Ethikkommission TU Darmstadt (Psychologie)

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Ethik-Kommission am Institut für Psychologie Technische Universität Darmstadt Merkblatt zum Antrag auf Prüfung der ethischen Unbedenklichkeit 1. Ethische Grundprinzipien Bei wissenschaftlichen Studien mit Menschen und Tieren sind die VersuchsleiterInnen verpflichtet, ethische Grundprinzipien einzuhalten. Wenn Zweifel an der ethischen Unbedenklichkeit einer Studie bestehen, sollen sich verantwortliche VersuchsleiterInnen vor der Durchführung der Studie an die Ethikkommission ihres Instituts/Fachbereiches wenden. Dieses Merkblatt wurde auf der Grundlage eines ähnlichen Dokuments der Phillips-Universität Marburg erstellt und soll das Ausfüllen des Fragebogens erleichtern, den verantwortliche Versuchsleiter/innen bei der Ethikkommission einreichen. 1.1. Unversehrtheit: Bestehen durch die Untersuchung Gefahren für die seelische und/körperliche Gesundheit bzw. Integrität der Probanden (Ppn)? Wenn ja, sind die potentiellen Nebenwirkungen durch den Nutzen der Studie gerechtfertigt? Gibt es einen Notfallplan für Pbn, die durch die Studie in eine Krise gestürzt werden könnten oder bei denen körperliche Probleme auftreten? Könnte bei der Studie eine Verletzung der körperlichen Unversehrtheit eintreten oder ist sie sogar vorgesehen (Schmerzinduktion)? Ist das Risiko für körperliche Schäden durch die Teilnahme an der Studie erhöht? Ist das Risiko für die Entwicklung psychischer Probleme durch die Studienteilnahme erhöht? 1.2. Täuschung: Sieht das Studienprotokoll vor, Pbn über die Absicht der Studie im Unklaren zu lassen oder zu täuschen? Wenn ja, muss Nutzen der Studie die Täuschung überwiegen und diskutiert werden, ob nicht durch andere Studiendesigns ohne oder mit geringerer Täuschung ähnliche Erkenntnisse gewonnen werden können. Begründen Sie bitte, warum eine Täuschung notwendig ist und Erkenntnisgewinn nicht durch andere Studien erreicht werden kann. Erklären Sie bitte, wann der Pb wie über die Täuschung aufgeklärt wird und wie Sie mit evtl. negativen Reaktionen des Pbn verfahren. 1.3.´„Kosten-Nutzen-Aufwand“ Eine Studie erbringt für die Wissenschaftler und ggf. auch für die Gesellschaft einen Erkenntnisnutzen, für die Studienteilnehmer ist sie jedoch mit Aufwand und Mühen verbunden. Deshalb gilt es zu prüfen, ob Aufwand für Pbn in einem sinnvollen Verhältnis zum Nutzen der Studie liegt. Es muss überlegt werden, ob das Studiendesign sinnvoll ist oder ob sinnvolle Ergebnisse aus der Studie unwahrscheinlich sind (z.B. zu wenig Power; Ergebnisse schwer interpretierbar; PbnAkquise problematisch etc.) und daher aus ethischen Aspekten der Aufwand für die Pbn nicht gerechtfertigt ist. Kann mit ausreichend hoher Wahrscheinlichkeit ein erfolgreicher Studienverlauf erwartet werden? Wurde eine Pbzahlschätzung vorgenommen? Was ist der Erkenntnisgewinn aus der Studie? Stehen Aufwand für Pbn und Erkenntnisgewinn in einem sinnvollen Verhältnis?


1.4. Gerechtigkeit Hier ist die Frage zu klären, aus welchen Motiven Pbn an der Studie teilnehmen. Ist die Stichprobe identisch mit der Population, die durch den Erkenntnisgewinn vor allem einen Vorteil haben wird? Kritisch wäre z.B. die Untersuchung von Fluglotsen und eine Verallgemeinerung der Erkenntnisse auf Fluglotsenassistenten. Gibt es Anhaltspunkte für fehlende Gerechtigkeit bei der Studie z.B. geringe Repräsentativität der Stichproben, Ausnutzung von persönlichen Notlagen? 1.5. Selbstbestimmung, Menschenwürde, Menschenrechte Personen dürfen nicht zur Teilnahme an wissenschaftlichen Studien gezwungen oder überredet werden. Sie erklären ihre Freiwilligkeit der Teilnahme durch die Einverständniserklärung (informed consent). Die menschliche Würde muss gewahrt bleiben. Bezüglich Freiwilligkeit ist auf Problemgruppen zu achten (z.B. Kinder und Jugendliche unter 18 Jahren, Personen mit nicht ausreichender Einsichtsfähigkeit, Arbeitnehmer, die von ihrem Arbeitgeber geschickt werden, etc.). Es muss festgehalten sein, dass Pbn weder durch die Teilnahme noch durch die NichtTeilnahme an einer Studie spezifische Vorteile oder Nachteile entstehen. 2. Einverständniserklärung (informed consent sheet; Vorlage erforderlich) 2.1. Allgemeine Informationen in der Einverständniserklärung bzw. Zusatzblatt Eine Einverständniserklärung muss schriftlich erfolgen. Folgende Informationen müssen enthalten sein: Aussagen zum Studienverantwortlichen Erklärung des Ziels des Forschungsprojektes Belastung für den Studienteilnehmer, erwartete Zeitdauer Beschreibung des Ablaufs Eine Aussage, dass die Teilnahme freiwillig ist, und auch aus Nichtteilnahme keine Nachteile entstehen. Eine Aussage, dass Pbn jeder Zeit ohne irgendwelche negativen Auswirkungen ihrer Zustimmung zur Studienteilnahme zurückziehen können Beschreibung, welche Risiken oder Unannehmlichkeiten erwartet werden können (auch in Ausnahmefällen) Eine Beschreibung möglicher alternativer Behandlungen, soweit es sich um Therapiestudien handelt Eine Aussage darüber, was mit den Studienergebnissen geschehen wird Eine Aussage über den Umgang mit sensitiven Daten (s. Kapitel 8 in http://www.eurocontrol.int/humanfactors/gallery/content/public/docs/DELIVER ABLES/CISM_Guidance_V2_Oct08_GUI_HUM.pdf) Aussage, dass keine Informationen per EDV gespeichert werden, die eine Personenidentifizierung zulassen; ggf. die Aussage, dass eine Code-Liste unter Verwahrung bei einem Datentreuhänder gestellt wird (s. Kapitel 8 in http://www.eurocontrol.int/humanfactors/gallery/content/public/docs/DELIVER ABLES/CISM_Guidance_V2_Oct08_GUI_HUM.pdf) Aussage, wann die Daten gelöscht werden 2.2. Potentielle Nachteile; Umgang mit Zufallsbefunden Studien können zum Teil an unerwarteten Stellen Nachteile für Personen oder Organisationen haben (z.B.: Fluglotsen verlieren ihre Lizenz weil im EKG ein Herzfehler festgestellt wurde; private Rentenversicherung lehnt Leistungen ab, weil in


