diesen Effekt, dieses Spannungsfeld verstärken. Die ‚schwebende Form‘ steht für Sehnsucht. Das Verlangen, dem Alltag zu entfliehen, über sich hinauszuwachsen,“ beschrieb die niederländische Künstlerin Monique Klaassen ihre Projektidee. Von Anfang an war der Künstlerin der gemeinsame kreativ-handwerkliche Prozess wichtig. Das zeigte sich schon beim Erstgespräch im Mai mit Gerard und Erna Westendorp, den Inhabern des Timmer- en aannemersbedrijf. Auch hier sagte der Handwerksbetrieb die Kooperation mit Begeisterung zu. Gemeinsam mit dem Unternehmen wählte Monique Klaassen den Entwurf aus, der das angezielte Spannungsfeld am besten zum Ausdruck bringen könnte. Kurze Zeit später begann Zimmermann Han Hofs mit den Sägearbeiten für die Basisform des 3D-Kunstwerks. Danach vertiefte sich die Künstlerin in den Malprozess und die feine Farbgebung. Auf der Ausstellung präsentierte sich ein dreidimensionales, fast transzendent wirkendes Gemälde, das exakt den Ideen der Künstlerin entsprach: Die große schwebende Form auf weißem Hintergrund, zu welcher sich kleine schwebende Formen, teils auf, teils außerhalb der Hauptform, hinzufügten.

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Künstlerin: Dagmar Kleimann aka. Judith von Tora (Bocholt, D) Titel: „Wort-Konfekt“ Material: Silber, Gold, Edelsteine, Holz, Stoff, Lack, Papier, Worte Handwerksbetriebe: Die Schmiede (Bocholt, D) Bernd Rips Holz Design Habers (Rhede, D) Engelbert Habers www.judith-von-tora.de www.die-schmiede.de www.hd-habers.de

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ch baue ein Haus für das Wort,“ umschrieb Dagmar Kleiman ihre Projektidee. Entstanden ist ein bezauberndes Kunstwerk. Für die von Judith von Tora (das Poetin-Pseudonym von Dagmar Kleimann) „geschmiedeten Verse“ hatte die Künstlerin fein gearbeitete Silberdöschen in Form von Pralinen angefertigt: „Eine sichere und schützende Behausung“ für den geschriebenen Inhalt. Die Goldschmiedearbeiten für die „Wort-Konfekte“ folgten einem bestimmten Ablauf: Erst wurden die Deckel gebaut, dann der eigentliche Dosenkasten montiert und untergelötet. Beim Endfinish erhielten einige Flächen, in Anlehnung an Zuckerguss, farbigen Lack und wurden mit bunten Steinen oder Perlen verziert. Die kostbaren Döschen wurden in ein tragbares, mit handbemalten Knöpfchen und handgefertigten Trageriemen versehenes Präsentationsfutteral aus Mahagoniholz, Samt und Leder passgenau platziert: „Die sorgsame, wertige Herstellung und Wiederbefüllbarkeit der pralinenförmigen Behältnisse entspricht dem ökologischen Grundgedanken unserer Zeit, etwas von Dauer zu schaffen, und es spiegelt in seiner Sinnlichkeit die Idee der Bauhaus-Architektur, den ganzen Menschen mit all seinen Sinnesorganen zu umfassen.“ Zur Vernissage und an Sonntagen überraschte die Künstlerin quasi als „Konditorin und Schmiedin der Verse“ die Kunsthaus-Besucherinnen und -Besucher mit Gedichten aus ihrem Bauchladen: Sie wählten eine „Wort-Praline“, aus welcher die Dichterin ein PoesiePapierröllchen zauberte, die Verse frei vortrug, um sie danach dem Gast zu schenken.

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Künstler: Ingo Krasenbrink (Bocholt, D) Titel: „Vermeer in Delft“ & „Bauhaus100“ Material: Keramik, Metallguss, Textil Handwerksbetriebe: Lovink Industries Technocast (Terborg, NL) Ronald Geven, Harald Elshof Stefan Hardeweg Raumausstattung (Velen, D) Heidi Hardeweg, Siglinde Höbing Bas Hesselink Industrial Design (Arnhem, NL) Bas Hesselink ingo-krasenbrink.de hardeweg.de bashesselinkindustrialdesignandprototypes.nl

