Zentrales Element: Gewalt In den letzten Jahren kam es als folgerichtige Konsequenz ihrer Ideologie auch zu teilweise massiven Gewalttaten seitens Süd-Neuköllner Neonazis, vor allem im Jahr 2006. Während das Berliner Landeskriminalamt (LKA) für 2007 und 2008 nur je drei gewalttätige Angriffe von Neonazis in gesamt Neukölln verzeichnet, liegen die Zahlen der Opferberatungsstelle ReachOut mit fünf Gewalttaten im Jahr 2007 und neun im Jahr 2008 deutlich höher. Laut ReachOut war hierbei der größte Teil der Angriffe rassistisch motiviert. Bei den genannten Zahlen muss jedoch berücksichtigt werden, dass viele Attacken von den Betroffenen aus unterschiedlichen Gründen nicht bekannt gemacht werden und es tatsächlich mehr Vorfälle gab. Eine kurze, unvollständige Auswahl von Angriffen, überwiegend gegen linke und alternative Jugendliche, stellen wir im Folgenden zusammen: 29. Januar 2006: Timo Lennig (mittlerweile wohnhaft in Kiel), Sven Pohle und andere Neonazis attackieren einen alternativen Jugendlichen an der Rudower Spinne. März 2006: Insgesamt 30 Neonazis bewegten sich, teilweise bewaffnet, im Umfeld einer Antifa- Demonstration in Rudow. Sebastian Thom wird wegen des Besitzes einer nicht erlaubten Schußwaffe festgenommen, aus einem Hochhaus an der Wutzkyallee wird eine Flasche auf die Demonstration geworfen. 22. April 2006: Timo Lennig und Sebastian Thom beteiligen sich an einem Angriff auf Linke in Treptow. April 2006: Ein alternativer Jugendlicher wird auf die stark befahrene Kreuzung am U-Bahnhof Rudow gejagt. 16. Juni 2006: Eine Gruppe von 30 Neonazis versucht, eine antifaschistische Veranstaltung im Brandenburgischen Rangsdorf anzugreifen. Unter den Tätern sind Thomas Schirmer, Julian Beyer und Timo Lennig. 02. September 2006: Neonazis bewegen sich erneut im Umfeld einer antifaschistischen Demonstration in Rudow. Timo Lennig wird festgenommen. September 2006: Rudower Neonazis beteiligen sich in Friedrichshain an einem Angiffsversuch auf Linke. 17. November 2006: Kai-Uwe Zemke, Patrick Weiß, Sebastian Krzyzanowski, Sven Pohle, Timo Lennig u.a. versammeln sich zu einem Angriff auf das Anton-Schmaus-Haus. Sie werden von der Polizei gestoppt und vertrieben. 23. Juni 2007: Etwa 15 überwiegend Neuköllner Neonazis attackieren die BesucherInnen einer Party im Anton-Schmaus-Haus auf deren Heimweg – der Angriff endet mit drei „eigenen“ Verletzten, u.a. Robert Marilow, stellvertretender Kreisvorsitzender der NPD-Spandau, welcher einen Beinbruch erleidet. 13./14. November 2007: Neonazis verletzen einen vermutlichen „Aussteiger“ mit einem Schlagstock am Kopf. 04. Mai 2008: Linke Jugendliche werden beim Verteilen von Flugblättern von zwei Neonazis, bewaffnet mit Schlagstock und Messer, angegriffen und mit dem Tod bedroht.
Timo Lennig
Sven Pohle
Thomas Schirmer
Kai-Uwe Zemke
Patrick Weiß
Sebastian Thom
Neonazi aus Neukölln
Neonazi in Neukölln aktiv
Neonaziaktivistin aus Neukölln
Daniel Dech
Christopher Simon
Gordon Bodo Dreisch „Midgards Stimme“
auf, bei Neonazi-Konzerten und -Veranstaltungen spielt er regelmäßig als Liedermacher Midgards Stimme. Auf dem Cover einer seiner CDs grüßt er die „Buckower und Rudower Chaoten, macht weiter so, denn am Ende steht der Sieg“. Sein Vater, Uwe Dreisch aus Berlin-Oberschöneweide, war im NPD-KV6 (Treptow-Köpenick) aktiv und ist nun ebenso im Frontbann 24 untergekommen (siehe Artikel „Treptow-Köpenick“). Innerhalb der Division Rudow haben sich außerdem jüngere Neonazis als „Autonome Nationalisten“ organisiert. Aktiv sind bzw. waren u.a. Maurice „Brille“ Menz, Robert Hardege, Markus Pohle, Julian Beyer und Julian Schumann, der jüngere Bruder von Florian Schumann. Zum Umfeld der NeonaziStrukturen aus Süd-Neukölln gehörten bei teilweise eher sporadischem Auftauchen in den letzten Jahren u.a.: Patrick Heise (Britz), Christian Stein (Britz), Alexander Hanitzsch (Buckow) sowie die Rudower Robert Wolski, Tobias Simon (jüngerer Bruder von Christopher Simon), die Brüder Erik und Marco Wagner und Patrick Kundt. Aktionsfelder der „Autonomen Nationalisten“: Mythos und Realität der Neonazi-Homezone Rudow Die „Autonomen Nationalisten“ blieben in den letzten Jahren aktionsorientiert und gewaltbereit. Die Fokussierung der Aktionen auf den eigenen Kiez wurde zunehmend aufgegeben, und ein teilweises Aufgehen in berlinweiten Neonazi-Strukturen war zu beobachten. Zumeist verbunden mit einem morgendlichen Treffpunkt am U-Bahnhof Rudow, beteiligten sich die „Autonomen Nationalisten“ aus Süd-Neukölln berlinweit und im gesamten Bundesgebiet an Demonstrationen der Neonaziszene. Die in früheren Jahren scheinbar selbstverständlich zur Schau gestellte Präsenz auf den Straßen Süd-Neuköllns ist zuletzt einem vorsichtigeren Verhalten gewichen - Ursache dafür sind offensive Aktivitäten von Antifas und staatliche Repressionsmaßnahmen. Die im Straßenbild sichtbaren neonazistischen Aufkleber und Plakate sowie die gesprühten Kürzel und Parolen sind in ihrer Anzahl zurückgegangen. Propagandatätigkeiten finden jedoch weiterhin statt, vor allem im Vorfeld von Demonstrationen o.ä., vereinzelt wurden auch Info-Stände organisiert. Positiv ist zu vermerken, dass neonazistische Progaganda deutlich schneller als in der Vergangenheit entfernt wird. Vereinzelt kam es auch zu Sprüh-Aktionen und Verkleben von Stickern in Nord-Neukölln, oft als hilflose Reaktion auf vorangegangene Aktivitäten von Antifas. Der linke Stadtteilladen Lunte und das Britzer Anton-Schmaus-Haus der Falken waren mehrfach Ziel von Neonazi-Schmierereien. Ein Schwerpunktthema der „Autonomen Nationalisten“ in den vergangenen Jahren war die Störung von Informationsständen politischer Parteien sowie des sogenannten Spinnefestes der SPD. Vor allem die Endphase des Wahlkampfes im August und September 2006 war von einer Vielzahl derartiger Aktionen in Rudow, Schöneweide und anderen Berliner Bezirken begleitet. Nachdem das Spinnefest im Juli 2007 erneut mit einer Mahnwache der Neonazis konfrontiert war, änderte die SPD im Jahr 2008 ihr Konzept und veranstaltete gemeinsam mit einem Bürgerbündnis ein
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