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George Floyd und struktureller Rassismus
AUSGABE JULI/2020
TEXT OLIVER ZILLIG + ANJA SCHMIDT
Am 25. Mai 2020 starb der Schwarze US-Amerikaner George Floyd während einer Polizeikontrolle. Die 4 weißen Polizisten wurden vom Polizeidienst ausgeschlossen. Zuerst wurde keine Anzeige gegen die 4 Beamten erstattet. Keiner von ihnen wurde festgenommen. Die Polizeikontrolle wurde gefilmt. Das Video wurde auf der ganzen Welt millionenfach gesehen. Am 26. Mai begann eine Reihe von Protesten, die bis heute anhält. Die Protestierenden fordern Gerechtigkeit für George Floyd. Und sie fordern massive Reformen der US-amerikanischen Sicherheitsbehörden.
Rassismus und Gewalt haben eine lange Geschichte in den USA. Die großen landwirtschaftlichen Flächen brauchten viele billige Arbeitskräfte. Dafür wurden Schwarze Menschen aus Afrika entführt und versklavt. Erst mit dem Ende des amerikanischen Bürgerkriegs 1865 wurde Sklaverei abgeschafft. Gleichberechtigt waren Schwarze deswegen aber noch nicht. Erst in den 1960ern schafften es Schwarze Bürgerrechtsaktivist*innen wie Martin Luther King, Rosa Parks und viele andere, Schwarze Menschen vor dem Gesetz gleichzustellen. Rassismus wurde damit aber nicht abgeschafft. Schwarze Menschen sind in den USA einer Vielzahl von Diskriminierungen ausgesetzt. Eine davon ist, dass sie sehr viel häufiger von der Polizei kontrolliert, verhaftet und getötet werden. 2013 hat sich deswegen die Bewegung "Black Lives Matter" gegründet: Die Aktivist*innen fordern, dass struktureller Rassismus abgeschafft wird. Die aktuellen Proteste sind auch von diesem Netzwerk organisiert. Rassismus und Gewalt haben eine lange Geschichte in den USA. Die großen landwirtschaftlichen Flächen brauchten viele billige Arbeitskräfte. Dafür wurden Schwarze Menschen aus Afrika entführt und versklavt. Erst in den 1960ern schafften es Schwarze Bürgerrechtsaktivist*innen wie Martin Luther King, Rosa Parks und viele andere, Schwarze Menschen vor dem Gesetz gleichzustellen. Rassismus wurde damit aber nicht abgeschafft. Schwarze Menschen sind in den USA einer Vielzahl von Diskriminierungen ausgesetzt. Eine davon ist, dass sie sehr YLHO K¥XāJHU YRQ GHU 3ROL]HL NRQWUROOLHUW verhaftet und getötet werden. 2013 hat sich deswegen die Bewegung „Black Lives Matter“ gegründet: Die Aktivist*innen fordern, dass struktureller Rassismus abgeschafft wird.
Warum demonstrieren die Menschen in den USA jetzt?
Die strukturelle Diskriminierung zeigt sich besonders im Verlauf der aktuellen Corona-Pandemie deutlich. Im Verhältnis stecken sich viel mehr Schwarze Menschen mit dem Coronavirus an als weiße. Auch die Todeszahlen sind deutlich höher. Das hat mit schlechteren Lebensbedingungen der Schwarzen Bevölkerung zu tun. Aber auch damit, dass Krankenhäuser in Schwarzen Nachbarschaften schlechter ausgestattet sind. Auch wirtschaftlich sind Schwarze Menschen stärker betroffen als weiße Menschen. Auch die Arbeitslosigkeit unter der Schwarzen Bevölkerung stieg deutlich mehr an, als unter der weißen Bevölkerung. Bei der Durchsetzung von Hygienevorschriften hat sich die polizeiliche Willkür auch hier stark gezeigt. Als weiße Menschen die Regeln nicht einhielten, hat die Polizei Mund-Nasen-Masken verteilt. Als Schwarze Menschen die Regeln nicht einhielten, wurden sie verhaftet. Und dann sahen die Menschen das Video mit der Tötung von George Floyd. Die Demonstrierenden sahen in den aktuellen Ereignissen nur die Spitze eines 500-jährigen rassistischen Systems. Sie fühlten: Sie müssen handeln, sonst ändert sich nichts.