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ermeer und Bauhaus, wie geht das zusammen? Ingo Krasenbrink ließ sich von den Bauhaus-Intentionen inspirieren, Kunst und Kunsthandwerk als Arbeitsgemeinschaft zu sehen, in der die Unterscheidung zwischen Künstler und Handwerker aufgehoben werden sollte. Für sein „Bauhaus-Projekt der Vermeer-Hommage“ nahm er das Heimatmotiv von Jan Vermeers Ölgemälde „mit einem handwerklichen Lebensumfeld-Sujet auf, die Straße in Delft. Spielt mit der weltbekannten Delfter Tradition, der handwerklichen Fliesenherstellung und der Bemalung. Nimmt träumerisch die GussÖfen der Delfter Küchen neben den Fliesenwänden mit auf.“ Es folgten vielstufige Arbeitsvorgänge: „Von der künstlerischen Reliefkeramik zum Scan und 3D-Druck als Positivform. Dann zur Gussform und dem Eisenguss. Hin zu Farben, Textilien und Einfassung von Kunstobjekten,“ erzählte der Künstler, der mit drei Firmen zusammen arbeitete - und das gleich grenzüberschreitend. Lovink Technocast war für den Eisenguss und Hardeweg Raumausstattung für den Rahmenbau zuständig. Den 3D-Scan vom Keramik-Relief ‚Bauhaus100’ ermöglichte Bas Hesselink. Ingo Krasenbrinks Gesamtkunstwerk bestand nicht nur aus den zwei Hauptwerken, die auf einer Achse angebracht waren, sondern auch aus 20 cm × 20 cm großen Bildern, welche die Entwicklungswege und Hintergründe der Arbeiten präsentierten. Zudem zeigte der Künstler auch einen Moment des Scheiterns: Das zerbrochene Negativ-Keramikrelief, das nach 30 Stunden Handarbeit in der Gießerei zerborsten war.

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Künstler: Han Lammers (Heerde, NL) Titel: „Angled Triangles“ Material: Zinkblech 1,5 mm Handwerksbetrieb: Goldschmidtböing Bedachungen GmbH (Rhede, D) Thomas Goldschmidtböing, Markus Schaffeldt Materialsponsor: RHEINZINK GmbH & Co. KG (Datteln, D) www.hanlammers.nl www.goldschmidtboeing.de www.rheinzink.de

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ie Skulptur, aus reinem, dauerhaften Material Zink gefertigt, einem Werkstoff, der seit Jahrhunderten beim Bauen und Renovieren verwendet wird, besteht aus zwei ungleichen Drei­ ecken, rein abstrakt und geometrisch. Die beiden Dreiecke, um 180° zueinander gedreht, und der zusätzliche Winkel in der Skulptur ermöglichen es, die beiden Dreiecke zu verbinden,“ beschrieb Han Lammers sein Kunstwerk „Angled Triangles“. Das minimalistisch-sachliche Design der 100 x 200 cm großen Plastik wurde - so der Künstler - von der Bauhaus-Philosophie inspiriert: Kraft der Einfachheit und Verbindung von Kunst und Technologie. Für Han Lammers, der viel mit Zink arbeitet, ist dieses Material ein zuverlässiges, „das eine lange Lebensdauer hat und danach recycelt werden kann. Die Patina (die Oxidschicht schützt das darunterliegende Material) verleiht dem Zink ein besonderes Aussehen, vor allem, wenn es in der Natur steht.“ Für den niederländischen Bildhauer war es ein Glück, mit dem Rheder Handwerksbetrieb Goldschmidtböing Bedachungen verbunden zu werden - auch hier mit Hilfe der Kreishandwerkerschaft. Thomas Goldschmidtböing war sogleich an einer Zusammenarbeit interessiert und holte sogar die Firma RHEINZINK als Materialsponsor für die speziellen Zinkplatten ins Boot. Handwerker Markus Schaffeldt und Künstler Han Lammers arbeiteten eng zusammen, als sie in einer Firmenhalle die Bleche millimetergenau zuschnitten (nach den maßstabsgetreuen Zeichnungen des Künstlers), abkanteten, schliffen, zu Stücken formten und diese ineinander setzten.


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Künstlerin: Kristie Legters (Winterswijk, NL) Titel: „Rode Kubus & Ecologie“ Material: Holz, Stahl, Papier, Leinen, Kattun, Acrylfarbe, Tusche, natürliche Materialien Handwerksbetriebe: Theo Bollwerk Tischlermeisterbetrieb (Bocholt, D) Theo Bollwerk Dekalu Reklame (Winterswijk, NL) Arjan Vreeman facebook.com/kristie.vreemanlegters theobollwerk.de dekalu.nl

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nitiiert von Thomas Venhorst wurde die niederländische Künstlerin Kristie Legters mit dem Bocholter Tischlermeister Theo Bollwerk von dessen gleichnamigen Handwerksbetrieb direkt an der D/NLGrenze verbunden. „Nach dem Bauhaus-Prinzip, bei dem Kunst und Handwerk zusammenkommen, habe ich mehrere Ideen entwickelt, von groß bis klein,“ erläuterte Legters. Aus dem kreativen Brainstorming zwischen der Künstlerin und dem versierten Handwerksmeister formte sich aus dem ursprünglichen Außenobjekt ein faszinierender Guckkasten für den Innenraum. Legters: „Das Projekt ‚Red Cube & Ecology‘ wurde zu einem roten Würfel entwickelt, der auf roten, stählernen Beinen steht und rundum zu betrachten ist. Warum die Farbe Rot? Weil sie die Komplementärfarbe von Grün ist – und Grün steht für die Natur. Und Natur, weil das Thema Ökologie es mir besonders angetan hat.“ Das Objekt hatte keinen Eingang, aber in den roten Wänden boten mehrere Sichtfenster überraschende Durchblicke: Der Betrachter wurde eingeladen, Landschafts- und Naturabbildungen zu entdecken, wie den Winterswijker Slingebeek hinter dem Haus der Künstlerin, Schwarz-weiß-Zeichnungen einer Winter-Szene oder ein auf einem blauen See schwimmendes Gewächshaus, in dem Stühle zum Verweilen aufforderten. Kristie Legters zeigte sich glücklich über den Einsatz für ihr Kunstwerk: „Die Winterswijker Firma Dekalu sorgte als Teil-Sponsor für das präzise Einkleben der Zeichnungen in den Kubus. Theo Bollwerk hat übrigens den Bau des Objekts zu 100% gesponsert.“

