Technikjournalist 1/2012

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Technikjournalist

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Y54998 D-83381 FREILASSING ı GZ 02Z033077 M ı A-5301 SALZBURG

IN ZUSAMMENARBEIT MIT DEM FORUM TECHNIKJOURNALISMUS UND TELI EURO 3,50

„US-Medien sind technikbegeistert – bei uns wird hinterfragt“ Matthias Eberle, „Handelsblatt“ Umfrage Beruf Praxis Porträt

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Welche Rolle spielen Technikthemen in der Tageszeitung? Welche Medien Technikautoren suchen. Wie gehen Redaktionen mit dem „Heise“-Urteil um? Bernd Leptihn: Der Verbraucherfreund.



Editorial

ANDREAS SCHÜMCHEN IST CHEFREDAKTEUR DES MAGAZINS „TECHNIKJOURNALIST“ as@technikjournalist-magazin.de HANNS-J. NEUBERT IST FREIER WISSENSCHAFTSJOURNALIST UND 1. VORSITZENDER DER TELI hajo.neubert@teli.de

Orientierung im Chaos Es ist Zeit, dass auch die Technik­ wirtschaftlichen und gesellschaft­ politischen Dimensionen so nahe journalisten ihr eigenes Magazin haben. Nicht nur, damit es eine Plattform gibt, die ihnen selbst Orientierung und Service bietet. Nein: Auch für die Kollegen der klassischen Ressorts soll das Ma­ gazin ein Schaufenster sein, das die vielseitigen Facetten des Tech­ nikjournalismus zeigt. Technikjournalisten sind schon längst keine Technikerklärer mehr. Sie sind Journalisten, die sich für technische Entwicklun­ gen interessieren und ein wenig mehr über Maschinen, Computer oder Gene Bescheid wissen als ihre Kollegen vom Sport, von der Politik oder der Wirtschaft.

Auch sie gehen den Dingen auf den Grund, wählen aus, zeigen Trends auf, wägen Vor- und Nach­ teile ab und ergründen gesell­ schaftliche, wirtschaftliche und politische Auswirkungen. Kurz: Sie geben ihren Zuschauern, Zu­ hörern und Lesern Orientierung im Chaos der überbordenden technisch-wissenschaftlichen In­ formationsflut. Ihre Einbindung in die politische, wirtschaftliche oder sogar die Feuilleton-Bericht­ erstattung hilft, so manche Fehler zu vermeiden, die sich häufig dann einschleichen, wenn Tech­ nikthemen auf den politischen,

Impressum

lichen Agenden nach oben rut­ schen.

Dieses Magazin will aber auch

den Technikjournalisten selbst Ideen und Orientierung geben, um noch besser zu werden. Es soll anhand von Beispielen Mut ma­ chen, eingefahrene Pfade zu ver­ lassen und neue zu entdecken. Denn nur so entstehen bessere und spannendere Geschichten. Die Journalistenvereinigung für technisch-wissenschaftliche Pub­ lizistik TELI, die älteste Fachge­ sellschaft von Wissenschafts- und Technikjournalisten, unterstützt und fördert dieses Magazin, gera­ de weil die Macher und die Auto­ ren weit über den Tellerrand des Erklärstücke-Schreibens hinaus­ blicken.

Schließlich war es das Ziel der

TELI seit ihrer Gründung 1929, dazu beizutragen, wissenschaftli­ che und technische Informationen immer auch mit dem Blick auf ihre gesellschaftliche Bedeutung zu erschließen und zu verbreiten. Die TELI ist also keine berufsständi­ sche Organisation. Es geht ihr da­ rum, den Menschen technische Entwicklungen, Dienstleistungen und Produkte in ihren gesell­ schaftlichen, wirtschaftlichen und

HERAUSGEBER: Johann Oberauer

VERLAG UND MEDIENINHABER: Johann Oberauer GmbH

CHEFREDAKTEUR: Prof. Dr. Andreas Schümchen, Jennifer Schwanenberg (stv.)

POSTANSCHRIFT: Postfach 1152, D-83381 Freilassing; Zentrale: Fliederweg 4, A-5301 Salzburg-Eugendorf, Tel. +43/6225/2700-0, Fax +43/6225/2700-11, ISDN +43/6225/2700-67

AUTOREN: Alexander Gerber, Tobias Meyer, Hanns-J. Neubert, Thomas Reintjes, Daniel Seemann, Timo Stoppacher REDAKTIONSBEIRAT: Alexander Gerber, Jan Oliver Löfken, Hanns-J. Neubert REDAKTION: Gottfried-Claren-Str. 7, 53225 Bonn, Tel. +49/228/96183004, Fax +49/228/96183004, E-Mail redaktion@technikjournalist-magazin.de

zu bringen, dass sie an demokra­ tischen Entscheidungen bewusst und mit Wissen teilnehmen kön­ nen. Der „Technikjournalist“ ist genau die Plattform, die den Jour­ nalisten hilft, diese Dimensionen zu erschließen.

MARKETING: Ruperta Oberauer, E-Mail: ruperta.oberauer@ oberauer.com, Tel. +43/6225/2700-35; Anzeigenverwaltung: Ingrid Laireiter, Tel. +43/6225/2700-31, E-Mail: anzeigen@oberauer.com

ABO- UND VERTRIEBSHOTLINE: Birgit Baumgartinger (Leitung), Christine Mayer, +43/6225/2700-42, Sylvia Reitbauer, +43/6225/2700-41, E-Mail: vertrieb@ oberauer.com LAYOUT: Errea Comunicación, Pamplona, Spanien PRODUKTION: Daniela Schneider, Britta Wienroither DRUCK: Laber Druck, 5110 Oberndorf, Österreich TITELFOTO: Tobias Everke

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Technik in Tageszeitungen

„Technik massenkompatibel machen“

I

ch glaube, Technik gewinnt zunehmend an Bedeutung für unsere Leser. Sie ist interessant und wichtig und hat auch im­ mer mehr Auswirkungen auf den Alltag. Wir beobachten seit einiger Zeit, dass Ver­ braucherthemen und Nutzwertjournalis­ mus von den Lesern gerne angenommen werden. Und da gewinnen Technik und Naturwissenschaften natürlich an Bedeu­ tung. DR. MARKUS BLEISTEIN war bei

der Nachrichtenagentur dpa in Stuttgart und anschließend stellvertretender Regierungssprecher in Baden-Württemberg, bis er im Jahr 2000 zur „Eßlinger Zeitung“ wechselte. Seit 2003 ist er Chefredakteur der Zeitung.

Regionale Tageszeitungen genießen die höchste Glaubwürdigkeit von allen Medien, und daher dürfen sie sich über einen ent­ sprechenden Vertrauensvorschuss freuen. Folglich ist es wichtig, dass Technikthemen mit absoluter Unabhängigkeit und hoher inhaltlicher Verlässlichkeit journalistisch aufbereitet werden. Hinzu kommt, dass die Leserklientel ihre Zeitung als einen Lebens­ führer begreift, der sie über alle wichtigen Neuerungen ihrer Um- und Lebenswelt auf dem Laufenden hält. Die Herausforderung liegt darin, diese Themen durch eine allgemeinverständliche Sprache massenkompatibel zu machen. Üb­ rigens spiegeln sich Technikthemen nicht nur in der Erläuterung neuer Produkte wi­ der, sondern bei Regionalzeitungen wie der „Westfalenpost“ oft in der Berichterstattung über Wirtschaftsunternehmen. Darin zeigt 4 | TJ | 01#2012

sich dann zugleich, ob eine Region Innova­ tionskraft hat oder nicht. Mitarbeiter mit guten Technikkenntnissen werden künftig in Tageszeitungsredaktionen noch willkom­ mener sein. STEFAN HANS KLÄSENER hat

seine journalistische Ausbildung am Münchener IfP absolviert. Nach Stationen unter anderem bei der „Fuldaer Zeitung“ und der „Braunschweiger Zeitung“ ist er seit 2010 Mitglied der Chefredaktion der „Westfalenpost“ in Hagen. Seit rund einem Jahr ist er dort Chefredakteur. Klassische Regionalblätter können über Ratgeberseiten hinaus nur wenig Technik­ journalismus anbieten. Das Feld der Tech­ nikthemen – vom Auto bis zum Nasen­ haarschneider – ist einfach zu riesig. Es ist zudem schwierig, leicht verständliche Texte und anschauliche Illustrationen zu bekommen. Zur Stelle muss die Regional­ zeitung aber sein, wenn vor Ort ein Solar­ feld oder ein Klärwerk eröffnet werden: Da muss die Redaktion den Lesern erklä­ ren können, wie die Anlagen funktionie­ ren. CLAUS MORHART ist seit 2002

Chefredakteur des „MainEchos“ in Aschaffenburg. Er wurde an der Deutschen Journalistenschule in München ausgebildet und hat einen Magister-Abschluss in Politikwissenschaft. Unter anderem war er zehn Jahre lang Medienredakteur bei epd medien in Frankfurt am Main.

Für den Bremer „Weser-Kurier“ sind diese alltagsnahen Technikthemen unverzicht­ bar. Das Feedback aus der Leserschaft zeigt, dass vor allem große Trends und praxis­ nahe Tipps erwartet werden – durchaus auch Empfehlungen und „How to dos“ bei konkurrierenden Verfahren oder Möglich­ keiten. Die tägliche Seite „Bildung und Wissen“ ergänzt und unterfüttert die Verbraucher­ seiten mit Grundlagen-Infos. CHRISTIAN WAGNER ist in der Chefredaktion der Bremer Tageszeitungen AG und verantwortet auch die IT der 150-köpfigen Redaktion.

Ob nun die Post einen Dienst für sichere E-Mails einführt oder immer mehr Senio­ ren auf sozialen Netzwerken wie Facebook unterwegs sind und damit die Einsamkeit im Alter bekämpfen oder mit welchem ­Beamer sich unsere Leser den besten Heim­ kinoeffekt ins Wohnzimmer holen … all das sind Themen, die unsere Leser interessie­ ren. Unabhängig davon, ob sie als Service­ stück auf der täglichen „Web & Wissen“Seite oder als Reportage im Familienmaga­ zin stehen. Denn Themen aus dem Technik­ bereich sind Geschichten aus dem Leben. Eine unserer Hauptaufgaben ist es, den Alltag unserer Leser abzubilden, und darin nimmt alles Technische, begonnen beim Smartphone, einen immer größeren Anteil ein. SEBASTIAN ZABEL ist seit einem Jahr Mitglied der Chefredaktion der „Berliner Morgenpost“. Vorher war er bei „B.Z.“, „B.Z. am Sonntag“ und dem „Kölner Express“ tätig.

FOTOS: V. SCHILDE, R. BULGRIN, PRIVAT (3)

Welche Rolle spielen Technikthemen in der Tageszeitung? Im Alltag der Leser wird Technik immer relevanter, darum räumen auch Tageszeitungen ihr mehr Raum ein und stellen sich damit einigen Herausforderungen.



Titel

MATTHIAS EBERLE: „Für unsere Kernleserschaft, die Entscheider aus Politik, Wirtschaft und Finanzen, werden Innovations- und Technikthemen immer wichtiger.“ 6 | TJ | 01#2012


„Wir wollen Lust auf Technik machen“ Auch in der Wirtschaftszeitung „Handelsblatt“ nimmt Technik immer mehr Raum ein. Der Auslandschef Matthias Eberle ist bekennender Technik-Fan und erlaubte dem Leser einen Blick in die Zukunftslabors globaler Unternehmen. Dabei wollte er die Technik nicht kritisch betrachten, sondern den Blick auf Zukunftsszenarien werfen, die uns schon bald erwarten könnten.

