Carsten Schrank
Wolfram Nahrath
l. Marco Kühnauer und r. Tobias Kühnauer
Frank Glaser
Andreas Junge
Die Verteidiger
Vier Namen fallen immer wieder, wenn von Anwälten die Rede ist, die Neonazis vor Gericht vertreten. Der wohl prominenteste ist Wolfram Nahrath. Der ehemalige Anführer der verbotenen neonazistischen Jugendorganisation Wiking Jugend vertritt vor allem bekennende Neonazis und verfolgt vor Gericht politische Strategien. Als der Berliner NPD-Chef Jörg Hähnel angeklagt war, weil er den Mord an Rosa Luxemburg gerechtfertigt hatte, versuchte Hähnels Anwalt Nahrath die Strategie, den Mord als eine gerichtlich nicht bewiesene Tatsache darzustellen und so dem Verfahren seine Grundlage zu entziehen. Auch im schon erwähnten IPAHB-Angriffs-Verfahren vertrat er den Neonazi Diego Pfeiffer. Die wohl umtriebigsten Verteidiger sind die Rechtsanwälte Andreas Junge und Frank Glaser. Die Liste der von ihnen verteidigten liest sich wie das who is who der Berliner Neonaziszene: Björn Wild, Nicole Stenzel, David Jäckel, Alexander Meurer. Neonazis dürfen bei ihnen jedoch nicht nur Geld abdrücken. Wilds Ex-Freundin Mandy Lichtenknecker sowie offenbar auch Stefanie Piehl arbeiteten in der Kanzlei von Andreas Junge. In zwei aufsehenerregenden Prozessen im letzten Jahr verteidigte der Anwalt Carsten Schrank Neonazis. Im IPAHB-Prozess verteidigte er den Pankower NPDler Patrick Fehre, im Prozess um den Angriff auf einen Stand der Linkspartei in Rudow vertrat er das Berliner Vorstandsmitglied der NPD Sebastian Thom. Seine Karriere als Neonazianwalt begann allerdings schon viel früher. In mehreren Streitfällen in den letzten zehn Jahren vertrat er die NPD vor Gericht, referierte bei Veranstaltungen der Partei zu Rechtsthemen, verteidigte einen der Täter der Hetzjagd von Guben, sowie ein Mitglied der verbotenen Skinheads Sächsische Schweiz (SSS). Das Repressions-Spendenkonto für die Band „Landser“ lief über sein Konto. Vor allem für die Neonazi-Marke Thor Steinar setzen sich die beiden Rechtsanwälte und Burschenschafter Sascha Jung und Markus Roscher (ehem. Mitglied beim Bund Freier Bürger) vor Gericht ein.
Sascha Jung
„Ausstieg“ als Chance Eine sehr beliebte Strategie bei Neonazis ist es, sich vor Gericht als geläutert darzustellen. Dabei reicht es schon aus, der Gewalt abzuschwören. Eine (glaubhafte) politische Distanzierung ist nicht nötig. Obwohl die wenigsten RichterInnen politische Gesichtspunkte bei der Bewertung einer Straftat würdigen – hat die politische Einstellung des aktiven Neonazis eine Rolle gespielt, als er den Punk in der S-Bahn verprügelt hat – ist die (ungeprüfte) Beteuerung des Täters meist ein Strafminderungsgrund. Weiterhin aktive Neonazis wie Sebastian Zehlecke, Stefanie Piehl, Marcel Rockel (Anmelder der Internetseite des Berliner Boten), Marko Metzkow, Alexander Basil, Martin Stelter und Lars Wünsche konnten so ihr Strafmaß drücken oder sogar drohende Haftstrafen abwenden. Da das Gericht keinerlei Handhabe hat, um solche Behauptungen nachzuprüfen, können sie von den Neonazis folgenlos angeführt werden. Eine unrühmliche Rolle dabei spielt meist auch die Jugendgerichtshilfe, die fernab jeglicher politischer Einstellung Partei für den Angeklagten ergreift und politische Gewalttaten als Folge schwerer sozialer Verhältnisse oder verzögerter Erwachsenenwerdung darstellt. Aufrechte Neonazis Gerade Verfahren, bei denen keine Haftstrafe droht, sind von Neonazis ohne politischen Gesichtsverlust zu überstehen. Die beliebteste Variante dabei ist die Aussageverweigerung. Diese kann später von den Neonazis vor Kameraden als Weigerung mit dem System zusammenzuarbeiten verkauft werden. Doch auch die Möglichkeit der politischen Selbstdarstellung ist vor Gericht gegeben. Sich – im strafrechtlich nicht relevanten Rahmen – als Nationalist darzustellen, bringt nur in den seltensten Fällen nachteilige Behandlung mit sich. Flankiert von rechten Anwälten wird die neonazistische Äußerung vor Gericht als Interesse an Politik, als (vielleicht etwas übertriebene) Identifikation mit der Nation oder als (berechtigte) Wut gegen MigrantInnen oder AntifaschistInnen dargestellt. RichterInnen, die sich selten für den politischen Background interessieren, versuchen bestenfalls die Angeklagten für eine Rückkehr zum gewaltfreien Konsens zu gewinnen. Denunziation von Mittätern Oft jedoch, gerade wenn empfindliche Strafen drohen, entscheiden sich - vor allem wenig eingebundene – Neonazis dafür, durch Belastung von Mittätern den eigenen Hals zu retten. Der Ausschluss aus der organisierten Szene ist oft die Folge. Marcel Schmeck, der nach den Angriffen auf Linke in Potsdam (2005) gegen die anderen Täter aussagte, wurde aus der Szene angefeindet. Auch Tobias Kühnauer, der vor Gericht versuchte, seine Rolle beim sog. IPAHB-Angriff runterzuspielen, wird von Teilen der Neonazi-Szene als Verräter angesehen. Die meisten Neonazis, die ihren politischen und sozialen Lebensmittelpunkt in der Szene haben, empfinden den Druck aus der Szene größer als den Repressionsdruck und verzichten auf belastende Aussagen. Seit der letzten fight.back ist eine Professionalisierung im Umgang mit Gerichtsprozessen festzustellen, von der nicht nur Kader, sondern auch weniger bedeutende AktivistInnen der extremen Rechten profitieren. Neben Anwälten für die Szene nutzen die Neonazis verschiedene Strategien wie vorgetäuschte Reue, „Ausstiegsgedanken“, das Begründen ihrer Taten als politisch gerechtfertigt und die Denunziation von MittäterInnen, um das Strafmaß so gering wie möglich zu halten. Die Szene hat gelernt, aus Prozessen anderer Konsequenzen zu ziehen.
Markus Roscher
P r o z e s s e 29