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INSPIRATION - IDEEN - EINBLICKE - ANSTÖSSE - INSPIRATION - IDEEN - EINBLICKE

EXTRAS ✻ 20 BUCHSTICKER ✻ MINIHERBARIUM

Man lernt so viel, wenn man still ist und zuhört. SYLVIA PLATH (1932 –1963)

GEFÜHLE Warum Wartephasen nicht schlimm sind — und uns sogar weiterbringen PORTRÄT Das inspirierende Leben der Surrealistin Leonora Carrington KREATIV Wunderschöne Scherenschnitte

THEMA: ZU VIELE ABLENKUNGEN Duits1716_001-001_Covercard_01.indd 1 10-03-16 11:04



Diese Flow gehรถrt:

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BEGINN LESEN LERNEN Hallo? Hallo! Haaaaaalllooooo!?!? Wollte ich nicht gerade etwas von meiner Tochter, würde ich sie bewundern. Für ihre Gabe, sich zu vertiefen. In ein Buch, eine Geschichte, eine Reise im Kopf. Wenn sie liest, vergisst sie alles um sich herum, hört nichts, sieht

Sinja

niemanden, reagiert nicht. Wann habe ich mich das letzte Mal so in ein Buch vertieft? Wenn ich darüber nachdenke, muss ich mir eingestehen, dass ich im gesamten vergangenen Jahr nicht mal eines fertig gelesen habe. Vier habe ich angefangen. Voller Neugier. Tolle Bücher. Aber irgendwo zwischen Müdigkeit, Handy und

" da wäre noch dies und das zu tun" bin ich ausgestiegen. Ich bedauere das. Denn ich erinnere mich sehr gut an Nächte, in denen ich bis vier Uhr früh gelesen habe. Obwohl ich am nächsten Morgen um acht aufstehen musste. In manchen Wochen habe ich 2000 Seiten durchgeschmökert. Gut, das war nicht immer große Literatur. Aber ich bin an der Geschichte kleben geblieben, war völlig weg und habe dieses Gefühl des totalen Abtauchens sehr genossen. Ich möchte das wieder tun. Nächstes Wochenende bin ich mit meiner Tochter zum Lesen verabredet. Welt, wir sind dann mal weg für ein paar Stunden ... Alles Liebe

ILLUSTRA sinja@flow-magazin.de

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Nummer 17 – 2 25 106 98 Was macht Lena gerade?

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Blumen für immer

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Währenddessen in Birma

Mein Leben ohne dich

Leonora Carrington

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Wunderbare Scherenschnitte

So geht Brot backen

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Porträt: Kristin Neff

DIY: ein Stickkissen


INHALT Seite 19 bis 52

Seite 53 bis 78

Feel connected

Live mindfully

Ein Blick auf die Welt und die Menschen um uns

Leben im Hier und Jetzt

22 SCHÖNE DINGE & IDEEN

56 SCHÖNE DINGE & IDEEN

25 WAS MACHST DU GERADE?

58 ZEITGEIST: SEIN UND HABEN

Das haben wir drei interessante Menschen gefragt: die Reisebloggerin Lena Reckeweg, die Illustratorin Amy Blackwell und den Szenenbildner und Floristen Christian M. Goldbeck

Sozialpsychologe Jens Förster erklärt im Interview, warum Konsum auch gut sein kann – und wie es vielen immer besser gelingt, Haben und Sein geschickt auszubalancieren

32 TROST FINDEN BEI LIEBESKUMMER62 DIE BÜCHER MEINES LEBENS Trennungen sind schmerzhaft, oft leiden wir lange. Warum das auch okay so ist und wie wir damit umgehen können

36 LEBENSLAUF: KRISTIN NEFF Die Psychologin hat das Thema Selbstmitgefühl bekannt gemacht, sie forscht seit Jahren zum freundlichen Umgang mit sich selbst. Uns erzählt sie über ihre Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft

PR-Frau Stella Haffmans verrät uns ihre fünf Lieblinge

66 BLUMEN SAMMELN UND PRESSEN Das Herbarium ist wieder da: Fans erzählen, was so schön ist am Sammeln und Trocknen von Blüten und Blättern

72 SCHREIBEN GEGEN STRESS Managementprofessorin Joyce E. Bono hat herausgefunden, dass das Notieren von schönen Ereignissen Jobstress abbaut

46 AUFBRUCHSTIMMUNG IN MYANMAR Nach Jahren der Unterdrückung ist das asiatische Land im Wandel: Drei Frauen erzählen, wie sie die neue Freiheit nutzen

52 KOLUMNE Merle Wuttke will Menschen offener zeigen, dass sie sie mag

Seite 11 bis 18

ALL DIE SCHÖNEN ABLENKUNGEN

74 DAS GUTE AM WARTEN Wir mögen keinen Leerlauf, reagieren auf Stillstand sofort ungeduldig. Zu Unrecht: Wartephasen erweisen sich im Rückblick oft als sehr wertvoll – und erstaunlich fruchtbar

TITELTHEMA

COVER-I Mails, Anrufe, SMS, Fernseher: Im Alltag bestimmt oft die Technik, worauf wir unsere Aufmerksamkeit lenken. Warum lassen wir das zu? Und wie holen wir uns die Kontrolle darüber zurück, was wir tun? Otje van der Lelij hat recherchiert

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Nummer 17 – 2 Seite 79 bis 112

Seite 113 bis 138

SPOIL YOURSELF

MAKE IT SIMPLE

Zeit für eine kleine Verwöhnpause

Es muss gar nicht so kompliziert sein

82 SCHÖNE DINGE & IDEEN

116 SCHÖNE DINGE & IDEEN

84 SHOPPING IM NETZ

118 ALLES WIRD GUT

Vom Pflanzset bis zur Hängematte: Wir haben Hübsches für den Start in die Balkonsaison für euch zusammengestellt, dazu tolle Sachen in Senfgelb und verführerische Schokoladen

Eine hartgesottene Optimistin denkt über ihre Lebenshaltung nach und wie diese sie im Alltag voranbringt

Die Surrealistin, die in Mexiko zur Ikone wurde, brach mit ihrem großbürgerlichen englischen Elternhaus, um sich der Kunst zu widmen. Wir erzählen aus ihrem inspirierenden Leben

dem auch chaotische Wohnungen übersichtlich werden

124 AUFRÄUMEN AUF DIE EINFACHE ART 92 PORTRÄT: LEONORA CARRINGTON Die Japanerin Marie Kondo erfand ein Ordnungssystem, mit

98 DAS BESTE BROT DER WELT Die Schwedin Malin Elmlid backt Brot. Mit dem reist sie um die Welt und tauscht es gegen Geschichten und Selbstgemachtes. Uns verrät sie ihre Brotbacktipps und Rezepte

128 MEHR ZEIT FÜR DICH SELBST Wie du die findest, hat Ruby Taylor illustriert

130 EIN KISSEN STICKEN Mit einfachem Kreuzstich entsteht im Nu ein farbenfrohes Kissen – wir zeigen dir, wie es geht

106 DIE KUNST DES SCHERENSCHNITTS Wenn aus Papier etwas herausgeschnitten wird, entsteht eine neue, filigrane Welt. Auch für die Künstler selbst ist das oft ein besonderer und überraschender Prozess

SCHÖNES VON FLOW 133 NOCH MEHR VON FLOW

FLOW-EXTRAS

MINI-HERBARIUM * (ZWISCHEN SEITE 70 UND 71) Hübsche Flow-Produkte, die man online bestellen kann 20 BUNTE BUCHSTICKER *(ZWISCHEN SEITE 122 UND 123) 134 SO BEKOMMST DU DEIN FLOW-ABO

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GESICHTER DIESER AUSGABE Alles wird gut Seite

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Flow-Autorin Petra Vollinga (46) lebt mit ihren Söhnen auf einem kleinen Hausboot nördlich von Amsterdam. Für sie der ideale Ort: nicht weit weg vom Trubel der Stadt und mit einem großartigen Blick auf die Natur. Dort arbeitet sie gerade an ihrem ersten Roman. Er handelt, so viel hat Petra uns verraten, von der großen Liebe, an die sie trotz Scheidung noch immer glaubt. Geborene Optimistin? Unbedingt! „Es hat etwas Beruhigendes, fest davon überzeugt zu sein, dass immer alles wieder gut wird“, findet Petra. „In schwierigen Zeiten sage ich mir: Egal was passiert – es geht vorüber. Also nimm ein heißes Bad, geh eine Runde laufen oder kauf dir etwas Schönes. Morgen ist ein neuer Tag.“ Für diese Flow hat Petra über die Vorteile ihrer positiven Lebenshaltung nachgedacht.

Was machst du gerade Seite 25

Neue Orte sind ihr schnell vertraut: In ihrer Kindheit ist Fotografin Sandra Stein 25-mal umgezogen. Alles begann im Alter von sechs Jahren, als ihre Mutter mit ihr nach Spanien auswanderte. Viele weitere Stationen folgten. „Diese Zeit hat mich geprägt. Ich bin sehr neugierig und interessiert. Durch meine Offenheit komme ich schnell mit anderen in Kontakt. Gleichzeitig habe ich gelernt, mit wenig auszukommen und gedanklich ganz an dem Ort zu sein, an dem ich gerade bin.“ Als Fotografin ist sie natürlich auch weiterhin viel unterwegs und sagt: „Es gibt so viel zu sehen auf dieser Welt! Das mit anderen zu teilen ist mein Antrieb.“ Wie passend, dass sie für uns die Reisebloggerin Lena Reckeweg fotografiert hat, der es genauso geht.

IMPRESSUM Verlag und Sitz der Redaktion G+J Living & Food GmbH, Am Baumwall 11, 20459 Hamburg Postanschrift Redaktion Flow, Brieffach 44, 20444 Hamburg, Tel. (040) 370 30 Leserservice leserservice@flow-magazin.de Chefredakteurin Sinja Schütte Redaktionsleitung Tanja Reuschling Redaktion Wiebke A. Kuhn (fr.), Anne Otto (fr.) Art-Direktion & Layout Studio 100%: Frederike Evenblij, Sascha Pijnaker, Annelinde Tempelman, Joyce Zethof Grafik Deutschland Eva-Maria Kowalczyk Mitarbeiter dieser Ausgabe Julia Baier, Caroline Buijs, Lotti Closs, Sarah Erdmann, Angelika Dietrich, Philipp Igumnov, Mariska Jansen, Carola Kleinschmidt, Jocelyn de Kwant, Peggy van der Lee, Otje van der Lelij, Anais Lopez, Peggy Mädler, Ingrid Meurs, Chris Muyres, Minka Nijhuis, Bonnita Postma, Christine Ritzenhoff, Andrea Schwendemann, Nina Siegal, Sandra Stein, Ruby Taylor, Textra Fachübersetzungen, Petra Vollinga, Clementine van Wijngaarden, Merle Wuttke, Renate van der Zee Chefin vom Dienst Petra Boehm Schlussredaktion Silke Schlichting (fr.) Bildredaktion Dani Kreisl (fr.) Redaktion Online Anja Strohm (Ltg.), Katja Evers (fr.) Verlagsgeschäftsführer Soheil Dastyari Publisher Living Matthias Frei Director Brand Solutions/verantwortlich für den Anzeigenteil Nicole Schostak, G+J Media Sales, Am Baumwall 11, 20459 Hamburg Vertriebsleiterin Ulrike Klemmer, DPV Deutscher Pressevertrieb GmbH Marketingleiterin Ulrike Schönborn PR/Kommunikation Mandy Rußmann Herstellung Heiko Belitz (Ltg.), Michael Rakowski Verantwortlich für den redaktionellen Inhalt Sinja Schütte, Am Baumwall 11, 20459 Hamburg Druck RR Donnelley Europe sp. z o.o., ul. Obroncow Modlina 11, 30-733 Krakau, Polen ABO-SERVICE www.flow-magazin.de/abo, Tel. (040) 55 55 78 09, Flow-Kundenservice, 20080 Hamburg Jahresabo-Preise Deutschland 55,60 Euro inkl. MwSt. und frei Haus, Österreich 64 Euro und Schweiz 96 sfr Lizenznehmer von Sanoma Media Netherlands B. V. © Copyright 2016: FLOW is a registered trademark. This edition of FLOW is published under license from Sanoma Netherlands B. V.

Interview Kristin Neff Seite

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Autorin Clementine van Wijngaarden (45) lebt und arbeitet in Amsterdam. Für diese Ausgabe hat sie mit der Psychologin Kristin Neff über ihre Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft gesprochen. Es fasziniert sie, so tief in den Lebenslauf eines Menschen einzutauchen, seine ganze Geschichte zu erzählen. Besonders in diesem Fall, denn die Bücher der Wissenschaftlerin von der Universität Texas kannte Clementine schon vor dem Interviewtermin – aus einer Phase, in der sie sich intensiv mit dem Thema Selbstmitgefühl beschäftigt hatte, zu dem Kristin Neff forscht. „Ich habe nach wie vor kein pauschales Rezept gegen selbstkritische Gedanken gefunden. Aber heute bemerke ich, wenn sie in meinem Kopf kreisen, und das genügt mir. Ich versuche dann zu lächeln und sage mir: Du bist nicht deine Gedanken.“

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Nachdruck, Aufnahme in Online-Dienste und Internet und Vervielfältigung auf Datenträger wie CD-ROM, DVD-ROM etc. nur nach vorheriger schriftlicher Zustimmung der Redaktion. Entwürfe und Pläne unterliegen dem Schutze des Urheberrechts. Alle Auskünfte, Preise, Maße, Farben und Bezugsquellen ohne Gewähr. Manuskripten und Fotos bitte Rückporto beifügen. Für unverlangte Einsendungen keine Gewähr. ISSN 2198-5588

FLOW MAGAZINE INTERNATIONAL Creative Directors Astrid van der Hulst, Irene Smit Brand Director Joyce Nieuwenhuijs (for licensing and syndication: joyce.nieuwenhuijs@sanoma.com) Brand Manager Karin de Lange, Jessica Kleijnen International Coordinator Eugénie Bersée International Assistant Marjolijn Polman Supply Chain Management Gert Tuinsma Flow Magazine is published by Sanoma Media Netherlands B. V. Registered Office Capellalaan 65, 2132 JL Hoofddorp, Netherlands; 0031 (0)88 5564 930


ALL DIE SCHÖNEN

ABLENKUNGEN

Mails, Anrufe, SMS, Fernseher: Im Alltag bestimmt mittlerweile häufig die Technik, worauf wir unsere Aufmerksamkeit lenken. Warum lassen wir das zu? Und wie holen wir uns die Kontrolle darüber zurück, was wir tun und womit wir uns beschäftigen? Otje van der Lelij hat recherchiert

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„Guck mal, Mama!“, ruft mir meine Tochter vom Spielplatz zu. Doch ich bin in einen WhatsApp-Chat vertieft und verpasse ihre fröhliche Rutschpartie. Beschämt stecke ich mein Smartphone weg. Wie oft habe ich das Ding schon verflucht. Trotzdem klebe ich an meinem freien Tag mit den Kindern wieder daran, obwohl es mich glücklicher macht, wenn ich mich ganz meinen spielenden Töchtern und dem Sonnenschein widme. Auch auf dem Weg nach Hause sehe ich überall Leute, die auf Displays starren – während sie die Straße überqueren, vor Cafés sitzen, an der Haltestelle warten. Alle sind isoliert, keiner nimmt mit anderen Kontakt auf. Das virtuelle Leben scheint jedem wichtiger zu sein als das echte. Und offenbar ziehen wir Einzeiler heute ausführlichen Gesprächen vor, füllen die ruhigen Momente gern mit rasanten Handyspielen. Oder wir folgen unseren vielen Freunden auf Facebook oder Twitter – die ebenfalls alle an ihren Geräten hängen. Die Flut an digitalen Reizen fordert ständig unsere Aufmerksamkeit. Doch was machen all die Ablenkungen mit uns? Ist unser Gehirn so vielen Informationen gewachsen? Schwimmt es locker mit auf dem Strom von Bits und Bytes? NUR DREI MINUTEN

Dass wir immer häufiger abgelenkt sind, bestätigt Larry Rosen, Psychologe an der California State University. Schon vor einigen Jahren führte er dazu eine Untersuchung durch. Mit verschiedenen selbst konstruierten Geräten beobachteten er und sein Team 300 Studierende je eine Viertelstunde lang in ihrem Umfeld, während diese sich mit einem wichtigen Thema beschäftigten. Die Forscher

interessierten sich vor allem dafür, ob sich die Versuchspersonen auf die Aufgabe konzentrieren konnten, und wenn nicht, wodurch sie abgelenkt wurden. Jede Minute wurde erfasst. Blieben sie dabei? Sahen sie fern? Surften sie im Internet oder spielten sie mit dem Handy? Die Ergebnisse waren beunruhigend. So konnten sich die Versuchsteilnehmer im Schnitt nur drei Minuten auf ihre Aufgabe konzentrieren und ließen sich ständig von der Technik ablenken, hauptsächlich von ihren Smartphones. Und diejenigen, die sich im Experiment besonders schnell und häufig ablenken ließen, hatten nachweislich schlechtere Noten. Die Studierenden sollten außerdem selbst beschreiben, wie sie das Piepen von eingehenden Nachrichten ablenkte. Viele schilderten, dass es ihnen nicht möglich wäre, einen Signalton zu ignorieren – sie müssten immer sofort nachsehen, was los ist. Sogar wenn die Geräte stumm blieben, dachten viele ständig an die Nebenschauplätze im Netz, machten sich beispielsweise Gedanken darüber, ob jemand schon auf ihren Facebook-Post reagiert oder die letzte Textnachricht gelesen hatte.

DIE WEISSEN FELSEN, “ DAS SONNENLICHT UND DAS MEER: ALLES VERSCHWAMM. ICH WURDE VOLLSTÄNDIG VON MEINEM KLINGELNDEN HANDY ABGELENKT“

GIERIG NACH NEUEM

Damon Young findet das Thema Ablenkung für die heutige Zeit so bestimmend, dass er ein Buch darüber geschrieben hat. In Distraction, das es leider nur auf Englisch gibt, schreibt der australische Philosoph: „Als ich Vater wurde, viel weniger schlief und plötzlich wesentlich weniger Zeit für mich hatte, wurde ich mir der Auswirkungen von Ablenkung noch mal neu bewusst. Die Zeit und die Energie, die ich für mich hatte, wollte ich so sinnvoll wie möglich nutzen und meine Aufmerksamkeit nicht

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NACH EINER UNTERBRECHUNG VON 30 SEKUNDEN BRAUCHT DAS GEHIRN ZWEI MINUTEN, UM WIEDER DIE VOLLE KONZENTRATION ZU ERREICHEN“

mit unwichtigen Dingen vergeuden. Was mir als Vater klar wurde, kann man auch in einen philosophischen Kontext bringen: Wir leben nicht ewig, und es gibt keine einfache Anleitung, wie wir unser Leben führen sollten. In den paar Jahrzehnten, die wir auf Erden haben, müssen wir eigene Ideale für unser Leben entdecken und umsetzen. So entstand die Idee für das Buch, weil Ablenkung uns ja von den Dingen wegführt, die am Ende zählen.“ Oder, wie er es treffend im Buch beschreibt: „Blackberry im Schlafzimmer, Handygespräche auf dem Klo, WLAN im Café – so funktioniert Ablenkung im 21. Jahrhundert. Wir können den wichtigen Dingen keine Aufmerksamkeit mehr schenken, weil wir im Bann der mysteriösen Anziehungskraft von Maschinen stehen.“ Und nicht mal im Urlaub ist man vor ihnen gefeit. Young: „Vor einigen Jahren war ich mit meiner Frau in Griechenland. Wir besuchten das wunderbare Ithaka, die mythische Insel des Odysseus. Dort fuhren wir in ein kleines Bergdorf und genossen ein Mittagessen mit Trauben und frisch gebackenem Brot. Danach stiegen wir den Berg wieder hinunter zu einer atemberaubenden Bucht. Die Landschaft war idyllisch, nahezu poetisch. Plötzlich klingelte mein Handy. Die weißen Felsen, die Kräuter, 14

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das Sonnenlicht und das Meer: Alles verschwamm. Ich wurde vollständig von meiner Mutter abgelenkt, die mich aus Australien anrief.“ Young hätte sein Handy im Hotel lassen oder ausschalten können. Aber er hat es nicht getan und aus einem Reflex heraus den Anruf angenommen. „Es war, als sei ich darauf konditioniert, mich zu melden, sobald ich den Klingelton hörte. Schlimmer noch: Ich brauchte das Ding; ich sehnte mich nach den kleinen Nachrichten und Überraschungen. Es war wie eine unwiderstehliche Droge.“ Was Damon Young erzählt, kommt mir bekannt vor. Auch ich habe oft das Gefühl, dass mich mein Smartphone im Griff hat. Ob ich arbeite oder Klavier spiele – sobald ich einen Signalton höre, ist meine Konzentration weg und ich muss nachsehen, wer mir eine SMS oder E-Mail geschrieben hat. STUNDENWEISE OFFLINE

Neuropsychologe Theo Compernolle hat erforscht, warum wir uns so leicht ablenken lassen. „Technische Spielereien ziehen einfach unsere Aufmerksamkeit auf sich. Wenn man diesem Impuls ständig nachgibt, lässt man sich zu sehr vom ältesten Teil des Gehirns, dem Hirnstamm, beeinflussen.“ Dieser verarbeitet eingehende Reize und reagiert laut Compernolle empfindlich auf sinnliche Veränderungen wie Lichter,

Bilder und Geräusche – die von technischen Geräten ja häufig ausgehen. „Der Hirnstamm arbeitet schnell, weckt Aufmerksamkeit in Bruchteilen von Sekunden, bevor man bewusst darüber nachgedacht hat. Für unsere Vorfahren in der Savanne war das blitzschnelle Reagieren wichtig fürs Überleben. Aber heute ist es ein Nachteil, wenn man ständig abgelenkt wird. Wir brauchen in Job und Alltag eher die Fähigkeiten des Großhirns, das reflektiert, auswählt, bewertet. Es kann seine Arbeit jedoch oft nicht mehr tun, weil der Hirnstamm alle Aufmerksamkeit absorbiert.“ Das Großhirn, mit dem wir analysieren und kreativ nachdenken, gerät im ständigen Strom aufdringlichen Piepens immer mehr ins Hintertreffen. Das kennt fast jeder. Man konzentriert sich voll auf eine Arbeit, und plötzlich piept das Handy. Laut Compernolle hat das großen Einfluss auf die Konzentration. „Unser reflektierendes Hirnareal kann sich nicht auf zwei Aufgaben gleichzeitig einlassen. Beantwortet man etwa SMS während der Arbeit, schaltet man ständig zwischen zwei Aufgaben hin und her.“ Man könnte nun denken, das mache das Leben abwechslungsreicher. Doch wir zahlen dafür einen Preis. „Nach jeder Unterbrechung, und wenn sie auch nur 30 Sekunden dauert, braucht das Gehirn zwei Mi-


nuten, um wieder in den vorherigen Konzentrations zustand zu kommen. Allein das Signal einer eingehenden Mail stört für anderthalb Minuten die Konzentration. Sogar wenn man die Nachricht gar nicht liest.“ Es ist sonnenklar: Die vielen Ablenkungen machen uns ineffizient. Um zu verhindern, dass der Hirnstamm ständig dominanter ist als das Großhirn, müsste man sich aktiv gegen die technischen Ablenkungen wappnen. Compernolle rät, regelmäßig offline zu gehen: „Mit Studien konnte belegt werden, dass man an den Tagen, an denen man zwischendurch eine freie Stunde einplant, bessere Leistungen bringt als an Tagen ohne Ruhepausen. Die beste Zeit, offline zu gehen, ist die, in der man am klarsten denken kann. Für die meisten Menschen ist das am Vormittag der Fall. Doch egal welche Zeit für einen persönlich die beste ist, man sollte sie für heilig erklären. So lässt sich der Schwung nutzen, um die Denkarbeit für den Tag zu erledigen. Oder wie ich so oft sage: disconnect to reflect!“

holen, während des Mittagessens, auf dem Weg zum Parkplatz. Wir betrachten diese Momente oft als verlorene Zeit, doch sie sind wichtig. Es sind notwendige Gehirnpausen. In dem Moment, in dem wir nichts tun oder nur ein wenig plaudern, ver arbeiten wir Informationen.“ Ich finde diese Erkenntnis wichtig. Denn auch ich greife in jedem „verlorenen“ Moment zum Smartphone, um Mails zu checken. Schlimmer noch: Ich bilde mir sogar ein, effizient zu sein. Doch das Gegenteil ist der Fall, denn ich behindere mein Gehirn gerade bei seiner Arbeit. Jetzt, da ich das weiß, fällt es mir wesentlich leichter, ohne Schuldgefühle mal einen Moment nichts zu tun.

LEERLAUF GEHÖRT DAZU

Auch unser Langzeitgedächtnis wird in einer Welt voller Ablenkungen an seiner Arbeit gehindert. Die für das Erinnern und Abspeichern zuständigen Gehirnareale empfangen alle Sinnes-Informationen des Hirnstamms. Dann entscheiden sie, was gelöscht wird und was im Gedächtnis bleibt. Dieses Sortieren und Speichern kann das Gehirn am besten im Ruhezustand leisten. Heute greifen wir in einem ruhigen Moment aber sofort nach dem Smartphone. Compernolle: „Schon die kleinsten Pausen werden dazu genutzt. Die Leute kleben an ihrem Handy, wenn sie sich Kaffee

REDEN OHNE UNTERBRECHUNG

Das alles gilt nicht nur für die Arbeit. Auch in Situationen, in denen wir uns mit Freunden im Café treffen oder in einer Runde von Bekannten auf einer Party sitzen, ziehen viele immer wieder das Smartphone aus der Tasche, chatten mit anderen Freunden – egal ob diese sich drei Straßen weiter auf einer anderen Party aufhalten oder in Mexiko. So bringen wir uns auch im direkten Kontakt mit anderen oft um ein gewisses Maß an Konzentration. Dann brechen Gespräche, die gerade spannend werden, einfach ab, weil man sich kurz zur

EINFACH DRANBLEIBEN Anregungen vom Neuropsychologen Theo Compernolle, wie wir es besser schaffen, bei der Sache zu bleiben ✻ MIT DER SCHWIERIGEN ARBEIT ANFANGEN Am Morgen funktioniert das Gehirn am besten. Verschwende deine Zeit nicht mit Surfen im Internet oder dem Beantworten von Mails, sondern erledige Arbeiten, bei denen du nachdenken musst. ✻ IN BLÖCKEN ARBEITEN 30 Minuten nonstop an einer Sache zu arbeiten ist zehnmal so effizient wie zehn Phasen von drei Minuten an unterschiedlichen Aufgaben. Sammle Mails und anderen Kleinkram und bearbeite alles in einem Block. ✻ ALARMSIGNALE AUSMACHEN Schalte das Handy aus (auch nicht auf Vibration). Benutze notfalls — etwa im lauten Büro — Ohrstöpsel. ✻ DEM GEHIRN PAUSEN GÖNNEN Sobald die Konzentration nachlässt, kannst du ruhig eine Runde um den Block gehen oder mit Kollegen plaudern. Ein normaler Konzentrationszyklus dauert etwa 45 Minuten. Geh in diesen Pausen offline, sodass dein Gehirn die wichtigen Informationen speichern kann.

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ES GEHT DARUM, NICHT DIE TECHNIK BESTIMMEN ZU LASSEN, WORAUF WIR UNS KONZENTRIEREN — SONDERN EIGENE ENTSCHEIDUNGEN ZU TREFFEN


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IN DEN MOMENTEN, IN DENEN WIR MAL NICHTS TUN ODER NUR EIN WENIG PLAUDERN, VERARBEITEN WIR INFORMATIONEN UND

Seite dreht, um eine Nachricht zu checken. Oder man kommt erst gar nicht auf die Themen, die einen wirklich beschäftigen, weil es zu viele Smartphone-Unterbrechungen gibt. Die Intensität von Begegnungen wird durch ablenkende Technik geschwächt. Die Bonner Medientheoretikerin Sabria David, die auf der Website slow-media.net zum Umgang mit dem digitalen Wandel bloggt, zitiert dazu den Philosophen Theodor Adorno: „Fast könnte man sagen, dass vom Tempo, der Geduld und Ausdauer des Verweilens beim Einzelnen Wahrheit selbst abhängt.“ Wenn wir das wissen, so David, fällt es uns leichter, in Gesprächen und bei Treffen, die uns wirklich wichtig sind, die Smartphones auch mal beiseitezulegen.

KOMMEN AUF DIE FLUCHT VOR DER STILLE

KREATIVSTEN IDEEN“

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Philosoph Damon Young glaubt, dass an all der Ablenkung nicht nur die Technik schuld ist, denn wir geben ihr nur allzu gern nach. Oder, wie er schreibt: „Wir wollen nichts lieber als das Gedudel des iPods oder die falsche Spontaneität des Surfens im Netz.“ Young führt diese Begeisterung auf unsere Aversion zurück, der Realität

ins Auge zu blicken – schließlich kann das Leben ziemlich schmerzhaft und peinlich sein. Davon wenden wir lieber den Blick ab und lassen uns stattdessen von weitergeleiteten Witzen und Filmchen unterhalten. Young zitiert dazu Friedrich Nietzsche: „Wenn wir in Stille allein sind, fürchten wir, uns würde etwas ins Ohr geraunt.“ Dieses „Etwas“ ist das stete, nagende Bewusstsein, dass es noch andere Realitäten gibt, die wir anerkennen, Entscheidungen, die wir treffen müssen. Und dass die Zeit dafür immer knapper wird. Sobald WLAN verfügbar ist, verlieren wir solche Gewissensnot bereitwillig aus den Augen. Sollten wir also auf technische Geräte verzichten? „Natürlich nicht“, sagt Young. „Computer sind nützlich. Wir können uns der Technik auch gar nicht entledigen, aber wir können ihr Grenzen setzen.“ Die Kunst bestehe darin, nicht die Technik bestimmen zu lassen, worauf man seine Konzentration richtet, sondern eigene Entscheidungen zu treffen. Darum bemühe ich mich jetzt aktiv: Der Rat Compernolles – „Gehe morgens offline und erledige die wichtigsten Aufgaben“ – erweist sich für mich als hilfreich. Während ich abends ewig über einem Absatz brüte, habe ich ihn morgens ruck, zuck zu Papier gebracht. Ich schalte also mein Handy aus und lese meine Mails erst mittags. Es funktioniert. Schwerer fällt es mir, mich in der übrigen Zeit nicht von Facebook oder schlechten Websites einfangen zu lassen. Immer wieder lande ich dort. Aber ich arbeite daran, versuche es weiter. Und der Aufwand lohnt sich. Weniger Ablenkung bedeutet, mehr Freiheit für die wirklich wichtigen Dinge zu haben. Und dafür lebt man doch schließlich. ●

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FEEL CONNECTED


Auf den Auftaktseiten dieser Ausgabe siehst du neben zauberhaften Vintage-Einrichtungen an den Wänden die farbenfrohen Tapeten des Herstellers Rice. In erster Linie bekannt für bunt gemustertes Geschirr und knalligverspielte Küchen- und Wohnaccessoires, hat die dänische Firma nun gemeinsam mit dem holländischen Unternehmen Eijffinger eine Tapetenkollektion entworfen. Erhältlich ist sie zum Beispiel hier: geliebtes-zuhause.de

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„Wer einmal die Welt der Illustratorin Philippa Rice betreten hat, möchte sie nie wieder verlassen“, schrieb eine Kritikerin des britischen Telegraph über die Arbeiten der in Bristol lebenden Künstlerin. Das sehen wir ganz genauso. Mehr zu sehen gibt es hier: philippajrice.com

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Feel connected Ein Blick auf die Welt und die Menschen um uns

Gefühlvoll Kochen verbindet Mit Kollegen mittags essen zu gehen ist gut. Mit ihnen zu kochen ist noch besser. Denn wer gemeinsam die Kräuter fürs Süppchen hackt, hält auch im Job zusammen. Das fanden Forscher der Cornell University heraus. Sie befragten Feuerwehrmänner, die gemeinsam ihr Mittagessen kochen. Sie arbeiteten nicht nur besonders kameradschaftlich zusammen – sondern auch viel effektiver.

Die Liebe wird überall gefeiert, da ist man sich global einig. Doch beim Wie gehen die Geschmäcker auseinander: In Wales schenkt man Brautpaaren einen geschnitzten Liebeslöffel, in Japan werden schon mal Lollis in Phallusform gelutscht. Alle möglichen solcher Rituale haben Autorin Michaela Vieser und Illustratorin Irmela Schautz in ihrem Buch gesammelt. Für immer und jetzt: Wie man hier und anderswo die Liebe feiert (Kunstmann, 18 Euro)

Gutes fürs Handgelenk Ob ernst gemeint oder mit einem Augenzwinkern, so ein Kettchen mit dem Schriftzug „Mon Coeur“ ist ein nettes Geschenk. Das Besondere an dem Armband aus Swarovski-Glasperlen mit Perlmuttherz: 90 Prozent des Erlöses bekommen diejenigen, die es aufgefädelt haben, Familien aus südafrikanischen Townships und Flüchtlinge, die in Hamburg leben. Der Rest fließt in die Schulbildung afrikanischer Kinder. Die 10 Euro pro Band sind also herzensgut angelegt: moncoeur-boutique.de

Ich will neben dir sitzen Du bist allein unterwegs und suchst nette Gesellschaft? Da hilft der „Social Seating“-Service, den Airlines wie KLM („Meet & Seat“) und Air Baltic („Seat Buddy“) bieten. Man sucht sich via Facebook einen sympathischen Mitflieger aus und wird neben ihm eingecheckt. Wer die Bahn nimmt, kann über die App Lokin mit anderen Reisenden chatten – um sich ein Ladekabel zu leihen, sich am Zielort ein Taxi zu teilen oder einfach zu plaudern.

