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Alleinerziehend

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Familien sind ganz unterschiedlich. Viele Eltern in Deutschland sind ein Paar, einige davon auch verheiratet. Doch nicht jede Beziehung hält. Viele Kinder wachsen bei einem Elternteil auf. Wenn Eltern getrennt leben, betreut größtenteils ein Elternteil das Kind – oder beide teilen sich die Erziehung auf.

Meine Mutter war alleinerziehend. Das bedeutet, sie hat mit mir allein in einem Haushalt gelebt. Sie war allein für meine Erziehung verantwortlich. Meine Mutter hat immer Vollzeit gearbeitet. Wenn sie gearbeitet hat, war ich bei einer Tagesmutter. Später im Kindergarten, dann in der Schule. Danach wieder bis abends bei der Tagesmutter. Unser Alltag hat gut funktioniert. Außer irgendwas hat nicht so geklappt, wie meine Mutter es geplant hat. Dann war sie gestresst und manchmal überfordert. Ich erinnere mich, dass sie manchmal sehr erschöpft war. Meistens sind wir mit dem Geld gut zurechtgekommen. In den Sommerferien war ich oft drei Wochen mit einer Jugendfreizeit im Urlaub. Ohne meine Mutter, denn sie musste arbeiten. Wir waren zufrieden. Meine Mutter hat gut verdient und musste nur wenig Miete bezahlen. Es waren die 90er Jahre. Meine Mutter sagt, dass unsere Situation nicht die Regel war. Viele Alleinerziehende hatten mehr Probleme. Jetzt bin ich 34 und einige meiner Freund*innen haben Kinder. Ich merke, wie gestresst sie manchmal sind. Obwohl die meisten von ihnen nicht alleine sind. Sie leben in einer Beziehung, manche sind verheiratet. Sie erzählen davon, wie viel es zu organisieren gibt: Arzttermine, Elternsprechtage , Hausaufgaben, der eigene Job und, und, und… Es bleibt wenig Zeit für Freizeit. Das ist schon für Paare sehr anstrengend. Alleinerziehende müssen das meistens alles allein organisieren. Auch eine Freundin von mir ist alleinerziehend. Sie lebt mit ihrem Sohn in Köln. Sie arbeitet Vollzeit. Sie würde aber lieber weniger arbeiten, um ihren Sohn mehr zu sehen.

Fast jedes fünfte Kind in Deutschland lebt bei einem Elternteil

In Deutschland gibt es 8 Millionen Familien mit minderjährigen Kindern. Davon sind ca. 1,5 Millionen alleinerziehend. Also Mütter oder Väter, die allein mit ihren Kindern im Haushalt leben. Von den 13 Millionen Kindern unter 18 Jahren leben inzwischen fast 2,5 Millionen bei einem Elternteil. Also fast jedes 5. Kind. In 9 von 10 Fällen sind die Alleinerziehenden Frauen. Dabei gibt es viele Herausforderungen für alleinerziehende Eltern. Zum Beispiel das Familienleben und den Beruf miteinander zu vereinbaren. Viele haben keine oder wenig Unterstützung durch den anderen Elternteil. Dann ist man auf die Hilfe von Großeltern oder Freund*innen angewiesen. Aber die leben auch nicht immer in der Nähe und haben Zeit. „Manchmal passt meine Nachbarin auf meinen Sohn auf“, erzählt meine Freundin. „Dann treffe ich mich mit Freund*innen oder gehe zum Sport.“

Geld, Zeit, Betreuung der Kinder – das sind Herausforderungen. Aber nicht nur die.

Fast 70 % der Alleinerziehenden mit Kindern unter 18 Jahren sind berufstätig. Viele, die nicht erwerbstätig sind, würden gerne arbeiten. Fast 38 % der Alleinerziehenden mit minderjährigen Kindern benötigen staatliche Leistungen vom JobCenter. Sie und ihre Familien sind besonders armutsgefährdet. Denn die meisten Ausgaben fallen genauso an, wie bei einer Familie mit zwei Elternteilen: Miete, Strom, Internet, Essen etc. Aber es gibt eben nur eine Person, die Geld verdient. Außerdem sind Alleinerziehende meistens weiblich. Und Frauen verdienen meistens weniger Geld als Männer. Man kann also sagen, dass es Alleinerziehenden finanziell fast immer schlechter geht als Familien mit zwei Elternteilen. „Vor allem unerwartete Ausgaben sind oft ein großes Problem“, erzählt meine Freundin. Eine defekte Waschmaschine oder eine Mieterhöhung zum Beispiel. Eine Urlaubsreise können sich viele nicht leisten. Das gilt natürlich nicht nur für Alleinerziehende. Für alle Menschen, die wenig verdienen, sind unerwartete Ausgaben ein Problem.