einer wissenschaftlichen Studie eine Diagnose gestellt wurde, die der Pb bei Versicherungsabschluss nicht mitteilte). Studien können auch negative Auswirkungen für Angehörige (z.B. bei Gentests) oder andere Menschen haben. Diese müssen vor Studienbeginn reflektiert werden. Bei der Erhebung von biologischen Parametern (z.B. Kernspin, Blutproben, Gentests), aber auch psychodiagnostischen Untersuchungen (IQ-Test, EKG, klinischdiagnostische Interviews) kann unerwarteter Weise ein pathologischer Befund festgestellt werden. Es muss dringend vorab mit Studienteilnehmern geklärt werden, ob diese über solche pathologischen Befunde informiert werden möchten (z.B. Diagnosemitteilung, Mitteilung zukünftiger Krankheitsrisiken). Bei Befundmitteilungen oder belastenden Untersuchungen (auch nichtpathologischen) sollte am Studienende grundsätzlich ein mündliches „Debriefing“ mit standardisiertem Text vorgesehen werden. Hier sollte geklärt werden, ob die Ergebnisse oder die Studienteilnahme den Ppn verunsichert oder unerwartet belastet haben und ob evtl. Hilfsmaßnahmen notwendig werden. Der Debriefingtext ist der Ethikkommission vorzulegen. 2.3. Versicherungsfragen Ist eine Versicherung nötig und wenn ja sind Pbn versichert? 2.4. Ansprechpartner Wer ist Ansprechpartner für Rückfragen/Probleme, die nach der Studie auftreten? Fragen zu 2.1. bis 2.4. Wer klärt potentielle Pbn über die Studie auf (hat diese Person ausreichende Kompetenz zur adäquaten Aufklärung und Vorinformation von Pbn)? Wie erfolgt die Pbn Akquise? Gibt es Anhaltspunkte, dass Notlagen ausgenutzt werden, Pbn überredet werden sollen, Pbn nicht ausreichend Einsichtsfähigkeit haben? Wie wird mit Pbn mit nicht ausreichender Einsichtsfähigkeit verfahren (z.B. Kinder, geistig Behinderte etc.)? Wird sichergestellt, dass in diesen Fällen Erziehungsberechtigte oder Betreuer Einverständniserklärungen mit unterschreiben? Ist ein Debriefing nach der Studie vorgesehen? Könnten Studienergebnisse Nachteile für den Studienteilnehmer oder ihre Angehörigen haben (z.B. im Arbeitsrecht, bei früheren oder späteren Versicherungsabschlüssen; bei Anfragen durch die Justiz)? Falls medizinische oder psychologische Notfälle auftreten können: ist ein Notfallplan vorgesehen? Liegt eine Einverständniserklärung vor, die die Punkte berücksichtigt? 3. Praktisches Vorgehen Die ethische Unbedenklichkeit einer Untersuchung liegt in der Verantwortung des/der Versuchsleiters/in bzw. bei studierenden Versuchsleiter/inne/n in der Verantwortung des betreuenden wissenschaftlichen Personals. Bestehen Zweifel an der ethischen Unbedenklichkeit wendet sich der/die Verantwortliche mit einer schriftlichen Anfrage (Fragebogen Anlage) an den/die Vorsitzende/n der Ethikkommission des Instituts für Psychologie der Technischen Universität Darmstadt. Die Kommission teilt dem/der Verantwortlichen Ihre Einschätzung spätestens nach sechs Wochen mit. Darmstadt, 24. Januar 2014

Prof. Wolfgang Ellermeier, Ph.D.

Quellen: Empfehlungen der DGPs, des European Research Councils ERC, der Ethikkommission der Medizin und der Psychologie der Philipps-Universität Marburg, den Helsinki-II-Richtlinien, den Richtlinien der APA und dem Kapitel 8 Handling of Sensitive Data der EUROCONTROL Richtlinie http://www.eurocontrol.int/humanfactors/gallery/content/public/docs/DELIVERABLES/CISM_Guidance _V2_Oct08_GUI_HUM.pdf)


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