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Feel

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Lieber Ozean … Wer sind die Leute, die Flaschenpost verschicken? Oliver Lück (lueckundlocke.de) hat sie für seine Flaschenpostgeschichten (rororo, 9,99 Euro) aufgespürt

Wie zwei die Welt sehen Kate Berry ist Fotografin, mag besonderes Licht und wohnt in London. Und dann gibt es da noch eine Kate Berry, ebenfalls Fotografin, die auch gern Lichtstimmungen aufs Bild bannt, aber am anderen Ende der Welt lebt – in Victoria, Australien. Kaum zu glauben, aber die beiden haben sich im Internet gefunden. Seither posten sie auf theotherkateberry.com Bilder aus ihrem täglichen Leben und schreiben dazu, wann und wo sie sie aufgenommen haben. Das Bezaubernde daran: zu sehen, wie ähnlich und zugleich verschieden ihr Blick auf die Welt oft ist – und wie es beiden immer wieder gelingt, die besondere Poesie des Alltags ans Licht zu bringen.

Wie kamst du auf die Idee? Als ich durch Lettland reiste, entdeckte ich einen mit Treibgut geschmückten Garten. Dort wohnte Biruta, die 35 Briefe am Strand gefunden, aber nie beantwortet hatte. Das tat ich dann. Wen hast du zuerst erreicht? Einen Rügener, der bis zu fünf Flaschen die Woche verschickt. Durch ihn lernte ich einen Leuchtturmwärter auf Bornholm kennen, der seine Funde seit DDR-Zeiten abheftet. Ich las 300 Briefe, sprach mit 100 Schreibern und Findern. Was hat dich am meisten fasziniert? Dass sich die Post wie ein roter Faden durch die Ostsee zieht, die Menschen verbindet. Eine Art der Kommunikation, die völlig aus der Welt gefallen zu sein scheint. Gibt es typische Flaschenpostschreiber? Nein, es sind etwa zur Hälfte Kinder, für die es ein Abenteuer ist. Erwachsene wollen vor allem gucken, wie weit ihr Brief treibt, oder sich etwas von der Seele schreiben. So wie Kristofer Flensmarck, der 1999 einen Wunsch ins Meer warf: Er wollte Schriftsteller werden. Als ich ihn traf, lebte er in Malmö – als bekannter Autor.

Tabak & Papier Anfang des 20. Jahrhunderts setzte man alles auf eine Karte. Genauer: Tabakfirmen taten das. Um ihre labbrigen Zigarettenpackungen stabiler zu machen, steckten sie feste Pappen hinein, die bunt bedruckt waren – mit Blumen, Filmstars, Landschaften, Tieren. Eine tolle Sammlung dieser hübschen „Beileger“ hat die New York Public Library – über digitalcollections.nypl.org kannst du sie dir herunterladen (Stichwort: „cigarette cards“).

TEXT Proben im Netz

Trompeter aus Memphis trifft Sängerin aus Berlin – und zwar auf ejamming.com. Das ist eine Art virtueller Übungsraum, in dem Musiker weltweit zusammen spielen, in Echtzeit und synchronisiert. So funktioniert auch das Pendant promusiccreator.com. Mehr noch: Man kann dort seiner „Band“ sogar eine Website, eine Fanbase und einen Platz auf Spotify einrichten.

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WAS machst du

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,?H;■2?=E?Q?A 30 Jahre lebt in Düsseldorf mit Freund Reisebloggerin reis-aus.com Was machst du gerade? Ich habe einen Reise-Duden geschrieben, der inspiriert und Fernweh weckt. Allerdings wollen meine Kolleginnen, die das Layout machen, und ich kein Geld damit verdienen, sondern andere dazu animieren, den Reichtum des Reisens zu entdecken. Den Gewinn des Buches spenden wir an soziale Projekte, die aus der Welt einen reisenswerteren Ort machen. Damit das Buch gedruckt werden kann, brauchen wir noch Unterstützung. Gerade sind wir dabei, über Crowdfunding Geld zu sammeln. Du hast drei Mal deine Jobs bei Werbeagenturen gekündigt, um Reißaus zu nehmen. Warum? Weil Erlebnisse mir mehr wert sind als Geld. Und: Es hat sich für mich immer gelohnt, ungewöhnliche Wege zu gehen, statt an meinem Lebenslauf zu feilen oder mir ein finanzielles Polster anzulegen. Denn was ich unterwegs gelernt habe, sind die grundlegenden Dinge dieser Welt.

Was denn zum Beispiel? Reisen bringt uns anderen Menschen näher. Ich wurde oft positiv überrascht von den Leuten, die ich getroffen habe. Auf Reisen habe ich gelernt, dass ich mit jedem Menschen ins Gespräch kommen, eine Basis finden kann. Egal wie verschieden man ist. Besonders das Alleine-Reisen hat mich geprägt. Da war die Hilfsbereitschaft der Fremden am größten. Mit manchen dieser Reisebekanntschaften bin ich bis heute befreundet. Welche Reiseerlebnisse sind unvergesslich? Eine Erfahrung eint all meine Reisen – ich nenne es gern den Reisezustand – irgendwann entsteht ein Gefühl absoluter Zufriedenheit und Gelassenheit. Kleine Probleme lösen sich oft von selbst. Und ich kann jeden Moment total intensiv erleben, habe plötzlich ein geschärftes Auge für die schönen Landschaften und ein Ohr für Klänge. Die einzige Befürchtung, die ich dann noch habe: dass ich vom Dauergrinsen vielleicht Lachfalten bekomme. Von dieser Aufmerksamkeit und Leichtigkeit nehme ich viel mit in meinen Alltag. 1

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1. Die Federn und Flügel von Schmetterlingen stammen aus der ganzen Welt – von Australien bis Sansibar 2. Eine bunte Palette Reiselektüre 3. Der Dummy von Lenas Reise-Duden 4. Der Teppich ist ein Souvenir von einem Bauernmarkt in Guatemala

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)=B■<CH■OGA?<?H■PIH■ l■ F;ON?L■MN;LE?H■&L;O?H■ ;O@A?Q;=BM?H l 1. So sieht es aus, wenn Amy sich in Mustern verliert 2. Lynn, das Mädchen mit der Taube, und einige andere starke Frauen gibt es inzwischen auch als Poster. Und zwar hier: audreyandillya.com 3. Ein Bild aus Amys Skizzenbuch

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!GS■"F;=EQ?FF 31 Jahre Künstlerin, Illustratorin Nottingham, Großbritannien amyblackwell.co.uk Was machst du gerade? Ich zeichne Frauenporträts für mein Projekt Powerful Women. Angefangen habe mit einer Reihe, die ich Falsche Tudor-Porträts genannt habe – starke Frauen in knalligen Farben und Formen. Die Bilder entstammen aber ausschließlich meiner Fantasie. Ich mag es sehr, Menschen zu malen. Besonders wenn man gerade etwas unkreativ ist und keine Ideen hat – ich finde, Menschen gehen immer. Inzwischen läuft das etwas aus dem Ruder, ich male noch mehr Muster, mit noch mehr Farben – völlig verrückt, aber ich mag meine Frauen wirklich sehr. Und sie lassen dich nicht los, deine starken Frauen … Nein, ich entwickle die Idee immer weiter. Die ersten Bilder habe ich noch in DIN-A4-Größe gemalt. Mittlerweile werden sie immer größer. Ich bin jetzt bei etwa einem Meter Höhe. Das ist meine ganz persönliche Herausforderung, um aus meiner Komfortzone herauszukommen.

Machst du das nur für dich, oder hast du Pläne für die Frauen? Am liebsten würde ich sie ausstellen. Immerhin haben sie es jetzt schon auf das Cover der Flow geschafft und sind auch als Poster zu haben. Ich horte aber auch noch jede Menge Frauen bei mir, die noch gar nicht fertig sind. Manchmal verliere ich mich total in der Kleidung oder in den Mustern, sodass ich völlig vergesse, ihnen Gesichter zu malen … Ich bin also umgeben von lauter merkwürdigen, gesichtslosen Figuren! Was ist deine Definition einer starken Frau? Meine Mutter ist eine starke Frau. Sie ist ebenfalls Künstlerin und war Teil der sogenannten Women-for-Lifeon-Earth-Bewegung, die Anfang der 80er-Jahre auf einem britischen Militärflugplatz ein Friedenscamp errichteten, um gegen Atomkraft zu protestieren. Ich bin umgeben von lauter inspirierenden, starken und kreativen Frauen aufgewachsen, die schon immer getan haben, was sie wollten, und das auch mit der ganzen Welt geteilt haben. Das inspiriert mich bis heute am allermeisten.


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#BLCMNC;H■-o■'IF><?=E 42 Jahre Berlin Szenenbildner, betreibt mit Innenrequisiteurin und Floristin Lilli Erasin einen Blumenladen blumen-goldbeck.de Was machst du gerade? Die frischen Blumen müssen gleich angeschnitten, in Vasen verteilt und im Laden dekoriert werden. Sonst habe ich heute schon ein langes Gespräch über das neue Drehbuch der Regisseurin Feo Aladag geführt – ich bin ja auch Szenenbildner. Und das mit Erfolg, du arbeitest mit namhaften Regisseuren. Wieso noch ein Blumenladen? Es war und ist ein Lebenstraum. Schon als Jugendlicher haben mich Blumenläden magisch angezogen. Wenn ich auf Reisen war, habe ich in Städten immer nach den schönsten gesucht, mich dort stundenlang umgeschaut und bin dabei zur Ruhe gekommen. Das ist heute noch so. Das Filmgeschäft ist eine schnelle Branche, aber egal, wie stressig es wird: Die Arbeit im Blumenladen ist meine Art der Meditation.

Kannst du das genauer erklären? Als Szenenbildner ist vor allem mein Kopf, als Florist sind meine Hände gefragt. Dieses manuelle Arbeiten finde ich ungemein wichtig, es erdet mich. Außerdem bin ich ein visueller Mensch, und Blumen sind einfach schön, allein schon, was das Farbspektrum angeht. Sie stehen für Lebensfreude, die Leute gehen immer mit einem Strahlen aus dem Laden. Und wenn man einen guten Film macht, dann gehen die Leute auch mit einem Strahlen aus dem Kino. Wie hat die Filmbranche auf den Blumenladen reagiert? Die Kollegen finden es wunderbar, dass Lilli und ich nun auch Blumenhändler sind. Filme brauchen Blumen, und wir kennen die Anforderungen. Wir wissen, wie historische Bindungen aussehen oder wie sich Blumen im Raum verhalten. Umgekehrt ist der Laden auch eine Art Livefilm im Alltag. Jeder, der hier hereinkommt, soll sich wohlfühlen. Wir nehmen uns Zeit, erzählen Geschichten oder lassen uns Geschichten erzählen. ●


1. Wohltuende Handarbeit: Frische Blumen anschneiden, auf Vasen verteilen 2. Der Blumenladen liegt im Berliner Stadtteil Wedding – dort, wo Christian auch wohnt. Viele Kunden sind Nachbarn 3. Wenn man vom Film kommt, dürfen die Blumengebinde auch ruhig mal etwas theatralisch ausfallen

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Beziehung

Das Leben

OHNE DICH Was ist eigentlich Liebeskummer? Warum tut er so weh? Und ist er eigentlich so furchtbar, wie wir denken? Mariska Jansen suchte nach Antworten bei Experten und in Beispielen aus der Literatur

Als ich 22 war, eröffnete mir mein damaliger Freund, er wolle unsere Beziehung beenden und lieber „frei sein“. Wir waren schon zwei Jahre zusammen, ich war mit ihm glücklich und ziemlich verliebt. Natürlich hatte ich gemerkt, dass er sich mir in den Monaten davor mehr und mehr entzogen hatte. Einige Male hatte er kurzfristig abgesagt. Und hatte klargestellt, dass er im Sommer nicht mit mir in den Urlaub fahren könne, da er kein Geld fürs Reisen habe. Dennoch war ich geschockt, als er klipp und klar Schluss machte. Mein Leben war danach nicht mehr dasselbe. Ich igelte mich in meinem Zimmer ein, hörte wahlweise düstere oder melancholische Musik und grübelte darüber nach, was er in den letzten Gesprächen gesagt und getan hatte und wie ich ihn wieder zurückgewinnen könnte. Außerdem hatte ich die ganze Zeit Bauchschmerzen, aß kaum etwas. Für mich war es ein schwerer Fall von Liebeskummer, der erste, den ich so extrem erlebte und der mir wie eine Krankheit vorkam. VERZWEIFELTE SEHNSUCHT Liebeskummer bedeutet, dass man den Partner und damit den Boden unter den Füßen verloren hat. „Die Betroffenen haben kein Ziel mehr vor Augen, nachdem die Träume von einer gemeinsamen Zukunft geplatzt sind“, erklärt die Paartherapeutin Vera Steenhart. „Wenn man den Bruch vorausahnt, es vorher viel Streit und Unstimmigkeiten gab, kann man sich noch darauf vorbereiten. Schlimmer ist es, wenn das Trennungsgespräch quasi aus dem Nichts kommt. Das kann extrem schmerzhaft sein und Verletzungen an Herz und Persönlichkeit hinterlassen.“ Dass man den Liebeskummer körperlich spürt, ist keinesfalls Einbildung. Helen Fisher, Anthropologin von der Universität Colorado hat lange zum Thema geforscht und herausgefunden, dass eine gescheiterte Liebe uns oft beinahe so belastet wie ein Trauerfall – und dass sie auch eine ähnliche physiologische

Stressreaktion auslöst. „Der Stress führt oft zu Schlafl osigkeit und Appetitlosigkeit, die Immunabwehr ist herabgesetzt“, erklärt Fisher. Außerdem verringere sich der Spiegel des Neurotransmitters Serotonin im Gehirn – was zu depressiven Stimmungen führe. Die Symptome verschwinden erst nach Wochen oder sogar Monaten wieder. Und das auch nur, wenn Betroffene sich nach und nach mit dem Gedanken vertraut machen, ohne den geliebten Partner weiterzuleben – und nicht etwa weiter hoffen. Fisher betont diesen Punkt deshalb so vehement, weil sie auch noch etwas anderes über Liebesleidende herausgefunden hat: Sie benehmen sich wie Süchtige. In den ersten Wochen nach der Trennung, in denen ihnen ihre Droge – der Partner – entzogen wurde, schmachten sie noch stärker als vor der Trennung, die Sehnsucht wird eine Weile immer größer. Auch das hat zum Teil physiologische Gründe, die mit der Verteilung von Botenstoffen im Gehirn zusammenhängen. Wenn man die ersten Wochen ohne den Liebsten erst mal verwunden hat, beruhige sich die leidenschaftliche Sehnsucht aber langsam. WIE SOLL ES WEITERGEHEN? Liebeskummer gleicht also erst mal einem inneren Erdbeben. Der Schmerz über das Ende einer Liebe kennt verschiedene Stadien, in denen man sich langsam vom anderen löst. Paar therapeutin Vera Steenhart hat oft beobachtet, dass der verlassene Partner den Bruch zunächst leugnet: „Sehr oft hört man Sätze wie ‚Das kann doch nicht sein, wir waren doch für einander bestimmt‘ und ‚Wie soll es jetzt weitergehen?‘“, erzählt Steenhart. „Viele Menschen quälen sich sehr und überfrachten sich mit Schuldgefühlen. Sie fragen sich, was sie falsch gemacht haben und ob es eine andere oder einen anderen gibt. Sie haben viele Fragen, erhalten aber von ihrem Ex praktisch nie eine befriedigende Antwort. Das ist schwer zu ertragen.“

“ Wenn der, auf den du wartest, dich sitzen lässt, halt dich an deiner Liebe fest“ — diese Zeile stammt aus dem gleichnamigen Song von Rio Reiser

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„ Das Ende der einen Liebe bedeutet nicht zwangsläufig das Ende aller Lieben“

Liebeskummer kann gravierende Folgen haben, erzählt Steenhart. „Einige Menschen entwickeln nach dem Scheitern einer Beziehung destruktives Verhalten. Sie versuchen, ihr Selbstwertgefühl mit zu viel Alkohol, Drogen und flüchtigen Beziehungen aufzubauen. Andere denken: ‚Wenn die Person, die mich so gut gekannt hat, mich abweist, bin ich offenbar nichts wert‘ und verschließen sich daraufhin für neue Kontakte.“ Der weltberühmte Roman Sturmhöhe der englischen Schriftstellerin Emily Brontë erzählt von so einer destruktiven Liebe. Das Findelkind Heathcliff entwickelt in der Geschichte eine obsessive Liebe für Catherine, die Tochter seiner Ziehfamilie. Cathy heiratet aus gesellschaftlichen Gründen einen anderen, stellt im Nachhinein jedoch fest, dass auch sie eigentlich Heathcliff liebt. Heathcliff überwindet seinen Kummer nie wirklich, er entwickelt Rachegefühle gegenüber der Familie und trauert außerdem sein Leben lang um Catherine. Sein ganzes Dasein ist von der unglücklichen Liebe geprägt. LANGSAM NEU ANFANGEN Aber wie kann man sonst mit dem Trennungsschmerz umgehen? In ihrem Buch Liebeskummer. Wenn das Herz zu brechen droht rät die Autorin und psychologische Beraterin Silvia Fauck den Betroffenen, ihren Kummer erst mal zuzulassen. „Die Traurigkeit darf sein. Wer Liebeskummer hat, darf weinen, rumhängen, Weltschmerz und eine Weile das Gefühl haben, das Leben ginge so nicht weiter“, erklärt Fauck. „Wer den Schmerz nicht leugnet oder wegdrückt, der wird oft auch leichter damit fertig.“ Ein weiterer Effekt, den das Zulassen der Gefühle hat: „Die Betroffenen quälen sich nicht auch noch mit dem Gedanken, dass sie nun sofort wieder funktionieren müssten.“ Überhaupt sei es wichtig, gut für sich zu sorgen, Dinge zu machen, die einem guttun: Ob es nun gesund essen und Sport treiben ist oder rumhängen und mit Freundinnen reden, für den Moment ist erst mal alles, was hilft, in Ordnung. Fauck hat außerdem beobachtet, dass Menschen mit Liebeskummer einige Wochen lang ein erhöhtes Redebedürfnis haben: „Wenn man Freunde hat, die zuhören, sollte man bei ihnen ruhig immer wieder sein Herz erleichtern.“ Silvia Fauck spricht aus Erfahrung – vor mehr als zehn Jahren machte die Liebe ihres Lebens per Fax mit ihr Schluss. Das war für Fauck ein Sturz ins Bodenlose. Sie suchte damals nach Hilfe speziell für Liebeskranke und fand keine, rappelte sich aber mit der Unterstützung geduldiger Freunde und einer ge hörigen Portion Selbstliebe wieder auf. Einige Jahre später dann gründete sie selbst eine Liebeskummerberatung. „Für mich ist es wichtig, dass bei meinen Klienten auf eine Phase des Zulassens

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langsam eine Art Neuorientierung folgt“, sagt Fauck. Dass man sich also irgendwann wieder überlegt, was man mit dem eigenen Leben anfangen will, dass man sich selbstbewusst fühlt und versteht: Es hat nicht das Geringste mit dem Wert der eigenen Person zu tun, dass man verlassen wurde. „Wie lange es allerdings dauert, bis dieser Punkt eintritt, das ist bei Menschen sehr unterschiedlich“, sagt Fauck. Bei manchen dauere es ein paar Wochen, bei anderen auch ein Jahr. „Wir sind einfach keine Kinder und Jugendlichen mehr, die heute mit dem und morgen mit dem gehen. Wir binden uns fest, verlieben uns – und dementsprechend existenziell und schmerzhaft sind Trennungen.“ Das sollten wir mit einrechnen. Wichtig sei es nur, zu sehen, wann das Ganze in eine ungute Richtung drifte: „Wenn Liebeskranke länger als sechs Wochen gar nicht schlafen oder essen, würde ich raten, professionelle Hilfe bei einem Coach oder Berater zu suchen. Denn sonst kann der Liebeskummer irgendwann zu einer depressiven Krise werden.“ LEIDEN UND SCHMACHTEN Auch Menschen in langjährigen Beziehungen leiden manchmal unter Liebeskummer, gelegentlich sogar, während die Partnerschaft nach außen stabil wirkt. „Das passiert recht häufig, wenn die eigenen Erwartungen in der Beziehung nicht erfüllt werden oder man sich vom Partner mehr Innigkeit oder Nähe erhofft“, sagt Paartherapeutin Vera Steenhart. Von solcher Art Liebeskummer handelt beispielsweise der berühmte Roman Wandlungen einer Ehe des ungarischen Schriftstellers Sándor Márai. In der Partnerschaft von Ilonka und Péter leiden beide wegen „einer anderen“. Péter liebt eigentlich das Dienstmädchen aus seinem Elternhaus, doch eine Heirat mit ihr kommt wegen des Standesunterschieds nicht in Frage. Für Ilonka ist Péter zwar der Richtige, aber sie spürt, dass sie sein Herz nicht gewinnen kann, so sehr sie sich auch bemüht. Ihr Mann sei zu jener Zeit seelisch schon so weit von ihr entfernt gewesen, als weile er im Ausland, erzählt Ilonka im Nachhinein einem Freund. Der Roman erzählt aus drei Perspektiven letztlich von der Vergeblichkeit der Liebe. Besonders Ilonka versucht immer wieder, ihren eigenen Mann zurückzuerobern, doch es klappt nicht – und der Kummer wird immer größer. Natürlich ist diese Geschichte, die in der Zeit vor dem Zweiten Weltkrieg spielt, noch wesentlich tragischer und vergeblicher, als viele Beziehungen heutzutage – denn wenn Paare sich heute nicht mehr verstehen, ist eine Trennung ja viel leichter. Doch das Thema, dass sich Beziehungen mit der Zeit auseinanderentwickeln oder dass ein Partner nicht mehr bereit ist, Nähe


aufzubauen, ist doch weit verbreitet. Eine Trennung kann in einem solchen Fall für den Partner, der den anderen noch liebt, auch nach jahrelanger Beziehung sehr schmerzhaft sein. Der Philosoph Wilhelm Schmid betont in seinem Buch Die Liebe neu erfi nden, wie wichtig Fairness bei der Beendigung einer Beziehung ist. Nicht nur der Anfang einer Liebe sei ein gemeinschaftlicher Prozess, sondern auch die Trennung voneinander. Fairness beim Ende der Beziehung bedeute zum Beispiel, dass man den anderen frühzeitig in die eigenen Zweifel einbeziehe, sodass der- oder diejenige sich darauf einstellen und vielleicht auch noch etwas dagegen unternehmen könne, schreibt Schmid. „Wenn das Ende unvermeidlich ist, dann ist es fair, dem anderen vorzuschlagen, die Beziehung gemeinschaftlich zu beenden.“ Laut Schmid muss aber das Ende der leidenschaftlichen Liebe nicht zwangsläufi g das Ende der gemein samen Beziehung sein. Man kann sich auch entschließen, den Kindern zuliebe oder wegen des bequemen gemeinsamen Lebens zusammenzubleiben. Oder weil es noch so viele andere Dinge gibt, die man miteinander teilt. Das funktioniert aber nur, wenn diese Regelung für beide stimmig ist.

bleiben, stellen sie sich vor, wie ihr Leben ausgesehen hätte, wenn Irene damals seine Liebe erwidert hätte. Mir ging es vor Kurzem ähnlich, als ich durch eine Facebook-Nachricht an eine frühere Urlaubsliebe in Italien erinnert und damit in eine alte Melancholie zurückgeworfen wurde. Ich stellte mir vor, wie mein Leben verlaufen wäre, wenn es damals mit uns eine andere Wendung genommen hätte. Der Austausch über Facebook war nur kurz. Wir leben beide in einer Beziehung. Zwar ist seit damals nicht einmal viel Zeit vergangen, aber doch genug, um die Brücke einzureißen, die es zwischen uns einmal gab. Am Ende einer Beziehung nimmt man Abschied von einem Liebespartner. Aber nicht immer verschwindet damit auch die Liebe zu ihm oder ihr. Sogar wenn wir mit einem anderen Partner zusammen und glücklich sind. Für den Philosophen Wilhelm Schmid steckt dahinter eine tiefere Wahrheit über die Liebe: Für ihn gibt es immer mehrere Lieben, die wir pfl egen können. Ob es eine Liebe zu Freunden ist, zu Kindern oder eben ein sehnsüchtiges Gefühl zu Verflossenen oder gescheiterten Lieben. „Nur die Vielzahl der möglichen Lieben gewährleistet, dass niemand jemals ohne Liebe bleibt“, schreibt er. Ein schöner Gedanke. Die Schmid auch noch zu folgender Schlussfolgerung führt: „Mit dieser bestimmten Liebe endet nicht jede Liebe.“

TEXT WAS WÄRE, WENN …? Und was ist mit den ungeliebten Lieben, die man heimlich mit sich herumschleppt? Mit Menschen, die in uns eine riesige Sehnsucht auslösen und an die wir manchmal zurückdenken, auch wenn wir sie gar nicht mehr sehen? Wie den Schulfreund, den wir damals abgewiesen haben, oder den Studienkollegen, bei dessen Anblick wir bis heute Herzklopfen bekommen. Von so einer schicksalhaften, niemals ausgelebten Liebe handelt der Roman Die Frau auf der Treppe von Bernhard Schlink. Da sucht ein Mann nach über 40 Jahren seine große Liebe auf. Die Frau, Irene, ist unheilbar krank. In den wenigen Tagen, die den beiden noch

Das fi nde ich tröstlich und treffend. Zum einen gefällt mir die eher philosophische Sicht, dass Liebe immer da ist, wenn man sie fühlt und gibt. Zum anderen trifft der Satz auch im Alltag zu: Nachdem sich mein Freund damals von mir getrennt hatte, dachte ich, ich würde niemals mehr jemanden so lieben. Es folgten aber durchaus ein paar andere Lieben. Heute bin ich verheiratet, habe Familie mit einem Mann, zu dem ich wesentlich besser passe – und mit dem ich wesentlich glücklicher bin, als ich es mit meinem Exfreund je war.

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Interview

„Wenn man loslässt, können wunderbare Dinge geschehen“ Im letzten Jahr ihres Psychologiestudiums entdeckte Kristin Neff den Wert des Selbstmitgefühls, der freundlichen und verständnisvollen Einstellung zu sich selbst. Aus dieser Erkenntnis wurde ihr Forschungsgebiet – und ihr Lebensthema. Hier spricht die Wissenschaftlerin über Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft

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Mit Rowan auf der Hochzeit einer Freundin

Mein Schulfoto aus der dritten Klasse Bei meinem HighschoolAbschluss

Eine Mexikoreise mit 33

Mit meiner Mutter, ich war fünf Mit meiner besten Freundin Kathy im Alter von 29 Rockband mit unseren Nachbarn mit drei Jahren

NAME: Kristin Neff GEBOREN: 1966 JOB: Psychologin Kristin lehrt an der Universität von Texas und forscht dort zum Thema Persönlichkeitsentwicklung und Selbstmitgefühl. Zusammen mit ihrem autistischen Sohn Rowan und ihrem Exmann Rupert Isaacson unternahm sie 2007 eine Reise durch die Mongolei, die Rupert zu dem Film The Horse Boy und zu einem Buch verarbeitete. Kristin veröffentlichte neben wissenschaftlichen Publikationen auch Ratgeber, zum Beispiel Selbstmitgefühl. Wie wir uns mit unseren Schwächen versöhnen und uns selbst der beste Freund werden (Kailash). Sie gibt Workshops und hat ein Programm für Selbstmitgefühl entwickelt. 2012 war sie Mitbegründerin des Center for Mindful Self-Compassion. Kristin wohnt in Texas.

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Rowan und ich zu Besuch bei meiner Mutter

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17 Jahre — schicker New-Wave-Haarschnitt

Doktorfeier mit 31

Kurz vor Rowans Geburt, da war ich 35


Vergangenheit „Es war gar nicht meine Art, mich in einen anderen Mann zu verlieben, obwohl ich vergeben war. Denn ich lege normalerweise großen Wert auf Ehrlichkeit“ „Meine Eltern ließen sich scheiden, als ich drei Jahre alt war. Also wuchs ich allein mit meiner Mutter und meinem Bruder in Los Angeles auf. Und fuhr alle zwei bis drei Jahre nach Maui in Hawaii. Dort wohnte mein Vater seit der Trennung in einer Art Hippiekommune. Die schöne Natur auf Hawaii ist mir noch in lebhafter Erinnerung, aber an das Zusammensein mit meinem Vater denke ich nicht gern zurück. Ich war acht Jahre alt, als er meinen Bruder und mich aufforderte, ihn nicht länger Papa zu nennen, sondern Bruder Dionysos. Ich habe das nie über die Lippen gebracht und war immer froh, wenn ich endlich wieder zu Hause bei meiner Mutter war. Der Apartmentkomplex, in dem wir wohnten, war nicht sehr luxuriös, aber er lag am Rande eines Naturparks. Wenn man ihn durchwanderte, kam man irgendwann ans Meer. Wir führten ein einfaches Leben. Wir waren zwar nicht arm, doch viel Geld hatten wir auch nicht. Beim Einkaufen ver glichen wir stets die Preise: „Mom, das da ist drei Cent teurer, ist es das wert?“ Es war schön, in den 80ern in Los Angeles aufzuwachsen. Die Musikszene war sehr lebendig. Bands, die heute Stars sind, waren damals noch zum Greifen nah. Ich ging gern in den Club Phases, der sich nicht ohne Grund auch ,The Valley’s Hottest New Music Dance Club‘ nannte. Wenn ich Fotos aus dieser Zeit sehe, mein Gott, sahen wir schrecklich aus! Dickes Make-up, hochgekämmter Pony, das Haar an den Seiten lang. Heute sehe ich das gelassen,

aber damals war ich ziemlich unsicher. Ich war gut in der Schule, wollte aber viel lieber cool sein. Ach, die besten Jahre meines Lebens waren das nicht, aber müsste ich meine Teenagerzeit benoten, gäbe ich ihr wohl schon noch eine Drei. Nach der Schule habe ich Psychologie an der Universität von Kalifornien studiert, der UCLA. Meine Studienzeit war toll. Ich schloss Freundschaften, die mir bis heute geblieben sind. Wir gingen in Clubs und Konzerte. Ich trug eine Dauerwelle, wir experimentierten mit Drogen und hatten viel Spaß. Kurz vor dem Examen, 1997, heiratete ich einen Mann, von dem ich dachte, ich hätte mit ihm das große Los gezogen. Er sah gut aus, behandelte mich gut und war ein sehr ausgeglichener Typ, alles Eigenschaften, die ich damals offenbar wichtig fand. Doch bald erkannte ich, dass er auch eine ganz andere Seite hatte. Er war oft engstirnig und verurteilte vorschnell Dinge, die er nicht kannte. Ich begann damals beispielsweise, mich in den Buddhismus zu vertiefen, doch er hielt Spiritualität für blanken Unsinn. Nach einer Weile verliebte ich mich in einen anderen Mann, er hieß Carl. Eigentlich war das – mich in einen anderen zu verlieben, obwohl ich vergeben war – gar nicht meine Art, ich lege nämlich großen Wert auf Ehrlichkeit. In der Hinsicht war es eine schlimme Zeit. Ich wusste nicht mehr, wer ich war und was ich wollte. Dank der neuen Liebe entdeckte ich zwar, dass man auch anders leben kann – locker,

hellwach und leidenschaftlich. Aber ich wollte auch meinen Ehemann nicht betrügen. Obwohl diese Phase nur ein paar Monate dauerte, war der Druck beinahe unerträglich. Aber: Ich brauchte Carl, um mich von meinem Mann zu lösen. Diese Erkenntnis kam mir jedoch erst viel später, damals dachte ich nur, Carl und ich seien füreinander bestimmt. Da aber auch Carl verheiratet war und seine Frau nicht verlassen wollte, ging die Beziehung bald wieder auseinander. Ich war am Boden zerstört. Zum Glück hatte ich da schon geplant, für meine Doktorarbeit nach Indien zu reisen, und konnte so auch räumlich auf Abstand gehen. In Indien lernte ich Rupert kennen. Eigentlich war ich noch gar nicht bereit für eine neue Beziehung, aber er war so nett! Er schrieb Reiseführer, war klug, lustig, unverfälscht – und wir zwei ähnelten einander sehr. Ich war zwar noch verliebt in Carl, doch Rupert verguckte sich sofort in mich und wollte vom ersten Tag an mit mir zusammen sein. Blicke ich heute auf die damalige Zeit zurück, sind die Begleitumstände schon ein wenig bizarr: Carl starb ein Jahr, nachdem wir uns getrennt hatten, an Krebs. Rupert war fantastisch. Wir sind zwar kein Paar mehr, aber er ist noch immer Teil meines Lebens und mein bester Freund. Der Sohn, den wir 2002 bekamen, Rowan, ist autistisch. Ich bin mir sicher, dass Rupert mich niemals im Stich lassen würde – inzwischen sind wir beide Teil eines größeren Ganzen geworden.“

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Gegenwart „Die Vorstellung, mit einem autistischen Kind über die mongolische Steppe zu reiten, war für mich einfach nur absurd“ „Es passiert häufig, dass Eltern von autistischen oder anderweitig behinderten Kindern nicht zusammen bleiben. Doch Rowan war nicht der Grund, warum Rupert und ich keine Liebesbeziehung mehr haben. Wir waren ein gutes Team, und obwohl es oft stressig war, waren wir immer auf einer Wellenlänge. In vielerlei Hinsicht stärkte Rowan sogar unsere Beziehung. Heute lebt Rowan bei mir und Rupert wohnt mit seiner neuen Partnerin nebenan. Mein Sohn und ich sehen ihn jeden Tag und haben eine enge Beziehung zu ihm. Rupert und ich haben einander nie im Stich gelassen, nur als Liebespaar funktionierten wir eben nicht mehr. Ich habe viele ganz besondere Dinge mit Rupert erlebt, vor allem die Reise zusammen mit Rowan in die Mongolei, die wir 2007 unternommen haben, war aufregend. Rupert war zu der Zeit davon überzeugt, dass die Schamanen, die dort lebten, Rowan helfen könnten. Unser Sohn war damals vier und noch nicht trocken. Er hatte schreckliche Wutanfälle und war allgemein schwierig. Rupert hatte viel über Schamanen gelesen und darüber, wie sie mit solchen Dingen umgehen, und er wollte unbedingt in die Mongolei. Typisch Rupert: Wenn er sagt, dass er etwas tun wird, dann tut er es auch. Ich sträubte mich lange gegen seinen Plan. Die Vorstellung, mit einem autistischen Kind über die mongolische Steppe zu reiten, fand ich einfach zu absurd. Da sagte Rupert: ,Okay, dann fliege ich eben allein.‘ Und ich erwiderte: ,Kommt gar nicht infrage.‘ Das war die Wende.

