Lovebugs – Coffee And Cigarettes

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Dieses grosszügig gestaltete Buch wirft einen Blick auf und hinter die  Bühnen und in die Proberäume. Marc Krebs berichtet über Entwicklungen und Zäsuren, Höhepunkte und Krisen und stellt in Einzelinterviews die fünf heutigen Bandmitglieder vor. Mit grossformatigen Fotos dokumentiert Tabea Hüberli die Entstehung eines Albums vom Songwriting über die Proben bis hin zu Auftritten an grossen Festivals. In ihrem Vorwort erinnert Mona Vetsch daran, wie alles anfing und immer weiterging. Die beigelegte DVD mit zwölf Original-Videoclips macht das Buch zu einem Must-have nicht nur für Lovebugs-Fans. ISBN 978-3-85616-532-1

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WWW.MERIANVERLAG.CH

LOVEBU AND GARET LOV EB U G S CO C O FFEE FFE E A N D CCII GA R E T TTES ES

Seit fünfzehn Jahren sind sie in den Hitparaden und auf Konzertbühnen Dauergäste: die Lovebugs.

LOVEBUGS COFFEE LOVEBUGS AND CIGARETTES COFFEE AND MARC KREBS

MARC KREBS

TA B E A H Ü B E R L I

TA B E A H Ü B E R L I

CIGARETTES CHRISTOPH MERIAN VER CLHARGI S T O P H M E R I A N V E R L A G



LOVEBUGS COFFEE AND CIGARETTES M AR C K REBS

TABEA H Ü BER L I

C H RISTO P H M ERIAN VER L AG


Intro

VO n M o n a V e t s c h

6

Adrian Sieber 29

me a song

Da s

25

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Coffee

49

Remember the

4

Pop ’til You Drop

W e n n Da s

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first Time?

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Wie alles Begann

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Focus, Camera on

Au s l a n d lo c k t Do You

73

T r o mp e t e n

i m P r o b e r au m

Songwriting

2

Through a Wall

M i t pau k e n u n d

Die Band Sing

Breaking of Sound

and Cigaret tes 1

5

Simon Ramseier

53

Hold

75

Da s Im ag e

Thomas Rechberger

77


9

Shake Down 7

Hands on the Wheel

Au f

113

Da s B u s i n e s s -

137 Meeting

Sp r i t z fa h r t 10 

Naked

D i e Lov e b u g s

139 s t r i pp e n

8

Between Goodbye and a Hello

Der

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grosse Bruch

Florian Senn

117

Stefan Wagner

141 11

12

Life is today

im Studio

163 Retro

D i e C h r o n o lg i e

181

Fade Out

Will you catch me

D i e V i d e o s au f DV D

when i fall?

B i l d n ac h w e i s

D e r E u r ov i s i o n

200

song contest in M o s k au

161

Imp r e s s u m


INTRO

VO n M o n a V e t s c h

Wenn wir diese Klischeebilder beiseitelassen müssen, was bleibt dann übrig vom Leben einer Popband? Davon erzählt dieses Buch, vom wahren Leben einer professionellen Schweizer Band. Es geht um Musik und Leidenschaft. Um den Weg zum Erfolg und weiter. Aber auch um Selbstzweifel und die Krisen. Und es ist die Geschichte einer grossen Freundschaft. Monatelang haben die Fotografin Tabea Hüberli und der Journalist Marc Krebs die Lovebugs begleitet, den Zyklus vom Songwriting bis zur Plattenproduktion aus nächster Nähe miterlebt und in «Coffee and Cigarettes» festgehalten. Zwischen den Stationen blicken die fünf Musiker zurück, auf einschneidende Ereignisse, auf glückliche und traurige Momente einer Karriere, die sie bis in die Moskauer Olympiahalle führte, wo sie vor hundert Millionen TV-Zuschauern auftraten. Aber dort sind wir noch lange nicht.

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Die Lovebugs, Herrgott ja, wir haben tolle Zeiten erlebt. Unvergessen der Auftritt am Gurten-Festival, den sie abbrechen mussten, als Adrian das Publikum beschimpfte, das in einem fort nach «Angelheart» und «Bitter Moon» geschrien hatte. Da hätte auch ausrasten können, wer nicht gnadenlos verladen war wie die Jungs an diesem Abend. Dass Thomas danach per Kurzschluss unseren Übertragungswagen lahmlegte, weil er über die nackten Beine einer Groupie-Blondine gestolpert war, merkte kaum einer. Zu gross das Tohuwabohu, weil sich Simon und Stefan draussen mit den Security-Broncos prügelten. Später, in der Notaufnahme, bekam eine Assistenzärztin ein Autogramm auf ihren Busen, «Dir haben sie damals das erste Interview im Schweizer Fernsehen geund auf dem Heimweg ging Florian irgendwie verloren. Er tauchte erst geben», sagt Marc Krebs zu mir, «in der Jugendsendung ‹Oops!›.» Das hätten ihm die Jungs erzählt. «Schön», sage ich und versuche mich Tage später wieder auf. krampfhaft zu erinnern. Aber da kommt nichts, nur ein merkwürdiges Wow, wird jetzt der eine oder andere denken, von dieser Seite kenne Gefühl. Wenn die eigene Jugend schon Teil der Musik-Historie ist, dann ich die Lovebugs ja gar nicht! Das ist der Punkt. Ich nämlich auch nicht. ist sie definitiv vorbei. Die Szene ist frei erfunden – oder besser: Lovebugs-Antimaterie. Sie beinhaltet nämlich all das, wofür diese Band nicht steht. Licht ins Dunkel bringt erst der Gang ins Archiv. Danke der Ehre, aber ich war es nicht. Daniela Würgler präsentiert uns im damaligen Tagesfernsehen TAF als Erste die «Nachwuchsband aus Basel».

«Ich bin Simon, ich spiele Schlagzeug.» Famous first words! Brav der Reihe nach stellen sie sich vor, sie sind zu dritt an diesem Tag im November 1996. Der langhaarige Simon, in der Mitte Adrian, die Hände in den Taschen vergraben, und Baschi, fleischgewordener Rock’n’Roll, der in diesem klinischen Setting fremd wirkt wie ein Adler auf der Hühnerstange. Man mache «lärmige Popmusik, laut, schnell und gemein» verkünden die Jungs freundlich-schüchtern, wippen mit den Fussgelenken, halten sich an den hässlichen Bistrotischen fest, und irgendwann ist es vorbei.


Bei den meisten anderen Schweizer Bands – bei fast allen anderen! – wäre das der Zenit gewesen. Der Höhepunkt der Popkarriere. Ein TV-Auftritt und vielleicht noch der Nachwuchs-Prix-Walo in der Mehrzweckhalle, Applaus, gern geschehen! – und auf nimmer Wiedersehen. Auch andere hatten Talent – warum haben es die Lovebugs geschafft? «Kontinuität», sagt DRS3-Musikkollege Christoph Alispach, der die Lovebugs schon kannte, als Baschi die Singles noch persönlich mit dem Velo ins Basler Radiostudio karrte. «Sie haben’s gewollt und sind drangeblieben.» Mehr Geheimnis ist da nicht. Die Lovebugs sind eben eher KMU als KLF. Bodenständig, fleissig, freundlich, bescheiden. Wie viel aber hätten wir 1996 auf diese Basler Band gewettet? Dass sie durchhalten und mit ihren Platten die Top 10 entern, dass sie für die Rolling Stones anheizen und 2011 noch fest zum Schweizer Musikinventar gehören? Damals kannten wir gerade mal «Marilyn» und «Fantastic», und ich erinnere mich noch gut, dass ich letzteren Song nicht spielen durfte im Tagesprogramm von Radio Thurgau, wo ich damals arbeitete. Er sei «zu schräg», hiess es. Kein Misserfolg, sondern ein Anfang. Move on, move on, stupid pop kid. In den nächsten Jahren waren die Lovebugs für mich wie Ostern, sie kehrten in regelmässigen Abständen wieder. Man sah sich bei «Oops!», «Weekend Music», bei DRS3 und an vielen Festivals. Immer wars ein frohes Fest. «Fantastic» ist bis heute mein Lieblingssong geblieben. Das erste Mal halt. Zählt nicht bei Fernsehauftritten, sehr wohl aber bei musikalischen Erweckungserlebnissen.

Sassen sie kürzlich einmal spätabends in einer S-Bahn Richtung Zürich? Jeder Spenglerstift inszeniert sich für den Ausgang aufwendiger als die Lovebugs das je gemacht haben. Vorgeworfen hat man es ihnen trotzdem. Kaum ein Interview, bei dem man sie nicht kritisch abklopfte darauf, ob sie sich nicht verkleiden, verkaufen, verstellen. Wir bei «Oops!» waren da keine Ausnahme. Als «Under My Skin» herauskam, haben wir länger über Retro-Blumenhemden, Brockenhäuser und Brusthaare geredet als über ihre Musik. Sorry. Und dann dieses Mädchenschwarm-Dings, das an ihnen klebte wie der Ultra-Strong in meiner Stachelfrisur. Aber hat das je gestimmt, dass an ihren Konzerten übermässig viele Mädchen standen? Ich kann mich wirklich nicht erinnern, sehr wohl aber daran, dass wir alle gepökelt aus dem Winterthurer Salzhaus kamen, so sehr haben sie uns den Schweiss aus den Poren getrieben. Die Lovebugs live? Wie 1996: laut, schnell und gemein. Wenn doch mal ein BH flog, dann als ironisches Zitat. Eingeprägt hat sich mir unsere Begegnung im Theater Basel, 2004. Es war der Tag, an dem sich die Lovebugs ihren Fans von einer anderen Seite zeigen wollten. Unplugged, für die Aufzeichnung der Platte «Naked». Sie hatten monatelang für diesen Auftritt gearbeitet, das wusste ich, und als ich auf dieser Bühne stand, vor mir ein Saal voller Erwartungen, in meinem Rücken die Band, war ich lächerlich nervös. Ich hatte ja nur die Anmoderation zu machen, eine simple Sache, aber wer hätte schuld sein wollen, wenn die berührendste je gespielte Version von «A Love Like Tides» durch ein schepperndes «Dragostea Din Tei» zerstört worden wäre? Und bitte stellt die Handys ab! Das war einer der seltenen Augenblicke, von dem ich wusste: Der hier ist wichtig. Man rafft das ja sonst nie so genau, besonders, wenn man jung ist. Immer bist du mittendrin, und von ganz nah betrachtet, wirkt alles gleichermassen überlebensgross. Bedeutend aber werden die Dinge erst aus der Distanz.

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Sing me a song S o n g « ’ 7 2 »  →   A l b u m « 1 3 S o n g s w i t h a V i e w »

Da s S o n gw r it i n g

Dienstag, 7. September 2010. Emilie schaut neugierig hinter einem Türrahmen hervor und lächelt schüchtern. Emilie ist die Tochter von Adrian Sieber. Noch ehe sie 2004 zur Welt kam, gab es sie schon. Im Kopf des Sängers und Songwriters. Denn «Emily» ist auch ein Song. Einer von rund hundertvierzig, die Adrian mit den Lovebugs veröffentlicht hat. «Im Schnitt schreibe ich jede Woche ein Lied», erzählt er bei einer Tasse italienischem Kaffee in seiner Altbauwohnung im Basler Quartier St. Johann. Nach dem Frühstück mit der Familie, wenn Emilie sich auf den Schulweg gemacht hat, beginnt für den Sänger und Songwriter der Arbeitstag. Zuerst erledigt er Büroaufgaben und hört dazu neu erschienene Musik – etwa die «Sounds»-Sendung des Vorabends, die DRS3 als Podcast bereitstellt. Gefällt ihm ein Lied, dann empfiehlt er es, selbst ganz Musikfan, seinem Umfeld, indem er es auf Social-Media-Plattformen wie Facebook weiterverbreitet.

Der Computer ist auch Schaltzentrale des eigenen Songwritings. Stapelten sich in den 90er-Jahren noch Audiobänder in Adrians Arbeitszimmer, so sind Textskizzen und Songideen heute fein säuberlich auf der Harddisk seines Heimcomputers archiviert. In einem Word-File finden sich Einfälle für Songtitel und Texte. «Drunk on Dreams» steht da oder «Jennifer Beals». Ein Idol seiner Jugend. Der Schauspielerin aus dem Tanzfilm «Flashdance» würde er gerne ein Lied widmen. Doch die zündende Idee ist ihm noch nicht gekommen. Adrian steht auf, geht zwei Schritte und setzt sich ans Klavier. Dort tastet er sich an Akkordfolgen heran. Oft klimpert er gedankenverloren vor sich hin, manchmal wechselt er auch das Instrument und rutscht suchend über die Bünde seiner akustischen Gitarre. Einen genialen Einfall krampfhaft zu forcieren, das hat ihn die Erfahrung gelehrt, ist vergebliche Liebesmühe. Die Inspiration lässt sich nicht erzwingen, höchstens kitzeln. Und diesen Kitzel braucht er. Seit es die Lovebugs gibt, vergingen nie mehr als zwei Monate, bis wieder ein neues Lied fertig war. «Ich kann nicht anders», sagt er. «Denn nichts macht mich glücklicher, als Songs zu schreiben.»

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Und nichts macht ihn zugleich verletzlicher. Denn wenn ihm eine Melodie einfällt oder ein Text, dann steht dahinter mal eine Sehnsucht, eine Trauer oder eine Freude – immer ein Gefühl, das ihn umtreibt und das er in Liedform nach aussen trägt. Über die Liebe zu singen, fällt ihm bedeutend leichter, als darüber zu reden. «Meine Frau sagt, ich sei nur in meinen Liedern romantisch», bekennt er.

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Um die Jahrtausendwende, als Adrian realisierte, dass er Profimusiker geworden war, meinte er, sich als Songwriter disziplinieren zu müssen. Er stand morgens um acht Uhr auf und befahl sich, bis zum Ende des Tages einen Song zu schreiben. «Aber dieses Funktionieren auf Kommando klappte überhaupt nicht.» Einige Jahre später mietete er beim Coiffeur unten im Haus einen kleinen Raum dazu und richtete sich ein Komponierzimmer ein. «Ich dachte mir, dass ich so weniger abgelenkt und daher rascher zum Ziel, zu Songs kommen würde.» Auch dieser Versuch scheiterte. Adrian stellte fest, dass er fürs Songwriting eine Wohlfühlatmosphäre brauchte, die er nur in seinen privaten vier Wänden vorfand.

Tatsächlich kommt er sich selbst beim Songwriting am nächsten. Die Texte sind zunächst zweitrangig, am Anfang jedes Lovebugs-Lieds ist eine Stimmung, eine Momentaufnahme. Entsprechend schwer fällt es ihm auch, seine Lieder zu analysieren, das Glücksgefühl dieses Prozesses in Worte zu fassen. Dass er diesen intimen Moment mit niemandem An diesem Spätsommertag 2010 arbeitet er noch eine Zeit lang an einem Lied, das den Titel «Faint Afterglow» trägt. Der Text ist Kauderwelsch, teilen kann, ist Teil des Glücks, des Geheimnisses. von einem richtigen Song mag er deshalb noch nicht reden. Dennoch Keine einfache Situation für seine Freunde, auch nicht für seine Familie. wird er ihn zur nächsten Probe der Lovebugs mitbringen. So wie dies «Wenn er unter Druck steht, wenn neue Lieder hermüssen, fehlt er mir in den nächsten zwölf Monaten mit vierzig weiteren Ideen geschehen sehr», erzählt seine Frau Kat Fischer. «Er sitzt im Zimmer nebenan und wird. Die meisten werden bis zur Plattenproduktion verworfen sein und wieder in seinem Archiv verschwinden. Frustriert ihn das nicht? «Nein, scheint doch weit weg.» denn nichts ist für den Papierkorb», sagt er bestimmt. «Keine Idee wird Dann ist Adrian trotz physischer Präsenz in einem Delirium. Dann exis- weggeworfen, was auch immer passiert, sie ist gespeichert. Ein Song ist tiert nur die Musik, die Songidee, die ihn nicht loslässt. Er grübelt, fällt auf ein Song bleibt ein Song.» sich zurück, ungreifbar für andere. Liegt schlaflos im Bett. Schnellt auf einmal hoch, schleicht ins Musikzimmer, summt Varianten in ein Mik- Emilie kommt aus der Schule heim und umarmt ihren Vater. Wie es sich rofon, hält die Ideen fest. Oder er erwacht und hat die gesuchte Tonfolge anfühlen wird, wenn Adrian sie in ein paar Jahren in die Welt entlassen im Kopf. Und wenn er nicht weiterkommt, archiviert er die grobe Idee, muss, das erahnt er schon heute. Durch «Emily», das Lied. in der Hoffnung, sie eines Tages wieder hervorzukramen, zu erweitern, mit einem Text in einen Song zu verwandeln. «Songs zu schreiben, ist für mich eine Art Droge, die sich nicht abnützt», erzählt er. «Es fühlt sich an wie ein Rausch, erfordert aber auch viel Konzentration: In meinem Kopf hängen zahlreiche lose Fäden herunter, ich versuche, die richtigen zu erwischen und zu bündeln.» Wenn ihn seine Tochter aus diesem Zustand herausreisst, «dann stehe ich zunächst völlig neben mir. Um ein Lied zu schreiben, muss ich tief abtauchen, sodass alles um mich herum keine Rolle mehr spielt. Was dazu führt, dass mich auch immer wieder ein schlechtes Gewissen beschleicht, ich mich dann etwa frage, ob ich ein guter Vater bin.»


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Do You Remember the First Time? S o n g « T h e A f t e r m o o n »  →   A l b u m « 1 3 S o n g s w i t h a V i e w »

W i e a lles b ega n n Am Anfang war ein Inserat: «Schlagzeuger gesucht!» stand auf einem Zettel, der im Basler Musikgeschäft Major 7 aushing. Adrian Siebers Interesse war geweckt. Der 21-Jährige blickte auf Erfahrungen in Schülerbands zurück und suchte gleich gesinnte Leute mit Ambitionen. Noch am selben Abend griff er zum Telefon. Sebastian Hausmann, der den Anruf entgegennahm, erinnert sich: «Da war diese Stimme, die kaum einen Ton rausbrachte. Schüchtern meldete sich dieser Schlagzeuger. Einer, von dem ich noch nie gehört hatte. Und der mich dann auch noch zu fragen wagte: ‹Ja, seid ihr denn gut?› Frecher Kerl!, dachte ich mir und sagte ihm, er solle zur Probe kommen.» Sebastian, den in Basel alle Baschi nennen, hatte als Musiker über zehn Jahre in England und in den USA gelebt. Nach seiner Rückkehr in die Schweiz rief er mit seiner Frau Samantha, einer Sängerin, The Bash ins Leben. «Adrian Sieber kam also vorbei, setzte sich wortkarg ans Schlagzeug und spielte sensationell zu unseren Liedern», erzählt Baschi. «Man musste ihm nichts erklären!» Das war 1991. The Bash wuchsen in Basel rasch zu einer festen Grösse, ihr rauer Rock wurde zum Stadtgespräch, bald füllten sie das legendäre Konzertlokal Atlantis.

Die Songs entstanden mehrheitlich in Jam Sessions, durch Improvisationen im Proberaum. Adrian klinkte sich beim Songwriting ein, lieferte harmonische Variationen – doch viele Ideen wurden verworfen, weil sie in dieser Konstellation nicht funktionierten. «Ich begriff, dass nur ich selber spüren konnte, wie meine Ideen umgesetzt werden mussten.» Also startete er gemeinsam mit einem Vierspur-Gerät der Firma Fostex ein Nebenprojekt: Er füllte leere Kassetten mit Melodien, spielte dazu Schlagzeug, Gitarre und Keyboard-Bass. Die technische Einschränkung hatte ihre Vorteile: «Denn was auf vier Spuren nicht genügend berührte, funktionierte auch nicht als Song», sagt Adrian. 1993 beschriftete er eine Kassette mit «Lovebugs» – passend zur Musik, die schön und dreckig zugleich war – und sandte sie ein: «Sprungbrett» hiess der Basler Nachwuchswettbewerb, bei dem er es auf Anhieb ins Halbfinale schaffte. Dieses würde auf der Bühne ausgefochten.

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Die Lovebugs existierten bisher nur in seinem Kopf, nun musste Adrian umgehend eine Band zusammenstellen. Was lag näher, als die engsten Freunde anzufragen? Baschi, ganz Vollblutmusiker, sagte umgehend zu, als Bassist einzuspringen. Gitarre und Gesang konnte Adrian selber übernehmen. Und als Taktgeberin verpflichtete er Julie Lagger. Sie spielte zwar erst seit einem halben Jahr Schlagzeug. Aber Adrian war in sie verschossen – und das zählte mehr als jede Erfahrung. So stolperten die Lovebugs am 8. Juni 1993 erstmals auf eine Bühne und spielten sich mit charmantem, ungelenkem Schrammelrock in die Herzen des Publikums. «Ich hatte einen Fretless-Bass und traf kaum die richtigen Töne. Aber unsere Performance berührte alle», erzählt Baschi. Die Lovebugs stachen im Finale gar die favorisierte Soulrock-Band Daddy Long Legs aus. Als Preis winkte eine Woche Studioaufnahmen. Welch ein Auftakt!

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Bald darauf entschied sich Adrian gegen die gloriosen Hormone und für eine groovende Harmonie: Julie Lagger musste gehen, Simon Ramseier, gerade einmal 18-jährig, stieg ein. Im Zürcher «Dynamo» präsentierte sich die neue Formation erstmals vor Publikum. Die Besucher dieses Doppelkonzerts mit The Bash konnte man zwar an einer Hand abzählen, doch fanden sich gleich zwei neugierige Vertreter von Plattenfirmen ein. Eine beeindruckende Quote. Ein Versprechen für die Zukunft. Auf dem Heimweg wurden die Basler nachts um vier Uhr in einen Auffahrunfall auf der Autobahn verwickelt. Samantha sprang aus dem Bus und schrie: «My baby, my baby!», Baschi beruhigte sie. Adrian und Simon schauten sich verwundert an, bis sie aufgeklärt wurden: «Wir werden Eltern!» Die Verblüffung war gross, ebenso die Erleichterung, dass alle wohlauf waren.

