Fight Back 04 - Antifa-Recherche Berlin / Brandenburg - 2009

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fight.back Nr.4 - 2009

zum Thema „Jugend braucht Perspektiven“. Hier übernahm Thürmann sogar die Funktion des stellvertretenden Versammlungsleiters. Zudem ist er Stützpunktleiter der JN Treptow-Köpenick. Weiterhin in Schöneweide wohnhaft sind auch die NeonaziaktivistInnen Kaled Hassan, Uwe Dreisch, Anja Hahn, Deborah Lück (vormals aus Königs Wusterhausen), Schein-Aussteiger Marco Oemus und bis zu seinem Haftantritt der mehrfach verurteilte Schläger René Theobald. Dass diese hohe personelle Dichte von mehr oder minder organisierten Neonazis auch vor Ort nicht nur durch Propaganda deutlich wird, zeigt sich immer wieder beim alljährlichen „Fest für Demokratie“ am Bahnhof Schöneweide. Allerdings nimmt die Qualität rechter Gegenaktivitäten mit den Jahren spürbar ab. Waren 2005 und 2006 noch angemeldete Gegenkundgebungen durchgeführt worden, reduzierten sich 2007 die Aktivitäten auf das Ausspähen der BesucherInnen und VeranstalterInnen durch Sebastian Schmidtke und andere „Freien Kräfte“. Ähnlich verhielt es sich 2008. Allerdings führten zusätzlich Andreas Thürmann, Bengt Bolle und 14 weitere Neonazis eine geschlossene Veranstaltung in der Neonazi-Kneipe Ostend durch. Zudem bescheinigen die Ergebnisse der Abgeordnetenhauswahl 2006 Schöneweide mit bis zu 14,4 Prozent Stimmenanteile eine hohe NPDWählerdichte. Diese wurde nur noch durch den Ortsteil Altglienicke getoppt, in dessen Stimmbezirk 326 19,8 Prozent der WählerInnen bei der NPD ihr Kreuz machten. Hier sind vermehrt Neonazi-Aufkleber und -Sprühereien zu finden. Verantwortlich für das hohe Aufkommen von Neonazi-Propaganda ist hier in erster Linie die Clique um Marcel Königsberger, der hauptsächlich im angrenzenden Rudow politisch aktiv ist. Infrastruktur Extrem rechte Infrastruktur im Bezirk hat seit der letzten Ausgabe der „Fight-Back“ eine wechselvolle Geschichte hinter sich. Bereits im August 2006 schloss der Neonaziladen Parzifal (Marienstraße/ Ortsteil Ober-Schöneweide) nach einer lediglich einjährigen Verkaufsphase überraschend. Betrieben wurde das Geschäft von Alexander Willibald Bahls, Inhaber waren Phillip Schlaffer und Ingo Knauf aus Wismar. Nach der spontanen Räumung und Schließung des Geschäfts überfiel Bahls am 5. Oktober 2006 zusammen mit zwei weiteren Tätern Schlaffer in dessen Wohnung. Bahls wurde deswegen im Mai 2007 zu einer mehrjährigen Haftstrafe verurteilt. Der Laden blieb geschlossen. Im November 2007 eröffnete in Baumschulenweg das Bekleidungsgeschäft Landskamp (Baumschulenstraße), das exklusiv die damals neue Marke Erik and Sons vertrieb. Diese arbeitet ganz ähnlich wie Thor Steinar mit zweideutiger nordischer Symbolik. So ist im Logo von Erik and Sons die Naudhiz-Rune verarbeitet, die unter anderem für „Widerstand“ steht. Der Vertrieb erfolgt aus Königs Wusterhausen. Geschäftsführer ist hier Udo Siegmund, der früher als Mitarbeiter die Webseite von Thor Steinar betreut hat und im Zusammenhang mit einem Neonazi-Konzert 2005 in Schweden auffiel. Anfänglich wurde Erik and Sons ausschließlich über diverse Neonazi-Versände angeboten, mittlerweile ist die Marke aber fester Bestandteil im NPD-eigenen Deutsche Stimme-Versand. Ende Dezember war es jedoch schon aus mit dem neuen rechten Bekleidungsgeschäft in Baumschulenweg. Der Laden war nicht angemeldet und wurde auf Veranlassung des Gewerbeamtes geschlossen.