FOTO: ROBERT POORTEN

Herr Eberle, wie sind Sie als Auslandschef des „Handelsblatts“ auf die Idee gekommen, eine Serie zum Thema Innovation zu machen? MATTHIAS EBERLE: Weil Innovatio­ nen faszinieren, weil sie unser Ar­ beitsleben prägen und auch unser Privatleben immer wieder verän­ dern – in Deutschland und in der ganzen Welt. Mit unserem Netz von 36 Auslandskorrespondenten versuchen wir stets, die span­ nendsten Themen der Weltwirt­ schaft ausfindig zu machen. Dabei stellen wir fest, dass Technikthe­ men von Amerika über Deutsch­ land bis Asien auf dem Vormarsch sind. Apple hat Coca-Cola inzwi­ schen als wertvollste Marke der Welt abgelöst, dahinter folgen mit Google und Microsoft zwei weitere IT-Konzerne. Oder schauen Sie auf die boomenden sozialen Netzwer­ ke: Allein Facebook verbindet heu­ te mehr als 800 Millionen Nutzer, obwohl es in Deutschland fortwäh­ rend Kritik von Datenschützern hagelt. Offenbar ist das Interesse an Facebook mindestens so groß wie der Erklärungsbedarf an den Technologien der US-Firma. Haben Sie ein persönliches Interesse an Technikthemen? Vor meiner Auslandsentsen­ dung für das „Handelsblatt“ nach New York habe ich mich fünf Jahre lang intensiv mit der Luftfahrtin­ dustrie beschäftigt. Als Leiter des Verkehrsindustrieteams und spä­

ter als US-Korrespondent habe ich auch Einblicke in die Automo­ bilbranche gewonnen. Ich bin ge­ wiss kein Technikexperte, aber ein begeisterter Leser von Technikthe­ men – ein Fan, wenn Sie so wollen. Und ich bin der Überzeugung, dass wir alle wissen wollen, wie die Au­ tos der Zukunft und die Flugzeuge der nächsten Generation aussehen. Wirtschaftsinteressierte und In­ vestoren blicken auch mit Span­ nung darauf, wer auf dem Weg zur nächsten IT-Sensation nach Apple, Google und Facebook ist – und wie seine Technologie unseren Alltag beeinflussen wird. Wie lief die konkrete Planung für die Innovationsserie? Axel Postinett, einer unserer USKorrespondenten im Silicon Valley, signalisierte mir, dass er in die Zu­ kunftslabore von Google und IBM kommen könnte. Danach habe ich mit weiteren Auslandskorrespon­ denten sowie einigen Kollegen im Unternehmens-Ressort gespro­ chen und erhielt die Rückmeldung, dass wir sicher zehn Zukunftsla­ bore weltweit führender Konzerne besuchen könnten. Daraus ist die zehnteilige Serie „Zukunftslabor 2020“ entstanden. Unserem Chef­ redakteur Gabor Steingart war wichtig, dass wir auch deutsche Großkonzerne wie Siemens oder VW mit ins Boot nehmen. Also haben wir uns für sechs ausländi­ sche und vier deutsche Konzerne entschieden, mit zahlreichen For­

schern und Entwicklern gespro­ chen und aus deren Zukunftsla­ bors berichtet. Nach welchen Kriterien haben Sie diese Themen ausgesucht? Es gehört ja eine Beurteilungskompetenz dazu, zu entscheiden, was Zukunftstechnik ist. Mir war es wichtig, ein möglichst breites Themenfeld abzudecken. Wir hätten auch eine zehnteilige Zukunftsserie nur zum Thema In­ formationstechnologie machen können. Damit hätten wir aber nicht hinreichend beschrieben, wie unser Alltag in Zukunft aussehen könnte. Interessant fand ich auch, was uns ein Nahrungsmittel-Mul­ ti wie Nestlé in zehn Jahren zu es­

ANDREAS SCHÜMCHEN IST CHEFREDAKTEUR DES MAGAZINS „TECHNIKJOURNALIST“ as@technikjournalist-magazin.de

JENNIFER SCHWANENBERG IST MITGLIED DER „TECHNIKJOURNALIST“CHEFREDAKTION js@technikjournalist-magazin.de

Vita

Matthias Eberle Matthias Eberle (43) leitet das Auslands-Ressort bei der Wirtschafts- und Finanz-Zeitung „Handelsblatt“ in Düsseldorf. In dieser Funktion koordiniert er die tägliche Berichterstattung aus dem Ausland und ist für den Einsatz von mehr als 30 Reportern im weltweiten Korrespondentennetz verantwortlich. Der

Diplom-Betriebswirt ist seit 1999 beim „Handelsblatt“, wo er zunächst als Unternehmens-Reporter und später als Teamleiter im Ressort Unternehmen und Märkte tätig war. Von 2006 bis 2010 war Eberle USA-Korrespondent des „Handelsblatts“ mit Sitz in New York. 01#2012 | TJ | 7


Titel

„Wir wollen Lust auf Technik machen“

sen und trinken serviert, welche Fortschrit­ te wir von der Medizin erwarten können, an welchen Innovationen Internet-, Mode- oder Sportartikelfirmen tüfteln und einiges mehr. Es sollte eine Serie sein, die den Alltag un­ serer Leser berührt.

voraus ist. Wäre es unter diesem Blickwinkel nicht wichtiger, sich kritisch mit neuer Technik auseinanderzusetzen? Technik wird in Deutschland jeden Tag kritisch hinterfragt, hin und wieder zu kri­ tisch, auch bei uns im „Handelsblatt“. Aus diesem Schema wollten wir mit der Serie ausbrechen. Es ging uns darum, quer über den Globus und quer durch viele Industrie­ zweige zu zeigen, was in zehn Jahren auf uns zukommen könnte: Worauf können wir uns einstellen und worauf können wir uns auch freuen? Spaß an Technik ist ja nicht verbo­ ten, auch nicht im technikkritischen Deutschland. Die innovativsten Firmen wis­ sen, dass ihre Daniel Düsentriebs schon mal die Lizenz zum Spinnen benötigen; sonst gäbe es heute kein iPad, kein Smartphone und kein Elektroauto. Extrem spannend finde ich auch das Google-Forschungsprojekt einer Simultan­ übersetzung, das wir in der Zukunftsserie unter dem Titel „Das Ende der Sprachver­ wirrung“ beschreiben: Wir haben in einer globalisierten Welt zusehends häufiger mit Chinesen zu tun, aber fast niemand kann dort auch nur ein Straßenschild lesen. Die wenigsten von uns sind in der Lage, mit Menschen in Fernost zu kommunizieren und umgekehrt. Wenn es Google oder einem anderen Unternehmen gelänge, eine mas­ senmarktfähige Simultanübersetzung für

Jeder Artikel stellt eine Technik vor, ohne sie kritisch zu hinterfragen. Was war das Ziel der Serie? Wir wollten mit dieser Serie bewusst Lust auf Zukunft machen. Deshalb haben wir zum Serienauftakt auch entschieden, fliegen­ de Autos auf einem großen Foto abzubilden. Das ist sicher kein Zukunftsszenario, aus dem schon in ein oder zwei Jahren Realität wird, aber spannend ist doch zu erfahren: Es gibt beim amerikanischen Luftfahrt-Rie­ sen Boeing tatsächlich eine AvantgardeTruppe, die sich auch mit fliegenden Autos beschäftigt. Das mag der Blick in eine etwas fernere Zukunft sein, aber wir wollten mit Themen wie diesen Interesse an Innovation wecken – und Interesse daran, auch mal an das Undenkbare zu denken. Das Feedback zahlreicher Leser hat gezeigt, dass uns das offenbar gelungen ist. Der Soziologe Ulrich Beck formuliert in einem „Handelsblatt“-Artikel die Idee, dass Deutschland gerade wegen seiner technikkritischen Haltung bei vielen Technologien anderen Ländern

Info

„Handelsblatt“ Das „Handelsblatt“ erschien erstmals am 16. Mai 1946 und wird von der Verlagsgruppe Handelsblatt in Düsseldorf herausgegeben. Chefredakteur ist seit 2010 Gabor Steingart.

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Die verkaufte Auflage lag im 4. Quartal 2011 bei 136.820 Exemplaren (Montag bis Freitag). Das „Handelsblatt“ im Internet: www.handelsblatt.com

Smartphones zu erfinden, wäre eine neue Killer-Applikation geboren – ein Produkt, das die Welt verändert. Wir wollten aufzei­ gen: Daran wird heute intensiv geforscht. Vieles ist Zukunftsmusik und einiges mög­ licherweise nicht realisierbar. Aber renom­ mierte Unternehmen und einige der schlaus­ ten Köpfe unserer Zeit zerbrechen sich den Kopf darüber und investieren viele Millio­ nen Dollar, um weltbewegende Dinge zu realisieren. Wie müssen wir uns die Entstehung der Geschichten vorstellen? Gab es erst die Themen und dann wurden Autoren gesucht? Nein, eher umgekehrt. Wir wollten die Forschungszentren großer Branchenführer in den USA und Europa besuchen und ha­ ben zunächst diejenigen „Handelsblatt“Kollegen angefragt, die die besten Kontakte zu diesen Firmen pflegen. Es war klar, dass der Korrespondent aus San Francisco die ITFirmen aus dem Silicon Valley übernimmt. Das größte Forschungszentrum des USRiesen General Electric liegt im Norden des Bundesstaats New York, diese Tour haben die Kollegen von der US-Ostküste übernom­ men. Auch Fachredakteure aus Düsseldorf, Frankfurt, München und Hamburg, die sich intensiv mit einzelnen Konzernen beschäf­ tigen, waren eingebunden. Ein Luftfahrtex­ perte für Airbus, ein Pharmaexperte für den Schweizer Roche-Konzern und so weiter. Danach haben wir mit den Korrespondenten und Reportern besprochen, auf welche Zu­ kunftsthemen und -technologien wir uns konzentrieren wollen. Wie viel Technik sollte Ihrer Ansicht nach in der Wirtschaftsberichterstattung vorkommen? Ich bin der festen Überzeugung, dass wir gerade in Deutschland mehr über Technik berichten sollten. Kürzlich haben wir in ei­ nem „Handelsblatt“-Titel „Japan – Ende ei­ nes Exportwunders“ beschrieben, weshalb die einstige Wirtschafts- und Exportmacht so an Boden verloren hat. Das Land ist im­ mer noch sehr stark bei Produktionstechno­ logien. Aber die meisten Innovationen ent­ stehen heute im IT-Sektor, speziell im Soft­ warebereich. Und dort sind die Japaner kaum mehr wettbewerbsfähig – mit schwer­


wiegenden Folgen. Vor 30 Jahren hat die westliche Welt befürchtet, dass Japan die Weltwirtschaft überrollen wird, so wie wir es heute zusehends von China erwarten. Jetzt aber scheitert Japan daran, dass sie of­ fenbar nicht in der Lage sind, IT-Innovatio­ nen zu entwickeln und in marktfähige Pro­ dukte umzuwandeln. Auch weil Japan oft als „Deutschland des Ostens“ bezeichnet wird, sollte uns das als Warnung dienen. Auch wir müssen insbesondere in der IT besser wer­ den, junge Firmen intensiver fördern und ihnen – auch über die Medien – einen höhe­ ren Stellenwert einräumen. Mehr Technik in der Wirtschaftsberichterstattung kann da nicht schaden. Mit einem Blick ins „Handelsblatt“ kann ich sagen: Technik aus der wirtschaftlichen Perspektive ist heute bereits deutlich promi­ nenter im Blatt als noch vor zwei oder drei Jahren. Wir haben als eine der wenigen deut­ schen Tageszeitungen einen festangestellten Korrespondenten im Silicon Valley statio­ niert, der aus der innovativsten und erfolg­ reichsten Technologieregion der Welt be­ richtet. Und wir haben seit Jahresbeginn mit Martin Kölling einen Asien-Experten an Bord, der aus Tokio seit vielen Jahren Tech­ nik-Kolumnen schreibt und von dort insbe­ sondere die Konsumgüterelektronik unter die Lupe nimmt.

ge begeistern. Amerika liebt Sieger über al­ les. US-Medien feiern ihre nationalen Cham­ pions, im Moment allen voran Apple, des­ halb weitgehend kritikfrei. In einem tech­ nikverliebten Land, in dem selbst Straßen­ arbeiter seit Jahren wie selbstverständlich mit iPhones telefonieren, muss das aber nicht weiter wundern. Erstaunlich finde ich viel eher, dass es Apple geschafft hat, diesen Hype auch nach Europa und Asien zu tra­ gen.

