Heimatssuchend

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Heimatssuchend

Anastasia Wagner Jonas Bullinger

Geschichte der Spätaussiedler in Deutschland.





Heimatssuchend Geschichte der Spätaussiedler in Deutschland.

Anastasia Wagner Jonas Bullinger


© 2020 Anastasia Wagner, Jonas Bullinger Autoren: Anastasia Wagner, Jonas Bullinger Umschlaggestaltung: Jonas Bullinger Mitwirkende: Fritjof Wild, Hochschule Niederrhein Das Werk, einschließlich seiner Teile, ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung ist ohne Zustimmung der Autoren unzulässig. Dies gilt insbesondere für die elektronische oder sonstige Vervielfältigung, Übersetzung, Verbreitung und öffentliche Zugänglichmachung.


Definition Spätaussiedler „Aussiedler“ und „Spätaussiedler“ werden Menschen deutscher Abstammung genannt, die aus einem Staat des ehemaligen Ostblocks in die Bundesrepublik Deutschland kamen, um dort ansässig zu werden. Bis zum 31. Dezember 1992 wurden im amtlichen Sprachgebrauch Menschen als Aussiedler bezeichnet, die (1) als deutsche Staatsangehörige geboren wurden und zunächst nach 1945 dort verblieben sind, sowie deren Nachkommen und Ehepartner anderer Volkszugehörigkeit, die nach Deutschland übergesiedelt sind. (2) als deutsche Volkszugehörige aus einem kommunistisch regierten Land im Rahmen eines Aufnahmeverfahrens in die Bundesrepublik Deutschland oder der DDR übergesiedelt sind, sowie die Angehörigen, die sie bei der Aussiedlung begleitet haben. Spätaussiedler werden Menschen nur dann genannt, wenn sie ab dem 1. Januar 1993 in die Bundesrepublik Deutschland zugezogen sind. Wer vor dem 1. Januar 1993 in die Bundesrepublik migriert und als Aussiedler anerkannt worden ist, behält (unabhängig von der Begriffsverwendung in der Umgangssprache) den Aussiedler-Status. Grundsätzlich sollen die Begriffe Aussiedler und Spätaussiedler die Angehörigen von deutschen Minderheiten erfassen, deren Familien teilweise seit Generationen in Ostmitteleuropa, Ost- und Südosteuropa, aber auch teilweise in Asien gelebt haben und nach Deutschland ausgereist sind.


Inhalt


06 Ostsiedlungen 08 Die Einladung 14 Die Zweite Welle 18 Krim Krieg 24 Die Wende 28 Die Auswanderungen 34 Der Erste Weltkrieg 40 Die ersten Deportationen 44 Oktoberrevolution 50 Der große Hunger 52 Die ASSR 58 Entkulakisierung 64 Der große Terror 70 Der Zweite Weltkrieg 76 Vertreibungen 84 Trudarmee 92 Verbannung 96 Der Besuch 102 Teilrehabilitierung 108 Erste Rückkehr 110 Neue Heimat 116 Auflösung der UDSSR


11.—14.Jh

Ostsiedlung

Vom 11. bis zum 14. Jahrhundert fand eine starke Bevölkerungszunahme statt; in Frankreich und England gehen Schätzungen etwa von einer Verdreifachung der Bevölkerung aus. Mitte des 12.Jhr. drangen germanische Siedler über die Elbe-Saale Linie in slawische Gebiete. Auch Siedler aus anderen deutschen Stämmen folgten dem Zug nach Osten. Bis zum Ende des 12.Jhr. war von den Alpen bis zur Ostsee ein Streifen von ca. 100 km Tiefe besiedelt. Im 13.Jhr. wurde Schlesien erreicht. Ab 1231 begründete der Deutsche Orden am Unterlauf der Weichsel einen eigenen Staat. Die deutsche Ostsiedlung war keine Masseneinwanderung, sie vollzog sich in kleinen Schüben. Im 12. und dem 13. Jahrhundert sind nur etwa 200.000 Personen aus dem Deutschen Reich ausgewandert. Durch die sehr begrenzten Siedlerzahlen wurde die ansässige Bevölkerung nicht verdrängt. Es entwickelten sich zumeist friedliche Beziehungen zur einheimischen Bevölkerung. Im 14. Jahrhundert fand die deutsche Ostsiedlung ein jähes Ende. Die ländliche Bevölkerung zog es vermehrt in die neu entstehenden Städte. Zudem raffte die große Pestepidemie von 1348 - 1352 über 40% der europäischen Bevölkerung dahin. Der bisherige Bevölkerungsdruck ließ schlagartig nach. Um die Ansiedlung in den östlichen Gebieten für Bauern attraktiver zu machen waren alle Siedler persönlich frei. Ihre Höfe wurden reichlich mit Land ausgestattet und zu Erbrecht verliehen. Dienste und Abgaben waren wesentlich geringer als im Westen. Die Bauern brachten Besitz (Vieh, Geräte, Geld) mit.

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1763

Die Einladung Katharina II. wirbt an. Vor über zwei Jahrhunderten lud die russische Zarin Katharina die Große mit einem Manifest zahlreiche christliche Europäer ein, nach Russland zu ziehen. Dies war im damaligen Russland ein beispielloser Schritt und machte es der Zarin möglich, zehntausende ausländische Siedler für sich zu gewinnen. Der Grund für diesen Erfolg liegt vermutlich in ihrem Manifest, in dem sie schreibt, dass die Regierung „viele der am besten geeigneten Lebensräume noch unbewohnt sieht, in denen es eine endlose Vielzahl verschiedener Metalle, Wälder, Flüsse, Seen und Meere gibt... die ein großes Potenzial für die steigende Anzahl von Fabriken und anderen Anlagen bergen.“ Während Katharinas Herrschaft wurden große Gebiete im Süden und Südosten in das Reich eingegliedert. Doch auch schon davor gab es genügend Regionen in Russland, die kaum bevölkert waren. Daher war es von wirtschaftlichem Interesse, Menschen in diese Gebiete zu bringen und sie zu einem wichtigen Teil der Volkswirtschaft zu machen. Das Manifest wurde in mehrere europäische Sprachen übersetzt, mithilfe von russischen Diplomaten in europäischen Ländern verbreitet und in lokalen Zeitungen veröffentlicht. Um das Interesse der Ausländer zu wecken, listete der russische Staat darüber hinaus zahlreiche Vorteile auf. Unter anderem wurde den ausländischen Neuankömmlingen ein Stück Land sowie zusätzliche Grundstücke für ihre Nachkommen versprochen. Weitere Vorteile waren eine garantierte Religionsfreiheit, die Befreiung vom Militärdienst, Autonomie auf lokaler Ebene in deutscher Sprache, finanzielle Starthilfe durch zinsgünstige Darlehen und Kostenübernahme für die Umsiedlung sowie 30 Jahre Steuerfreiheit.

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1763

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Vor allem die Zusicherung der freien Religionsausübung machte das Angebot attraktiv, besonders für viele deutsche Protestanten, die sich in ihren vom Katholizismus dominierten Gebieten zunehmend unwohl fühlten. Vermutlich machten sie daher – insbesondere die Mennoniten – einen Großteil der Ausländer aus, die das Angebot der russischen Zarin annahmen. Im ersten Jahrzehnt nach der Veröffentlichung des Manifests siedelten sich etwa 30 000 Menschen in Russland an. Es handelte sich hauptsächlich um Deutsche, die in die kaum bevölkerte Wolgaregion reisten. Im Jahr 1769 gab es dort bereits 105 Kolonien. Die deutschen Siedler widmeten sich hauptsächlich der Landwirtschaft sowie einigen eng mit ihr verbundenen Produktionszweigen. Eine weitere Region, in der sich zahlreiche Ausländer niederließen, war das Territorium der heutigen Ukraine. Damals war das Gebiet entlang der Schwarzmeerküste gerade von der Türkei erobert worden und wurde Noworossija, das neue Russland, genannt. Schließlich siedelten sich hier viele serbische, griechische und armenische Christen, die aus der Türkei nach Russland geflohen waren, an. Insgesamt zogen während Katharinas Herrschaftszeit etwa 100 000 Ausländer nach Russland. Während der langen Reise in die neuen Siedlungsgebiete überlebten viele Aussiedler die Strapazen, den Hunger und die Krankheiten jedoch nicht. Bei der Ankunft wurde ihnen oft klar, dass die Bedingungen vor Ort nicht die selben waren, wie in dem Manifest Katharinas angepriesen. Weder durften die Handwerker unter den Aussiedlern ihren erlernten Beruf in den bereits bestehenden Städten ausüben, noch durften die Bauern sich selbst den Flecken Erde wählen, an dem sie sich niederließen. Stattdessen wurde der überwiegende Teil der Siedler ins Wolgagebiet bei Saratow geführt, wo alle dazu bestimmt waren, eine landwirtschaftliche Tätigkeit auszuüben. Neben den klimatischen Verhältnissen, Schädlingen und Seuchen

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Riga

1763

Minsk

Warschau

Kiew

Belowesh

stellte sich als weiteres Problem die strategische Lage heraus, denn es kam immer wieder zu Überfällen durch kasachische Reiternomaden aus dem Osten, die ganze Siedlungen zerstörten und ihre Einwohner raubten und versklavten. Durch Gefangenschaft, Krankheit und Flucht dezimierte sich die Zahl der Siedler allein innerhalb der ersten zehn Jahre um mehr als 7000 Menschen. Die russische Regierung versuchte der Entwicklung durch weitere Kredite, aber auch durch die Enteignung von Bauern, die sie als untauglich befand, entgegenzuwirken. Die verbleibenden Siedler durften sich fortan selbst verwalten, indem sie ihre eigenen Dorfobersten wählten.