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Künstlerin: Maria Neumann (Lichtenvoorde, NL) Titel: „Bauhauskompilation“ Material: Baumwolle (GOTS-Bio) Handwerksbetrieb: Richter Textilien GmbH & Co KG (Bocholt, D) Karlheinz Richter, Stefan Leder Instagram: maria_neumann_art www.weberei-richter.de

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ür die niederländische Künstlerin Maria Neumann „sind Kunst und Handwerk untrennbar miteinander verbunden. Handwerk ist Kunst und Kunst ist Handwerk. Und genau wie beim Bauhaus mag ich persönlich etwas, das schön, aber vor allem praktisch ist. Aber da wir heutzutage in einer Wegwerfgesellschaft leben, die immer neue Dinge herstellt, ist Kunst nicht notwendig und auch nicht immer wünschenswert.“ Ihre Themen, so erklärte die Künstlerin, beschäftigen sich hauptsächlich mit Natur und Gesellschaft. Sie beobachte viel und ließe sich von vielen alltäglichen Dingen und Ereignissen fortwährend inspirieren. Die Suche nach einer passenden Weberei, die bereit war, Maria Neumanns Entwurf für einen Teppich zu sponsern und zu weben, hatte sich anfangs als schwierig herausgestellt. Aber durch den unermüdlichen Einsatz von Thomas Venhorst konnte die in Bocholt ansässige Firma Richter Textilien ins Boot geholt werden. Geschäftsführer Karlheinz Richter hatte begeistert seine Mitarbeit, Unterstützung und sein Know-how für das ARTEM@ARTIS-Kunstprojekt zugesagt. Und die Künstlerin konnte bei allen Webvorgängen in der Weberei anwesend sein. Mit der Fertigstellung des Wandteppichs aus Baumwolle aus kon­ trolliert biologischem Anbau bekam das Kunstwerk auch einen Titel: „Bauhauskompilation“. Das Teppichkunstwerk, in vier Farben der neuen Richter-Kollektion, zeigte sich auf der Ausstellung als eine schöne Hommage an die Bauhaus-Ära, aber auch an die Tradition der Textilregion auf beiden Seite der D/NL-Grenze.

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Künstlerin: Lydia Oermann, (Köln, D) Titel: „E700“ Material: Stahl, Plexiglas, Solar-LEDs Handwerksbetrieb: Broemmling Stahl- und Metallbau GmbH (Bocholt, D) Ralf Brömmling, Guido te Laar www.lydia-oermann.de www.broemmling-metallbau.de

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a ich viel mit Plexiglas arbeite, dieses spraye oder mit Siebdruck bedrucke, möchte ich mit diesem Material ein Objekt bauen,“ legte die Kölner Künstlerin Lydia Oermann in ihrer Projektbeschreibung dar. Thomas Venhorst hatte den Kontakt zu Geschäftsführer Ralf Brömmling von der Broemmling Stahl- und Metallbaufirma hergestellt. Das Erstgespräch begann mit einem begeisternden Brainstorming und einer Flut an Ideen: Die Künstlerin, Ralf Brömmling und Fachmitarbeiter Guido te Laar hatten sich ohne Umwege auf die Form einer aus Metall bestehenden Glühbirne geeinigt. So war aus dem ursprünglichen „Unknown Object – Patchwork“ das atemberaubende Kunstwerk „E700“ entstanden: Die überlebensgroße Glühbirne mit Plexigalsscheiben in den Bauhaus-Farben (die in 2021 sogar auf der „Bad Ragartz Skulptur Triennale“ zu sehen war). Die Fertigung des Objekts war kein einfaches Unterfangen - Guido te Laar musste sich einiges einfallen lassen für den Strukturbau, was viel Zeit und Material kostete: Zu Beginn das Erstellen von Negativ- und Positiv-Form für die Silhouette, danach intensive Schweißarbeiten an der Fassung und schließlich über viele Stunden der Zusammenbau des Gitterwerks. Zwischenzeitlich berichtete Lydia Oermann über die Probleme beim Ankleben der Plexiglasscheiben - und das auch noch während einer Hitzewelle. Das war echter Einsatz! Auch, dass die Firma Broemmling als Projekt-Sponsor alle Materialkosten und Arbeitsstunden übernommen hatte, was sich am Ende auf eine fünfstellige Summe belief.