Der Großteil der IT-Innovationen kommt derzeit aus den USA. Gehen die Journalisten dort anders mit den Themen um? Wie haben Sie das als Korrespondent dort wahrgenommen? Es ist augenfällig, dass auf Technikjourna­ lismus spezialisierte US-Kollegen in den Medien präsenter sind: Erstens, weil sie zah­ lenmäßig deutlich größer sind als hierzulan­ de. Und zweitens, weil sie einen ganz ande­ ren Stellenwert genießen. Blogs wie „All things Digital“ vom „Wall Street Journal“ oder „TechCrunch“ mit seinen mehr als vier Millionen RSS-Abonnenten werden auf­ merksam verfolgt und sind in der Wahrneh­ mung der IT-Branche traditionellen Medien fast ebenbürtig.

Journalisten mit Wirtschaftskompetenz verstehen in der Regel wenig von Technik, Technikexperten fehlt oft das Wirtschaftswissen. Was bedeutet das für die Wirtschaftsberichterstattung über Technik? Es ist ein regelmäßiger Kampf der Spezi­ alisten gegen die Zeitungsmacher im News­ room, den wir zum Nutzen der Leser aus­ tragen. Der Technik-Insider bewegt sich in einem Umfeld, in dem zahlreiche Fachbe­ griffe nicht – oder noch nicht – den Weg in den Duden gefunden haben. Die Materie ist oft hochkomplex und selbst für Insider schwer zu verstehen, geschweige denn leicht verständlich zu beschreiben. Auch wir als Wirtschafts- und Entscheidermedi­ um müssen Leser für Technikthemen be­ geistern. Das schaffen wir aber nur mit verständlichen, spannenden Texten. Dafür kämpfen wir unter anderem mit einem neu eingerichteten Sprach-Desk: Hier sitzen

Haben die Kollegen in den USA denn einen anderen Blick auf Technik? Ja, sie lassen sich gewiss schneller für neue Technologien und vor allem für Markterfol­

Ist für Ihre Zielgruppe Technikverständnis oder die Berichterstattung über die Hintergründe wichtiger? Das „Handelsblatt“ ist kein Fachmagazin für Technik, aber auch für unsere Kernle­ serschaft, die Entscheider aus Politik, Wirt­ schaft und Finanzen, werden Innovationsund Technikthemen immer wichtiger. Der Vorstandschef des Chip-Konzerns Infineon, Peter Bauer, hat in einem „Handelsblatt“Gastkommentar kürzlich zu Recht betont, dass unsere Spitzenleistungen von heute auf Errungenschaften der 70er- und 80erJahre fußen, dass es Deutschland aber in vielen Zukunftsmärkten an klaren Allein­ stellungsmerkmalen fehle. Vor allem diese Hintergründe wollen wir im „Handelsblatt“ beleuchten, weniger die Technikprozesse an sich.

drei „Handelsblatt“-Kollegen ausschließ­ lich an sprachlichen Verbesserungen, na­ türlich in enger Absprache mit den Auto­ ren. Bei Technikthemen ist eine Bewertung für Journalisten oft schwierig. Wie schätzen Sie den Einfluss der TechnikPR darauf ein? Deshalb brauchen die Medien ja gute Technikjournalisten, damit sie Fakten und Meinungen seriös und unabhängig vermit­ teln können. Es ist grundsätzlich kein Ge­ heimnis, dass Unternehmen ihre PR-Abtei­ lungen eher ausbauen, während zahlreiche Verlagshäuser im Zuge der Gratiswelle für Internet-Nachrichten wirtschaftlich unter Druck stehen. Sie selbst werden im April in die Unternehmenskommunikation wechseln, zu Lufthansa Cargo. Was erhoffen Sie sich von diesem Seitenwechsel? Ich habe mich für ein Angebot entschie­ den, als Leiter Kommunikation zu einem der weltweit führenden Unternehmen aus der Luftfrachtbranche zu wechseln. Nach 13 spannenden und erfolgreichen Jahren beim „Handelsblatt“ ist das eine attraktive neue Perspektive und eine Herausforderung, auf die ich mich sehr freue. TJ

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Meinung

ALEXANDER GERBER IST VORSITZENDER DER TELI IN DER REGION BERLIN/BRANDENBURG SOWIE GESCHÄFTSFÜHRER DES FORSCHUNGSZENTRUMS INNOKOMM alexander.gerber@teli.de

Gummistiefel statt Gadgets

U Erfolgs-Magazin: Wie viel „Landlust“ verträgt das Technikinteresse der Deutschen?

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nd worauf haben Sie Lust? Vielleicht auf ein Glas Kom­ bucha zu einer selbst geba­ ckenen Bärlauch-Quiche mit Kresse aus dem eigenen UrbanFarming-Hochbeet, über das Papa gerade ein Vogelhaus zimmert – natürlich ein Bausatz aus dem Vintage-Kaufhaus Manufactum? Oder zittern Ihnen etwa wegen Entzugs schon die Hände, weil der ICE mal wieder so was von offline ist, dass die isländische Tundra dagegen der reinste FacebookHotspot ist? Heute schon ge+1t? Liken war ja schließlich gestern. Vermutlich gehören Sie zur zwei­ ten Gruppe, denn sonst würden Sie wohl kaum den „Technikjournalis­ ten“ lesen. Die erste Gruppe hinge­ gen greift sicherlich eher zum Ma­ gazin „Landlust“. Das lesen inzwi­ schen alle zwei Monate bemerkens­ werte 2,2 Millionen Deutsche – eine Steigerung um mehr als 1.000 Prozent in sechs Jahren. 99 Prozent davon sind „harte“ Auflage; Ten­ denz weiter steigend. Was für eine Erfolgsgeschichte! Zumindest ver­ legerisch für den bisher mit „Reit­ revue“ oder „Traktorpool“ nicht gerade lauttretenden Landwirt­ schaftsverlag Münster (LVM). Wie sieht sie wohl aus, die typi­ sche „Landlust“-LeserIn? Laut Me­ diaanalyse ist sie Familienmensch und hat einen eigenen Garten (82 Prozent), ist naturverbunden und lebt auf dem Land oder zumindest im grünen Speckgürtel (84 Pro­ zent). Sie sieht sich als „luxus- und qualitätsorientierte Genießerin, exzellente Gastgeberin“ und macht gerne mal „Urlaub vom Alltag“. Was auf den ersten Blick ein biss­ chen nach „Bauer sucht Frau“ klingt, ist weitaus mehr. Mir kom­ men beim Durchblättern von „Landlust“ Werte wie Kontempla­ tion oder Entschleunigung, Nach­ haltigkeit und Ursprünglichkeit,

Bodenständigkeit oder Tradition in den Sinn. Wie groß wird in dieser wertkonservativen Leserschaft mit ihrem „Gegenentwurf zur hekti­ schen Digitalisierung“, so Anzei­ genleiter Ulrich Toholt, wohl die Schnittmenge zu „Technology Re­ view“ oder den „vdi nachrichten“ sein? Wo ist in der romantisierten (oder zumindest bewusst auf die laut Untertitel „schönsten Seiten des Landlebens“ reduzierten) Welt aus glücklich grasenden Kühen noch Platz für die Synthetische Biotech­ nologie, mobile Echtzeitkommuni­ kation oder die weitere Automati­ sierung industrieller Produktion? Eine Stunde „Landlust“ im Schaukelstuhl bildet da wohl so etwas wie einen sinnlichen oder sogar seelischen „Ausgleich“. So als würde man sich im Silicon Val­ ley einen Cowboyhut aufsetzen, im Pick-up rauf auf die Interstate 80 und dann runter nach Oklahoma, dorthin, wo das evangelikale Herz der Amerikaner schlägt und wo die Welt (angeblich!) noch berechen­ bar, sprich in Ordnung ist. Dazwi­ schen liegen Welten. Fragt sich also, wie irrational das Kontrastprogramm tatsäch­ lich ist. War „Natur“ nicht eigent­ lich jahrhundertelang für ihre Unberechenbarkeit gefürchtet? Was ist mit Pandemien und Pesti­ ziden, Klimawandel und Naturka­ tastrophen? Wie real ist das Na­ turbild bäuerlicher Beschaulich­ keit in einer Hightech-Nation des Jahrs 2012? Dass deutsche Unternehmen wie Bayer Crop Sciences ihre For­ schung nach Amerika verlagern, weil dort keine Sabotage von Frei­ setzungsversuchen droht, ist si­ cherlich auch eine Reaktion auf viele der bei uns gesellschaftlich angeblich nicht mehr mehrheitsfä­ higen disruptiven Technologieum­ brüche. Zwar zeigen nahezu alle

empirischen Untersuchungen (BDI, GfK, Change Center etc.), dass die „German Angst“ vor tech­ nisch-wissenschaftlich getriebener Veränderung ein nicht totzukrie­ gender Mythos ist, allerdings sind eben in einer vergleichsweise auf­ geklärten Gesellschaft wie der deutschen die Zukunftsdiskurse per se kontrovers und das Be­ wusstsein über die Komplexität und Technisierung unserer Zeit besonders hoch. Journalist Axel Brüggemann hielt uns allen kürzlich mit seinem bei Rowohlt erschienenen Buch „Landfrust“ einen Spiegel vor: Der legendäre Gemeinschaftssinn der Dorfbevölkerung und das ruhige Leben im Einklang mit der Natur hätten längst Seltenheitswert. Stattdessen würden in der Provinz Schulen und Arbeitsplätze rar. Und doch: Bei aller Demontage der Klischees von Kuhstall und TanteEmma-Laden kommt auch Brüg­ gemann zu einem versöhnlichen Fazit: Das Leben auf dem Lande lohne sich irgendwie halt doch. Und wer weiß, vielleicht versöhnt ja bald eine „Landlust-App“ die beiden Lager? Wobei LVM-Presse­ sprecherin Susanne Stärkert dies derzeit ausschließt und von einer „bewussten Entscheidung dage­ gen“ spricht. Genau das hingegen wäre die Herausforderung: nicht technischer Fortschritt versus Ent­ schleunigung, aber auch nicht Na­ turverbundenheit versus Techni­ sierung. TJ


JENNIFER SCHWANENBERG IST MITGLIED DER „TECHNIKJOURNALIST“-CHEFREDAKTION js@technikjournalist-magazin.de