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Es war eine unglaubliche Reise. Rupert hat darüber ein Buch geschrieben und einen Film gedreht, The Horse Boy, die allerdings beide eine romantisierte Version unserer Reise sind. Die Mongolei ist ein sehr einfaches Land, es gibt dort nichts. Ich war nicht derselben Überzeugung wie Rupert, stand den Schamanen aber auch nicht ablehnend gegenüber. So war eins der schönsten Komplimente, das ich bekam, nachdem jemand den Film gesehen hatte: ,Du bist eine tolerante Skeptikerin.‘ Heute glaube ich, dass ich eher tolerant als skeptisch bin. Unser Abenteuer in der Mongolei lehrte mich, dass Wunderbares geschehen kann, wenn man loslässt und von seinen festen Vorstellungen abrückt, wie die Dinge zu sein haben. Im Film äußere ich an einer Stelle den Wunsch, dass Rowan nach der Reise trocken wäre. Und das war er. Schon deswegen war die Reise sinnvoll. Andererseits kann man sich natürlich fragen, ob das wirklich das Werk der Schamanen war – oder ob Rowan, weil seine Gewohnheiten unterwegs gründlich auf den Kopf gestellt wurden, einfach einen Entwicklungsschub durchgemacht hatte. Es hat sich zwar vieles zum Guten verändert, aber Rowan ist und bleibt autistisch und wir organisieren unser Leben um ihn herum. Wobei, so schwer ist das nun auch wieder nicht. Rowan ist ein besonderes und charmantes Kind. 13 ist er jetzt, und momentan faszinieren ihn Bauarbeiten. Fast jeden Tag geht er zu einer Straßen-

baustelle in der Nähe und schaut den Arbeitern zu, für die er mittlerweile schon eine Art Maskottchen ist. Wir unterrichten Rowan zu Hause, genauer gesagt: Jenny, Ruperts Frau, tut das. Sie ist wie eine zweite Mutter für ihn und dank ihr habe ich auch Zeit, zu arbeiten und mich meiner Forschung an der Universität zu widmen. Schon in meinem letzten Studienjahr habe ich mich mit dem Thema Selbstmitgefühl beschäftigt. Damals war das noch ein unerforschtes Gebiet; heute gibt es ja viele hundert Studien dazu. Neben der Forschung liegt mein Schwerpunkt auf dem Training. Ich zeige ganz normalen Menschen, wie man etwas netter zu sich sein kann. Das Buch, das ich darüber geschrieben habe, wird von vielen gelesen, und meine Website hat an die 40 000 Besucher pro Monat. Selbstmitgefühl ist nicht schwer zu erlernen. Es geht nur darum, die Angewohnheit der Selbstkritik zu durchbrechen. Dass mein Training wirkt, zeigen die Ergebnisse. Die Menschen, die daran teilgenommen haben, leiden weniger unter Ängsten und Depressionen und ihre Lebensqualität ist danach auch besser.“

Anleitung zu mehr Selbstmitgefühl, 4 CDs und ein Buch (Arbor)


Nickerchen mit Rowan In meinem Vorgarten auf dem Land

In der Mongolei mit Rupert, Rowan und unserem ReisefĂźhrer

Rowan im Supermarkt im Bauarbeiterlook

Mit meinem Kollegen Chris Germer

Bei einem Workshop im Joshua-Tree-Nationalpark

Zahme Enten in der Badewanne

Noch ein Haustier: Nasenbär auf dem Sofa

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Zukunft „Rowan darf so sein, wie er ist. Ich habe mich entschieden, zu feiern, was er ist: ein besonderes Kind“ „Wenn Menschen einander lieben, zusammen Kinder bekommen und sich dann trennen, bricht meist alles auseinander. Denn viele geschiedene Paare können nicht so mit der Situation umgehen wie Rupert und ich. Unsere Lebensform ist für mich eine gute Wahl. Allerdings muss man dafür tolerant sein, Ruperts neue Frau wohnt ja direkt nebenan. Ich bin zwar kein sonderlich eifersüchtiger Typ, aber dennoch …

außerdem gelernt, mich zu entschuldigen. Das ist das Gute an der Beziehung, die Rupert und ich heute führen: Wenn wir uns streiten, wissen wir, dass wir uns nicht unbedingt einigen müssen – wir finden schon irgendwie eine Lösung. In einer Beziehung fragt man sich ja gleich, ob man vielleicht eine Therapie machen müsste. Auch wir haben dieses Stadium durchlaufen.

irgendwann eine dänische Stewardess geheiratet hat. Mit ihr ist er zwar nicht mehr zusammen, aber er ist dort geblieben. Mein Vater ist eigentlich ein netter Mann, aber er hat es auch nicht immer leicht gehabt. Ein Beispiel: Seine Eltern wohnen nur ein paar Stunden von mir entfernt, haben mich aber noch nie besucht, nicht einmal nach Rowans Geburt.

TE Ich wünschte, ich könnte sagen, dass mich Achtsamkeit und Mitgefühl weitergebracht haben. Doch bis heute kann ich mich manchmal in einer Wut verlieren, die plötzlich aufkommt. Ich bin auch nur ein Mensch. Ein wenig habe ich aber schon gelernt, mit meinen Impulsen umzugehen. Aber sollte es überhaupt ein Ziel sein, stets perfekt zu agieren, immerzu Mitgefühl zu haben? Das ist sicher ein hehrer Wunsch, aber ich halte ihn nicht für realistisch – auch aufgrund unserer Gehirnstruktur.

Seit drei Jahren bin ich wieder liiert, mit einem Brasilianer, dem schönsten Mann, den ich je gesehen habe. Ich habe ihn beim Tanzen getroffen, dahin gehe ich jeden Sonntag. Es ist verrückt, aber wenn ich mit ihm zusammen bin, bringt er das Beste in mir zum Vorschein. Wir streiten uns nie, an seiner Seite bin ich ein mitfühlender Mensch. Es heißt ja, wenn man sich verliebe, dann auch ein bisschen in sich selbst, in den Menschen, der man in diesem Augenblick ist. Mein ,wahres Ich‘ ist ruhig und voller Mitgefühl, mein ,falsches Ich‘ ist aggressiv. Natürlich gehören beide Ichs zu mir, aber mit meinem Freund ist die bessere Version einfach präsenter. Trotzdem ist unsere Beziehung nicht immer leicht. Komme ich ihm zu nah, stößt er mich weg. Wir haben schon ein paar Mal Schluss gemacht. Er hat einige Kindheitstraumata und keine normale Bindung zu seinen Eltern. Wie sich unsere Beziehung entwickeln wird, ich weiß es nicht. Jetzt gerade ist sie aber gut so, wie sie ist.

Ich gestehe mir meine Wut jetzt eben früher ein und versuche, mich nicht zu verurteilen, wenn sie verraucht ist. Ich habe

Ich selbst habe eine gute Beziehung zu meinen Eltern, sogar zu meinem Vater. Er wohnt inzwischen in Dänemark, da er

Ich glaube aber, dass Rupert jetzt glücklicher ist, und ich bin es auch. Wir beide haben nicht das Beste im anderen hervorgebracht. Er ist eine starke Persönlichkeit, manchmal nahezu überwältigend, und wenn ich bei ihm war oder bin, merke ich oft, dass ich aggressiv werde. Das steckt zwar generell in mir, aber er ist für mich ein starker Trigger – und ich bin das für ihn.

Wenn ich an die Zukunft denke, dann vor allem an Rowans Zukunft. Denn er wird wahrscheinlich nie allein leben können. Wir wohnen jetzt schon in einer Art kleiner Kommune, und ich wünsche mir, dass sich diese mal erweitert und mehrere autistische Menschen darin wohnen werden, mit Helfern in der Nähe. Und dass sie mit Pferden arbeiten, so wie Rupert und Jenny es schon tun. Ich weiß nicht, ob ich immer so dicht bei ihm bleiben werde, aber ich werde alles daran setzen, ihm den Rahmen zu bieten, in dem er glücklich sein kann. Rowans Leben wird mit der Zeit sicher nicht einfacher. Damit umzugehen wird eine Herausforderung sein, aber ich habe gelernt: Wenn man offen für die Gegebenheiten ist und sich damit abfindet, kann das Leben viel schöner sein, als man es vorher erwartet hätte. Es klingt vielleicht ungewöhnlich, aber ich bin durch Rowan offener geworden. Ich akzeptiere vieles eher und bin heute um einiges flexibler, als ich es geworden wäre, wenn er nicht in mein Leben gekommen wäre. Ich stelle keine Erwartungen an ihn. Rowan darf so sein, wie er ist. Und ich habe mich entschieden, zu feiern, was er ist: ein besonderes Kind.“ ●

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„ meine m sollen mic anschwei sondern t geschicht erz hlen.“ Peter Hensberg, Designer


bel h nicht ‚ gen olle en europas grÜsstes wohnmagazin


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Währenddessen in Myanmar

„Ich nutze meine Chance, jetzt, wo sie da ist“ Nach jahrelanger Unterdrückung herrscht in Myanmar (Birma) eine neue Offenheit, die zwar noch auf tönernen Füßen steht, aber für Optimismus sorgt. Minka Nijhuis sprach mit drei Frauen, die ihrem Leben eine neue Wendung geben konnten

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„ In Birma erwartet man von einer Tochter, dass sie für ihre Eltern sorgt“

Myanmar, wie ich es in den vergangenen Jahrzehnten als Journalistin aus der Nähe kennengelernt hatte, stand unter einer Militärregierung. Westliche Beziehungen und Einflüsse waren minimal. Doch seit eine neue Führung mehr Freiheiten zulässt, ist das Land populär geworden. Touristen strömen in eines der letzten unentdeckten und somit exotischen Ziele Asiens. Die Hotels in Yangon (ehemals Rangun) sind voll von ausländischen Geschäftsleuten, die den Markt sondieren. Die meisten der ehrgeizigen jungen Myanmaren wollten jahrelang nichts lieber, als dem erstickenden Klima ihres Landes zu entfliehen, doch jetzt ergreifen sie die Chance, ihre Träume in ihrer Heimat zu verwirklichen. Drei Frauen haben mir erzählt, was die Veränderungen im Land für sie persönlich bedeuten.

Ein neues College Khin Hnin Soe (37) hat das Myanmar Metropolitan College gegründet, um frischen Wind in das ehemals starre Bildungssystem zu bringen „Ich habe Ingenieurwesen studiert. Doch als ich bei der Arbeit das erste Mal Praktikanten betreute, entdeckte ich, dass das Unterrichten meine eigentliche Leidenschaft ist. Seit ich Teenager war, lebte ich

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in Singapur, und es ging mir dort gut. Im Herzen bin ich aber Myanmarin geblieben und habe immer gehofft, in meiner Heimat eines Tages etwas Sinnvolles tun zu können. Als sich das Land vor ein paar Jahren zu wandeln begann, hielt ich die Zeit für gekommen, dort ein College zu eröffnen. Bisher ging es in den Schulen und Hochschulen vor allem darum, Wissen zu reproduzieren. Unabhängiges Denken stellte für die Obrigkeit eine Bedrohung dar, es passte nicht ins System. In einer staatlichen Bildungseinrichtung hätte ich meine Vision von Unterricht nicht verwirklichen können. Deswegen baute ich ein eigenes College auf, das auf internationale Ausbildungen und Studiengänge vorbereiten soll. Anfangs kostete mich mein Projekt zwar schlaflose Nächte, aber jetzt läuft es gut. Wir haben 200 Studierende, und auch der Staat lässt uns gewähren. Die Polizei hat uns einmal kontrolliert, aber es war nichts Ernstes. Die meisten Studierenden müssen sich an das unabhängige Denken erst gewöhnen. Manchmal beschweren sich darüber sogar Eltern. Sie sind es einfach gewohnt, dass ihren Kindern Gehorsam beigebracht wird. Diesen Eltern gebe ich im Grunde auch Unterricht. Ich finde, dass die Stimme der jungen Leute in jeder Gesellschaft gehört

werden sollte. Auch im Hinblick auf die Rechte der Frauen ist Myanmar noch sehr konservativ. In regulären Schulen müssen Mädchen bessere Noten als die Jungen erzielen, wenn sie studieren wollen. Ich wünsche mir, dass sich das ändert, und schreibe daher ab und zu Artikel darüber. Dazu angespornt hat mich das Vorbild von Aung San Suu Kyi. Doch auch meine Studierenden inspirieren mich. Eine von ihnen etwa ist eine alleinerziehende Muslima – gar nicht so einfach in einem konservativ denkenden buddhistischen Land. Doch wenn ich sehe, wie wissbegierig sie ist, denke ich: Sie kommt schon zurecht. Die meisten Schüler stammen aus begüterten Familien, sind behütet aufgewachsen. Ich möchte ihnen nahebringen, wie sehr andere Myanmaren dafür kämpfen müssen, ein schönes Leben zu haben. Wir engagieren uns daher auch im sozialen Bereich, unterrichten etwa Kinder, die in Teehäusern schuften. Mit diesem Gefühl der sozialen Verantwortung bin ich aufgewachsen. Meine Mutter war Englischdozentin und unterrichtete nebenbei gratis Kinder aus armen Familien. Auch deshalb will ich Toleranz lehren. Als wir neulich auf Exkursion waren, weigerte sich einer, eine Moschee zu betreten. Solche Vorurteile bringen sie meist von zu Hause mit. Ich verurteile ihr Verhalten daher nicht, sondern stelle viele

1. Collegedirektorin Khin Hnin Soe in ihrem Büro 2. Ihr Examensfoto 3. Mit ihren Studierenden im örtlichen Teehaus 4. Chaw Kalyar denkt über einen Entwurf nach 5. Ihr erstes Projekt: das Haus ihrer Eltern


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Fragen. Auch Sexualkunde-Unterricht steht auf meiner Wunschliste, aber damit tut sich mein Land einfach noch schwer. Als Leiterin des Colleges muss ich viel organisieren, aber am schönsten ist die Zeit, die ich mit den Studierenden verbringe. Freitags gehen wir zusammen joggen, machen unterwegs Selfies. Ich bin nicht nur Lehrerin, sondern auch eine Art Mentorin. Manchmal rufen mich Studierende abends zu Hause an und fragen um Rat. Oft stecke ich in einem Zwiespalt. Unsere Gesellschaft erwartet von einer Tochter, dass sie sich um ihre Eltern kümmert, und das tue ich nicht. Aber ich habe es noch keinen Moment bereut, dass ich meine Karriere in Singapur aufgegeben habe. Im College hängen zur Inspiration Sprüche an den Wänden – mein liebster stammt von Nelson Mandela: ‚Bildung ist die mächtigste Waffe, um die Welt zu verbessern.‘“

Passende Häuser Chaw Kalyar (39) ist eine visionäre Architektin. Sie möchte die Art des Bauens in Myanmar revolutionieren und zugleich die architektonische Kulturgeschichte berücksichtigen „An Architektinnen sind die Bauarbeiter hier nicht gewöhnt. Früher haben sie mich einfach ignoriert, wenn ich in Arbeitskluft auf der Baustelle erschienen bin. Heute

informiere ich vorher ihren Chef darüber, dass ich die Leitung innehabe – das hilft. Nach meinem Examen bekam ich eine Stelle in einem renommierten Architekturbüro, doch ich wollte eine eigene Firma aufbauen: um zu beweisen, dass eine Frau das auch kann. Heute, nach fünf Jahren, muss ich mich nicht mehr darum sorgen, wie ich mein Personal bezahle. Die Kunden kommen auf mich zu. So habe ich mittlerweile neun Angestellte, darunter sieben Architektinnen. Ihre männlichen Kollegen würden wahrscheinlich nicht unter mir arbeiten, so weit sind wir hier doch noch nicht. Dass ich genügend Selbstvertrauen hatte, einen anderen Weg einzuschlagen

als die meisten Frauen, liegt wahrscheinlich an meinem Vater. Er behandelte mich nie anders, nur weil ich ein Mädchen war. Als ich noch ein Kind war, nahm er mich zu Boxwettkämpfen mit. Als ich älter war, trank er dann mit mir Whiskey, damit ich lerne, mit Alkohol umzugehen. Er trichterte mir auch ein, dass ich selbst entscheiden muss, was richtig und was falsch ist. Mir ist es wichtig, architektonische Entwürfe zu schaffen, die der Umwelt so wenig wie möglich schaden. Das ist hier eine Neuheit. In Myanmar denkt man in der Regel noch: Ach, das mit der Umwelt regeln wir später. Mein Interesse für diese Art des Bauens

HOFFNUNG FÜR DIE ZUKUNFT? Myanmar (ehemals Birma) ist ein fruchtbares Land in Südostasien, das reich an Bodenschätzen ist. Doch Fehlplanung, Korruption und jahrelange Militärdiktatur brachten es an den Rand des Abgrunds. 2010 fanden nach 20 Jahren wieder Wahlen statt, seither befindet sich das Land im Wandel. Doch die alten Herrscher behielten zu viel Macht. Protestierten Studierende, Bauern und Arbeiter für ein besseres Leben, schritt der Staat gewaltsam ein. Die Anzahl der politischen Gefangenen stieg bis kurz vor den Wahlen im November 2015 wieder an. Bei denen errang Friedensnobelpreisträgerin und Oppositionsführerin Aung San Suu Kyi jedoch einen historischen Sieg: Nachdem sie 15 Jahre wegen ihres Kampfs für Demokratie und Menschenrechte unter Hausarrest gestanden hatte, gewann ihre Partei, die Nationalliga für Demokratie, die große Mehrheit. Diese Wahl gilt als erste freie des Landes seit 25 Jahren. Ob das für weitreichende Reformen sorgen wird, ob auch religiöse Minderheiten (vor allem Muslime, Christen, Animisten) die gleichen Rechte wie die Buddhisten bekommen werden, ist aber noch offen.

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1. Die ersten Skizzen, die Sandar Khine von ihrem Ehemann machte 2. Oft hält das Modell auf Sandars Gemälden eine Kamera in der Hand. „Das ist meine Interpretation von Interaktion: Ich sehe, werde aber auch gesehen“

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wurde im Studium geweckt. Ich nahm mit einer Freundin an einem Wettbewerb für nachhaltige Architektur teil. Wir reichten einen Entwurf für die Restauration eines alten Kolonialgebäudes ein, mit der Idee, den natürlichen Luftstrom als Kühlsystem zu verwenden. Wir haben damit zwar nicht den ersten Platz gemacht, aber wir wurden ehrenvoll erwähnt. Einer meiner ersten Entwürfe war übrigens das Haus meiner Eltern. Gerade beschäftige ich mich mit der Restauration eines wichtigen historischen Gebäudes, das zum Museum werden soll. Darauf bin ich sehr stolz. Nach Jahren der Isolation öffnet sich mein Land. Überall wird gebaut. Das birgt Möglichkeiten. Aber ich habe auch Angst, dass alles zu schnell geht und uns von internationalen Geschäftsleuten aus der Hand genommen wird. Die Herausforderung besteht also darin, diese Chance mit Bedacht zu nutzen. Ich engagiere mich in einer Organisation zur Erhaltung unseres kolonialen Erbes. Wenn wir nicht aufpassen, verlieren wir das Grün, die Parks, die öffentlichen Plätze, die saubere Luft. Alles, was unsere Stadt so einzigartig macht. Jeder Tag ist ein Kampf: Wir gegen ehrgeizige, eilige Projektentwickler. Ich bin jetzt 39 und müsste nach allgemeiner Auffassung längst Mutter sein. Aber ich habe einfach zu viel zu tun. Ich will dabei sein, jetzt, wo mein Land sich verändert. So arbeite ich sechs Tage die Woche, mehr als mein Mann, der ein Restaurant besitzt. Wir müssen besonders hart schuften, denn wir haben keine Altersvorsorge. In unserem Land sind das nämlich immer noch die Kinder. Ich könnte mehr verdienen, wenn

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ich mich um große Projekte bewerben würde, aber ich bin zufrieden so. Als überzeugte Buddhistin habe ich eben von klein auf gelernt, dass man nicht habgierig sein darf.“

Kräftige Farben Sandar Khine (44) kann freier atmen, seitdem die Zensur gelockert wurde. Heute ist sie eine der führenden Malerinnen das Landes – und will ihren Landsleuten ihre mutige Sichtweise nahebringen „Schon als Kind habe ich gern gezeichnet. Doch wenn es Skizzenbücher zu kaufen gab, waren sie zu teuer. Daher habe ich alle Arten von Papier gesammelt. Als ich beschloss, Malerin zu werden, versuchten meine Eltern nicht, mich abzuhalten, ermunterten mich aber auch nicht. Weil man damit kein Geld verdienen kann, wäre es ihnen lieber gewesen, ich hätte studiert. Heute male ich vor allem Akte. Die Menschen auf meinen Bildern haben üppige Formen. Ich möchte nicht nur zeigen, dass auch diese schön sind, ich finde sie auch interessanter: Sie haben wesentlich mehr Linien. Sogar in der Ausbildung war es schwierig, entsprechende Modelle zu finden. Meine Mutter und meine Schwester posierten für mich. Die männlichen Akte übernahm mein Mann. Wenn wir fertig waren, warf meine Mutter meistens schnell ein Laken über das Gemälde – sie fürch tete die Reaktionen der Nachbarn. Mein erster zahlender Kunde war ein Myanmare, aber ansonsten stammen die Käufer meist aus dem Ausland. Für meine

Landsleute ist meine Arbeit oft zu ungewöhnlich. Als ich voriges Jahr zum ersten Mal eine große Ausstellung hatte, waren die Leute neugierig, fühlten sich aber auch unwohl. Manche Paare trauten sich nicht, die Akte gemeinsam anzusehen, und gingen daher getrennt durch den Raum. Auch die offizielle Zensur, die es bis vor Kurzem noch gab, hat meine Arbeit lange Zeit stark beeinflusst. Ich liebe kräftige Farben, aber sie waren verboten. Schwarz durfte man nicht verwenden, weil es an Unterdrückung erinnerte, Rot nicht, da man Blut und Gewalt damit assoziieren könnte – und vielleicht auch die Opposition, deren Flagge dieselbe Farbe hatte. Nach dem Aufstand der Mönche vor acht Jahren war auch das Gelborange ihrer Kutten nicht mehr erlaubt. Da einige meiner Freunde wegen ihrer Arbeit im Gefängnis saßen, hatte ich Angst, dass auch mir das passieren könnte. Als die Zensoren mir mitteilten, dass ich die intimen Teile meiner Akte verbergen müsse, hängte ich immer wieder schwarze Stoffstreifen darüber. Das war meine Art, zu zeigen, dass es diese Zensur gab. Ich malte weiter, obwohl ich einige meiner Arbeiten nicht zeigen durfte. Aber der Drang, auf meine Art zu malen, war einfach zu stark. Dafür bin ich sogar zu Hause ausgezogen. Mein Mann, ebenfalls Maler, und meine Tochter leben weiter im Norden, in Bagan, wo das Leben noch viel traditioneller ist als hier in Yangon. Dort oben könnte ich nicht tun, was ich hier mache. Denn auch wenn es hier noch immer kein Spaziergang ist – Yangon ist trotzdem der beste Ort, um an mir und meinen Bildern zu arbeiten.“ ●

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Kolumne

Zuneigung zeigen Früher ist Merle Wuttke das gar nicht aufgefallen: Sie hält sich ziemlich zurück, wenn es darum geht, Familie und Freunden ihre Liebe zu zeigen oder sie zu loben. Das will sie von nun an beherzt ändern Vor einiger Zeit las ich in einer Wochenzeitung einen Artikel, in dem ein Mann davon berichtete, wie er im Zug saß und unfreiwillig das Telefonat eines Mitreisenden anhörte. Zunächst fühlte er sich durch das Gespräch gestört, da der andere am Telefon laut sprach – es war ein junger Mann Mitte 20 mit Downsyndrom. Doch dann bekam der Zuhörer mit, wie der Mann fröhlich und für alle im Waggon hörbar in den Hörer rief: „Ja, tschüs. Ich hab dich sehr lieb, Papa!“ Ganz plötzlich, so der Schreiber, löste sich der Ärger über das laute Telefonat auf. Stattdessen fragte er sich, wann er eigentlich seinen Eltern das letzte Mal gesagt hatte, was sie ihm bedeuten. Beim Lesen dieser Zeilen fühlte ich mich ertappt. Ich weiß zu genau, wie es ist, wenn sich diese Mischung aus Scham und Traurigkeit ums eigene Herz legt. Mich befällt sie, weil ich zu häufig verpasse, den Liebsten in meiner Nähe zu sagen, wie gern ich sie habe. Oder ihnen regelmäßig Anerkennung zu zollen, sie zu loben oder einfach ein „Ich mag dich“ mit in den Tag zu geben. Dabei bin ich kein missgünstiger Mensch und weiß genau um die guten Seiten meiner Familie und Freunde. Ich schätze ihre Talente, liebe ihre Persönlichkeiten. Nur sage ich es ihnen nie. Ich habe keine Ahnung, woher das kommt, aber der Grundsatz „Nicht gesagt ist Lob genug“ zieht sich irgendwie konsequent durch mein Erwachsenenleben. Ich fürchte, ich habe meinem Mann vor zwölf Jahren das letzte Mal gesagt, dass ich ihn liebe – am Tag unserer Hochzeit. Aber was hindert mich daran, meine Gefühle in Worten auszudrücken? Ist es die Angst, sich anderen zu öffnen? Eine unbewusste Scheu vor vermeintlichem Kontrollverlust? Könnte sein. Schließlich ist nicht von der Hand zu weisen: Wer ehrlich seine Bewunderung, seinen Respekt oder seine Liebe zeigt, kehrt sein Innerstes nach außen. In diesem Augenblick sieht

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der andere, wer man ist, und das wiederum macht verletzlich. Die Frage ist, ob das tatsächlich der Grund dafür sein kann, einfach immer weiter gar nichts zu sagen. Brené Brown, Professorin für Sozialarbeit und Autorin des Buches Verletzlichkeit macht stark, findet: auf keinen Fall! Durch jahrelange Forschung (über die wir in Flow schon einige Male geschrieben haben, weil sie uns beeindruckt) hat Brown herausgefunden, „dass es im Leben eigentlich nur um eins geht: Verbindung. Die Fähigkeit, sich mit anderen verbunden zu fühlen, ist der Grund, warum wir hier sind. Und Menschen, die ihre Verletzlichkeit leben und zugeben, erleben so eine Verbindung am ehesten.“ Die eigene Verletzlichkeit bringt uns nämlich erst dazu, ein Leben zu leben, das uns vollkommen erfüllt. Etwas, was auch die Befragten in Bronnie Wares Bestseller, in dem sie beschreibt, was Sterbende bereuen, sofort unterschreiben würden: Sie trauern genau der Tatsache nach, zu selten gezeigt zu haben, wie sie fühlen und wer sie sind. So viel Traurigkeit und Reue wegen ein paar nicht gesagter Worte? Klingt ungesund. Da sollte ich besser versuchen, meine Scheu – oder ist es Scham? – zu überwinden und in den Momenten, in denen ich Zuneigung oder Freude für oder über jemanden empfi nde, knallhart zu äußern. Ja genau: knallhart. Um dabei innen ganz weich und rund zu werden. Sozusagen ein emotionaler Wattebausch. Selbst wenn ich dann verletzlich bin, kann ich doch eigentlich nur weich fallen. ●

Merle Wuttke, 40, will sich nun eine Kollegin zum Vorbild nehmen: Die hat ein großes Herz, verteilt so freimütig Lob und Liebe, dass man sich davon einfach anstecken lassen muss


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Du hast auch Spaß an Farbe in deinen vier Wänden? Rice-Gründerin Charlotte Hedeman Guéniau zeigt dir in ihrem Buch Funky Home. Style und Design für ein farbenfrohes Zuhause (DVA), wie du dich knallbunt gemütlich einrichten kannst.

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Das Setzen der Segel, nicht die Richtung des Windes bestimmt, welchen Weg wir einschlagen. Jim Rohn (1930– 2009), amerikanischer Autor und Motivationstrainer

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Charmanter kann man kaum zum Wassersparen aufrufen: Die Seifen, Shampoos und Duschgels der Pflegeserie „Stop the water while using me“ kommen ohne Duft-, Farb- und Konservierungsstoffe aus. Auch toll: Teile des Erlöses gehen an Wasserprojekte (ab 9,90 Euro, stop-thewater-while-using-me.com)

Hand & Hirn Gute Neuigkeiten für Handarbeitsfans: Wer näht, stickt oder strickt, vergisst weniger. Das zeigen verschiedene Studien, etwa der Cardiff University. Demnach fördert Stricken das Langzeitgedächtnis. Durch die beidseitigen rhythmischen Handbewegungen werden die Gehirnhälften besser verknüpft. Also: Ran an die Nadeln.

Teile dir mit jemandem “ eine Pizza statt einen Link im Internet“ Knapp 200 kluge Anregungen, wie wir uns von Bildschirmen unabhängiger machen können, hat Julius Hendricks in seinem Buch notiert. Er findet, dass „ jeder analoge Augenblick ein Abenteuer“ ist. Um die zu erleben, müssen wir leider den hübschen Band aus der Hand legen. Be a little analog (Thiele Verlag, 10 Euro)

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So ein Zufall

Saubere Sache

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R EI S E FÜ H RE R DES ZU F A L L S Lena Grossmüller Designerin und Journalistin Lena Grossmüller (27) zeigt in ihrem Buch mit MiniExperimenten, wie der Zufall in unser Leben kommt (Reiseführer des Zufalls, Kommode-Verlag, 23 Euro) Wie kamst du dazu, über den Zufall zu schreiben? Meine Masterarbeit habe ich über Reisetrends geschrieben. Ich stellte fest, dass wir heute viel zu viel planen, alles im Vorfeld im Netz recherchieren. Das macht Druck und weckt falsche Erwartungen. Und das ist nicht nur beim Reisen so, sondern eine generelle Tendenz. Der einzige Weg, das abzufedern, ist, dem Zufall mehr Raum zu geben. Und wie geht das? Indem du mein Buch im Alltag wie ein Daumenkino benutzt. Dort, wo dein Finger stoppt, beginnst du. Etwa: Gehe neue [Um]wege zu bekannten Orten. Oder: Bestell dir beim nächsten Mittagessen Gericht Nummer 12. Warum bereichern Zufälle? Weil sie uns immer wieder kleine Entdeckungen ermöglichen, mit Menschen, Orten, Situationen. Wenn man sich zu sehr auf alles vorbereitet, verbaut man sich den Weg. Der Zufall bringt uns die Überraschungen zurück. Was ist dein Lieblingstipp? Ich mag die Idee, einfach Menschen auf der Straße nach ihren Lieblingsorten zu fragen. So bin ich vor der eigenen Haustür in einem schönen Café gelandet, das ich noch nicht kannte.


Flauschiges Nest Wohin mit all den Wollresten? Eine gute Idee ist, sie für die Vögel klein zu schnipseln und draußen hinzulegen, damit sie ein wollweiches Nest daraus bauen können. Am besten Naturwolle in Beige, Grün, Blau und Braun verwenden. Wer mag, packt die Wollfäden in eine kleine Holzkiste und nagelt ein Gitter darüber. Daran können sich Amsel, Meise und Co. beim Rauszupfen festhalten.

Brainstorming im Grünen Auf so etwas konnten nur unsere niederländischen Nachbarn kommen, die Campingweltmeister: Wohnwagen und Zelte mit Schreibtischen, Solarmodulen für Laptops und Handys, Netzverbindung und Espressomaschine. So ausgestattet, kann man mitten in der Natur arbeiten. Die mobilen Büros von KantoorKaravaan sind an wechselnden Standorten in Holland zu mieten. Demnächst sind auch Workcamps in Deutschland geplant – und bis dahin ist es über die Grenze ja auch nicht weit. Ab 60 Euro pro Tag, kantoorkaravaan.nl

TEX Öko-Wissen

Wir lieben Quizfragen: Welche Haustiere verursachen am meisten CO 2? Was trinken die Deutschen am häufigsten? Auf unterfluss.de können wir unser Wissen in puncto Nachhaltigkeit testen. Zur Auswahl stehen verschiedene Rubriken – wie Konsum, Lebensmittel oder Klima. Das macht Spaß und ist manchmal verblüffend. Okay, dass Kaffee unser Lieblingsgetränk ist, war nicht so schwer. Aber das am meisten CO 2 verursachende Haustier? – Ist die Katze.