Der Elternteil, der nicht mit in der Familie lebt, muss Unterhalt für das Kind zahlen.

Die Höhe des Unterhalts richtet sich nach dem Nettoeinkommen des Elternteils, der nicht mit im Haushalt lebt. Das wollen oder können aber nicht alle Elternteile zahlen. Wenn das der Fall ist, kann man Unterhaltsvorschuss beim Jugendamt beantragen. Ein Vollzeitjob ist also meistens nötig, um finanziell zurecht zu kommen. Aber die Arbeits- und Betreuungszeiten sind schwer zu vereinbaren. Die Betreuung durch KiTa und Schule ist oft nur bis nachmittags abgedeckt. Viele Menschen arbeiten aber im Schichtdienst, im Einzelhandel oder können bei einer Vollzeitstelle nicht immer um 16:00 Uhr Feierabend machen. Das ist schon für Paare mit Kindern nicht einfach zu organisieren. Wenn man dann aber niemanden hat, der das Kind von der KiTa abholt – keine*n Partner*in, Großeltern oder Freunde – wird es schwierig. Dazu kommt, dass es generell zu wenig KiTa-Plätze gibt. Wenn das Kind nicht betreut ist, kann eine alleinerziehende Person auch nicht arbeiten. Ein Platz in der KiTa ist nicht überall in Deutschland kostenfrei.

Freizeit, was ist das?

Die Organisation von Arbeit und Betreuung nimmt viel Zeit in Anspruch. Dann möchte man Zeit mit seinem Kind verbringen. Wieviel Zeit bleibt da noch für eigene Interessen? „Nicht viel“, sagt meine Freundin. „Ein*e Babysitter*in kostet Geld. Da lautet meine Frage meistens: Kann ich mein Kind mitbringen?“ Meine Mutter erzählt: „Wenn das Kind älter wird und sich selbst verabredet, bleibt wieder mehr Zeit für die eigenen Interessen.“ Was ist noch schwierig als Alleinerziehende*r? Meine Mutter antwortet: „Alle Entscheidungen alleine zu treffen. Für alles allein die Verantwortung zu tragen, war nicht einfach.“ Meine Freundin antwortet: „Zwei Elternteile in einem sein, das ist schwer. In einem Streit muss ich manchmal streng sein und schimpfen. Im nächsten Moment muss ich mein Kind trösten. Für mich ist es manchmal schwierig, den Schalter umzulegen .“

Eltern fordern mehr Entlastung für Alleinerziehende: mehr

Kitaplätze mit längeren Öffnungszeiten, Mittagessen und Hausaufgabenhilfe in der Schule.

Sozialleistungen wie z. B. das Wohngeld, das Kindergeld oder die Grundsicherung (Hartz 4 / ALG II) sind eine Hilfe für Alleinerziehende und ihre Kinder.

Beratung VAMV Der Verband alleinerziehender Mütter und Väter (VAMV) berät in unterschiedlichen Landesverbänden zu den Themen Trennung und Leistungen für Alleinerziehende. www.vamv.de

Unterhaltsvorschuss

Unterhaltsvorschuss ist eine besondere Hilfe für Kinder unter 18 Jahren von Alleinerziehenden. Alleinerziehende, die für ihr Kind keinen oder nicht regelmäßig Unterhalt erhalten, können Unterhaltsvorschuss beim Jugendamt beantragen: für Kinder von 0 bis 5 Jahren bis zu 165 Euro, für Kinder von 6 bis 11 Jahren bis zu 220 Euro, für Kinder von 12 bis 17 Jahren bis zu 293 Euro.

der Elternteil, -e Vater oder Mutter die Erziehung Sorge für die eigenen Kinder und Unterstützung bei ihrer Entwicklung, bis sie erwachsen sind die Tagesmutter, Tagesmütter Frau, die gegen Bezahlung auf die Kinder berufstätiger Eltern aufpasst erschöpft sehr müde, kraftlos die Jugendfreizeit, -en Ferienangebot für Jugendliche mit verschiedenen Aktivitäten und Betreuung der Elternsprechtag, -e Tag, an dem Eltern in der Schule mit den Lehrer*innen ihrer Kinder über deren Verhalten und Leistungen sprechen können minderjährig jünger als 18 Jahre; Gegenteil: volljährig erwerbstätig berufstätig, eine Arbeit habend armutsgefährdet in Gefahr, in Armut zu leben unerwartet plötzlich, nicht geplant defekt kaputt die Betreuungszeit, -en Uhrzeiten, zu denen Kinder in der KiTa oder Schule sind der Feierabend, -e das Ende des Arbeitstages den Schalter umlegen hier: von einer Rolle in die anderen wechseln; schnell und klar zwischen zwei Dingen trennen können

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