Beruf

Autoren gesucht In der Technikberichterstattung kommt es auf eine gute Mischung aus technischem Know-how und journalistischer Professionalität an. Deshalb suchen viele Redaktionen stets nach neuen Autoren, die die Geschichte in einem Technikthema erkennen können. BAUEN MIT HOLZ

Themen: Alles rund ums Holz Verlag: Bruderverlag, Köln Auflage (verk.): 3.500 Exemplare Erscheinungsweise: monatlich Honorar: Tagessatz von 1.000 Euro Die mehr als 100 Jahre alte Zeitschrift „Bauen mit Holz“ aus dem Bruderverlag berichtet über aktuelle Trends der Holzbranche. Das Magazin erscheint monatlich und richtet sich an Ingeni­ eure, Handwerker und Architekten. Chefredak­ teur Markus Langenbach sagt: „Wir benötigen freie Journalisten allgemein zum Thema Bauen. Dabei geht es um Themen wie Bauphysik, Ar­ chitektur, Bauweisen. Im Speziellen benötigen wir freie Journalisten, die einen Schwerpunkt auf den Holzbau legen können.“ Das Magazin berichtet sowohl über das Verarbeiten von Holz als auch über das Planen von Holzbauprojek­ ten. Geschichten können also zu Bauweisen oder Maschinen, aber auch zu Statik, Bemes­ sung und Normenlage angeboten werden. „Neben Technik-Beiträgen bilden markt­ wirtschaftliche Texte ein zweites Standbein“, erklärt Langenbach. Und so sucht der Chefre­ dakteur auch nach wirtschaftlich orientierten Technikjournalisten. Fragen wie „Womit ver­ dient der Zimmerer in fünf Jahren sein Geld? Wie wirkt sich der demografische Wandel aufs Bauen aus? Was bringt das Konjunkturpaket II?“ werden im Magazin diskutiert. Die Zeitschrift hat einen hohen technischen Anspruch. Langenbach: „Der Leser liest die ,Bauen mit Holz‘ nicht wegen ihrer ,schönen‘ Storys im Wartezimmer seines Zahnarztes, sondern weil er mit den Fachinformationen der Zeitschrift seinen beruflichen Alltag meis­ tert.“ Das Magazin wendet sich an Profis und nicht an den Heimwerker.

„FAZ“, Ressort Technik und Motor

Themen: Nischenthemen aus allen Gebieten der Technik Verlag: Frankfurter Allgemeine Zeitung GmbH, Frankfurt am Main Auflage (verk. Montag bis Samstag): 360.446 Exemplare Erscheinungsweise: wöchentlich dienstags Honorar: Zeilenhonorar zwischen 1,20 und 1,50 Euro Die „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ berich­ tet einmal wöchentlich im Ressort Technik und Motor über aktuelle Entwicklungen in der Technik. Verantwortlicher Redakteur ist Ge­ org Küffner, dessen Team nahezu alle relevan­ ten Themengebiete selbst abdecken kann. „Das trifft speziell für die ‚klassischen‘ Bereiche Auto, Motorrad, Fahrrad, mobile Kommuni­ kation, Hi-Fi, Fotografie und auch die Energie-, die Umwelt- und die Bautechnik zu“, erklärt Küffner. Trotzdem gibt es Nischenthemen, mit denen freie Autoren Chancen haben, berück­ sichtigt zu werden. Küffner: „Die Beiträge sollten so geschrieben sein, dass sie dem Leser die Zusammenhänge des jeweiligen Themas nahebringen.“ Reine Erklärstücke sind eher uninteressant. Für den Leser soll „ein regelmäßiger Blick in den Teil Technik und Motor der ‚FAZ‘ am besten hel­ fen, die Anforderungen moderner Technik nachzuvollziehen“, sagt Küffner. Interessierte Autoren sollten ihre Anfragen „freundlich, klar und verständlich“ per E-Mail an technik-motor@faz.de richten. KONTAKT GEORG KÜFFNER, REDAKTEUR E-MAIL: TECHNIK-MOTOR@FAZ.DE

FEUERWEHR-MAGAZIN

Themen: Technik im Rettungsdienst Verlag: Ebner-Verlag GmbH & Co. KG, Bremen Auflage (verk.): 55.000 Exemplare Erscheinungsweise: monatlich Honorar: ab 100 Euro Seitenhonorar Als Zeitschrift für aktive Feuerwehrleute be­ richtet das „Feuerwehr-Magazin“ über den Alltag und über die Technik der Rettungskräf­ te. Dabei legt Chefredakteur Jan-Erik Hege­ mann viel Wert auf „Autoren aus der Szene“, also Leute, die praktische Erfahrung mit Ret­ tungsdienstorganisationen haben. Aber auch journalistische Erfahrung und technisches Know-how sind von großer Bedeutung. Hege­ mann: „An Autoren, die über Fahrzeug- oder Gerätetechnik berichten können, haben wir immer Bedarf.“ Das Magazin veröffentlicht auch Reportagen von außergewöhnlichen Einsätzen: „Wir ge­ hen dorthin, wo unsere Leser gewöhnlich nicht hinkommen würden“, sagt der Chefre­ dakteur. Dabei sind immer viele technische Aspekte in den Geschichten. Neue Autoren sollten das Magazin kennen. Hegemann: „Viele Vorschläge sind Geschich­ ten mit einem starken ‚human touch‘, zum Beispiel über die erste Frau im Feuerwehr­ dienst in der Dienststelle Hamburg. Das ist nicht wirklich neu und passt auch nur bedingt ins Heftkonzept. Wir sehen uns als Fahrzeugund Technikmagazin.“ Autoren sollten am besten eine konkrete Idee formulieren und per E-Mail anbieten. Eine Antwort kommt in der Regel innerhalb von 14 Tagen. Das Honorar liegt bei etwa 100 Euro pro Seite, für aufwendige Geschichten kann man aber mehr bekommen.

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TELI

Inside Technikjournalismus Petition für die „WissensWerte“

Fotografen erhalten keinen Zutritt zu Werks­

Druck einzusehen und seinem Kunden zu

lebe die „WissensWerte“. So ungefähr das Motto einer Rettungsaktion der Journalis­ tinnen Nicola Kuhrt, Cornelia Reichert und Cinthia Briseño. Unter pro-wissenswerte. de haben sie noch im Dezember eine Petiti­ on gestartet, um gegen den Untergang des jährlichen Bremer Branchentreffens zu pro­ testieren. Die Förderer waren zum Ende der „Initiative Wissenschaftsjournalismus“ (Uni Dortmund) aus der Finanzierung aus­ gestiegen. Fast 500 Kolleginnen und Kolle­ gen haben inzwischen online für den Erhalt der „WissensWerte“ „unterschrieben“. Noch ist jedoch offen, wie es weitergeht. Bei WPK und TELI wird eifrig darüber disku­ tiert. Vielleicht haben wir ja sogar die Chan­ ce für eine Frischzellenkur des doch etwas in die Jahre gekommenen „Klassentref­ fens“? —TELI

gelegt zu bekommen, ja sogar ganze Artikel im fertigen Layout wollen vor Veröffentli­ chung gegengelesen werden. Da wird gedroht und erpresst. Seit zehn Jahren berichtet ein TELI-Mit­ glied für diverse Fach- und Publikumszeit­ schriften über technische Entwicklungen in der Windbranche. Spaß macht der Kontakt mit den Herstellern nur selten; meistens ist es ein Kampf, an Information zu kommen. Natürlich kann man nicht alle Hersteller über einen Kamm scheren, doch die Tendenz zur Sprachlosigkeit lässt sich nicht leugnen. Paradebeispiel für eine austernhaft ver­ schlossene PR-Abteilung ist aktuell ein Wind­ radbauer aus dem Nordwesten der Republik. Nun gelten die Menschen in jenem Teil des Landes nicht gerade als Schnacker, aber ge­ schätzte 70 Prozent aller Anfragen katego­ risch abzulehnen, verschlägt selbst ausgewie­ senen Wenigrednern die Sprache. Den Satz „Tut mir leid, Ihnen bei diesem Anliegen nicht weiterhelfen zu können“ scheinen die PRDamen und -Herren jedenfalls unter „Vorla­ gen“ gespeichert zu haben. Kleiner Trost: Andere geben sich mit „nach Rücksprache mit unserem Einkauf muss ich Ihnen leider absagen“ auch nicht viel aufgeschlossener. Da ist es fast schon lustig, wenn besagte PR-Ab­ teilung auf ihre Hauspostille verweist. Da stehe doch alles Relevante drin. Und es kommt noch krasser: Im vergange­ nen Jahr recherchierte ein Mitglied einen Magazinbeitrag über die Gießereibranche, die massiv von der boomenden Windkraft pro­ fitiert. Exemplarisch wollte der Autor be­ schreiben, wie es der Branche geht und wel­ che Herausforderungen sie zu meistern hat. Nachdem sich endlich ein Unternehmen fand, das samt Fotograf besucht werden konnte, wurden die Bedingungen diktiert. Und die hatten es in sich. Offensichtlich geben die Windleute den Druck inzwischen auch an ihre Zulieferer weiter. Jedenfalls hatte der Marketingmann der Gießerei derart Bammel vor seinem Geldgeber, dass er darauf bestand, den fertigen Text (im fertigen Layout!) vor

Autor zähneknirschend zu, betreffende Text­ stellen vorzulegen und „auf Korrektheit“ che­ cken zu lassen. So wurde dann aus dem hüb­ schen Satz „Is dann halt, wie’s is“ die Aussage: „Nach dem Abguss heißt es warten.“ Da kann man sich eine Vor-Ort-Recherche auch gleich sparen und muss nicht auf Szenenfang gehen. Aber es kam noch besser: Als der Artikel erschien, kam eine Mail von besagtem Herrn. Er beschwerte sich, dass in dem gedruckten Text ja auch noch andere Gießereien genannt würden. Wörtlich monierte er: „Weder bei Ihrer Kontaktaufnahme noch bei Vorlage Ih­ res Textes war mit einem Wort die Rede da­ von, dass Fotos und Interview im Kontext von Interviews mit Wettbewerbsgießereien ver­ arbeitet werden sollen.“ Seltsam. Wie stellt sich der PR-Profi wohl Journalismus vor? Ginge es nach ihm, dann würde er sich ein Heft am Kiosk aussuchen, dazu passend einen Journalisten und Foto­ grafen, ihnen dann zeigen, was sie beschrei­ ben dürfen, das Ganze schließlich freigeben, und fertig ist der „Bericht“. Journalistenalltag im Norden. —TELI

Bremen. Die „WissensWerte“ ist tot, lang hallen. Da wird darauf bestanden, Zitate vor­ zeigen. Weil die Zeit knapp war, stimmte der

Kein acatech-Preis für Tageszeitungen Berlin. Der acatech-Preis für Technikjour­

nalismus („PUNKT“) hatte jüngst zwar ein Drittel mehr Bewerber als im Vorjahr; das Problem jedoch liegt wohl weniger in der Masse als in der Qualität. Erstmals wurde nämlich kein Preis in der Kategorie „Tages­ zeitung“ vergeben. Dazu Jurymitglied Nor­ bert Lossau („Die Welt“): „Die Jury wertet dies als deutliches Indiz dafür, dass der Technikjournalismus in den Tageszeitun­ gen einen besonders schweren Stand hat.“ Und der Berliner TELI-Vize Manfred Ronz­ heimer merkte kritisch an: „Der acatechPräsident Reinhard Hüttl sympathisiert mit dem britischen Modell der Kooperation von Wissenschaft und Presse, vor der Veröf­ fentlichung bestimmte Beiträge kommen­ tieren zu dürfen. Zensur oder Qualitätssi­ cherung?“ —TELI

Verschlossene Windkraftbranche

Hamburg. Ausgerechnet die Windkraftbran­

che, die auf Subventionen und das Wohlwol­ len der Bevölkerung doch so sehr angewiesen ist, verweigert sich der Öffentlichkeit. Da wird die Herausgabe von Informationen abgelehnt, 12 | TJ | 01#2012

INSIDE TELI AUSBLICKE

Hoffnungsträger aus Furtwangen: Prof.