Buchstäblich Pause machen

Was für eine schöne Alternative zum ewigen Kaffeetrinken: Der britische Illustrator Rob Draper nutzt kleine Pausen, um alles, was ihm zwischen die Finger kommt, mit kunstvollen Buchstaben zu verschönern. Er zeichnet sie auf Becher, Servietten, Bleistifte, und selbst ein Bagel bekommt einen ganz neuen Look. Coffee Time heißt die Serie, die auf instagram.com/ robdraper1 zu bewundern ist. Vielleicht ja in der nächsten Kaffeepause?

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Zeitgeist

Sozialpsychologe Jens Förster von der Ruhr-Universität Bochum erklärt in seinem neuen Buch, warum Konsum auch gut sein kann und es trotzdem sinnvoll ist, sich noch Raum für Momente zu lassen, in denen wir einfach nur sein können WIR ALLE BESITZEN SO IN ETWA 10 000 GEGENSTÄNDE, ZEIGT EINE STUDIE. WARUM SO VIELE?

Es gehört zur menschlichen Natur, dass wir ständig versuchen, Erfolge zu erzielen. Und sich etwas Schönes oder Neues zu kaufen beschert uns auf einfache Art ein Erfolgserlebnis. Diesen Weg kann man heute sogar gehen, wenn man wenig Geld hat. Ein Paar Schuhe oder Deko-Objekte fürs Wohnzimmer gibt es ja schon für ein paar Euro. Sogar ein Designersofa oder eine tolle Espressomaschine kann man sich leisten, wenn man jeden Monat eine kleine Rate abbezahlt. HEISST DAS, MAN KANN SICH TATSÄCHLICH GLÜCKLICH KAUFEN?

In gewisser Weise schon. Wenn man sich etwas leistet, versetzt einen das ziemlich sicher in leichte Euphorie. Zudem können wir mit Besitztümern, also mit dem „Haben“ auch andere wichtige Bedürfnisse befriedigen. Mit dem, was wir kaufen, festigen wir unsere Identität, wir zeigen damit, zu welcher Gruppe von Menschen wir gehören wollen. Wer bestimmte Modelabels oder ein iPhone erwirbt, der demonstriert immer auch eine bestimmte Haltung. Natürlich spielt außerdem der Wunsch nach Sicherheit beim Habenwollen eine Rolle. Viele Menschen träumen etwa von einem eigenen Haus, weil sie damit Gebor-

genheit und Sicherheit verbinden. Das ist alles legitim. Dennoch würde ich nach eingehender Beschäftigung mit dem Thema sagen: Wer ausschließlich nach materiellen Dingen strebt, der ist meist nicht dauerhaft glücklich. WARUM MACHT KONSUM AUF DAUER NICHT FROH?

Ein alltägliches Problem ist der soziale Vergleich. Wir schielen ständig danach, was andere machen. Und gerade im materiellen Bereich werden wir immer jemanden finden, der mehr hat, sei es nun bei Immobilien und Luxusgütern – oder auf einer alltäglichen Ebene, wenn es um Klamotten, Urlaube, Wohnungseinrichtung geht. Stolz und Identität, die durch Besitz entstehen, sind also oft nur von kurzer Dauer. Was aber noch wichtiger ist: Materialistisch ausgerichtete Menschen haben ein Zeitproblem. Wer kaufen will, braucht Geld, muss viel arbeiten und sich nicht zuletzt um den Besitz kümmern. Nehmen Sie eine junge Familie, die den Kindern ein Haus bieten will. Aber statt der angestrebten Sicherheit bedeutet ein Haus Druck, Raten zahlen, mehr Arbeit. Wir machen uns das nicht klar, aber häufig geraten sogenannte Habenziele mit Seinszielen in Konflikt. Wer ein Haus haben will, hat fürs Sein also weniger oder sogar kaum noch Zeit.

“ Wer kaufen will, braucht Geld, muss viel arbeiten — und sich auch noch um seinen Besitz kümmern“

WAS MEINEN SIE GENAU MIT HABENZIELEN UND SEINSZIELEN?

Man strebt mit Habenzielen nach materiellen Gütern. Der Wunsch nach dem neuesten Smartphone oder Auto wäre ein typisches Habenziel. Seinsziele beschreiben dagegen meist einen Wunsch nach persönlicher Entwick-

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lung – sie sind umsonst zu haben. Wer sich vornimmt, eine gute Beziehung zu führen, gelassener zu sein, singen oder Italienisch zu lernen, hat sich Seinsziele gesetzt. Sie sind immer eng mit persönlichem Einsatz verbunden. Ich muss mich verändern, Energie aufwenden, um sie zu erreichen. ÜBER DEN KONFLIKT ZWISCHEN „HABEN“ UND „SEIN“ HAT SCHON ERICH FROMM GESCHRIEBEN …

Wir können wählen, “ ob wir unsere Ziele eher über Haben oder über Sein erreichen“

Der Philosoph Erich Fromm, der sein Buch ja in den 70ern veröffentlichte, war sehr streng in seinen Ansichten. Für ihn war klar, dass wir uns möglichst vollständig von Habenzielen lösen sollten. Sein Credo: Um ein gutes Leben zu führen, müsse man sich auf die Seinsziele konzentrieren. Fromm setzte das Habenwollen mit Gier und dem oberflächlichen Streben nach Statussymbolen gleich, während ein Lebensstil des Seins sich für ihn ums Lernen, Lieben und Erfahren drehte. Die erfülltesten Menschen waren für ihn Mönche oder Nonnen, die nur wenig besitzen und sich aufs Sein konzentrieren. So einfach ist es aber nicht. WIE IST ES DENN DANN?

Für mich hat beides, das Haben und das Sein, eine Berechtigung in unserem Leben. Die sozialpsychologische Forschung zeigt immer wieder, dass wir eigentlich nur eine Handvoll Grundbedürfnisse haben, nach denen wir streben. Wir wollen unser Leben unter Kontrolle haben, uns sicher fühlen, unsere Identität schützen und irgendwo dazugehören. Außerdem mögen wir es, wenn unsere Neugier befriedigt ist. Um diese Bedürfnisse zu stillen, können wir Seinsmittel 60

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oder Habenmittel einsetzen. Und das ist auch der Kern meiner Theorie: Der Wunsch, zu haben oder zu sein, bezieht sich auf die gleichen Bedürfnisse. Und wir können wählen, ob wir diese eher über den einen oder den anderen Weg befriedigen. Sich diese Wahlfreiheit bewusst zu machen ist spannend. WARUM IST DIESE BEWUSSTWERDUNG WICHTIG?

Zum einen geht es darum, dass man nicht mehr moralisch bewertet. Nicht jedes Habenwollen ist falsch, nicht jedes Sein ist hilfreich. Aber zu wissen, dass man sich immer wieder entscheiden kann, welchen Weg man einschlägt, kann unkritischen Konsum einschränken. Aber auch unreflektierten Rückzug ins „Sein“. Wenn ich in einer Zeit der Unsicherheit lebe, kann ich also entweder versuchen, durch Arbeit und das Anhäufen von Gütern mein Gefühl von Kontrolle zu erhalten. Oder ich kann mich mit anderen zusammentun, mich der Meditation zuwenden oder versuchen, in meiner Familie und mit meinem Partner einen nahen Kontakt zu haben. Gerade heute kann man gut sehen, dass es viele Menschen gibt, die auf die Verunsicherungen in der Welt mit Sein reagieren – und nicht mehr mit Haben. Das finde ich ermutigend, auch für die Zukunft der Welt. DAS KLINGT ABER DOCH SO, ALS WÄRE DAS SEIN GESÜNDER FÜR DIE WELT ALS DAS HABEN?

Natürlich hatte der uneingeschränkte Konsum, der etwa für die 50er- und 60er-Jahre typisch war, viele ökologische Nachteile. Das Übergewicht


wissen, ob am Ende das herauskommt, was man sich wünscht. Vielleicht wollen die Freunde gar nicht mehr Nähe als bisher, und das mit dem Instrument klappt auch nicht so, wie man dachte. Die Belohnung durch Seinsziele ist nicht unmittelbar. Aus dem Grund ist es verständlich, dass viele Menschen sich immer wieder auch über das Haben gute Gefühle verschaffen. des „Habenwollens“ hat verheerende Auswirkungen. Aber dennoch ist nicht das Haben das Problem, sondern die Unreflektiertheit. Wenn man, wie es heute viele Menschen tun, ökologisch korrekt einkauft, kann man mit einem typischen Habenziel (Konsum) ein Seinsziel (intakte Umwelt) verfolgen. Diese Art Zusammenspiel von Haben und Sein, das immer mehr Menschen wählen, finde ich spannend. Da ist im Moment vieles im Wandel. Gerade die jüngere Generation ist oft mit Eltern aufgewachsen, die 18 Stunden am Tag mit Arbeiten beschäftigt waren, dabei aber nicht unbedingt glücklich wirkten. Die Jüngeren möchten so nicht leben. Wenn ich mit meinen Studenten über berufliche Pläne spreche, sagen viele beispielsweise, dass sie bei der Wahl des Arbeitgebers darauf achten wollen, dass auch Teilzeit möglich ist oder Sabbaticals. Sie wollen Zeit haben, um Seinsziele zu verfolgen.

Psychologie, kämpfte mit Motivationsproblemen und Schlafschwierigkeiten. Ich ging zum Arzt, und der sagte mir, ich solle mich schonen. Als ich dann zu Hause saß und nicht arbeitete, bemerkte ich, wie viel Zeug ich angehäuft hatte – und wie wenig es mir bedeutete. Ich fing an auszumisten. Nach vier Wochen waren es 70 Säcke und 300 Bücher, die ich vor die Tür gestellt hatte. Ich besaß nur noch zehn Prozent meiner Kleidung. Beim Aufräumen fiel mir dann auch das Buch von Fromm, Haben oder Sein, in die Hände. Ich las mich – wieder einmal – darin fest. Und spürte, wie ich Lust bekam, mich wieder mit psychologischen Themen zu beschäftigen. Diese Begeisterung hatte ich eine Weile schmerzlich vermisst.

UND DENNOCH IST KONSUMVERZICHT JA MITTLERWEILE FAST ZEITGEIST. WIE KOMMT DAS?

Die Anfänge des Umdenkens liegen wohl in der Umweltbewegung. In den 80ern wurde vielen erst deutlich, dass Konsum zu viel Müll produziert, zu viele Rohstoffe verbraucht. Heute ist uns das klar, wir haben angefangen zu verzichten. Auf Verpackungen oder aufs Auto. Erst waren es wenige. Inzwischen ist es leichter geworden, ökologisches Handeln ist Mainstream. Wenn man sich mit Freunden ein Auto teilt, bekommt man heute Anerkennung dafür. Und wenn ich meinen Studenten erzähle, dass ich in eine kleinere Wohnung gezogen bin, weil ich nicht so viel Konsumgüter anhäufen will, dann finden sie das gut. Ich empfinde es als großen Fortschritt, dass Verzicht und ökologisches Bewusstsein mittlerweile überall als erstrebenswert gelten. Das bringt Haben und Sein mehr in Balance. ●

TEXT SIND SIE DURCH DEN KONTAKT MIT DEN STUDIERENDEN AUF DAS THEMA GEKOMMEN?

Nein, ich wurde vom Leben darauf gestoßen. Bis vor zwei Jahren habe ich viel und sehr ehrgeizig gearbeitet. Doch dann ging es mir nicht mehr gut. Ich hatte keine Lust mehr auf die

WIRD DAS LEBEN AUTOMATISCH TIEFSINNIGER, WENN MAN DIE MATERIELLE SEITE REDUZIERT?

Zumindest öffnet sich der Raum dafür. Den muss man aber auch füllen können und wollen. Da liegt ein Problem. Denn das mit den Seinszielen ist nicht ganz einfach. Sie machen nicht nur Mühe. Im Gegensatz zu den materiellen Zielen ist der Erfolg nicht garantiert. Wenn man sich vornimmt, gute Freundschaften zu pflegen oder ein Instrument zu lernen, kann man nicht

WEITERLESEN?

✻ Jens Förster: Was das Haben mit dem Sein macht. Die neue Psychologie von Konsum und Verzicht (Pattloch)

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Lesen

Die Bücher meines Lebens In jeder Flow erzählen uns Buchmenschen von Leseerlebnissen, die sie besonders beeindruckt oder geprägt haben. Dieses Mal stellt uns Stella Haffmans, PR-Frau vom Verlag Rogner & Bernhard in Berlin, ihre fünf Lieblingsbücher vor

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ute Literatur hat eine subversive Kraft, die Fähigkeit zur Lebensirritation, die Platz für neue Gedanken schafft“, findet Stella Haffmans. Für die studierte Philosophin sind ihre Lieblingsbücher Weggefährten, die sie über viele Jahre immer wieder zur Hand nimmt – „denn ein Buch spricht ja immer wieder anders zu einem, je nachdem in welcher Lebenssituation man sich gerade befindet“. Und das hinterlässt Spuren in ihnen, farbige Markierungen, Notizzettel, Anmerkungen, das muss so sein, dann findet man auch die wichtigen Stellen schneller. Schon als Kind hat sie sich in ihre Bücherwelten zurückgezogen, stundenlang, damals, als die Zeit noch unendlich schien und Langeweile kein Luxus, sondern meist eine Last war. Heute lebt die 42-Jährige mit Mann und zwei Töchtern in Berlin. Gelesen

wird natürlich immer noch – besonders gern auf der Toilette, „einem völlig unterschätzten Rückzugsort, gerade wenn man kleine Kinder hat“.

1. Goethes naturwissenschaftliche Schriften haben Stella „total umgehauen“ 2. Tee, Buch und Sitzsack sorgen für einen entspannten Feierabend 3. Ihre Lieblingsbücher liest Stella immer wieder, die wichtigsten Stellen sind markiert

Stellas fünf Favoriten: MICHAEL ENDE – MOMO

„Michael Ende hat mich intensiv durch meine gesamte Kindheit begleitet, und noch heute muss ich an Sätze von ihm denken, die mich geprägt haben. Momo ist eine märchenhafte Parabel über unseren Umgang mit Zeit und Geld. Eine Warnung, nicht alles der Effizienz zu opfern, weil man am Ende nur verliert und nichts gewinnt. Das Buch hat meine Wahrnehmung geschärft für das, was im Leben wirklich wichtig ist. Ich glaube, das Buch versteht man als Kind sogar noch besser als als Erwachsener, weil man noch einen unverstellten Blick auf

das Leben hat. Eltern drängeln immer nur und haben es eilig. Und warum? Weil sie Geld verdienen müssen, damit man in den Urlaub fahren kann, um dort endlich mal Zeit zu haben. Das ist völlig absurd, aber jedem Kind sofort klar. Deshalb mag ich fantastische Geschichten, weil sie Dinge darstellen können, die man mit realistischen Mitteln nicht ausdrücken kann.“ JOHANN WOLFGANG VON GOETHE – FARBENLEHRE

„Irgendwann liest man Goethe, weil man muss. Bei mir war es im Studium so weit – er hat mich total umgehauen.

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1. „Wasserfrauen in der Literatur haben mich schon immer fasziniert“ 2. Der Buddha auf der Toilette erinnert Stella daran, dass in der Ruhe die Kraft liegt

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hab Vertrauen. Damit gibt man seinem Nachwuchs wohl das Allerwichtigste mit auf den Weg. Und: Es funktioniert! Hodgkinson arbeitet mit tollen Bildern, seine Idealvorstellung einer Eltern-Kind-Si tuation ist eine große Wiese, auf der einen Seite ein Festzelt für die Eltern, auf der anderen Seite genug Platz für die Kleinen zum Spielen. Beide Parteien sind glücklich und gehen sich nicht auf die Nerven. Das Buch ist aber auch eine Konsumkritik vom Feinsten. Und das merke ich auch bei meinen Mädchen: Je mehr materielle Dinge sie zur Verfügung haben, desto mehr Streit gibt es. Wenn man sie aber Schlitten fahren lässt, dann ist sofort Gaudi.“

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Seine naturwissenschaftlichen Schriften sind hochphilosophisch. In der Farbenlehre entfaltet er ein dualistisches, dynamisches Weltbild, das einen auch seine Literatur besser verstehen lässt. Und es sind viele Sätze drin, die ich in meinem Herzen bewahre. Goethe glaubt an das Prinzip, dass es überall entgegengesetzte Elemente gibt, die erst zusammen ein Ganzes ergeben. Diesen dualen Prinzipien begegnet man ja auch oft im Alltag: Der eine Tag ist schlecht, der nächste gut, man streitet und versöhnt sich … Für mich hat die Vorstellung etwas Tröstendes, weil ich weiß, es geht wieder bergauf, wenn es grad mal nicht so gut läuft.“ DIETER WELLERSHOFF – DIE SIRENE

„Wellershoff sieht Literatur als Probebühne für existenzielle Erfahrungen, und in der Sirene beschreibt er etwas, was für mich das Wesen von Literatur ausmacht: Etwas bricht in eine ver64

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meintlich fest gefügte Welt ein, bringt sie ins Wanken – und ermöglicht so neue Erkenntnisse. Hier ist es eine geheimnisvolle Anruferin, die in das Leben eines Hochschulprofessors eindringt. Wie bei Odysseus lockt die Sirene aus einer mystischen Welt und wirft den Protagonisten aus der Bahn. Er schafft es nicht, die Krise als Chance zu begreifen. Aber genau das ver suche ich in meinem Leben zu tun, das hat mich schon oft weitergebracht.“ TOM HODGKINSON – LEITFADEN FÜR FAULE ELTERN

„Dieser Erziehungsratgeber war eine Offenbarung für mich, weil ich zwei Kinder habe, die ich auch mal anstrengend finde. Dabei ist alles ganz einfach. Hodgkinson sagt: Ihr macht das schon richtig, wenn ihr euch nur endlich mal entspannt und auch mal lacht. Die Hauptregeln sind: Lass dein Kind in Ruhe und

YOTAM OTTOLENGHI – GENUSSVOLL VEGETARISCH

„Wenn man hungrig in diesem Buch blättert, dann ist man verloren, so schön sind die Bilder. Als Kind wurde ich als Vegetarierin immer belächelt, und heute gibt es endlich so tolle Kochbücher – und so entspannte Köche wie Ottolenghi, der das Thema gar nicht militant angeht, sondern auch angibt, welches Fleisch zu den jeweiligen Rezepten passen würde. Es ist wirklich das einzige Kochbuch, das ich immer wieder zur Hand nehme, egal ob ich Gäste bewirte oder die Familie glücklich machen will. Ottolenghi ist ein Global Foodie – in seinen Gerichten trifft Morgenland auf Abendland. Wer weltoffen ist und das mal ausprobiert, wird mit purer Sinnlichkeit belohnt. Das ultimative Sommergericht ist übrigens die Wassermelone mit Feta.“

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Für die wichtigsten Dinge

braucht man keinen Appl Nach dem Tod ihrer Großmutter wird Thaïs Leblanc mit einem seltsamen Testament konfrontiert. Es führt sie zum wundersamen Cirque perdu und seinem Direktor Papó. Plötzlich muss Thaïs sich entscheiden: Will sie weiter ein normales Leben führen oder endlich beginnen, ihren eigenen Weg zu gehen?

256 Seiten Ein zauberhafter Roman voller Atmosphäre und französischem Charme.

»Wunderschön geschrieben und sehr bewegend.« Jojo Moyes Alle dachten, es wäre für immer – alle lagen falsch. Vier Frauen und die lebende Legende Ernest Hemingway zwischen Südfrankreich, Paris, Kuba und Key West.

368 Seite Ein herzzerreißender, großartig erzählter Roman über das Scheitern vierer Frauen an einem charismatischen Mann und erfolgreichen Schriftsteller.

Hoffmann und Campe


BLUMEN PRESSEN Wer bei getrockneten Blüten und Blättern an den Biologieunterricht oder die 70er-Jahre denkt, ist nicht auf dem Laufenden. Das Herbarium ist wieder da, in seiner ganzen Schönheit. Ein Bericht über die Freude, Pflanzen zu pflücken, zu pressen, zu sammeln – und anzuschauen

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lötzlich begegneten uns bei Flow zu den verschiedensten Gelegenheiten gepresste Blumen. Zuerst hat uns ein Leser ein Herbarium aus dem Jahre 1966 zugesandt. Es waren 30 Blätter mit gepressten Pflanzen, die uns sofort in Begeisterung versetzten. Zufällig lasen wir zur selben Zeit die Geschichte der Autorin Miek Zwamborn, die dem Weg eines Herbariums aus dem Jahr 1863 gefolgt ist. Auf einem Blog sahen wir die gepressten Blumen von Gemma Hayden Blest. Und gerade ist bei Eden Books Das kleine Herbarium erschienen. Das Thema liegt in der Luft … und darum haben wir mit fünf HerbariumLiebhabern über ihre Leidenschaft gesprochen.

EINE GEPRESSTE BLUME IST FÜR MICH DAS SCHÖNSTE REISESOUVENIR“

Saskia de Valk vom Atelier Vlinder & Vogel ist eine der beiden Gestalterinnen des Kleinen Herbariums (einen Auszug daraus findest du als Extra zwischen Seite 70 und 71) „Ich arbeite schon seit etwa sieben Jahren mit frischen Blumen – für die Dekoration bei Veranstaltungen und Präsentationen. Ab und zu gebe ich einen FloristikWorkshop. Daneben habe ich für mich selbst immer Blumen gepresst. Mit einer Blüte oder einem Blatt kann ich immer etwas assoziieren. Einen Ort oder einen besonderen Moment. Von einer Reise bringen sich viele Menschen gekaufte Souvenirs mit oder machen unterwegs viele Fotos als Andenken. Ich finde es aber schöner, eine Blüte oder ein Blatt zu trocknen und mit nach Hause zu nehmen. In einem Reisetagebuch habe ich zum Beispiel eine Blume von einem Berg in der Schweiz und eine aus dem New Yorker Central Park. 66

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Ich schreibe ein paar Zeilen dazu, manchmal zeichne ich auch noch etwas. Im Kleinen Herbarium sind zwei meiner Leidenschaften vereint: Zeichnen und Blumenpressen. Früher diente ein Herbarium der Wissenschaft. Bei mir ist das anders. Es geht mir mehr um Schönheit und das Festhalten eines besonderen Moments. Ich finde es faszinierend, wie eine Blume trocknet. Wenn du Geduld hast, wartest, bis sie wirklich trocken ist, wird sie wie Pergament. Ich habe zu Hause eine hölzerne Pflanzenpresse. Manchmal vergesse ich, was ich hineingelegt habe. Es gibt nichts Schöneres, als nach ein paar Monaten eine vergessene Blume herauszunehmen. Ich finde es auch wunderbar, wenn plötzlich ein schönes getrocknetes Blatt aus einem Buch flattert, das ich gerade aufschlage.“ vlinderenvogel.com

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MEIN HERBARIUM WAR EINE GELEGENHEIT, FREI DURCH DIE NATUR ZU STREIFEN“

Der Belgier Patrick Roey (65) schickte uns sein Herbarium von 1966, das er für die Schule angelegt hatte – für ihn wurde daraus weit mehr als eine Schulaufgabe „Unser Biologielehrer begriff sein Fach als ernste Sache. Ich musste circa 30 Pflanzen trocknen und ihre lateinischen Namen heraussuchen. Wir bekamen die Aufgabe bereits im Oktober, aber ich fing erst im März damit an, kurz vor dem Abgabetermin. Getrocknet habe ich die Pflanzen zu Hause – zwischen Zeitungspapier, obendrauf legte ich ein paar Bände einer dicken Enzyklopädie. Dann habe ich in einem Lexikon die lateinischen Namen nachgeschlagen. Ich war stundenlang damit beschäftigt. Katholische Schulen in Belgien waren


Inspiration

DIE GESCHICHTE DES HERBARIUMS Blumen und Pflanzen wurden bereits bei den alten Ägyptern gepresst und aufbewahrt. Der Italiener Luca Ghini (1490–1556) stellte für seine Studenten an der Universität von Bologna das erste echte Herbarium her. Es war die ideale Art, Blumen und Pflanzen zu katalogisieren. Später legte jeder Botaniker sein eigenes Herbarium an. In der Zeit der Expeditionsreisen segelte fast immer auch ein Botaniker mit. Im Goldenen Zeitalter wurde viel experimentiert, um die besten Verfahren zum Pressen und Aufbewahren von Pflanzen zu entwickeln, beispielsweise hinter Glas oder auf lichtempfindlichem Papier. Anfangs bezeichnete das Wort „Herbarium“ ein gebundenes Buch, später kamen die ersten losen Kartonblätter auf, die das Austauschen und Kategorisieren leichter machten. Die größte Herbariumsammlung befindet sich in den Londoner Kew Gardens, einer großen Parkanlage mit Gewächshäusern und wissenschaftlichem Institut.

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Aus der Herbariumserie von likestationery.com

damals streng. Und meine Eltern waren es auch. Ich durfte eigentlich nichts, nur Latein lernen und die Bibel lesen sozusagen. Wir wohnten in Mechelen. Nachmittags einfach rauszugehen war mir nicht erlaubt. Das Herbarium bot mir immer wieder die günstige Gelegenheit, dieses Verbot zu um gehen und drei Stunden lang frei durch die Natur zu streifen. Die Mittwochnachmittage, die ich dafür hatte, gehören zu meinen glücklichsten Jugenderinnerungen. ,Mama, ich muss kurz raus – wegen des Herbariums‘, so höre ich mich noch sagen. Rückblickend bin ich froh, dass sich das Blumen pressen von einer lästigen Schularbeit zu einer Sache entwickelt hat, die mein Leben bereicherte. Denn Natur ist etwas Wunderbares. Es gibt zum Beispiel eine Wildblume, die du im Sommer in den Dünen findest, die nur nachts blüht. Solche Naturphänomene sind beeindruckend, aber kaum jemand kennt sie noch.“

ICH BIN AM RHEIN ENTLANGGERADELT, " AUF DEN SPUREN DER EINGEKLEBTEN PFLANZEN“ Die Schriftstellerin Miek Zwamborn fand ein Herbarium, das ein Ehepaar zwischen 1863 und 1873 angelegt hatte. Sie hat die Fundstellen der Pflanzen einen Sommer lang aufgesucht und ein Buch daraus gemacht „Vor 150 Jahren war das Fotografieren nur wenigen Menschen möglich. Ein Herbarium anzulegen war zu der Zeit eine schöne Art, Erinnerungen lebendig zu halten. Als Information zu den Blumen sind in dem, das ich gefunden habe, 68

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nur die Fundstelle und das Datum angegeben; es ist keine botanische Studie. Ich stelle mir vor, dass sich das Ehepaar wieder an die Reise und die besuchten Orte erinnerte, wenn es gemeinsam in dem Herbarium blätterte. Es beginnt mit der Hochzeitsreise nach Deutschland – das steht in schwungvollen Buchstaben unter der ersten Blume. In den folgenden Jahren besuchte das Paar Orte in Belgien und sammelte Blumen und Blätter in Südlimburg. Ich bin den Rhein entlanggeradelt, um zu schauen, wie die Orte heute aussehen – und um mir die Reise vorstellen zu können. Ich hatte bereits die Idee, ein Buch darüber zu schreiben. Manche Orte auf der Route sind heute Ausflugsziele. Damals war das Paar dort vielleicht allein. Ich kam an Gebäuden, Brücken und Bäumen vorbei, die beide auch gesehen haben müssen. Die gleichen Blumen zu pflücken war nicht mehr möglich, denn ein großer Teil der in dem Herbarium verewigten Flora gehört inzwischen zu den seltenen Arten. Ich bin keine Botanikerin; ich habe Pflanzen gepflückt, deren Namen ich oft nicht einmal kannte. Es gibt unglaublich viele verschiedene Arten. Auf den Spuren des Ehepaares bin ich in den Kew Gardens in London gewesen, wo das größte Herbarium Europas zu sehen ist. Meine Sammlung wurde dort mit Stirnrunzeln betrachtet. Sie war offenbar nicht so angelegt, wie es sich gehört. Für mich war es anfangs schwierig, zu entscheiden, welche Pflanze ich für mein Herbarium mitnehmen soll. Irgendwann merkte ich, dass ich mich schneller entscheiden kann, wenn ich ein bestimmtes Ereignis oder eine interessante Begegnung mit der Pflanze verbinde. Wahrscheinlich hat das Ehepaar es genauso gemacht.“ miekzwamborn.nl/de; kürzlich ist ihr Roman Wir sehen uns am Ende der Welt auf Deutsch erschienen (Nagel & Kimche, 22,90 Euro)

DER TRICK IST, DIE BLUMEN MÖGLICHST " DIREKT NACH DEM PFLÜCKEN ZU PRESSEN“ Die Engländerin Gemma Hayden Blest, eine junge Setdesignerin, die viel mit Blumen arbeitet, begann vor einiger Zeit mit dem Pressen und Rahmen von Pflanzen, weil sie etwas Bleibendes schaffen wollte „Vor Jahren sah ich auf einem Flohmarkt in London eine wunderschöne Sammlung gepresster Blumen aus der Viktorianischen Zeit. Damals war es Mode, sie als Wanddekoration aufzuhängen. Ich war beeindruckt, wie gut die Blumen ihre Farbe behalten hatten, besonders gefielen


BLÄTTERE UM Z DEINEM KLEINE

HERBARIUM ...

mir auch ihre feinen Linien. Ich habe dann selbst mit dem Pressen von Blumen angefangen und viel experimentiert. Bei meiner Arbeit als Setdesignerin, etwa bei Modeshootings, setze ich vor allem frische Blumen ein. Die welken natürlich, aber ich wollte auch Kunstwerke schaffen, die bleiben. Dabei konzentriere ich mich vor allem auf das Pressen und Rahmen der vollständigen Pflanze. Ich möchte ihre Struktur zeigen. Ich habe auch ein persönliches Herbarium mit Pflanzen von Orten, an denen ich gewesen bin. Mimosen aus Südfrankreich, Vergissmeinnicht aus Big Sur an der kalifornischen Pazifikküste und eine Datura – auch Engelstrompete genannt – aus dem Laurel Canyon bei Los Angeles, wo ich jetzt wohne.

und Pflanzen. Es gibt mir viel Ruhe, wenn ich ein Blättchen oder eine Knospe ganz aus der Nähe betrachte und dann aufs Papier bringe. Ich bin nicht so genau, aber ich liebe es, etwas zu zeichnen, was ich sehe – auch wenn das Ergebnis nicht ganz mit der Wirklichkeit übereinstimmt. Hauptsache, ich kann mein Gefühl darin ausdrücken. Ich glaube, fast jeder kommt mal an so einen Punkt, an dem ihm alles zu viel wird. Seit ich an diese Grenze gestoßen bin, ist meine Sehnsucht nach der Natur noch stärker geworden; es ist ja auch nachgewiesen, dass sie beruhigt. Und manchmal reicht vielleicht schon ein Herbarium, um deine Sinne anzuregen. Sich einfach mal mit so einer simplen Sache zu beschäftigen wie mit der Schönheit einer gepressten Blume.“ maarjevandennoort.nl ●

Der Trick ist, die Blumen so schnell wie möglich zu pressen, am besten gleich nach dem Pflücken. Je länger du wartest, desto mehr welken sie, und das sieht man nach dem Pressen. Versuche, die Pflanze vor dem Pressen schon gut abzutupfen, sodass sie leichter trocknen kann. So verhinderst du auch, dass Schimmel entsteht. Am besten trocknet man zwischen säurefreiem Papier.“ haydenblest.com, Instagram: @haydenblest; unter apairandasparediy.com/2013/08/how-to-press-botanicals.html findest du Gemmas Tipps für das Pressen und Rahmen von Pflanzen (auf Englisch)

ES GIBT MIR RUHE, WENN ICH EIN BLÄTTCHEN " AUS DER NÄHE BETRACHTE UND ZEICHNE“

TEX Maartje van den Noort, Illustratorin und bildende Künstlerin, zeichnet häufig die Natur. Zusammen mit Saskia de Valk hat sie das Das kleine Herbarium gestaltet

„Ich sammle schon mein ganzes Leben immer mal wieder Blumen und Blätter, vor allem auf Reisen. Oder im Garten meiner Mutter. Tief in mir steckt die Sehnsucht, mehr über die Natur zu erfahren. Während eines Burn-outs vor ein paar Jahren arbeitete ich im Botanischen Garten. Ich hoffte, dabei auch meine Naturkenntnisse zu erweitern. Letztlich hatte ich jedoch zu wenig Disziplin, außerdem habe ich meistens im Shop geholfen. Aber wann immer es zwischendurch möglich war, lief ich ein paar Schritte durch den Garten, schaute, wie sich alles entwickelte. Ich staune immer wieder über all die Blumen und Pflanzen, die draußen wachsen. Wahrscheinlich werde ich mir nie die Zeit nehmen, mich wirklich in die Materie zu vertiefen. Durch mein kleines persönliches Herbarium aber beschäftige ich mich nun doch mit der Flora – und das auf sehr schöne Weise. Seit drei Jahren zeichne ich auch häufig Blumen

Ein schönes Buch, unter anderem über das Gewächshaus in Kew Gardens und einen Botaniker, der mit James Cook zur See fuhr, ist Das Wesen der Dinge und der Liebe von Elizabeth Gilbert

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BÜCHLEIN FÜR BLUMEN Dieses Sammelheft ist für die Momente gedacht, in denen du Zeit für die Natur hast. Du kannst Blätter hineinkleben oder Blüten darin trocknen, die du auf einem Spaziergang gepflückt hast. Außerdem findest du viel Platz, um spontane Zeichnungen zu machen und flüchtige Gedanken aufzuschreiben

SPAZIERGANG DURCH DIE NATUR

In unserem Heftchen findest du einen Auszug aus dem Buch Das kleine Herbarium, gestaltet von Saskia de Valk vom Designstudio Vlinder & Vogel und der Illustratorin Maartje van den Noort. Saskia bindet beruflich schon seit Jahren (am liebsten Wiesen-)Blumensträuße, und Maartje macht wunderschöne Naturzeichnungen. Gemeinsam haben sie aus diesen beiden Leidenschaften ein kleines Buch gemacht: ein Buch zum Zeichnen und Aufbewahren von Blüten und Blättern. Mit Platz

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zum Einkleben von Fundstücken, mit zahlreichen Tipps und Tricks, Wissenswertem – Wie hieß noch mal diese Blume, dieser Baum? – und mit vielen schönen Illustrationen. Praktisch: Das Buch ist mit einem Gummiband ausgestattet, sodass alles, was du gesammelt hast, gut zusammengehalten wird. Das kleine Herbarium (Eden Books, 9,95 Euro)

Du darfst übrigens nicht einfach alles pflücken. Wenn du „Liste der gesetzlich geschützten Pflanzen“ googelst, findest du entsprechende Informationen.