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B BROEMMLING STAHL- UND METALLBAU

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Künstler: Georg Paar (Bocholt, D) Titel: „Skulptur in Form und Farbe des Bauhaus Stils, mit beigelegten Bausteinen“ Material: Kiefernholz, MDF Mitwirkung (Farbberatung): Erich Schröer (Bocholt, D) Handwerksbetrieb: Schlütter & Gehlmann GmbH & Co. KG (Isselburg, D) Hans-Theo Schlütter www.schluetter-gehlmann.de

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uch bei dem Bocholter Künstler Georg Paar war die ursprüngliche Projektidee für ARTEM@ARTIS einem Veränderungsprozess unterworfen gewesen. „Im Anfang war meine Idee, mit Materialien wie Holz und Glas eine Vitrine im Bauhaus-Stil zu entwerfen, um darin eine von mir gefertigte Skulptur zu zeigen,“ berichtete der Künstler. Um sein Kunstprojekt verwirklichen zu können, hatte der Künstler selbst den Kontakt zur Isselburger Bau- und Möbelschreinerei Schlütter & Gehlmann aufgenommen. In Hans-Theo Schlütter, einem der beiden Firmengeschäftsführer, fand Georg Paar einen sehr interessierten Kooperationspartner. Als Farbberater konnte Paar den ebenso aus Bocholt stammenden Künstler Erich Schröer gewinnen. Georg Paar: „Noch vor den Sommerferien konnte ich die Skulptur fertigstellen. Aber der Gedanke daran, dass diese in einer Vitrine ‚eingesperrt‘ würde, veranlasste mich, den Bau einer Vitrine zu überdenken.“ Fernab von seinem Zuhause, im Urlaub in Frankreich, beschloss der Künstler, seine Holzfigur mit Dreieck-, Würfel- und Rechteck-Blöcken in loser Anordnung einzufassen. „Dadurch konnte ich den nötigen Focus auf die Skulptur erreichen,“ erzählte der Künstler. Entstanden war tatsächlich eine feingliedrige, schlanke und aufrechte Figur, welche die Bauhaus-Farben trug. Vage erinnerte die zarte Skulptur an Oskar Schlemmers Figurinen für das „Triadische Ballett“. Und mit dieser Erinnerung im Kopf schien sie auch zu schweben, schien sich tänzerisch hochzustemmen von den flankierenden Quadersäulen.

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Künstler: Philipp Pohl (Bocholt, D) Titel: „LAUDES / VESPER“ Material: Papier, Metall, Holz Handwerksbetriebe: Waning Anlagenbau GmbH & Co. KG (Vreden, D) Klaus Löwen X-Team Bocholt GmbH & Co. KG (Bocholt, D) Thomas Schlütter www.waning-anlagenbau.de www.xteam-bocholt.de

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er aus Gelsenkirchen stammende Künstler Philipp Pohl wurde ebenfalls damit konfrontiert, die ursprünglich angedachten Maße für seine große Rauminstallation mit den „klassischen“ Räumlichkeiten des Kunsthauses in Einklang zu bringen. Ein versierter Künstler wie Pohl wusste sein Kunstwerk perfekt auf den Raum abzustimmen und außerdem in einen spannenden Austausch mit Werken von drei weiteren Kunstschaffenden zu setzen. „Die Laudes ist das kirchliche Morgengebet. Die Vesper ist das kirchliche Abendgebet. Bei mir vermischt sich die Idee dieser liturgischen Praxis mit der Vorstellung einer Morgen- und Abendmeditation in zenbuddhistischer Form,“ erklärte der Künstler die tiefere Bedeutung seiner Installation. Pohls imponierendes Kunstwerk bestand aus einer fünfteiligen, durch Scharniere verbundenen Paravent-Wand, deren Auffaltung die einzelnen Platten in kommunikative Bewegung zueinander setzte. Die Farbgebung in SchwarzWeiß bestimmte die unregelmäßigen Linienstrukturen und Linienbündel, wobei die Vorderseite vorwiegend aus schwarzen Elementen auf weißem Grund und die Rückseite aus weißen Elementen auf schwarzem Grund bestand. Die dunkle Wandseite wurde durch zwei liegende Objekte - Stab und Meditationskissen - ergänzt. Philipp Pohl nahm selbst Kontakt zu zwei Betrieben auf. Schon die Vorgespräche mit Klaus Löwen von der Firma Waning hatten bereits diverse Möglichkeiten für die Konstruktion des Paravent-Gerüstes aufgezeigt. Thomas Schlütter vom X-Team Kopierzentrum stand ebenfalls unterstützend zur Seite.

