Festpredigt zu 50 Jahre Dietrich Bonhoeffer Haus Bocholt

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Der Sohn »Johannes« wird den beiden betagten Senioren verheißen. Johannes, den man später »den Täufer« nannte. Er wird die Aufgabe haben, Jesus zu taufen und ihm den Weg zu bereiten. Zugleich mit dem Kind wird auch der Name gegeben: Johannes, Jochanan, das bedeutet: »Gott ist gnädig«, »Gott ist Güte«. Der hebräische Name ist nicht beliebig, sondern Programm, wie immer in der Bibel. Das besagt: Dieses Kind kommt durch euch, aber gehört euch nicht. Durch diesen Menschen will Gott handeln. Im Grunde ist das die Botschaft bei jeder Taufe bis heute. Das ist ein bisschen so, wie sich eine Gemeinde den Namen für ihr Gemeindehaus aussucht. Der Name ist Programm. In der Chronik zum 50-jährigen Bestehen des Kirchenkreises aus dem Jahre 2003 lese ich über den Westbezirk der Ev. Kirchengemeinde Bocholt: »Die Namen der Gemeindehäuser im Westbezirk benennen das Leitbild und das Ziel der Gemeindearbeit (Wichern und Bonhoeffer). Diese ist seelsorgerlich-diakonisch orientiert. Das Leitwort lautet: »Kirche ist nur Kirche, wenn sie für andere da ist.« (Dietrich Bonhoeffer) Was feiern wir, wenn wir 50 Jahre Bonhoefferhaus feiern, und wie geht es weiter? Dazu wäre von dieser Geschichte her dieser Gemeinde zu sagen: Bleiben Sie bei einer Zacharias-und Elisabeth-Existenz: Bleiben Sie mit Gott verbunden (das alte Wort dafür heißt »fromm«), pflegen Sie Ihre Tradition der dienenden Gemeinde – und bleiben Sie Lobsänger und Bittsteller vor Gott. Versuchen Sie nicht mehr zu sein als das! Menschen, die Gott Lob singen und ihn um sein Wirken bitten, und die so »Kirche für andere« sind. Sich umeinander kümmern, Sorgen und Nöte teilen, Hilfe organisieren, in dem Wissen: Weil für uns gesorgt ist, können wir uns um andere sorgen. Und nicht aufhören, zu warten darauf, dass Gott Wunder tut. Dazu ermutigt die Geschichte uns heute Morgen. Auch und gerade, wenn es Zeiten gibt, wo wir uns fragen: Wozu mache ich das hier alles? Wird es nach uns weitergehen? Zacharias sprach zu dem Engel: Woran soll ich erkennen, dass du die Wahrheit sprichst? Siehe, ich bin alt, und meine Frau ist betagt. Der Engel antwortete und sprach zu ihm: Ich bin Gabriel, der vor Gott steht, und ich bin gesandt, mit dir zu reden und dir dies zu verkündigen. Und siehe, du wirst stumm werden und nicht reden können bis zu dem Tag, an dem dies geschehen wird, weil du meinen Worten nicht geglaubt hast. Entgegen der landläufigen Meinung ist das Stummwerden des Zacharias keine Strafe! Es ist eine Gnade! Echte Gotteserfahrungen machen für eine Weile stumm. Dieses Verstummen ist das Geschenk des Schweigens und tiefer Stille, der Beginn eines mystischen Glaubens. Gott braucht die Stille, um uns zu begegnen. Wir müssen ihm aber auch Gelegenheit dazu geben, was heute schwer ist in unserer Flatrate-Kultur der ständigen Unterhaltung und Berieselung. Stille kostet Betriebsunterbrechung – und Überwindung. Das kann man auch als Beitrag zur Diskussion um die Sonntagsöffnungszeiten hören. Konsum ohne Unterbrechung führt in eine atemlose, tödliche Leere. Die Sonntagsheiligung ist kein Luxus für ein paar fromme Christen, sondern ein lebenswichtiges Menschenrecht als Schutz vor dem totalen Zugriff des Geldes auf die Seele einer ganzen Gesellschaft. Zacharias hat sein Leben lang gebetet; und jetzt, wo sein Gebet erhört wird, muss das Reden einmal Seite 4 von 5


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