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Als er die zarte Pflanze erblickte, beugte er sich ehrfürchtig hinab und lockerte um Wurzeln und Moos behutsam die feine Erde – damit seine Hand die Pflanze nicht verletze. Übersetzung der 1. Strophe des Gedichts De Akelei von Ida Gerhardt

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SCHREIBEN GEGEN STRESS Stress am Arbeitsplatz? Dann notiere drei schöne Dinge, die du heute erlebt hast, und denke darüber nach, warum sie geschehen sind. Das hilft. Joyce E. Bono, Professorin für Management an der Universität Florida, hat in einer Untersuchung festgestellt, dass es tatsächlich so einfach ist

WIE KAMEN SIE ZU DER ANNAHME, DASS DAS AUFSCHREIBEN SCHÖNER DINGE DABEI HELFEN KÖNNTE, ARBEITSSTRESS ABZUBAUEN?

Wir wussten aus anderen Studien, dass es generell heilsam ist, positive Erlebnisse zu notieren. Doch bisher ging es immer nur um Personen, die sich bewusst zum Schreiben entschieden hatten, weil sie beispielsweise unter Ängsten oder Depressionen litten. Es gab keinen Beweis dafür, dass das Schreiben auch Menschen hilft, die nicht psychisch belastet sind. Wir wussten auch nicht, ob es etwas bringt, Positives zu Papier zu bringen, ohne sich weiter Gedanken über die Wirkung zu machen. Unsere Ausgangsfrage war also: Muss man Positives bewusst aufschreiben, damit es gegen Stress hilft, oder ist schon das reine Niederschreiben nützlich? WIE WAR IHR VERSUCH ANGELEGT?

Wir hatten 60 Versuchspersonen, ausschließlich Frauen, die in Krankenhäusern tätig waren, unter ihnen Krankenschwestern, Empfangspersonal und Laborantinnen. Wir baten sie, mithilfe eines Computerprogramms dreimal pro Tag zu melden, was an jenem Tag geschehen war und wie gestresst sie sich fühlten. Wir maßen dreimal täglich ihren Blutdruck und abends fragten wir sie in einem telefonischen Interview nach Stress und körperlichen Beschwerden. Das taten wir drei Wochen lang. Nach der Hälfte der Zeit baten wir die Versuchsteilnehmer, am Ende jedes Arbeitstages drei schöne Erlebnisse aufzuschreiben, die sie an jenem Tag gehabt hatten, und auch, darüber nachzudenken, warum sie passiert waren. Wir verrieten allerdings nicht, dass wir wissen wollten, welchen Effekt das auf ihr Stresslevel hatte. 72

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UND WAS WAR DAS ERGEBNIS?

Es stellte sich heraus, dass die Teilnehmer der Studie sich weniger gestresst fühlten, wenn sie bei der Arbeit auch Schönes erlebt hatten. Sie hatten einen niedrigeren Blutdruck und konnten abends besser abschalten. Wenn sie dazu noch jeden Tag bewusst drei schöne Erlebnisse aufschrieben, sank das Stresslevel noch weiter ab, und zwar um ganze 15 Prozent. Die Frauen klagten weniger über Kopfschmerzen, Bauchschmerzen, trübe Gedanken und Muskelverspannungen und sie konnten sich besser konzentrieren. Dafür konnten sie abends besser von der Arbeit abschalten. EIGENTLICH UNGLAUBLICH …

Ja, dass Schreiben einen so starken Einfluss hätte, haben wir auch nicht gedacht. Wahrscheinlich spielte eine Rolle, dass wir die Versuchspersonen baten, darüber nachzudenken, warum die positiven Momente entstanden sind. Sie sollten sich also nicht nur notieren: „Mein Chef hat mir ein Kompliment gemacht“, sondern dazu noch: „Und zwar deshalb, weil ich das und das gut gemacht habe.“ Das Entscheidende ist, dass man dann aktiv über die positiven Erlebnisse und den eigenen Einfluss darauf nachdenkt – und das stärkt. WAS HABEN IHRE VERSUCHSPERSONEN NOTIERT?

Das war sehr unterschiedlich. Es betraf nicht nur Positives über ihre Arbeit, sondern sie schrieben auch Alltägliches auf. Beispielsweise „Ich hatte ein nettes Telefongespräch mit meiner Freundin“ oder „Mein Baby hat gelächelt“. Wir hatten erwartet, dass solche kleinen Dinge keinen Effekt auf das Stresslevel haben würden, aber das erwies sich als Irrtum.


Forschung

SCHREIBEN SIE DENN JETZT AUCH JEDEN TAG?

Nicht jeden Tag, das muss ich zu meiner Schande gestehen. Aber ich denke immer wieder bewusst über das Positive in meinem Leben nach. Manchmal lege ich eine Liste mit negativen Dingen an und stelle dieser eine Positivliste gegenüber. Das hat mich verändert, auch in meiner Rolle als Vorgesetzte. Früher war ich hauptsächlich darauf fokussiert, was schieflief. Das ist bei uns Menschen evolutionär bedingt, half in der Steinzeit beim Überleben. Doch in der heutigen Zeit ist zu viel Konzentration aufs Negative ungesund. Daher versuche ich jetzt stets, das Positive zu sehen. Untersuchungen haben übrigens ergeben, dass es effektiver ist, die positiven Dinge wirklich aufzuschreiben, als nur an sie zu denken. Wenn man sie aufschreibt, denkt man länger und intensiver über sie nach. Es hilft auch, Positives mit anderen zu teilen. WELCHE REAKTIONEN GAB ES AUF IHRE STUDIE?

Ich habe in den 15 Jahren meiner wissenschaftlichen Tätigkeit Forschungsergebnisse publiziert, die wichtiger waren als dieses, aber noch nie habe ich so viel Aufmerksamkeit erfahren. Ich glaube, viele haben den Eindruck, dass wir heute in besonders stressigen Zeiten leben. Darum ist es eine Erleichterung, zu erfahren, dass kleine, einfache Strategien Abhilfe schaffen können. Ich meine dabei nicht nur das Aufschreiben von positiven Erlebnissen, sondern auch die Erkenntnis, dass angenehme Erfahrungen bei der Arbeit ganz konkret Auswirkungen auf die Gesundheit haben können. Ein Kompliment vom Chef, und siehe da: Der Blutdruck sinkt.

zu einem anderen Unternehmen und beschloss, meine Leute nicht länger auszupressen. Stattdessen redete ich viel mit ihnen und bezog sie in Entscheidungen mit ein. Und was zeigte sich? Diese Art zu arbeiten war kommerziell genauso erfolgreich, und die Arbeitnehmer fühlten sich gut dabei. WAS WÜRDEN SIE MANAGERN DENN ANGESICHTS DER STUDIENERGEBNISSE EMPFEHLEN?

Konzentriert euch nicht nur auf das, was falsch läuft, sondern in erster Linie auf das, was gut funktioniert. Macht euren Leuten dann und wann ein Kompliment, wenn sie ihre Arbeit gut gemacht haben. Und tut das öffentlich. So schafft man eine angenehme Atmosphäre. Das kostet nichts, und die Arbeitnehmer sind weniger gestresst. Allen rate ich, sich ein besonderes Buch oder Heft anzuschaffen, um sich darin regelmäßig positive Erfahrungen zu notieren, am besten täglich. Das Schöne an einem besonderen Notizbuch ist, dass man in einer stillen Stunde mal nachsehen kann, wie viel Gutes man im Laufe der Zeit erlebt hat. Wahrscheinlich stößt man dabei auf Ereignisse, die man längst vergessen hat. Etwas Positives aufzuschreiben ist in der heutigen Zeit, in der man ständig von digitalen Medien abgelenkt wird, besonders hilfreich. Man nimmt sich einen Moment Zeit und vergisst nicht so leicht, was wirklich im Leben zählt.

WARUM INTERESSIEREN SIE SICH EIGENTLICH SO FÜR STRESS AM ARBEITSPLATZ?

TEX Ich bin durch meine Forschungen über Mitarbeiterführung bekannt geworden. Leider ist es so, dass viele Unternehmen nicht besonders gut für ihre Arbeitnehmer sorgen. Zu oft verderben die Vorgesetzten den Mitarbeitern den Spaß an der Arbeit, verursachen selbst viel Stress. Große Unternehmen vergessen außerdem häufig, ihre Arbeitnehmer überhaupt wirklich als Menschen zu betrachten. Ich will Managern bewusst machen, wie wichtig das ist. Deswegen untersuche ich ihr Verhalten. Wie der Chef sich verhält, kann einfach sehr große Auswirkungen haben. HABEN SIE DAMIT AUCH PRAKTISCHE ERFAHRUNG?

Ja. Ich habe zunächst Karriere als Managerin in einer Unternehmensberatung gemacht und wurde dazu ausgebildet, meine Arbeitnehmer zu immer größeren Leistungen anzustacheln. Ich konnte das ziemlich gut, die Firma machte große Gewinne, aber mir gefiel das alles nicht. Ich wechselte

Noch mehr Notieren? Die Schriftstellerin Liane Dirks zeigt in ihrem neuen Buch, wie wir uns mit dem Schreiben von Belastungen befreien können: Sich ins Leben schreiben (Kösel)

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Einsicht

Das Gute

AM WARTEN Auf einen tollen Job warten, auf die Liebe oder eine neue Wohnung, das fühlt sich oft wie verlorene Zeit an oder wie Scheitern. Miese Gefühle entstehen aber vor allem durch den Druck von außen, weiß Mariska Jansen. Stillstand muss nicht negativ sein. Auch im Wartemodus passieren wichtige Sachen

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anchmal gerät das Leben ungewollt ins Stocken. Dann kommt es einem so vor, als würde man tage-, wenn nicht wochenlang nur noch auf der Stelle treten. Beispielsweise weil man krank wird, seinen Job verliert oder ein Ziel anstrebt, das zunächst unerreichbar zu sein scheint. Solche Phasen können Monate dauern, auch Jahre, ohne dass man viel Einfluss darauf hat. Oftmals bleibt uns dann nichts anderes übrig, als zu warten. Mir ging es zuletzt so, als ich im Berufsleben nicht weiterkam. Ich langweilte mich in einem Bürojob, der nicht zu mir passte. Wie viele Bewerbungen ich auch schrieb, ich bekam keine der ersehnten Stellen. Die Ungewissheit, ob das immer so bleiben würde, ließ mich beinahe verzweifeln.

den Ton angibt, und nutzt sein ganzes Wissen über Tiere, um neben dem Tiger zu überleben. Nicht jeder kann mit dem Wartenmüssen so sinnvoll umgehen wie Pi. Einer meiner Singlefreunde beispielsweise akzeptiert einfach nicht, dass er keine feste Beziehung hat. Er ist in blinden Aktio nismus verfallen, ist ständig auf Singlewebsites unterwegs. Zeit für seine Freunde bleibt ihm kaum noch. Er ist unglücklich, gleich zeitig lebt er gar nicht wirklich. Er selbst sagt von sich, er warte nur ungeduldig auf ein besseres Später.

So ähnlich ging es mir auch lange. Ich ging ungern zur Arbeit, fühlte mich wie in einer Zwangsjacke. Irgendwann ergab ich mich der Situation und ließ mich auf den Nine-to-fiveBüroalltag ein. Ich vertiefte den Kontakt zu Kollegen, nahm In Wartephasen wirkt das eigene Leben ein bisschen wie Anteil an ihrem Leben. Doch innerlich war ich frustriert. eine Szene aus Schiffbruch mit Tiger, dem Roman des kanadischen Das Gefühl, auf der Stelle zu treten, zermürbte mich. Schriftstellers Yann Martel. Die fantastische Geschichte handelt von dem Jungen Pi, der zusammen mit einem bengaRUHE UND REBELLION lischen Tiger in einem Rettungsboot auf dem Ozean treibt. Doch warum all die Sorgen, sobald wir uns im Wartemodus Pi weiß nicht, wie lange er dort ausharren muss und ob er befinden? Warum predigen wir unseren Kindern: „Man überleben wird. Denn die Gefahr, dass der Tiger ihn anfällt, muss auch warten können“ – kriegen es aber selbst nie hin? ist groß. So kann Pi nichts tun außer warten, bis irgendetwas „Ich glaube, diese Generation hat das Warten nicht gelernt“, passiert. Sein Leben befindet sich in einer Art Vakuum. sagt Friederike Gräff und erinnert an die Zeiten der DDR, in denen Bürger stundenlang vor Geschäften in Schlangen STILLSTAND ZULASSEN standen. Gräff erzählt in ihrem Buch Warten. Erkundungen eines Wie geht man mit so einer Situation am besten um? Widerungeliebten Zustands von den verschiedenen Varianten dieses stand gegen das Warten ist jedenfalls zwecklos – erfahren wir eigentlich „unspektakulären Umstands“, wie sie sagt – der auch in Schiffbruch mit Tiger: „Wohin ich trieb, wurde vom Wind aber interessant werde, wenn man sieht, wie unterschiedlich und von der Strömung bestimmt“, sagt Pi. Er verharrt aber Menschen damit umgehen. „Warten kann etwas Widerstännicht nur schicksalsergeben, sondern nimmt das Jetzt mit diges sein, ein Sich-nicht-Abfinden mit der Gegenwart. Hingabe an. Er versorgt den Tiger, so gut er kann, fängt Fische Wer wartet, steigt aus dem schnellen Fluss des Gegebenen für ihn, lehrt ihn mit einer Trillerpfeife, wer auf dem Boot aus. Er verweigert sich dem Effizienzterror.“ Der Musiker Tom Petty hat einen Song über das Warten als Lebensphase geschrieben: The Waiting

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Manchmal passiert wochenlang nichts. Doch diese Phasen sind wichtig für unsere Entwicklung

Und dem hohen Tempo, das die Gesellschaft heute als normal vorgibt. So gilt als gesetzt, dass du vor deinem 25. Geburtstag das Studium abgeschlossen, mit 30 deine Karriere gesichert und mit 35 eine Familie gegründet haben solltest. „Wir setzen uns selbst unter Druck“, sagt Coach Tessa van Schoonhoven. „Unsere Ansprüche an uns und die latenten Erwartungen anderer geben uns das Gefühl, aus der Spur geworfen zu sein, sobald etwas nicht nach Plan läuft.“ Auch ich finde es unangenehm, wenn mein Tempo mit dem kollidiert, was von anderen als Norm empfunden wird. An meinem Geburtstag sagte neulich wirklich jemand zu mir: „Schon bald wirst du nicht mehr als vielversprechend gelten.“ Mit solchen Bemerkungen wollen andere uns einreden, dass wir hinter der Zeit zurück sind. Die Tatsache, dass jeder Mensch seine eigene Geschwindigkeit hat, wird dabei komplett ignoriert. Vielleicht ist man aber ja ein Typ, der drei Schritte vor geht und zwei zurück. Und vielleicht trifft man bei diesem scheinbaren Rückschritt plötzlich die Leute, die einen inspirieren. IN DER KASSENSCHLANGE

Doch einem anderen die Zeit zuzugestehen, die er eben braucht, fällt uns schwer – da wir uns diese Zeit auch selbst so selten nehmen. Kaum müssen wir irgendwo anstehen, auf eine Freundin warten oder auf den Arzt, der uns ins Sprechzimmer ruft, werden wir unruhig. Eine Studie des Instituts für Demoskopie Allensbach ergab, dass 43 Prozent von uns Warten als Stress empfinden. Diesem versuchen wir, mit Betriebsamkeit beizukommen – indem wir zum Beispiel zum Smartphone greifen. Haben wir gerade nichts, mit dem wir uns ablenken können, bekommen wir schlechte Laune. Und verfluchen den, der in der Schlange vor uns eine gefühlte Ewigkeit im Portemonnaie nach Kleingeld sucht. „Diese Wartezeiten sind Störmomente im Ablauf. Eigentlich sind wir in unserem streng durchgetakteten Tag und erledigen etwas, das wir für sinnvoll halten. Aber jemand schrecklich Langsames vorn an der Kasse hindert uns“, ergänzt Friederike Gräff, die sich darüber wundert, wie rasend uns diese drei Minuten Nichtstun oft machen – und wie euphorisch wir sind, wenn wir 30 Sekunden Zeit gewinnen, weil wir die Kassenschlange wechseln. Sie erklärt sich das damit, dass Warten oft ein Gefühl der Ohnmacht vermittelt. Und plädiert dafür, sich immer mal wieder bewusst zu machen, „wie unverhältnismäßig der Ärger über die kurze Verzögerung oft ist. Dann kann man versuchen, diese Zeit 76

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statt mit Zorn mit etwas anderem zu füllen. Während man in der Schlange steht, den Tag Revue passieren lassen oder beobachten, was die anderen Leute tun, während sie warten.“ PAUSEN ALS GESCHENK

Nicht nur im Alltag, auch im Leben allgemein erweisen sich Leerlaufphasen im Nachhinein oft als äußerst fruchtbar. Bevor es einem richtig bewusst ist, hat man eine wichtige Entwicklung vollzogen oder es tun sich neue Perspektiven auf. Denn es ist doch so: Solange wir wie ein Hamster beständig im Rad laufen, können wir nur schwer in uns gehen, mal gründlich nachdenken. „Wenn du aber gezwungenermaßen zu Hause sitzt, zum Beispiel weil du krank bist, kannst du neue Einsichten über dich selbst gewinnen“, erläutert Tessa van Schoonhoven. „Die einzige Voraussetzung ist, dass du dich dafür öffnest und deinen Träumen Platz machst.“ Wenn wir warten, kommt es uns oft so vor, als ob nichts geschähe. Genau das Gegenteil aber ist der Fall. Durch das Warten bekommst du Abstand zu den Dingen, mit denen du vorher beschäftigt warst. Und genau das trägt dazu bei, dass du innerlich reifst. Der französischen Philosophin Simone Weil (1909–1943) zufolge sind Wartezeiten wichtig, um sich in ungeteilter Aufmerksamkeit zu üben, „das Denken auszu setzen, den Geist verfügbar, leer und gleichzeitig offen zu halten“. Das sei, so Simone Weil, eine der schönsten Erfahrungen der Welt. Denn wenn wir uns dem Zustand hingäben, ermöglichten wir unserem tiefsten Inneren, zur Ruhe zu kommen, fand Weil. Die Seele könne dann dort hinreisen, wo sie wirklich sein will. Und vielleicht erhalte man so auch plötzlich Antworten auf Fragen, die den Kern des eigenen Lebens berührten. SÄEN, WARTEN, ERNTEN

Mir selbst wurde nach einer langen Zeit des Ausharrens in meinem ungeliebten Bürojob irgendwann bewusst: Während ich die ganze Zeit davon ausgegangen war, dass ich nicht weiterkam, hatte ich mich innerlich entscheidend entwickelt. Ich spürte plötzlich, dass ich offener geworden war. Und dass ich mir einen bestimmten Arbeitsrhythmus angeeignet hatte, der mir später von großem Nutzen sein sollte. So ist eine Lebensphase in der Warteschleife oft voller widerstreitender Gefühle. Mal ist es spannend, der Dinge


„Alles nimmt ein gutes Ende, für den, der warten kann“ LEO TOLSTOI

zu harren, mal macht jedoch genau das Angst. „Mich hat die Ausdauer von Menschen fasziniert, die lange auf etwas gewartet haben – auf die Rückkehr eines Menschen etwa oder den Erfolg eines Experiments“, sagt Friederike Gräff. „Diese wilde Hoffnung, die im Warten liegen kann!“ Eine Hoffnung, die auch für die Romanfigur Marie der Antrieb ist, über zehn Jahre zu warten – auf den Mann, den sie liebt und mit dem sie eine leidenschaftliche Affäre hat. In Die Kunst des Wartens, dem Debüt der französischen Romanautorin Catherine Charrier, kann die Hauptfigur dem ungewohnten Schwebezustand anfangs durchaus etwas abgewinnen, einen Kitzel, aber auch das Gefühl von Ruhe und Genügsamkeit: „Das Warten ist erholsam, denn es annulliert jede Wahlmöglichkeit. Alles, was man zu tun hat, ist warten.“ Und doch merkt sie irgendwann, dass das Warten sie zunehmend lähmt – und langsam aber sicher aus der Bahn wirft.

die es oft braucht, bis wir Gesätes ernten können. „Beim Warten hat man Zeit“, gibt auch Romanfigur Marie am Ende des Buches zu. Dabei resümiert sie das, was ihr in den über zehn Jahren, die sie damit verbrachte, ihre große Liebe herbeizusehnen, widerfahren ist. „Ich hatte Zeit, groß zu werden und ein kleines Mädchen zu bleiben. Ich hatte Zeit, über alles, was geschah, nachzudenken und zu grübeln. Man sagt, man habe sie nicht, aber man hat sie. Man hat Zeit, so viel man will.“ Und man weiß ja auch: In der Regel hat der scheinbare Stillstand irgendwann ein Ende. Wenn auch nicht immer das kommt, was man sich am Anfang erhofft hat. Der Mann, auf den Marie so lang gewartet hat, verlässt seine Frau nie. Aber Marie, die über die Zeit zu einer anderen geworden ist und genau das zum Schluss realisiert, beschließt, dass das Warten jetzt ein Ende hat. Und sie verlässt ihn nach einer letzten gemeinsamen, von ihr spektakulär inszenierten Nacht – hinein in ein neues Leben.

TEXT Denn natürlich ist das Warten auf etwas, das man sich ersehnt, meist lästig und schwer zu ertragen. Und Zeiten, in denen alles schnell und turbulent zugeht, scheinen die wesentlichen des Lebens zu sein: eine aufblühende Liebe, eine interessante Arbeit, eine intensive Leidenschaft, die Geburt von Kindern. Dabei übersieht man aber, dass die Zeit des Wartens die ist,

Auch meine endlosen Tage im Büro waren irgendwann vorbei. Eines Tages fragte mich eine Kollegin, ob ich ihren Job übernehmen könnte. Und das war für mich ein gewaltiger Schritt auf meinen Traumjob zu. Der wie ich die ganze Zeit gewartet hatte: auf die richtige Besetzung – mich eben.

Auf der nächsten Seite kannst du dir über Wartephasen in deinem Leben Gedanken machen

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ABWARTEN UND NACHDENKEN Auch wenn wir wissen, dass Leerlaufphasen zum Leben gehören, reagieren wir darauf meist ausgesprochen ungeduldig. Unsere Reflexionsfragen helfen dir zu verstehen, was diese Phasen bringen, und den Druck ein wenig herauszunehmen

1. Gibt es einen Bereich in deinem Leben, der gerade ins Stocken geraten ist? Beschreibe, wo es nicht weitergeht. Und schreibe auch auf, worauf du eigentlich wartest.

2. Wie könnte es dir gelingen, Wartezeiten im Leben gelassener zu sehen oder sogar zu genießen

3. Ein kurzer Rückblick: Gab es schon mal Phasen in deinem Leben, in denen du scheinbar auf der Stelle getreten bist? Und was hat sich später aus ihnen ergeben?

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Yen Jui Lin lebt in Taiwan und arbeitet mit Holz. Daraus macht er diese niedlichen kleinen Gesellen, die wir uns am liebsten alle ins Regal stellen würden. Eine Website hat der Künstler leider nicht, aber wenn du „Yen Jui Lin“ auf Pinterest suchst, dann findest du weitere Holzfiguren von ihm

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Glück im Glas

SPOIL YOURSELF Zeit für eine kleine Verwöhnpause

Wenn etwas zusammengehört, dann sind es die Skandinavier und Lakritz. Entsprechend erfinderisch sind sie darin, neue Geschmacksrichtungen zu kreieren. Wie zum Beispiel der Däne Johan Bülow von der Insel Bornholm, der die würzigen Süßholzwurzeln mit Salz, Chili, Frucht oder Karamell verfeinerte. Produziert werden die Leckereien in einem kleinen Werk nahe Kopenhagen, Original„Lakrids“ im hübschen Glas gibt es aber auch bei uns. Über lakrids.de, Glas 6,95 Euro

Schmeichler Spieglein, Spieglein in der Hand, du bist der schönste im ganzen Land. Und dank deines getönten Glases schauen wir auch unserem Spiegelbild zufrieden entgegen. Der Handschmeichler ist aus feinem Walnuss-, Eschen- oder Buchenholz geschnitzt und steckt in einer rosafarbenen Ledertasche. 39 Euro, bewooden.de

Toller Sound Passend zur Stimmung können wir uns hier Hintergrundgeräusche aussuchen: ✻ moodturn.com Zum Wegträumen: in den Regenwald, ans Lagerfeuer, zu den Delfinen oder einfach in den Garten. ✻ noisli.com Mixe deinen eigenen Sound: Wind, Wald, Wellen, das Rattern eines Zuges – oder alles zusammen. ✻ coffitivity.com Für alle, die im Café kreativer arbeiten können: leises Stimmengemurmel und Geschirrklappern.

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Faltkunst Schön und so entspannend: Aus Origamipapier falten wir Spatz, Schwan und Nachtigall. Wie es geht, zeigt eine App. Selbst Ungeübte schaffen den Kranich, in Japan Symbol für ein langes und glück liches Leben. Wer 1000 Kraniche gefaltet hat, sagt man, dem erfüllen die Götter einen Wunsch. Origami Vögel, für Android und iOS, 1,99 Euro


Bin kurz weg Wir haben es geahnt: Pausen machen glücklich. Ein Drittel der Menschen, die sich als lebensfroh bezeichnen, gönnt sich laut einer Forsa-Umfrage im Auftrag des Happiness Instituts jeden Tag freie Zeit. Drei Viertel der Lebens frohen frönt zumindest einmal pro Woche dem süßen Müßiggang. Und etwa 36 Prozent stehen bewusst früher auf, um dafür auch genügend Zeit zu haben.

Aus Wald und Wiese Tine Pagenberg liebt es, durch den Wald zu streifen. Schon als Kind zog sie mit ihrem Vater los, ging auf Fährtensuche und stöberte im Unterholz nach seltenen Pflanzen und Tieren. Jetzt lässt sich die Illustratorin auf ihren Spaziergängen im Teutoburger Wald inspirieren und bannt Dachs, Eule, Hase, Blätter und Blüten mit liebevollen Strichen auf Papier. In ihrem Atelier in Bielefeld entwirft sie reizende Kalender, Blöcke und Stempel. Beigebracht hat ihr das ihre Großmutter, Marga Marina – und so heißt deshalb auch Tines Label. margamarina.de

Sandra Götting, Roestbar

Anne Hinkel, Café Eliza

Isabell Busse, Marshalls Mum

TEXT Café to stay

Sandra Götting, Anne Hinkel und Isabell Busse haben wahr gemacht, wovon viele träumen – sie eröffneten ihr eigenes Café. Sie haben es mit Funden vom Flohmarkt und selbst designten Möbeln eingerichtet und verwöhnen ihre Gäste täglich mit feinen Leckereien und frisch gebrühtem Kaffee. In dem wundervoll bebilderten Band Sugar Girls erzählen die drei sowie 17 weitere Frauen ihre Geschichte. Warum sie ihr Leben als Augenoptikerin, Dekorateurin oder Friseurin für ihren Traum aufgaben und wie sie den Laden fanden, dem sie ihr Herz schenkten. Die Frauen verraten Lieblingsrezepte, zeigen einfache DIY-Ideen, die sie in ihren Cafés umgesetzt haben und die du nachmachen kannst – und geben praktische Tipps für all jene, die ab und an sehnsuchtsvoll sagen: „Irgendwann mache ich ein Café auf …“ Jana Henschel, Ulrike Schacht, Meike Werkmeister: Sugar Girls. 20 Frauen und ihr Traum vom eigenen Café (Callwey, 29,95 Euro)

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WEB SHOPPEN Egal wo man lebt – die schönsten Dinge sind nur einen Klick entfernt

ARTVOLL.DE Wandhaken „Hund“ von Ferm Living ✱ 20 Euro

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Jetzt wird’s warm

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Lampenschirm „Ocker“ ✱ 40 Euro

Senf mit Curry und Kokosnuss

Ledertasche „Flap Bag“

von Nicolas Vahé, 190 g ✱ 8,50 Euro

von Sticks and Stones ✱ 129 Euro

EDITED.DE Sneaker von Converse ✱ 44,90 Euro

MINIMARKT.COM Streichhölzer in Schachtel mit Retromotiv

SCANDINAVIANDESIGNCENTER.DE Salatteller „Sääpäiväkirja“ von Marimekko ✱ 21 Euro

IKARUS.DE Salz- und Pfeffermühle „Ori“

✱ 7,70 Euro

SKINNYLAMINX.ETSY.COM Kissenhülle „Abacus“ ✱ ca. 37 Euro

HM.COM Wollhut mit Krempe ✱ 13 Euro

MADEINDESIGN.DE

LYS-VINTAGE.COM

von Wrong for Hay ✱ 35 Euro

WEDNESDAY-PAPER-WORKS.COM Blankobuch „Charms“ ✱ 19 Euro

Stapelbarer Stahlsessel von Tolix ✱ 225 Euro

Plaid „Sailor Knit“ aus Cashwool von Louise Roe ✱ 189 Euro

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We Balkonien

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Vogelhaus ✱ 27,65 Euro

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SHOPGARTENZAUBER.COM Geschenkset „Chrysanthemum“ mit Schaufel und Forke ✱ 25,90 Euro

URBAN-DRINKS.DE „Rose Lemonade“ von Fentimans, 6 x 0,275 l ✱ 14,90 Euro

DAS-TROPENHAUS.DE Kühltank von Rice, 8 l ✱ 60,90 Euro

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DESIGN-3000.DE Thermometer „Schmetterling“ von Pluto

URBANOUTFITTERS.COM Lichterkette mit LED-Glühbirnen ✱ 27 Euro

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ROCATRONIC.DE Portabler Bluetooth-Lautsprecher

DAS-TROPENHAUS.DE Outdoorteppich „Samode Coral“

„BeoPlay A2“ von Bang & Olufsen ✱ 279 Euro

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IKEA.DE

12-teiliges Lunchset „Gusto“ aus Bambus von Biobu by Ekobo ✱ 89,90 Euro

Gartenhandschuhe „Kryddnejlika“ ✱ 1,79 Euro


JAN-KURTZ-ONLINE.DE Sonnenschirm „Hawaii“ ✱ 79 Euro

IKEA.DE Blumenampel „Socker“ ✱ je 4,99 Euro

PSIKHOUVANJOU.COM Melaminteller mit Motiv von Helen Dardik ✱ 5,95 Euro

LINUMDESIGN.COM Stuhlkissen „Osby“ ✱ 25 Euro

CONNOX.DE „Balkonzept“ zum Einhängen ins Geländer von Rephorm ✱ 129 Euro

TAKATOMO.DE Tablett „Mia“ von Overbeck and Friends ✱ 49,90 Euro

DESIGN-3000.DE Pflanzset „Pizza Chef“ ✱ 14,90 Euro

EMILUNDPAULA.DE Gartentischdecke „Ditte Indigo“

DAS-TROPENHAUS.DE Metalllaterne von Rice, 28 cm hoch ✱ 24,90 Euro

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von Greengate ✱ 32,80 Euro

MYKITA.COM In Handarbeit gefertigte Sonnenbrille „Omega“ ✱ 395 Euro

BANDO.COM Hülle für kalte Getränke, 4er-Set ✱ ca. 15 Euro

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Schmackofatz

BEAN2BAR2YOU.BE Milchschokolade mit gesalzenen Mandeln ✱ 8,30 Euro

SCHOKO-EXPRESS.DE Bioschokolade mit Kürbiskernen, Ginseng

DELINERO.DE Dunkle Schokolade mit 70 % Kakao

MANUFACTUM.DE Bitterschokolade aus Porcelana ✱ 8,80 Euro

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GOETTERSPEISE.INFO Milchschokolade mit Meersalzflocken ✱ 3,30 Euro

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DOLFIN.BE Zartbitterschokolade mit grünem Anis ✱ 2,80 Euro

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3 Tafeln à 100 g ✱ ca. 26 Euro

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und Muskatnuss ✱ 4,95 Euro

MUTTERLAND.DE Edelbitterschokolade mit fünf Pfeffersorten

TIENDA.CHOCOLATFACTORY.COM

Dunkle Schokolade mit Sauerteig und Meersalz ✱ 9,80 Euro

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Man lernt so viel, wenn man still ist und zuhört. SYLVIA PLATH (1932 –1963)


Das surreale Leben der

LEONORA CARRINGTON Die Malerin Leonora Carrington (1917–2011) kam aus einer reichen englischen Fabrikantenfamilie. Doch dieser kehrte sie den Rücken zu, um sich der Kunst zu widmen. Sie war mit Pablo Picasso befreundet, liebte den Surrealisten Max Ernst und lebte später in Mexiko, wo sie zur nationalen Ikone wurde

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Porträt

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Carrington und Max Ernst 1939 in Saint-Martin d’Ardèche, Frankreich, aufgenommen von Lee Miller

Carringtons Leben war genauso aufregend und mysteriös wie ihre Kunst

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Rechts oben: Ayusco 2 am, 1987 Rechts unten: Die Herberge des Morgengrauenpferdes (Selbstbildnis), 1937–1938

Als Leonora Carrington am 25. Mai 2011 mit 94 in Mexiko-Stadt starb, war der Baum, den sie in ihrem Innenhof gepflanzt hatte, so hoch, dass seine Zweige das Oberlicht ihres Mansardenateliers berührten. Ein halbes Jahrhundert hatte die charismatische Malerin und Schriftstellerin dort gelebt und gearbeitet. Sie zählt zu den großen Surrealisten. Kunstkenner nennen die gebürtige Britin im selben Atemzug mit Frida Kahlo und Salvador Dalí. Ihre farbenfrohen Gemälde muten wie an Traumbilder. Sie sind bevölkert von Fabelwesen wie Miniaturpferden oder Vogelmenschen, zugleich gespenstisch und magisch und geprägt von großer Individualität. REICH, CHARMANT, REBELLISCH Die Versuchung, das Werk autobiografisch zu deuten, liegt nah – immerhin ist Leonoras Leben voller Verwicklungen. Schon als junges Mädchen, das auf einem englischen Landsitz aufwuchs, war sie eine rebellische Träumerin, die sich leidenschaftlich in die Sagen vertiefte, die ihre irische Nanny ihr erzählte. Sie war fasziniert von fantastischen Romanen wie Alice im Wunderland und hing mit zwölf Jahren noch so an ihrem geliebten Schaukelpferd, dass ihr Vater es aus dem Haus werfen ließ. Leonora war verletzt, und dennoch blieb ihre Vorstellungskraft ungebremst. Die künstlerischen Ambitionen seiner Tochter lehnte der Vater ab. Der Textilfabrikant Harold Wilde Carrington hatte für Leonora ein Leben in der britischen Oberschicht geplant, für das sie auch alle Voraussetzungen mitbrachte: Sie war eine hinreißende Schönheit und Erbin des Familienvermögens, dazu ausersehen, am besten einen wohlhabenden Adeligen zu heiraten – und so das Haus Carrington in eine glanzvolle Zukunft zu führen. Allerdings sahen ihre eigenen Vorstellungen ganz anders aus. Sie verabscheute die endlose Abfolge von Debütantinnenbällen und Abendeinladungen. Für dieses enge gesellschaftliche Korsett war sie zu freigeistig, sie sehnte sich nach Unabhängigkeit. Bereits als Teenager war sie wegen „geistiger Defizite und unsozialen Verhaltens“ von zwei Klosterschulen verwiesen worden. TANZEN IM MONDSCHEIN Nur widerstrebend erlaubte der Vater ihr schließlich den Besuch einer Kunsthochschule – erst in Florenz, später in London. Das, so nahm er an, würde sie von größeren „Dummheiten“ abhalten. Doch durch sein Einlenken verlor er sie endgültig. Das Studium begeisterte sie so sehr, dass sie beschloss, ihr Leben der Malerei zu widmen. Die Leidenschaft für den Surrealismus war übrigens, sozusagen aus Versehen, von Leonoras Mutter entfacht worden, als sie der Tochter während des Studiums ein Buch mit dem Titel Surrealism schenkte. Dessen Cover zeigte das Bild Zwei Kinder werden von einer Nachtigall bedroht von Max Ernst. „Du weißt gar nicht, was für ein wundervolles Geschenk du mir gemacht hast“, sagte Leonora zu ihrer Mutter. „Eines Tages werde ich die Welt

sehen, wie Max Ernst sie gemalt hat.“ Kurz danach hatte sie die Gelegenheit, den Maler kennenzulernen, als er eine Ausstellung in London besuchte. Der 46-jährige verheiratete Maler verliebte sich sofort in die 19-jährige Schönheit und sie sich in ihn. Bereits tags darauf reisten sie gemeinsam mit weiteren Künstlern – Man Ray, Lee Miller, dem Ehepaar Paul und Nusch Éluard – zu einem Häuschen in Cornwall. Sie malten, diskutierten über Kunst, tanzten nackt im Mondschein durch den Garten. In diesen Nächten fand Leonora eine Freiheit, die sie nie wieder aufgeben wollte. GARANTIERT KEINE MUSE Als Max Ernst nach Paris zurückkehrte, beschloss Leonora, ebenfalls in die Stadt zu ziehen, in der ihr Geliebter lebte. Das Haupt argument für sie war allerdings, dass Paris das Zentrum der surrealistischen Bewegung war: „Wann immer ich irgendwohin reiste, ich tat es auf eigene Faust“, betonte sie später. Der Umzug markierte einen Bruch mit England und ihrem Vater, der ihr prophezeite, dass sie ihr Leben in Armut fristen würde. Wieder sollte er falsch liegen. Obwohl auch Max Ernst alt genug war, um Leonoras Vater sein zu können, verstand er sie viel besser als jener und schenkte ihr ein Schaukelpferd. Leonora war gerührt. Das war für sie allerdings noch lange kein Grund, ihr Leben in die Hände des Künstlers zu legen. Inmitten der Pariser Bohème der 30er-Jahre blieb Leonora der Freigeist, der sie immer war.