Nach der Geburt ihres Sohnes, Dylan, trat Samantha kürzer und um The Bash wurde es ruhiger. So ruhig, dass das Nebenprojekt allmählich zur Hauptsache wurde. Auch für Baschi selber: «Adrian schrieb überaus interessante Songs, die – vielleicht gerade weil er ursprünglich Schlagzeuger war – nicht einer harmonischen Logik entsprachen. Ich fand oft: Hey, diese Tonfolge geht nicht, aber … Moment mal … die klingt ja super!» Im Januar 1994 veröffentlichten die Lovebugs ihre erste Platte: «Fluff» beinhaltete zwölf Alternative-Rock-Songs, die an Vorbilder wie die Lemonheads oder The Clash erinnerten. Tausend CDs  brachten sie mit Hilfe eines kleinen Vertriebs unter die Leute. Zuvor hatten die grossen Schweizer Plattenfirmen dankend abgelehnt. Sie sahen keinen Bedarf an englischsprachiger Musik aus der Schweiz. Bruno Huber etwa, Chef von BMG Schweiz, erklärte den Lovebugs damals: «Mir händ schon en Superstar im Repertoire: de Pingu!» Die Printmedien aber schlossen das Trio rasch ins Herz – «Wunderbar lethargischer Gitarrenpop», schrieb der «Tages-Anzeiger», und auch DRS3 fand Gefallen. Eine Wechselwirkung wurde in Gang gesetzt, kontinuierlich stiegen Plattenverkäufe und Anzahl Konzerte, unermüdlich bedienten sich Journalisten der Floskel, die Lovebugs stünden kurz vor dem grossen Durchbruch. «Loveburgs: Drei Musiker auf Erfolgskurs», schwärmte die «Fricktaler Zeitung» am 15. Juli 1994 auf der Frontseite. Es sollte nicht mehr lange dauern, bis der Bandname den Medien so vertraut war, dass sie ihn auch richtig schrieben.


Adrian Sieber

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Adrian Sieber, mögen Sie Ihre Stimme? Es ist die einzige, die ich habe. Gute Antwort. Aber war es Ihr Traum, Sänger zu werden? Nein, mein Traum war es immer, Songs zu schreiben. Ich fühlte mich lange Zeit unsicher als Leadsänger. Was man Ihnen auf der Bühne in den Anfangsjahren anmerkte: Unsicherheit, gepaart mit Schüchternheit. Warum haben Sie sich das überhaupt angetan? Weil ich zur Einsicht kam, dass man seine Texte selbst am besten umsetzen kann. Musiker, die ihre eigenen Songs nicht singen, sind feige. Nehmen wir Bob Dylan: Er ist technisch nicht brillant. Aber er singt seine Lieder selbst und verleiht ihnen so Charakter. Ich musste mich jahrelang überwinden, auf einer Bühne zu singen. Konzerte waren für mich ein Kampf, ich war wahnsinnig nervös. Aber im Nachhinein hatte ich immer ein gutes Gefühl.

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Stolz? Zufriedenheit. Dass ich Songs sang, hatte viel mit mir zu tun. Hinstehen, für mich einstehen, meine Ideen präsentieren. Wie ich sang, spielte dabei keine Rolle. Was ich aber lernen musste, als die Konzerte länger und die Pausen dazwischen kürzer wurden: ein gewisses Mass an Technik, damit ich nicht ständig heiser wurde. Ich lernte genau so viel über Gesangstechnik, dass ich über die Runden kam, ohne meine Stimme zu verlieren. Und jetzt sind Sie Sänger. Und Songwriter. Ich weiss, worauf Sie hinauswollen: Ich übe einen Beruf aus, den ich nie gelernt habe. Schon irgendwie komisch. Aber auch schön. Ich möchte es jedenfalls nicht missen. Was schmeichelt dem Ego mehr: 2500 begeisterte Leute vor der Bühne oder vier Musiker im Proberaum, die über ein neues Lied jubeln? Letzteres geschieht selten (lacht). Aber es gibt im Proberaum diese Momente, wenn ein Song gespielt wird und ich merke: Der wird gross, viel grösser, als ich gedacht hätte. Das ist wunderbar. Sie sind der Unersetzlichste in dieser Band. Eine grosse Bürde? Bei Genesis stieg Peter Gabriel ja auch irgendwann aus – und die Band feierte danach noch grössere Erfolge.

Das stimmt. Aber die Songs kommen von Ihnen. Sie sind der Frontmann, tragen die Verantwortung für die Existenz aller Bandmitglieder. Eine Belastung? Ja, das kann vorkommen. Wann? Wenn ich den Druck verspüre, dass ich einen Knaller bringen muss, aber weiss, dass das nicht auf Abruf geht. Umso härter trifft es mich, wenn ich an ein neues Lied glaube und im Proberaum merke, dass es zweien nicht gefällt. Dann liegt der Ball wieder bei mir. Zudem vertreten Sie die Band als Frontmann in der Öffentlichkeit. Eine schwierige Rolle? Manchmal, ja. Es ist nicht immer leicht, mir selber treu zu sein und gleichzeitig die Meinung der Band zu verkörpern. Kommt es vor, dass Sie sich wie ein Bundesrat fühlen, der eine Konsenslösung gegen aussen vertreten muss? Ja. Aber ich stecke nie in der Situation, dass ich den Kopf für etwas hinhalten muss, was mir komplett gegen den Strich geht. Warum nicht? Ich nehme mir das Recht heraus, gut zu finden, was wir mit den Lovebugs machen. Ein Satz, der von einem PR-Berater stammen könnte. Nun mal ehrlich. Ehrlich. Die grossen Diskussionen führen wir, bevor wir einen Entscheid fällen. Und ich mache nichts, wohinter ich nicht auch stehen kann. Wie gut können Sie das Hitpotenzial eines Liedes einschätzen? Was ist ein Hit? Bei uns sind nur Alben ganz vorne in den Charts gelandet. Als Single schaffte es einzig «Avalon» in die Top 10, ein Duett mit der norwegischen Sängerin Lene Marlin.


Aber die Lovebugs haben einige Airplay-Hits zu verzeichnen. Songs, die von den Radios rauf- und runtergespielt wurden, von «Bitter Moon» bis «The Key». Das stimmt, ja. Das ist manchmal dem Zufall zu verdanken. Als wir im Jahr 2000 mit den Aufnahmen zu «Awaydays» begannen, hatte ich «Music Makes My World Go Round» noch gar nicht geschrieben. Das Lied schaffte es erst am Schluss aufs Album. Die Plattenfirma hörte es und zeigte sofort mit dem Finger darauf: «Das gibt eine Single!» Das hatten wir so gar nicht vorhergesehen – so wie Züri West, die «I schänke dir mis Härz» ursprünglich auch nicht auf der Platte haben wollten, soweit ich weiss. Und dann: siehe da.

Sie haben Songs aber auch schon anderweitig verwendet: für den Soundtrack zum Film «Stationspiraten», für Ihr Soloalbum oder für die junge Baselbieter Sängerin Gioia, die durch die Sendung «MusicStar» bekannt wurde. Ja. Für Gioia schrieb ich Lieder, weil ich das Album auch gleich produzieren und so grossen Einfluss nehmen konnte. Und das mit dem Soloalbum, das hat sich so ergeben, weil wir mit den Lovebugs nach «In Every Waking Moment» nicht gleich wieder zusammen ins Studio steigen mochten. Ich hatte einige Songs übrig und konnte mir mit «Adrian Solo» einen alten Traum erfüllen, indem ich alle Instrumente darauf selber einspielte.

Kamen Sie nie an den Punkt, wo Sie sich sagten: Gibt es ein Erfolgsrezept? Ach, leckt mich doch alle? Ich glaube nicht. Ein Song kann nur ein Hit werden, wenn er zum Inter- Doch. Immer wieder. Wird eine Idee abgeschossen, kackt mich das an. preten passt. Darum ist es auch wichtig, dass die Lovebugs jene Songs Aber die Enttäuschung legt sich jeweils wieder. Wenn man sich als Musiklehrer eine berufliche Veränderung wünscht, spielen, die zur Band passen. «Good Life» auf «The Highest Heights» hätte Hitpotenzial, aber kann man den Job kündigen, die Schule oder A d r i a n S i e b e r → Sä n g e r womöglich eben nicht, wenn er von den Lovedie Schüler wechseln. Bei den Lovebugs geht das nicht. Darauf bin ich auch stolz. bugs gespielt wird. Umgekehrt hätte ich nie ge- Geboren am: 6. Juli 1972 Ausbildung: Hochbauzeichner (abgeschlossen), dacht, dass «Listen to the Silence» so wachsen Jazzschule (abgebrochen) Haben Sie eine dickere Haut als früher? würde durch diese Band. Aufgewachsen in: Möhlin (AG) Erste Band: 1987, als Schlagzeuger der Exgüsi-Band Ein bisschen, ja. Aber Kritik lässt mich nie kalt. (Schulformation). «Wir nannten uns so, Bei Ihrem Output: Haben Sie noch nie Vielleicht kann ich meine Enttäuschung heute weil wir uns beim Publikum von vornherein für die daran gedacht, sich finanziell besser verbergen (lacht). Fehler entschuldigen wollten.» 1991–1994: The Bash, Schlagzeug und Backing Vocals abzusichern, indem Sie Songideen an Seit 1993: Lovebugs, Gitarre und Gesang Wann waren Sie zuletzt richtig enttäuscht? einen Verlag verschachern? Ja, doch. Habe ich auch schon versucht. Nur war Als wir im Sommer 2011 bei unserer Plattendas Resultat nie so befriedigend, wie wenn ich firma waren, zwölf neue Lieder vorspielten und die Ideen selber umgesetzt hätte. Weshalb ich das wieder aufgegeben das Feedback lautete: «Wo bleibt die Hit Single»? Das zu hören nach eihabe. Vor dem Eurovision Song Contest 2011 suchte man neue Lieder nem halben Jahr Arbeit, ist hart. Oder wenn die Band ein Lied abschiesst, für Lena Meyer-Landrut. Auch ich wurde kontaktiert und eingeladen, von dessen Qualitäten ich eigentlich überzeugt bin. Dann kommt es vor, Material einzuschicken. Ich habs nicht getan. dass ich nach Hause komme, alte Aufnahmen anhöre und mir denke: Scheisse, nie wieder wird mir ein so gutes Stück in den Sinn kommen. Warum nicht? Weil ich möchte, dass meine Band die besten Songs spielt. Im Moment Wie holen Sie sich aus diesen Zweifeln raus? ist das für mich das Einzige, was zählt. Es würde mich wahnsinnig ner- Indem ich weiterschreibe. ven, einen Song anderswo zu verbraten und zu merken, dass genau dieser auf dem nächsten Lovebugs-Album fehlt. Bono hat mal gesagt, U2 Die anderen setzen sich selten mit Songideen durch. sei das Erfolgsmodell, also die Band, denn nur zusammen hätten sie all Sind Sie zu dominant? Ich weiss es nicht. Es kommen selten Songs von den anderen rein. Vieldas erreichen können. So ist es auch bei den Lovebugs. leicht, weil sie wissen, dass ich ständig Lieder schreibe. Vielleicht schüchtert es ein bisschen ein, dass ich ihre Ideen gleich streng beurteile wie meine eigenen.

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Gehen Sie mit fremden Ideen nicht härter ins Gericht, weil Sie zu diesen mehr Distanz haben? Nein, ich denke, ein guter Song ist ein guter Song. Fertig, Schluss! «Everybody Knows I Love You» stammt aus Stefans Feder, und an diesem Lied gab es nie was auszusetzen. Das hat nichts mit Geschmack zu tun. Es ist aber sicher schwieriger für die anderen, sich durchzusetzen. Wenn ich fünfzig Ideen bringe und jemand anderes nur eine, braucht es ordentlich viel Initiative und eben einen brillanten, einen runden Song, um mich überzeugen zu können. Wann ist ein Song für Sie rund? Wenn er keine Ecken und Kanten hat? Nein, Ecken und Kanten haben nichts mit dem Song zu tun, sondern vielmehr mit der Performance und dem Arrangement. Das Lied muss in sich stimmig sein, vom Text bis zur Musik eine Einheit bilden. Ihre grösste Befriedigung ist es, Songs zu schreiben. Kommt das noch vor dem Wunsch, in einer Band zu spielen? Ja, das ist richtig.

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Verletzt das die anderen nicht? Ich sage ihnen das ja nicht so. Aber sie werden es erfahren. Wenn auch erst in diesem Buch. Dann sollen sie aber auch wissen, dass ich ohne sie meine Karriere als Profimusiker vermutlich längst an den Nagel gehängt hätte. Sie sind meine ältesten Freunde. Man unterstützt sich gegenseitig, ganz besonders dann, wenn mal nicht alles rund läuft. Ausserdem möchte ich das Gefühl nicht missen, gemeinsam mit ihnen auf einer Bühne zu stehen. Auch nach achtzehn Jahren nicht.

Zu wissen, dass das Songwriting Ihre grösste Leidenschaft ist, könnte bei den anderen vier Mitgliedern Ängste auslösen. Sie könnten ja auch mit vier anderen Musik machen. Aber dann würden die Lieder nicht so klingen. Ich finde, die Lovebugs haben ihren eigenen Sound, und manche meiner Songs entfalten genau in dieser Konstellation ihre maximale Wirkung. Was auffällt, wenn man die Lovebugs über längere Zeit begleitet: Abseits der Bühne seid ihr ein enorm lustiger Haufen. Da wird viel gefrotzelt, da existiert ein wunderbares Humorverständnis. Wieso merkt man das der Musik weniger an? Eine sehr gute Frage. Wir haben bei jedem Album ein, zwei witzige Songideen im Köcher. Nur sind das immer jene Lieder, die zuallererst rausfliegen, was ich jammerschade finde. Wir finden immer einen Konsens bei den monolithischen, grossen Songs, im Stil von «Back to Life». Natürlich mag ich diese auch sehr, aber ich finde, das ist gar nicht unsere grösste Stärke. Chris von Rohr hat immer gesagt, diese Songs seien so graublau. «Coffee and Cigarettes» hingegen hat etwas Scherzhaftes, einen gewissen Witz, den ich mir öfter wünschte. Ich hoffe, dass das auf dem neuen Album Platz hat. Warum fallen witzige Ideen schneller raus? Wegen des Erfolgsdrucks? Nein. Humor ist gerade in der Musik etwas sehr Subjektives. Es erfordert manchmal den Mut, sich eine Blösse zu geben, etwas auf eine Platte zu tun, wofür man sich ein bisschen schämen muss, gleichzeitig aber riesigen Spass daran hat. Einen cheesy Synthesizersound etwa. Oder sonst einen Effekt oder Lauf. Diese Lockerheit haben wir auf der Bühne immer mal wieder. 2010 trugen wir unseren Humor auch auf die grossen Bühnen, indem wir nach den bekannten Songs ein Spassrepertoire einbauten. Einer spielte Cowbell, ein anderer bediente einen Kassettenplayer. Wir lebten unseren Spielwitz komplett aus – und das kam auch sehr gut an. Wenn es aber ernst gilt, im Studio, dann setzen sich solche Ideen selten durch. Ich hoffe sehr, dass wir diese Hemmungen noch stärker abbauen können. Wenn ich da nur schon an die Lieder einer meiner Lieblingsbands denke, The Cure. Die hatten doch so viel Witz in ihrer Musik und bewiesen, dass etwas nicht unbedingt ernsthaft und gross sein muss, um auch erfolgreich zu sein. Es wäre wunderbar, wenn dieser Teil unseres Bandfeelings stärker in die Platten einfliessen würde. Und auf Ihrem Grabstein, was soll da dereinst geschrieben stehen? Adrian Sieber. Strophe, Bridge, Refrain.


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Coffee and Cigarettes S o n g « C o f f e e A n d c i g a r e t t e s »  →  A l b u m « a w a y d a y s »

Die Band i m Pr o b er au m

Freitag, 8. Oktober 2010. Wer denkt, Rockmusiker würden erst aufstehen, wenn sich die Sonne schlafen legt, wird überrascht. Es ist zehn Uhr morgens. Fünf Fahrräder stehen vor einem grauen Geschäftshaus im Basler Industriequartier Dreispitz. Aus einem Schachtdeckel dringt gedämpfte Musik. Es geht durch ein hässliches Treppenhaus runter ins zweite Untergeschoss und vorbei an Instrumentenkisten. Der Gang führt zu einem Aufenthaltsraum im charmanten Retrolook: Teppichboden, Tourplakate, Secondhand-Sofas. Und mitten in dieser Brockenstubenatmosphäre ein riesiges Poster: Es zeigt einen prächtigen Palmenstrand. Schön wärs. An Ferien ist an diesem nieseligen Oktobertag nicht zu denken.

Im Hintergrund flackert ein Computermonitor. Man glaubt, seismische Ausschläge zu erkennen. Es ist die grafische Darstellung eines neuen Liedes, das aus den Studioboxen erklingt. Am Vortag hatte die Band die Harmonien geprobt, an einem Mittelteil gefeilt. Um achtzehn Uhr hielt Thomas Rechberger das Arrangement auf der Harddisk fest – und jetzt hören sich alle das Resultat dieser Feilarbeit nochmals mit frisch geputzten Ohren an. Doch, es gefällt, sind sie sich einig. Und machen auf einem Packpapier ein affirmatives Häkchen. «Faint Afterglow»: ein Kandidat fürs neue Album. Zufrieden füllt die Band die leergeschlürften Espresso-Becher auf.

Die fünf Bandmitglieder liegen in den Sesseln, vor sich Smartphones, Kaffee- und Aschenbecher. Die beiden kinderlosen erkennt man an den Augenringen: Thomas Rechberger war am Vorabend an einem Konzert in Zürich, Simon Ramseier hat nachts einen Film zusammengeschnitten, für die Homepage.

Drei- bis viermal wöchentlich treffen sich die Lovebugs für einige Stunden im dürftig belüfteten und künstlich belichteten Untergrund. Dennoch: «In den Proberaum zu gehen, hat mir noch nie gestunken», sagt Adrian. Alle nicken. Auf diesen siebzig Quadratmetern Schutzraum können sie das machen, worauf sie am meisten Lust haben: Musik.

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Der Arbeitsrhythmus wird von den anstehenden Projekten bestimmt. Die Lovebugs hatten dafür Richard Rainey aus London verpflichtet, eiHöchste Priorität haben im Herbst 2010 neue Lieder. Plattenfirma und nen gefragten Produzenten, der zuletzt mit U2 im Studio gewesen war. Fans warten auf ein neues Album, das elfte in der Bandgeschichte. Ziel In vier Wochen musste das Album im Kasten sein. Es fehlte die Zeit, ist es, dieses im Sommer 2011 aufzunehmen. Die Liedauswahl soll gross für das neue Songmaterial den passenden Bandsound zu finden. Die sein, gegen fünfundzwanzig Stück hat Adrian Sieber schon in den Kel- grössere Präsenz der Synthesizer, eine Fortsetzung von Adrians Soloproler hinuntergetragen, einen Textfetzen in der Hand, Akkorde im Kopf. jekt im gleichen Jahr, versprach Abwechslung, eine neue HerausfordeNachdem alle das In-Ear-Monitoring, ihre Knöpfe im Ohr, aktiviert ha- rung – hatte aber auch ihre Tücken. Welche Rolle spielten die Gitarren? ben, diktiert er die Harmoniefolgen ins Mikrofon. Florian und Stefan Thomas, der sonst jeweils laut seine Skepsis äusserte, zog sich zurück. machen sich Notizen. Thomas schraubt am Effektboard herum. Der «Ich versuchte mich an den neuen Sound anzupassen, denn ich wollte Gitarrist schreibt sich die Akkorde schon lange nicht mehr auf, sondern die Aufbruchstimmung nicht bremsen. Zudem war die Zeit knapp», verlässt sich auf Gehör und Gefühle, die ihn zu den passenden Griffen sagt er. Letztendlich aber, bilanziert das Quintett, fehlte es an Reibung führen werden. Simon füttert sein Metronom mit einer Zahl. Danach und Auseinandersetzung. «Auf Mehrheitsentscheidungen wollen wir legen sie los, Adrian haucht eine Strophe ins Mikrofon, man schaut sich diesmal verzichten. Es muss für jeden Einzelnen stimmen, ohne Koman, spielt mit, lässt sich davontragen. Immer und immer wieder, bis das promisse», sagt Thomas. Gerüst steht, worauf sich eine kleine Hymne aufbauen lässt. Und Adrian ruft in Erinnerung, dass «gerade jene Platten erfolgreich Nach neunzig Minuten werden die Instrumente zur Seite gelegt. Rauf, waren, die entspannt und konstruktiv entstanden sind.» Dem pflichten raus, frische Luft schnappen. An der benachbarten Tankstelle deckt sich alle bei. Man ist sich einig: Jeder muss sich diesmal voll und ganz mit die Band mit Dreieck-Sandwiches ein, ehe sie sich um den runden Tisch Songs, Sounds und seiner musikalischen Rolle identifizieren können. gruppiert. Das neue Album, schwört sich das Quintett auf der Couch, soll anders entstehen als das letzte. Damals, 2008, bei «The Highest Dafür wollen sich die Lovebugs Zeit lassen. So lange, bis genügend Songs Heights», musste alles sehr schnell gehen. Man hatte vom Schweizer vorhanden sind, die alle glücklich machen. Und auch das halten sie an Fernsehen den Zuschlag für den Eurovision Song Contest erhalten und diesem Oktobertag fest: Sie wollen auf ihr Know-how vertrauen. Am sich verpflichtet, im Januar den Song vorzustellen. Gefolgt, so die logi- liebsten würden sie das neue Album gleich in den eigenen vier Wänden aufnehmen. sche Konsequenz, von einem Album. Angehörs dieser Harmonie – und angesichts des Palmenstrands – wäre es verwunderlich, wenn nicht auch im Nieselherbst ein Sommerhit entstehen würde.


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Pop ’til You Drop S o n g « P o p ’ t i l y o u D r o p » → A l b u m « T r a n sa t l a n t i c F l i g h t »

W en n Da s Au s l a n d lo c k t

Im Januar 1997 flatterten Angebote von drei internationalen Plattenfirmen auf den Tisch des Lovebugs-Managements Gadget in Zürich. Die Band unterzeichnete bei BMG Deutschland und erregte damit grosses Aufsehen. Wer im drittgrössten Musikmarkt der Welt bei einer «Major Company» unterkommt, so die gängige Meinung, der hat es geschafft. Eine Betrachtung, die mit der inneren Wahrnehmung nicht übereinstimmte, wie Adrian aufklärt: «Für mich war der BMG-Deal nie die grosse Hoffnung, sondern zu diesem Zeitpunkt einfach das Beste, was uns passieren konnte.» Anfangs sah auch wirklich alles prächtig aus: BMG veröffentlichte Singles und ein Album und verhalf den Baslern zu Auftritten in grösseren Sälen. Die Band kurvte in Bussen durch Deutschland und inhalierte, nebst anderem, den süssen Duft des Tourlebens. Sie spielte im Vorprogramm von Republica, Mark Owen (Ex-Take-That), Vivid oder Ocean Colour Scene. Letztere schickten die Lovebugs vorzeitig nach Hause, weil ihnen die jungen Schweizer allabendlich die Show stahlen. Der Musiksender Viva feierte die Basler daraufhin als «besten Support-Act ever», der deutsche «Rolling Stone» widmete ihnen gar eine ganzseitige Geschichte.