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Künstler: Maarten Rots (Terborg, NL) Titel (Bleiglas): O.T. Material: Bleiglas Titel (Foto): „Untitled, Haarlem 2016“ Material: Inkjetprint Hahnemühle Photorag Bright White auf Dibond Handwerksbetrieb: Jan ter Haar Glas in lood (Aalten & Oegstgeest, NL) www.maartenrots.nl www.janterhaarglasinlood.nl

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lächen und Linienspiele kennzeichnen viele meiner Fotografien. In meiner Arbeit spielt Licht eine wichtige Rolle, ein Element, das auch für Handwerker und Künstler, die mit Bleiglas arbeiten, von großer Bedeutung ist. In der Vergangenheit habe ich bereits mit Druckvorgängen auf transparentem Material experimentiert. Nun wollte ich herausfinden, ob beide Arbeitsfelder, Fotografie und Bleiglaskunst, miteinander verknüpft werden können,“ erklärte der niederländische Fotograf Maarten Rots seine Projektidee. Dafür ging er auf Suche nach einem Bleiglas-Experten, den er in Jan ter Haar fand: Handwerker und Künstler zugleich, Bleiglas-Spezialist und Historiker sowie Verfasser mehrerer Bücher über Bleiglaskunst. Er stand Marten Rots bei der Verwirklichung des Kunstwerkes mit sehr viel Wissen, Erfahrung und handwerklich-künstlerischem Können zur Seite. Jan ter Haar, von der Idee und Herausforderung begeistert, suchte zuerst nach den passenden, farbigen Glaspaneelen, die den Farbflächen der Fotografien von Maarten Rots am meisten entsprachen. Kopien der Fotografien dienten als Schablonen. Danach begann die diffizile handwerkliche Arbeit: Flachglasstücke in Form bringen; Verbleiung; Verlötung der einzelnen Bleifelder. Das Bleiglas-Triptychon wurde in der Ausstellung durch den Fotodruck „Untitled, Haarlem 2016“ ergänzt, der Maarten Rots unnachahmliche fotografische Arbeitsweise, Licht, Schatten, Flächen, Strukturen und Farben festzuhalten, sichtbar machte. Hier hatten sich tatsächlich zwei Meister gefunden: der Bleiglaskunst und der Fotografie.

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Künstler: Daglef Seeger (Bocholt, D) Titel: „Abgezweigt - Auf dem Weg zu Itten das Ziel vergessen“ Material: Papier, Farbe, Haar, FriseurUtensilien Handwerksbetrieb: Udo Böing design & konzept (Bocholt, D) Udo Böing www.friseurbocholt.de

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chon seit zwei Jahren zeichne ich vor, während und nach meinen Friseurbesuchen bei Udo Böing, weil die dortige ungewöhnliche Einrichtung und die vorherrschende Stimmung eine besondere Atmosphäre erzeugt, die mich beschäftigt und anregt. Da besann ich mich einer reflektierenden Methode des Bauhauses: Ich, der Formmeister, nehme die dramatischen Impulse des Haare schneidenden Werkmeisters auf und komponiere aus den zeichnerisch festgehaltenen Momentaufnahmen ein übergeordnetes rhythmisches Geflecht, eine stille Melodie, die auf die kabbalistische Einheit von Farbe, Zahl, Ton und Wort auf einer höheren geistigen Ebene verweist,“ erklärte Daglef Seeger seine Mobilé-Installation. Der Künstler folgte über mehrere Sessions Udo Böing und dessen Team mit Zeichenpapier und Stift: Haare waschen, schneiden, färben, föhnen. Mit ausgewählten Zeichnungen bestückte Seeger das Mobilé. Der Rhythmus der auf Blättern verteilten Zeichnungen wurde durch die ständige Bewegung des Mobilés noch einmal rhythmisiert, so Seeger, der mittels eines Föhns den nötigen Luftzug generierte. Spielerisch „verdoppelte“ sich das Mobilé in einem großen Spiegel (typischer Bestandteil eines Friseursalons), der gleichermaßen die vorbeigehenden Menschen reflektierte: „Sie werden eine Verbindung herstellen, ihr Aussehen, ihre Frisur, ihre Endlichkeit reflektieren und vielleicht einen Sog vom magischen Raum hinter dem Spiegel spüren,“ beschrieb Seeger seine Hommage an das Bauhaus und den Friseurmeister Udo Böing - und versteckt auch an Bauhaus-Meister Johannes Itten.

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Künstler: Georg Spogahn (Bocholt, D) Titel: „Büffel“ Material: Baumberger Sandstein Handwerksbetrieb: Alex Lorei Grabmale GmbH (Bocholt, D) Detlef Lorei, Markus Lorei, Olaf Buyting www.atelier-mario.de www.alexlorei.de

