4 minute read
Wallfahrt nach Andechs
Mit dabei auf der Wallfahrt nach Andechs
Am Himmelfahrtstag machen sich viele Wallfahrergruppen nach Andechs auf den Weg
Advertisement
Schemenhaft setzen sich die Kottgeiseringer Wallfahrer und das Vortragskreuz am Rande des Ampermooses vom langsam heller werdenden Horizont ab.
Während der Gebetspausen wird das Vortragskreuz nur einfach geschultert – vertretungsweise von Pfarrer P. Flavian Michali persönlich. Wenn um 2 Uhr in Puch und um 4 Uhr in Kottgeisering und Türkenfeld minutenlang die Kirchturmglocken läuten, vermutet man einen Defekt im Läutwerk. Aber nicht am Himmelfahrtstag: Denn Minuten später setzen sich dort drei große Pilgerscharen betend in Bewegung.
„G egrüßet seist Du Maria voll der Gnade…“. Dem späten Osterfest und demzufolge späten
Himmelfahrtstermin ist es zu verdanken, dass es um kurz nach vier Uhr früh schon hell wird. Dazu braucht es nicht einmal den
Mond, der sowieso nur in Form eines schmal abgeschnittenen Fingernagels am östlichen
Firmament hängt. Kurz nach 4 Uhr wird es hell. Unter dem zartroten Horizont im Osten liegt schwer eine Nebelbank auf dem Ampermoos, aus der die drei Grafrather Kirchtürme von St. Rasso, Höfen und Unteralting herausstechen. „Solche Bilder siehst Du im
Bett nicht“, wird Hermann Bichler später auf dem Schiff schwärmend sagen.
Vorbeterinnen am Mikrophon „... der Herr ist mit Dir, Du bist gebenedeit unter den Frauen ...“: Ein sogenannter Fingerrosenkranz steckt an meinem Zeigefinger, mit der Daumenspitze zähle ich die zehn Perlen, die für ein Gesätz stehen. Für wen oder was bete ich? Konzentration ist trotz der nachtschlafenden Zeit gefragt. Wer sich verzählt, verpasst das „Ehre sei dem Vater“. Gebetet wird in der Zweierreihe abwechselnd rechts und links. Um nicht dem Vordermann auf die Hacken zu treten, sollte man sich zügig dem einheitlichen Marschtempo anpassen. Im Eich-
Gruppenfoto auf Deck: Die Überfahrt auf dem Ammersee in das Alpenpanorama ist eine willkommene Pause; nicht jedes Jahr ist das Wetter so schön wie in diesem Jahr. Endspurt auf den Heiligen Berg.
Abt Johannes Eckert empfängt wie immer persönlich die Wallfahrer am Ziel mit Weihwasser; vor der Einkehr steht aber immer die obligatorische Wallfahrer-Messe.
bühl hallt das Mikrofon der Vorbeterinnen Franziska Baumgartner und Angelika Entholzner unter dem dichten Blätterdach. Die Vögel lassen sich davon bei ihrem Morgenkonzert nicht drausbringen.
Zwei Kilometer vor Eching treffen 94 Kottgeiseringer auf 73 Türkenfelder Wallfahrer, die auch ein paar Zankenhausener aufgesammelt haben. „Es waren schon einmal mehr als Hundert“, stellt der Polizeibeamte Klaus Meissner fest, Mitglied im Kottgeiseringer Pfarrgemeinderat. Er kommt direkt von der Nachtschicht. Seit 25 Jahren listet er jedes Jahr die Teilnehmer in einem Buch auf.
Mit dem Dampfer über den Ammersee „... und gebenedeit ist die Frucht Deines Leibes Jesus, der in den Himmel aufgefahren ist.“ Erst in der Ortsmitte Eching verstummt das Gebet. Ziel ist der Dampfersteg in Stegen, wo die „Herrsching“ um 6 Uhr zu einer Sonderfahrt in den gleichnamigen Ort ablegt. „In früheren Jahren, auf einem kleineren Schiff, mussten wir stehen“, erinnert sich Hermann Bichler (78). Nun bekommen alle einen Sitzplatz. Bichler pilgert dieses Jahr zum 53. Mal zum Heiligen Berg. Schon als Ministrant war er dabei. Und für Fußballspiele, bei denen er aufgestellt war, musste er früher zurückmarschieren. Jüngster Teilnehmer ist Ferdinand Entholzner. Er hat es sich in der Kraxn seines Vater Michael bequem gemacht. Kaum haben die Wallfahrer das Schiff verlassen, besteigen es die Günzlhofener und Meringer, die sich schon wieder auf dem Rückweg befinden.
Am Heiligen Berg wird besonders laut gebetet Während der „Kreuzltrager“ Rainer Hegnauer, der seit 35 Jahren dabei ist und sich freut, „dass es nach zwei Jahren Pause wieder nach Andechs geht“, seine Türkenfelder durch das Kiental führt, sammeln sich die Kottgeiseringer hinter „Kreuzltrager“ Michael Swoboda auf der Straße nach Andechs. Dort treffen sie auf die Pucher, die die ganze Strecke zu Fuß zurückgelegt haben. „... Heilige Maria Mutter Gottes, bitt für uns Sünder ...“ Die letzte halbe Stunde wird wieder gebetet, beim Endspurt den Heiligen Berg hinauf natürlich besonders laut. Abt Johannes Eckert setzt per Fernbedienung die Glocken in Schwung und empfängt alle mit einem Spritzer Weihwasser.
Bewegen, um lebendig zu bleiben „... jetzt und in der Stunde unseres Todes. Amen.“ P. Flavian Michali, der die Kottgeiseringer heuer zum ersten Mal begleitete und sich über die hohe Zahl der vielen jungen Pilger freute, zelebriert vor dem Andechser Muttergottes-Hochaltar die obligatorische Messe. „Die Kirche und wir Pilger bewegen uns, müssen uns bewegen, um lebendig zu bleiben“, sagt der Franziskaner, der auch in seiner Freizeit immer wieder Marienwallfahrtsorte aufsucht, in seiner Predigt. Dass Wallfahren auch Begegnen heißt, wurde anschließend bei der langersehnten Schweinshaxn oder Dampfnudel im Biergarten deutlich.
MAX-JOSEPH KRONENBITTER