Die Lovebugs lebten ein Rock’n’Roll-Märchen: Auf einmal tanzten Tausende Konzertbesucher zu «Fantastic» und schwelgten zu «Queen of Inbetween». Mädchen stellten sich nach den Konzerten vor die Jungs und gaben unverblümt zu erkennen, worauf sie Lust hatten. Die AftershowPartys dauerten länger als die Konzerte. «Ich hatte das Gefühl, in einen Film hineingeworfen worden zu sein», erinnert sich Thomas Rechberger, der zu diesem Zeitpunkt als Leadgitarrist zur Band stiess. Ein Jahr des Aufstiegs und der Ausschweifungen verging wie im Flug. Doch so verheissungsvoll die Resonanzen auch waren: Das Ungleichgewicht zwischen dem deutschen Medienriesen und der jungen Schweizer Rockband aus dem zwölf Zugstunden entfernten Basel begann die Lovebugs zu erdrücken. BMG legte sie in die «Nette-Jungsmachen-nette-Musik»-Schublade. Hatte sie der hilflose Etikettierungszwang der Medien (mal waren sie Grunge, mal Neo-Punk oder Britpop) bisher lediglich verblüfft, so mussten sie nun mitansehen, wie ihnen die neue Plattenfirma keinen eigenen Stil attestierte, sich lieblos und herzlich wenig um die neue Errungenschaft kümmerte.

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«Wir waren naiv, dachten, die wüssten schon, was sie machen», sagt Adrian. «Eine meiner Eigenschaften ist es, den Leuten, denen ich begegne, Vertrauen zu schenken. Nach dieser Erfahrung bin ich vorsichtiger geworden.» Der Grund: Als es darum ging, eine neue Platte aufzunehmen, schrieb ihnen das Bertelsmann-Label einen Produzenten vor: Franz Plasa, der zu diesem Zeitpunkt ein Album mit der Teenie-Band Echt aufnahm. «Wir besuchten ihn in Brüssel, er mochte uns nicht, wir mochten ihn nicht, zudem war er für Monate ausgebucht. Es lag auf der Hand, dass diese Zusammenarbeit nicht funktionieren konnte», erzählt Thomas. Und Simon ergänzt: «Wir suchten weiter nach einem Produzenten, bis wir einen Anruf aus Hamburg erhielten: ‹Entweder macht ihr das Album mit ihm, oder ihr macht es gar nicht.›» Der Traum vom internationalen Plattendeal wurde zum Albtraum. «Es war der Horror, wir wurden einfach kaltgestellt», erinnert sich Thomas. Als die Lovebugs ihren Unmut äusserten, wurde der Ton noch rauer: «Wollt ihr Arsch der Könige sein oder König der Ärsche?», fragte sie ihr Künstlerbetreuer bei BMG. «Damit stand für uns fest: Das war’s mit dieser Firma!», erzählt Simon. Das Quartett löste die bestehenden Verträge auf.

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Zuletzt gingen die Lovebugs 2007 auf grosse Auslandstournee: Die deutsche Band Reamonn («Supergirl») lud sie ein, das Vorprogramm zu bestreiten. Es war in Köln, als die Basler zum feuchtfröhlichen Trinkduell herausgefordert wurden. Florian und Thomas liessen sich darauf ein. Um fünf Uhr morgens lag Reamonn-Gitarrist Uwe unter dem Tisch und gestand den Baslern lallend den Sieg zu. Keyboarder Sebi aber hatte noch nicht genug und ging im Hotelzimmer der Lovebugs-Saitenfraktion zum Äussersten: «Habt ihr schon mal einen Fernseher aus dem Fenster geworfen?», fragte er, öffnete es, liess es krachen und verschwand aus dem Zimmer. Einige Minuten später klopfte es an die Tür. Florian öffnete. «Entschuldigen Sie, ist Ihr Fernseher noch auf dem Zimmer?», fragte ein Mann im Anzug. Florian knallte die Tür sofort zu und schloss sie von innen ab. Bloss keine Diskussionen mit dem Hoteldirektor, um diese Zeit und vor allem: in diesem Zustand! «Ein grösseres Rock’n’Roll-Klischee habe ich nie erlebt», sagt der Bassist und fügt lachend an: «So wild diese Nacht auch war – irgendwie bezeichnend, dass jemand anderes für uns den Fernseher rauswerfen musste.»

Die Lovebugs schlugen auch selber ein – in den Konzertsälen. Die Reamonn-Fans waren begeistert. 2000 Exemplare von «In Every Waking Durch diesen Bruch waren die Auslandpläne der Lovebugs aber nicht Moment» hatten die Basler mitgenommen, nach einer Woche waren begraben. In Warner Music Schweiz fanden sie einen gleichwertigen Part- alle CDs  verkauft. Glücklich entsandten sie einen Kurier, der Nachschub ner, «der uns den Freiraum garantierte, den wir brauchten, um unsere besorgen sollte. Dass sie auch Pech hatten, erfuhren sie erst später: CDMusik machen zu können und um damit glücklich zu sein». Sprich: Die Verkäufe an Konzerten zählen nicht für die Erhebungen der HitparaBand erhielt finanzielle Rückendeckung und behielt ihre künstlerische de. So schrammten die Lovebugs in Deutschland haarscharf am EinFreiheit. Alben wie «Transatlantic Flight» (2000) und «Awaydays» (2001) stieg in die Charts vorbei. Auch bei den Airplay-Charts hatten sie Pech: erreichten Spitzenplätze in der Schweizer Hitparade – und wurden in «Avalon», ein Duett mit der norwegischen Sängerin Lene Marlin, schaffte über zwanzig weiteren Ländern lizenziert und veröffentlicht. So erhiel- es auf Platz 41. «Wäre der Song in die Top 40 gekommen, hätten ihn alle ten die Lovebugs zum Beispiel Bilder aus Japan zugesandt: Turmhoch deutschen Radiosender rauf- und runtergespielt», sagt Thomas. Einmal stapelten sich ihre CDs offenbar in einigen japanischen Plattenläden. In mehr so nah dran am «Sweet Unknown». Singapur, das zeigte die Abrechnung der Plattenfirma, ging hingegen nur ein einziges Album über die Ladentheke – und dies dank einem Bandmitglied: Keyboarder Stefan hatte die CD bei einem Zwischenstopp in Singapur gesehen und gekauft. In Finnland schliesslich gelangte der Song «Under My Skin» in die Airplay-Charts, worauf die Band nach Helsinki flog und drei Tage lang Interviews gab. Die exotischste Reise aber führte die Lovebugs 2005 nach Taiwan. Zwei Wochen lang absolvierten sie auf der asiatischen Insel von morgens bis abends einen Interview-Marathon, ehe sie jeweils mit dem Auto direkt in ihre Zimmer mit Whirlpool hineinchauffiert wurden – die Plattenfirma in Taipei hatte sie in einem edleren Stundenhotel untergebracht!


Simon R amseier

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Simon, Sie haben mit den Lovebugs schon rund tausend Konzerte gegeben. Welche sind Ihnen am stärksten in Erinnerung geblieben? Einzelne herauszupicken, ist fast unmöglich. Ganz generell habe ich die grossen Tourneen in bester Erinnerung. Es ist einfach grossartig, herumzureisen und jeden Abend in einer neuen Stadt zu spielen. Ende der 90er-Jahre, als wir bei BMG Hamburg unter Vertrag waren, waren wir unter anderem Support für die Gruppe Vivid. Fünf Wochen lang fuhren wir mit einem VW-Bus quer durch Deutschland. Wir gaben fast dreissig Konzerte am Stück. Das war sehr geil, aber auch heftig. Warum ist eine Tournee eigentlich so anstrengend? Weil man sehr viel Zeit mit Warten verbringt. Das klingt absurd, ist aber so. Es ist zwar immer irgendwie Schullagerstimmung, aber der Fokus, die ganze Energie konzentriert sich auf die dreissig oder neunzig Minuten, die man abends auf der Bühne steht. Man ist den ganzen Tag angespannt, wartet auf diesen einen Moment. Der Konzertclub wirkt dabei wie ein Magnet oder ein Schwarzes Loch, von dem man nicht mehr wegkommt. So lümmelt man rum, im Bus, in der Garderobe. Obschon man im Grunde wenig zu tun hat, ist es viel kräfteraubender als ein Tag am Meer. 54

Und wie sieht es mit den berüchtigten Aftershow-Partys aus? Hm. In den ersten Tagen auf Tour herrscht jeweils Tohuwabohu. Man feiert nach den Konzerten. Doch schon am vierten Tag merkt man, dass der Körper das gar nicht länger mitmachen mag. Also nimmt man sich nachts zurück und beginnt tagsüber zu joggen oder ein Kulturprogramm einzubauen. Auch, weil man die Club-Interieurs bald einmal gesehen hat und raus möchte an die frische Luft, statt ständig zwischen Bus, Hotel und Club zu pendeln. Am komfortabelsten waren die Tourneen, bei denen wir in einem Nightliner-Bus herumreisten.

Weshalb? Nach dem Konzert steigt man in den Bus, wirft sich in sein Kajütenbett und schläft, während der Chauffeur durch die Nacht braust. Am nächsten Morgen blinzelt man durch die Vorhänge, während man in Berlin oder Wuppertal einfährt, sieht wie die Leute um sieben Uhr morgens durch den Schneematsch waten, auf dem Weg ins Büro. Und während man das so betrachtet, denkt man, nochmals schlafen wäre schön, zieht die Vorhänge zu, dreht sich um und pennt weiter. Ich liebe das. Es gibt keinen grösseren Luxus. Man hat tagsüber mehr Zeit für Ausflüge, ist erholter. Ja, nach dem Reisen mit einem Nightliner könnte ich süchtig werden. Man ist mit seinen besten Freunden und seinem temporären Daheim unterwegs, hat alles dabei, was das Herz eines Musikers auf Tournee erfreut: Playstation, Musik, kleine Küche, TV, DVD, ja sogar eine Lounge, in der wir stundenlang pokern können, um uns die Zeit zu vertreiben. Aber es fehlt auch die Privatsphäre, wenn man auf Tour jemand Nettes kennenlernt und sich näherkommen möchte. Aha, die legendären Groupie-Mythen (lacht). Na ja, wenn es unbedingt nötig ist, kann man ja auch am nächsten Tag nachreisen. Sei es, weil die Aftershow-Party sensationell ist oder weil man eine neue Bekanntschaft so unheimlich atemberaubend findet. Gab es denn viele Groupies in der Lovebugs-Geschichte? Hm, ähm, öhh. Darüber schweigt der Geniesser. Viele waren es nicht. Wir sind alle seit Jahren fest liiert. Aber früher kam es durchaus vor, dass sich nach Konzerten Geschichten anbahnten. Als wir die ersten grossen Auslandstourneen machten, waren wir ja kaum zwanzig, genossen das neue Lebensgefühl, die Freiheit. Und Sie waren auch begehrt, was Sie sicher oft zu spüren bekamen. Sie sind der «good looking drummer» … … also, ich weiss ja nicht. Na, das wissen Sie doch auch. Nein, ich meine, ich sehe mich nicht als etwas Besonderes. Aber Ihnen muss doch auch auffallen, wie Sie umschwärmt werden? Nein, das ist mir nicht so bewusst.


Sie kokettieren. Nein, wirklich nicht. Ich nehme Avancen gar nicht immer als solche wahr, bin da meist zu naiv oder zu verträumt. Ein Romantiker? Welches war denn die bemerkenswerteste Erfahrung mit einer Frau, die Sie auf Tour erlebt haben? Eines Nachts, nach einem Konzert in Pontresina, erwachte ich in meinem Hotelzimmer und war völlig entgeistert: Im Halbdunkel sah ich die Silhouette einer Frau, die auf meinem Bett sass. Was wollte sie hier? Sie sagte, es wäre bei mir so schön gemütlich und sie würde sich einfach gerne neben mich legen. Die Situation war absurd, aber auch lustig. Ich bat sie rauszugehen, da ich weiterschlafen wollte, was sie nach längerem Hin und Her dann auch tat. Das war schon ein sehr offensiver Flirt (lacht).

Jetzt können Sie lachen. Aber damals war das sicher ärgerlich? Natürlich hätten wir gerne in Berlin und Hamburg gespielt. Aber viel ärgerlicher war für uns, was ein Jahr später geschah. Wir sollten mit den Wannadies auf Tour gehen. Der Nightliner stand schon bereit, ebenso die Tour-Nanny, die auf Baschis 3-jährigen Sohn aufpassen sollte, als wir erfuhren, dass die Schweden die gesamte Deutschland-Tour abgesagt hatten. Wir standen mit abgesägten Hosen da. Zutiefst frustriert luden wir das gesamte Material wieder im Proberaum ab.

Was nicht alle Leute wissen: Eine Vorgruppe verzichtet auf solchen Tourneen auf eine Gage und muss sich in der Regel auch noch einkaufen. Das war bei uns nicht anders, ja. Aber die Kosten dafür übernahm die damalige Plattenfirma, sprich BMG. Es geht aber auch anders: 2007 gewährten uns Reamonn Gastrecht auf ihrer Deutschland-Tour. Allerdings mussten wir die SIMON RAMSEIER → Schlagzeuger eigene Technik mitbringen und für Nightliner, Geboren am: 13. November 1975 Technik-Crew und Verpflegungskosten aufAufgewachsen in: Pratteln (BL) kommen. Das kostete uns rund 40 000 Franken. Ausbildung: Diplommittelschule (abgeschlossen), Im Gegenzug spielten wir acht Mal vor dreiJazzschule (abgebrochen) Erste Band: 1987, als Schlagzeuger in der tausend bis achttausend Leuten.

Absurde Situationen haben Sie auch im Umgang mit anderen Bands erlebt. Als Sie mit der britischen Rockgruppe Ocean Colour Scene auf DeutschlandTour gingen, versuchten diese, die Lovebugs zu sabotieren. Warum? Wir kamen sehr gut an beim Publikum, und das konnten die nicht ertragen. Wir wurden regel- Fröschi-Band (Schulformation) 1988–1989: Foolproof recht gemobbt, auf superkindische Weise. Beim 1989: Rhythm Selection Hat sich das in Ihren Augen ausbezahlt? ersten Konzert machten sie uns klar, dass wir 1989–1990: Chainsaw Ja, absolut. Wir waren in Deutschland präsent, von unseren drei T-Shirt-Modellen nur eines 1990–1992: The Matter und der Funke sprang aufs Publikum über. Seit 1993: Lovebugs, Schlagzeug verkaufen dürften, da sie selber nur zwei zur Support-Gigs sind super, weil wir vor vielen Auswahl hätten. Auch mussten wir unser BanLeuten spielen können, die noch nie von uns gehört haben. Dadurch haben wir eine kleine, ner mit dem Schriftzug wieder runternehmen – und beim Vorbeigehen murmelte einer der Briten: «They’re all a bunch aber feine Fan-Basis in Deutschland aufgebaut. Leute reisen regelof wankers …» Sie verhielten sich unglaublich arrogant. Uns konnte es mässig von Stuttgart in die Schweiz. Auch ein Fan aus dem norddeutschen Kiel ist schon in der Schweiz gesichtet worden (lacht). Konzerte recht sein. sind sowieso das Wichtigste und für mich auch das Grösste. Es hängt Wieso? alles zusammen. Ohne Konzerte keine Medienberichte, ohne MedienWir spielten so gut, dass wir nach dem fünften Konzert rausgeschmissen berichte keine Konzerte. Und ohne all das keine Plattenverkäufe. wurden. Der deutsche TV-Sender Viva hätte am nächsten Tag in Berlin unser Konzert gefilmt. Stattdessen berichteten sie nun, wir wären zu gut Welches ist das wichtigste Medium für die Engländer. Das war am Ende die beste Werbung (lacht). Danke für eine Band wie die Lovebugs? Selbst im Internetzeitalter denke ich, dass es noch immer das Radio ist. Ocean Colour Scene! Wird man viel im Radio gespielt, kommen die Leute immer wieder in Berührung mit unserer Musik und mit etwas Glück bleiben unsere Melodien hängen. Das Fernsehen ist das zweitwichtigste Medium, glaube ich, weil es eine grosse Wirkung auf die Leute hat: Im TV sieht man seine Stars – und so gehört man irgendwie plötzlich auch dazu.

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Der Schweizer TV-Markt wird von einem Player dominiert: SF. Es bietet nicht viele Plattformen für Musik. Das stimmt. Wir konnten in vielen Sendungen auftreten, hatten wohl auch das nötige Glück. Aber wir müssen mit jedem Album, mit jeder Single, wieder bei null anfangen. Inwiefern? 2000 waren wir mit «Music Makes My World Go Round» und «Bitter Moon» gern gesehene Gäste im TV. Das darauffolgende Album «13 Songs With A View» klang wesentlich rockiger. Wir dachten uns nichts Besonderes dabei und fragten wieder beim Fernsehen an. Sie boten uns einen Auftritt in der Sendung «Eiger, Mönch und Kunz» an. Als die Verantwortlichen dann aber den Song hörten, «A Love Like Tides» … … einen gitarrenlastigen Song mit einem herzzerreissenden, eingängigen Refrain … … genau, da wurden wir schleunigst wieder ausgeladen, mit der Begründung: «Das ist zu rockig, zu wild. Das können wir unseren Zuschauern nicht zumuten.» Da spürten wir, wie eng die Toleranzgrenzen abgesteckt sind. 56

Sie sind bei den Lovebugs für die Videos verantwortlich. Ihre zweite grosse Leidenschaft neben dem Schlagzeug? Ja. Diese Verbindung hat mich schon immer fasziniert, weil Musik bei mir stets auch Stimmungsbilder auslöst. Als ich zum ersten Mal mit einer Kamera filmte und die Aufnahmen am Computer zusammenschnitt, merkte ich, wie viel Spass mir diese Arbeit bereitete. Das hat etwas sehr Rhythmisches, ist sehr nahe bei dem, was ich sonst als Schlagzeuger mache. Was führte dazu, dass Sie bei den Videoclips die Regie übernahmen? Ende der 90er-Jahre, als wir immer mehr Videos zu drehen begannen, erlebten wir lehrreiche, aber hin und wieder auch frustrierende Momente. Oft hiess es, unsere Vorstellungen wären nicht realisierbar, sei es aus Kostengründen oder aber, weil der Regisseur nicht imstande war, unsere Ideen umzusetzen. Ich wollte herausfinden, ob das wirklich stimmte und griff 2006 selber zur Kamera. An acht Konzerten stellte ich Kameras auf und schnitt einen Clip für den Song «Back To Life» zusammen.

Was Sie als Kassierer der Band auch vorziehen dürften. Selber Regie zu führen ist weitaus kostengünstiger. Das stimmt, ja. Die Videoclip-Budgets sind massiv zurückgegangen. Wenn wir heute zehntausend Franken für einen Clip budgetieren, dann müssen wir der Plattenfirma gute Argumente liefern, weshalb wir so viel investieren möchten. Mit dem Aufkommen der Digitaltechnik sind die Budgets stark geschrumpft. Welches war denn der teuerste Clip in der Bandgeschichte? Das war «Under My Skin». Die Kosten beliefen sich auf knapp sechzigtausend Franken. Unsere Plattenfirma flog uns nach Los Angeles, wo wir vier Tage lang am Venice Beach einquartiert wurden. Eine stattliche Summe. Ja, das ist eine horrende Summe. Heute machen wir eine gesamte AlbumProduktion für weniger Geld. Aber damals drehte man auch noch auf Film, was teuer war. Zudem zahlte man nicht nur für das Material, sondern auch für das Know-how und das Personal. An «Under My Skin» waren rund fünfzehn Leute beteiligt, darunter vier Topmodels. All das ging schnell ins Geld. Die grossen Plattenfirmen leisteten sich damals diesen Luxus: Mit der Lancierung des Musiksenders Viva Swizz waren professionelle Clips auch für Schweizer Bands interessant geworden. Warum sind Ihnen Clips heute noch immer so wichtig? Musikfernsehen hat doch an Bedeutung verloren. Ja, aber andere, neue Kanäle haben sich aufgetan: Facebook, YouTube oder auch unsere Homepage. Mit Clips können wir Emotionen versinnbildlichen und diese verbreiten. Und solange es der Band gefällt, mache ich das auch gerne. Jede Single zu visualisieren, war früher nicht möglich. Zu Liedern wie «Shine» oder «Back To Life» hätte es gar keine Clips gegeben, wenn wir sie nicht selbst gemacht hätten. Und diese Verantwortung übernehmen Sie gerne? Ja. Ich liebe die Arbeit in der Regie und beim Schnitt. Dass wir als Band autarker geworden sind, ist ein Gewinn für uns. Wir werden immer mehr zu Selfmademen, aus der Erfahrung heraus, dass wir selbst der Motor für alles sind.


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Breaking Through a Wall of Sound S o n g « Wa l l o f S o u n d » → A l b u m «T r a n s at l a n t i c F l i g h t»

M it pau k en u n d T r o m pe t en

Samstag, 6. November 2010. Im Stadtzentrum spielt die Herbstmesse, im St.-Jakob-Park der FC Basel – und dazwischen, im Untergrund des Basler Dreispitz-Areals, eine Rockband. Es ist ein verregneter Tag. Wie gemacht für den Empfang eines britischen Gasts: Robert Emery. Der 27-jährige Pianist und Dirigent aus London soll die Lovebugs auf eine Kooperation mit dem zweiten Vorzeige-Klangkörper der Nordwestschweiz vorbereiten: dem Sinfonieorchester Basel. Die Verschmelzung wurde bereits 2009 angedacht. Beide Seiten wünschten sich, Neuland zu betreten, wie Thomas Jung, Geschäftsführer der Basler Konzertgesellschaft, erzählt. Die Lovebugs überbrücken damit die Durststrecke bis zur nächsten Tour und unterbrechen ihre Arbeiten am neuen Album. Das Sinfonieorchester erhofft sich, ein Pop-Publikum für sich zu gewinnen.

Die zwei externen Jungprofis, die für die musikalische Umsetzung hinzugezogen werden, bringen bereits Erfahrungen im Crossover-Bereich mit: Der Berner Arrangeur und Komponist Moritz Schneider wirkte mit Adrian am Filmsoundtrack zu «Stationspiraten». Und Robert Emery arbeitete in seiner Heimat mit der Band Elbow und mit Blur-Sänger Daman Albarn bei vergleichbaren Projekten zusammen. «Er kennt diese Art von Fusionen», sagt Adrian, «deshalb haben wir ihn ins Boot geholt.» An Selbstvertrauen mangelt es Emery nicht: «I’m God!» diktiert er ins Mikrofon, ehe er in den Proberaum gleitet. Moritz Schneider startet ein Playback. Das Orchester wird in dieser Probe simuliert, nach einem sinfonischen Intro setzt die Band zum Metronom-Klick ein. «Avalon», der balladeske Hit aus dem Jahr 2006, wird mit Pauken und Trompeten dargeboten – und geht im Schlussrefrain in die epische Verlängerung. Wir stellen fest: Selbst Gott arbeitet am Ende eines Popsongs gerne mal mit dem klassischen Halbtonschritt.