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eorg Spogahn verband sich mit der Firma Alex Lorei, wodurch ihm die versierten Steinbildhauer Detlef Lorei (Inhaber), Markus Lorei und Olaf Buyting nicht nur mit ihrem Können und Einsatz zur Verfügung standen, sondern auch bei der Materialbeschaffung halfen. Der Bocholter Künstler hatte eine Sandstein-Skulptur geplant: „Der Büffel ist bei den indianischen Stämmen ein heiliges Tier. Wird er angerufen, verleiht er die Fähigkeit, verlässlich und pflicht­bewusst zu sein, aufrichtig zu handeln. Er steht für die Eigenschaften: Kraft, Ruhe und Frieden sowie Mut. Außerdem ist er das Symbol für Tapferkeit und Familiensinn. All das war es auch, was die Bauhaus-Künstlerinnen und Bauhaus-Künstler ausgemacht hat.“ Am Anfang stand ein über 300 Kg schwerer Baumberger SandsteinQuader, auf den Spogahn zuerst die Skizze übertrug. Danach ging es ans geduldige, tagelange Meißeln. Im August lud der Künstler die Öffentlichkeit dazu ein, ihm über die Schulter zu schauen und mitzuerleben, wie seine Skulptur immer mehr das Aussehen eines Büffels annahm. Einer der spannendsten ARTEM@ARTIS-Momente war die Anlieferung der Skulptur kurz vor der Vernissage. Die Firma Lorei fuhr den LKW knapp an den Hintereingang des Kunsthauses, um per Kran den 250 Kg schweren Büffel durch die Terrassentür ins Gebäude schweben zu lassen. Bis das wunderschöne, kraftvoll wirkende Standbild auf einem eigens dafür gebauten Sockel zu stehen kam, war echte Millimeterarbeit gefragt. Zum Glück gab es viele enthusiastische und kräftige Helfer!

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Künstler: Hans Michael Spogahn (Bocholt, D) Titel: „Farbige Rauten“ Material: Birken-Sperrholzplatten, Farbe Handwerksbetrieb: J. Tekampe GmbH (Bocholt, D) Jan-Dirk Tekampe, Xaver Tekampe, Svenja Thomaszewski, Lea Büssing Materialsponsor: KEIMFARBEN GmbH (Diedorf, D)

www.rhombus-design.de www.maler-tekampe.de www.keim.com

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m April trafen sich der Bocholter Künstler Hans Michael Spogahn, Thomas Venhorst und Geschäftsführer Jan-Dirk Tekampe in dessen Maler- und Lackierbetrieb, um die Möglichkeiten zur Realisierung des Kunstwerkes zu besprechen. „Das Grundmotiv ist das Quadrat – die perfekte geometrische Form. Durch diagonale Linien in vier gleiche Dreiecke aufgeteilt. Die Grundfarben Blau, Rot, Gelb und Grün aus dem Farbspektrum werden durch unterschiedliche Abstufungen aufgehellt bzw. abgedunkelt, so dass optisch die Aufsicht auf eine gleichschenkelige Pyramide entsteht,“ erklärte der Künstler das Kunstprojekt, von dem der Maler- und Lackiermeister von Beginn an begeistert war. Die Quadrate, aus 12 mm dicken Birken-Sperrholzplatten, wurden im Winkel von 45° an eine lange Wand im Kunsthaus mittels unsichtbarem Montageband angebracht, mit einem Abstand von 1 cm rundum. Dadurch entstand der Eindruck eines Reliefs mit Lichteinfall von oben rechts. Durch die Anbringung als Raute und die freien Zwischenräume innerhalb der Installation wurde die strenge Geometrie eines überdimensionalen X aufgehoben. Es entstand eine gewisse Leichtigkeit. Die Elemente schienen nach außen zu streben. Das weiße Quadrat im Zentrum erweckte den Eindruck, die Farben vereinen zu wollen, ähnlich der additiven Farbmischung. Die Malarbeiten wurden übrigens mit viel Geduld und Genauigkeit von den beiden Auszubildenden Svenja Thomaszewski und Lea Büssing durchgeführt, wobei ausschließlich umweltfreundliche, von der Firma KEIM gesponserte Farben verwendet wurden.

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www.maler-tekampe.de

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Künstler: TEEYOO (Bredevoort, NL) Titel (3 Tischläufer): „Wort schafft Kopfraum“ „Farbenfrohe Freiheit“ „Rhythmus der Flecken“ Material: Garne, Stoff Mitwirkung (Text): Arie Grevers (Bocholt, D) Handwerksbetrieb: LWL-Industriemuseum TextilWerk Bocholt (Bocholt, D) Martin Schmidt, Rolf Wendemuth, Laura Wohlbold www.teeyoo.nl www.textilwerk-bocholt.lwl.org

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er niederländische Künstler TEEYOO (Theo Janssen) erklärte Martin Schmidt (wissenschaftlicher Referent im LWL-Industriemuseum TextilWerk Bocholt) und Rolf Wendemuth (Webmeister im TextilWerk) sein Kunstprojekt: „Meine Idee ist es, ein Geschirrtuch mit einem Motiv anzufertigen, das sich auf Kunst aus der Bauhauszeit bezieht. Das endgültige Design wird einfacher sein und hängt von den Möglichkeiten ab, welche die Weberei bietet. Wenn das Ergebnis zufriedenstellend ist, könnte es in die Produktion aufgenommen werden, mit dem Ziel, es zu verkaufen.“ Nachfolgende Gespräche über die Möglichkeiten, die Entwürfe des Künstlers auf den historischen Webmaschinen der Weberei umzusetzen, zeigten leider technische Grenzen auf: Wegen der eingeschränkten Webverfahren der ohne Lochkarten arbeitenden Maschinen, musste TEEYOO seine Erstentwürfe deutlich verändern. Naturgemäß war der Künstler über diese Einschnitte in seine kreative Arbeit nicht glücklich. Trotzdem gab er nicht auf. Sowohl dem Künstler, als auch den Weberei-Handwerkern wurden Flexibilität und dementsprechender Einsatz abverlangt. Es waren spannende Momente, als die ersten Probestücke gewoben wurden. In Anwesenheit von TEEYOO, Martin Schmidt, Rolf Wendemuth und der wissenschaftlichen Volontärin Laura Wohlbold führten zwei Mitarbeiter der Weberei die Webvorgänge aus. Entstanden sind drei auffallend klare Tischläufer mit eingearbeiteten, farbigen Texten, welche der Künstler Arie Grevers speziell für ihn gedichtet hatte.