Veränderungen gab es auch im Kneipenmilieu. Der Berlinweit genutzte Treffpunkt Spreehexe, der seit Ende 2004 größtenteils von Gästen aus dem Kameradschaftsspektrum frequentiert worden war und als Treffpunkt für gemeinsame Anfahrten zu Aktionen, allgemeiner Rückzugsraum für lokale Neonazis und Ausgangspunkt von rechten Übergriffen diente, schloss im Jahr 2006 und wurde noch im Oktober versteigert. Spätestens seit Sommer 2007 gilt das Ostend am Kaisersteg in NiederSchöneweide (Hasselwerderstraße) als neuer bevorzugter Treffpunkt für Neonazis aus Treptow-Köpenick aber auch Rudow. Betrieben wird die Kneipe von Rainer Hoffmann. Vermutlich im Juli 2007 fand in dieser ein Neonazi-Konzert im kleineren Rahmen statt, das neben örtlichen Neonazis wie Markus Loszczinsky auch von mehreren Rudower AktivistInnen besucht worden war. Zudem diente die Kneipe als Anlaufpunkt vor und nach rechten Aktionen und es fanden mehrere interne Veranstaltungen statt, zuletzt am 27. September 2008 als Andreas Thürmann als Verantwortlicher eine interne Gegenveranstaltung zum „Fest für Demokratie“ am Bahnhof Schöneweide durchführte. Seit Ende 2008 ist das Ostend jedoch geschlossen. Es ist unklar, ob es seine Pforten wieder öffnen wird. Ein weiterer beliebter Anlaufpunkt für Neonazis ist die Kneipe Balla-Balla in der Spreestraße, ebenfalls in Nieder-Schöneweide. Seit einigen Monaten entwickelt sich die Kneipe Zum Henker in der Brückenstraße zum Treffpunkt der Berliner Neonaziszene. Zunächst waren mehr Aufkleber sichtbar, es gab erste Beschwerden über volksverhetzende Parolen, die vom Publikum des Henkers gerufen wurden. Mittlerweile ist klar, dass es sich um einen Treffpunkt nicht nur der Schöneweider Neonazis handelt. Am 21. Mai 2009 (Himmelfahrt) fand im Henker eine Party statt, bei der Neonazis aus Neukölln, Marzahn-Hellersdorf, Lichtenberg, Treptow-Köpenick und Teltow-Fläming anwesend waren. Die Internetseite des Henkers ist auf Paul Barrington angemeldet. Der Treptower war für die Internetseite www.SS88.de verantwortlich, worfür er zu sieben Monaten Haft auf Bewährung verurteilt wurde und ist eng mit dem Neonazi Sebastian Dahl befreundet, der wegen Mordversuch eine 5jährge Haftstrafe verbüsst (siehe Artikel „Knast und Justiz“). Außerdem war Barrington 2002 an einem Übergriff auf einen linken Jugendlichen in Potsdam beteiligt. Eine undurchschaubare Mischszene hat sich in Oberschöneweide um den Klub Dark7side in den Spreehöfen etabliert. Das Berliner Gremium MC Chapter Darkside wird von ehemaligen FAP-Aktivisten um u.a. Percy Sauer und Lars Burmeister dominiert. Der Neonazisänger Burmeister war Mitbetreiber des nunmehr geschlossenen Klub Asgard der u.a. Neonazi Konzerte organisierte und Sitz des Gremium Chapters war. Der Klub Dark7side bietet heute neben teils extrem rechter Metall-Musik und Rockertreffen auch „kieznahe Aktivitäten“, so ein Familiensommerfest wie das Spreehöfefest 2007. Als Betreiber des Klubs Darkside, trat hier offiziell das Musik - Design und Management (MDM) auf, bzw. ein Berlin Metal Thunder e.V. in Gründung. Man habe gar einen sozialarbeiterischen Anspruch und verkündet: „mit der tatkräftigen Unterstützung des Bikerklub‘s MC Gremium 7 sind wir bereit, dieses in unserem Kiez durchzuführen“. (Zitat: Dörferblick 2007). Ansprechpartner war hier Robert Lange und Conny Kittscher von MDM. Unter MDM trat eine gleichnamige Konzertagentur (mdm konzerte) bzw. Booking-Agentur (mdm berlin) auf. Skepsis ist hier für AntifaschistInnen

Mitarbeiter im Landskamp

Thomas Markgraf „Monty“

Deborah Lück

Anja Hahn

Danny Leszinski

Michael Koth

Paul Barrington

Andreas Thürmann

Sebastian Schmidtke

Markus Loszczinsky

Alexander Meurer

Kaled Hassan


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