Dr. Eduard Heindl diskutiert am 27. Febru­ ar beim Jour fixe der TELI in München sei­ nen „Lageenergiespeicher“, der einen Wir­ kungsgrad von 80 Prozent verspricht, dabei aber nur ein Zehntel eines Pumpspeicher­ kraftwerks kosten soll. Der Jour fixe in München findet an jedem letzten Dienstag­ abend eines Monats statt (ausgenommen August und Dezember). Stammtisch der TELI für die Region BerlinBrandenburg am Freitag, 17.2., um 17.30 Uhr im „Habel Weinkultur“, Luisenstraße 19. Die TELI-Jahrestagung findet diesmal in Hannover statt, und zwar am 25.4.


In Berlin startet im März eine Veranstal­ tungsreihe zur „Optik der Wissenschaft“ – darunter exklusive Einblicke in Forschungs­ institute und Technologieunternehmen aus dem Bereich der Photonik, Presseführungen auf der LOB („Laser Optics Berlin“), ein Ex­ kurs in die Geschichte der Optik und eine Diskussion zur Technik- und Wissen­ schaftsfotografie. Recherche-Reisen in Europa: Exklusive Presse-Einladungen in europäische For­ schungszentren finden Technik- und Wis­ senschaftsjournalisten bei der Europäischen Union der Wissenschaftsjournalisten (EU­ SJA). TELI ist Gründungsmitglied und stellt derzeit mit Hanns-J. Neubert deren Präsi­ denten. Die jüngsten Studienreisen gingen nach Uppsala, Heidelberg und Stettin. Infos: www.eusja.org

EINBLICKE

Wie die „Brights“ nach Deutschland ka­ men: Interview mit dem deutschen Über­ setzer von Dawkins, Gould, Bryson und anderen: bit.ly/TELI-2012-2 Citizen Science: Auch Du bist Forscher! bit.ly/TELI-2012-3 Zündende Technik-Schreib-Tipps: Ein Streifzug durch die aktuelle Ratgeberlite­ ratur: „Schreiben ist Sex mit dem Leser …“: bit.ly/TELI-2012-4 Falling Walls: Noch stehen die Mauern – Eine ernüchternde Bilanz der gleichna­ migen Konferenz in Berlin nach dem TEDVorbild: bit.ly/TELI-2012-5 Neue Methode: Hochkomplexes räum­ lich anfassbar zu machen, ist Ziel soge­ nannter „soziometrischer Aufstellungen“. Diese hatte nun mit einem wissenschaft­ lich-technischen Thema Premiere: bit.ly/ TELI-2012-6 Kalte Fusion, ganz heiß: Ein italieni­ scher Erfinder will einen Reaktor gebaut haben, der aus Wasser bei Zimmertempe­ ratur 1 Megawatt holt: bit.ly/TELI-2012-7

RÜCKBLICKE

schern koordiniert, diskutierte Ende 2011 auf Einladung der TELI im Presseclub München.

Jenseits von Moore’s Law: Wie geht es weiter? Stuttgart. Mit Ingolf Wittmann, dem

Technischen Direktor von IBM für Nord­ ost-Europa, diskutierten zahlreiche Tech­ nikjournalisten Ende 2011 auf Einladung der TELI im Turm des Hauptbahnhofs über die Zukunft von „Moore’s Law“, also jene Gesetzmäßigkeit, dass sich die Anzahl von Transistoren in einem integrierten Schaltkreis innerhalb von rund 18 Mona­ ten verdoppele. Da diese Parallelität seit einiger Zeit aus technischen Gründen nicht mehr gelte, arbeiten die Entwickler an völ­ lig neuartigen Prozessortechnologien und Systemarchitekturen. Einen wichtigen Unterschied mache heute schon die „Sys­ tem-Software“.

Schöne (?) neue Welt der vernetzten Forschung Berlin. Open Access war erst der Anfang,

jetzt steht Open Science kurz vor dem Durchbruch. Immer mehr Wissenschaft­ ler nutzen die neuen Online-Dienste und Software-Werkzeuge nicht nur zum Blog­ gen und Twittern, sondern längst auch zum virtuellen Forschen – siehe Biomed­ Experts, ResearchGate oder NatureNet­ work. Alles nur ein vorübergehender Hype? Und wie können Journalisten diese neue Transparenz in der Academia für sich nutzen, zum Beispiel bei der Themenre­ cherche und Expertensuche, als Relevanz­ kriterium oder Frühwarnsystem? Darüber diskutierten internationale Experten in einem englischsprachigen Hintergrundge­ spräch mit Journalisten und Wissen­ schafts-Kommunikatoren in Berlin auf Einladung von WPK und TELI. Aufzeich­ nung des Live-Streams unter bit.ly/TELI2012-1

Ihr Kontakt zur TELI Büro des Bundesvorstands c/o Axel Fischer, München Tel. 089/7692332 buero@teli.de www.teli.de

Region Südwest

Wolfgang Scheunemann, Ostfildern Tel. 0711/3481666 wolfgang.scheunemann@t-online.de

Region Süd

Günther Klasche, Olching Tel. 08142/488748 dguenther.klasche@teli.de

Region Berlin/Brandenburg Alexander Gerber, Berlin-Frohnau Tel. 030/577076141 alexander.gerber@teli.de

Region Nord

Oliver Löfken, Hamburg Tel. 040/472283 oliver.loefken@teli.de

Region Rhein-Main

MinR. Peter H. Niederelz, Taunusstein Tel. 0174/3022926 peter.h.niederelz@teli.de

Moleküle als Magnetschalter München. Wissenschaftler der Universität

Kiel haben einen Mechanismus entwickelt, der es gestattet, Einzelmoleküle erstmals bei Raumtemperatur zwischen verschie­ denen Zuständen hin und her zu „schal­ ten“, womit sich völlig neue Anwendungen eröffnen. So können diese als molekulare Bausteine für die Informationsspeiche­ rung oder als intelligentes Kontrastmittel in der Kernspintomographie dienen. Prof. Dr. Rainer Herges, der den DFG-Sonder­ forschungsbereich mit seinen gut 100 For­ 01#2012 | TJ | 13


Praxis

Ein Sieg, aber kein Freibrief

So können viele sogenannte Hackertools so­ wohl dazu genutzt werden, Sicherheitslücken auf dem eigenen Server aufzuspüren, als auch, um in fremde Systeme einzudringen. Die Konkurrenz kann sich ebenfalls mit dem Urteil anfreunden. Josef Reitberger ist Das Bundesverfassungsgericht hat es endgültig geklärt: Medien dürfen stellvertretender Chefredakteur der „Chip“: Links auf Webseiten setzen, die dazu geeignet sind, Urheberrechte zu verletzen. „Ich finde gut, dass ich schreiben darf, welche Ein Freifahrtschein für Hackertipps und Ähnliches? der Schutzmaßnahmen, die im Prinzip den ehrlichen Käufer bestrafen, wirkungslos sind und dass man sie umgehen kann. Das Urteil eistiges Eigentum verdient Schutz, da­ über Kriminalität und Verbrecher zu berich­ ist gut und bestärkt die Pressefreiheit.“ Die Redakteure sollten aber keine Anleitun­ von leben Journalisten wie Musiker, ten. Wie detailliert das geschieht, ist oft von der aber davon lebt auch eine große Indus­ Art des Verbrechens abhängig. Hier machen gen zu gezielten Urheberrechtsverletzungen trie, die an den Werken der Künstler mitver­ Computerzeitschriften keine Ausnahme, be­ liefern. Bei besonders heiklen Themen wür­ dient. Insofern ist für alle Beteiligten der richten sie doch regelmäßig über neue Quellen den Screenshots so bearbeitet, dass man die Schutz von Urheberrechten sinnvoll und wich­ und Methoden, „sicher“ illegales oder urhe­ Seiten nicht anhand von Suchbegriffen schnell tig. Plattenfirmen erfanden darum den Kopier­ berrechtlich geschütztes Material auf den ei­ finden kann. Und Reitberger ist sich sicher: schutz für Audio-CDs, die Filmindustrie folg­ genen Computer herunterzuladen. Alles im „Auch wenn wir zu einem Tool keinen Link te bald diesem Vorbild. Doch findige Compu­ Sinne des berechtigten öffentlichen Interesses? nennen, der geneigte ,Chip‘-Leser findet es tertüftler fanden in immer kürzeren Abstän­ Oder eine gezielte Anleitung zu kriminellen sowieso.“ Ähnliche Meinung bei den Kollegen von den Möglichkeiten, jeden Kopierschutz zu Handlungen? Ende Januar bestätigte das Bun­ umgehen. Darüber wurde dann in Computer­ desverfassungsgericht die Einschätzung des Data Becker: „Wir begrüßen das Urteil und zeitschriften berichtet, mal nur zu Informati­ Heise-Verlags („c’t“, „Mac & i“): Das Setzen das damit verbundene Ende des langjährigen onszwecken, mal als reißerischer „Hacker­ eines Links auf eine Webseite, auf der der Le­ Verfahrens zwischen Heise und der Musik­ tipp“. So rügte der Deutsche Presserat 2006 ser Software herunterladen kann, mit der er industrie“, so Michael Dolny, Chefredakteur einige Titel, weil sie detailliert darüber berich­ einen Kopierschutz (zum Beispiel bei DVDs) und Verlagsleiter Zeitschriften. Links seien tet hatten, wie illegale Downloads auf chinesi­ umgehen kann, ist rechtens und durch die ein essenzieller Bestandteil des Webs und schen Websites möglich sind. Diese Artikel Pressefreiheit geschützt. Dem vorausgegangen dienten in der Online-Berichterstattung vor kamen einer Anleitung gleich und verstießen war ein jahrelanger Rechtsstreit durch alle allem als Quellennachweis. Dolny weiter: damit gegen Ziffer 1 des Pressekodex (Ansehen Instanzen. Heise hat das Verfahren ausführ­ „Der Leser erfährt durch unsere Berichter­ stattung, dass bestimmtes Verhalten illegal und Glaubwürdigkeit der Medien). lich dokumentiert (siehe Kreis). Ein Beispiel aus den vergangenen Wochen: Wie gehen nun Verlage mit dem Urteil um? ist. Wir animieren ihn nicht, sich illegal zu verhalten. Bei sensiblen Themen wer­ Der Musik-Streaming-Dienst „Grooveshark“, Bei Heise selbst begrüßt man das Urteil den Hyperlinks von unseren Re­ bei dem man über einen Webbrowser gratis natürlich, sieht es jedoch nicht als dakteuren überlegt und wohldo­ beliebig viele Musiktitel nach eigener Wahl Freibrief. „Das ist ein Sieg für die Die siert eingesetzt, um dem Leser anhören konnte, sperrte seine deutschen Nut­ Presse- und Meinungsfreiheit. ausführliche die Möglichkeit zu geben, sich zer aus. Grooveshark nennt als Grund die Grundsätzlich kann eine Ver­ Dokumentation des Zusatzinformationen zur Mei­ hohen GEMA-Kosten. Einzige Lösung für linkung nötig sein, damit sich Heise-Verlags zum nungsbildung einzuholen.“ deutsche Musikfans, um das Angebot weiter der Leser selbst ein Bild vom Rechtsstreit: Die Musikindustrie ist vom zu nutzen: Der Zugriff auf den Dienst muss Sachverhalt machen kann“, http://bit.ly/47UowH Urteil des Bundesverfassungs­ so manipuliert werden, dass man nicht mehr bewertet Heise-Justiziar Joerg gerichts enttäuscht und sieht die als deutscher Nutzer identifiziert werden Heidrich das Urteil. Eine generel­ Verantwortung bei den Medien, kann. Die Anleitung dazu liefern zahlreiche le juristische Prüfung der Beiträge eben keine Anleitungen zu geben, son­ Print- und Online-Medien und verlinken oft findet bei Heise zunächst nicht statt. Die auch direkt auf die passende Software. Redakteure sollten zunächst selbst abwägen, dern die Berichterstattung sachlich zu halten. Natürlich gehört es zum Journalismus, auch was für den Leser relevant sein könnte, und Zumindest mit den befragten Redaktionen über die schlechten Seiten der Menschheit, nicht explizit zu illegalen Aktivitäten anstiften. herrscht hier offenbar Einigkeit. TJ