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H


Moskau

Wolgagebiet

Riebendorf

her-Kolonie

Josefstal

Mariopoler-Kolonie

Halbstädter-Kolonie

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1816—1861

Die zweite Welle Berlin

Warschau

Dresden

Prag

Stuttgart

Belgrad

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Riga

Moskau

Minsk

Kiew

Lemberg

Kischinjew

Cherson Odessa

Galatz


1816—1861

Die Anwerbung von ausländischen Kolonisten wurde zu Beginn des 19. Jh. verstärkt. Dieses Mal war das Ziel Gebiete am Schwarzen Meer zu erschließen. Nach den Erfahrungen mit den Siedlern an der Wolga, bei denen zunächst mehr auf die Anzahl der Kolonisten anstatt auf ihre Eignung geachtet wurde und den damit einhergehenden Anfangsschwierigkeiten, legte die Regierung nun strenge Auswahlkriterien an: Laut dem Erlass des Zaren Alexander I. vom 20. Februar 1804 sollte eine Einreise in erster Linie erfahrenen und vermögenden Landwirten sowie auf dem Land unentbehrlichen Handwerkern gestattet werden. In der folgenden Siedlungswelle wanderten zwischen 50.000 und 55.000 Europäer, mehrheitlich Deutsche, in das Russische Reich ein. Ein wichtiges Merkmal stellte auch dieses Mal die Emigration aus religiösen Gründen dar. Das betraf vor allem die Mennoniten aus dem Raum um Danzig und aus Westpreußen, die wegen ihrer religiös-pazifistischen Überzeugungen zunehmend wirtschaftlich bedrängt wurden und seit 1789 in mehreren Wellen nach Russland auswanderten. Eine andere Gruppe der religiösen Auswanderer bildeten die württembergischen Pietisten. Diese zogen in sogenannten Harmonien oder Verbindungen bis in den Kaukasus, um dort die „Wiederkunft Christi und die Aufrichtung seines tausendjährigen Reiches“ zu erleben. Allein 1817 traten 5.508 Personen in 963 Familien aus Württemberg in mehreren

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Harmonien den beschwerlichen Weg nach Russland an. Sie reisten auf Schiffen auf der Donau, über Galatzbis nach Ismail und Odessa. Mehr als 1.000 Einwanderer, darunter zahlreiche Kleinkinder, starben unterwegs, da etwa in Galatz zu der Zeit die Pest herrschte. Letztendlich gelang es 2.629 Personen bzw. etwa 500 Familien trotz behördlicher Widerstände in den Transkaukasus durchzukommen. 1819 beendete die Russische Regierung offiziell die Einwerbung. Danach erfolgen nur noch vereinzelt Genehmigungen zu weiteren agrarischen Einwanderungen mit einigen, wenn auch wesentlich eingeschränkteren Privilegien, so etwa 1851 und 1859 für ca. 200 Familien preußischer Mennoniten, die Land im Gouvernement Samara an der Wolga zugewiesen bekamen. Auch nach dem Abschluss der Besiedlungs- und Urbarmachungspolitik mit ausländischen Kolonisten zogen zahlreiche agrarische Einwanderer ins Land, doch geschah dies auf anderer gesetzlicher Grundlage und sie mussten sich auf eigene Kosten einrichten. Es handelte sich um deutsche Kolonisten aus den polnischen Gouvernements des Russischen Reiches, die dort seit dem 18. Jahrhunderts aufs Staats- oder Privatland im Rahmen des selbständigen polnischen Staates oder durch Besiedlungsmaßnahmen im Herzogtum Warschau bis 1815 und später angesiedelt wurden. Vor allem nach dem zweiten polnischen Aufstand 1863-64, angesichts der dort herrschenden innenpolitischen Spannungen, zeigten sie erhöhte Weiterwanderungsbereitschaft, vornehmlich in die westrussischen Gouvernements Wolhynien, Podolien und Kiew. 1886 zählte man allein in Wolhynien schon 93.964 deutsche Bauern, die vorwiegend auf gepachtetem Land wirtschafteten.

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1853—1856

Der Krim Krieg

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Die Kriege gegen das osmanische Reich begleiteten die gesamte russische Geschichte und blieben eine feste Größe im Kampf um Macht und Dominanz im damaligen Weltgeschehen. Eine ebenfalls wichtige Rolle spielt zu diesem Zeitpunkt Polen. 1831 organisierte der polnische Adel einen Aufstand gegen Nikolaus I. der in Russland und Polen regierte. Erklärtes Ziel war die Wiederherstellung eines von Meer zu Meer reichenden Polens unter Einschluß Litauens, Weißrusslands und der West-Ukraine. Die Polen hofften vergeblich auf westeuropäische Unterstützung. 1835 wurde der Aufstand niedergeschlagen und Polen von Russland annektiert.


1853—1856 Bereits 1774 trotzten die Russen den Osmanen die Patronage über die orthodoxen Christen im Osmanischen Reich ab. In den 1850er Jahre spitzten sich die Streitereien zwischen Franziskanern und griechischorthodoxen Mönchen in einer Weise zu, die nicht selten zu Handgreiflichkeiten führten. Nicht zuletzt durch einen Artikel im britischen „Economist“ vom 21.01.1854 wurde ein Kulturkampf zwischen den „freie westeuropäische Bürgern“ und dem „unterwürfigen asiatischen Menschenschlag“ ausgerufen. Im Zuge dessen rief der Erzbischof von Paris zum Heiligen Krieg gegen die orthodoxe Kirche auf, Seite an Seite mit den Muslimen des Osmanischen Reichs. Dank des britischen Botschafters Stratford Canning eskalierte Sultan Abd ul-Meschid 1852 die Streitereien und erlaubte der römisch-katholischen Kirche am Ölberg die Heilige Messe lesen zu lassen. 1853 forderte Russland die Osmanen ultimativ auf, die 1774 gewährte Patronage zu bestätigen, was vom Sultan abgelehnt wurde, lagen doch die Flotten Englands und Frankreichs einsatzbereit vor der Küste von Tenedos.

Konstantinopel

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Kertsch Jewpatorija

Simferopol Sewastopol Balaklawa Jalta

Sinope

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1853—1856

Karfreitag 1854 wird Odessa beschossen. Am 31. Mai landen Briten und Franzosen in Varna und treiben die russischen Truppen zurück hinter die Pruth. Am 26. Juni 1854 erscheinen 20 englische Kriegsschiffe vor Kronstadt. Die britische Flotte beschießt Orte an der Ostseeküste, am Weißen Meer und am Stillen Ozean. Im September schließlich landen Franzosen und Engländer auf der Krim und Sewastopol wird eingeschlossen und befestigt. Hierdurch gelang es den von Nachschub und Verstärkung abgeschlossenen Truppen Sewastopol elf Monate lang gegen die Angreifer zu verteidigen. Am Ende hatten 165 000 Soldaten ihr Leben verloren. Dies, der Aufmarsch von 300 000 Österreichern an der russischen Grenze und die etwa zeitgleiche Einnahme der türkischen Bastion Kars durch russische Einheiten bewogen die Kriegsparteien die Kriegshandlungen einzustellen und auf diplomatischer Ebene weiter auszuführen. Während des Kriegs gegen das Osmanische Reich leisten Deutsche Kolonisten in Russland materielle Hilfe in Form von Versorgung der Verwundeten oder Fuhrwerken für den Transport. Die Russlanddeutschen werden in dieser Zeit als loyale Untertanen des Zaren geschätzt. Sie leisten einen erheblichen Beitrag zur wirtschaftlichen Entwicklung Russlands. Kaiser Alexander II. unterschrieb im März 1856 in Paris einen Friedensvertrag und weitere Vereinbarungen, die die Unabhängigkeit und Integrität des Osmanischen Reiches garantieren sollten. Das Schwarze Meer wurde neutralisiert. Russland durfte dort von nun an weder eine Kriegsflotte unterhalten, noch eine Festung besitzen.