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Künstlerin: Marij van Hameren (Ulft, NL) Titel: „Ode aan de vaders“ Material: Papier, Kunststoff, Kupferdraht, Lautsprecher Handwerksbetrieb: Sporker Trödelhalle (Bocholt, D) Hans Vorfeld www.marijvanhameren.nl

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ür ARTEM@ARTIS arbeitete Marij van Hameren mit Hans Vorfeld vom Recyclingunternehmen „Sporker Trödelhalle“ sowie mit Michiel Geurtzen, der den Ton und die technische Unterstützung lieferte, zusammen: „Meine ursprüngliche Projektidee war, ein dreidimensionales Porträt zu kreieren. In Herrn Vorfeld, der von Beruf Restaurator ist, hatte ich einen versierten Mitstreiter gefunden, um meinen geplanten Kopf zu bauen. Zusammen haben wir immer wieder die Entwürfe besprochen. Sehr spannend, wie sich die Skulptur weiterentwickelte. Durch seine Anregungen kam ich zu einer Materialkombination aus Papier und Kupfer, die für mich neu war und die ich allein nicht gewählt hätte.“ Die niederländische Künstlerin hatte eine markante Kopf-Skulptur geschaffen, die von drei Kopf-Zeichnungen ergänzt wurde, aus welcher speziell aufgenommene Klänge ertönten und vorbeilaufende Ausstellungsgäste überraschten. In Anlehnung an Oskar Schlemmer hatte van Hameren nach dem Kern des menschlichen Wesens gesucht, ohne den menschlichen Aspekt aus den Augen zu verlieren. „Ich strebte nach Einfachheit in der Form und der Verwendung von reinem, aber auch recyceltem Material. Letztlich geht es bei dem Bild darum, sich auf den richtigen Kanal einzustellen. Der Mensch muss aus vielen Reizen und Signalen wählen, um zum Kern seines Wesens zu gelangen und/oder dort zu bleiben. Der Titel ‚Ode an die Väter‘ bezog sich einerseits auf die Väter der Bauhaus-Kunstbewegung, die Lehrer, andererseits auf alle ‚Väter‘, die das richtige Signal weitergeben,“ erklärte die Künstlerin.

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Künstler: Ulrich Vogel (Bocholt, D) Titel: „Kinderträume in Holz“ Material: Holz Handwerksbetrieb: Natur-Tischlerei H.R. Primas (Hamminkeln, D) Horst Primas www.holzhorst-wesel.de

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er Bocholter Ulrich Vogel hatte Horst Primas von der gleichnamigen Tischlerei für seine Idee eines bespielbaren Kunstwerks ins Boot holen können. In seiner Projektbeschreibung legte der Künstler seine Kreation aus: „Meine künstlerische Arbeit beinhaltet den Entwurf, die Gestaltung und die Anfertigung eines nutzbaren, großen, beweglichen und veränderbaren Spielgerätes als für Kinder bespielbares, variables Reitspieltier. Es werden nur natürliche Materialien verwendet; und es wird auf eine sichere Handhabung durch Kinder geachtet. Zudem umfasst meine Arbeit drei Teilbereiche: fünfzehn Handzeichnungen des variablen Reitspieltieres; ein handwerklich gefertigtes Unikat des Reitspieltieres; ein Kinderlied zum unbeschwerten Spielen.“ Das bespielbare Kunstwerk mit dem Titel „Kinderträume in Holz“ war von seinen Einzelteilen her so ausgelegt, dass Kinder damit für sich selbst vier einzelne Tiergattungen in unterschiedlicher Form und Funktion gestalten könnten: Elefant, Pferd, Kamel und Delphin. Das ausgestellte Spielgerät trug den Kopf eines Elefanten und war in dieser Variation mit einem Dach ausgestattet, das an Geschichten von „Tausendundeine Nacht“ erinnerte. Die anderen Tierköpfe waren auf einem hölzernen Paravent griffbereit montiert. Außerdem waren die Skizzen zum Objekt präsentiert sowie das Noten- und Textblatt von Vogels selbst komponierten und getexteten Liedes, welches an einem der Ausstellungstage von einer kleinen Gruppe Kinder aufgeführt wurde.