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Redaktionelle Tipps in Computerzeitschriften: Gezielte Anleitung zu kriminellen Handlungen? 14 | TJ | 01#2012

Heise-Justiziar Heidrich: „Sieg für die Presse- und Meinungsfreiheit.“

Michael Dolny, Chefredakteur und Verlagsleiter Zeitschriften bei Data Becker: „Wir animieren nicht, sich illegal zu verhalten.“


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Porträt

DANIEL SEEMANN IST POLITIKWISSENSCHAFTLER UND ARBEITET ALS FREIER JOURNALIST UND AUTOR IN HAMBURG daniel.seemann@gmx.net

Der Verbraucherfreund Im Jahr 1971 startete der „ARD-Ratgeber Technik“ als eines der ersten Verbrauchermagazine im deutschen Fernsehen. Im vergangenen Jahr wurde die Sendung nach 40 Jahren eingestellt. Bernd Leptihn war von Anfang an bis 2002 dabei – und beobachtet den Technikjournalismus noch heute kritisch.

E

in roter Klinkerbau im Norden Hamburgs. In die oberen Stockwerke gelangt nur, wer den Fahr­ stuhl nimmt und nach dem Schließen der Türen einen vierstelligen Geheimcode eingibt. Den hat Bernd Leptihn vorher, ohne zu zögern, am Telefon verraten. Unverschlüsselt. Was ein wenig verwundert bei dem Mann, der mehr als 30 Jahre lang den „ARD-Ratgeber Technik“ leitete. Und dabei gerade auch die Lücken in der modernen Sicherheitsarchitektur immer wieder kritisch beäugte. Einen kurzen Augenblick später öffnet sich die Fahr­ stuhltür direkt im Flur von Leptihns Wohnung. Dort steht ein Baum von einem Mann. Auch mit seinen mitt­ lerweile 70 Jahren hat er immer noch einen kräftigen Händedruck. „Bei einem Code mit nur vier Ziffern ist die Zahlenkombination nicht wichtig“, sagt Leptihn zur Be­ grüßung. „Das Sicherheitskonzept ist nicht von mir. In meiner Sendung hätte es bestimmt nicht lange überlebt.“

Er ist ein Geschichtenerzähler und Anekdotenliebhaber. Am liebsten spricht er über die zahlreichen Produk­

te, die er als Verbraucherjournalist beim „ARD-Ratgeber Technik“ vor der Kamera unter die Lupe genommen hat. Dabei kann er sich auch heute noch diebisch über seine gelungenen Testaktionen freuen. Beispielsweise als ein Hacker in seinem Auftrag in den Zentralcomputer der HypoVereinsbank eingebrochen ist und die Daten von 1,5 Millionen Onlinebuchungen entwendete. Oder einer seiner Redakteure an einem Messestand vor laufender Kamera Deutschlands meistverkaufte Wegfahrsperre mit einer einfachen 9-Volt-Batterie außer Kraft setzte. Heute muss er oft über seine eigene Unver­ frorenheit lachen. Er wirkt lebensfroh und tiefenent­ spannt zugleich, so als sei er mit sich und der Welt im Reinen. Leptihn hat für das Gespräch alte Unterlagen und Fo­ tos herausgesucht. Die inhaltliche Vorbereitung auf sei­ ne öffentlichen Auftritte stand bei ihm immer schon im Mittelpunkt. Die Geschichten wurden stets von bis zu drei Redakteuren gleichzeitig recherchiert und dadurch abgesichert. Anschließend wurden die Ergebnisse mit­ einander verglichen. Dann erst wurde ein Beitrag daraus. Daher hatte Leptihn auch keine Angst vor den bis zu elf 16 | TJ | 01#2012

Rechtsstreitigkeiten, die der „ARD-Ratgeber Technik“ pro Folge produzierte und von denen die längste zwölf­ einhalb Jahre dauerte. Dabei hat er sich gerne mit den ganz Großen angelegt. Am Ende hat Leptihn nicht einen Gerichtsprozess in letzter Instanz verloren. Dadurch machte er sich und seine Art des Journalis­ mus glaubwürdig. Die Zuschauer honorierten das und bescherten ihm satte 12 Prozent Sehbeteiligung. Es hat ihn gereizt zu zeigen, wie unsicher das System ist, in dem wir leben. Es ging ihm nie darum, andere bloßzustellen. Er wollte nur die Missstände bei den scheinbaren Er­ rungenschaften der modernen Technik aufzeigen und sah sich dabei selbst als kritischen Konsumenten. Und er wollte, dass möglichst viele Verbraucher aus dieser Demonstration ihren Nutzen ziehen konnten. Das schaffte er auch durch seine Ko-Moderatorinnen: Er moderierte mit Lea Rosh, später mit Hanni Vanhaiden und Heide Schaar-Jacobi. Sie sollten den weiblichen Zu­ schauern den Zugang zu modernen Technikthemen vermitteln. Das war ungewöhnlich für damalige Zeiten, als alles Technische noch reine Männersache war. Für Leptihn war sein Job mehr Berufung als fest anvisiertes Karriereziel. Seiner Entscheidung, Verbraucherjourna­ list zu werden, ging keine technische Ausbildung voraus. In Reinbek bei Hamburg geboren, interessierte er sich als Schüler besonders für Physik und Chemie. Er heira­ tete früh, sein Stiefvater holte ihn Ende der 1950er-Jahre zur Wayss & Freytag Ingenieurbau AG. Leptihn war fleißig, hätte dort eine erfolgreiche Laufbahn beginnen können. Doch seine kritische Grundhaltung machte ihm einen Strich durch die Rechnung.

Diese Einstellung hat er von seinem Vater geerbt, den

er nie kennengelernt hat. Der war Steuermann bei der Handelsmarine gewesen. Wurde nach Ausbruch des Zweiten Weltkriegs zum Militär einberufen. Bekam einen Kapitän vor die Nase gesetzt, der wenig Ahnung vom Navigieren hatte, wie Leptihn erzählt. Sein Vater kritisierte dessen riskante Manöver und wurde auf einen Minensucher strafversetzt. Bei einer Fahrt ins nördliche Eismeer kam er dann ums Leben. Da war Bernd Leptihn ein halbes Jahr alt. In der Familie wur­ de der Vater später immer als ehrlicher Mann darge­


stellt, der sich nicht krumm machte. Das hat seinen Sohn nachhaltig beeindruckt. In Hamburg arbeitete Leptihn beim Bau des U-Bahn­ hofs Steinstraße und des Philosophenturms der Univer­ sität mit. Bei Kritik an der Ausführung der Bauarbeiten wurde er vom Polier nur angeschnauzt. Später dann stellten sich seine Anmerkungen oft als berechtigt her­ aus. Eine Fähigkeit, die für seinen späteren Beruf als Verbraucherjournalist Gold wert war. Frustriert verließ er den Baukonzern, wollte „was An­ deres machen“. War neugierig geworden auf die schöne neue Warenwelt des einsetzenden Wirtschaftswunders. Heuerte als Volontär bei der „Hörzu“ an und begann, sein journalistisches Handwerk zu lernen. „Stern“-Chef­ reporter Joachim Held wollte ihn zu sich in die Redakti­ on holen, doch der verstarb kurz darauf und so wurde nichts daraus. Leptihn gelangte zur „Praline“, damals noch eine Reise- und Frauenzeitschrift. Und arbeitete dann bei Hoffmann & Campe unter Hoimar von Ditfurth an einem neuen Wissenschaftsmagazin. Schließlich landete er beim NDR, wo gerade die neue Sendereihe „ARD-Ratgeber Technik“ vorbereitet wurde. Sein Vor­ schlag, investigativ recherchierte Verbraucher- und Um­ weltthemen zu bringen, auf Information statt auf Unter­ haltung zu setzen, stieß zunächst auf Unverständnis. Genau diese Idee wurde später zum Markenzeichen der Sendung. Am 24. September vergangenen Jahres wurde die letz­ te Folge von „ARD-Ratgeber Technik“ ausgestrahlt. Laut dem NDR war die Sendung „das am häufigsten ausge­ zeichnete Verbrauchermagazin der Welt“. Am Ende hatte die Sendung aber nur noch 6 Prozent Einschalt­ quote. Leptihn hatte bereits im Dezember 2002 seinen

Hut genommen. War es schwer für ihn gewesen zu ge­ hen? „Schwerer war es für mich, mit dem Moderieren aufzuhören“, sagt Leptihn. Wegen eines Augenleidens stand Leptihn seit 1997 nicht mehr vor der Kamera, ar­ beitete aber weiterhin als Redaktionsleiter im Hinter­ grund: „Wenn Sie eine Sendung machen, die Ratgeber heißt und bei der der Moderator Ihnen ständig zublin­ zelt, dann fühlen sich die Zuschauer irgendwann auf den Arm genommen“, sagt er dazu selbstironisch.

Leptihn ist auch heute nicht müde geworden, auf Miss­

stände hinzuweisen, die er aus eigener Erfahrung kennt. Gibt Gastvorlesungen an Universitäten. War nie poli­ tisch, ist mit seiner Frau jetzt aber bei den Grünen ein­ getreten und setzt sich für eine barrierefreie Stadt Ham­ burg ein. Der heutige Verbraucherjournalismus sei aber nichts mehr für ihn, sagt er. Er sei geprägt von der Angst, sich zu weit aus dem Fenster zu lehnen: „Es werden ei­ gentlich nur noch Verbrauchsanleitungen für unter­ schiedliche Versionen ein und desselben Produktes verfilmt“, sagt er, „aber jeder Vergleich ist ein Kompro­ miss, und den bin ich nie eingegangen.“ Leptihn glaubt an die moderne Technik, bezeichnet sich aber gleichzeitig als Technikfeind. Dies liege daran, dass er jetzt im hohen Alter einerseits auf technische Hilfsmittel angewiesen sei. Andererseits fehle ihm das Verständnis für die technische Entwicklung, sagt er. In seinen Augen sind die meisten Produkte heutzutage mit Funktionen überfrachtet. „Im Endeffekt sind sie ein ein­ ziger Herstellungsfehler“, sagt Leptihn. „Die Gesellschaft altert, die Produkte für den täglichen Bedarf werden jedoch immer komplizierter zu handhaben.“ Er ist eben ein Kritiker, der nicht verstummt. TJ

BERND LEPTIHN: Glaubt an die moderne Technik, bezeichnet sich aber gleichzeitig als Technikfeind. 01#2012 | UJ | 17


THOMAS REINTJES IST GESELLSCHAFTER BEI „VIERMANN – DIE REDAKTION FÜR WISSENSCHAFT UND TECHNIK“ UND ARBEITET ALS FREIER IT-JOURNALIST IN KÖLN reintjes@viermann.info

Auf der Popularitätswelle Wen fragen Redaktionen an, wenn aus aktuellem Anlass Technik in den Medien erklärt werden soll? Und was erwarten Redaktionen von Technikexperten? Thomas Reintjes ist der Frage nachgegangen, wie Journalisten Experten suchen und finden.