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Dieser Flirt mit dem Kitsch gehört zu den Ausnahmen, haben Schneider und Emery ansonsten doch zahlreiche Arrangement-Kniffe vorgesehen, die das Musikerherz erfreuen: «Me Astronaut» wird um Beethovens «Mondscheinsonate» erweitert, «Wall Of Sound» mit einem TimpaniDuett eröffnet. Sei es bei einem Bach-Intermezzo oder einer rhythmisch vertrackten Variation: Die Lovebugs sind musikalisch gefordert. «Ihr habt eine mentale Blockade, die ihr überwinden müsst», verlangt Emery nach einer komplexen Passage und feuert die Rockmusiker an: «Ihr schafft das! Es wird shit hot klingen!»

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Und für die Lovebugs? «Allein die Vorstellung, dass vor uns jeweils 1300 Leute sitzen werden, die wir nicht enttäuschen möchten, und gleichzeitig achtzig Leute hinter uns zu wissen, die noch viel höhere Ansprüche haben, sorgt für Lampenfieber», erklärt Thomas. Am Freitag, den 4. Februar 2011, gilt es erstmals ernst: Leicht- und barfüssig hüpft Dirigent Emery aufs Podest und gibt den Auftakt für eine Ouvertüre aus Filmmusik-Zitaten wie «Goldfinger». Die Lovebugs schreiten dazu entsprechend bondastisch mitten durchs Publikum zur Bühne und leiten punktgenau in ihren Midtempo-Song «The Key» über. Eine magische Eröffnung.

Ebenso gewinnend, allerdings unter Verwendung eines anderen Vokabulars, redet Emery Stunden später auf den Orchesterrat ein. Er nimmt dem Gremium die Angst, dass das Konzert zu laut werden könnte. Und «Wir haben siebzehn Jahre lang geübt für diesen Moment – dem Orchester macht klar, dass er die klassischen Instrumente nicht einfach auf be- haben vier Proben gereicht!», sagt Adrian später offenherzig. Er kann kannte Songs pfropfen will, sondern vorhat, das Popformat zu spren- seine Aufregung nicht mehr verbergen. gen. Der Orchesterrat ist begeistert, ein Mitglied sichert sich bei dieser Gelegenheit gleich noch ein Lovebugs-Autogramm für den Nachwuchs. Die fünf Rockmusiker brauchen sich jedoch nicht zu verstecken. Die beiDie Berührungsängste sind abgebaut. den Klangkörper harmonieren, die Darbietung fesselt und überrascht, sodass die Fans gar ehrfürchtiger als sonst zuhören und bei manchen Danach nehmen Band und Dirigent erstmals den Ort in Augenschein: Refrains respektvoll aufs Mitsingen und -klatschen verzichten. Es wäre Der 125-jährige Musiksaal des Basler Stadtcasinos ist weltberühmt, al- auch wirklich zu schade gewesen, wären all die orchestralen Finessen lein schon für seine hervorragende Akustik. Voller Ehrfurcht schweifen übertönt worden. Die Popsongs der Lovebugs im Cinemascope-Format: die Blicke der Popmusiker durch den Saal und schliesslich den monst- ein Lehrstück in Sachen Crossover. rösen Orgelpfeifen entlang in die Höhe. «Könnt ihr euch vorstellen, dass Stefan darauf spielen wird?», fragt Adrian die Fangemeinde noch am Die heikle Mission, zwei musikalische Welten zusammenzuführen, geht selben Abend via Twitter und Facebook. Das heizt die Vorfreude auf und in diesen hundert Minuten vollends auf. Eine Win-win-win-Situation: kurbelt den Vorverkauf an. Letzteres ist auch nötig, denn das Vorhaben für die Band, das Orchester und die insgesamt viertausend Besucher, ist ambitioniert: Dreimal will man das Programm aufführen, ansonsten die sich auf dieses Experiment eingelassen haben – darunter mit vier würde sich der ganze Aufwand kaum auszahlen. Regierungsräten und FCB-Spieler Benjamin Huggel auch Lokalprominenz aus Politik und Fussball. Am Ende gibt es Standing Ovations. Auch für das Sinfonieorchester ist das Projekt «eine grosse Kiste», wie Minutenlang. Ein Triumph. Veranstalter Thomas Jung bestätigt. Das Spezialprojekt ist nicht einfach eine Pflichtübung – um etwa Subventionsgelder zu rechtfertigen –, sondern ein Experiment, das allen Beteiligten Spass bereiten soll. Kontrabassistin Ulrike Mann freut sich zum Beispiel über die Abwechslung: «Es ist wertvoll, die unterschiedlichen Arbeitsweisen mitzubekommen.» Dass die Tempi bei den Lovebugs für das gesamte Konzert jeweils durchprogrammiert sind und die langjährige Orchestermusikerin daher punktgenau auf den Schlag spielen muss, ist für sie eine neue Erfahrung. «Der Ehrgeiz ist bei diesem Konzert derselbe, wie wenn ich eine Schostakowitsch-Sinfonie spiele», sagt sie.


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Focus, Camera on Hold S o n g « E v e r y t h i n g K i l l s Me » → A l b u m « T h e H i g h est He i g h ts »

Da s Im ag e

1998 katapultierten die Lovebugs ihre Fans mit «Angel Heart» in «Transatlantic Flight» hiess das Pop-Album, das im Januar 2000 erschien höhere Sphären. Die wehmütige Ballade mit ihrem schwebenden Refrain und die vier Lovebugs in Anzüge gekleidet auf einem Flughafen-Roll– «Somewhere Over The Rainbow» – öffnete dem Quartett die Türen zu band zeigte. In den Medien wurde der Vorwurf laut, die Band werfe sich einer neuen Welt: den Video- und Singlecharts. Radio-Airplay erweiterte dem Mainstream zu Füssen. «Ich kann das bis heute noch nicht nachihren Bekanntheitsgrad, kleine Hymnen wie «Bitter Moon» setzten sich vollziehen», meint Thomas. Nie seien sie mit Kalkül vorgegangen, nie in den Ohren der Radiohörer fest. Die Band freute sich über die wach- hätten sie sich ein künstliches Image aufgezwängt. sende Anzahl Fans, gleichzeitig aber wurde sie mit einer Schattenseite konfrontiert: Die breite Öffentlichkeit nahm die Lovebugs nicht mehr Adrian räumt ein, dass sie schon Fehler gemacht hätten. «Wir fanden daals Alternative-Rock-Band wahr, sondern brachte sie zunehmend mit mals plötzlich, dass wir eine Stylistin bräuchten. Wahrscheinlich, weil wir den sanft-melancholischen, von Streicherarrangements unterlegten einfach unsicher wurden, als wir merkten, dass sich die Augen der breiBalladen in Verbindung. Innensicht und äussere Wahrnehmung drifte- ten Öffentlichkeit auf uns richteten. Also lautete unsere erste Reaktion: ten auseinander. «Die Leute beurteilten uns plötzlich danach, wie wir Okay, dann wollen wir uns doch im weissen Sonntagskleid präsentieren.» auf dem Plattencover aussahen. Unsere Kleider schienen wichtiger zu Dass die vier jungen Männer auf «Transatlantic Flight» weder einer Boywerden als unsere Musik», sagen sie rückblickend. group noch der Fiat-Lux-Sekte angehörten, sondern in ihren Secondhand-Anzügen (zwölf Dollar das Stück) vielmehr mit einem glatten Pop-Image kokettierten, wurde missverstanden. Die Lovebugs mussten lernen, was es heisst, im Rampenlicht erwachsen zu werden. Das fiel nicht leicht.

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Neue Experimente und Erfahrungen, die sie nach Lust und Laune machten, wurden von der Öffentlichkeit beurteilt. Hämisch zogen Neider über sie her, als sie in der «annabelle» auf mehreren Seiten Modekollektionen präsentierten und für Homestorys posierten – dass Baschi die ahnungslosen Fotografen dafür in die Wohnung des Band-Roadies Philipp Geisinger bestellte, blieb unbemerkt. «Ich versuchte, meine Privatsphäre zu wahren», erzählt Baschi. «Deshalb gab ich mich auch jahrelang als 29-Jähriger aus – bis Adrian sagte: ‹Hör mal, es darf nicht sein, dass du jünger wirst, als ich es bin!›» Obschon sich die Lovebugs nie in die Cervelat-Prominenz einreihten, entdeckte der Boulevard sie für sich, sprach vom «Kuschelsound der smarten Swisspopper». Hatte sich die Band 1997 noch darüber amüsiert, dass sie es in die Jugendzeitschrift «Bravo» geschafft hatte (zum ersten und einzigen Mal), so wurden die Etikettierungen allmählich anstrengend, die Vorurteile grösser. «Im Internet las ich mal den Kommentar, dass wir unsere Instrumente im Studio gar nicht selber spielen würden», erzählt Stefan, und Thomas bekennt, dass sie lernen mussten, «eindeutig zu sein mit unseren Aussagen, um Missverständnisse aus dem Weg zu räumen». 76

Was ihnen nicht immer gelang. 2008 meldete sich die Band nach längerer Pause zurück. Eigentlich mit neuen Klängen, aber: «Frauen können gar nicht sagen, ob die neue Lovebugs-Single ‹21st Century Men› gut oder schlecht ist. Denn der Schock darüber, wie der Basler Sänger Adrian Sieber zurzeit aussieht, ist zu gross, als dass man sich auf die Musik konzentrieren könnte», entsetzte sich die «SonntagsZeitung». Adrian hatte seine schulterlangen Haare gebleicht. Das weckte Erinnerungen an die Grunge-Ära. Dass ihm die «SonntagsZeitung» ausgerechnet wegen dieses «bad-taste»-Looks Eitelkeit vorwarf, war absurd, blieb aber nicht ohne Folgen: Einige Monate später trug der Sänger seine Haare wieder in natürlichem Braunton, um die Stilpolizei zum Verstummen zu bringen.

Erdige, natürliche Farben gaben bei den Lovebugs auch im September 2011 den Ton an: Noch ehe sie mit den Aufnahmen für ihr neues Album begonnen hatten, flogen sie zwecks Fotoshootings für einige Tage nach Kreta. Klingt nach Strandurlaub, war aber mit Arbeit verbunden: Bereits um sechs Uhr früh schlichen sich die fünf Musiker aus ihrem Hotel im Hippiedorf Matala dem Sonnenaufgang entgegen. Band-Fotografin Tabea Hüberli begleitete sie dabei auf Schritt und Tritt. Hatten die Lovebugs beim Artwork zu «The Highest Heights» auf eine dunkle, kühle Ästhetik gesetzt, so wünschten sie sich diesmal eine entspannte, warme Atmosphäre. Sommergesichter statt Nordlichter. Natürlichkeit und Natur statt Künstlichkeit und Kosmos. Von ihrer lockeren Seite hatten sie sich schon im Frühsommer gezeigt: Fürs Fotoshooting zu ihrer «Summer Spin»-Tour beschafften sich die Lovebugs einen Mini Cooper mit dem Nummernschild «BS 2011» und packten Instrumente auf das kleine Autodach. Darin schoben sie ihren Leadsänger für die neuen Pressebilder vor die Linse – und ihren feinen Humor in die Öffentlichkeit. Diesmal war ihre Ironie ganz unmissverständlich.


Thomas Rechberger

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Thomas Rechberger, 1997 hatten Sie gerade mal die Matur im Sack, als Sie zu den Lovebugs stiessen. Ging damit ein Lebenstraum in Erfüllung? Ja. Ich war plötzlich in jener Band, von der ich selber Fan war. Mir lief es kalt den Rücken runter, wenn ich auf der Bühne Lieder spielte, die ich mir zu Hause immer schon gerne angehört hatte. Es war emotional überwältigend.

Kommt es vor, dass Sie sich noch immer kneifen müssen, angesichts der Tatsache Ihres Rockmusiker-Daseins? Schon, ja. Ich bin ja kein Gitarrengott, kein Virtuose. Jetzt ist das seit fünfzehn Jahren mein Beruf. Da kommt es vor, dass ich denke: Hoffentlich merkt keiner, dass ich kaum eine Tonleiter richtig spielen kann! (lacht) Für mich war Musikmachen immer nur mit Intuition und Kreativität verbunden, mit Gefühlen und Ausdruck.

Fiel Ihnen der Abschied von Ihrer Band Supernova damals leicht? Nein, überhaupt nicht. Ich wusste, dass ich so meine besten Freunde sitzen liess. Florian und ich, wir hatten uns einmal geschworen, dass wir Supernova nie für eine andere Band verlassen würden. Weshalb ich wochenlang mit mir rang.

Keine falsche Bescheidenheit: Sie haben eine eigene Handschrift, die Gitarrensounds und -linien gehören zu den grossen Markenzeichen der Lovebugs. Das freut mich, wenn man das so sieht. Für mich ist Musikmachen in erster Linie ein Abtauchen, ein Versinken in eine eigene Welt.

Warum entschieden Sie sich für die Lovebugs? Weil die Band weiter war, die Leidenschaft grösser und die Songs besser. Ausserdem setzten alle klar auf die Musik – das wollte ich auch.

Ein Rausch, vergleichbar mit einer Droge? Definitiv, ja. Weil ich so abwesend wirkte, dachten früher viele Leute, ich sei immer total «stoned» auf der Bühne. Dem war aber nicht so … also, zumindest nach den wilden Anfangsjahren nicht mehr! Wenn ich spiele, gerate ich oft in einen Rauschzustand, eine Art Trance, und wache erst am Ende des Konzerts bei der Verbeugung wieder auf.

Und wie reagierten Ihre alten Freunde? Das Verhältnis kühlte sich ab, wir hatten kaum noch Kontakt. Umso schöner war es, als 2001 auch Florian zu den Lovebugs wechselte und so ein Stück Vergangenheit in mein Leben zurückkehrte.

Wie fühlt sich das an? Im besten Fall bin ich danach enorm gelöst, emotional durchgeputzt. Sie waren also gerade einmal zwanzig, Ich lasse mich im Konzert von der Stimmung der Songs wegtragen und erlebe Trauer, Wut, Freude, Hoffnung – das ganze Gefühlsspektrum. Da spielten auf grossen Bühnen, wurden von Tausenden kommt es auch mal vor, dass ich eine Träne vergiesse. Kitschig, ich weiss gefeiert und begehrt. Wie begehrt? Da gab es natürlich schon Mädchen, die sehr klar und eindeutig zu ver- ... es ist mir selber ein Rätsel – aber meistens sehr befreiend. stehen gaben: Ich will dich und zwar jetzt. Ich sagte da nicht nein, fand es sehr aufregend. Diese offensive Art kam mir sowieso sehr gelegen, ich Sie sind sich aber auch bewusst, dass das Publikum war als Teenager nämlich ziemlich schüchtern gewesen. ein gewisses «Posing» haben will? Klar. Das Publikum will ja unterhalten werden und nicht erleben, wie Alles traumhaft also? die Band im Proberaum aussieht. Bei einem guten Gig passiert das auNicht nur. Es war auch exzessiv. Ich zog von zu Hause aus, gewöhnte mich tomatisch. Wenn dieser Rauschzustand aber nicht klappt und ich nur an daran, jeden Tag um zwölf Uhr aufzustehen, um Musik zu machen und der Oberfläche bleibe, bin ich enttäuscht, kriege ich ein schlechtes Gedanach Partys zu feiern. Ohne dass ich es realisierte, wurde mein Leben wissen und habe das Gefühl, nicht das Beste von mir gegeben zu haben. ziemlich siffig und einspurig. Kommt das oft vor? Wie meinen Sie das? In den letzten Jahren leider hin und wieder. Ich glaubte, total intensiv zu leben, und kam mir privilegiert vor: Ich hatte keinen Bünzli-Lifestyle, sondern konnte einfach nur Musik machen. Und abends war immer jemand da zum Feiern. Dass sich diese Szenarien wiederholten, dass ich in Wahrheit gar nicht so viel erlebte, wurde mir erst nach zwei, drei Jahren bewusst. Mittlerweile kann ich ganz gut mal auf eine Party verzichten.


Weshalb? Bei mir schlich sich eine seltsame Bühnenangst ein. Von einem Tag auf den anderen? Ja, völlig unverhofft. Es war während eines Konzerts im Zürcher Kaufleuten. Ich hatte wohl zu wenig gegessen und komische Hitze- und Kälteschübe, die immer stärker wurden, und alles begann sich zu drehen. Mir wurde schwarz vor Augen, alles war plötzlich weit weg, und ich spürte eine grosse Angst in mir aufsteigen. Das Nächste, woran ich mich erinnern kann, ist, dass ich auf dem Trottoir vor dem Club lag, während Adrian auf der Bühne ein Lied alleine performte.

Was hat Ihnen geholfen abgesehen von den Gesprächen? Ich suchte immer wieder den grösstmöglichen Abstand zur Musik und zur Band. Am besten gelang mir das in irgendeinem Fischerdorf am Ende der Welt beim Wellenreiten. In Bali, Sri Lanka oder Costa Rica. Irgendwann kam trotzdem der Punkt, wo ich mich konkret mit dieser Bühnenphobie auseinandersetzen musste. Natürlich war meine Freundin eine grosse Hilfe – sie kennt mich manchmal besser als ich mich selbst. Ausserdem habe ich meine Erwartungen an Konzerte verändert und wieder mehr Ausgleich zur Musik gesucht. Welchen? Seit fünf Jahren gehe ich regelmässig klettern. Das ist mir mittlerweile ähnlich wichtig wie die Musik. Durch das Klettern bin ich viel in der Natur und habe mit dem Fels etwas Grundsolides, etwas Reales in der Hand. Da geht es nicht darum, feinste Emotionen einzufangen.

Nach diesem Abend verfolgte mich dieses Unwohlsein. Die Angst, dass es wieder geschehen könnte, war immer mit auf der Bühne. Was dazu führte, dass ich keinen Zugang mehr zur Musik, den Emotionen, diesen Rauschzuständen fand. Stattdessen zitterte ich zum Teil an Konzerten, war häufig innerlich abwesend. 2006, während der Tour zu «In THOMAS RECHBERGER → Gitarrist Every Waking Moment», wurde es besonders Geboren am: 2. Februar 1977 Aufgewachsen in: Binningen (BL), Basel (BS) schlimm. Ausbildung: Matura Typus E (Wirtschaft) Erste Band: 1992, Gitarrist bei Freak Show

1995–1997: Star 69 Was unternahmen Sie dagegen? Seit 1997: Lovebugs, Gitarre Ich holte mir psychologische Unterstützung. Ich habe lange nach der Ursache gesucht, über sieben medizinische Ecken gedacht, etwa an Vitamin- oder Eisenmangel, Allergien, jedenfalls etwas Körperliches. Bis ich merkte, dass ich schlicht in einer depressiven Phase steckte und unter Panikattacken litt. Ich war allgemein in schlechter Verfassung. Vor einem Konzert baute sich in mir schon die ganze Woche über eine Nervosität auf. Ein Stress, den ich permanent mit mir herumschleppte. Ich dachte damals oft daran, alles hinzuschmeissen.

Wie haben Sie aus diesem Teufelskreis herausgefunden? Ich habe irgendwann angefangen, mit anderen Leuten darüber zu reden. Verschiedene Musiker erzählten mir, sie würden Ähnliches kennen und wie sie damit umgingen. Freunde gestanden mir, dass sie solche Zustände auch im Alltag erlebten. Allein schon diese Gespräche waren hilfreich, auch spannend. Wussten Ihre Band-Kollegen Bescheid? In kleiner Dosis schon, aber ich wollte das ja lange selbst nicht wahrhaben. Darum habe ich auch selten darüber gesprochen.

Und vor den Konzerten, haben Sie da ein Ritual zur Beruhigung entwickelt? Ich habe zu meditieren begonnen. Ich versinke in mir selbst und gehe nochmals alles durch – wie ein Skirennfahrer vor einer Abfahrt. Dabei geht es mir darum, das Publikum auszublenden und mich in einen Zustand zu bringen, in dem ich einfach nur Musik mache.

Sie sind einer der beiden starken Pole in dieser Band. Dort Adrian Sieber, der Motor, der alle Möglichkeiten ausschöpfen möchte, hier Thomas Rechberger, der Grübler, der vieles hinterfragt. Ist das so? Ja, diese Definition trifft zu. Ich stehe gewissen Ideen oft skeptisch gegenüber, überlege mir schon früh, wie etwas auf andere Menschen wirkt. Adrian sieht vieles entspannter und sagt dann: «Egal was andere denken, solange wir uns treu bleiben, ist ein Auftritt bei einer People-Sendung wie ‹Glanz&Gloria› nicht schlechter als ein Artikel im ‹Musikexpress›.»

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Sehen Sie das anders? Ich habe mich lange schwergetan damit. Aber das hat sich geändert, seit ich gemerkt habe, wie schwierig es ist, in der Schweiz wählerisch und zugleich erfolgreich zu sein. Hier gibt es keine Fachzeitschriften wie «Musikexpress» oder «Spex», lediglich ein, zwei coole Musik-Blogs im Internet! Sie sind bei den Lovebugs derjenige, der sich besonders schwertut mit der Definition «Popband». Das stimmt vermutlich. Ich liebe Popsongs und bin auch Fan von grossen Melodien, wie sie Adrian oft schreibt. Das berührt mich. Aber ich bin mit der Musik lauter Gitarrenbands aufgewachsen. Diese Vorliebe für krachige Alternative-Musik ist geblieben. Deshalb habe ich 2005 gemeinsam mit Philippe Laffer die Alterna Recording Studios eröffnet. Seit 2010 führen wir auch ein Label: Ankerplatten. Da fühle ich mich wohl, kann hemmungslos der Independent-Musik frönen. Bei den Lovebugs hingegen haben schräge Ideen nur zum Teil Platz.