Was hat das mit Deutschland zu tun?
Menschen auf der ganzen Welt haben sich mit den Demonstrierenden in den USA solidarisiert. Auch in Deutschland sind zehntausende Menschen auf die Straße gegangen. Die Botschaft: Auch hier gibt es strukturellen Rassismus. Die Anschläge in Halle und Hanau, der Mord an Lübcke sind erst ein paar Monate her. Das sind schreckliche Verbrechen. Und es sind Symptome eines strukturellen Rassismus.
Rassismus in den USA und Rassismus in Deutschland sind sehr unterschiedlich. Auch Deutschland hat sich im 16. Jahrhundert am Sklavenhandel beteiligt. Das hat Spuren in unserer Gesellschaft hinterlassen.
Auch in Deutschland gibt es rechtswidrige Polizeigewalt. Prof. Dr. Tobias Singelnstein leitet ein Forschungsprojekt, um diese zu untersuchen. In seinem aktuellen Zwischenbericht sagt er, dass die Dunkelziffer hier sehr groß ist. Die meisten Fälle werden nicht zur Anzeige gebracht. Die Bundeszentrale für Politische Bildung und Organisationen wie die Initiative Schwarzer Menschen in Deutschland warnen schon lange vor Racial Profiling in Deutschland. Racial Profiling ist eine polizeiliche Praxis, die Menschen aufgrund äußerer Merkmale zum Ziel von Polizeikontrollen macht. Das ist nicht erlaubt. Diese Form der Diskriminierung ist durch das deutsche Grundgesetz verboten. Dennoch wird von Seiten der Polizei und Justiz wenig dagegen unternommen. Dass es solch ein Problem in Deutschland gibt, hat die UN 2010 in einem Sonderbericht festgestellt.
Wie verläuft die Diskussion in Deutschland?
Viele weiße Politiker*innen denken: Wir haben einen gesellschaftlichen Konsens, dass Rassismus schlecht ist. Aber viele Dinge, die in dieser Diskussion selbstverständlich sein sollten, sind es oft nicht. Die strukturelle Dimension von Rassismus wird zum Beispiel nicht anerkannt. Saskia Esken (SPD) wurde scharf kritisiert, als sie sagte, dass es strukturellen Rassismus in der deutschen Polizei gäbe. Andere Politiker*innen und Vertreter*innen der Polizei sagten, rassistische Gewalttaten seien nur Einzelfälle. Dieses Leugnen von strukturellem Rassismus in der Polizei kritisieren viele Aktivist*innen. Denn dieses Verständnis von Rassismus ist gefährlich. Die Autorin und Anti-Rassismus Trainerin Tupoka Ogette sagt: Rassismus ist eine Denkstruktur, die jeder Mensch in Deutschland gelernt hat. Wir müssen das akzeptieren und nicht mehr von Einzelfällen sprechen.
Es gibt Grund zur Hoffnung. Angela Merkel thematisiert Rassismus von sich aus. In Ihren Aussagen akzeptiert sie teilweise die strukturelle Dimension von Rassismus. Vielleicht sind wir also bald soweit zu sagen: Unsere Polizei hat ein strukturelles Rassismusproblem. Denn nur wenn man ein Problem anerkennt, kann man etwas dagegen tun.
Info zu den Begriffen Schwarz und weiß:
Wir schreiben Schwarz in diesem Artikel groß. Es ist kein Adjektiv und keine Hautfarbe, sondern ein konstruierter Begriff, eine Selbstbezeichnung. Schwarz-sein ist mit der Erfahrung verbunden, auf eine bestimmte Art und Weise wahrgenommen und behandelt zu werden.
weiß wird klein und kursiv geschrieben. Auch das ist ein konstruierter Begriff. Weiß ist keine Selbstbezeichnung. Es meint keine Farbe, sondern die Privilegien, die weiße Menschen haben.