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ab 1871

Die Wende Mitte des 19. Jahrhunderts bemerkten viele Politiker und Militärführer in Russland, dass ihr Land gegenüber den anderen europäischen Großmächten ins Hintertreffen zu geraten drohte. Auslöser für diese Erkenntnis war der für Russland ungünstig verlaufene Krimkrieg. Die Rückständigkeit beschränkte sich nicht nur auf das Militär. Während sich andere Mächte, wie Frankreich und Großbritannien, zu modernen Nationalstaaten entwickelt hatten, war Russland teilweise noch von mittelalterlichen Verhältnissen geprägt. Die Bauern waren unfreie, von ihren adeligen Landbesitzern abhängige Leibeigene und die Städte entwickelten sich nur langsam. Außerdem sah sich die Bevölkerung nicht als Russisches Volk, viel eher als Untertanen des Zaren und ihrer Fürsten. Das Gefühl ein einheitliches Volk eines einheitlichen russischen Staates zu sein, war beim Großteil der Bevölkerung nicht vorhanden. Als frühe konkrete Maßnahme der Russifizierung kann das Verbot des öffentlichen Gebrauchs der polnischen, litauischen und ukrainischen Sprache im Jahre 1863 genannt werden. Auch für deutsche Siedler, die gerne ihre kulturellen deutschen Eigenarten und Privilegien behalten wollten, war unter Zar Alexander II. kein Platz. Die russische Regierung wollte einen einheitlichen Staat schaffen. Daher galt: Wer an der Wolga sein Land bestellte und Gewerbe trieb, der sollte Russe sein. Und wenn er das nicht von Geburt an war, musste eben eine Umbürgerung erfolgen. Zunächst wurden den Siedlern ihre von Katharina II. zugesicherten Privilegien verwehrt. Ihre Dörfer wurden in die russische Verwaltung eingegliedert, ihr Schul- und Kirchenwesen durften sie nicht mehr unabhängig, sondern nur noch in Absprache mit den russischen Behörden gestalten. An die Schulen wurden russische Lehrer geschickt. Diese sollten dafür sorgen, dass die Siedler die russische Sprache lernen, was in der Vergangenheit nur selten der Fall war.

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ab 1871 Besonders hart traf die Siedler aber der Beschluss von 1874, in dem festgelegt wurde, dass sie von nun an auch Dienst in der russischen Armee zu leisten hatten. Das bedeutete, sechs Jahre lang beim Militär zu dienen und danach neun Jahre lang als Reservist im Kriegsfall jederzeit wieder eingezogen werden zu können. Für jede Bauernfamilie war es ein schwerer Schlag, die Arbeitskraft ihrer Söhne für so lange Zeit zu verlieren. Eine Katastrophe war diese Entscheidung für die strenggläubigen pazifistischen Mennoniten unter den Siedlern. Sie lehnten jede Form von Militärdienst aus religiösen Gründen ab und waren nach Russland gekommen, da ihnen Katharina II. die Befreiung von jeglichem Militärdienst zugesichert hatte. Die russische Sprache ersetzte 1887 im Baltikum die deutsche als Unterrichtssprache in den höheren Lehranstalten und an der Universität Dorpat in Tartu, die wie die Stadt selber in „Kaiserliche Universität Jurjew“ umbenannt wurde. Im Großfürstentum Finnland begann die aktive Russifizierungspolitik 1881 mit dem Regierungsantritt von Zar Alexander III. und verstärkte sich ab 1894 unter Zar Nikolaus II., wo sie in den Jahren 1899/1900 mit dem Februarmanifest, dem Sprachenpatent und dem Konskriptionsgesetz, das die jungen Finnen in die russische Armee eingliederte, einen Höhepunkt erreichte.

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ab 1874

Die Auswanderungen

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Hier in Russland ist nicht zu

Wenn wir auf dem Wasser fahren,

leben,

Schickt uns Gott einen Engel dar.

Weil wir müssen Soldaten geben,

Gott, streck aus deine milde

Und als Ratnik müssen wir stehn

Hand,

– Drum wollen wir aus Russland

Daß wir kommen an das Land.

gehen.

Wenn wir von dem Schiff absteigen,

In Saratow du deutsch Kontor, Bring uns lauter Deutsche vor,

Ziehen wir in Gottes Namen;

Hin nach dem brasilischen Ort,

Wenn wir auf dem Wagen fahren,

Keinen Winter gibt es dort.

Werden wir wilde Schwein gewahr.

Was wir haben uns erspart, Kostet's uns auf dieser Fahrt

Trauben wachsen hinter Zäun,

Hin nach dem brasilischen Ort,

Hutzeln an den hohen Bäum,

Keinen Winter gibt es dort.

Aepfel, Feigen, die sind rot – Hilf uns Gott aus aller Not!

Wenn wir nach Stadt Hamburg kommen,

- „Auswandererlied“

wird uns unser Geld genommen,

Wolgadeutsche

Wenn wir fahren bis ans Meer,

Volksliedsammlung

werden unsere Säcklein leer.


ab 1874 Mit neuer und alter Hoffnung nach Ăœbersee.

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Ab 1877 wanderten vermehrt Russlanddeutsche nach Südamerika aus. Der Verlust ihrer Privilegien aus der Ansiedlungszeit machte vielen das Leben schwer. Vor allem Wolgadeutsche emigrierten nach Argentinien und gründeten dort zahlreiche Kolonien, unter ihnen Pueblo Santa Trinidad, Pueblo San Jose und Pueblo Santa Maria bei Coronel Suarez in der Provinz Buenos Aires. Ursprünglich war das Ziel zumeist Brasilien, jedoch wurden viele Aussiedler von den Schiffsreedereien und den argentinischen Einwanderungsbehörden getäuscht und in Argentinien festgehalten, andere wanderten wiederum freiwillig in die für den Getreideanbau fruchtbareren Gebiete der Provinz Buenos Aires weiter. Anfangs war ausreichend Land vorhanden, später mussten sich viele Einwanderer als Arbeitskräfte bei anderen Deutschen verdingen, wodurch soziale Kontraste entstanden, die sich noch heute im Straßenbild der Kolonien bei Coronel Suárez widerspiegeln: In der „Vordergasse“ stehen teilweise prächtige Häuser, im „MandschureiGäßchen“ hingegen strohgedeckte Lehmsteinhäuser. Der Zustrom Deutscher Kolonisten aus Russland riss bis zum Ende des ersten Weltkrieges nicht ab. Unter ihnen waren auch Familien, die einst nach Bessarabien oder in die Dobrudscha auswanderten. Aus der Chortitza-Gemeinde Bergthal im Schwarzmeergebiet stammten vorwiegend Mennoniten, viele waren um 1874 nach Kanada ausgewandert. Mit der Schulreform zum Ende des ersten Weltkrieges, welches Englisch als alleinige Unterrichtssprache vorsah und der Schließung der mennonitischen Privatschulen, wanderten sie weiter nach Paraguay aus, da seit 1921 die Regierung Einwanderern Religionsfreiheit, Befreiung vom Militärdienst sowie das Recht auf eigene Schulen und ein freies Erbrecht zusicherte. Zudem verließen rund 2.000 Mennoniten zwischen 1930 und 1932 wegen religiöser Unterdrückung und der Landenteignungen Südrussland und Sibirien und folgten nun ihren Landsgenossen nach Paraguay, die dort 1927 die Kolonie Menno in der Wildnis des Chaco gegründet hatten. Weitere 6.000 ließen sich in Mexiko bei Cuauhtémoc nieder und gründeten Orte wie Grünthal, Hoffnungsfeld, Friedensruh, Schönwiese oder Blumenau. Die Russifizierungsmaßnahmen in der Zeit um 1870 bis zum Beginn des 20. Jahrhunderts führten dazu, dass bis 1912 etwa 300.000 Russlanddeutsche nach Nord- und Südamerika auswanderten, was jedoch das Bevölkerungswachstum in dieser Gruppe nicht nachhaltig beeinflusste, da aufgrund einer hohen Geburtenrate die Zahl der Russlanddeutschen bis 1914 auf 2,4 Millionen angewachsen war.