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Stresst Sie der Gedanke, dass die alternativen Hipster von heute nicht auf die Lovebugs stehen? Als Sie bei dieser Band einstiegen, waren ja noch genau solche Leute an den Konzerten. Viele dieser Leute sind ja mit uns älter geworden und kommen immer noch an die Konzerte. Ganz selten kommt es mal vor, dass ich in einer Bar angesprochen werde und mir einer erzählt, wie super er uns früher gefunden habe und welchen «Schrott» wir heute machen würden. Das trifft mich natürlich. Aber oft stellt sich dann heraus, dass diese Leute nur unsere Radiosongs aus den letzten zehn Jahren kennen und sich kein einziges Album oder Konzert mehr angehört haben. Was eine solche Aussage für mich disqualifiziert. Viel öfter aber erlebe ich, dass eine junge Band nach einem Konzert zu uns kommt, begeistert von der Leidenschaft auf der Bühne.

Schreit das nicht auch nach einem Nebenprojekt, in dem Sie Ihre persönlichen Vorlieben jenseits des Mainstreams umsetzen können? Nein, im Moment bin ich ganz zufrieden. Vor fünf, sechs Jahren war ich mal kurz davor, selbst etwas zu machen. Ich schrieb zehn Songs und nahm sie auch auf. Derzeit fehlt mir aber die Zeit, ein solches Projekt ernsthaft zu verfolgen.

Das Studio und das Plattenlabel, das Sie betreiben: Ist das zukunftsorientiertes Denken, Ihr zweites Standbein? Es ist vor allem Spass und Begeisterung. Eine Band zu produzieren, ist für mich eine andere Perspektive des Musikmachens, die mich ebenfalls fesselt. Beim Label zählt der hippiemässige Helfer-Aspekt, einer jungen Band die erste eigene Platte zu ermöglichen. Es fehlt in der Schweiz an Interesse und Engagement dafür, junge Bands zu pushen. Die Studioarbeit ist auch eine gute Abwechslung zum Bandleben. Man hat einen klaren Auftrag und sieht ein Ergebnis. Ich weiss am Abend, was ich gemacht habe und was meine Arbeit wert ist.

Weshalb haben Sie diese Lieder nicht in die Band eingebracht? Einige der Songs versuchten wir zu fünft zu spielen. Aber das klang im Bandkontext nicht gleich gut wie auf den Demos, die ich selber gemacht hatte. Aber hin und wieder sind schon Songs von mir auf einem Album oder auf einer Single-Rückseite gelandet. Und auch der eine oder andere Melodiefetzen, der nach einem Konzert durch die Gehirngänge zieht, kann von mir sein …

Wünschten Sie sich mehr Sicherheit? Manchmal spüre ich eine Sehnsucht nach einem normalen Job. Den hatte ich nie – und weiss daher gar nicht so genau, wovon andere reden. Hinzu kommt der gelegentliche Wunsch nach etwas Neuem, etwas Unbekanntem. Vergleichbar mit dem Wunsch, auf Reisen zu gehen. Nach so vielen Platten mit den Lovebugs schleicht sich sogar im Bandleben eine gewisse Routine ein, so eine Art Alltag. Welches sind die negativen Aspekte daran? Wie jeder andere auch komme ich manchmal am Abend frustriert nach Hause. Nur kann ich dann nicht einem Vorgesetzten oder dem öden Büroalltag die Schuld geben. Also hadere ich mit mir selber, wenn etwas nicht gut gelaufen ist. Viele sagen, was ich mache, sei ein Traumjob. Stimmt schon. Aber das hat den Nachteil, dass man mich nicht so ernst nimmt, wenn ich mal jammere (lacht).


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P h i l i pp G e i s i n g e r

Stöffu Zingg: Monitor

M a r c K r e b s ( l i n ks ) : B i o g r a f P h i l i pp G e i s i n g e r : Ba c k l i n e

Andi Grob: Ton

P o pp y H e r d e n e r : M o n i t o r

Ch r i s t i a n C r e g o : L i c h t

S c h ö r e S Ch ö n a u e r : Ba c k l i n e

Hannes Dürr schnabel : Monitor

Ch r i g e l G o s t e l i : T o n


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Hands on the Wheel S o n g « K i t t y ’ s E m p i r e » → A l b u m « T h e H i g h es t He i g h t s »

Au f S pr it zfa h rt

Dienstag, 1. März 2011. Statt zu proben sitzen die fünf auf den Sofas und diskutieren. Eine Sommertour soll dafür sorgen, dass die Lovebugs nach wochenlanger Arbeit im Proberaum den Kopf lüften, Spass haben und vor allem die neuen Songs live ausprobieren können. Zudem lassen sich so die Löcher in der Konzertagenda und Bandkasse stopfen. Für einmal stehen nicht die grossen Festivals wie Gurten oder St. Gallen auf dem Programm – die wollen sie sich für 2012 aufsparen, wenn das neue Album da ist. Stattdessen planen sie Auftritte abseits der üblichen Festivalpfade. Tägerwilen, Kanton Thurgau. Niedergösgen, Kanton Aargau.

Die Tour wird am 3. Juni im Merkker in Baden eröffnet. Ein Clubkonzert, ein Warm-up, bei dem sich zeigen soll, ob das Repertoire sitzt. Ein Testlauf auch für die fünfköpfige Crew, die die Band seit Jahren ins richtige Licht setzt und für den guten Ton sorgt: Christian Crego, Hannes Dürrschnabel, Philipp Geisinger, Andi Grob und Schöre Schönauer. Die Lovebugs stachen immer schon aus dem Gros der Schweizer Bands heraus, weil sie keine Kosten scheuten für erstklassige Tonqualität und Lichtshows. Dass dies seinen Preis hat ist dabei zweitrangig, wie sie betonen.

Ein Motto muss her. Aus Jux macht der Begriff «rocking the backyard» die Runde. Ein Tourname mit einem Schnauz dran, ein Detail, das die Band spaltet – und dennoch auf dem Tisch liegen bleibt. Thomas’ Nackenhaare sträuben sich beim Gedanken daran, als er Tage später am Strand von Tamarindo in Costa Rica die perfekte Welle sucht. Aus den Ferien liefert er alternative Vorschläge. Am Ende ist sich das Quintett einig: Im Sommer gibts eine Spritzfahrt – auf zur «Summer Spin 2011»!

Die Fans erfreuen sich beim Tourstart an alten Klassikern und neuen Überraschungen. Einzig der Publikumsandrang lässt an diesem warmen Sommerabend zu wünschen übrig. Die Band lässt sich nichts anmerken. Florian testet die kleine Bühne auf ihre Pirouettentauglichkeit. Auch vor der Bühne wird getanzt. Das Konzert mutiert zur Party.

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Besonders gespannt sind die Besucher auf die neuen Lieder. In Foren wurde schon darüber gerätselt, welche Coverversion die Lovebugs diesmal auf die Bühne bringen würden. Die Antwort: gleich deren vier. Lady Gaga wird an diesem Abend «on the rocks» serviert, ihr Hit «Just Dance» mit dem Eurythmics-Klassiker «Sweet Dreams» garniert, und ins Schlussbouquet schütten die Jungs gleich noch eine Prise White Stripes und Guns N’Roses. Noch überraschender und spannungsgeladener sind die Feuertaufen vier neuer Songs. Am meisten verzücken «60 ft. Napoleon» und «Faint Afterglow». Man hat geschüttelt und ist gerührt. Nach dem Konzert, während die Crew die Instrumente in Kisten packt und Philipp Geisinger – seit vielen Jahren verlässlicher Band-Roadie – den Bus lädt, werden in der Garderobe Bierflaschen geköpft. Sänger Adrian Stern macht seine Aufwartung – man grüsst sich, man kennt sich, man unterhält sich, bis, ja, bis die Müdigkeit die Euphorie vom Sofa drängt und Adrian eine Ansage macht: Abfahrt in fünf Minuten. Eben noch feuerte der Sänger Refrains ins Strobogewitter, jetzt steuert er die Band durch das Neonlicht des Baregg-Tunnels. Auch das ein Warm-up, heisst es doch zwei Wochen später: siebzehn Kilometer Gotthardtunnel. 114

Erstmals nimmt auf dieser Tour anstelle von Manager Eric Kramer ein Bandmitglied die Rolle des Tourmanagers ein. Florian Senn erfüllt sein neues Ämtli mit Gelassenheit – bis die Lovebugs am 17. Juni 2011 im Tessin eintreffen und sich ein deftiges Gewitter zusammenbraut. Das Festival scheint nicht nur aus meteorologischer Sicht unter einem schlechten Stern zu stehen. Es haben sich auch kaum Zuschauer eingefunden. Die Veranstalter: offenbar Anfänger. Vor Ort teilen sie der Band mit, sie müssten das Konzert absagen, und verweisen auf «höhere Macht». Gott zum Grusse, aber die Lovebugs wollen spielen. Und für den Aufwand, mit Crew und Kram ins Tessin zu reisen, entschädigt werden. Florian greift zum Handy und alarmiert Eric Kramer: «Du, die wollen uns nicht auszahlen.» Der Manager weiss ihn zu beruhigen. «Keine Bange. Die scheinen im Trubel zu vergessen, dass sie die Gage längst überwiesen haben. Ihr könnt beruhigt schlafen gehen.»

Tags darauf reisen die Lovebugs in den Thurgau. Auch hier bahnt sich ein denkwürdiger Tag an: Auf einer Landstrasse stiehlt sich ein Alfa dicht hinter den Equipment-Bus. Die Karosserie ist tief beeindruckt. Und auf der Bühne in Ermatingen macht der Stromgenerator der Veranstalter zeitweise schlapp. Doch wer denkt, zu einem Grümpelturnier passe nur ein Grümpelkonzert, wird eines Besseren belehrt: Die Lovebugs bringen das Festzelt zum Rascheln. Ähnlich euphorische Szenen auch in Lucelle, einem Grenzdorf im Jura, wo die Basler von dreitausend fliegenden Händen begrüsst werden. Wer hätte das gedacht? Zumal sich in der Schweizer Rockgeschichte oft gezeigt hat, dass sich der Röstigraben selbst mit englischsprachigen Liedern nicht problemlos überwinden lässt. Ein weiteres Tour-Highlight ist das Heimspiel «im Fluss», bei dem die Band die Distanz zwischen Bühne (Floss auf dem Rhein) und Publikum (Kleinbasler Ufer) souverän überwindet – und für ihr Gratiskonzert besonders frenetisch bejubelt wird. Zum Abschluss der Tour fahren die Lovebugs am 30. Juli in den ländlichen Teil des Kantons St. Gallen. Das Glattburg Fest irgendwo im Grünen zu finden, ist bereits eine Herausforderung. Vor Ort fällt auf, dass Blache an Blache zwei Bühnen aufgebaut wurden: In einem Zelt wird gerockt, im anderen gibt es «Schlagermusik vom Feinsten». Während die Basler vor dem Konzert ihren Ritualen nachgehen – umziehen, einsingen, warmtrommeln, einbandagieren – wird nebenan geschunkelt, bis sich die Festbänke biegen. «Grenzwertig», sagt Simon, hält kurz inne und korrigiert sich lachend: «Eigentlich nicht mal mehr grenzwertig.» Ein Blasmusiker der Fidelen Mölltaler erkundigt sich backstage freundlich: «Wiä vüul moderne Bänds spüln’s hoit?» Die Antwort: zwei. Die Lovebugs und Polo Hofer. Doch hier, zwischen Wald, Wiesen und Höfen, lockt Francine Jordi mehr Leute an. Was Adrian auf der Bühne dazu verleitet, das Publikum aufzufordern, «die Gegenveranstaltung nebenan zu übertönen». So freundlich die Veranstalter, so herzlich die Tourabschluss-Geschenke des engsten Fankreises (Bier! Viel Bier!) auch sind: Nach dem Auftritt ziehts die Lovebugs umgehend zurück nach Basel. Das Fendt-TraktorenTreffen, das auf dem Festivalplakat für Sonntag angekündigt ist, muss ohne ihre Aufwartung über die Bühne gehen.


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Between Goodbye and a Hello S o n g « B r o ke n S m i l e » → A l b u m « I n E v e r y W ak i n g M o m e n t »

D er g r o ss e B r u c h

Im Jahr 2000 schien der Anfang vom Ende besiegelt. Adrian Sieber erfüllte seine Zivilschutz-Pflicht in einem Basler Altersheim, und die berührenden Begegnungen abseits des Rampenlichts weckten in ihm die Sehnsucht nach einem ruhigeren Leben. Im Park des Basler Sommercasinos konfrontierte er Thomas, Simon und Baschi mit seinem Entscheid, sich fürs Lehrerseminar anzumelden. Alle drei waren schockiert. «Die Band hatte jegliche Beziehungen überlebt, sie war für uns alle die einzige Konstante im Leben», erinnert sich Baschi. «Und jetzt wurde auch diese in Frage gestellt. Adrian erklärte uns, dass er das Exponiertsein, die Interviews, all diese Nebenaspekte des Musikmachens nicht mehr aushielt.» Das brachte den Bassisten selbst ins Grübeln. «Ich fragte mich, ob ich eigentlich abhängig sein wollte von jemandem, der jederzeit aussteigen könnte.» Die Band hatte mit «Transatlantic Flight» erstmals den Sprung in die Top 3 der Schweizer Albumcharts geschafft. Und nahm sich jetzt vor, noch ein letztes Album aufzunehmen. Während Thomas als Produzent die Fäden fest in der Hand hielt, klinkte sich Baschi immer mehr aus. Mittlerweile in Zürich wohnhaft, tauchte er im Proberaum seltener auf als Gast-Keyboarder Stefan Wagner, der Stephan Pulver abgelöst hatte. Ein enges Band franste aus.

Als 2001 das Album «Awaydays» erschien, waren auf dem Cover vier junge Männer zu sehen. Baschi hielt als Einziger die Arme verschränkt. Ging da einer auf Distanz? Auch auf der Bühne stach der Bassist mehr denn je heraus: Er trat mit Augenbinde auf. «Eine Erweiterung meines Make-up-Konzepts», pflegte er zu erklären. Doch das war nur die halbe Wahrheit, wie er zehn Jahre später bestätigt: «Natürlich hatte die Maskerade eine symbolische Bedeutung: Ich grenzte mich ab vom neuen Sound der Lovebugs. Mir fehlte die Ehrlichkeit der Anfangstage. Wir machten nicht mehr zusammen Musik, unsere unbändige Spielfreude wurde immer stärker von Erwartungshaltungen erdrückt», sagt er und erinnert daran, dass das nicht immer so gewesen sei: 1996 hatten die Lovebugs auf einem punkigen Zwischenteil in «Fantastic» beharrt, was jeglicher kommerzieller Vernunft widersprach. Die Plattenfirma gab nach – und die Radios spielten das Lied schliesslich rauf und runter.

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«Jahrelang hatten wir intensiv über Texte und Musik diskutiert und ausgefochten, welche Kompromisse wir einzugehen bereit waren und welche nicht», sagt Baschi. Er vertrat dabei stets dezidierte Positionen. Manchmal die richtigen – «Ich fand früh, dass wir unsere Köpfe auf die Plattencover setzen sollten, was bei Independent-Bands eigentlich verpönt war» –, manchmal die falschen: Als Adrian die Lovebugs 1994 fürs Marlboro Rock-In anmeldete, stand Baschi dieser Wettbewerbsteilnahme skeptisch gegenüber. «Ich hätte meinen Namen lieber für Alka-Seltzer hergegeben», sagt er lachend, räumt aber ein: «Im Nachhinein war die Teilnahme der richtige Entscheid: Wir gewannen den ersten Preis, finanzierten mit dem Geld Aufnahmen, spielten am GurtenFestival, wurden da entdeckt und von Musikvertrieb unter Vertrag genommen.» Das Marlboro Rock-In führte die Lovebugs 1995 auch erstmals ins Ausland, an ein Festival in Lissabon. Vor ihren Idolen The Cure konnten sie auf der grossen Bühne auftreten, Baschis Performance war wie immer fulminant und beeindruckte auch Schlagzeuger Simon nachhaltig: «Er rannte wie eine Furie über die Bühne und verausgabte sich dermassen, dass er nach dem letzten Ton zum Bühnenabgang torkelte und sich erbrach.»

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«Die Trioformation der Anfangsjahre war eine Traumverbindung», sagt Baschi rückblickend. «Ich konnte grosskotzig auftreten, im Wissen, dass noch Tiefgang dahinter war. Das funktionierte in Interviews ebenso wie auf der Bühne, wo wir eine veritable Macht bildeten: Hier der überaus introvertierte Leadsänger, da der extrovertierte Bassist und dazwischen, als Bindeglied, der Schlagzeuger, ein easy-going Luftibus. Im Quartett geriet das aus dem Gleichgewicht, verlor die Band an Dynamik. Hinzu kam, dass wir mit dem Erfolg in eine Maschinerie hineingeraten waren, in der sich die ursprüngliche Leidenschaft für mich immer mehr wie Arbeit anfühlte. Die Songs wurden schematischer, die Diskussionen schwieriger.» In seinem Nebenprojekt, das erst Skirt hiess und dann in Fucking Beautiful umbenannt wurde, fand Baschi Ende der 90er-Jahre eine Freiheit wieder, die er bei den Lovebugs vermisste. Eine Freiheit – und seine Freude am Songwriting. «Also setzte ich mich hin und machte eine Pro-und-contra-Liste. Für die Lovebugs sprach, dass ich von der Musik leben konnte, viele Konzerte gab, Annehmlichkeiten wie Roadies hatte. Sprich, das Leben führen konnte, wie ich es mir erträumt hatte. Aber war es heroisch, davon zu leben, wenn ich nicht mehr dahinterstehen konnte? Neue Songs wie ‹Music Makes My World Go Round› waren mir zu schwülstig. Ich spürte, wie mich das innerlich zerriss.» Adrian hatte seinen Plan, das Lehrerseminar zu machen, bereits wieder verworfen, als Baschi ankündigte: «Ein Jahr noch, dann steige ich aus.»

Am 11. September 2001 erhielt er in seiner Zürcher Wohnung Besuch von Simon. Der Schlagzeuger wollte ihn bitten zu bleiben. «Wir sassen da, vor uns eine Tasse Tee, als Baschis Ex-Frau Samantha anrief und sagte: ‹America is under attack!›», erzählt Simon. «Wir schalteten den Fernseher ein und sahen, wie Flugzeuge ins World Trade Center einschlugen.» Die Diskussion, die Simon eigentlich führen wollte, fand nie statt. Die langjährige Konstellation ein Ende. Am 22. Dezember 2001 gab Sebastian Hausmann sein letztes Konzert mit den Lovebugs. Wer dabei war, erinnert sich an den emotionalen Auftritt in der Waldmannhalle in Baar. Vor 3500 Zuschauern und den Augen von Sina und ZüriWest, die zuvor aufgetreten waren, offenbarte er noch einmal eindrücklich seine Performance-Qualitäten: In ein SpidermanT-Shirt und schwarze Lackhosen gehüllt, wirbelte er über die Bühne, kickte die Beine in die Luft, streckte die Zunge raus, rückte den Glimmer ins beste Licht – und bediente wie beiläufig den Bass. Ihm zu Ehren spielten die Lovebugs zum Abschluss Songs aus ihrer Anfangszeit und – zu Baschis Überraschung – «Let Me Fly With You» aus seiner eigenen Feder. Die Lovebugs holten gute Freunde an Bord: Anfang 2002 wurden Stefan Wagner (Keyboards) und Florian Senn (Bass) als feste neue Mitglieder in die Band aufgenommen. Baschi hatte sich da bereits mit seiner Lebensgefährtin Martina für ein Jahr nach England verabschiedet. Das Paar lebt heute wieder in Basel und tritt regelmässig mit seinen Bands Fucking Beautiful und Blood Of Gold auf. Die Lovebugs hat Baschi seit seinem Ausstieg einmal live gesehen. Nur einmal. Hat er seinen Entscheid nie bereut? «Doch, in den ersten Monaten immer wieder. Noch heute tut es mir weh, dass wir die Glücksmomente der Anfangszeit nicht bewahren konnten», sagt er. Nicht aufbewahrt hat er auch seine drei goldenen Schallplatten. «Die sind im Sperrmüll gelandet, denn schön sahen sie nicht aus», sagt er. «Und ich weiss ja, was ich erreicht habe.»


Florian Senn

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Florian Senn, erinnern Sie sich noch an den Tag, als Sie angefragt wurden, ob Sie bei den Lovebugs einsteigen möchten? Klar. Das war im September 2001. Meine Freundin und ich reisten gerade drei Monate lang durch Australien. Zuvor hatte ich beschlossen, dass ich meine Musikkarriere auf Eis legen würde. Supernova, die Band, in der ich fast zehn Jahre lang Gitarre gespielt hatte, war an einem toten Punkt angelangt. Da sass ich also in einem Internetcafé am Strand, checkte meine E-Mails und las dabei auch eines von Adrian: «Flö, das musst du jetzt noch für dich behalten: Baschi steigt aus. Könntest du dir vorstellen, bei uns Bass zu spielen?» Worauf Sie in Jubel ausbrachen. Überhaupt nicht, nein. Im ersten Augenblick dachte ich: Das könnt ihr gleich vergessen, ganz sicher steige ich nicht bei euch als Bassist ein! Ich hatte ganz andere Pläne.

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Was für Pläne? Ich hatte gerade die Aufnahmeprüfung fürs Primarlehrerseminar bestanden, sprich: mich endlich zu einer soliden Ausbildung durchgerungen. In Australien überlegte ich mir dann alles in Ruhe und merkte, dass immer mehr für den Einstieg bei den Lovebugs sprach: Ich kannte alle gut, Thomas und ich waren beste Freunde, hatten schon zur Schulzeit zusammen in einer Band gespielt. Und die Musik der Lovebugs hatte mir schon immer gefallen, ich war eigentlich ein Fan der ersten Stunde – vielleicht war das ja die Gelegenheit. Schliesslich sagte ich mir: Ich probiers mal – alles andere läuft mir ja nicht davon. Und so wurden Sie unverhofft vom Hobby- zum Profimusiker. Ja, insofern als ich mit der Musik Geld verdiene. Aber diese Band ist für mich auch Hobby, es schwingt immer ein Freizeitaspekt mit.

