Anzeiger Luzern 32 / 10.08.2016

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ANZEIGER-LUZERN.ch – Nr. 32 Mittwoch, 10. August 2016

Persönlich

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Olympische Spiele

«Private Termine sind sekundär» Flavio Zberg ist Trainer des Schweizer 400-Meter-Hürdenläufers Kariem Hussein. Am Montag startet sein Schützling in Rio im Vorlauf. Der Hergiswiler über seinen besten Athleten, seinen Job in Rio und eine kompromisslose Planung. Kariem Hussein sagte in einem Interview mit dem «Anzeiger» im Juni, der Trainer plane die Saison, im September würde man wissen, ob es die richtige Planung war. Flavio Zberg, wie gehen Sie mit diesem Druck so kurz vor dem wichtigsten Rennen seiner Karriere um? Man strahlt selbstverständlich Sicherheit aus, und wenn man plant, ist man sich auch sicher, dass es der richtige Plan ist. Ich stehe dem relativ relaxed gegenüber, weil wir das bisher auch immer geschafft haben. Kariem hat bisher am Tag X immer seine beste Leistung abrufen können. Aber das hat auch weniger mit dem Trainer zu tun, sondern damit, ob sich der Athlet im richtigen Moment fokussieren kann. Wenn er diese Verantwortung so an mich übergeben will, ist das für mich ok. Das ist auch mein Job. Ihre Hauptarbeit, die Vorbereitungsphase, ist vorbei. Was ist Ihre Aufgabe nun in Rio? Es sind vor allem organisatorische Dinge. Den ganzen Tag im Hotelzimmer sitzen, ist nicht das Gelbe vom Ei. Es gilt, den langen Tagen eine Struktur zu geben. Ich stelle auch sicher, dass er zum richtigen Zeitpunkt am richtigen Ort ist. Weiter sorge ich dafür, dass er mit der richtigen Einstellung und der richtigen Motivation in den Vorlauf geht. Was sind Ihre persönlichen Erwartungen? Ich erwarte von ihm, dass er mit einer Top-Einstellung in den Wettkampf geht. Dass er mental bereit ist, die Topleistung abzurufen. Im Halbfinale braucht es den Lauf seines Lebens, das wissen wir. In einem allfälligen Finallauf wäre alles möglich. Kariem Hussein wirkt immer sehr cool. Wie sieht dies aus, wenn keine Kamera dabei ist? Er ist sicher ein introvertierter Typ, deshalb wirkt er ruhig und ist es auch. Aber wenn das Umfeld nervös ist, überträgt sich das auch auf ihn. Wie war die Vorbereitungsphase für Sie persönlich? Sie wurden bestimmt oft auf die Spiele angesprochen ... Die Heim-EM 2014 war für uns fast eine Nummer grösser. Da hat das Umfeld fast nur noch davon gesprochen. In Zürich wollten alle im Stadion sein, das ist nun schon wegen der Distanz etwas anders. Wenn Sie nicht Leichtathletik-Trainer wären, wären Sie Tennis- oder Fussball-Coach? Sie spielen ja selbst in Hergiswil noch Tennis und Fussball ... Das ist mehr für mich persönlich als Ausgleich und um meine Kollegen zu treffen, was allerdings nicht immer einfach ist. Als Trainer bist du 365 Tage im Jahr für die Sache bereit, da rechnet man nicht in Stunden. Leichtathletik ist meine Leidenschaft, aber es ist nicht einfach, wenn es das Einzige ist. Wie kam es zur Zusammenarbeit mit Kariem Hussein?

Der zweifache Familienvater Flavio Zberg ist seit 2009 bei Swiss Athletics als Nationaltrainer tätig, seit 2012 coacht er Kariem Hussein. Als er studiumbedingt nach Zürich wechselte (Kariem Hussein studiert Medizin), lag es auf der Hand, dass wir zusammenarbeiten würden. Wir kannten uns bereits. Weshalb läuft jemand 400 Meter Hürden und nicht 400 Meter? Das hat mit Rhythmisierungsfähigkeiten und Anpassungsfähigkeiten zu tun. Kariem ist mit seiner Grösse, seinen langen Beinen und dem Rhythmusgefühl für die 400 Meter Hürden prädestiniert. Anders als bei den 400 Metern ist nicht nur die physische Komponente entscheidend. 2008 haben Sie in einem Bericht geschrieben, die Leichtathletik sei in einer schwierigen Phase. Nun reist Swiss Athletics mit 17 Athleten nach Rio. Welche Erwartungen haben Sie an die Schweizer Leichtathleten in Rio? Es ist wichtig, dass wir mit einem guten Selbstvertrauen auftreten. Wir sind nicht mehr nur die kleine Schweiz, die auch noch dabei ist. Ziel muss sein, konkurrenzfähig zu sein. Wir haben einige Leute mit Finalpotenzial. Ich glaube, der EM-Titel von Ka-