Zum Konzept gehört die Bevorzugung von Experten aus der Nach­

ichael Sailer vom Öko-Insti­ tut erklärt, was in Fukushi­ ma vor sich geht; Mojib Latif von der Universität Kiel erklärt, wie sich das Klima wandelt; Ferdinand Dudenhöffer von der Uni DuisburgEssen erklärt die Automobilwirt­ schaft. Bei der Suche nach Experten greifen Journalisten offenbar oft auf Altbekannte zurück. Und das, ob­ wohl ihre Auswahlkriterien vielfäl­ tig sind und sie eine vielstimmige Berichterstattung anstreben sollten. Soziale Netzwerke könnten helfen, dieses Ziel zu erreichen. Mancher Experte macht zusam­ men mit seinem Thema Konjunk­ turphasen durch. So, wie manche Medien Agenda-Setting betreiben, betrieben sie auch Experten-Setting,

sagt Uli Blumenthal, Redaktionslei­ ter bei „Forschung aktuell“ im Deutschlandfunk. Auf ihrer Popu­ laritätswelle schwappen Experte und Thema gemeinsam von einem Medium ins andere. „Aber wir su­ chen nicht den populären, wir su­ chen den kompetenten Experten“, sagt Blumenthal. Wie oft das gelingt, bleibt offen. Die üblichen Rahmenbedin­ gungen der journalistischen Arbeit erschweren das Finden des einen Richtigen: Zeitdruck, Personalman­ gel, knappe Budgets. Eine große Vorlaufzeit bei der Suche nach einem Gesprächspartner sei oft nicht mög­ lich. Bei Wahl nach dem geeigneten Interviewpartner stehe am Ende dann oft der Kompromiss, so Blu­

barschaft bei Regionalmedien. „Ich würde auch einen Experten in Japan anrufen, aber wenn es einen an der Uni Hohenheim oder an der Uni Hei­ delberg gibt, diesen vorziehen“, sagt Alexander Mäder, Leiter des Wis­ senschaftsressorts bei der „Stuttgar­ ter Zeitung“. So gelang es gelegent­ lich, das Thema Fukushima auch mit regionalem Bezug ins Blatt zu bringen. Aber bei einem solchen Dauer-Thema ist es Mäder genauso wichtig, über die Zeit möglichst viele verschiedene Meinungen einzuho­ len. Trotzdem werden einmal gewon­ nene Experten von Journalisten gerne immer wieder konsultiert. Der Atomenergie-Fachmann Mycle Schneider sagte im Interview mit dem Fachmagazin „Journalist“ über

ALEXANDER MÄDER, „STUTTGARTER ZEITUNG“: Experten aus der Region werden vorgezogen.

WDR-REDAKTEURIN DANIELE JÖRG: Auch Telegenität ist ein Kriterium.

ATOMENERGIE-FACHMANN MYCLE SCHNEIDER: „Unser täglicher Schneider“.

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menthal. Vor allem, wenn der Inter­ viewpartner vor Ort aufgesucht werden muss, begrenzen Etats die Auswahl. Wer einem Autor und eventuell auch noch einem Kamera­ team eine weite Reise abverlangt, hat trotz Fachkompetenz geringe Chan­ cen auf Medienpräsenz, wenn ein nahezu gleichermaßen kompetenter Kollege in greifbarer Nähe sitzt.

FOTOS: WDR, „STUTTGARTER ZEITUNG“/ACHIM ZWEYGARTH

Trends


die ersten Tage nach dem Unglück in Japan: „Ich habe in dieser Woche Journalisten gesprochen, die kamen ,unseren täglichen Schneider‘ (so hieß das in einer Redaktion) abho­ len, das Statement des Tages.“ Das ist für Alexander Mäder genauso undenkbar wie für Uli Blumenthal. Blumenthal gibt zu bedenken: „Im Interview wird immer nur eine Mei­ nung vermittelt. Muss ich, kann ich das als Interviewer transparent ma­ chen?“ Trotz dieses Bewusstseins: Der erste Blick bei der Suche nach Experten geht ins persönliche Tele­ fonbuch, der zweite in das von Kol­ legen: „Ich frage meine Fachautoren. Die haben nicht nur direkte Kon­ takte in Form von Handynummern, sie kennen auch unsere Sendung und ihre Zielgruppe und wissen, welcher Experte dazu passt.“ Welche Experten passen und welche nicht, das ist so unterschied­ lich wie die Medienformate selbst. Die WDR-Redakteurin Daniele Jörg, zuständig für die ARD-Sen­ dung „Kopfball“, verdeutlicht das an einem Beitrag zu einer Zuschau­ erfrage, die nicht nur sie, sondern auch die Redaktion einer Sendung im Privatfernsehen beschäftigt hat. Beide Sendungen beantworteten die Frage mithilfe desselben For­ schungsinstituts. Doch während in der ARD ein ehrwürdiger, grauhaa­ riger Professor den Sachverhalt erklärte, war auf dem kommerzi­ ellen Kanal ein junger, muskulöser Forscher mit Pferdeschwanz zu sehen. „Warum hatten wir den nicht?“, fragt Daniele Jörg rheto­ risch. Für Radio- und Fernsehredak­ teure spielt es bei der Auswahl eines Experten eine entscheidende Rolle, dass er keinen Sprachfehler oder sonstige offensichtliche Einschrän­ kung hat. „Wenn der Interviewpart­ ner stark lispelt, bekommt der Zu­ schauer nichts mit von dem O-Ton“, sagt Daniele Jörg. Das Gleiche gelte für andere körperliche Schwächen. Anhand von Fotos aus dem Internet

und Telefongesprächen lasse sich die Telegenität einfach prüfen.

Ihre Unabhängigkeit, aber auch ihre Medienkompetenz und ihre Fähigkeit, sich auszudrücken, kön­

Ob Prof., Doktorand oder Diplo- nen Forscher und Entwickler heute mand, ist vor allem eine Frage der im Internet unter Beweis stellen – Expertise. Wollen Journalisten den, der ganz nah an der Forschung dran ist, oder den, der das große Ganze im Blick hat? „Ich habe schon mit einem Professor vor einem Roboter gestanden und er wusste nicht, wie man ihn einschaltet“, erzählt Ale­ xander Mäder. Für Daniele Jörg dagegen stellt der Titel eine Art Gü­ tesiegel dar. „Als Zuschauer gucke ich auch auf die Bauchbinde“, sagt sie. Am unteren Rand des Bild­ schirms muss allerdings nicht im­ mer ein akademischer Grad stehen. In einem „Kopfball“-Beitrag über die Technik des Messerwerfens diente ein Messerwerfer als Exper­ te – aber „einer, der sich in einem Wettbewerb gegen andere durchge­ setzt hat“, so Jörg. Der ehemalige Skispringer Sven Hannawald hat bei ihr auch eine Legitimation als Experte für De­ pression. Als Betroffener könne er die Krankheit aus eigenem Erleben ganz anders schildern als ein Medi­ ziner. Für den Radio-Redakteur Uli Blumenthal ist derjenige Experte der beste, „der etwas inhaltlich, fachlich am besten erklären kann – und dies noch verständlich“. Gleich­ zeitig wünscht er sich Gesprächs­ partner, die „sich eignen, über frem­ de Forschungsgruppen zu sprechen, die sich selbst und andere in Bezug zueinander setzen können“. Unabhängig ist er auch, der Traum-Experte. Ein Kriterium, das sich wohl niemals ganz erfüllen lässt. „Unabhängige Experten gibt es nicht“, sagt Uli Blumenthal. Doch obwohl auch Universitätsforscher Geld aus der Industrie bekommen, ist Daniele Jörg bei Experten aus privatwirtschaftlichen Unterneh­ men besonders kritisch: „Ich frage dann beim Autor nach, was den Unternehmer zum Experten macht.“

und so auch die Aufmerksamkeit von Journalisten auf sich ziehen. Aktuelle Themen und die entspre­ chenden Experten sind heute unter anderem in Blogs zu finden. Alexan­ der Mäder glaubt an das Potenzial sozialer Nischen-Netzwerke wie Researchgate oder Mendeley: „Kon­ takte dürften darüber viel leichter herzustellen sein als früher.“ Intensiv zur Expertenfindung ge­ nutzt werden soziale Netzwerke und Blogs bisher aber wohl nur von den wenigsten Journalisten: „Wir müs­ sen unsere Arbeitsweise ändern“, sagt Uli Blumenthal. Auf die großen Namen setzen die Fachjournalisten nicht. „Experten, die zu oft in den Medien auftauchen, verlieren für mich an Glaubwürdig­ keit“, sagt Daniele Jörg. Wenn die „Stuttgarter Zeitung“ Leser für ihre Wissenschafts-Seite gewinnen will, dann wird eher mit einer These eines Experten Aufmerksamkeit erregt als mit dessen Namen. Fach­ redakteure interessiert der PromiFaktor ihrer Interviewpartner of­ fenbar nicht. Darauf zu setzen, über­ lassen sie ihren Kollegen aus den aktuellen Redaktionen. Dass (vor allem) dort immer wie­ der die gleichen Experten auftreten, bezeichnet der Informationsdienst Wissenschaft (idw) in einem schrift­ lich geführten Interview als „selbst­ verstärkenden Prozess“. Stelle sich heraus, dass Interviews „mit be­ stimmten Experten unfallfrei funk­ tionieren, werden diese (im schlech­ testen Fall) auch zu Themen befragt, die nicht mehr zu ihrem Fachgebiet zählen.“ Der idw stellt zu aktuellen Themen Expertenlisten zusammen, um für mehr Pluralität zu sorgen. Die scheinen aber eher von Wissen­ schafts- und Technikjournalisten als von Nachrichtenjournalisten gefunden zu werden. TJ 01#2012 | TJ | 19


Techtainment

TOBIAS MEYER IST FREIER TECHNIKJOURNALIST UND KAMERAMANN. ER VERSORGT PRINT- UND ONLINEMEDIEN MIT TEXT UND VIDEO kontakt@tobiasmeyer.info

MARIO SIXTUS: „Im Web ist quasi der Information-proMinute-Wert viel höher als im Fernsehen.“

Weg vom Schwarzbrot Mario Sixtus fühlt wöchentlich den Puls des World Wide Web und diagnostiziert dabei, wie das Netz die Gesellschaft verändert. Der „Elektrische Reporter“ erklärt neue Entwicklungen und Trends der Online-Welt, ohne auf bildsprachliche Klischees und Plattitüden angewiesen zu sein.

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weils eine Person über Themen wie die digitale An­ fangsära bis hin zur Blog-Kultur im Iran spricht. Zu sei­ nen Interviewpartnern zählten neben den Galionsfiguren des deutschsprachigen Netzes – etwa Sascha Lobo oder dem damaligen „Bildblogger“ Stefan Niggemeier – auch internationale Größen wie Wikipedia-Gründer Jimmy Wales oder Googles Vizepräsidentin Marissa Mayer. Im Jahr 2007 erhielt Sixtus unter anderem den GrimmeOnline-Award in der Kategorie Wissen und Bildung.