Wann ist das Musikmachen Arbeit, wann Freizeit? Schwierig zu sagen, weil ich nie länger einer regulären Arbeit nachgegangen bin, im Sinne eines Fulltime-Jobs. Als ich bei den Lovebugs einstieg, erhielt ich einen Fixlohn von achthundert Franken pro Monat. Nebenbei jobbte ich in einer PR-Agentur, füllte Excel-Tabellen aus. Aber das war je nachdem nur ein halber Tag pro Woche und lässt sich nicht mit einer richtigen Stelle vergleichen. Haben Sie nie die Schnauze voll gehabt vom Musikerdasein? Doch, klar. Es kommt schon vor, dass man bei einem Konzert in einem volltrunkenen Bierzelt im, sagen wir, Wallis auf der Bühne steht und findet: So habe ich mir das alles eigentlich nicht vorgestellt, das kann es doch nicht sein. Und wie vermeiden Sie da die Sinnkrise? Indem ich mich danach auch ins Getümmel werfe und sich dadurch alles relativiert. Solche Augenblicke als Arbeit zu betrachten, fällt mir schwer – auch wenn ich das vor meiner Frau nicht zugeben dürfte (lacht). Warum nicht? Sie ist Anwältin und arbeitet als Gerichtsschreiberin. Sie müssten also gar nicht arbeiten? Doch schon, aber wir können uns die Verantwortung teilen. Den Grossteil der Zeit verbringen wir als Band ja im Proberaum, drei bis vier halbe Tage pro Woche. Die restliche Zeit verbringe ich mit meinem Sohn, bin ich Hausmann. Ich wasche, putze, koche, gehe einkaufen ... Fällt Ihnen dabei nie die Decke auf den Kopf ? Wahrscheinlich würde es das, wäre da nicht dieser Ausgleich, den mir die Band bietet. Da geht es mir gleich wie den meisten Frauen heutzutage, die nicht «nur» Hausfrau sein möchten. Jeder in der Band hat ein Nebenamt. Was ist Ihres? Neuerdings bin ich der Tourmanager, das heisst, ich schaue, dass die Band an Konzerttagen zur richtigen Zeit am richtigen Ort erscheint. Und ich betreue den Onlineshop, was sich gut vereinbaren lässt mit meiner Vaterrolle. Wöchentlich machen Julian und ich Spaziergänge zur Post, um Päckchen mit CDs oder T-Shirts aufzugeben.


Zahlt sich der Vertrieb von Merchandising-Artikeln und cds aus? Wir beziehen die Alben bei der Plattenfirma für den gleichen Preis wie ein CD-Laden. Der Aufwand zahlt sich nicht gross aus, aber wir betrachten es als wichtige Dienstleistung, gerade für unsere Fans im Ausland, die nicht so einfach an unsere Produkte herankommen. Wie verteilen sich die Lovebugs-Fans geografisch? Der Grossteil findet sich in der Schweiz, ganz klar. Aber insbesondere nach dem Eurovision Song Contest trafen CD-Bestellungen aus der ganzen Welt ein, von Madeira über Polen bis Australien. Nicht Tausende, wohlverstanden. Aber Dutzende, immerhin.

Und sie liessen Sie gewähren? Ja, sie waren immer sehr tolerant. Mit vierzehn kaufte ich mir eine elektrische Gitarre, trug bald Rastas, kiffte und spielte ganze Nachmittage lang «All Along the Watchtower» mit dem Nachbarsjungen am Schlagzeug. Nach der Matur begann ich ein Soziologiestudium, brach es ab und setzte eine Zeit lang voll auf die Musik: Supernova hiess die Band, bei der Thomas anfangs auch mitspielte. Wir hatten ein paar kleine Radiohits und viele Konzerte in der Schweiz, aber 2001 war die Luft draussen – vier Jahre, nachdem Thomas zu den Lovebugs gewechselt hatte. Sie folgten ihm 2002 und ersetzten Sebastian Hausmann, eine grosse Identifikationsfigur der Lovebugs. Fürchteten Sie sich davor, in seine Fussstapfen zu treten? Fürchten? Nein. Ich machte mir keine grossen Sorgen. Ich glaube, ich ging damals mit einer Mischung aus Naivität und Selbstbewusstsein zu den Lovebugs.

Franz Treichler, Kopf der welschen Band Young Gods, sagte in einem Interview mit der «Basler Zeitung», er wende dreissig Prozent seiner Zeit für die Musik auf, siebzig Prozent für die Administration. Und die Lovebugs? Wir können uns zum Glück die Administra- F LO R I A N S E N N → Bass i st tion aufteilen. Das funktioniert mittlerweile Geboren am: 15. Juli 1976 reibungslos. Jeder fühlt sich angespornt, den Aufgewachsen in: Riehen (BS) und Binningen (BL) Ausbildung: Matura Typus B (Latein) anderen zu zeigen, dass er seinen Verantwor- Erste Band: 1992, Gitarrist bei Freak Show 1995–1997: Star 69 tungsbereich im Griff hat.

Wie meinen Sie das? Ich war mir sicher, dass ich das mit dem Bassspielen schon hinkriegen konnte. Auch, dass ich mich gut in die Band einfügen würde, schliesslich kannte ich alle recht gut, wir waren befreundet. Kurz vor meinem ersten Konzert mit den 1997–2001: Supernova Lovebugs, im Frühjahr 2002, zog ich mir allerSeit 2002: Lovebugs, Bass Im Griff haben Sie auch den Bass. dings einen grausamen Bandscheibenvorfall zu. Ich konnte mich kaum noch bewegen, alle Was führte Sie eigentlich zur Musik? Meine musikalische Familie, besonders mein dachten schon, dass wir die Release-Party für Vater. Er ist Klavierbauer, hat eine Werkstatt für historische Tastenins- die neue Single «Flavour Of The Day» im Zürcher Kaufleuten absagen trumente und hält die alten Instrumente des Basler Konservatoriums müssten. Ich begab mich in Massagetherapie, nahm starke Schmerzim Schuss. Da lag es nahe, dass der Sohn Cembalo zu spielen begann. mittel und trat schliesslich auf – wenn auch weit weniger energetisch Aber noch mehr Eifer legte ich mit den Playmobil-Spielsachen an den als geplant. Den Bandscheibenvorfall könnte man jetzt als Indiz dafür Tag: Ich baute Bühnen, legte dabei Schallplatten auf, imitierte mit der nehmen, dass ich mich unterbewusst doch vor dem Schritt, Baschis Taschenlampe eine Lichtshow und liess dazu meine Spielfigürchen Lücke zu füllen, gefürchtet hatte. abrocken. Da merkten meine Eltern bald: Aha, Cembalo ist wohl nicht Ein grosser Konjunktiv für eine Selbsteinschätzung. das Richtige für ihn. Nun, ich weiss es einfach nicht. Womöglich hat es mich gestresst, ohne dass ich mir dessen bewusst war. Ich kannte die Lovebugs gut, hatte viele ihrer Konzerte erlebt, und ich wusste, dass Baschi eine Rampensau gewesen war.

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Was ist als Bassist anders im Vergleich mit Ihren Erfahrungen als Gitarrist? Die Spieltechnik. Dann die Bewegungsfreiheit auf der Bühne, ich bin nicht an Effektgeräte gebunden. Und vor allem die Rolle innerhalb der Band ist anders. Als Bassist bin ich das Bindeglied zwischen Rhythmus und Harmonien. Sind Sie auch menschlich ein Bindeglied? Hm. Ich bin schlecht mit Selbsteinschätzungen. Aber ich bin sicher nicht ein Typ, der innerhalb der Band starke Meinungen vertritt, wie zum Beispiel Adrian oder Thomas, sondern ich versuche zuzuhören und die beste Lösung herauszuspüren.

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Das grösste Spannungsfeld der Lovebugs liegt zwischen den Polen Adrian und Thomas. Das sehe ich auch so, ja. Die Konstellation wirkt Wunder, kann sich im besten Fall beflügeln, birgt aber auch Konfliktpotenzial. Adrian hängt zum Teil an Liedern, die uns allen zu schnulzig oder simpel sind. Diese versuchen wir ihm jeweils auszureden. Allerdings schlage ich mich dann auch nicht einfach auf Thomas’ Alternative-Rock-Seite. Dass wir uns im Spannungsfeld zwischen sanftem Pop und Gitarrenrock bewegen, macht es vielleicht schwieriger, uns zu fassen. Aber es ist für mich eben gerade auch eine Stärke der Lovebugs. Ab welchem Zeitpunkt spielen bei den Lovebugs jeweils kommerzielle Gedanken eine Rolle? Eigentlich bei der Songauswahl für ein neues Album. Wir möchten ja alle, dass sich unsere Musik verkauft. Etwas anderes zu behaupten, wäre heuchlerisch. Ich selber mache mir darüber aber nicht viele Gedanken – eben gerade, weil das andere in der Band machen.

Und über die eigene Zukunft, machen Sie sich darüber Gedanken? Immer wieder. Als sich «The Highest Heights» nicht so verkaufte wie das Album davor, «In Every Waking Moment», da wurde mir bewusst, dass dieses Abenteuer irgendwann ein Ende haben könnte. Spätestens wenn Adrian eines Tages keinen Spass oder keine Lust mehr haben sollte, wird die Band nicht mehr existieren. Haben Sie Pläne? Nicht wirklich. Ich lebe im Augenblick. Aber die Gedanken kreisen ja trotzdem. Stimmt. Ich könnte mir durchaus vorstellen, mal als «Fährimaa» auf dem Rhein zu arbeiten. Noch eine Ausbildung nachzuholen, das sehe ich momentan nicht. Aber eben, so weit denke ich noch gar nicht. Mit dem neuen Album und der anschliessenden Tour sind die nächsten zwei Jahre gesichert.


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Eric Kramer: Management

Re t o L a z z a r o t t o : L a b e l

Daniela K端ng: Promotion

Ta b e a H 端 b e r l i : F oto g r a f i e

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Shake Down S o n g « S h a k e D o w n »  →   A l b u m « 1 3 S o n g s w i t h a V i e w »

Da s B u s i n es s- M ee t i n g

Dienstag, 12. Juli 2011, zwölf Uhr. Treffpunkt Bahnhof SBB, Intercity, Die Lovebugs haben ihnen Demoaufnahmen zugeschickt, jedes Lied 2. Klasse. Im Schnitt alle zwei Monate zieht es die Lovebugs nach Zü- wird nun zur Auffrischung kurz angespielt und bewertet. Die Firmenrich, zum Business-Meeting mit ihrem Management Gadget. An diesem chefs hören in diesem frühen Stadium des Produktionszyklus’ so viele heissen Sommertag wäre ihnen zwar eher nach Sonnenbad zumute als gute Songs heraus wie noch nie zuvor. Reto Lazzarotto spricht von einem nach Zugfahrt, aber die Sitzung lässt sich nicht verschieben. Es drängt: «Superalbum!», doch das allein reicht nicht: «Mir fehlt noch der zwingenFeedback zu den Demos steht auf der Traktandenliste. Denn Gadget or- de Hit!» Auch Eric Kramer vermisst noch jenen ultimativen Song, dem ganisiert nicht nur Konzerte, die familiäre Firma fungiert auch als Plat- sich kein Radiosender in diesem Land entziehen könne. tenfirma, seit Warner Schweiz 2004 vom Mutterkonzern zur Aufgabe Die Band kann ihre Enttäuschung nicht verbergen. In den letzten Monades nationalen Repertoires gezwungen wurde. ten haben sie fast vierzig Songideen ausprobiert, verworfen, verändert. Für Gadget ein Glücksfall, wie die zahlreichen Gold- und Platinaus- Achtzehn Lieder sind übrig geblieben, bilden eine starke Auswahl. Und zeichnungen an den Wänden beweisen: In den Büros im Zürcher Kreis 5 darunter soll keine Single sein, die einschlagen könnte? «Wir bewegen gehen erfolgreiche Bands wie die Lovebugs, Dada Ante Portas oder uns ja weder im Fahrtwasser von Lady Gaga noch machen wir Hip-Hop», 77 Bombay Street ein und aus. Die Vertrauensbasis ist gross: Eric Kra- lautet Adrians Einwand, «ich glaube daher nicht, dass wir schon jetzt mer managt die Lovebugs seit 1997, die Beziehung ist innig und freund- die Single suchen sollten. Der Weg ist das Ziel, das Material überzeugt schaftlich. Wie ein Türsteher schützt er seine Künstler, wimmelt ab oder doch, meine ich.» leitet Anfragen weiter, bleibt mal stur oder ist kooperativ, koordiniert zudem gemeinsam mit Pressedame Daniela Küng Medienanfragen und -partnerschaften, kurz: Er hält seinen Musikern den Rücken frei, öffnet Türen, verhandelt Gagen und verdient an ihrem Erfolg mit. Doch Eric Kramer und sein Geschäftspartner, Reto Lazzarotto, stellen an ihre Schützlinge auch Forderungen, wie sich an diesem Nachmittag zeigt.

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Der Songwriter verweist darauf, dass mit «Shine» zuletzt ein Lied ausgekoppelt wurde, von dem die Plattenfirma absolut überzeugt gewesen war. Die Ballade vermochte am Ende aber nicht an die grossen Erfolge, etwa an «Avalon» (2006), anzuknüpfen. «Natürlich sind die Einschätzungen subjektiv», räumt Eric Kramer ein, «aber der Hitgarant, der dieselbe Zugkraft wie ‹Avalon› entwickelt, sodass wir vierzigtausend Alben verkaufen können, fehlt noch. Dafür ist es ja noch nicht zu spät», fügt er in tröstlichem Ton hinzu. Mit anderen Worten: Adrian soll fünf, sechs Wochen lang weitere Songs schreiben. Das Gespräch dauert am Ende zwei Stunden. Band und Künstlerbetreuer, im Fachjargon A&R für «Artists and Repertoire» genannt, werden sich nicht einig, was das Hitpotenzial angeht. Immerhin kippt man fünf Lieder aus der Liste. «Faint Afterglow», das durch Einfügen eines grossen Chors allmählich Stadionqualitäten annimmt, gefällt allen. Es bleibt im Rennen. Im Zug zurück nach Basel stimmt Adrian «Into The Great Wide Open» an, ein altes Lied von Tom Petty: «Their A&R man said: I don’t hear a single», heisst es in einer Strophe. Die gedämpften Erwartungen, sie drücken aufs Gemüt – und aufs Budget. 138

Dabei würden die Lovebugs sich über Geschäftliches doch am liebsten gar keine Gedanken machen, sondern sich alleine der Musik widmen, dem Songwriting, den Konzerten. Das lieben sie, dafür leben sie. Heute angenehm über dem Existenzminimum, vor fünfzehn Jahren mehr schlecht als recht. Wer meint, ein internationaler Plattenvertrag sei enorm lukrativ, irrt. Die Bandmitglieder zahlten sich damals einen Monatslohn von achthundert Franken aus. Damit konnte sich Thomas gerade einmal eine Wohnung in einem heruntergekommenen Haus in Basel leisten – mit Holzheizung und Dusche im Keller. «Und nebenbei arbeitete ich noch in einer Bar», erzählt der Gitarrist. Über Geld sprechen sie ungern. Da sind sie typisch schweizerisch. Sie entgegnen, es sei typisch schweizerisch, eine erfolgreiche Band darauf anzusprechen. Auch wieder wahr. Dennoch ist es interessant zu erfahren, dass die Lovebugs kein fixes Einkommen haben. Es gibt Monate, da zehren sie vom Ersparten. Löcher in der Kasse stopfen sie mit Tantiemen, an denen alle beteiligt sind, und – weitaus weniger einträglich – aus dem Erlös von Plattenverkäufen.

Fast die Hälfte ihres Einkommens bestreiten sie mit Konzerten. Vor allem Open Airs sind überlebenswichtig: «Für Schweizer Bands ist es ein Segen, dass die Institution Festival noch immer so angesagt ist», sagt Thomas. Und Stefan ergänzt: «Im Vergleich zur Hitparade, wo die Tendenz gegen Bands und für Einzelkünstler spricht, geniessen Rockgruppen im Konzertgeschäft zum Glück noch immer den gleich hohen Stellenwert wie früher.» Sagts, und fühlt sich danach fast schon peinlich berührt. «Hört sich ja an wie ein KMU-Gespräch.» Nicht sein Ding. Und doch geht die Verantwortung der Band über rein musikalische Aufgaben hinaus. «Aus eigenem Interesse haben wir uns in verschiedenen Bereichen Wissen angeeignet», erklärt Simon. Die Website, ihre Verbindung zur Aussenwelt, wird von Adrian und Stefan unterhalten. Florian betreut den Onlineshop. Simon dreht Videoclips und wacht über die Bandkasse. Und Thomas bringt im Proberaum sein Fachwissen als Produzent und Toningenieur ein. Im Oktober will die Band den grössten Teil der neuen Platte in den eigenen vier Wänden aufnehmen. Bis dahin gilt es, an den Songs weiterzuschleifen und dabei den Druck seitens der Plattenfirma zu verdrängen. Nicht dass die Studioaufnahmen am Ende zur Belastung werden, zumal der gesamte Prozess bis anhin so entspannt und zufriedenstellend verlaufen ist. Die Band ist überzeugt, dass drei Singles im Köcher sind. Welches Lied zum Hit werden könnte, steht für sie noch in den Sternen. Aber nicht im Vordergrund.


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Naked Album «Naked»

D i e lov eb u g s st r i ppen

Die Nachricht überraschte die Schweizer Rockszene im Mai 2004: Chris von Rohr und die Lovebugs spannen zusammen! Die Kooperation sollte zu einem Projekt mit dem Arbeitstitel «Live & unplugged» führen. Die Basler Popband und der Solothurner Hardrocker in einer «liaison acoustique»: Ob das gut geht? Dazu muss man wissen: Von Rohr wurde in den 80er-Jahren als Bassist von Krokus, der Schweizer Ausgabe von AC/DC, zum Plattenmillionär. Danach verhalf der passionierte Kopftuchträger als Musikproduzent anderen zum Ruhm, allen voran Gotthard, der Schweizer Ausgabe von Bon Jovi. Schliesslich stand er als Juror der Castingshow «MusicStar» im Rampenlicht, wo er für «meh Dräck» plädierte.

Auf der Suche nach neuen Inputs nahm Adrian 2003 mit ihm Kontakt auf. «Es war Liebe auf den ersten Akkord», schwärmte Chris von Rohr damals, nie um ein Bonmot verlegen. Er empfahl dem Quintett ein Unplugged-Album. Die Idee gefiel den Lovebugs. Bei den Aufnahmen zu ihrem letzten Studioalbum, «13 Songs With A View», hatten sie sich verstrickt, die sperrige Produktion machte weder sie selbst noch die Fans überglücklich. Die Idee, ihre Musik aufs Maximum zu reduzieren, sich auf die starken Melodien zu besinnen, kam zum richtigen Zeitpunkt: «Jahrelang waren wir mit einem grossen Tross und einer grossen Show herumgereist, was uns bis ins Vorprogramm der Rolling Stones im Zürcher Letzigrund-Stadion führte», sagt Adrian. «Da wurde uns auf einmal bewusst: Mist, wir könnten unsere Lieder nicht mehr spontan in einer Bahnhofsunterführung spielen!» Also testeten die Lovebugs ihre Songs auf Unplugged-Tauglichkeit und kamen zum Schluss: «Das neue Kleid steht uns sehr gut!»

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Ein halbes Jahr lang bereiteten sich die Lovebugs vor. Alle zwei Wochen erschien Chris von Rohr im Proberaum, «agierte wie ein Coach an der Seitenlinie, gab Inputs und schälte unsere Stärken heraus», erzählt Adrian. «‹Unplugged› hätten wir ohne ihn vermutlich anders interpretiert», ergänzt Florian. «Wir verstanden darunter eher, auf eine Kartonschachtel zu trommeln statt Schlagzeug zu spielen. Doch für Chris war klar: Unplugged ist Bluesrock. Hammond und Flügel statt Synthesizer, akustische Gitarren statt Effektspielereien.» Am 15. August 2004 führten die Lovebugs das Resultat dieser Zusammenarbeit auf die grosse Bühne des Theater Basel. Ausverkauft, klar. Welcher Fan wollte schon dieses Konzert für die Ewigkeit verpassen, das mitgeschnitten und später veröffentlicht werden sollte? Die Atmosphäre war stimmig: Grosse Teppiche, Kerzenständer und Barhocker schmückten die Bühne, die in süffiges Bordeauxrot getaucht war. In diesem Ambiente präsentierte die Band ihr neues Klangbild und demonstrierte eindrücklich, dass grosse Songs auch in kargeren Arrangements berühren.

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Manche Lieder gewannen durch diesen Strip sogar noch hinzu: «Music Makes My World Go Round» etwa steigerte sich durch den Einbezug von Slide-Gitarre und Hammond-Orgel zur Hymne für die Ewigkeit. Höhepunkt des Konzerts war «A Love Like Tides», das Thomas mit einem schlichten und schlicht hinreissenden Gitarren-Intro eröffnete, worüber Adrian mit rauchig-heiserem Timbre so herzergreifend sang, dass man am liebsten zur Bühne gestürmt wäre und ihn in den Arm genommen hätte. Seine Stimme, das spürte man bis in die hintersten Reihen, gewann durch die spartanischen Arrangements an Ausdruck und entfaltete eine magische Anziehungskraft.

Dass die Lovebugs ihren technischen Aufwand reduziert hatten, bedeutete aber nicht, dass sie ganz auf Ausschmückungen verzichteten. Für einige Lieder holten sie Verstärkungen auf die Bühne: Adrian Stern an der Gitarre, Hendrix Ackle an der Hammond-Orgel und David Stauffacher an der Perkussion. Für zwei, drei Lieder gesellten sich zudem Büne Huber (Patent Ochsner) und Shirley Grimes zu Adrian ans Lead-Mikrofon. Premieren hatten an diesem einzigartigen Konzert der Lovebugs nicht nur Gäste, sondern auch Lieder. Zum Beispiel «Rock With You», ein gradliniger Stampfer, der hielt, was der Titel versprach. Oder «Everybody Knows I Love You», eine Liebeserklärung, die später als Single veröffentlicht wurde und das Live-Album ankündigte: «Naked» erschien Anfang 2005 und schoss sofort an die Spitze der Schweizer Charts. Der musikalische Striptease war ein voller Erfolg, die Band wieder «back on track». Und auf der anschliessenden Tournee gab sie sich keinerlei Blösse.


Stefan Wagner

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Stefan Wagner, was führte Sie zu den Lovebugs? Eine schöne Geschichte aus traurigem Anlass: Ich spielte jahrelang Keyboards bei den Wondertoys. Nach dem Tod unseres Bandleaders Dominique Alioth veranstalteten wir 1999 einen Tribut-Abend im Basler Atlantis. Diverse Sängerinnen und Sänger interpretierten Lieder von ihm, auch Adrian Sieber sprang für zwei Lieder auf die Bühne. Ein bewegender Abend für alle. Am nächsten Tag rief Adrian mich an und fragte, ob ich auf Tournee mitkommen wolle. Das war im Oktober 1999. Im Dezember gab ich bereits mein erstes Konzert. Passte das zu Ihren Lebensplänen? Eigentlich nicht. Ich wollte nach Dominiques Tod mit der Musik abschliessen, hatte gerade meine Ausbildung zum Sekundarlehrer in Mathe, Geografie und Biologie bestanden und einen Achtzig-Prozent-Job angenommen. Daneben auf Tour zu gehen, war sehr anstrengend. Sie erschienen also mit Augenringen in den Schulzimmern? Das kam vor, ja. Ich kehrte jeweils sonntags von Konzerten zurück und musste bis tief in die Nacht hinein die Schulstunden vorbereiten. Einige Monate lang ging das gut. Aber an Ostern 2000 klappte ich zusammen, kam nicht mehr aus dem Bett, war völlig erschöpft.