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1897 Volkszählung 390.000 Deutsche an der Wolga 342.000 im Sßden Russlands 237.000 im Westen Russlands 18.000 in Moskau leben. (987.000 Gesamt) 32



1914—1918

Erster Weltkrieg

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Riga

1914—1918

Berlin

Warschau

Prag

Belgrad

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Der Erste Weltkrieg stürzte Russland in den Abgrund. Der Erste Weltkrieg begann am 28. Juli 1914 mit der Kriegserklärung Österreich-Ungarns an Serbien, welche durch das Attentat von Sarajevo vom 28. Juni 1914 ausgelöst wurde. Auf der einen Seite waren das Deutsche Kaiserreich, Österreich-Ungarn, das Osmanische Reich und

Minsk

Bulgarien beteiligt sowie Frankreich, Großbritannien und sein Britisches Weltreich, Russland, Serbien, Belgien, Italien, Rumänien, Japan und die USA auf der anderen. 40 Staaten beteiligten sich am bis dahin umfassendsten Krieg der Geschichte, insgesamt standen annähernd 70 Millionen Menschen unter Waffen. Etwa 17 Millionen Menschen verloren während der Kriegsjahre ihr Leben. Wie überall in Europa, so löste der Beginn des Krieges auch in Russland Begeisterung aus. Als sich Zar Nikolaus II. am 2. August 1914, dem Tag der russischen Kriegserklärung, in der Öffentlichkeit zeigte, jubelten Kiew

ihm die Menschen enthusiastisch zu. In den Zeitungen wurde der sichere Sieg beschworen, Intellektuelle glaubten, es beginne eine Zeit der nationalen Erneuerung und das russische Parlament erklärte seine Selbstauflösung, um der Regierung nicht im Weg zu stehen. Von besonderer Bedeutung waren für Russland die Eroberung Konstantinopels und der Meerengen. Darüber hinaus beanspruchte das Imperium Teile Ostpreußens, Galiziens sowie weitere Gebiete für sich. Außerdem unterstrich das Zarenreich den Anspruch, Schutzmacht und Vorsprecher aller slawischen Völker zu sein.

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1914—1918

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Während die ersten Schlachten der russischen Truppen von Erfolg gekrönt waren, kam es bald zu erheblichen Rückschlägen. Von Beginn an litt die Armee unter erheblichen Problemen, denn auf einen längeren Abnutzungskrieg war Russland nicht vorbereitet. Zu den verheerenden Verlusten an Menschen und Material kamen große Schwierigkeiten mit dem Nachschub. Die Verkehrsnetze waren nicht in der Lage, den immensen Bedarf der Truppen zu bewältigen. Immer wieder fehlte es an genügend Waffen, Munition und warmen Uniformen. Krankheiten breiteten sich in der Truppe aus, während gleichzeitig die Moral der Soldaten, unter denen die Überzeugung wuchs, sie würden sinnlos geopfert werden, sank. Den überlegenen Ressourcen der Mittelmächte hatte die russische Armee in den kommenden Jahren trotz einer Reihe begrenzter Erfolge letztlich kaum noch etwas entgegenzusetzen. Zum Zeitpunkt des Kriegsbeginns leben knapp 1,7 Millionen Deutsche in Russland. Aufgrund ihrer Herkunft aus einem Land, welches Russland feindlich gegenüberstand, stellte die russische Bevölkerung die Loyalität gegenüber dem Zarenreich immer stärker in Frage. Immer häufiger kam es zu anti-deutschen Ausschreitungen, deren Ziel „deutsch“ geführte Geschäfte, wie auch die Botschaft in St. Petersburg waren. Dennoch bekannten sich die Deutschen Minderheiten zu Russland, und zogen mit knapp 300.000 Soldaten als Teil der Zarenarmee an die Front.

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1915

Die ersten Deport ationen

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In Güterwaggons geht es tief ins Hinterland. Der Krieg lief für Russland nicht gut. In den ersten Kriegsjahren erlitt die russische Armee an der Westfront mehrere deutliche Niederlagen unter anderem wegen mangelnde Kriegsvorbereitung und Schwächen in der Kriegsführung, sowie mangelnde Ausrüstung und Moral der Soldaten. Die verantwortlichen Offiziere und Politiker in Russland suchten nach Sündenböcken. Die Deutschen im Heer wurden beschuldigt, Verräter und Spione zu sein und ihnen wurde unterstellt, aus Vaterlandsliebe zum Deutschen Kaiserreich die Niederlagen herbeigeführt zu haben. Mit jedem weiteren Vorrücken des Feindes im Westen und mit der schnell zunehmenden Verschlechterung der wirtschaftlichen Lage in Russland steigerte sich die feindliche Haltung gegenüber den Russlanddeutschen. Auch Zarin Alexandra Fjodorowna (1872-1918), selbst eine Deutsche, wurde davon nicht ausgenommen. Man unterstellte ihr, die Truppenbewegungen des russischen Heeres an den Gegner verraten zu haben. In der Presse und in zahlreichen Hetzschriften wurde der Hass auf die Deutschstämmigen im Land geschürt, was auf weite Kreise der russischen Gesellschaft übergriff. In den von 1915 bis 1917 erlassenen, sogenannten Liquidationsgesetzen fand die Feindseligkeit gegen die Russlanddeutschen ihren politischen Ausdruck.


1915

Alle deutschen, ungarischen und österreichischen Siedler innerhalb eines bis zu 150 km breiten Grenzstreifens wurden ihres Landes und Besitz enteignet und ins russische Hinterland deportiert. Dabei wurde nicht nach Schuldigen gefragt: Die zwangsweise Umsiedlung betraf etwa 200.000 Menschen aus Wolhynien, die in Richtung Ural, Kasachstan oder Sibirien gebracht wurden. Ihre Häuser und ihr Land wurden besitzlosen russischen Bauern und Frontsoldaten zugesprochen. Außerdem wurde die Veröffentlichung von deutschen Zeitungen und Zeitschriften unterbunden. In öffentlichen Einrichtungen durfte die deutsche Sprache nicht mehr genutzt werden. Ausgenommen waren nur die Kirchen. In den Jahren 1916 und 1917 wurden diese Maßnahmen gegen die Deutschen in Russland noch einmal verschärft. Nun sollten alle Deutschen aus dem europäischen Teil Russlands verbannt werden. Die Liquidationsgesetze standen für den Plan einer „Rückeroberung des russischen Bodens“. Dass man den Russlanddeutschen mitten im Krieg gegen Deutschland vorwerfen konnte, Verräter zu sein, machte die Entwicklung dieses Plans leichter, scheinbar waren die geplanten Enteignungen und Vertreibungen nun sogar rechtmäßig. Die Realisierung dieser Pläne wurde jedoch durch den Ausbruch der Revolution verhindert.

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1917

Die Oktober revolution Lenin fĂźhrt die Bolschewiki gegen den Staat.

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Die Machteroberung der Bolschewiki in Petrograd, dem heutigen Sankt Petersburg, am 7. November 1917 vollzog sich unter dem einhelligen Beifall der deutschen Öffentlichkeit. An den Fronten, die dank der deutschen und bolschewistischen Zersetzungspropaganda bereits in voller Auflösung waren, trug der Umsturz Züge einer einseitigen Kapitulation der russischen Armeen. Wirkliche Bedeutung gewann das Zusammenspiel der deutschen Reichsleitung mit den Leninisten aber erst nach der russischen Februarrevolution und der Durchschleusung Lenins im „plombierten Waggon“ im April 1917 aus dem Schweizer Exil ins heutige Sankt Petersburg. Als Gegenleistung für deren Unterschrift unter das Diktat wurde Lenins Regime dann von Berlin formell anerkannt und unterstützt. Die bürgerliche Revolution im Februar 1917 setzte der Zarenherrschaft ein gewaltsames und blutiges Ende. Die ersten Gesetze für die Minderheiten im Land wurden von den Russlanddeutschen begrüßt. Die Liquidationsgesetze wurden aufgehoben. Die Vertriebenen kehrten in ihre Heimat zurück. Wenige Tage später wurde das Gesetz zur ‚Gleichheit aller Nationen und Konfessionen‘ verkündet. Es erlaubte auch die Verbands- und Versammlungsfreiheit. Die nationalen Minderheiten nutzten die neugewonnene Freiheit zu regen politischen Aktivitäten. So gründete sich an der Wolga im April 1917 das „Zentralkomitee der Wolgadeutschen“ und im September die „Republikanische Kolonistenpartei“. Im Gebiet Odessa wurde der „Allrussische Bund russischer Deutscher“ gegründet. Er erhob die Forderung nach einer demokratischen Republik. Das große Ziel der russlanddeutschen Interessenvertretungen war die Autonomie der von Deutschstämmigen besiedelten Regionen. Sie waren der Auffassung, dass der Schutz der Siedlungen nur durch die politische Organisation der Deutschen dauerhaft möglich sein würde. Das bedeutet jedoch nicht, dass die Russlanddeutschen sich vollständig vom russischen Staat lossagen wollten. Die Kolonisten strebten vielmehr nach einer Selbständigkeit innerhalb des russischen Vielvölkerstaates. Eine Trennung von Russland stand niemals zur Debatte.