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So wie ihr Vater in ihr die ideale Frau für eine Heirat in Adelskreise gesehen hatte, verkörperte sie für die Surrealisten das Idealbild einer ver führerischen Kindfrau. Entsprechend umschwärmt wurde sie. Sie war unbefangen und wild, als Abtrünnige der englischen Oberschicht eine geeignete Kandidatin für exzessive romantische Projektionen. Im Zusammenspiel mit ihrem schwarzen Haar, den dunklen Augen und der schlanken Figur machte sie das – in der Theorie – zur perfekten Surrealistenmuse. Doch Leonora hatte an einer solchen Rolle überhaupt kein Interesse. „Weibliche Surrealisten wurden als den Männer nachgeordnet betrachtet“, sagte sie später einmal. „In deren Augen beschränkte sich die Aufgabe der Frau darauf, sie zu inspirieren und für sie zu waschen, zu kochen und zu putzen. Ich habe mich deshalb nie als Muse gesehen. Ich sah mich als die Geliebte meines Geliebten.“

Sie wäre eine ideale Muse gewesen — aber sie wollte für ihre Kunst bewundert werden Als ihr der spanische Surrealist Joan Miró einmal Geld in die Hand drückte, um für ihn Zigaretten zu holen, erwiderte sie: „Geh selbst.“ Leonora wollte für ihre Kreativität bewundert werden und nicht für ihre Schönheit. Unterstützung fand sie in Gestalt der schönen Amerikanerin Lee Miller, die ihre Karriere als Model begonnen hatte, sich dann aber einen Namen als Fotografin machte. WILDE PFERDE UND ENGLISCHE SALONS Während ihrer Pariser Zeit malte Leonora Carrington einige ihrer berühmtesten Gemälde, wie etwa das in den Jahren 1937 und 1938 entstandene Selbstbildnis, das heute dem Metropolitan Museum of Art in New York gehört. Dieses Bild zeigt sie mit weißer Reit hose bekleidet und wilder Mähne in einem Zimmer, das wie ein englischer Salon aussieht. Über ihrem Kopf schwebt ein weißes Schaukelpferd. Dieses Bild war später Quelle zahlloser Spekulationen. Leonoras Werke erzielen heute Preise in Millionenhöhe und schon in den 30er-Jahren des vorigen Jahrhunderts verkauften sie sich gut, sogar besser als die von Max Ernst, wie Leonora nicht ohne Stolz erzählte. Mit dem Geld, das sie verdiente, kaufte sie eine Villa in Süd frankreich, in die sie und Ernst sich oft zurückzogen. Für kurze Zeit hatten die beiden dort ein idyllisches Leben, bis der Zweite Weltkrieg begann und Max Ernst von den Nazis verhaftet wurde. Leonora floh nach Spanien und erlitt einen Nervenzusammenbruch. Sie wurde in eine psychiatrische Klinik eingewiesen, mit brutalen Therapiemethoden und halluzinogenen Drogen

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behandelt – eine Erfahrung, die sie in ihrem biografischen Bericht Unten später genau schildert. Glaubt man der Legende, dann war es schließlich ein U-Boot, in dem ihre Eltern Leonoras Nanny nach Lissabon schickten, um die Tochter zurück nach England zu holen. Aber ganz gleich, wie viel sie auch erlitten hatte: Leonora zog nichts zurück. Sie floh in die mexikanische Botschaft, wo man ihr half, sich nach Mexiko abzusetzen. Max Ernst, der sich ebenfalls in Lissabon aufhielt, flüchtete mithilfe seiner neuen Geliebten und späteren Ehefrau Peggy Guggenheim – der Gründerin des berühmten Museums – in die USA. In Mexiko-Stadt fand Leonora Carrington ein neues Zuhause. Es war wie gemacht für sie, um zu leben, zu lieben, zu malen und zu schreiben. Die Rätsel der Azteken und der Maya, der mexikanische Totenkult waren für sie unerschöpfliche Quellen der Ins piration. Sie heiratete den ungarischen Fotografen Emerico Weisz, mit dem sie zwei Söhne bekam, und avancierte in ihrem neuen Heimatland schließlich zu einer Nationalheldin wie Frida Kahlo. NUR EINE ALTE DAME Fotos von Leonora Carrington im fortgeschrittenen Alter zeigen noch immer ihren unwiderstehlichen Charme, die funkelnden Augen und ihren Eigensinn. Bis zu ihrem Tod gab sie das Malen nicht auf. Bescheiden wie eh und je sagte sie mit 92 Jahren in einem Interview: „Warum sollte sich jemand für mich interessieren? Ich bin nur eine alte Dame.“ Am Ende ihres Lebens war sie längst nicht mehr auf die Zustimmung anderer angewiesen – nicht auf die ihres Vaters, die von Max Ernst oder die irgendeines Kunsthistorikers. Keine ihrer Ambitionen scheint unerfüllt. Sie hatte viele Hindernisse überwunden und wirkte glücklich und zufrieden mit dem, was sie erreicht hatte. Über ihr Leben sagte sie am Ende ganz ohne Ironie: „Letztlich hat wohl jeder Mensch ein interessantes Leben geführt, außer denen, die sich nur für ihre Geschäfte interessieren.“ In anderen Worten: Statt die Erfüllung im Streben nach Reichtum zu suchen, hatte sich Leonora Carrington immer getraut, ihrem Herzen zu folgen — und wurde mit einem reichen Leben belohnt. ●

MEHR ÜBER LEONORA ✻ Susan L. Aberth: Leonora Carrington. Surrealism, Alchemy and Art (Lund Humphries). Wundervolle Bilder, das Buch ist auf Englisch ✻ Elena Poniatowska: Frau des Windes (Insel). Leonora Carringtons Leben, zu einem Roman verdichtet ✻ Leonora Carrington: Das Hörrohr (Suhrkamp) ✻ Facebook-Seite, wo Fans und Kuratoren Bilder und Fotos posten: facebook.com/leonoracarringtonweisz

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Carrington auf ihrem Pferd Winkie, ca. 1931

Carrington und Emerico Weisz bei ihrer Hochzeit im Jahr 1946

Four Women Asleep: Lee Miller, Ady Fidelin, Nusch Élouard und Leonora Carrington, aufgenommen 1937 in Lambe Creek, Cornwall, von Roland Penrose

Sie war fĂźr ein Leben in englischen Adelskreisen bestimmt

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Einfaches Sauerteigbrot

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Rezepte

Mit Laib und

SEELE Die Wahlberlinerin Malin Elmlid backt Brot. Und das Brot tauscht sie – gegen Geschichten, etwas Selbstgemachtes oder eine helfende Hand. Und zwar überall auf der Welt. Was sie auf ihren Reisen erlebt hat, erzählt sie nun in einem Buch – und Rezepte hat sie uns auch mitgebracht

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Wenn etwas in unserer Gesellschaft unbezahlbar ist, dann eine ehrliche Meinung und Inspiration"

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atürlich könnte sie ihr Brot auch verkaufen. Einen kleinen Laden eröffnen oder online vielleicht. Aber welchen Preis müsste man dann für einen Laib bezahlen? „Ich backe in der Regel zwei bis vier Brote auf einmal, ein Backprozess dauert etwa 24 Stunden. Ich muss meinen gesamten Tagesablauf auf das Brotbacken abstimmen. Nachts stelle ich mir mehrfach den Wecker, um den Teig zu falten. Wenn ich das auf einen vernünftigen Stundenlohn hochrechne, dann wäre sicherlich kaum jemand bereit, so viel zu zahlen“, sagt die in Berlin lebende Schwedin Malin Elmlid. Muss auch niemand. Denn ihr Brot hat keinen Preis. Doch aber einen hohen Wert. EIN LOHNENDER TAUSCH

Malin Elmlid ist eine Frau, die Brot über alles liebt. Sie arbeitet in der Modebranche, wo wegen der Figur viele auf Nudeln, Kartoffeln und auch Brot verzichten. Malin nicht. Nur: Gutes Brot soll es sein. Aus qualitativ hochwertigen Zutaten, traditionell hergestellt – und mit Sauerteig gebacken statt mit Hefe. Denn in Sauerteigbroten schmeckt man die Hingabe des Bäckers, da ist sich Malin sicher. So ein Brot braucht nämlich Zeit. Viel Zeit. Auf ihren Reisen war Malin stets auf der Suche, und sie fand es, das gute Brot, sei es in Stockholm, Kopenhagen, New York oder London. Nur nicht zu Hause, in Berlin. Also beschloss sie, selbst zu backen. „Ich entwickelte einen Ehrgeiz, der hart an der Grenze zum Wahnsinn lag“, sagt sie heute. Lange dauerte es, bis der perfekte Laib endlich aus dem Ofen kam. In der Folge backte Malin für ihre Freunde. Für deren Freunde. Und für Nachbarn, selbst wenn sie diese gar nicht kannte. Einer dieser Nachbarn revanchierte sich mit einer Sammlung von Fotos aus der ehemaligen DDR – für sie, die Neuberlinerin. So wurde im Jahr 2008 aus dem Geben ein Tauschen.

erzählen. Wenn etwas in unserer Gesellschaft wirklich unbezahlbar ist, dann ist es doch genau das: eine ehrliche Meinung und Inspiration“, erzählt Malin. Ob ihre Tauschwährung auch etwas anderes sein könnte? Nein. „Brot berührt Menschen. Es hat etwas Warmes, Elementares und etwas Heimeliges, was viele von uns spüren. Beim Brot ist naturgemäß auch das Teilen schon immanent“, sagt sie. WIE MUTTER UND KIND

Wenn Malin heute reist, dann ist sie nicht mehr auf der Suche. Aber immer in Begleitung. Stets hat sie ein Gläschen mit ihrer Sauerteig-Startkultur dabei. Die besteht nur aus etwas Mehl mit Wasser, braucht aber Tage, bis sie anfängt zu gären, und will danach regelmäßig gefüttert werden, damit sie nicht verhungert. Wenn man das berücksichtigt, dann bleibt sie einem ein Leben lang erhalten. Malin hat ihre schon seit acht Jahren. „Manche sagen, das Verhältnis zwischen einer Bäckerin und ihrer Startkultur ähnele der Beziehung von Mutter und Kind. Für mich bedeutet das, sie mit Respekt zu behandeln und ihre Bedürfnisse zu erfüllen“, sagt Malin. Und das Verhältnis ist durchaus ein emotionales, gibt sie zu, „schon wegen all der Orte, die ich mit ihr bereist habe.“ Von all diesen Orten und Begegnungen handelt ihr Buch The Bread Exchange, das uns auf Reisen mitnimmt in die Wüste Sinai, auf eine Dachterrasse in New York oder in ein uriges Bauernhaus in Bayern. Zu Menschen, die Malin nicht nur Rezepte, sondern auch Inspirationen geschenkt haben, die ihr ihre Türen genauso öffneten wie ihre Herzen. „Sie alle haben etwas in mir berührt – mit ihrer Geschichte oder ihren Gedanken. Für mich ist Storytelling der beste Geschmacksverstärker, und mir gefällt der Gedanke, dass es neben Mehl, Salz und Wasser diese vierte heimliche Zutat in meinem Brot gibt“, sagt Malin. Und die ist sowieso unbezahlbar.

Auf ihrem Blog, thebreadexchange.com, postet Malin seitdem Fotos zu jedem Brot – und die dazugehörige Geschichte. Inzwischen hat sie mehr als 1400 Stück getauscht, auf der ganzen Welt. MEHR LESEN? „Die Dinge, die ich im Gegenzug bekomme, sind ebenso schwer in Geld aufzuwiegen. Stattdessen be komme ich etwas, In unserem neuen Flow-Kochbuch das mir persönlich viel mehr bedeutet. Ich sammle Storys, findest du noch viel mehr leckere erlebe inspirierende Begegnungen und erweitere meinen Rezepte und spannende Menschen, Horizont. Wenn ich Geld für das Brot nehmen würde, dann die sich mit Essen beschäftigen. verpasste ich das alles. Niemand würde mir seine Geschichte www.flow-magazin.de/kochbuch 100

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FOODSPEZIAL

KOCHBUCH

GEMEINSAM KOCHEN & GENIESSEN ✻ Vom Glück, achtsam zu essen ✻ Tolle Idee: der International Restaurant Day ✻ Foodblogger und ihre besten Rezepte EXTRAS: ein Lieblingsgerichte-Büchlein, Einladungskarten, Papier-Eis zum Basteln, eine Donut-Wimpelkette, Sticker und mehr

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Ceviche


Chèvre

Um zu prüfen, ob der Teig zum Backen bereit ist, drückst du am besten mit den Fingerspitzen sanft hinein. Die Oberfläche sollte sich straff anfühlen und die Finger sollten kleine Dellen hinterlassen. Wenn der Teig bereit ist, lege ein Leinentuch auf der Arbeitsfläche aus. Vermische Reis- und Weizenmehl in einer kleinen Schüssel und bestäube damit das Tuch. Lege dann den Teig auf das bemehlte Tuch und falte ihn viermal. Wiederhole diesen Vorgang dreimal, sodass der Teig insgesamt zwölfmal gefaltet wird.

Malins einfaches Sauerteigbrot ZUTATEN FÜR 2 BROTE:

100 g Weizenmehlsauerteig ✻ 300 g lauwarmes Wasser (40 Grad) ✻ 400 g Bioweizenmehl (Type 550, möglichst frisch) ✻ 10 g Salz ✻ etwas Reismehl etwas beliebiges Weizenmehl Wichtig: Für dieses Rezept brauchst du Weizenmehlsauerteig. Gut wäre es also, wenn du bereits einen im Kühlschrank stehen hättest. Denn einen Sauerteig herzustellen dauert ein paar Tage. Wie das geht und wie du dich richtig um den Teig kümmerst, beschreibt Malin ausführlich in ihrem Buch. Anleitungen findet man aber auch im Netz (Stichwort „Sauerteigstarter“). Und los geht’s: Sauerteig, Wasser und Bioweizenmehl in einer großen Rührschüssel grob mit einer Gabel oder einem Löffel vermischen. Anschließend mit Folie abdecken und 30–60 Minuten ruhen lassen. Während dieser ersten Ruhephase hat das Gluten die Chance, sich zu entwickeln; so muss man weniger oder gar nicht kneten. Salz über den Teig streuen und viermal übereinanderfalten, bis das Salz gut verteilt ist und sich die Oberfläche des Teiges straff anfühlt. Danach 30– 60 Minuten ruhen lassen und anschließend erneut falten – immer von außen zur Mitte, so ähnlich wie ein T-Shirt. Nach weiteren 30–60 Minuten Ruhe falte den Teig wieder. In den folgenden 2–3 Stunden den Teig zwei- bis dreimal abgedeckt ruhen lassen. Nach dem letzten Falten muss er bei Zimmertemperatur (nicht wärmer als 18 Grad) 4–6 Stunden gehen.

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Den Teig in eine Brotform oder einen Gärkorb legen und abdecken. Er muss jetzt mindestens 1–4 Stunden bei Zimmertemperatur oder 8–10 Stunden im Kühlschrank gehen. Malin hat festgestellt, dass das Brot oft saurer wird, wenn sie es im Kühlschrank gehen lässt, sie mag es so besonders gern. Wenn der Teig dann fast zum Backen bereit ist, einen Backstein auf die unterste Schiene des Ofens legen und ihn 40 Minuten lang auf 250 Grad vorheizen. Malin backt ihr Brot immer auf einem Backstein, er ist entscheidend für eine schöne Kruste und innere Struktur. (Wenn du keinen Backstein hast, heize vor dem Backen ein Blech im Ofen auf.) Ein tiefes Backblech auf den Boden des Ofens stellen. Lege ein Blatt Backpapier auf einen Brotschieber (du kannst auch ein dünnes Schneidebrett nehmen), forme 2 Laibe aus dem Teig und lege sie darauf. Nach Belieben kannst du die Brotlaibe jetzt auch einschneiden. Die Brotlaibe mit dem Backpapier vorsichtig auf den Backstein im vorgeheizten Ofen gleiten lassen. Dann ca. 120 ml Wasser in das Backblech auf den Backofenboden gießen. Wenn du eine dunkel gebackene, aromatisch karamellisierte Kruste erreichen willst, belasse die Backtemperatur bei 250 Grad. Um eine hellere Kruste zu erzielen, solltest du die Hitze nach den ersten 10 Minuten Backzeit auf 220 Grad reduzieren. Nach 20 Minuten Backzeit kannst du den Bräunungsgrad überprüfen und das der Ofentür zugewandte Ende der Brotlaibe nach hinten drehen, damit sie gleichmäßig backen. 10 Minuten später noch einmal umdrehen. Nach 40 Minuten Backzeit einen Laib aus dem Ofen nehmen und daraufklopfen. Wenn er hohl klingt, ist das Brot fertig. Wenn er fest klingt, lege ihn in den Ofen zurück und prüfe alle 5 Minuten erneut, bis du das typische hohle Echo hörst. Dann die Laibe auf einem Metallgitter auskühlen lassen. Sie können geschnitten werden, wenn sie Zimmertemperatur erreicht haben. Ungeschnitten und bei Zimmertemperatur in Papiertüten aufbewahrt, hält sich das Brot 2–3 Tage.


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EIN SAUERTEIG AUF REISEN Kein Kochbuch im herkömmlichen Sinne ist Malin Elmlids The Bread Exchange. Vom Reisen und Tauschen mit einem Sauerteig im Gepäck (Prestel, 29,95 Euro), sondern eine Rezeptsammlung, eingebettet in Geschichten rund um ihre Reisen und all die Menschen, die die Wahlberlinerin überall auf der Welt getroffen hat − dort, wo sie Brot gebacken, geteilt und getauscht hat.

Ceviche (in Zusammenarbeit mit Elin Kann) Die Ceviche mit einem Schaumlöffel in kleine Schalen oder Teller ZUTATEN FÜR 6 PORTIONEN:

FÜR DIE LECHE DE TIGRE (TIGERMILCH): Saft von 5 Limetten 75 ml Sahne ✻ 1 Knoblauchzehe, zerdrückt evtl. 1/4 Habanero-Chili, längs gespalten und entkernt ✻ 1/2 rote Zwiebel, fein geschnitten grobes Salz FÜR DIE CEVICHE: 1 Süßkartoffel, geschält ✻ 1 Kolben Zuckermais, enthülst und enthaart ✻ 2 rosa Grapefruits, geschält und in Spalten geteilt 1/2 Habanero-Chili, längs gespalten und entkernt 350 g weißer Fisch (z. B. Seezunge oder Flunder), in ca. 1 cm große Würfel geschnitten 350 g Lachs ✻ 1 1/2 rote Zwiebel, geviertelt und dünn geschnitten ✻ Kerne eines Granatapfels grobes Salz ✻ frische Korianderblätter Für die Leche de Tigre ein feinmaschiges Sieb in eine mittelgroße Schüssel hängen. In einem Mixer Limettensaft, Sahne, Knoblauch und nach Belieben Chili fein pürieren, die Zwiebel dazugeben und noch drei- bis viermal pulsieren. Durch das Sieb in die Schüssel abgießen, mit Salz abschmecken. (Leche de Tigre kann an Vortag zubereitet und abgedeckt im Kühlschrank aufbewahrt werden.) Die Süßkartoffel in einem Dämpfkorb über sanft köchelndem Wasser ca. 30 Minuten weich dämpfen, bis eine Gabel leicht hineingleitet. Kartoffel auf einem Teller abkühlen lassen, Dämpfwasser im Topf behalten. Den Maiskolben genauso 2–3 Minuten dämpfen, bis er gar, aber noch bissfest ist. Auf einem Teller komplett abkühlen lassen. Die Süßkartoffel halbieren und in ca. 1 cm große Würfel schneiden. Die Kerne vom Maiskolben schneiden und ca. 45 g beiseitestellen (der Rest kann zu anderen Zwecken verwendet werden). Die Grapefruitspalten in ca. 1 cm lange Stücke schneiden. Eine große Schüssel mit der halbierten Chilischote ausreiben und die Schote wegwerfen. Gewürfelten Fisch, Lachs, 1 Zwiebel, die Hälfte der Granatapfelkerne und die Leche de Tigre in die Schüssel geben, gründlich mischen und 2 Minuten durchziehen lassen (länger, wenn der Fisch besser „durch“ sein soll). Süßkartoffel, Grapefruit und Mais unterheben und mit Salz abschmecken.

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füllen und leicht mit der Leche de Tigre aus der Schüssel beträufeln. Mit den restlichen Granatapfelkernen, Zwiebelscheiben und Koriander garnieren und servieren. Tipp: Die übrige Leche de Tigre ist zu gut, um sie einfach wegzuschütten. Man kann sie zur Ceviche in Schnapsgläsern servieren oder mit etwas Pisco (einem Traubenschnaps) vermengen, das ergibt einen herzhaft-würzigen Cocktail.

Chèvre (Rezept von Spring Maxfield) ZUTATEN FÜR 2–5 KÄSELAIBE:

2 l pasteurisierte Ziegenmilch ✻ 1/8 Tl mesophile Käsekultur ✻ 1/8 Tl Kalziumchlorid (E 509) 2 El Wasser ✻ 2 Tropfen flüssiges Lab ✻ grobes Salz oder Flockensalz ✻ getrockneter Dill (oder andere Kräuter oder Blüten zur Dekoration) Milch in einem großen Suppentopf auf 30 Grad erwärmen und vom Herd nehmen. Käsekultur in die Milch streuen und vorsichtig einrühren. 3 Minuten einwirken lassen. In einer kleinen Schüssel das Kalziumchlorid in 1 El Wasser auflösen und vorsichtig in die Milch einrühren. In einer weiteren kleinen Schüssel das Lab in 1 El Wasser auflösen, in die Milch geben, gründlich verrühren und abdecken. 12 Stunden warm stehen lassen. Ein Abtropfsieb mit einem guten Mulltuch auslegen, über einen Suppentopf stellen und die Milchmischung durch das Mulltuch seihen. Die Molke fließt ab, und der Käse bleibt im Tuch zurück. Weitere 12 Stunden bei Zimmertemperatur abgedeckt im Sieb abtropfen lassen. Den Käse in runde Laibe formen und weitere 12–24 Stunden bei Zimmertemperatur reifen lassen. Einen Teller oder eine mit Wachspapier ausgelegte Arbeitsfläche mit Salz bestreuen und die Laibe darauf rollen, sodass die Außenseite eingesalzen wird. Mit getrocknetem Dill wiederholen. Käselaibe in Wachspapier einwickeln und entweder sofort servieren oder im Kühlschrank bis zu 2 Wochen aufbewahren. ●

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Mein Leben ist im .

SYLVIA PLATH (1932 –1963)


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Inspiration

Die Kunst des

SCHERENSCHNITTS Es verzaubert uns immer wieder, wenn aus gewöhnlichem Papier dank Skalpell oder Schere eine ganz neue Welt entsteht. Auch für die Papercut-Künstler selbst ist das jedes Mal ein geradezu magischer Prozess. Drei von ihnen erzählen

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Small Brain von Rob Ryan

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Man hört ja immer öfter, dass unsere Welt auch sehr gut eine papierlose sein könnte. Wir sind eigentlich schon fast so weit: Die Zeitung gibt’s auf dem Tablet, das Scheppern der Briefkastenklappe ist Vergangenheit. Wir schreiben Mails statt Briefe, weil das schneller geht und unkomplizierter ist. In unserer Tasche steckt ein eBook, denn der dicke Schmöker ist nicht nur schwer, sondern er nimmt auch viel zu viel Platz weg. Aber die britische Künstlerin Su Blackwell möchte sich eine Welt ohne Papier gar nicht vorstellen. Sie hat es so gern in den Händen. Ein Buch, einen Papierbogen, einen kleinen Zettel. Sie liebt das Rascheln und Knistern. „Die Liebe zum Papier steckt tief in uns. Ich be obachte das bereits bei meiner neun Monate alten Tochter – Papier fas ziniert sie mehr als jedes Plastikspielzeug.“ Dass es zunehmend verdrängt wird, mache das natürliche Material immer mehr zu etwas Besonderem, sagt Blackwell. Es überrascht sie deshalb nicht, dass Papercutting heute so populär ist. SO SCHÖN EINFACH „Die Kunst des Papercuttings erlebt eine Renaissance“, heißt es in dem Buch Paper Cutting (Chronicle Books). Es zeigt Werke einer ganzen Reihe zeitgenössischer Künstler, die tagelang auf den Millimeter genau arbeiten, um mit Skalpell oder Schere eine märchengleiche Welt zu zaubern. Wie Su Blackwell, die Skulpturen aus alten Büchern herstellt. Oder die Japanerin Hina Aoyama, die Passagen aus Gedichten von Baudelaire und Voltaire in Tausenden feinen Linien nachbildet. Oder der New Yorker Matthew Sporzynski, der Wäsche aus Papier an einer Leine flattern lässt. Kunstvolle Scherenschnitte kann man aber auch anderswo entdecken: Elly MacKay und ihre Papiertheater waren schon Thema im Magazin von US-Fernsehtalkerin Oprah Winfrey, und auch die Werke von Elsa Mora aus Kalifornien begegnen uns immer öfter. Die niederländische PapercuttingKünstlerin Geertje Aalders kann bestätigen, wie begehrt ihr Handwerk ist. Kurz bevor sie in Mutterschutz ging, sagte sie zu ihren Auftraggebern: „Wenn ihr noch etwas von mir möchtet, müsst ihr es jetzt bestellen.“ So bekam sie in sechs Wochen 14 Jobs. „14! Ich wollte niemanden enttäuschen. Ich habe von morgens bis abends gearbeitet und fleißig geschnitten. Abends konnte ich meinen kleinen Finger oft kaum noch bewegen.“ „Papercutting befriedigt unser Bedürfnis, etwas zu ,machen‘, unsere Hände zu gebrauchen, um etwas zu schaffen. Und dem von Bildschirmen dominierten Dasein zu entfliehen“, schreibt Natalie Avella in der Einleitung zu dem Buch Paper Cutting. Es ist ja eben auch so schön einfach, sagt der britische Künstler

I Made It With My Hands, Siebdruck von Rob Ryan

MEHR ERFAHREN? ✻ Rob Ryan hat einen Laden in London: Ryantown, Columbia Road 126. Auf seiner Website erfährst du mehr über ihn, dort findest du auch einen Shop: robryanstudio.com ✻ Su Blackwell verkauft ihre Karten, Notizbücher und Drucke unter sublackwell.co.uk ✻ Alles von Geertje Aalders unter: kameelvooralveel.nl ✻ Die Website von Elly MacKay: ellymackay.wordpress.com ✻ Mehr von Elsa Mora unter: artisaway.com

WIE IM MÄRCHEN Auch der Dichter Hans Christian Andersen war ein leidenschaftlicher Scherenschnittkünstler. Er nahm seine Schere oft mit, wenn er seine Märchen erzählte, und fertigte so ganz nebenbei vor seinen Zuhörern kleine Kunstwerke. Viele moderne Papierkünstler haben sich von Andersens Märchen inspirieren lassen.