Empfinden Sie es manchmal als Druck, mit der Musik Geld verdienen, dafür Kompromisse eingehen zu müssen? Nein, ich glaube, Adrian spürt diesen Druck viel stärker, weil er die Songs schreibt. Stiegen wir mit einem Erfolgsdruck vor Augen in den Proberaum hinunter, dann würde das primär zu Diskussionen führen. Und so käme nie etwas Befriedigendes raus. Kommen Sie eigentlich aus einer musikalischen Familie? Nein. Meine Mutter spielte einmal Handorgel. Mein Vater war Maschineningenieur. Einer, der sehr exakt arbeiten musste. Das ist es, was ich von ihm in die Musik hinübergenommen habe. Steht Ihnen dieser Perfektionismus nie im Weg? Doch, klar, ich kämpfe jede Woche dagegen an. Wie äussert sich das? (Überlegt lange) Ich habe generell Mühe damit, etwas toll zu finden, ehe es fertig ist. Ich finde stets noch ein Haar in der Suppe. Und ich brauche immer eine gewisse Anlaufzeit, bis ich alle Inputs verarbeitet habe und mich ebenso über eine Idee freuen kann wie zum Beispiel Adrian oder Simon.

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Wie reagierten Sie darauf ? Ich reduzierte mein Lehrer-Pensum auf fünfzig Prozent – und hängte den Job 2003 ganz an den Nagel. Was war der grössere Traum: Musiker oder Popstar zu werden? Musiker. Aber ich war immer Realist genug, um zu sehen, dass die Chancen dafür sehr klein waren. Mein Klavierlehrer sagte mir schon früh: Geh nicht ans Konservatorium. Sonst endest du so wie ich. Wie meinte er das? Er wollte mich davor bewahren, als Lehrer an einer Musikschule zu enden. Nur die wenigsten Hochschulabsolventen schaffen es auf eine grosse Bühne. Und Musikunterricht reizte mich zu wenig. Die Wiederholung, die dabei unweigerlich auftaucht, kann zermürben, denke ich. Aber auch im Leben eines Popmusikers wiederholt sich vieles: die gleichen Clubs und Open Airs, der gleiche Zyklus. Wird das nicht langweilig? Nein. Denn Programm und Publikum sind ja nicht immer die gleichen, und auch Arrangements und Instrumentarium ändern sich. Bis jetzt ist es mir auf einer Konzerttournee noch nie langweilig geworden.

2009, beim Album «The Highest Heights», kamen Sie immerhin zum Zug wie nie zuvor. Das täuscht. Die Keyboards wurden auf diesem Album einfach stärker in den Vordergrund gemischt. Ist es nicht so, dass die Keyboards auch mehr Raum, mehr Gewicht erhielten in den Arrangements? Doch, stimmt. Vor den Aufnahmen zu «The Highest Heights» entschied Adrian, künftig nicht mehr Gitarre zu spielen. Durch den Wegfall seines Instruments blieb mehr Platz für Thomas und mich. Sie sind der Pop-Historiker der Band, haben sogar ein Jahr lang Musikwissenschaften studiert. Ihr musikalisches Spektrum ist entsprechend breit … … was nicht immer einfach ist. Es dauert, bis ich stilistisch jeweils meine Stimme gefunden habe. Ich benötige eine grössere Frustrationstoleranz, wenn wir an neuen Liedern arbeiten, weil ich länger suchen muss als etwa Thomi, dessen Gitarrenlinien oft von Beginn weg in Stein gemeisselt sind.


Weil er eher ein Bauchmusiker ist als Sie? Ja, genau. Thomi findet seine Klänge, seine Töne in den Bandproben. Ich hingegen fühle mich wohler, wenn ich zu Hause in aller Ruhe nach den richtigen Klängen und Linien suchen kann. Denn ich muss mein Instrument meistens um die Gitarren herumdrapieren. Sie sind zu verkopft? Ich fürchte ja. Ich verrenne mich manchmal, gehe zu sehr in die Details. Im Demo-Stadium braucht es das gar nicht. Entspannter ranzugehen, daran arbeite ich noch.

Sie mussten fürchten, dass die Lovebugs am Ende waren? Klar, wenn Adrian mit seinem Soloalbum gleich erfolgreich gewesen wäre wie die Band … Wer weiss, wohin das geführt hätte! Ich lief Gefahr, das fünfte Rad am Wagen zu werden. Die anderen drei gingen auf AdrianSolo-Tour, und Thomas baute sein Tonstudio auf. Ich wusste, dass Züri West im Studio waren. Also schrieb ich ihrem Tontechniker, Oli Bösch, der eine Zeit lang auch für uns gemischt hatte, eine Mail, und fragte ihn, ob sie einen Tour-Keyboarder bräuchten. Zwei Stunden später rief mich Gitarrist Küse Fehlmann an. Und wenige Tage darauf fuhr ich mit meinen Keyboards nach Bern, um fürs erste Konzert zu proben. Für mich war dieser Ausflug ein Test: Was bin ich wert? Kann ich das, mit einer solchen Band auf die Bühne gehen? Züri West steht für ein Spektrum an Persönlichkeiten, das anspruchsvoller ist als jenes der Lovebugs.

Von allen fünf Bandmitgliedern haben Sie den bisher grössten Seitensprung gewagt: Sie gingen mit Züri West auf Tournee. Wie kam es dazu? Während der «In Every Waking Moment»-Tour Inwiefern? ST E FA N WAG N E r → K e y b oa r d e r hatten wir ein grosses Meeting in einem Genfer Die Konstellation ist ganz anders. Sie funktioHotel. Die Platte hatte sich in der Schweiz so nieren wie ein Projekt. Jeder nimmt zu Hause Geboren am: 9. Juni 1972 gut verkauft wie keine andere. Umso grösser Instrumentaldemos auf, schickt diese jeweils Aufgewachsen in: Oberdorf (BL) der Frust, dass im Ausland kaum etwas gesche- Ausbildung: Mittellehrer Kuno zu, und der tüftelt dann an Texten herum. hen war. Thomas stellte in diesem Moment die Erste Band: 1991, Keyboarder bei Never & Again So kommen sie gerade mal alle zwei, drei JahZukunft der Band laut in Frage. Gleichzeitig ka- 1994–1999: The Wondertoys re zusammen, um eine Platte zu machen und 1999–2001: Live-/Studiomusiker für die Lovebugs men neue Songs im Proberaum nicht so richtig Seit 2002: Lovebugs, Keyboards zusammen auf Tour zu gehen. Wir hingegen vom Fleck. Drei Monate später kündigte Adrian proben jede Woche, es verstreicht kein Monat, ein Soloalbum an und verordnete der Band quaohne dass wir uns sehen. si eine Pause. Florian war dies recht, er stand kurz davor, Vater zu werden. Simi und ich hätten den Schwung gerne Und was entspricht Ihnen mehr? ausgenützt und weitergemacht. Dass wir es nicht fertiggebracht haben, Die Arbeitsweise der Lovebugs. ein neues Album aufzunehmen, war vermutlich der grösste Fehler in unserer Karriere. Aber eben … Weshalb? Ich bevorzuge den regelmässigen Rhythmus, ich mag den direkten AusWeshalb? tausch. Züri West arbeiten isolierter. Geschieht etwas in einer Probe, Wir verschwanden zwei Jahre von der Bildfläche. In dieser Zeit erschien dann inspiriert das, und man tüftelt zu Hause weiter, mit dem Ziel, in Adrians Soloplatte. All das verwirrte die Anhänger. Weshalb machen sie der nächsten Probe einen Schritt weiter zu sein. Das ist eine natürliche Pause, warum füllt der Sänger diese mit einer Soloplatte? Selbstdisziplinierung, die mir entspricht. Die übliche Reaktion auf eine Band-Krise. Genau. Ich sass zu Hause, war frustriert und verunsichert.

Gibt es noch andere markante Unterschiede zwischen den Lovebugs und Züri West? Sie kommen stilistisch aus vielfältigeren Bereichen als wir, von Latin bis Rock. Zudem sind sie etwas älter, was sich darin ausdrückt, dass jeder auf seiner Schiene ein wenig festgefahrener ist.

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Und wie unterscheiden sich die Konzerte, die Publikumsreaktionen? Es fällt einem krass auf, wenn die Leute jedes Wort verstehen. Züri-WestKonzerte sind von den Tempi her sehr gemächlich. Mit den Lovebugs würden wir mit solch einem ruhigen Set nicht durchkommen, die Leute liessen sich ablenken, würden zu quatschen beginnen. Bei Züri West aber singen sie mit, weil sie die Texte auswendig können. Frustriert es Sie nicht, dass das Aufmerksamkeitspotenzial bei einer englischsprachigen Schweizer Band geringer ist? Daran haben wir uns gewöhnt. Gewöhnt man sich auch daran, nebst coolen Open Airs wie St. Gallen oder Gurten an einem Schlager- und Traktorenfest aufzutreten? Na ja, man möchte sich nicht gerade daran gewöhnen. Aber solche Gigs nimmt man in Kauf. Die Leute verdienen ja immer, dass wir alles geben. Das tun wir auch und haken das Konzert danach ab.

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Was die Lovebugs mit Züri West gemeinsam haben: Die Fans beider Bands werden älter. Eine dankbare oder undankbare Situation? Ich glaube, das ist ganz gut so: Unsere Inhalte bewegen sich ja auch nicht im Teenager-Umfeld. Was aber nicht heisst, dass alle Fans bereit sind, mit uns jeweils auf eine neue Reise zu gehen, wie sich beim Album «The Highest Heights» zeigte. Allein das Cover, das verhältnismässig kühl wirkte, schien einige Leute zu irritieren. Es war vielleicht ein zu nordisches Album für manche unserer Fans. Was wollen denn Ihre Fans? Das ist sehr schwer zu sagen. Melodiöse Musik, die nicht einem Trend folgt. Musik, mit der wir niemandem beweisen müssen, dass wir so cool sind wie diese oder jene Band. Kam es denn schon vor, dass Sie das versucht haben? Ja, ich glaube schon. Ich mag «The Highest Heights» enorm. Aber im Nachhinein denke ich: «Mann, wie abenteuerlich waren wir da unterwegs?!»

Aber dieses Album ist doch nicht Jazzrock oder Prog-Metal, sondern Pop. Schon. Trotzdem war es zu abgefahren für den Mainstream. Es hatte kaum Refrains, bei denen man mitsingen konnte. Wenn man von der eigenen Musik leben will, kann man sich das offenbar kaum leisten. Sie sind seit zwei Jahren Vater. Drängen sich seither existenzielle Fragen vermehrt auf ? Ja, auch weil ich vierzig werde und vermehrt auf die letzten zehn Jahre zurückblicke. Ich kann nicht davon ausgehen, dass die Band in fünfundzwanzig Jahren noch immer erfolgreich ist, muss also von Album zu Album schauen, wie es weitergeht. Was bleibt, ist das Warten, die Hoffnung auf den Erfolg. Aber Erfolg haben Sie ja mit den Lovebugs. Sie sind noch immer eine der erfolgreichsten Schweizer Bands. Aber ich rede von einem noch grösseren Erfolg. 2006 haben wir mit «In Every Waking Moment» mehr als vierzigtausend Platten verkauft. Danach hätte im Ausland etwas passieren müssen, aber uns fehlten die Kontakte. Heute wären wir zufrieden, wenn wir dieses Niveau an Verkäufen wieder erreichen würden. Ansonsten wird es für uns alle schwierig, weiterhin professionell Musik machen zu können. Nicht nur wegen der geringeren Einkünfte durch die CD-Verkäufe, sondern auch, weil die Konzertgagen bei einem Misserfolg mittelfristig runtergehen. Könnten Sie sich denn vorstellen, dereinst als Session-Musiker zu leben? Eher nicht. Mein Sicherheitsbedürfnis ist dafür zu gross. Kommt hinzu, dass ich zweihundert Konzerte pro Jahr spielen müsste, um angenehm leben zu können. Das ist in der Schweiz ziemlich unrealistisch. Ich glaube, eher würde ich die Musik zurückfahren und wieder als Lehrer arbeiten.


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Will you catch me when i fall? S o n g u n d A l b u m « T h e H i g h e st H e i g h ts »

D er Eu r ov i s i o n s o n g c o n t est i n M o s k au

Nicht einmal in ihren kühnsten Träumen hätten sich die Lovebugs eine solche Szene ausgemalt: Da sassen sie in einem viel zu grossen Reisebus und wurden, flankiert von einer Polizeieskorte mit Blaulicht, zur Moskauer Olympiahalle chauffiert. Simon rieb sich ungläubig die Augen, Stefan lachte verlegen, und Adrian packte die Digicam aus, um die schräge Kombination aus Rock’n’Roll, Luxus-Shuttle und Stalin-Architektur festzuhalten. Welch ein VIP-Service – und dabei fuhren sie doch nur zu einer Durchlaufprobe! Allerdings nicht für irgendeinen Anlass, sondern für die grösste Show der Welt: den Eurovision Song Contest. Die Entscheidung teilzunehmen, war nicht leichtgefallen. Thomas hatte sich zunächst stark dagegengestemmt. «An einen solchen Anlass gehören wir doch nicht hin, damit schaden wir doch unserem Ruf!» Am Ende langer Diskussionen räumte Adrian alle Bedenken aus dem Weg: «Wir haben nichts zu verlieren, solange wir uns treu bleiben!»

So kam es, dass mit den Lovebugs 2009 eine Band die Schweiz vertreten und vor hundert Millionen TV-Zuschauern ihr Lied «The Highest Heights» singen sollte. Zehn Tage vor ihrem Auftritt landeten die fünf in der russischen Hauptstadt, begleitet von einer Delegation des Schweizer Fernsehens sowie einer kleinen Entourage: Manager Eric Kramer, Lichtdesigner Roger Staub und Vocal-Coach Robin D. Tagsüber schliffen sie an den Gesängen und nahmen Pressetermine wahr, nachts stürzten sie sich in ein Lada-Taxi und ins Vergnügen. Die ausgehfreudige Gattin eines Schweizer Handelsvertreters für Unterwäsche öffnete ihnen etwa die Türen zu Moskaus «most bohemian club»: dem Solyanka, wo die russische Jeunesse dorée zu elektronischer Musik tanzte und in tiefgefrorenen Gläsern bester Wodka serviert wurde. Prickelnde Momente.

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Bei den glamourösen offiziellen Empfängen meisterten die Lovebugs So leger die Lovebugs sich im Vorfeld auch gaben: Vor ihrem grossen ihre Aufgabe souverän und geschickt: Während die Konkurrenz in Auftritt am 12. Mai ergriff auch sie eine Nervosität. Immerhin standen sie knappsten Kleidchen umherstöckelte oder in extravaganten Anzügen unter Beobachtung durch einen ganzen Kontinent. «Will you catch me wippte, schlenderten die fünf Basler betont lässig, in dunkle Lederjacken when I fall?», rief Adrian in die ausverkaufte Olympiahalle. Das Publikum gehüllt, über die roten Teppiche. Und sorgten so für mehr Aufsehen als johlte und klatschte zu den Disco-Beats. Doch die Euphorie griff nicht manche Sängerin, die nur dank ihrer High Heels über sich hinauszuwach- auf Europas Wohnzimmer über, wie sich herausstellte. Ausgeschieden. sen vermochte. Indem sie sich visuell und musikalisch von den anderen Teilnehmern unterschieden, waren die Lovebugs für beide Fälle bes- Niedergeschlagen stieg die Band in den Bus und fuhr zum Hotel zurück. tens vorbereitet: Sollten sie im Halbfinal ausscheiden, konnten sie sich «Was mich am meisten angurkt, ist, dass wir jetzt in den gleichen Topf wie auf ihre Aussenseiterrolle berufen. Würden sie weiterkommen, ebenso. alle unsere Vorgänger geschmissen werden», sagte Thomas. Und dennoch ging er mit den anderen einig: «Die bizarre Mischung aus Musik, Etwas gewannen sie bereits in den Tagen vor ihrem Auftritt: das Herz Olympia und Zirkus war interessant, ich würde es wieder machen.» Für der andorranischen Sängerin Susanne Georgi. Sie schwärmte vor lau- Simon zählte einzig der olympische Gedanke: «Wir haben so viele tolle fenden Kameras von den «bestaussehenden Jungs des Wettbewerbs» – Leute aus allen möglichen Ländern getroffen – auf keinen Fall möchte und forderte die Lovebugs an einer Party in der imposanten Manegniy ich diese Erfahrung missen!» Hall dazu auf, unter ihren Rock zu schlüpfen. Auch dem Musikchef des finnischen Staatsradios gefiel der Rock, genauer: der Rockeinfluss, den Aufmunternde Worte fand schliesslich auch Manager Kramer nach eier im Song «The Highest Heights» ausmachte. «Sie sind eine echte Band, nem Blick auf sein Smartphone: «Jungs, in Schweden sind wir in den das merkt man – und das werden einige TV-Zuschauer honorieren. Aber Top 10 der Alternative-Charts von iTunes», verkündete er. Auch in anes wird eng», lautete seine Prognose. Für die Russen selber waren die deren Ländern stiegen die Verkäufe über Nacht an. Die fünf Schweizer Lovebugs kein unbeschriebenes Blatt, wie die Band zu ihrem Erstaunen hatten also doch Freunde in Europa. Einen zweiten Lichtblick erlebte feststellte: In einem Interview mit Radio Moskau erfuhren sie, dass ihre Florian später, als er morgens um fünf durch ein Fenster im 18. Stock Single «Under My Skin» vor einigen Jahren rauf- und runtergespielt wurde. aufs Hoteldach kletterte, mit einem Fläschchen im Täschchen. Bei einem Schluck Wodka – ein bitteres Geschenk der weissrussischen DeDie Proben ihrer Konkurrenten versuchten die Lovebugs auszublenden. legation – gönnte er sich den Sonnenaufgang hinter der Elf-MillionenAbsichtlich: «Würden wir den ganzen Tag in der Olympia-Halle sitzen, Stadt. Gewaltig. «Das hätte ich gerne als Gewinner erlebt», murmelte er. die Performances der anderen anschauen und ihre Tricks analysieren, Sonnenklar. Trost. Prost. Und Abgang. liefen wir Gefahr, unsere Stärken zu vergessen: als klassische Band aufzutreten, ohne Feuerspucker und Tamtam. Immerhin sollte es ja um den besten Song gehen bei diesem Wettbewerb.» Tatsächlich wirkten die Lovebugs geradezu exotisch in diesem schrillen Eurovision-Ensemble. Als die Veranstalter wissen wollten, wie viel Zeit die Band für ihre Garderobe benötigen würde, antwortete Manager Kramer knapp: «Make-up: 5 minutes. Hairdresser: 2 minutes. Hairstyle: stinky and unwashed». Die Maskenbildnerinnen im BackstageBereich schluckten leer – und waren froh darüber, dass ihnen dank anderer Mitwirkender wie der Burlesque-Tänzerin Dita von Teese nicht die Arbeitslosigkeit drohte.


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Life Is Today A l b u m « L i f e i s to day»

Im St u d i o

Die längsten Gespräche, die die Lovebugs im Vorfeld ihres neuen Albums führen, drehen sich nicht um die Songs, sondern um den Songveredler. Wer soll das Album produzieren? Im Frühling 2011 herrscht Uneinigkeit darüber. Adrian denkt laut darüber nach, ob diesmal überhaupt ein externes Ohrenpaar notwendig sei. Simon entgegnet, es habe noch nie geschadet, wenn jemand Aussenstehendes Ratschläge erteilte. Also greift die Band zum Telefon, kontaktiert zwei, drei Produzenten und verschickt Demoaufnahmen zur Anhörung. Es kommt zu ersten Treffen.

Camenzind, der vor fünf Jahren das Lovebugs-Album «In Every Waking Moment» produziert hatte, spaltet mit seinem Plädoyer die Band. «Ich sehe nicht ein, weshalb wir uns neu erfinden sollten», meint Adrian. Simon und Stefan finden, der Rat sei eine Überlegung wert. Und Florian wiederum vertritt die Meinung, dass die Band das neue Album im Alleingang aufnehmen sollte. Man einigt sich am Ende darauf, einen Partner für die Aufnahmen zu suchen und einen Teil der Overdubs in Eigenregie einzuspielen.

An einem Tag im Mai rauscht Roman Camenzind vom Zürcher Hitmill Studio in den Dreispitz. Bei einem Becher Kaffee empfiehlt er den Lovebugs eine musikalische Verjüngungskur. Klassische Bands entsprächen nicht mehr den Hitparaden-Standards, weshalb er den Sound der Gruppe modernisieren würde – im Stil der amerikanischen Popband OneRepublic.

Ganz oben auf ihrer Liste steht bald Thomas Fessler. Der erfahrene Zürcher hat Alben von Sina, Adrian Stern oder Michael von der Heide produziert – und zuletzt 77 Bombay Street auf die Erfolgsspur geführt. Er verfolgt dieselbe Philosophie wie die Lovebugs: gemeinsam nach Farbtupfern suchen, die die Klangbilder veredeln. Am 2. Juni 2011 – andere Familien feiern an diesem Tag Auffahrt – treffen sie sich zum Schnuppertag im Basler Untergrund. Der Produzent trägt ein T-Shirt mit dem Aufdruck «You Never Have Enough Guitars» – und hat damit Thomas’ Sympathien schon gewonnen. Töme, wie die Lovebugs Fessler nennen, analysiert einen Song und erarbeitet mit der Band probehalber erste Arrangement-Ideen. Es gilt herauszufinden, ob eine Zusammenarbeit befruchtend wäre.

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Einige Wochen später taucht Töme Fessler am Glattburg Fest auf. Er hat die Lovebugs selten live erlebt, ist beeindruckt von ihrer professionellen Show. Dennoch vermisst er etwas: die Intimität. «Eure ‹Wall Of Sound› hat auf Dauer etwas Erschlagendes», sagt er und wünscht sich das Repertoire ein wenig grobkörniger. «Dann würden mich manche Songs noch mehr berühren, dann käme auch der Gesang besser zur Geltung.»

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Daneben motiviert er das Quintett auch, sich auf Experimente einzulassen. Dafür schafft er den nötigen Raum. «Man ist Psychologe und sechstes Bandmitglied», sagt Fessler. Und man ist gegenseitig offen. Ein Ende auf einem anderen Akkord? Warum nicht. Ein anderer Synthiesound? Einen Versuch wert. Die Diskussionen im Regieraum sind konstruktiv, von Knatsch oder Stress keine Spur.