1917

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Die Oktoberrevolution besiegelt das Ende sozialliberaler Strömungen in Russland. Die Phase der bürgerlichen Übergangsregierung dauerte nicht lange. Im Herbst 1917 folgte eine erneute politische Umwälzung. Die kommunistischen Bolschewiki griffen am 25. Oktober 1917 nach der Macht im Land und verdrängten gewaltsam die bürgerliche Regierung. Die ersten Gesetze der neuen Regierung lösten unterschiedliche Reaktionen bei den Russlanddeutschen aus. Das Dekret über den Frieden versprach endlich den ersehnten Friedensschluss. Für die Deutschstämmigen war dieser Frieden wichtig, weil sie nur dadurch den Status des „inneren Feindes“ verlieren konnten. Das Dekret über den Boden aber sorgte für neue Ängste, weil es die Enteignung von staatlichem, kirchlichem und privatem Grundbesitz verkündete. Den vielen armen und verarmten Russen sollte damit Land und Arbeit gegeben werden. Bei den Russlanddeutschen aber löste es die Befürchtung aus, erneut den eigenen Besitz zu verlieren. Das dritte Gesetz war das Dekret über die Völker Russlands. Es erklärte die Rechtsgleichheit und die Souveränität aller Völker Russlands. Vor allem aber gewährten die Bolschewiki damit allen Minderheiten die Möglichkeit, einen eigenen Staat zu gründen. Die Führer der kommunistischen Revolution erhofften sich von diesem Dekret eine Unterstützung durch die Minderheiten und die Festigung ihrer Macht. Die Autonomie schien für die Deutschen greifbar nahe.

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1917

Es waren vor allem die Bolschewiki, die vom innenpolitischen Chaos der Kriegsjahre profitierten, da sie sich als einzige politische Kraft kompromisslos für ein sofortiges Ende des Krieges aussprachen. Unmittelbar nachdem sie im Oktober die Macht an sich gerissen hatten, forderten sie in ihrem ersten Dekret die sofortige Beendigung aller Kampfhandlungen und einen Frieden ohne jede Annexion. Die Mittelmächte ließen sich davon jedoch nicht beeindrucken und setzten ihren Vormarsch fort. Weil die Bauernsoldaten in Scharen die Armee verließen, sahen sich die neuen Machthaber gezwungen, in formale Friedensverhandlungen einzutreten. Nach langwierigen und komplizierten Gesprächen wurde im März 1918 der Vertrag von Brest-Litowsk unterzeichnet. Die Hoffnung der Bevölkerung auf ein Ende der Gewalt sollte sich als trügerisch erweisen. Der Staatenkrieg ging nahtlos in einen Russischen Bürgerkrieg über, der mehrere Jahre andauern sollte. Der Krieg wurde erbittert und brutal besonders auch gegen die Zivilbevölkerung geführt. Zwischen 8 bis 10 Millionen Menschen verloren ihr Leben. Das Eingreifen der Entente und der Mittelmächte in den Konflikt trug maßgeblich zu seiner Länge und Heftigkeit bei. Sowjetrussland erreichte durch ihn zwar die Herrschaft über einen Großteil der Fläche des früheren Russischen Reichs. Allerdings erlangten neben dem schon seit 1918 unabhängigen Polen, das auch westliche Gebiete der heutigen Ukraine und Weißrusslands umfasste, auch die baltischen Staaten, Finnland und die Tuwinische Volksrepublik die Unabhängigkeit. Der Konflikt endete in Europa mit dem Sieg der Roten Armee über die letzten weißen Truppen auf der Krim im November 1920, im Kaukasus mit der Einnahme von Batumi 1921 und in Ostasien mit der Einnahme von Wladiwostok 1922. Am Ende dieses Jahres wurde schließlich die Sowjetunion gegründet.

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1921—1922

Der große Hunger Die russische Hungersnot von 1921–1922 forderte fünf Millionen Menschenleben und entstand durch die ökonomische Rückwirkung des Ersten Weltkriegs und den mehrjährigen Bürgerkrieg in Verbindung mit der Politik des Kriegskommunismus, besonders durch die Nahrungsmittelrequirierung der Roten Armee. Ein schlechtes Schienenverkehrsnetz trug zur Verschärfung der Ernährungslage bei, weil Lebensmittel nicht effizient verteilt werden konnten. Die Regierung zog zwangsweise Lebensmittel aus der bäuerlichen Produktion ein, darunter auch Saatgetreide. Durch den Bürgerkrieg und die Politik des „Kriegskommunismus“ war die Landwirtschaft ruiniert. Ca. 150.000 Wolgadeutsche fielen der Nahrungsmittelknappheit zum Opfer, was etwa 26,5% der wolgadeutschen Bevölkerung entsprach. Im Juli 1922 bekamen, nach offiziellen Angaben der Verwaltung des Gebiets, 91% der Bevölkerung Lebensmittelhilfe von der „Verwaltung des Amerikanischen Hilfswerks“ (A.R.A.) und dem Internationalen Kinderhilfsfonds. In der Region Altaj hungerten im Sommer 1921 41% der Bevölkerung. Zur Hungersnot kam es auch im Südural, in der Südukraine und im Nordkaukasus. Hier kam Hilfe von der A.R.A. und der Mennonitischen Hungerhilfe. Eine der periodisch wiederkehrenden Dürren in der Geschichte Russlands verschärfte die Situation zu einer nationalen Katastrophe. Die Hungersnot war so schlimm, dass es fraglich war, ob Saatgut nicht eher gegessen als tatsächlich gesät wurde. In einigen Dörfern sind sogar Fälle von Kannibalismus dokumentiert worden.

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1924

Die ASSR

Die Autonome Sozialistische Sowjetrepublik der Wolgadeutschen war ein politisches Gebilde in Sowjetrussland und der Sowjetunion, dessen Gebiet den Großteil des historischen Siedlungsgebietes der Wolgadeutschen umschloss. Sie bestand vom 19. Oktober 1918 zunächst als sowjetische Arbeitskommune und vom 6. Januar 1924 bis 28. August 1941 als Autonome Sozialistische Sowjetrepublik (ASSR). Unter der wolgadeutschen Bevölkerung fand das in der „Deklaration der Rechte der Völker Russlands“ vom 2. November 1917 versprochene Selbstbestimmungsrecht der Völker eine gewisse Zustimmung. Die neue Staatsführung betrachtete die Wolgadeutschen als ein eigenständiges Volk und billigte ihnen das Recht auf nationale Entwicklung und Schaffung einer eigenen Territorialautonomie zu. Der spätere Regierende Bürgermeister von Berlin, Ernst Reuter, wurde 1918 von Josef Stalin, damals Volkskommissar für Nationalitätenfragen, mit der Führung des provisorischen Kommissariats für die Wolgadeutschen betraut. Am 19. Oktober 1918 unterzeichnete Lenin als Regierungschef nach zweitägiger umfassender Beratung das Dekret über die Gründung der Arbeitskommune der Wolgadeutschen. Insgesamt wurden bis zum März 1919 214 Dörfer aus den Gouvernements Saratow und Samara ausgegliedert. Das wolgadeutsche Gebiet bestand deswegen aus mehreren, nicht immer miteinander verbundenen Territorien unterschiedlicher Größe, die nur deutsche Siedlungen umfassten. Die Gesamtfläche betrug zunächst 19.694 km². Das Zentrum der Arbeitskommune wurde im Mai 1919 von Saratow nach Katharinenstadt (später „Marxstadt“) verlegt. Die wolgadeutsche Führung versuchte unter anderem durch die Aufnahme andersethnischer Siedlungen und Landkreise, die zwischen den

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Saratow

Wolga


1924

deutschen Territorien lagen, die Überlebensfähigkeit des nationalen Gebiets zu sichern. Die angestrebte Einverleibung des mehrheitlich von Russen und Ukrainern bewohnten Pokrowsker Bezirkes mit der gleichnamigen Stadt hätte den dringend benötigten Anschluss an das gesamtrussische Eisenbahnnetz verschafft. Die Regierung in Moskau stimmte in einem Dekret vom 22. Juni 1922 den Vorschlägen aus Marxstadt zu: Die Fläche des deutschen Gebiets vergrößerte sich zunächst um 29% auf 25.447 km² und die Bevölkerungszahl um 64% oder auf 527.876 Menschen. In den 1920er Jahren diente die Existenz der wolgadeutschen Republik der Sowjetunion dazu, ihre Toleranz zu demonstrieren. Kulturelle und wirtschaftliche Beziehungen zur Weimarer Republik wurden sogar begünstigt. Die Republik wurde von einer Delegation der KPD besucht, die über die „großen Erfolge“ im „ersten sozialistischen deutschen Staat“ berichten konnte. Es gab zahlreiche deutsche Kulturvereine und eine eigene deutschsprachige Presse in der Region, darunter auch die Zeitung „Nachrichten“.