Rob Ryan. Man braucht keine Farbe, keine Pinsel, kein Wasser, Öl oder Leinen. Nur ein Stück Papier, ein Messer, einen Bleistift und ein Radiergummi. „Eine wunderbar reduzierte Arbeitsweise: weniger Unordnung, weniger Müll, weniger Zeug.“ Man muss nur etwas wegschneiden. „Zuerst alle Löcher in der Mitte aller Donuts auf der Welt. Dann die winzigen Ovale zwischen den ineinandergehakten Fingern verliebter Pärchen. Oder vielleicht diese kleine Insel des Nichts zwischen zwei küssenden Lippenpaaren. Und dann die großen Stücke, die den Himmel bilden.“

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Diese Technik hat eine ungeheure Kraft. Ganz gewöhnliche Dinge bekommen einen ganz besonderen Ausdruck, wenn du sie ausschneidest“

Bis eine neue Welt entstanden ist. Eine Welt, in der Ryan sich gern aufhält, weil dort alles zusammenhängt, alles miteinander verbunden ist. Ryan lacht viel, während wir telefonieren. Vor allem, wenn er von sich erzählt, davon, dass die Leute, die ihn noch nicht kennen, immer einen gut aussehenden, eleganten Herren erwarten „und dann einem kleinen dicken Mann gegenüberstehen, der ein bisschen wie ein Trottel aussieht“. Sein Lachen hat aber auch etwas Wehmütiges, wenn er über seine Arbeit spricht. Etwa über seinen Scherenschnitt This Was Our Place: Unter einem Baum im Park liegt ein Liebespaar, die Füße nackt, die Gesichter der wärmenden Sonne zugewandt. Oder über sein Werk In Rye mit dem Text: „Erinnerst du dich noch, wie wir Arm in Arm durch die engen Gassen liefen? (…) Du sagtest: ,Ich glaube, wir könnten hier glücklich sein.‘ In jenem Moment hattest du vergessen, dass wir doch bereits glücklich waren.“ Ryan schneidet komplette Gedichte aus Papier. Um korrekt zu sein: Er lässt sie schneiden. „Ich hoffe, du bist jetzt nicht allzu sehr enttäuscht, aber bis auf das ein oder andere Gesicht oder vielleicht mal eine Hand überlasse ich das Ausschneiden meinem Team. Ich bin inzwischen über 50 Jahre alt, meine Augen sind

sehr schwach, meine Finger ganz schön dick. Wenn ich noch selbst ausschneiden würde, könnte ich höchstens zwei Werke pro Jahr schaffen.“ Die Ideen sind natürlich alle von ihm. Er zeichnet auch alles selbst. Bei der Kunst des Papercutting ist das Zeichnen ganz wesentlich, sagt Rob. Die Zeichnung muss sehr exakt sein. „Wenn du erst einmal etwas ausgeschnitten hast, kannst du es ja nicht mehr rückgängig machen. Deshalb muss der Entwurf perfekt sein. Es kommt vor, dass ich drei Tage zeichne, radiere, Notizen mache, wieder zeichne. So ein Werk wird dann vielleicht in zwei Tagen ausgeschnitten. Vor Kurzem habe ich für eine Ausstellung in Manchester einen Papercut vorbereitet, der zwei mal drei Meter groß war. An so einem Werk arbeite ich fast einen Monat lang.“ POSITIVE BOTSCHAFTEN Was Rob Ryan am Scherenschnitt so schön findet, ist seine Eindeutigkeit. „Ich arbeite gern mit Bildern und Wörtern. Doch bei den meisten Kunstformen steht eins von beidem im Mittelpunkt. Beim Papercutting hat man dieses Problem nicht. Ich bin nicht gezwungen, Farben oder Perspektiven auszuwählen, sondern kann mich vollständig auf das konzentrieren, was für mich am wichtigsten ist: die emotionale Botschaft.“ Und wie lautet diese Botschaft? Bevor Ryan eine Antwort auf diese Frage gibt, muss er etwas erklären: „Ich denke viel nach. Ich bin eigentlich ein Neurotiker erster Klasse. Immerfort mache ich mir Gedanken. Die Botschaften in meiner Arbeit sind alle positiv, sie sind aufmunternd und – ehrlich gesagt – in erster Linie für mich selbst bestimmt, haha! ,Komm, Rob, das Leben ist wunderbar! Die Welt ist doch ein fantastischer Ort, oder? Du lebst hier nur 70 oder 80 Jahre, genieße das Leben, liebe es!‘“ Einmal hat Rob Ryan ein Bild geschaffen, auf dem es um ihn und seine Frau geht. Mit ihr ist er bereits seit seinem 18. Lebensjahr zusammen. Das Bild zeigt eine Straße, es regnet in Strömen, zwei Menschen haben sich in einem Türbogen untergestellt und halten sich fest umschlungen. „Stille und Frieden in einem Bild, das liebe ich. Leider habe ich diese Arbeit zerrissen, als ich mich mit meiner Frau mal gestritten habe.“

She Brought Back a Gift of the Season von Elly MacKay

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DIE ALTEN BÜCHER SPÜREN Es war Ryan, der die Niederländerin Geertje Aalders inspirierte. „Ich kannte die Kunst des Papercutting natürlich. Sie hat schon eine sehr lange Tradition, es gab sie bereits im sechsten Jahrhundert in China. Aber erst durch die Arbeit von Ryan – und übrigens auch von Tord Boontje – habe ich entdeckt, welche


Scherenschnitt von Elsa Mora

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Buchskulptur von Su Blackwell

ungeheure Kraft diese Technik haben kann. Es fasziniert mich, wie ganz gewöhnliche Dinge einen ganz besonderen Ausdruck bekommen, wenn du sie ausschneidest.“ Illustratoren können mit ihren Scherenschnitten gleichsam eine neue Welt erschaffen. Su Blackwell tut dies auf eine sehr besondere Art. Mit ihrer Kunst hebt sie buchstäblich Geschichten aus Büchern heraus. „In alten Büchern findet man fantastische Illus trationen, auch auf wunderschönem Papier. Und ich mache sie quasi nach außen hin sichtbar.“ Blackwell geht dabei sehr liebevoll und sorgfältig vor. Zunächst schlendert sie stundenlang zwischen den Regalen verschiedener Antiquariate in London herum. „Ich versuche, die Bücher zu spüren, blättere in ihnen, zeichne mit meinen Fingern die alten Illustrationen nach. Jedes Buch, das ich schließlich mitnehme, löst etwas in mir aus. Wenn ich in mein Studio zurückkehre, bin ich immer ganz aufgeregt.“

AUCH SCHÖN ANZUSEHEN: ✻ Kunst aus weißen DIN-A4-Seiten: petercallesen.com ✻ Papercuts als Rauminstallation: miapearlman.com ✻ Englische Papercut-Sprüche: madebyjulene.com ✻ Märchenhafte Scherenschnitte zum Kaufen: sarahtrumbauer.etsy.com

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Dort, in ihrem aufgeräumten Arbeitszimmer, sind die Regale inzwischen gut gefüllt. Zunächst liest sie das Buch, das sie in eine Skulptur verwandeln möchte. Dann macht sie Zeichnungen, fertigt Schablonen an und wählt sorgfältig die Seiten aus, aus denen die Scherenschnitte gemacht werden: Auf ihnen soll es nämlich wirklich um die Szene gehen, die Su mit Papier darstellt. So kann man bei ihrer Buchskulptur, die eine Szene aus Alice im Wunderland abbildet, zum Beispiel auf der Tischdecke lesen, wie Alice von der verrückten Teegesellschaft aufgefordert wird, eine Geschichte zu erzählen – und erschrocken gesteht, dass ihr keine einfällt. Sechs Wochen ist Su Blackwell im Schnitt mit einem Projekt beschäftigt. Stück für Stück hat sie ihre Werke verkauft, inzwischen sind es mehr als 100 Buchskulpturen, aber auch unzählige Scherenschnitte. Sus Kunstwerke sind gefragt, sie arbeitet für Werbekampagnen, Zeitschriften und macht Schaufensterdekorationen für große Kaufhäuser. Wir brauchen übrigens keine Angst davor zu haben, dass die klassische Technik des Scherenschnitts von moderner Technologie verdrängt wird, da ist sich Su Blackwell sicher. Sie nahm im Rahmen eines Hochschulprojekts an einem Versuch mit Laserschneidemaschinen teil. „Das ist nichts für mich. Es ist so makellos, du siehst sofort, dass die Schnitte von Maschinen gemacht wurden.“ Rob Ryan arbeitet gelegentlich mit Laserschneidegeräten, um eine limitierte Auflage eines Werks herstellen zu können – die gleichzeitig auch noch bezahlbar ist. Aber für die „echte“ Kunst kommt das nicht infrage. Zeichnen möchten die Künstler, radieren, ritzen, schneiden. Und fühlen. ●

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MAKE IT SIMPLE


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Wenn ich immer alle Regeln befolgt hätte, hätte ich es nie zu etwas gebracht. Marilyn Monroe (1926–1962)

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MAKE IT SIMPLE Es muss gar nicht so kompliziert sein

Schluss jetzt! Was raus muss, muss raus, zumindest wenn es um Gefühle geht. Laut einer Studie der US-Psychologen Allison Tackman und Sanjay Srivastava ist es besser, seinen Emo tionen freien Lauf zu lassen – denn Menschen, die Wut, Frust und Trauer für sich behalten, sind einsamer als andere. Sie wirken weniger umgänglich, senden das Signal: Ich bleibe lieber für mich.

Es druckt so grün Hast du kein Händchen für Pflanzen, kannst du auch zu diesem „Grünzeug“ greifen: den schön schlichten Stempeln von Kathrin Bender, Illustratorin und passionierte Gärtnerin. Damit druckst du Blätter und Zweige, die garantiert nie schlapp machen. Die Stempelgummis bestehen aus nachwachsenden Rohstoffen, das Buchenholz ist absolut unbehandelt. Natur pur eben! Stempel ab 9,80 Euro, studio-karamelo.com

Erhellend Wie wäre es, zum Start in den Tag einem inspirierenden Vortrag zu lauschen und kreative Menschen kennenzulernen? Das ist das Konzept von Creative Mornings, einer monatlichen Eventreihe, die Designerin Tina Roth Eisenberg initiiert hat. In mehr als 100 Städten weltweit sprechen spannende Gastredner zu Themen von Glück bis Sex, Termine unter creativemornings.com

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Make it simple

Let’s get loud Ob im Schwimmbad oder beim Picknick, der „Swimmer“ macht überall gute Laune. Mit seiner biegsamen Halterung lässt sich der Bluetooth-Lautsprecher von Polk BOOM fast überall anbringen, er ist wasserfest und hat einen tollen Sound. Klingt gut, oder? Auch mit Saugnapf, ab ca. 37 Euro, polkboom.com


Weggekaut Can’t Get You Out Of My Head – schon Kylie Minogue wusste, wie anhänglich ein Hit sein kann. Doch es gibt ein simples Mittel gegen Ohrwürmer, nämlich Kaugummikauen. Die regelmäßige Tätigkeit lenkt das Gehirn ab, fanden Forscher der Reading University heraus. Na bestens: Can’t Get You mjam mjam …

Naturschönheit Wer Lulu in ihrem Baumhaus sieht, merkt: Es ist ihr ernst mit der Nähe zur Natur. Nach Jahren im Beautybusiness folgte die New Yorkerin dem Wunsch, sich ihrer Leidenschaft zu widmen – der Pflanzenkunde. Dabei entstanden organische Kosmetikprodukte, die uns das Leben erleichtern, wie etwa das talgfreie Trockenshampoo in vier Duftnoten. 30 Euro, über allforeves.com

Brotzeit Saßen ein paar Freunde in einer Küche und probierten zu selbst gemachten Antipasti gekauftes Brot. Ergebnis: Es schmeckte nicht zusammen. So beschlossen sie, unter dem Namen „Dankebitte“ eigene Bio-Brotbackmischungen anzubieten, die jeder individuell zusammenstellen kann. Ohne Zusatzstoffe und Glutamat und so, dass auch Allergiker damit glücklich werden. Wasser und Hefe einrühren, den Teig in den Ofen schieben, fertig! Back mischung ab 3,50 Euro, danke-bitte.de

TEX Urlaub ist eine Kunst

Der britische Fotograf Rich McCor hatte genug von den ewig gleichen Urlaubsfotos auf seiner Kamera. Zu Motiven wie dem Eiffelturm oder London Eye hält er deshalb kleine Scherenschnitte ins Bild, die aus den Sehenswürdigkeiten Raumschiffe, Fahrräder oder Legofiguren machen – und macht sie so einzigartig. Mit Rich um die Welt reisen: instagram.com/paperboyo

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ALLES WIRD

GUT

... und wenn nicht, dann doch

Sie sei durch und durch Optimistin, sagt Petra Vollinga. Das bedeutet aber nicht, dass sie naiv oder unrealistisch ist. Sie ist einfach ein bisschen frĂśhlicher als hartgesottene Pessimisten. Hier reflektiert Petra Ăźber ihre Lebenshaltung

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Psychologie

Offenbar habe ich eine besondere Eigenschaft von Mutter Natur – und auch von meiner richtigen Mutter – mit auf den Weg bekommen: eine optimistische Lebenseinstellung. Geht mal was schief, überlege ich sofort, wie ich a) das Problem lösen kann, warum es b) im Grunde halb so wild ist und was c) am Ende sogar Positives dabei herauskommt (das gilt aber vor allem bei sehr schlimmen Dingen). Ich muss sagen, mit dieser Einstellung komme ich in meinem Leben meist gut zurecht. Natürlich hat so eine Haltung zum Leben auch Nachteile. Ich male mir alles gern in den schönsten Farben aus und erlebe dadurch so manche Enttäuschung. Zum Beispiel wenn ich mich auf einen fröhlichen, geselligen Abend im Garten freue, laue Luft, tolle Gespräche, und dann sagen die eingeladenen Freunde kurzfristig ab oder es fängt an zu regnen. Oder ich will meinen Liebsten mit einem besonderen Geschenk überraschen, stelle mir genau seine begeisterte Reaktion vor, aber er freut sich gar nicht. Ähnliche Beispiele könnte ich viele anführen. So enttäuscht ich aber auch erst mal sein mag – nach einer halben Stunde simsen oder lamentieren ist das Stimmungstief auch schon wieder fröhlich überwunden. ROTE UND GRÜNE PUNKTE Der belgische Bestsellerautor und Glücksbotschafter Leo Bormans behauptet in seinem Buch Ab heute bin ich Optimist. Eine Starthilfe (Patmos), dass Optimisten in vielerlei Hinsicht Vorteile hätten. Als ich mit ihm am Telefon darüber spreche, dringt seine positive Art förmlich durch die Leitung. „Weltweite Unter suchungen beweisen, dass Optimisten gesünder sind, mehr Widerstandskraft haben,

nach Erkrankungen schneller genesen, Stress besser bewältigen und erheblich länger leben. Ein Optimist ist ein Mensch, der wahrhaft glaubt, dass immer alles gut geht, und sich dementsprechend verhält. Und gerade dieses Verhalten sorgt dafür, dass er gesünder und erfolgreicher ist. Daran ist also gar nichts Naives oder Träumerisches“, lautet seine nüchterne Analyse. Gut. Das wünscht sich natürlich jeder. Aber was, wenn ich von Natur aus ein hartgesottener Pessimist bin? Bormans: „40 Prozent der Lebenseinstellung sind genetisch bedingt, 20 Prozent werden von der Umgebung und durch die Erziehung beeinfl usst. Aber selbst dann bleiben immer noch 40 Prozent, die man selbst beeinfl ussen kann: Wie betrachte ich die Realität? Gerade daran kann man durchaus etwas tun. Man kann seine

schon vieles, wenn man sich darüber klar wird, wer welche Färbung mit einbringt und von wem man sich im Umfeld beeinfl ussen lässt. EINE FRAGE DER SICHTWEISE Um seinen Optimismus zu schulen, ist es unter anderem sinnvoll, kleine Erfolge in sein Leben einzubauen. Bormans: „Bring deine Träume auf verschiedenen Gebieten zu Papier: Arbeit, Beziehung, Freizeit. Dann schreibe daneben, wie die Situation jetzt ist, und schau dir an, wie du den Traum in kleine, machbare Schritte einteilen kannst. Also nicht: Ich will 20 Kilo abnehmen, sondern: Ich will zwei Kilo pro Monat abnehmen. Jedes Mal, wenn du so ein Teilziel erreichst, fühlst du dich ein bisschen optimistischer.“ Solche ganz praktischen Tipps können laut Bormans

„Der Pessimist braucht nicht schwimmen zu lernen, liegt aber in der falschen Badewanne“ Mitmenschen in rote und grüne Punkte einteilen – die Roten sind die Pessimisten und die Grünen die Optimisten. Und all diese Punkte wirken ansteckend. Wenn man in einer Konferenz sitzt und plötzlich kommt ein sehr dominanter roter Punkt rein, dann wird jeder in der Versammlung von der Negativität und dem Zynismus dieses einen roten Punktes angesteckt.“ Andersherum funktioniert es genauso mit den grünen Punkten. Die wirken laut Bormans ebenfalls ansteckend, und davon kann man profi tieren. Es ändert

schon ein bisschen helfen. „Noch wichtiger ist es allerdings, sich mehr Klarheit über die eigene Denkweise zu verschaffen.“ Denn die Denk- und Bewertungsstile von Optimisten und Pessimisten sind unterschiedlich. Das kann man besser verstehen, wenn man genauer untersucht, wie verschiedene Menschen konflikthafte Situationen oder Missgeschicke beurteilen, und zwar in Bezug auf die Frage nach Zeit, Erleben und Ursache. Angenommen, man ist zu einer Party eingeladen, muss aber am folgenden Tag früh aufstehen.

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„ Ein Optimist ist ein Mensch, der wahrhaft glaubt, dass immer alles gut geht, und sich dementsprechend verhält“

Der Pessimist verkürzt die Zeit („Ich bleibe nur ganz kurz, ich muss morgen früh aufstehen“), schmälert dann auch noch das Erleben („Ich stehe hier jetzt zwar, aber mein Schuh drückt“) und verlagert die Ursache außerhalb von sich selbst („Ich bin nur hier, weil mein Partner hier eingeladen ist“). Der Optimist macht es genau andersherum. Er bleibt so lange wie möglich („Jetzt bin ich sowieso hier, dann kann ich auch etwas Schönes daraus machen“), genießt intensiv („Man weiß doch nie, wann man das nächste Mal auf einer Party ist“) und bezieht sich selbst aktiv mit ein, weil er die Situation etwa folgendermaßen bewertet: „Ich bin nett, denn man hat mich eingeladen“. Mit anderen Worten: Ein Optimist dehnt die Zeit, vergrößert das Erleben und sieht die Ursache für positive Situationen in sich selbst. Bei negativen Ereignissen (zum Beispiel wenn man mit seinem Auto gegen einen Pfeiler gefahren ist) funktioniert es folgendermaßen: Der Pessimist verlängert die Zeit („Und dann bin ich rückwärts gefahren und plötzlich stand da dieser Pfeiler, und dann …“), vergrößert das negative Erleben („Oh je, hoffentlich ist nicht auch noch mein ganzer Vergaser kaputt, das kann in der Werkstatt ewig dauern“) und sieht die Ursache bei sich selbst. Der Optimist macht es genau umgekehrt: Er verkürzt die Zeit („Ach ja, dann bin ich auch noch gegen diesen Pfeiler gefahren“), verkleinert das Erlebnis („Ist nur Blech“) und verlagert die Ursache außerhalb seiner selbst („Na ja, und plötzlich stand da ein Pfeiler, kann man nichts machen“). Der Pessimist beherrscht die Techniken, Dinge zu bewerten und einzuordnen, letztlich genauso perfekt wie der Optimist, wendet sie aber falsch an. Oder wie Bormans

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schlussfolgert: „Der Pessimist braucht nicht schwimmen zu lernen, liegt aber in der falschen Badewanne.“ LUST AUF NEUES Glücklicherweise ist mein eigener Optimismus offenbar angeboren, denn ich denke automatisch auf die Weise, wie Bormans sie für Optimisten beschreibt. Außerdem zeigt sich meine eigene positive Lebenseinstellung in meiner Erinnerung schon im Alter von etwa fünf Jahren. Wir zogen um, von einem Dorf in ein anderes, und ich weiß noch, dass ich voller positiver Erwartungen war. Ich freute mich auf ein neues Zimmer und jede Menge neue Freundinnen. Diese Perspektive zieht sich wie ein roter Faden durch mein Leben. Während etwa andere Klassenkameradinnen damit zu kämpfen hatten, dass wir nicht alle auf die gleiche weiterführende Schule gingen, hatte ich in der Zeit große Lust auf etwas Neues. Von zu Hause ausziehen, als das Studium anfing: Super! Mit dem Freund zusammenziehen: Au ja! Heiraten: Na klar! Aber darüber später mehr. Als ich zwölf war, stellte meine Mutter fest, dass ich eine schiefe Haltung hatte. Ein Bein war kürzer als das andere und ich hatte eine Skoliose, eine starke Verkrümmung der Wirbelsäule. Das bedeutete, dass ich 24 Stunden am Tag ein Korsett tragen musste. Ein Plastikding mit Verdickungen auf der Innenseite, das dabei helfen sollte, meinen Rücken wieder gerade zu richten. Es war unpraktisch, man schwitzte darin und es trug unter der Kleidung auf. Meine Eltern konnten vor Sorge nächtelang nicht schlafen. Ich dagegen sprach schon am selben Nachmittag (na ja, vielleicht war es auch einen Tag und einen schlimmen Weinkrampf

später) schulterzuckend die Worte: „Ach, irgendwas hat jeder. Der eine hat eine Brille, der andere eine Zahnspange, ich habe das da.“ Ich hielt in der Schule ein Referat darüber, nähte mir selbst einen Stapel weiter Kleider und trug das Ding fünf Jahre lang geduldig Tag und Nacht. Schließlich musste doch mein Rücken gerade werden, oder? DAS „JA“ FINDEN Jurrian Kamp, Journalist und Gründer von The Optimist, einer Zeitschrift über Leute und Ideen, die die Welt verändern, hat einen wunderbaren Artikel über Optimismus geschrieben. Darin erklärt er den Unterschied zwischen unbegründetem und wahrem Optimismus. Wenn es regnete und er das als Kind schlimm fand, weil sein Hockeytraining wahrscheinlich ausfallen würde, zeigte seine Mutter jedes Mal auf die Wolken und sagte: „Schau, da hinten wird es schon heller.“ Das machte ihn wahnsinnig. Er schreibt: „Optimismus bedeutet nicht, die Realität zu leugnen oder die Sonne zu sehen, wenn es regnet. Dem Wörterbuch zufolge ist die übliche Definition von Optimismus: Glauben an das gute Ende. […] Doch die genauere Bedeutung lautet: der Glaube, in der besten aller möglichen Welten zu leben. Optimismus ist eine Grundeinstellung. Er ist kein Urteil über die Wirklichkeit, sondern ein Ausgangspunkt, um mit der Wirklichkeit umzugehen. In jedem Moment kann man beschließen, dass man sich in der besten Situation befindet, um mit einer bestimmten Herausforderung umzugehen. Das ist Optimismus. Das ‚Ja‘ suchen und finden, in jeder Situation.“ Genauso ist es. Das Leben verläuft nicht ohne bittere Enttäuschungen und Dramen, nein, auch meines nicht. Aber wie geht man mit


den Schicksalsschlägen um? Das ist die Frage. „Wenn das Leben dir Zitronen gibt, mach Limonade daraus“ ist nicht umsonst der Wahlspruch der Optimisten. Dass es nicht immer leicht ist, Limonade aus komplett sauren Früchten zu machen, ist logisch. Auf meine märchenhafte Hochzeit folgten zwei fabelhafte Kinder – und später eine ziemlich unerwartete Scheidung. Da steht man dann mit seiner Frohnatur. Meine Welt lag in Scherben, nichts war mehr wie vorher. Dennoch hat mich auch in dieser Situation die positive Stimme in mir irgendwann wieder aufgebaut. Gleich von Anfang an stand nämlich ganz oben auf meiner Liste, dass die Jungs so wenig wie möglich unter der Situation leiden sollten. Ein Mantra, das mich durch viele Täler getragen hat. Wenn man sich schon trennt, dann vernünftig, so ähnlich dachte ich. Doch durchaus auch (nach einer Weile): Was soll ich nun mit dem Rest meines Lebens anfangen? Kinder haben nichts von einer unglücklichen Mutter, wie kann ich es also schaffen, mich zusammenzureißen, das Leben zu genießen und den Jungs ein so schönes und sicheres Zuhause wie möglich zu bieten? Diese Aufgabe lässt einem nicht so wahnsinnig viel Zeit, trauernd auf

dem Sofa zu sitzen. Brust raus, Blick nach vorn, das funktioniert. Obwohl es natürlich einfacher klingt, als es war. Wie Kamp schreibt: „Optimismus und Durchhaltevermögen gehen Hand in Hand. Man kann keine Lösungen finden, wenn man nicht bereit ist, zu suchen. Man stößt erst darauf, wenn man die Realität akzeptiert. Das ist oft ein schmerzhafter Prozess. Optimismus ist längst nicht immer schön und fröhlich und hat nichts mit einer rosa Brille zu tun.“ Stimmt. Ich habe einige Therapiesitzungen und unzählige Taschentücher gebraucht, ganz zu schweigen von der Unterstützung meiner Freundinnen, die mir stundenlang zuhörten. Dennoch gab es von Anfang an eine Stimme, die flüsterte: Du wirst nicht daran sterben. Und du wirst dich durchschlagen. Mit anderen Worten: Alles wird gut.

denken lieber schon vorher darüber nach, was alles schiefgehen könnte, sodass sie auf alle Widrigkeiten vorbereitet sind. Das geht natürlich auch. Wenn man sich besser dabei fühlt. Aber ich weiß aus nächster Nähe (mein Freund ist ein Typ, der häufiger Hindernisse und Schwierigkeiten sieht), dass der Lebensweg davon auch nicht leichter und fröhlicher wird. Zugegeben: Mein Freund macht weniger Fehler als ich. Aber wenn mir eine Panne passiert, finde ich es eben auch nicht so schlimm. Dann krabbele ich aus dem Schlammloch wieder raus, ziehe mir saubere Kleider an, mache weiter. Aber ich habe jedenfalls bis dahin Spaß gehabt. Oder wie der israelische Präsident und Optimist Schimon Peres so treffend sagte: „Optimisten und Pessimisten sterben auf die gleiche Weise, aber sie führen ein unterschiedliches Leben.“ ●

TEXT BIS ZUM NÄCHSTEN RÜCKSCHLAG Es ist schön, mit dieser felsenfesten Überzeugung zu leben, dass immer alles irgendwann wieder gut wird. Das gibt einem Ruhe und viel mehr Freude auf den Weg zum nächsten Rückschlag. Denn der kommt bestimmt. Die Realistischen unter uns (wer bezeichnet sich schon freiwillig als überzeugter Pessimist?)

WEITERLESEN?

Im Internet kann man testen, wie optimistisch man selbst das Leben sieht: https://www.palverlag.de/ Optimismus_Test.html

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DIESES BUCH GEHÖRT … Die Illustratorin Helen Dardik hat bunte Buchsticker für uns entworfen. Klebe sie in deine Lieblingsbücher, damit sie nach dem Verleihen auch immer wieder den Weg zu dir zurückfinden Helen Dardik war schon an vielen Orten auf dieser Welt zu Hause. Geboren wurde sie in Odessa in der Ukraine, viele Jahre lebte sie in Sibirien, bis es sie schließlich zum Kunststudium nach Israel verschlug. Nach ihrem Abschluss an der ORT School of Art and Design in Haifa zog Helen nach Kanada, wo sie ein weiteres Designstudium aufnahm und sechs Jahre als Produktionsdesignerin für die Animations serie Kevin Spencer tätig war. Inzwischen arbeitet sie als selbstständige Designerin und Illustratorin und hat auch schon viel für Flow gestaltet – unter anderem gemeinsam mit Carolyn Gavin unser wunderbares Flow-Ausmalbuch. ●

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DAS ERSTE F

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Mein Leben ist im


Heute Kleidung, morgen Bßcher. Aufräumen auf Japanisch funktioniert nach Kategorien

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Inspiration

AUFRÄUMEN AUF JAPANISCH Ein für alle Mal Ordnung in der Wohnung, das verspricht die japanische Aufräumberaterin Marie Kondo. Für Otje van der Lelij klingt das durchaus verlockend. Also probierte sie es mit der „KonMari“-Methode

Aufräumen. Eigentlich ist mir meine Zeit dafür zu schade. Eine Wohnung ist dazu da, dass man in ihr lebt, verkünde ich immer. Wenn ich gerade alles in Ordnung gebracht habe, liegt schon wieder ein Stapel Papier auf der Kommode. Meine Kinder schütten die Spielzeugkisten auf dem frisch gewischten Fußboden aus, und in der Küche ist die eben noch freie Arbeitsplatte im Nu wieder voll mit benutzten Kaffeetassen oder Töpfen. Die Vorstellung, dass unsere Wohnung wie die minimalistisch gestylten Räume in den Wohnmagazinen aussehen muss, habe ich aufgegeben. Und dennoch: Es ist ein schönes Gefühl, wenn überquellende Schränke mal wieder ausgemistet worden sind oder wenn ich morgens in einer aufgeräumten Wohnung frühstücken kann. Ich befinde mich da im Zwiespalt. Einerseits möchte ich nicht dauernd Ordnung machen, andererseits fühle ich mich jedoch sehr wohl, wenn alles schön an seinem Platz ist. Als ich von dem Buch Magic Cleaning von Marie Kondo hörte, wurde ich neugierig. Das Buch hatte es auf Platz vier der Bestsellerliste der New York Times geschafft. Vielleicht weiß die japanische Aufräum expertin ja tatsächlich, wie es funktioniert? Marie Kondo verspricht jedenfalls Groß artiges: Mit der „KonMari“-Methode kannst du das Chaos aus deiner Wohnung verbannen und bist

ein für alle Mal von überflüssigem Zeug befreit. Das klang so gut, dass ich es mit dieser Methode versuchen wollte. EINFACHHEIT IST DAS SCHLÜSSELWORT Schnell wurde mir klar, dass ich nie wirklich gut aufgeräumt hatte. Ich dachte, dass ich mit meinem Aufbewahrungssystem auf dem richtigen Weg gewesen wäre: stilvolle Kartons und Schränke bis unters Dach. Aber die waren trotz aller Anstrengungen immer zum Bersten voll. Marie Kondo zufolge bin ich – wie die meisten Menschen – ein Opfer des Jo-Jo-Effekts: Du räumst wie verrückt auf, um dann doch bald wieder festzustellen, dass in deiner Wohnung oder im Arbeitszimmer das blanke Chaos herrscht. Das wiederum liegt daran, dass du letztlich nicht konsequent aufgeräumt, sondern nur teilweise sortiert und weggeräumt hast. „Wenn du es wirklich gründlich machst, wird ein für allemal Ordnung in deiner Wohnung herrschen“, verspricht Kondo. Das soll sogar für Leute gelten, die von Natur aus schlampig sind, so wie ich. Von Methoden nach dem Prinzip „Jeden Tag einen Gegenstand wegwerfen“ rät Kondo ab. „Du musst in einem Rutsch Ordnung schaffen und nicht nach und nach. Dann hat die Veränderung deiner Lebensumgebung einen so starken Effekt auf deinen Geist, dass du auf keinen Fall zum ursprünglichen Zustand zurückkehren

möchtest. Wenn sich dieser Prozess nur schrittweise vollzieht, kann er niemals dieselbe Wirkung haben. Außerdem wirkt es demotivierend, wenn du nur geringe Fortschritte feststellen kannst.“ Einfachheit ist das Schlüsselwort der Methode. Das Einzige, was du tun musst: Jeden Gegenstand ansehen und entscheiden, ob du ihn behältst und wo du ihn aufbewahrst. Die meisten AufräumCoaches empfehlen, einen Raum nach dem anderen aufzuräumen. Kondo empfiehlt, nach Kategorien vorzugehen: heute Kleidung, morgen Bücher. Denn in den meisten Haushalten werden Sachen, die in die gleiche Kategorie gehören, an mehreren Stellen aufbewahrt, sodass man den Prozess des Auswählens und Wegräumens stets wiederholen müsste. Beginne mit der Kategorie, die du am einfachsten findest oder zu der du die geringste emotionale Bindung verspürst. Bringe dann alle Sachen der Kategorie an einen Platz in der Wohnung und lege sie auf den Boden. So dringt es in dein Bewusstsein, wie viele Sachen von einer Sorte du hast. Dadurch wird der nächste Schritt leichter: das Weggeben. WAS WILLST DU BEHALTEN? Ich fange mit meinem Kleiderschrank an. Nicht etwa, weil mir Kleidung egal wäre.