Eine konstruktive Kritik, die die Band annimmt. Der Respekt ist ge- «Genau das hatte ich mir erhofft», sagt Simon erfreut. «Wir können bei genseitig, das Interesse auch – worauf noch im Sommer Termine für Töme Verantwortung abladen, aber auch gemeinsam für oder gegen etdie Studioaufnahmen fixiert werden. Ende Oktober, nach einem Kurz- was kämpfen. Das bringt die Band voran und schweisst sie zusammen.» urlaub, pendeln die Lovebugs täglich nach Zürich, knallen sich jeweils morgens mit einem Kaffee aufs Studio-Sofa, hören sich die Aufnahmen Fessler ist nicht der einzige Externe, der in die Aufnahmen involviert des Vortages an, singen, spielen Lieder ein – und sind spätabends zurück ist. Schon bevor die Lovebugs ins Studio gingen, hatte Adrian die Idee, bei ihren Familien. zwei seiner Lieblingssänger für Duette anzufragen: Søren Huss von der dänischen Band Saybia, und Sarah Bettens, die Sängerin der belgischen Im umgenutzten Industriegebäude an der Badenerstrasse fühlen sie sich Gruppe K’s Choice. Beide haben ihre Karrieren zur selben Zeit wie die bestens aufgehoben: der Aufnahmeraum hat eine stimmige Ambiance, Lovebugs gestartet. Wochenlang lässt der Skandinavier auf eine Antwort fürs Vergnügliche sorgen Comics, eine Küche und, gleich nebenan, eine warten. Als Saybia im November für drei Konzerte in die Schweiz komganze Bierbrauerei. In diesen Kessel von Altstetten begeben sich selbst men, hakt Adrian nach und erhält eine SMS von Søren Huss: Kannst mich FCB-Fans gerne, um nebst ihrer Inspiration auch mal ein kühles Blon- abholen, im Hotel in St. Gallen. Adrian spielt den Chauffeur, Thomas des anzuzapfen. Rechberger den Aufnahmeleiter. Nach drei Stunden ist das Duett «Little Boy» eingespielt. Die lockere Atmosphäre manifestiert sich auch musikalisch: Nach zwei Wochen sind die «Basics», die Song-Fundamente, auf Harddisk fest- Sarah Bettens, die Sängerin von K’s Choice, ist einfacher zu erreichen, gehalten – kleine Überraschungen inklusive. Das Lied «Disco Super obschon die Distanz zu ihr noch grösser ist: Die Belgierin lebt in Los Fly» etwa hat den Charme einer lockeren Lagerfeuernummer. Als es Angeles. Adrian schreibt ihr eine E-Mail, schickt ihr eine Demoversion im Kasten ist, scherzt Thomas: «Jetzt müssen wir noch klatschen und von «The Letting Go». Sie sagt umgehend zu, als Duettpartnerin mitzustampfen, das macht man doch so bei diesen Liedern.» Töme Fessler wirken. Pro-Tools-Files werden über den Atlantik geschickt, und noch dreht sich vom Mischpult zur Couch um und ergänzt: «So steht es in der vor Weihnachten ist «The Letting Go» abgemischt. Stilbibel unter L wie Lumpeliedli!» Auf ein kollektives Gelächter folgt ein kollektives Gerassel. Als Gruss aus dem Studio speisen die Lovebugs diese atmosphärische Ballade ins World Wide Web ein. Und sie bescheren sich an Weihnachten Worin unterscheiden sich die Lovebugs von anderen Künstlern, mit auch selber: Fünfzehn Songs sind fertig aufgenommen. Der Albumtitel denen Thomas Fessler zusammengearbeitet hat? «Sie sind enorm gut steht: «Life Is Today». 2012 wird das Werk veröffentlicht. Es markiert das vorbereitet, ihr Songwriting ist auf einem bewundernswert hohen Le- Ende eines zweijährigen Zyklus. Und den Anfang eines neuen Abenvel», lobt der Produzent. Auffallend finde er auch, wie konzentriert sie teuers. alle seien und wie ernst sie ihren Beruf nähmen. «Meine Aufgabe ist es, die magischen Momente im Studio zu ermöglichen. Das Vertrauen zu schaffen, sodass sich jeder Musiker entspannt dem Augenblick hingeben kann.» Kräuselt es den Produzenten im Nacken, dann weiss er, dass er gerade einen solchen Moment erlebt hat. Erfreulich oft sind es die «first takes», die ersten Durchläufe, die überzeugen. «Die Rohdiamanten», wie Fessler sie nennt.


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Sarah Bettens: Gasts채ngerin


S Ă˜ r e n H u ss : G a s t s ä n g e r

T h o m a s F e ss l e r : P r o d u z e n t

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Retro Die C h r o n o lo g i e

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September Erster Auftritt ausserhalb Basels: im Dynamo Zürich, vor zwei zahlenden Zuschauern.

August Aufnahmen im Relief Studio, Belfaux.

APRIL Erste Songs entstehen auf 4-SpurRecorder: «Anticipation», «Take Me As I Am», «Lovebugs», «She’s A Butterfly», «Nincompoop».

J u li Erstmals als Musiker auf dem Berner Gurten.

J u li /A u g u s t

J u li

Erste Aufnahmen im Factory Studio Basel und im Dionysos Studio in Oensingen. Simon übernimmt den Posten am Schlagzeug.

Gewinn des Bandwettbewerbs Marlboro Rock-In.

J a n u ar «Fluff», das erste Album, erscheint bei COD/Tuxedo. Auflage: ca. 1000 Stück.

3

2

1993

1994

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Juni Gewinn des Nachwuchswettbewerbs «Sprungbrett» im Sommercasino Basel. Auf der Bühne: Julie Lagger (Schlagzeug), Sebastian Hausmann (Bass).

A pril Erster Auftritt in der Romandie – im Bikini Test in La Chaux-de-Fonds.

Juni Auftritt im legendären Musikclub Atlantis Basel. 1

F e b r u ar In den gemeinsamen Skiferien hören sich die Lovebugs erstmals im Radio – DRS3 spielt den Song «Anticipation».

September Die EP «Slumber» erscheint.


August Auftritt am Paléo Festival Nyon.

Mai

September

Die Single «Take Me As I Am» wird veröffentlicht.

Feature in der «Schweizer Familie».

6 4

1 84

1995

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J u li Erste Konzerte im Ausland: in Lissabon und Tallinn (Estland).

N ov e m b e r Veröffentlichung der EP «Starving».

Juni Das zweite Album «Tart» erscheint bei Musikvertrieb, Zürich.


Oktober Zum ersten Mal in den Schweizer Albumcharts: eine Woche lang, auf Platz 44.

Dezember DRS3 überträgt erstmals ein Konzert der Lovebugs live «uff dr Gass».

August Die Single «Fantastic» wird veröffentlicht. 7

1996

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September Das dritte Album erscheint: «Lovebugs».

Juni

N ov e m b e r

Aufnahmen im Londoner Alaska Studio mit Tony Harris.

Die Lovebugs posieren für eine Modestrecke in der Zeitschrift «annabelle».

N ov e m b e r Die Lovebugs in Mundart: «I han e Giraff unterem Bett» heisst ihr Beitrag für die Kinderlieder-CD «Ohrewürm 2».


J u li Auf Deutschland-Tour mit Mark Owen (Ex-Take-That).

J a n u ar Die Band unterzeichnet einen Management-Vertrag mit Eric Kramer aus Zürich (Gadget).

F e b r u ar «Fantastic» wird in Deutschland veröffentlicht.

J a n u ar Videodreh zu «Fantastic» in Hamburg.

März

A pril Zum ersten und letzten Mal taucht die Band in der Jugendzeitschrift «Bravo» auf.

9

Konzert im Logo, Hamburg, danach Zusage von BMG Hamburg für einen Plattenvertrag. 8

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1997 J a n u ar – M ä r z Club-Tour Schweiz.

J a n u ar Neuaufnahmen von «Fantastic» und «Fingers And Thumbs» für BMG Hamburg, unter der Ägide von Produzent George Shilling.

A pril Gitarrist Thomas Rechberger wechselt von Supernova zu den Lovebugs, zunächst nur als Live-Gitarrist.

März Deutschland-Tour mit Republica.

N ov e m b e r Deutschland-Tour im Vorprogramm von Ocean Colour Scene.

N ov e m b e r Veröffentlichung der Single «Marilyn».


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Dezember

F r ü h li n g

Ocean Colour Scene werfen die Lovebugs raus. Die Basler stahlen ihnen die Show.

Thomas Rechberger wird viertes Bandmitglied.

September 10

Beim Open Air auf dem Bundesplatz spielen die Lovebugs erstmals «Angel Heart». SF filmt es, aus den Aufnahmen entsteht ein Videoclip.

J a n u ar / F e b r u ar Deutschland-Tour im Vorprogramm von Vidid. 12

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1998 J a n u ar Das Album «Lovebugs» wird von RCA/BMG in Deutschland veröffentlicht – mit neuem Cover und veränderter Tracklist.

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Mai Aufnahmen zu «Angel Heart» in einem Münchner Tonstudio.

Dezember «Angel Heart» gewinnt den «Goldenen Hasen» von «10 vor 10» für den Besten Song 1998.

Juni Veröffentlichung der Single «Angel Heart».


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August Die Lovebugs schliessen einen Künstlervertrag mit Warner Music Schweiz ab und nehmen mit Tony Harris im Basler Megapeng Studio ein neues Album auf.

F e b r u ar

Oktober

Die Lovebugs verkrachen sich mit BMG Hamburg und trennen sich von der Plattenfirma. In der Schweiz sind sie Musikvertrieb gemäss Vertrag noch ein Album schuldig.

Neue Songs für das erste Album bei Warner werden im Galaxy Studio (Belgien) von Ronald Prent abgemischt.

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1999 17

J u li Aufnahmen für das Album «Live Via Satellite – The Radio X Session».

N ov e m b e r In Los Angeles drehen die Lovebugs das Video zu «Under My Skin» – die Single steigt noch im selben Monat in die Schweizer Charts ein.

N ov e m b e r Veröffentlichung der Single «Under My Skin».


J a n u ar Das Album «Transatlantic Flight» wird veröffentlicht. Die Lovebugs schaffen es erstmals in die Top 3 der Schweizer Album-Hitparade.

September Die Single «Wall Of Sound» wird veröffentlicht.

März Die Lovebugs reisen für eine Promo-Tour nach Norwegen.

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2000

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J a n u ar –A pril

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Clubkonzerte im Rahmen der «Transatlantic Flight»-Tour. Stefan Wagner stösst als LiveKeyboarder zur Band. 20

August Die Festival-Tour wird gekrönt mit einem Auftritt vor 45 000 Zuschauern: im Letzigrund-Stadion Zürich, als Support von Bon Jovi.

September Die Aufnahmen zum Album «Awaydays» beginnen und dauern rund vier Monate. Thomas Rechberger ist Produzent. 22

F e b r u ar Die Single «Bitter Moon» erscheint.


Juni Im Greenwood Studio in Nunningen wird «Coffee And Cigarettes» für Deutschland neu aufgenommen.

F e b r u ar Fotoshooting für die Aprilausgabe der Modezeitschrift «Bolero».

N ov e m b e r / D e z e m b e r Die Lovebugs richten sich ihren Proberaum im Basler Dreispitz neu ein und bauen sich ihr eigenes Studio: «Ground Control».

September «Coffee And Cigarettes», die Single, wird veröffentlicht. 1 90

2001

Mai

September

Das Album «Awaydays» steigt auf Platz 1 in die Schweizer AlbumHitparade ein.

Eröffnung des neuen Fussballstadions St. Jakob-Park in Basel: Die Lovebugs spielen vor Bryan Adams.

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September E-Mail-Anfrage an Florian, ob er als Bassist einsteigen würde.

Dezember Letztes Konzert mit Baschi in der Waldmannshalle, Zug. 24

März Die Single «Music Makes My World Go Round» erscheint.

Sommer Festival-Tour.

Herbst Club-Tour zu «Awaydays».


J u li «Flavour Of The Day» steigt in die Schweizer Hitparade ein und hält sich da 16 Wochen lang. 25

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2002

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A pril Die Single «Flavour Of The Day» erscheint. Es ist der erste Song in der neuen Besetzung mit Florian Senn (Bass) und Stefan Wagner (Keyboards).

Herbst In Apulien schreiben die Lovebugs neue Lieder.

J a n u ar Die Lovebugs werden mit Stefan Wagner und Florian Senn offiziell zum Quintett.


Mai Das Album «13 Songs With A View» wird veröffentlicht und schafft es auf den achten Platz der Schweizer Hitparade.

J a n u ar / F e b r u ar In den Basel City Studios und im Q-Lab Studio werden neue Lieder aufgenommen.

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2003 29

J u n i –A u g u s t 27(1–5)

Auftritte an Open Airs wie St. Gallen oder Gurten.

APRIL Die Single «A Love Like Tides» erscheint.


Mai Warner Schweiz stellt sein nationales Repertoire ein. Die Lovebugs unterschreiben bei ihrem Management Gadget einen Plattenvertrag.

Herbst Club-Tour durch die Schweiz.

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J a n u ar 30

Bis August arbeiten die Lovebugs an neuen Songs und Arrangements für eine Akustikplatte. Chris von Rohr schaut dafür alle zwei Wochen im Proberaum vorbei.

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2004 N ov e m b e r Die Band wird für die nächsten sieben Jahre Mitglied im Patronatskomitee der ProNatura-Aktion «Hallo Biber!». Das Ziel der Wiederansiedlung wird erreicht.

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A u g u s t Erstmals präsentieren die Lovebugs ihre Unplugged-Songs im Theater Basel. Mona Vetsch sagt sie an, ein mobiles Studio macht Aufnahmen.

A pril Die Lovebugs im Schoss der Jungfrau: Sie spielen am SnowpenAir auf der Kleinen Scheidegg.

Oktober Die Lovebugs treten im LetzigrundStadion Zürich auf – als Vorband der Rolling Stones und vor 45 000 Zuschauern.

N ov e m b e r Die Lovebugs spielen erstmals an der AVO Session in Basel.


N ov e m b e r Promo- und Konzerttour für «Naked» im fernen Taiwan.

JanuaR Das Album «Naked» landet direkt auf Platz 1 der AlbumCharts. 34

F r ü h li n g Club-Tour mit den akustischen Songs. 1 94

2005 F e b r u ar Die Lovebugs auf Glatteis: Mit Sänger Seal sorgen sie für den musikalischen Rahmen von Art On Ice in Lausanne und Basel. Mit von der Partie: Der Eiskunstlauf-Weltmeister Jewgeni Pluschenko (Mitte).

35

D EZEMBE R Tour de Altersheim als Zivilschützer.

33

Sommer Festival-Tour, darunter Auftritte in Bern (Gurten), Zürich (Live At Sunset) und Montreux (Jazz Festival).


F r ü h ja h r

38(1–2)

Neue Songs entstehen in den Basel City Studios und im eigenen Proberaum. Als Produzent fungiert Roman Camenzind.

September Die Lovebugs schaffen es mit der Single «Avalon» ersmals in die Top 10. Das Lied hält sich 38 Wochen in den Schweizer Charts. 36

September Mai Die Single «The Key» erscheint.

2006

Bei den «Miss Schweiz»-Wahlen in Genf spielen die Lovebugs «Avalon» mit der norwegischen Gastsängerin Lene Marlin (rechts). 39(1–3)

195

Juni Das Album «In Every Waking Moment» wird veröffentlicht. Erneut gelingt den Lovebugs der Sprung an die Spitze der Charts.

S e p t e m b e r – N ov e m b e r Clubtour durch die Schweiz.

Dezember Die Lovebugs werden für das erfolgreichste Schweizer Album des Jahres geehrt.

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J u n i –A u g u s t Festival-Tour. Höhepunkte: 60 000 Besucher am Argovia Fäscht und der Auftritt vor 65 000 Zuschauern als Support der Rolling Stones in Dübendorf (5. August).

Oktober Das Album «In Every Waking Moment» wird mit Platin ausgezeichnet, es verkauft sich in der Schweiz 44 000 Mal.


März «Avalon» klettert in die Top 40 der deutschen Airplay-Charts.

Oktober/ N ov e m b e r Richard Rainey reist aus England an und nimmt in den Basel City Studios das neue Album auf.

September 2007 b is F r ü h li n g 2 0 0 8

J a n u ar

Erstmals nach 14 Jahren legen die Lovebugs eine Pause ein.

Auftritt an der Musikmesse Midem in Cannes.

J a n u ar

Juni

«In Every Waking Moment» erscheint in Japan.

Reise nach Norwegen, wo die Single «Avalon» ebenfalls erschienen ist .

42

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Mai – September Proben und Songwriting für ein neues Album.

40

196

2007

2008

Mai Club-Auftritte in Deutschland.

Sommer Festival-Auftritte in der Schweiz.

F e b r u ar Veröffentlichung von Adrians Soloalbum.

J a n u ar / F e b r u ar Deutschland-Tour, als Vorgruppe von Reamonn.

Dezember Die Single «21st Century Man» wird veröffentlicht.


43(1–5)

Mai Die Lovebugs treten am Eurovision Song Contest in Moskau auf und scheiden im Halbfinal aus.

J a n u ar Das Album «The Highest Heights» kommt auf den Markt und landet auf Platz 2 der Schweizer Hitparade.

Oktober Das neue Lied «Shine» kündigt ein «Best of»-Album an.

A pril 45

Konzerte in London und in Los Angeles.

2009

1 97

44(1–2)

F e b r u ar / März

N ov e m b e r

Konzert-Tour durch die Schweiz.

Juni–September Festival-Auftritte in der Schweiz.

März Die Single «The Highest Heights» erscheint – der Schweizer Beitrag für den Eurovision Song Contest.

«Only Forever», die erste «Best of»-Compilation von Singles, erscheint. Höchste Platzierung in den Albumcharts: Rang 11.


F e b r u ar Die Lovebugs und das Sinfonieorchester Basel geben im Stadtcasino Basel drei Konzerte.

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September Aufnahmen des Filmsoundtracks «Stationspiraten». Adrian komponiert die Songs, die Band spielt mit. 49

D e z e m b e r  – März

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«Best of»-Tour durch die Schweiz.

198

2010

2011 N ov e m b e r – J a n u ar Proben für Konzerte mit dem Sinfonieorchester Basel.

A u g u s t– Mai Songwriting für ein neues Album.

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September Vorbereitung des neuen Albums: Fotoshootings in Kreta.

März «Coffee and Cigarettes», das Buch über die Band, erscheint.

2012

199

J a n u ar

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Ein erstes Klangbeispiel findet den Weg ins Netz, «The Letting Go», mit Gastsängerin Sarah Bettens.

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A pril Mit «Life Is Today» kommt das elfte Album der Lovebugs auf den Markt.

J u n i /J u li «Summer Spin»-Tour.

Oktober– Dezember Aufnahmen fürs neue Album unter der Ägide von Thomas Fessler.

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D i e Vid e o s a u f DV D 1. Angel Heart (1998)

2 00

Regie: Luki Frieden 2. Flavour Of The Day (2002)   Regie: Daniel Pierre Cherbuin 3. Everybody Knows I Love You (2005)  Regie: Chris Niemeyer, Gion Reto Killias 4. The Key (2006)   Regie: Simon Steuri, Lisa Blatter 5. The Highest Heights (2009) Regie: Simon Ramseier 6. Avalon, feat. Lene Marlin (2006)   Regie: Moritz Adler 7. Wall Of SounD (2000)   Regie: Daniel Pierre Cherbuin 8. Back To Life (2007)   Regie: Simon Ramseier 9. 72’ (2003)   Regie: Pascal Bloch 10. Under My Skin (1999)   Regie: Reto Caduff 11. 21st Century Man (2009)   Regie: Simon Ramseier 12. Music Makes My World Go Round (2001)   Regie: Chris Niemeyer 13. Bitter Moon (2000)   Regie: Daniel Pierre Cherbuin 14. A Love Like Tides (2003)   Regie: Ivo Wejgaard 15. Shine (2010)  Regie: Simon Ramseier 16. Lovebugs (First Concert) 3. 8. 1993 17. Whirlpool (1995)  Regie: Urs J. Guggisberg 18. Emily (1995)  Regie: Urs J. Guggisberg

Bild n ac h w e is Seiten 9–180 sowie Posterbanderole – Alle Bilder: Tabea Hüberli Seite 183 1: Archiv | 2: Julian Salinas  |  3: Christian Knörr Seite 184 4/5: Urs Guggisberg  |  6: Marc Wetli Seite 185 7: Archiv Seite 186 8/9: Archiv Seite 187 10: Nico Aebi  |  11–14: Archiv Seite 188 15–18: Archiv Seite 189 19: Gian Paul Lozza  |  20–22: Archiv Seite 190 23/24: Archiv Seite 191 25: Andri Pol  |  26(1–4): Peter Whinyates Seite 192 27(1–5): Andri Pol  |  28–29: Sybil Tschopp Seite 193 30–31: Archiv | 32: Dominik Plüss Seite 194 33: Archiv | 34/35: Reto Caduff Seite 195 36: Reto Caduff  |  3 7: Minielle Wagner  |  38(1)/39(1–3): Archiv  |  38(2) Martin Öggerli Seite 196 40: Archiv | 41: Croci/De Fresne  |  42: Lea Meienberg Seite 197 43(1–5)/44(1–2): Archiv | 45: Lea Meienberg Seite 198 46–49: Tabea Hüberli Seite 199 50–52: Tabea Hüberli

I m pr e ss u m Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek: Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar. ISBN 978-3-85616-532-1

© 2012 Christoph Merian Verlag  |  www.merianverlag.ch Alle Rechte vorbehalten; kein Teil dieses Werkes darf in irgendeiner Form ohne vorherige schriftliche Genehmigung des Verlags reproduziert oder unter Verwendung elektronischer Systeme verarbeitet, vervielfältigt oder verbreitet werden. Lektorat: Katharina Blarer, Zürich Gestaltung: Andreas Hidber, accent graphe, Basel Lithografie: accent graphe, Basel Druck: Offsetdruckerei Grammlich, Pliezhausen Bindung: Buchbinderei Lachenmeier, Reutlingen Schriften: Lyon von Kai Bernau, Calibre von Kris Sowersby Papiere: LuxoArt Samt New 150 g/m2, EOS 2.0-fach gelblichweiss 100 g/m2 (Inhalt);

Surbalin 115 g/m2 (Vor-/Nachsatz); Printa 35 Offsetleinen (Überzug); LuxoArt Samt New 115 g/m2 (Posterbanderole) Verlag und Autor danken den folgenden Institutionen, ohne deren finanzielle Unterstützung dieses Buch nicht hätte realisiert werden können:


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