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1926 Volkszählung Sowjetdeutsche in der Sowjetunion 1.238.500

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1928—1932

Die Entkulak isierung

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Die Entkulakisierung war eine politische Repressionskampagne in der Sowjetunion, die sich während der Diktatur Josef Stalins von 1929 bis 1933 gegen sogenannte Kulaken (abwertend für „Bauern“) richtete. Verhaftungen, Enteignungen, Exekutionen und Massendeportationen kennzeichneten diese Politik. Insbesondere als wohlhabend geltende bäuerliche Familien, aber auch so genannte Mittelbauern samt ihren Angehörigen sowie jene Landbewohner, welche die Politik der Kommunistischen Partei der Sowjetunion (KPdSU) tatsächlich oder vermeintlich ablehnten, waren Ziel der gewaltsamen Unterdrückung und rund 30.000 Personen wurden erschossen. Etwa 2,1 Millionen Menschen wurden in entfernte, unwirtliche Regionen deportiert. Weitere 2 bis 2,5 Millionen Personen wurden in ihrer Heimatregion auf schlechtere Böden zwangsumgesiedelt. Die Bauern reagierten insbesondere 1930 mit erheblichem Widerstand gegen die Gewaltkampagne des Staates. Zeitweise fürchteten Parteiund Staatsfunktionäre, der bäuerliche Widerstand könne sich zu einem landesweiten Aufstand ausweiten. Die Entkulakisierung bedrohte die Bauernschaft durch physische Vernichtung, Deportation und Enteignung. Auf diese Weise sollte sie der Zwangskollektivierung von Erntegut zum Durchbruch verhelfen. Im Ergebnis unterwarfen Entkulakisierung und Kollektivierung die gesamte Bauernschaft der staatlichen Kontrolle und trugen wesentlich dazu bei, die ländlichen sozialen Verhältnisse radikal zu verändern. Zugleich legte die Entkulakisierung den Grundstein für die Ausweitung des Gulag-Systems. Nach der Ernte im Spätsommer 1930 und zwischenzeitlicher Beruhigung der Situation begann die zweite Welle der Entkulakisierung. In den Augen der führenden Bolschewiki waren die Kulaken als Hauptfeinde bereits besiegt.


1928—1932

Der Angriff sei nun gegen die „neuen Kulaken“ zu führen: die „Halb“ beziehungsweise „Unterkulaken“. Seit Dezember 1930 kam es bei dieser Kampagne wieder zu Zwangsmaßnahmen. Für die Koordinierung der zweiten Phase der Entkulakisierung richtete das Politbüro im März 1931 die so genannte Andrejew-Kommission ein, benannt nach Andrei Andrejew, damals unter anderem Leiter der Arbeiter- und Bauerninspektion. In diesem Gremium dominierten hochrangige OGPU-Funktionäre, zu denen auch Jagoda gehörte. Bereits am 20. Februar 1931 hatte das Politbüro die OGPU angewiesen, die Verbannung von weiteren 200.000 bis 300.000 Bauernfamilien vorzubereiten, eine Zahl, die vom Politbüro am 5. April 1931 auf 120.000 gesenkt wurde. Nach OGPU-Statistiken wurden 1931 tatsächlich 265.795 Familien beziehungsweise 1.243.860 Personen deportiert; 95.544 Familien wurden in den Ural verschickt, 54.360 nach Westsibirien, 49.455 nach Kasachstan, 14.508 nach Ostsibirien, 11.648 in die nördlichen Territorien sowie 5.778 in den Fernen Osten der Sowjetunion. Die AndrejewKommission empfahl am 10. April 1932, bis zum Jahresende weitere 30.000 bis 35.000 Kulakenfamilien auszusiedeln, das Politbüro erhöhte diese Zahl am 16. April 1932 auf 38.000 Familien. 1933 sollten mehr als eine halbe Million Menschen deportiert werden. Die Andrejew-Kommission wurde Ende 1932 aufgelöst. Am 8. Mai 1933 stoppten Stalin und Molotow per Anweisung an die OGPU, die Justizbehörden und die Parteikomitees endgültig die Kampagne gegen die Kulaken. Die Macht des „Klassenfeinds“ auf dem Dorf sei gebrochen, eine Fortsetzung der Entkulakisierung könne den Einfluss der Bolschewiki auf dem Lande endgültig unterminieren. Der bäuerliche Widerstand gegen die zweite Welle der Entkulakisierung und Kollektivierung fiel deutlich schwächer aus als der gegen die erste Welle, denn die Bauern waren durch die fortgesetzten massiven staatliche Repressionen sowie vor allem durch Hunger und die Furcht vor einer überregionalen großen Hungerkatastrophe entscheidend geschwächt.

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Die zur Deportation ausgesonderten Bauern wurden zunächst zu Sammelpunkten und anschließend zu Bahnhöfen verbracht. Dort mussten sie in unbeheizte Güterwagen steigen, die zu Deportationszügen zusammengestellt wurden. Ab Mitte Februar 1930 traten sie die teils mehr als zwei Wochen dauernde Fahrt ins Kulakenexil an. Der Plan der OGPU sah für die erste Phase der Entkulakisierung 240 Züge mit je 53 Wagons vor, 44 dieser Wagons waren für die ausgesonderten Menschen vorgesehen (nach Plan 40 Personen pro Wagon). Häufig verzögerte sich die Verschleppung, was zu längeren Aufenthalten in Rangierbahnhöfen führte. Die einheimische Bevölkerung wurde so zum Zeugen der Deportationen und prangerte die unmenschlichen Zustände der Transporte zum Teil in Gemeinschaftsbriefen nach Moskau an. Häufig wurden den Menschen vor Fahrtantritt alle Wertgegenstände abgenommen, sodass die erlaubte Mitnahme von 30 Pud Gepäck und Proviant sowie 500 Rubel in bar pro Familie Theorie blieb. Aus OGPUBerichten geht hervor, dass die Enteignungen, Plünderungen und Diebstähle auch während der Fahrt fortgesetzt wurden. Sehr oft kamen die Deportierten an den Zielbahnhöfen ohne ausreichende Kleidung, Werkzeuge und Hausrat an. Die deportierten Familien wurden in der Regel getrennt, arbeitsfähige Männer ins Landesinnere verbracht, die nicht arbeitsfähigen Familienmitglieder – Mütter und Kinder unter 16 sowie Ältere – in Nähe der Zielbahnhöfe in Transitlager und -behausungen eingewiesen. Sofern dort Zwischenunterkünfte fehlten, transportierte man die Familien ebenfalls umgehend ins Landesinnere weiter. Viele OGPU-Berichte machten deutlich, dass in den Zielregionen häufig jedwede organisatorische Vorbereitung auf den Zustrom dieser aus ihrer Heimat vertriebenen Bauern unterblieben war. Die Versorgung der Deportierten mit Nahrungsmitteln war durchweg mangelhaft, sodass sich rasch Hunger ausbreitete. Die Kombination von Mangel- und Unterernährung, extremen Temperaturen und unhygienischen Verhältnissen führte zum Ausbruch von Krankheiten wie Scharlach, Masern, Typhus, Meningitis, Diphtherie oder Lungenentzündung, die insbesondere Kinder trafen. Die Krankheitsrate der Sondersiedler übertraf die der normalen Bevölkerung um das Fünffache. Diese Lebensbedingungen verursachten die hohen Sterblichkeitsraten, besonders unter Kindern.

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1937 Volkszählung Sowjetdeutsche in der Sowjetunion 1.151.600

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1937—1938

Der große Terror Seit Beginn der russischen Revolution war der Terror gegen Andersdenkende ein gängiges Instrument bolschewistischer Machtausübung. Trotzki setzte schon 1918 die Milizen der Roten Armee gegen die eigenen Landsleute ein. In einem erbitterten Bürgerkrieg behaupteten die Bolschewiki schließlich den eigenen Machtanspruch. Am 30. Januar 1933 wurde Adolf Hitler zum deutschen Reichskanzler ernannt und es begann die Diktatur der Nationalsozialisten. Bei den Machthabern in Moskau lösten diese Nachrichten aus Deutschland große Unruhe und Besorgnis aus. Die deutsch-sowjetischen Beziehungen waren schon lange angespannt. Die aggressive NS-Diktatur in Zentraleuropa mit ihren Plänen zur „Rettung“ und „Heimholung“ aller Auslandsdeutschen belastete die politische Stimmung zwischen beiden Ländern. Das spürten auch die deutschen Kolonisten in der Sowjetunion. Der sowjetische Geheimdienst warnte immer mehr vor deutschen Spionen und den „faschistischen Agenten“ im Lande. Die Legende der sogenannten fünfte Kolonne wurde geschaffen, also eines Feindes, der wie eine Armeekolonne des Feindes handelt. Die sowjetische Propaganda richtete sich immer mehr gegen die Russlanddeutschen: Sie sprach von einer angeblichen Selbstisolation der Deutschen, schürte Neid auf deren höheren Lebensstandard und ihre Sprachkenntnisse. Auch die Bereitschaft zur Auswanderung und die vielen Auslandskontakte der Russlanddeutschen wurden gegen sie gewendet. 1934 lieferte die Ermordung des Leningrader Parteisekretärs und Stalin-Konkurrenten Kirow Stalin den willkommenen Vorwand, auch gegen die eigenen Reihen loszuschlagen.