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Künstlerin: Thea Zweerink (Varsseveld, NL) Titel: „Mysterie van de ziel“ Material: Kupferdraht, Metall, LED-Licht Handwerksbetrieb: Elektro Nelskamp GmbH (Bocholt, D) Thorsten Nelskamp www.theazweerink.nl www.elektro-bocholt.de

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as von Thomas Venhorst initiierte Gespräch zwischen Thorsten Nelskamp, Elektrotechniker und Co-Geschäftsführer der Firma Elektro Nelskamp, und Thea Zweerink resultierte in einer fruchtbaren Kunst-und Handwerk-Zusammenarbeit. „In meiner künstlerischen Arbeit geht es um Menschen, oft nur um ihre Köpfe. In den Porträts, die ich male, versuche ich, die Seelen der Menschen darzustellen, auch wenn ich sie nicht kenne. In dieser Installation möchte ich die Suche nach dieser Seele fortsetzen, aber in der ganzen Person. Der Körper besteht aus vielen Systemen. Jede DNA ist einzigartig, könnte die Seele des Menschen darin enthalten sein? Das wird meine Inspiration sein,“ beschrieb die niederländische Künstlerin ihre Projektidee. Am Anfang stand die Suche nach passenden Drähten und Kabeln für die darzustellenden Organsysteme und um der dreidimensionalen Figur Form zu geben. Thorsten Nelskamp half bei der Platzierung der filigranen Drähte in seiner Elektro-Werkstatt, wodurch auch die Arbeiten an der faszinierend schönen Skulptur gut vorankamen. Ein stählerner 3D-Rahmen mit versteckten Lichtschienen wurde gebaut, in welchen der Skulptur-Körper gehängt und dadurch in eine Art Schwebezustand versetzt wurde. An Adern und Nervenfasern erinnernde, türkisfarbene Kabel durchzogen die feine, im Licht glänzende Kupferdrahtkonstruktion. Aus Metall geformte, Pflanzenblättern nachempfundene Plättchen verteilten sich einzeln und in Clustern durch den Körper und schienen aus dem Kopf hinaus in Richtung Himmel fliegen zu wollen als „Das Geheimnis der Seele“.

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Bildquellen-Nachweis ARTEM@ARTIS Katalog Wenn nicht anders angegeben: Fotografie Joop van Reeken Weitere Bildquellen-Nachweise auf den Seiten: Blaauw 6, 8 (li unten); Brand: 9, 11 (li & re oben); Burger 17 (li unten); Dekker 18, 20 (li & re oben); Grevers 24, 26; Joseph 27; Kirch 30, 32 (li unten); Kleimann 36, 38; Krasenbrink 39, 40; Legters 47 (re oben & li unten); Neumann 50; Brömmling 51, 53 (li & re oben); Pohl 57; Rots 60, 62 (li unten); Seeger 65 (re oben & li unten); Janssen 74 (li & re oben); van Hameren 77; Vogel 78; Zweerink 80, 82 (re oben & li unten); Verena Winter 8 (li oben), 11 (li unten), 14 li oben), 15, 17 (li oben), 32 (li oben), 44 (li oben), 45, 68 (re oben & li unten), 72, 82 (li oben)

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Die Projekte ARTEM@ARTIS und (NO) TIME TO WASTE! waren Teil des dreieinhalbjährigen, grenzüberschreitenden „Leonardo da Vinci-Innovation“-Projektes, das im Rahmen des INTERREG-Programms Deutschland-Nederland durchgeführt und durch die Europäische Union, die Provinz Gelderland und das Ministerium für Wirtschaft, Innovation, Digitalisierung und Energie (MWIDE) NRW mitfinanziert wurde. De projecten ARTEM@ARTIS en (NO) TIME TO WASTE! maakten deel uit van het drieënhalf jaar durende, grensoverschrijdende project “Leonardo da Vinci Innovation”, dat werd uitgevoerd in het kader van het INTERREG-programma Duitsland-Nederland en medegefinancierd werd door de Europese Unie, de Provincie Gelderland en het Ministerie van Economische Zaken, Innovatie, Digitalisering en Energie (MWIDE) NRW.

Europäische Union Europese Unie

ARTEM@ARTIS Veranstalter von ARTEM@ARTIS war der Fachbereich Kultur und Bildung der Stadt Bocholt in Kooperation mit Europe Direct Bocholt, der Kreishandwerkerschaft Borken und dem deutsch-niederländischen Netzwerk „Grenzhoppers“. Projektpartner auf der niederländischen Seite war „Warmgroen“. (NO) TIME TO WASTE ! (NO) TIME TO WASTE! 2021 werd georganiseerd door Projectpartner Warmgroen in nauwe samenwerking met de Gemeente Bocholt, Leonardo Da Vinci Innovation, Kreishandwerkerschaft Borken en het Innovatiecentrum CIVON. De vervolgexpositie in STILL (NO) TIME TO WASTE 2022, kwam tot stand in samenwerking met Bocholter Handwerksmuseum en de gemeente Bocholt.


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www.kleinprojekt.nl

BOCHOLTER HANDWERKSMUSEUM


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