Während dieser Zeit bestanden die Beiträge nur aus

Sixtus’ kurzer An- und Abmod sowie dem jeweiligen Protagonisten, was ihm irgendwann zu platt wurde: „Die Bebilderung von Computerthemen im Fernsehen ist ja meistens die Hölle: Clips von blinkenden Routern, Fin­ gern auf Tastatur, Hacker mit Sturmmasken vor dem Monitor, alles sehr klischeehaft. So was wollte ich auf keinen Fall.“ Da für den Vorspann schon mit histori­ schem Footage gespielt wurde, kam die Idee auf, medi­ ales Recycling zu betreiben: Die Digitalthemen werden durch Schnipsel aus Schwarzweißfilmen oder Collagen aus Comics und Strichkritzeleien veranschaulicht. So

FOTO: ZDF/IRIS JUNGELS

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ie Idee zum „Elektrischen Reporter“ resultierte aus einer Situation, die wohl jeder Journalist kennt: Massenhaft tolles Material in Interviews gesam­ melt und nur jeweils zwei Sätze in der Geschichte unter­ gebracht. So erging es auch Mario Sixtus, damals freier Autor für Wirtschafts- und IT-Publikationen. Aus einer Laune heraus hatte er angefangen, seine Interviewpart­ ner – meist „Netzdenker und -macher“ – vor eine Video­ kamera zu setzen. Um diese Inhalte breiter zu verwerten, entwickelte er das Videoblogformat „Elektrischer Re­ porter“ und spazierte damit in die Online-Redaktion des „Handelsblatts“. Inhaltlich hatte Sixtus seine Nische bereits gefunden: „Die reinen Technikjournalisten schreiben darüber, wie ein Blog funktioniert, die Wirtschaftspresse, wie man damit Geld verdient, und der Feuilletonist blickt etwas abwertend darauf hinab, weil man als Autor jetzt auf einmal nichts Besonderes mehr ist. Beim ,Elektrischen Reporter‘ wollen wir diese Blickwinkel vereinen und so zeigen, was das mit der Gesellschaft an sich macht.“ In der als „Phase I“ betitelten Zeit von September 2006 bis Juni 2008 produzierte Sixtus 49 Folgen, in denen je­


konnten Themen vielfältiger angegangen werden, mehr Experten kamen zu Wort. Das Format wurde magazini­ ger, die Sichtweise breiter. Allein das Suchen und Sichten von altem Filmmate­ rial im Internetdachboden archive.org kostete aber viel Zeit, dazu kamen die Collagenanimation und der ent­ sprechend kompliziertere Schnitt. Daher klopfte er mit dem Konzept für Phase II beim ZDF an. Ende 2008 rich­ tete der „Elektrische Reporter“ auf ZDFinfo seinen Zweitwohnsitz ein – denn in der Online-Heimat bleibt er als Blog und Videopodcast verfügbar: Die „angeschlos­ senen Funkhäuser“ des Blogs (wie YouTube, Vimeo oder iTunes) verbreiten die Erlebnisse des „Elektrischen Re­ porters“ weiterhin im Internet. Bis März 2010 wurden 24 Episoden ausgestrahlt. „Die Ausstrahlungskanäle Online und TV“, so das ZDF, „be­ fruchten sich dabei gegenseitig.“ Sixtus findet es jedoch nach wie vor schwierig – aber nicht unmöglich –, beide Welten glücklich zu machen: „Im Web ist quasi der In­ formation-pro-Minute-Wert viel höher als im Fernse­ hen.“ Daher müsse man für das Web viel schneller schneiden, was im TV schnell zu hektisch wirken könne. Der „Elektrische Reporter“ sollte dabei auf keinen Fall den Schwarzbrot-Charakter einer Sozialstudie anneh­ men, weshalb Sixtus einem schrägen Wortwitz oder einer jungfräulichen Metapher selten abgeneigt ist. Durch seinen Stil schafft er es, nicht altbacken oder auf­ gesetzt jugendlich zu wirken. Zu Twitter moderierte er,

es sei „für die einen das Schärfste seit Erfindung der Peperonipraline, für die anderen der endgültige Sieg der Geschwätzigkeit in einer eh schon geschwätzigen Welt“. Zum Thema Urheberrecht fiel ihm ein, dass jeder, der als Nutzer oder Kreativer im Netz zugange sei, Gefahr laufe, auf eine rechtliche Tretmine zu spazieren. „Wir haben nie aktiv versucht, unterhaltsam zu sein, das pas­ siert bei uns wahrscheinlich intuitiv“, überlegt Sixtus. Im September 2010 will Sixtus dann „weg von der Sendung-mit-der-Maus-Erklärigkeit“. Mit dem mono­ thematischen Modell kam er an die immer detaillierteren Strukturen und kleineren Themen, die überall im Netz auftauchten, nicht mehr heran. Daher sollten die Ge­ schichten künftig kürzer, dafür aber präziser angegan­ gen werden können – und so auch mehr Vielfalt in die Sendung kommen. Die Phase III startete als Experiment, das in der deut­ schen TV-Geschichte erstmalig so umgesetzt wurde: Sixtus produzierte kurze Pilotclips, die er durch seine Moderation zum neuen „Elektrischen Reporter“ ver­ strickt. Die Mini-Piloten wurden jedoch nicht nur von der Redaktion beurteilt, auch die Netzwelt konnte sich alle Clips ansehen und mitdiskutieren. Da das Sendungs­ konzept direkt zusammen mit dem User/Zuschauer erarbeitet wurde, konnte eine Serie entstehen, bei der man nicht auf ein wohlwollendes Publikum hoffen musste. Man wusste bereits vorher recht sicher, dass man die richtigen Links gesetzt hatte. TJ

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Fragebogen

PROFIL

Bernd Pütter (45) ist Leiter der Konzernkommunikation von Hochtief. Der Kommunikationswissenschaftler und Journalist arbeitet seit zwölf Jahren bei dem Unternehmen und war dort lange für die Kommunikation des europäischen Baugeschäfts zuständig. Vor seinem Einstieg bei Hochtief arbeitete er als Hörfunkjournalist und Berater am Europäischen Zentrum für Medienkompetenz.

Welche Technikthemen kommen in der Berichterstattung zu kurz? Journalisten, die über Bauprojekte schreiben, denken meistens an die Rohbauphase. Die typischen Fragen lauten: „Wo geht der Kranführer zur Toilette?“ Oder: „Kann man bei Frost betonieren?“ Dabei macht der Rohbau nur ein Viertel der Gesamtkosten eines Gebäudes aus. Es gibt Themen, die mindestens genauso spannend sind: Wie optimiert man ein altes Gebäude, ohne die Architektur zu ruinieren, wie funktioniert moderner Brandschutz in einem Hochhaus? Wenn ich solche Geschichten bei „Abenteuer Wissen“ oder „Galileo“ anbiete, heißt es immer, das sei nicht „gut im Bild“. Welches Technikthema wird in den Medien überbewertet? Ich kann den Hype um Apples iPhones nicht nachvollziehen, vermutlich, weil ich keines habe … Was stört Sie an der Technikberichterstattung am meisten? Bauthemen werden von einigen Journalisten als „Lowtech“ eingestuft, die Komplexität der Aufgaben wird unterschätzt. Dabei verbraucht ein modernes Gebäude viermal weniger Energie als ein altes. Wir brauchen uns also vor der Automobil­ indus­trie nicht zu verstecken. Obendrein ist jedes unserer Projekte ein Unikat! Welche Fähigkeit brauchen Journalisten, die über Technik berichten, ganz besonders? Ich schätze an den wenigen spezialisierten Technikjournalisten das hohe Fachwissen. Man fängt nicht bei null an, sondern kann sich auf die Besonderheiten konzentrieren. Es gibt sogar Technikjournalisten, die unsere Projektmanager auf den Baustellen beeindrucken. Ich kann mich an einen Journalistenbesuch in Island erinnern. Unser Projektleiter wollte den Bau eines unterirdischen Wasserkraftwerks im Stile der „Sendung mit der

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Maus“ erklären und war nach fünf Minuten bei einer Fachdiskussion über Pumpen und Fördertechnik. Welcher Technikjournalist oder welche Technikjournalistin können als Vorbilder gelten? Ich schätze Georg Küffner von der „FAZ“ seit vielen Jahren als Autor und Wegbereiter für Technikjournalismus. Leider gibt es bei anderen Medien kein vergleichbares Ressort, obwohl sich auch dort viele Journalisten um Technikthemen kümmern. Wir müssen oft lange suchen, bis wir den zuständigen Redakteur gefunden haben. Wie sehen Sie das Verhältnis zwischen Technikjournalismus und Technik-PR? Beide Seiten brauchen einander: Die Kommunikatoren in den Unternehmen öffnen den Journalisten viele Türen und informieren über Trends und Entwicklungen in der Wirtschaft. Der Journalist entscheidet selbst, ob er über ein Thema berichtet oder nicht. Muss Technikjournalismus kritisch sein? Ich erwarte von Journalisten, dass sie Themen professionell recherchieren und aufarbeiten. In der Berichterstattung über neue Elektroautos muss auch die Frage erlaubt sein, ob die Fahrzeuge wirklich alltagstauglich sind und wie die Ökobilanz insgesamt aussieht. Beschäftigen Sie auch Journalisten in der PR, und falls ja, eher zunehmend oder immer weniger? Die meisten Mitarbeiter in meiner Abteilung haben früher journalistisch gearbeitet. Deshalb wissen wir, ob und wie wir ein Thema anbieten. Außerdem kennen wir die Produktionsbedingungen in Redaktionen. Wir übernehmen eine Vermittlungsleistung zwischen den Ingenieuren in unserem Unternehmen und den Journalisten. Wie stehen Sie zu Advertorials? Wir wissen, dass vor allem Fachzeitschriften nicht allein vom Heftverkauf leben können, trennen aber strikt zwischen Berichterstattung und Werbung. Advertorials sagen wir freundlich, aber bestimmt ab. Bei ausländischen Medien stößt das häufig auf Unverständnis. Was ist Ihr liebstes Technik-Spielzeug? Wir hatten einige Jahre lang eine Art Abenteuerspielplatz auf einem Bauhof unserer Tochterfirma Streif Baulogistik. Dort konnten Geschäftspartner, Schülergruppen oder Journalisten Bagger fahren oder einen Turmdrehkran bedienen. Das hat meine Söhne sehr beeindruckt. Was ich sonst beruflich mache, können sie den Klassenkameraden schlecht erklären.

FOTO: CHRISTOPH SCHOLL

Bernd Pütter

Welche Technikjournalismus-Geschichte ist Ihnen in Erinnerung geblieben – und warum? Ich war vor einigen Jahren mit einem Technikjournalisten auf unserer Baustelle „Gotthard-Basistunnel“. Das ist das größte Tunnelprojekt der Welt. Als wir nach einigen Kilometern mit der Bimmelbahn an der „Ortsbrust“ angekommen waren, das ist die Stelle, an der gerade der Tunnel vorangetrieben wird, gab es einen Bergschlag, bei dem zum Glück nichts passiert ist. Da wird einem bewusst, dass es bei aller Sicherheitstechnik ein Restrisiko gibt, und man versteht, warum in jedem Tunnel ein Altar steht, vor dem am Barbaratag „Großer Gott, wir loben Dich!“ gesungen wird.



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