riem 2014 hat gerade mental seinen Teil dazu beigetragen. Er hat aufgezeigt: Es ist etwas möglich. Andere Athleten reden nun nicht nur davon, sie glauben es wirklich. Das macht den Unterschied aus. Es heisst, Sie sind ein kompromissloser Planer, was hat das zu bedeuten? Ich erwarte, dass die Athleten ihr Leben so planen, dass sie dem Spitzensport alles unterordnen. Private Termine sind sekundär. Das erwarte ich von den Athleten, das lebe ich aber selbst auch. Das heisst, wir planen nicht von Montag bis Freitag. Wenn ein Training am Sonntag ansteht, dann wird am Sonntag trainiert. Es reicht nicht an die Weltspitze, wenn man zu viele Kompromisse eingeht. Selbstverständlich kann ich einen Studienplan nicht auf den Kopf stellen, private Termine aber schon. Ein Geburtstag hier, eine Hochzeit da, das ist im Spitzensport schwierig. Ein Punkt, der Schweizern manchmal schwerfällt ... Definitiv, uns geht es zu gut. Wir wollen zu oft auf zu vielen Hochzeiten tanzen. Das

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geht im Spitzensport nicht. Das Leben muss komplett darauf ausgerichtet sein. Da hat es keinen Platz für ein «Jein», da gibt es nur Ja oder Nein. Das gilt für das gesamte Team. Wenn es so kompromisslos ist. Fliegen da auch einmal die Fetzen? Bei uns ist sicher nicht immer ‹Friede, Freude, Eierkuchen›. Wir sprechen viel über die Trainings, suchen nach Optimierungsmöglichkeiten. Aber richtig die Fetzen fliegen eigentlich nicht. Wir verstehen uns sehr gut. Sind Sie der Brett Sutton der Leichtathletik? Ausdauersport ist schon etwas anderes. Da ist Quantität höher zu bewerten als bei uns. In der Leichtathletik ist die Qualität wichtiger. Da behaupte ich, sind wir auf einem sehr hohen Niveau. Der WM-Zweite und der EM-Vierte aus Russland sind wegen des Dopingskandals nicht am Start, inwiefern ändert dies die Situation? Wir verurteilen das aufs Höchste. Und ich finde es richtig, dass sanktioniert wird. Für

Hotel Waldhaus: Rückbau

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Müller AG gezwungen, einen Teil des Hotels bereits abzureissen. Aktuell werden für das ehemalige Hotel auf der Oberrüti in Horw in Zusammenarbeit mit der Gemeinde Realisierungskonzepte ausgearbeitet. In den nächsten Wochen will das Baarer Unternehmen bei der Gemeinde ein Baugesuch einreichen, um auch den Rest des Gebäudes abzureissen. PD

Wie geht es nach Rio weiter? Ich bin beim LC-Zürich und bei Swiss Athletics in einem Angestelltenverhältnis und kann mir sehr gut vorstellen, dass es so weitergehen wird. Es ist unglaublich spannend. Mit Kariem steht die Masterplanung bis 2018. 2018 ist das Staatsexamen geplant, anschliessend besteht die Möglichkeit, dass er sich nur auf den Sport konzentriert. Ich kann mir auch vorstellen, einmal in einer anderen Sportart, beispielsweise als Konditionstrainer, zu arbeiten, aber das muss nicht in den nächsten zwei, drei Jahren sein. Marcel Habegger Tele 1 berichtet aus Rio Tele 1 berichtet noch bis am 17. August aus Rio über die Zentralschweizer Athleten, die Schweizer Olympiahelden und Medaillengewinner.

Veranstaltung

Aus Sicherheitsgründen musste ein Teil des Hotels Waldhaus in Horw abgerissen werden. ie Alfred Müller AG ist seit einigen Jahren Besitzerin des Gebäudes mit dem 2001 stillgelegten Hotel Waldhaus in Horw. Ursprünglich war geplant, dass das Hotel erst rückgebaut wird, wenn das neue Projekt baureif ist. In den letzten Wochen und Tagen hatte sich der Zustand der Fassade jedoch massiv verschlechtert. Die Hauswand drohte einzubrachen. Dadurch sah sich die Alfred

Kariem ändert sich aber nichts. Er muss sein Rennen machen.

Ein Teil des ehemaligen Hotels musste aus Sicherheitsgründen abgerissen werden.

bv

«Unsere Wildnis» im Open-Air-Kino Luzern (pd) Unter dem Patronat der Stadt Luzern zeigt das Open-Air-Kino Luzern am 17. August den Naturfilm «Unsere Wildnis – Les Saisons». Der Film zeigt die Veränderungen der Natur in Europa seit der letzten Eiszeit. Eine begrenzte Anzahl Gratistickets wird ab 10. August im Öko-Forum abgegeben. Das Öko-Forum befindet sich im Bourbaki-Panorama, Luzern. Montag, 13.30 bis 18 Uhr; Dienstag bis Freitag, 10 bis 18 Uhr; Samstag, 10 bis 14 Uhr.


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