In einer groß angelegten Säuberungskampagne fielen zwei Drittel der führenden Kader, Funktionäre und Delegierten des Zentralkommitees der Kommunistischen Partei (KPdSU) dem stalinistischen Terror zum Opfer. Die Mitglieder wurden verhaftet, angeklagt und „überführt“ wegen konterrevolutionärer Umtriebe wie der Abweichung von der Parteilinie, der Spionage oder Sabotage. Durch Einschüchterung, Folter und Sippenhaft gefügig gemacht, wurden die Opfer zu absurden Geständnissen gezwungen, in öffentlichen Schauprozessen zur Selbstanklage genötigt und anschließend hingerichtet. Dabei beseitigte Josef Stalin die komplette Kommandospitze der Armee. 10.000 Offiziere wurden verhaftet und hingerichtet, darunter Marschälle und Generäle. Die Rote Armee sollte sich von diesem Vernichtungsschlag nicht mehr erholen. Millionen Rotarmisten verloren in den Schlachten des Zweiten Weltkriegs aufgrund einer buchstäblich kopflosen Armeeführung ihr Leben. Durch die Zerstörung von Partei und Armee hatte sich Stalin nun endgültig zum Alleinherrscher aufgeschwungen. Mit der zunehmenden Festigung der Macht der Nationalsozialisten in Deutschland verschärften die kommunistischen Machthaber ihre Maßnahmen gegen die Russlanddeutschen in der Sowjetunion. Ähnlich wie in der Zarenzeit wurden bald die westlichen Grenzbewohner aus ihrer Heimat entfernt und nach Kasachstan deportiert. Der Druck auf alle Russlanddeutschen stieg in den 1930er Jahren ständig weiter an. Er mündete 1936 in Verhaftungen und Erschießungen wegen Landesverrats. Die Deutschen standen wieder unter Generalverdacht.

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1937—1938

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Im April 1937 berichtete der Chef des sowjetischen Geheimdienstes Nikolai Jeschow über eine ansteigende Aktivität deutscher Geheimdienste und der NSDAP auf dem Gebiet der Sowjetunion. Er glaubte sich von Spionen aus Deutschland unterwandert, die überall terroristische Sabotageakte vorbereiteten. Am 25. Juli 1937 startete die Operation sowjetischer Behörden gegen die deutschstämmigen Sowjetbürger. Auf Anweisung Josef Stalins wurden erst einmal alle aus Deutschland stammenden Bürger, die als Spezialisten in rüstungsrelevanten Fabriken, Kraftwerken und auf Großbaustellen arbeiteten, entfernt und verhaftet. Wenige Tage später wurde dieser Säuberungsbefehl auch auf die russlanddeutschen Kolonisten angewandt. So wurden zum Beispiel Menschen verhaftet und erschossen, die Hilfspakete aus Deutschland angenommen hatten. Wer aus politischen Gründen von Deutschland in die Sowjetunion geflohen war, geriet unter Verdacht. Frühere Kriegsgefangene, deutsche Kommunisten, Besucher deutscher Konsulate – sie alle wurden verdächtigt, Spione zu sein. Auch die Rote Armee wurde von Deutschen „gesäubert“. Die Listen der sogenannten Staatsfeinde waren Ende des Jahres 1937 abgearbeitet, doch vermuteten Stalin und Jeschow, dass es noch mehr Spione geben müsse. Die Jagd ging deswegen bis zum September 1938 weiter. Und wenn keine Beweise für einen Schuldspruch gefunden wurden, genügte für eine Verurteilung schon allein die deutsche Nationalität.

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1937—1938

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1939—1945

Zweiter Weltkrieg


Die Welt blutet. Am 22. Juni 1941 eröffnete das Deutsche Reich auf breiter Front zwischen der Ostsee und den Karpaten den Krieg gegen die offensichtlich überraschte Sowjetunion. Der Wehrmacht standen 153 Divisionen mit knapp über drei Millionen Soldaten, 3.600 Panzern und 600.000 Motorfahrzeugen zur Verfügung. Hinzu kamen 600.000 Mann aus den verbündeten Staaten Ungarn, Rumänien, Finnland, Slowakei und Italien. Die Rote Armee umfasste 4,7 Millionen Soldaten. Nur knapp die Hälfte von ihnen war allerdings bei Beginn des Angriffs im Westen der Sowjetunion bzw. in den 1939 eroberten ostpolnischen Gebieten stationiert. Nachdem der deutsche Überfall am 22. Juni 1941 die Sowjetunion in den Zweiten Weltkrieg gezogen hatte, begann der Kreml mit ethnisch motivierten Deportationen. Während die Kriterien für die Deportationen nach der Besetzung Ostpolens 1939 und der Annexion der baltischen Staaten 1940/41 noch einer Mischung von sozialpolitischen und ethnischen Kriterien gefolgt waren, ging es nun um die Deportation ganzer Völker. Unmittelbar nach dem deutschen Angriff begann die Zwangsumsiedlung fast aller in der Sowjetunion lebenden Deutschen. Sie wurden entsprechend dem Erlass des Obersten Sowjets vom 28. August 1941 innerhalb weniger Wochen aus den europäischen Teilen der Sowjetunion nach Osten – vorwiegend Sibirien, Kasachstan und an den Ural deportiert. Die Sowjetunion wollte mit der Umsiedlung eine weitreichende Kollaboration der Russlanddeutschen mit Nazi-Deutschland verhindern.

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1939—1945

Vom Überraschungsmoment begünstigt, stießen die drei deutschen Heeresgruppen gemäß dem Angriffsplan „Barbarossa“ schnell nach Osten vor. Anfang September schnitt die von Ostpreußen durch die baltischen Staaten vorgerückte Heeresgruppe Nord Leningrad von sämtlichen Landverbindungen ab. Hitler wollte die Stadt aushungern. Trotz einer 900 Tage andauernden Belagerung konnte jedoch der Widerstandswillen der Eingeschlossenen nicht gebrochen werden. Östlich von Leningrad tobten an der Wolchow-Front monatelang heftige Kämpfe. Ende 1941 waren das Baltikum, Weißrußland sowie große Teile der Ukraine besetzt. In den eroberten Gebieten begannen Einsatzgruppen mit ihren „Sonderaufgaben“: die systematische Ermordung jüdischer Einwohner, kommunistischer Funktionäre sowie der Sinti und Roma. Bis Ende 1941 fielen den Massenerschießungen, an denen sich auch Einheiten der Wehrmacht beteiligten, rund eine halbe Million Menschen zum Opfer. Die anfängliche Freude der einheimischen, vor allem ukrainischen und baltischen Bevölkerung über die Befreiung vom „stalinistischen Joch“ durch die Wehrmacht schlug mehrheitlich in Hass um, aus dem sich ein von beiden Seiten mit äußerster Brutalität geführter Partisanenkrieg entwickelte. In überheblicher Erwartung eines „Blitzsieges“ war die Mehrheit der deutschen Verbände nicht mit Winterkleidung und wintertauglicher Rüstungstechnik ausgestattet. Eilig improvisierte Sammelaktionen

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von Wintersachen und Decken im Deutschen Reich konnten die völlig unzulängliche Ausrüstung der deutschen Soldaten kaum entscheidend verbessern. Die Ausfälle von Erfrierungen überstiegen die Kampfverluste. Bereits Ende 1941 hatte die Wehrmacht mit über 200.000 Toten und 620.000 Verwundeten gewaltige, kaum zu kompensierende Verluste. Bis Mai 1945 waren es knapp 3,5 Millionen deutsche Soldaten, die für den Größenwahnsinn des NS-Regimes an der Ostfront ihr Leben ließen. Für den Kriegsausgang waren nun die umfänglicheren Ressourcen der Sowjetunion an Soldaten und Material entscheidend. Trotz des raschen deutschen Vormarschs hatten die Sowjets 1941 einen Großteil ihrer Rüstungsbetriebe in den Ural und nach Sibirien in Sicherheit verlagert. Zudem gelang es Josef Stalin durch Formierung einer alliierten Koalition, erhebliche materielle Unterstützung aus Großbritannien und den USA zu erhalten. Demgegenüber verfügte die Wehrmacht trotz gesteigerter Kriegsproduktion über keine nennenswerten materiellen und personellen Reserven. Mit der Offensive frisch herangeführter sowjetischer Verbände begann in der Winterschlacht 1941/42 der sich über mehr als drei Jahre hinziehende Rückzug der Wehrmacht nach Westen. Zwar erreichte die deutsche Machtausdehnung nach der Eroberung von Sewastopol und der Sommeroffensive 1942 der Heeresgruppe Süd im Spätsommer 1942 ihren Höhepunkt. Der Vorstoß in den Kaukasus und zum Don führte allerdings zu einer Überforderung der deutschen Truppen und schließlich zur Einschließung und Gefangennahme der 6. Armee im Kessel von Stalingrad. Die Sommeroffensive von 1944 führte die Rote Armee bis Ende des Jahres an die Reichsgrenze. Riesige Flüchtlingstrecks vor sich hertreibend, erreichte sie nach der Winteroffensive von 1945 die Oder und Neiße. Wenige Monate später war nach der Schlacht um Berlin auch das Ende des NS-Regimes besiegelt. Die Sowjetunion kostete der bis zum 8. Mai 1945 dauernde Krieg gegen das Deutsche Reich über 25 Millionen Menschenleben.