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„ Nimm jedes Stück in die Hand und frage dich: Bereitet es mir Freude? Wenn ja, behalte es. Wenn nicht, sortiere es aus.“

Im Gegenteil, ich bin verrückt nach schönen Kleidern und Jacken. Allerdings habe ich das Gefühl, dass ein großer Teil meiner Kleidung nicht mehr wirklich zu mir passt: zu jugendlich, zu mädchenhaft. Ich breite meine gesamte Kleidung auf dem Fuß boden im Wohnzimmer aus, Jacken, Schuhe, Unterwäsche, Taschen – und erschrecke über die Menge. Anstatt auszusuchen, was man nicht mehr haben möchte, empfiehlt Kondo den umgekehrten Weg: „Wähle die Sachen aus, die dich glücklich machen und die du behalten möchtest. Nimm jedes Stück in die Hand und frage dich: Bereitet mir dieses Stück Freude? Wenn ja, dann behalte es. Wenn nein, sortiere es aus.“ Nach Kondos Auffassung ist dies nicht nur das einfachste Verfahren, sondern auch der beste Maßstab. Manche Sachen werfe ich ruck, zuck in den Mülleimer oder in den Altkleidercontainer. Aber bei manchen Kleidungsstücken beginnt mein Verstand, Argumente dafür zu nennen, weshalb ich sie behalten sollte, auch wenn ich mit diesen Teilen nicht (mehr) glücklich bin. Ich denke: Wie schade, das Preisschild ist noch nicht einmal entfernt. Oder: Das habe ich immer so gern getragen. Kondo empfiehlt, bei schwierigen Stücken zu überlegen, warum man das Teil angeschafft hat und welchen Sinn es erfüllt hat. Das spricht man dann klar aus und verabschiedet sich von dem Stück: „Danke, dass du mir gezeigt hast, was mir nicht steht.“ Oder: „Ich habe dich immer gern getragen, aber du passt nicht mehr zu der Person, die ich heute bin.“ WAS HAT ES DIR GEBRACHT? „Wir können uns in der Regel nur schwer von Sachen trennen, die mit emotionalen Erinnerungen verbundenen sind“, schreibt Kondo. Der Gedanke, dass du den Gegen-

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stand weggibst, erzeugt die Angst, dass du dich damit auch von der guten Erinnerung trennst. Dies gilt bei mir etwa für meine DVD-Box Six Feet Under. Eine Zeit lang hat mich diese Serie fasziniert, die von einer Familie handelt, die ein Bestattungsinstitut führt. Durch sie lernte ich eine wichtige Lektion: dass Ängste schwinden, wenn man sich ihnen stellt. Lange Zeit hatte ich Angst vor dem Tod. Als ich 16 war, wurde meine Mutter schwer krank. Ich hatte Angst davor, sie zu verlieren. Der Tod war lange ein heikles Thema für mich. Nachts bekam ich manchmal Panikattacken, weil mir bewusst wurde, dass ich meine Eltern irgendwann verlieren – und dass auch ich selbst sterben würde. In Six Feet Under ist der Tod ständig präsent. Jede Folge beginnt damit, dass eine Person stirbt. Für mich eigentlich gruselig. Aber durch diese Serie wuchs in mir eine Vertrautheit mit dem Tod, seitdem habe ich weniger Ängste. Ich beschließe, die DVDs einem Freund zu geben. Vielleicht kann er genauso davon profitieren wie ich. Mir ist nun auch bewusst: Die Erinnerung ist nicht weg, sie wird auch nie verschwinden. Die Serie gehört zu mir. Sie hat mich zu der Person gemacht, die ich heute bin. Oder wie Kondo es formuliert: „Wir müssen nicht unsere Erinnerungen bewahren, sondern die Person, die wir durch unsere Erlebnisse geworden sind.“ Sachen auszusortieren bedeutet nicht, dass du von guten Erinnerungen Abschied nimmst. Es bedeutet, dass du darüber nachdenkst, was dir eine bestimmte Sache gegeben hat. Du machst damit auch Platz für Sachen, die heute eine Bereicherung für dich sein können. Diese Betrachtungsweise hilft mir sehr, mich von vielem zu trennen. Nicht nur von DVDs und Kleidungsstücken, sondern auch von Büchern,

Küchenaccessoires und Alltagsgegenständen oder komono, wie die Japaner Kleinkram nennen. Mehr als 20 Säcke voll habe ich aus der Wohnung geschafft. GENIAL: KLEIDUNG „AUFSTELLEN“ Nach dem Aussortieren musst du den Sachen, die du behalten möchtest, einen festen Platz geben. Kondo ist der Überzeugung, dass das Risiko eines Rückfalls insbesondere dann entsteht, wenn nicht alles einen festen Platz hat. Denn wo legst du das, was du benutzt hast, dann hin? Haben alle Sachen eine festen Ort, legst du nichts mehr einfach irgendwo ab – und große Aufräumaktionen sind nie mehr notwendig. Eine tolle Perspektive. Kondo gibt auch gute Tipps fürs das Aufbewahren. Wirklich genial finde ich die Technik, Sachen aufzustellen, also aufrecht stehend aufzubewahren. Ich tendiere dazu, Stapel aufzutürmen, nur meine Bücher stehen aufrecht im Regal. Aber Kondo schwört auf die aufrechte Aufbewahrung, vom Laptop bis zu den Möhren im Kühlschrank, von den Stiften bis zur Kleidung. „Bei einem Stapel denkst du, dass du immer noch etwas obendrauf legen kannst. Du siehst dann nicht, dass sich immer mehr Sachen ansammeln. Außerdem verschwindet das, was unten liegt, aus deinem Bewusstsein und wird seltener benutzt.“ Es ist für mich wie eine Erleuchtung, dass ich sogar Kleidungsstücke aufrecht aufbewahren kann. Hosen stelle ich wie Bücher in den Schrank. Pullover falte ich nach Kondos Anleitung zu einem kompakten Paket, das von allein stehen bleibt. Ich dachte, dass die Sachen mehr Knicke bekommen, wenn ich sie so falte, aber dem ist nicht so. Denn nicht die Anzahl der Knicke, sondern der Druck auf die Sachen verursacht Knittern. Seit ich meine Klei-


AUFRÄUMTIPPS ✻ Wirf weg! Mysteriöse Kabel, Bedienungsanleitungen, Kartons von Elektrogeräten (denn vielleicht verkauft man das Gerät ja noch mal). Kondo empfiehlt, all das gnadenlos zu entsorgen. Das sind typische Sachen, die aufgehoben, aber nie mehr gebraucht werden. Und die Bedienungsanleitungen kann man jederzeit aus dem Internet herunterladen. ✻ Trenne dich von Geschenken, die du nicht brauchst. Du musst Geschenke nicht aus Pflichtgefühl heraus aufheben. Dies bist du dem Schenkenden nicht schuldig. Danke dem Geschenk für die Freude, die es dir bereitet hat, als du es bekommen hast, und trenne dich dann. ✻ Halte die Arbeitsplatte frei. Schön bequem, wenn das Olivenöl und die Gewürze auf der Arbeitsplatte stehen, denkst du vielleicht. Besser ist es aber, wenn du sie in den Schrank stellst. Beim Kochen und Braten spritzt es häufig. Ölflaschen zum Beispiel sind dann in kürzester Zeit klebrig. Eine leere Arbeitsplatte ist auch viel leichter in Ordnung zu halten. Wenn du erst einmal einen Gegenstand auf der Arbeitsplatte stehen lässt, werden es schnell mehr.

dung aufrecht aufbewahre, bin ich auch viel kreativer im Zusammenstellen meiner Garderobe. Früher griff ich zu dem, was oben lag. Nun sind alle Kleidungsstücke, die vor mir aufgereiht sind, plötzlich gleichrangig. Ich kann sie ganz neu kombinieren.

lich an der Wand. Ich setze mich abends gern in dieses Zimmer, denn dann sprudelt mein Kopf geradezu vor guten Einfällen. Mein Freund, ein leidenschaftlicher Sammler, hat das richtige Aufräumen ebenfalls für sich entdeckt. Er kann sich plötzlich von Dingen trennen. Es ist wirklich etwas dran an der These: Eine aufgeräumte Wohnung macht einen aufgeräumten Kopf, und in einem aufgeräumten Kopf ist viel Platz für ganz neue Ideen. ●

✻ Verzichte auf Etiketten. Wir sortieren Dinge ja gern in Boxen und schreiben dann auf ein Schildchen, was drin ist. Keine gute Idee, sagt Kondo. Die Flut von Wörtern macht den ganzen Raum un ruhig — vor allem wenn die Wörter in deiner Sprache sind. Dein Gehirn be handelt sie wie Informationen, die geordnet werden müssen.

TEX Ich bin drei Wochen am Aufräumen und immer noch nicht fertig. Schon jetzt fühle ich mich klarer im Kopf. Ich bin von Sachen umgeben, die mich glücklich machen. Ich werde inspiriert, wenn ich durch meine Wohnung gehe. Die Räume, in denen ich wohne, sind für die Person, die ich gerade werde, und nicht für die Person, die ich einmal war. In meinem kleinen Arbeitszimmer stehen gute Bücher im Regal, meine Sammlung Hirschgeweihe hängt end-

MEHR LESEN?

Marie Kondo: Magic Cleaning. Wie richtiges Aufräumen Ihr Leben verändert (rororo, 9,99 Euro)

✻ Versuche nicht, zuerst deine Mitbewohner zum Aufräumen zu bewegen. Wenn du das Bedürfnis hast, andere darauf aufmerksam zu machen, dass sie unnützes Zeug aufheben, ist das oft ein untrügliches Zeichen dafür, dass du es selbst auch tust. Räume erst einmal deine eigenen Sachen auf. Das ist die beste Art, mit Mitbewohnern umzugehen, die nicht aufräumen. Geh einfach mit gutem Beispiel voran.

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Kunterbuntes

STICKKISSEN Mit Nadel und Garn schöne Muster zu zaubern entspannt, macht Spaß – und mit unserer Stickvorlage und kinderleichtem Kreuzstich kannst du dieses Filzkissen ganz einfach selber machen

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Selber machen

Du brauchst: ✻ 2 Filzplatten in Taupe (42 x 42 cm), einmal komplett gelocht, bei der 2. Platte nur die Saummarkierung gelocht ✻ Sticknadel Nr. 18 mit Spitze ✻ Kissenfüllung (40 x 40 cm) ✻ farbige Stickwolle, hier von Anchor, in Orange (Farb-Nr. 8154, 10 m), Grün (Farb-Nr. 9274, 8 m), Hellblau (Farb-Nr. 8934, 10 m), Türkis (Farb-Nr. 8920, 8 m), Lila (Farb-Nr. 8588, 10 m), Rosé (Farb-Nr. 8486, 10 m), Dunkellila (Farb-Nr. 8490, 8 m), Rot (Farb-Nr. 8202, 10 m), Bordeauxrot (Farb-Nr. 8220, 6 m), Grau (Farb-Nr. 8546, 12 m) und Beige (Farb-Nr. 9772, 4 m) 2

Und so geht’s: 1. VORBEREITEN Die Filzplatte in einem eckigen Stickrahmen einspannen, damit die Stickerei gleichmäßig gearbeitet werden kann. Das Motiv mit ganzem Faden sticken. 2. BEFESTIGUNGSSTICH Beginne jedes Dreieck mit dem Befestigungsstich. Von oben durch den Stoff bei A einstechen, bei B ausstechen, bei C einstechen, bei A wieder ausstechen und bei B wieder einstechen. Den Befestigungsstich fest anziehen und den überstehenden Restfaden abschneiden. Am Ende den Faden unter der Stickerei wieder mit dem Befestigungsstich fixieren. Den Faden auf der oberen Seite der Stickerei abschneiden.

10 m 8m 10 m 8m 10 m 10 m 8m 10 m 6m 12 m 4m

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„ Beim Sticken komme ich in den Flow, in den Rhythmus des Kreuzstichs. Das wirkt wie Meditation“ JAMIE CHALMERS, GRÜNDER DER PLATTFORM MR X STITCH

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LET’S STICK TOGETHER Das DIY-Buch 50 Stickprojekte made by me (Rico Design, 14,99 Euro) versammelt Anleitungen in allen Schwierigkeitsstufen. Wer noch Anfänger ist, findet darin kleine Mitbringsel wie Schlüsselanhänger, die leicht von der Hand gehen. Auf die Fortgeschrittenen wartet etwa eine aufwendige große Tisch decke, verziert im Holbeinstich. Das Besondere: Thematisch schön gegliedert ist das Buch in einen bunten und einen schwarzweißen Teil.

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3. KREUZSTICH Das Muster des Kissens wird ausschließlich mit Kreuzstich gestickt. Er besteht immer aus zwei Stichen, dem Grundstich und dem Deckstich. Die Grundstiche verlaufen diagonal von rechts oben nach links unten, die Deckstiche diagonal von links oben nach rechts unten. Auf der Stoffrückseite verlaufen die Stiche senkrecht. Der Stich wird in Hin- und Rückreihen gearbeitet. Zuerst machst du in einer Richtung den Grundstich, in der Rückreihe führst du dann den Deckstich aus. Beim Sticken mehrerer Reihen werden die Stiche der neuen Reihe in die Einstichstellen der Vorreihe geführt. Auf diese Weise stickst du gemäß Muster auf Seite 131 Dreieck für Dreieck, bis die Vorderseite des Kissens fertig ist. 4. HOLBEINSTICH Anschließend wird das Kissen mit dem Holbeinstich auf drei Seiten zusammengenäht. Lege dann eine 40 x 40 cm große Kissenfüllung ein und schließe die letzte Naht ebenfalls mit dem Holbeinstich (zum Beispiel mit Garn der Farb-Nr. 9772). Und so geht der Holbeinstich: Der Holbeinstich erscheint auf beiden Seiten des Stoffes fast gleich. Auch dieser Stich wird in Hin- und Rückreihen gearbeitet. Zuerst wird in einer Richtung ein Vorstich gestickt, auf dem Rückweg werden dann die Zwischenräume mit einer zweiten Vorstichreihe ausgefüllt (siehe Abbildung 4). Man nennt die Technik auch Schwarzstickerei, sie ist für viele Muster die Grundlage. ●


SCHÖNES

VON FLOW Flow, ein Magazin,

das sich Zeit nimmt. Wir feiern die Kreativität,

das Unperfekte und das Glück im Kleinen.

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Alles über Flow & Abonnements INSPIRATION - IDEEN - EINBLICKE - ANSTÖSSE - INSPIRATION - IDEEN - EINBLICKE

EXTRAS ✻ 20 BUCHSTICKER ✻ MINIHERBARIUM

Man lernt so viel, wenn man still ist und zuhört. SYLVIA PLATH (1932 –1963)

GEFÜHLE Warum Wartephasen nicht schlimm sind — und uns sogar weiterbringen PORTRÄT Das inspirierende Leben der Surrealistin Leonora Carrington KREATIV Wunderschöne Scherenschnitte

THEMA: ZU VIELE ABLENKUNGEN

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In unserem Flow-Kochbuch dreht sich alles ums Genießen: Wir beschäftigen uns damit, wie Achtsamkeit uns nicht nur beim Kochen, sondern auch beim Essen guttut. Wir stellen euch tolle Ideen wie Supperclubs, den International Restaurant Day und die besonderen Menschen dahinter vor. Wir gehen der Frage nach, warum die Küche immer der schönste Ort in der Wohnung ist, und zeigen euch Kunst werke mit Früchten und Gemüse aus mehreren Jahrhunderten. Außerdem gibt es fünf ganz unterschiedliche Rezeptstrecken zum Schwelgen und Nachkochen. DAS IST DRIN: ✻ Sticker für Selbstgemachtes ✻ Bastelbögen für Eis aus Papier ✻ Einladungs- und Dankeskarten ✻ zwei Poster ✻ Papierbögen mit Vintagemotiven und Mustern ✻ Büchlein mit Rezepten, die du mit Ruhe kochen kannst ✻ Donut-Wimpelkette und vieles mehr

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✻ Vom Glück, achtsam zu essen ✻ Tolle Idee: der International Restaurant Day

✻ Foodblogger und ihre besten Rezepte EXTRAS: ein Lieblingsgerichte-Büchlein, Einladungskarten, Papier-Eis zum Basteln, eine Donut-Wimpelkette, Sticker und mehr Mediterran

So heißt es:

LIEBLINGSLINGSREZEPT

TOMATENEINTOPF ☛ 4 PORTIONEN M 50 MINUTEN

Das ist drin:

AUSPROBIERT AM: 1 Zwiebel ✻ 3 Knoblauchzehen ✻ 100 ml Olivenöl 2 Lorbeerblätter ✻ 1 l Gemüsefond (alternativ Gemüsebrühe) 80 g Perlgraupen ✻ 2 Merguez (à ca. 100 g; alternativ Lammbratwürste) ✻ 450 g gemischte kleinere Tomaten (z. B. Platte, Roma- und Kirschtomaten) ✻ 240 g weiße Bohnen (Dose) 8 Stiele Basilikum ✻ 30 g Parmesan ✻ Salz 400 g stückige Tomaten (Dose) ✻ 1 Stiel Rosmarin schwarzer Pfeffer aus der Mühle

HABE ICH GEKOCHT FÜR:

REZEPTBÜCHLEIN Mit Liebe gekocht

So geht's:

Zwiebel pellen und fein würfeln. 2 Knoblauchzehen pellen und fein hacken. 1 El Öl in einem Topf erhitzen. Zwiebel und gehackten Knoblauch darin bei mittlerer Hitze andünsten. Lorbeerblätter, Gemüsefond und Graupen zugeben. Aufkochen und 15 Minuten leise köcheln lassen.

„Widme dich der Liebe und dem Kochen mit ganzem Herzen.“

Inzwischen kirschgroße Brätstücke aus der Wurstpelle drücken und zu Klößchen formen. Kleine Tomaten halbieren, größere vierteln und den grünen Stielansatz entfernen. Bohnen in ein Sieb abgießen, gut abtropfen lassen.

DALAI LAMA

Man soll dem Leib etwas Gutes bieten, " damit die Seele Lust hat, darin zu wohnen." WINSTON CHURCHILL Für das Pesto Basilikumblätter von den Stielen zupfen, grob hacken. Rest Knoblauch pellen und grob hacken. Parmesan fein reiben. Alles mit restlichem Olivenöl im Blitzhacker oder einem hohen Rührbecher mit dem Stabmixer kurz pürieren. Pesto mit Salz abschmecken.

Wenn ich das koche, höre ich am liebsten:

Merguez, frische und stückige Tomaten sowie Rosmarin zum Eintopf geben. 5 Minuten köcheln lassen, dann die Bohnen zugeben und weitere 5 Minuten köcheln lassen. Lorbeer und Rosmarin entfernen. Den Tomateneintopf mit Salz und Pfeffer abschmecken. Auf Teller verteilen und Pesto dazu reichen.

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Wenn du selber kochst, isst du viel gesünder — ohne dass du groß darüber nachdenkst“

Warum Essen so wunderbare Erinnerungen weckt

letztlich eine Folge davon, brauche. Ich esse auch oft dass wir immer weniger selber Tiefkühlgemüse ohne Zusätze, kochen. Die Indus trie ver- eine große Hilfe, wenn man sucht, für alle auf der Welt nicht zum Einkaufen kommt. exakt die gleichen Produkte Wir sollten alle tun, was wir her zustellen, so entstehen können, aber wichtig ist auch, enorme Monokulturen. Da dass wir entspannt bleiben, können wir als Verbraucher wenn es ums Essen geht. Einfluss nehmen, indem wir VIELE SCHEUEN SICH DAwieder mehr kochen.

Kochen ist nicht nur entspannend und gesellig, es ist auch gesund, sagt der amerikanische

Manche Gerichte schicken einen förmlich auf Zeitreise.

Journalist Michael Pollan. Diesen und andere

Allein schon ihr Geruch ruft schöne Bilder und wohlige Gefühle hervor.

inspirierende Gedanken zur Ess- und Küchenkultur

Wieso eigentlich? Dieser Frage ist Maja Beckers nachgegangen

S

chon seit Jahren bin ich Vegetarierin. Nur bei einem ganz bestimmten Gericht mache ich eine Ausnahme: Rinderbouillon mit Gemüse und Markbällchen – oder, wie wir sie als Kinder nannten, Markbällchensuppe. Die hat meine Oma immer gemacht, wenn wir zu Besuch kamen. Seit sie nicht mehr lebt, kochen

WENN ICH MARKBÄLLCHENSUPPE

sitzen, mit ein paar Löffeln fühlen wir uns zurückversetzt in das Esszimmer unserer Großeltern. Ich spüre das schwere Silberbesteck in der Hand und höre, wie Oma uns ermahnt, die Messer auf den Messerbänkchen abzulegen. Ich lache innerlich über Opa, der uns immer vorgaukelte, ein Ei so auf der Tischplatte abstellen zu können, dass es stehen bleibt – weil er heimlich seinen Ehering darunterschob. Und ich spüre all die Liebe, Geborgenheit und das gute Gefühl, dass das ganze Leben noch vor einem liegt.

hat er in mehreren Büchern festgehalten

gibt sogar einen Namen für die besonders lebendigen Erinnerungen, die Essen hervorruft, man spricht vom „MadeleineEffekt“. Er heißt so, weil der Schriftsteller Marcel Proust in seinem Roman Auf der Suche nach der verlorenen Zeit so eindrücklich beschrieb, wie der Icherzähler das süße Gebäck isst und plötzlich von einem

MADELEINE-EFFEKT

WIE ALS KIND wir sie manchmal nach. Das ist immer ein feierlicher Event. Auch wenn wir in der WG-Küche meines Bruders

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Essen weckt so intensive und schöne Erinnerungen wie kaum etwas anderes. Die Paella aus dem Urlaub, der Geburtstagskuchen von Mama oder die Asianudeln, die man immer bestellt hat, als die Liebe gerade neu war und man den ganzen Sonntag zu Hause blieb. Es

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auszutauschen. Reuter ist Gründer der „Grünen Köpfe“, einer Strategieberatung für den nachhaltigen Umgang mit Lebensmitteln. Er wollte eine Debatte um die Ernährung in Seniorenheimen anstoßen und gleichzeitig die alten Rezepte in einer Art kollektivem Erinnerungskochbuch versammeln (siehe unten). Reuter erzählt, dass es nicht nur der Geschmack des Essens allein war. „Es ist auch die Zubereitung, die ja schon einen Mix an Gerüchen verströmt, es sind die bekannten Handgriffe, es ist das Ritual, das Stück Heimat, für das ein bestimmtes Rezept steht.“

darauf routiniert Kartoffeln. Es wurde geplaudert, eine Frau etwa empfahl: „Mädels, kocht nie besser als eure Schwiegermutter“, und lachte, „das gibt nur Ärger.“ Und eine andere beschrieb, wie sie früher mit nackten Füßen das Sauerkraut in Fässern gestampft hat. Eine 94-Jährige bediente die schwere Kartoffelpresse. Als erinnerten sie sich mit den alten Rezepten auch an ihre Lebensgeister.

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beschäftigen. Denn dieser Abs ist ein simples Rezept: mit frischen schnitt des Weges, den unsere Zutaten und etwas Lebensmittel gehen, spielt sich ja genau vor unserer Nase Zeit und Aufmerksamkeit selbst zu kochen. ab, in unserer Küche. Dennoch ist diese Art der Ernährung – die auch „Clean WIE KAMEN SIE DAZU, SICH Eating“ genannt wird – SO INTENSIV MIT DEM KOnicht selbst verständlich, sagt CHEN ZU BESCHÄFTIGEN? US-Autor Michael Pollan. Es begann mit meinem Buch Das Omnivoren-Dilemma, das Im Interview spricht er über der Frage nachgeht, wo unser seine Philosophie. Essen herkommt. Für mein HERR POLLAN, WARUM Buch Lebensmittel. Eine Verteidigung FINDEN SIE ES SO WICHTIG, gegen die industrielle Nahrung und den Diätenwahn habe ich unterSELBST ZU KOCHEN? sucht, was im Körper mit der Das Essen, das Menschen Nahrung geschieht. Immer eigenhändig kochen, ist definitiv das beste. Wenn du wieder fiel mir auf, dass der mittlere Abschnitt, den unsere selber kochst, isst du gesünder, ohne dass du groß Nahrung durchläuft, nämlich die Zubereitung von Essen, dar über nachdenkst. In Fabriken dagegen wird nicht enorm wichtig für die gesamte gut gekocht – zu viel Salz, Nahrungsmittelkette ist. Fett, Zucker. Diese Einsichten Wie gekocht wird und wer haben mich dazu ver anlasst, das tut, beeinflusst etwa die mich intensiver mit der Landwirtschaft erheblich. Zubereitung von Essen zu Deren Industrialisierung ist

VOR, IM TOPF ZU RÜHREN – WELCHE VORTEILE HAT DAS HABEN SIE EINEN TIPP? Einfach anfangen. Es gibt so SELBERKOCHEN NOCH?

Für mich ist die Freude, die viele gute Bücher und Webmir der Prozess des Kochens sites, auf denen man passende bereitet, die stärkste Motiva- Rezepte findet. Man muss sich tion. Es wirkt therapeutisch nur trauen. Es kann eigentund entspannend, wenn man lich nichts schiefgehen. Und etwas selbst macht. Kochen es macht auch nichts, wenn ist – wie Gärtnern auch – eine man sich nicht genau ans Beschäftigung, die dich mit Rezept hält – das Gericht wird deshalb nicht in sich zusamder Natur und mit deinen Sinnen verbindet. Wenn du menfallen, es sei denn, wir nur ab und zu selbst kochst, fangen gleich mit Soufflés an. lernst du auch, allen Men- Wie beim Häuserbauen oder schen, die regelmäßig kochen beim Bücherschreiben und und unsere Mahlzeiten mit bei allen anderen Dingen im großer Sorgfalt zubereiten, Leben kann allein die Angst man eine gute Mahlzeit zuvor dem Misslingen lähmend bereiten. Sicherlich gibt es wieder mehr Respekt entwirken. Ich will meine Leser bestimmte Niveaus, die man gegenzubringen. ermutigen, spielerisch an die erst mit mehr Aufwand erSOLLTEN WIR DENN AUF Sache heranzugehen. reicht. Aber an die muss man sich ja nicht gleich heranFERTIGPRODUKTE KOMWIE LANGE MUSS MAN wagen. Ich selbst habe das PLETT VERZICHTEN? Nein, überhaupt nicht. IN DER KÜCHE STEHEN, UM richtige Kochen auch erst lernen müssen. Ich bin dabei Manches ist doch ein wahrer EIN GUTES ESSEN AUF Segen. Ich bin zum Beispiel DEN TISCH ZU BRINGEN? immer ziemlich ungeduldig froh, dass ich kein Getreide In einer halben Stunde oder gewesen. Wenn ich in der mahlen muss, wenn ich Mehl sogar in 20 Minuten kann Küche stand, hatte ich stets

TEXT CLASSICSTOCK/MAST MAJA BECKERS F So kann es passieren, dass eine 79-jährige Frau nach einem Teller Sauerampfersuppe anfängt, von ihrer Kindheit in Ostpreußen zu erzählen, über die sie schon lange nicht mehr gesprochen hat. Solche Überraschungen haben Jörg Reuter und sein Team reihenweise erlebt, als sie drei Monate lang Seniorenheime in ganz Deutschland besuchten, um mit den Bewohnern zu kochen und in dem Zuge alte Rezepte

ESSE, FÜHLE ICH MICH WIEDER

speichern. Dass die Erinnerungen in uns dann noch so lange so lebendig bleiben, hat auch damit zu tun, dass ein Geschmack immer eine spezifische Mischung aus Verschiedenem ist – im Falle der Markbällchensuppe zum Beispiel aus all den Zutaten und Gewürzen, die meine Oma dafür benutzt hat. Diese exakte Mischung wiederholt sich nicht oft und wird deshalb auch nicht so verwässert.

MIT LIEBE GEMACHT

Durften sie über Essen reden, sprudelten die sonst oft still gewordenen Senioren los. Und wer vor dem Kochen noch fürchtete, die Finger nicht mehr gut bewegen zu können, schälte schon bald

Jörg Reuter u. a.: Wir haben einfach gekocht (Umschau, 29,95 Euro). Einige Rezepte daraus findest du ab Seite 104, das Blog zum Projekt unter wir-haben-einfach-gekocht.de

Ich muss daran denken, mit wie viel Elan meine Oma bis ins hohe Alter in der Küche werkelte. Wie viel Liebe in diesem Bemühen steckt, ein schönes gemeinsames Erlebnis zu schaffen. Vielleicht trägt auch das zu den positiven Erinnerungen bei. Das Markbällchensuppekochen mit meinen Geschwistern jedenfalls ist in diesem Sinne eine neue Erinnerung, die bestimmt auch im Gedächtnis bleibt.

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Auf Pinterest und Instagram findest du unter dem Stichwort clean eating" mehr Inspiration "

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das Gefühl, dass ich eigent- genau das beigebracht hatte, STATISTIKEN ZEIGEN ABER: lich Wichtigeres zu tun hätte: fing ich an, das Kochen wirk- WIR KOCHEN WENIGER UND Mails checken, Sport treiben lich zu mögen. Plötzlich hatte ESSEN MEHR … und so weiter. Es fiel mir ich kein Problem mehr damit, Ja, wir essen mehr und schwer, einfach nur mal am wenn die Zubereitung einer schneller – wir essen unterHerd zu stehen. Tatsächlich Mahlzeit eine oder sogar zwei wegs und zwischendurch. war ich meilenweit von dem Stunden dauerte. Denn ich Ein großer Vorteil von Flow entfernt, in den du beim wollte ja kochen. Ich musste gemeinsamen Mahlzeiten Kochen geraten kannst. Am es nicht tun, nur um etwas besteht darin, dass man sie schwierigsten war es, zu lernen, auf den Tisch zu bekommen. mehr genießt. Man weiß: geduldig und präsent zu sein. Und das war für mich der Leute, die allein essen und Erst als mir eine Lehrerin entscheidende Wendepunkt. dabei etwas anderes tun,

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„ ESSEN MACHT GLÜCKLICH“

Willkommen in der geschmackvollen Welt von Karin. Alle Bilder stammen von ihrem Blog

— Karin Stöttinger sammelt Geschmacksmomente" " und teilt sie, verpackt in wunderschöne Bilder und Geschichten, auf ihrem gleichnamigen Blog

Couscous-Erdbeer-Spinat-Salat mit Schafskäse und Nüssen

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ochen ist wohl die schönste notwendige Sache der Welt“, findet Karin, die schon mit drei Jahren den ersten Kuchen backte. Heute steht sie oft und gern mit ihrem fünfjährigen Sohn in der Küche. WOHER KOMMT DEINE LEIDENSCHAFT FÜRS KOCHEN?

Von meiner Mutter. Sie hat jeden Tag für uns gekocht, und schon als kleines Kind war ich immer mit dabei und durfte ihr helfen. Ich bin heute noch am liebsten in der Küche, da finden auch die besten Gespräche statt. Kochen verbindet, genauso wie Essen – und macht ganz schnell glücklich.

auch ein Grund, warum so viele Menschen Essensfotos in den sozialen Netzwerken posten. Ich habe aber auch mit meinem Blog begonnen, weil ich es schön finde, wenn Rezepte nicht nur auf einem einzelnen Bild dargestellt werden, sondern es dazu eine Geschichte gibt. Ich schreibe ja auch ganz ehrlich, wenn mal was schiefgeht. Backen zum Beispiel liegt mir gar nicht. DU ENTWICKELST DEINE REZEPTE SELBST. WAS INSPIRIERT DICH?

WIE KAM ES ZU DEINEM ERSTEN KOCHBUCH?

Ich liebe Kochbücher. Ich kann sie stundenlang anschauen, und ich mag schönes Papier. Es war schon immer mein Traum, selbst ein Kochbuch zu veröffentlichen. Ich wusste nur lange nicht, zu welchem Thema. Dann war ich zum Wellenreiten in Spanien. In dem Camp gab es einen Koch, der uns mittags oft Salat in Gläsern gemacht hat. Die Idee habe ich mit nach Hause genommen – und schon bald alle Kollegen im Büro mit Salatgläsern versorgt. Sie waren so begeistert, dass sie sagten: Mach doch mehr draus.

ILLUSTRATION CHRIS CAMPE/A TEXT CHRISTIAN W ILLUSTRATION KANDRA ILLUSTRATION TM PEZ AG GUTES IM GLAS

REZEPTE

UND NUN MACHST DU MIT DEINEM BLOG AUCH ANDERE MENSCHEN GLÜCKLICH.

Mit Essen wird ein Gemeinschaftsgefühl transportiert, und das versuche ich auch mit meinem Blog. Wenn Leser meine Einträge kommentieren oder ihnen meine Fotos gefallen, schafft das eine Verbindung. Ich glaube, das ist

Die einen bringen Souvenirs aus dem Urlaub mit, bei

Karin Stöttinger war es die Idee für ihr erstes Kochbuch. Darin schichtet sie kunterbunte Salatzutaten in hübsche Gläser –

gut geschüttelt mit einem Dressing der perfekte Lunch to go

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132 _ Kochbuch

Ich habe einen großen Freundeskreis, der viel zusammen kocht, bringe aber auch von Reisen immer wieder Ideen mit. Mein Bruder zum Beispiel lebt in London, da gehe ich gern auf Streetfoodmärkte. Die Vielfalt ist dort im Vergleich zu meiner kleinen Stadt natürlich immens. Und ich gucke mir viel im Internet an. Meistens dient eine Zutat, auf die ich Lust habe, als Grundlage, und dann überlege ich mir, was dazu passen könnte. Ganz oft entscheide ich auch einfach nach Farben.

GIBT ES EINEN GESCHMACKSMOMENT, DEN DU UNBEDINGT NOCH ERLEBEN MÖCHTEST?

Ich hatte in London mal die Gelegenheit, Seeigel zu essen. Auf einem Fischmarkt – nur war es sechs Uhr in der Früh, da war mir nicht danach … Das werde ich aber auf jeden Fall noch nachholen. geschmacksmomente.com

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ILLUSTRATION KENDRA DA _ 135


Book for Paper Lovers

Einladungskarten

Musterpapiere

FÜR PAPIERLIEBHABER Aus Freude am Basteln und Schreiben: In unserem neuen Book for Paper Lovers findest du auf insgesamt 300 Seiten bunte Geschenkbögen, Sticker, Postkarten, Anhänger, eine Girlande und vieles mehr. In den vergangenen Jahren war es immer ganz schnell ausverkauft. Damit dieses Mal niemand leer ausgeht, haben wir extra ein paar mehr Exemplare drucken lassen – es sind also immer noch welche zu haben! Du kannst es für 16,95 Euro bestellen unter www.flow-magazin.de/shop

Briefpapier

Geschenkanhänger

Sticker

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Leserfotos Genauso gern wie wir Post von euch bekommen, schauen wir uns eure FlowFotos auf Instagram an. Hier eine kleine Auswahl — ihr seid groĂ&#x;artig!

@kiri_mirii

@nadiepeach

@madamefux

@krakeluere

@its_me_zazie_

@s_kirschchen @yogaliebe @lulo_nes

@sammyvansun

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Ausmalbuch & Vorschau

AUSMALBUCH

ILLUSTRIERT VON HELEN DARDIK UND CAROLYN GAVIN

MIT FARBEN SPIELEN Wir von Flow finden Ausmalen eine herrliche Art der Entspannung. Deshalb haben wir mit zwei unserer liebsten Illustratorinnen, Helen Dardik und Carolyn Gavin, ein Malbuch für euch gemacht. Das Flow-Ausmalbuch kannst du für 8,95 Euro bestellen unter www.flow-magazin.de/ausmalbuch

GEMEINSAM STARK: Wie kreative Duos sich beflügeln ✻ JEDER KANN DICHTEN: Warum wir so angetan sind von der neuen Art der Alltagslyrik ✻ SELBER MACHEN: Wir binden ein Buch UNSERE PAPIERGESCHENKE: Tausend-Fragen-an-dich-selbst-Heft und drei schöne Geschenktütchen

FLOW #18: 7. JUNI 2016 Manchmal ändern wir unsere Pläne, finden etwas noch Besseres, etwas noch Schöneres. Darum kann es sein, dass die nächste Ausgabe ein bisschen anders aussieht, als wir es hier ankündigen.

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