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Vertreibung von deutschen Kolonisten in Polen Die Migration zwischen Polen und Deutschland hat seit dem Mittelalter eine lange Tradition. Die Zahl der Menschen mit polnischer Herkunft in Deutschland beträgt heutzutage schätzungsweise zwei Millionen, wobei diese Personen in unterschiedlichen Phasen unter jeweils anderen politischen und rechtlichen Voraussetzungen nach Deutschland gekommen sind. Das Ende des Zweiten Weltkrieges markiert den Beginn der für die Migration zwischen Deutschland und Polen so bedeutenden Wanderung von Vertriebenen und später von Aussiedlern. Ab 1944/45 übernahm die Polnische Arbeiterpartei die Macht und leitete den Übergang Polens in die sozialistische Ära ein. Aus den ehemaligen deutschen Ostgebieten wurden zunächst bis Ende der 1940er-Jahre als „deutsch“ eingestufte Personen vertrieben. Mit Abschluss der Vertreibungen Ende der 1940er-Jahre änderten sich die Rahmenbedingungen für die Migration. Ausreisen wurden von der Regierung in Polen erschwert bzw. verwehrt, weil sie nicht zur polnischen Nationalitätenpolitik passten. Die polnische Verwaltung verfolgte das Ziel, die nach 1945 neu hinzugewonnenen Gebiete zu „repolonisieren“. Sie sah ihre Aufgabe darin, die polnisch autochthone Bevölkerung zu verifizieren und damit eine möglichst homogene polnische Bevölkerung zu schaffen. Gewöhnlich reichten für eine Verifizierung Sprachkompetenz in Polnisch oder polnisch klingende Nachnamen. Viele Menschen, die sich nicht Polen, sondern Deutschland zugehörig fühlten oder vor allem eine regionale Zugehörigkeit empfanden, wählten aufgrund möglicher Diskriminierungen und mit dem Wunsch auf Bleiberecht, den Weg der Verifizierung. Aus diesem Grund war der in der Folgezeit massiv auftretende Wunsch vieler Menschen, unter anderem nach Deutschland auszureisen, ein politisches Problem, denn offiziell hatte sich die verifizierte Bevölkerung zum polnischen Nationalstaat bekannt.

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ab 1945

Die Vertreibungen


Vertreibung von deutschen Kolonisten in Ungarn Nach dem Zweiten Weltkrieg wurden viele Ungarndeutsche zur Zwangsarbeit in die Sowjetunion verschleppt, oder in Ungarn nach Entnazifizierungsverfahren enteignet, entrechtet und zwischen 1946 und 1948 nach Deutschland, zuerst in die amerikanische, später in die sowjetische Besatzungszone vertrieben. 1945 wurde per Gesetz eine Bodenreform mit kommunistisch-sozialistischer Zielsetzung durchgeführt. Dabei wurde auch der Grundbesitz aller Mitglieder des Deutschen Volksbundes entschädigungslos enteignet. Eine Verordnung vom 1. Juli 1945 organisierte die Überprüfung auf nationalsozialistische Belastung, der vor allem die deutsche Minderheit unterzogen wurde. Es gab ein vierstufiges Kategorienschema. Kategorie 1: Führende Mitglieder einer „Hitler-Organisation“. Dazu zählten die Mitglieder der Waffen-SS Kategorie 2: einfache Parteimitglieder und solche, die ihren magyarisierten Namen regermanisiert hatten Kategorie 3: Unterstützer von „Hitler-Organisationen“ Kategorie 4: Personen, die „ihre Vaterlandstreue und demokratische Gesinnung nicht unter Beweis gestellt“ hatten Der Grundbesitz der in den Kategorien 1–3 erfassten Personen war für die Ansiedlung von ungarischen Flüchtlingen bestimmt, die aus Nachbarstaaten geflohen oder vertrieben worden waren. Am 29. Dezember 1945 verfügte die ungarische Regierung, dass diejenigen ungarischen Staatsbürger nach Deutschland umzusiedeln seien, die sich bei der Volkszählung von 1941 zur deutschen Nationalität oder Muttersprache bekannt oder die Magyarisierung ihres Namens rückgängig gemacht hätten, Mitglied des Volksbundes oder einer bewaffneten deutschen Formation gewesen waren. Eine Volkszählung hatte 1941 im Gebiet von Trianon-Ungarn rund 477.000 Personen deutscher Muttersprache erfasst, 300.000 hatten sich

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ab 1945

zur deutschen Nationalität bekannt. Rund 100.000 hatten der Wehrmacht angehört, viele davon waren gefallen oder in Kriegsgefangenschaft. Dem Volksbund und seinen Organisationen hatten im Herbst 1942 rund 300.000 Angehörige der deutschen Minderheit angehört. Etwa 60.000 bis 70.000 waren bereits zusammen mit der Wehrmacht geflohen, darunter zahlreiche SS-Mitglieder und ihre Familien sowie Volksbund-Mitglieder. In dieser ersten Phase wurden bis zu 130.000 Ungarndeutsche nach Deutschland gebracht. Nachdem die Sowjetunion sich bereit erklärt hatte, weitere Ungarndeutsche aufzunehmen, wurden von August 1947 bis Juni 1948 weitere 33 Transporte organisiert. Etwa 50.000 aus Südungarn kamen in die sowjetische Zone, überwiegend in die Auffanglager in Sachsen, in die Graue Kaserne in Pirna. Oftmals mussten unbelastete Deutsche Ungarn verlassen. Dagegen konnten Mitglieder des Volksbunds bleiben. Er hatte sich vor allem aus armen Bauern und nichtorganisierten Arbeitern rekrutiert. Die ungarischen Kommunisten bewahrten diese Schichten vor der Ausweisung, zielten stattdessen auf vermögende und grundbesitzende Bauern als potentielle Gegner eines sozialistischen Umbaus Ungarns. Alles in allem hat Ungarn, das durch das Potsdamer Abkommen ermächtigt war, seine gesamte deutsche Bevölkerung auszusiedeln, etwa die Hälfte von ihnen ausgewiesen.

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Vertreibung von deutschen Kolonisten in Rumänien Im Rumänien vor 1945 stellten Deutsche, nach den Ungarn die zweitgrößte Minderheit. Ihre Auswanderung hat die gesellschaftlich-kulturelle Landschaft Rumäniens nachhaltig verändert. In Deutschland fühlen sie sich mehrheitlich gut integriert und verfügen über sehr aktive landsmannschaftliche Netzwerke. Die deutschstämmigen Minderheiten im Land wurden während der 1930er- und 1940er-Jahre teils zwangsweise, teils aus eigenem Antrieb von der NS-Propaganda mitgerissen und überrollt. Aufgrund der deutsch-rumänischen Annäherung durften sie 1940 unter starker Kontrolle Berlins die „Deutsche Volksgruppe in Rumänien“ bilden. Ab 1943 dienten rund 57.000 vom Nationalsozialismus zum Teil begeisterte rumänische Staatsbürger deutscher Nationalität in der Waffen-SS und in der Wehrmacht. Beide Volksgruppen erlebten im kommunistischen Rumänien das Schicksal der Deportation und der Diskriminierung. Beide waren letztendlich gleichermaßen von der massenhaften Aussiedlung nach Deutschland betroffen. Nach der staatlich verordneten Reform zur Neuordnung der landwirtschaftlichen Produktion im März 1945 erfolgte die Totalenteignung der Großgrundbesitzer. Von 1946 bis 1950 wurde den Mitgliedern der deutschen Minderheit das Wahlrecht entzogen. Die Aberkennung der politischen Rechte und die Verstaatlichung des deutschen Schulwesens stellten einen drastischen Einschnitt in die Lebenswelt der Kolonisten dar. Dadurch wurden sie zu „Fremden in der Heimat“. Diese repressiven Maßnahmen des kommunistischen Regimes trafen zwar auch die rumänische Mehrheitsbevölkerung und andere nationale Minderheiten, sie wurden aber gegenüber den Deutschen besonders radikal durchgeführt und demzufolge als rein ethnisch motivierter Racheakt empfunden. Die deutschen „Faschisten“ und „Hitleristen“ wurden kollektiv für den Zweiten Weltkrieg und dessen Folgen haftbar gemacht.

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ab 1945

Die Auseinandersetzungen zwischen den Ethnien wirkten bis in die 1950er-Jahre hinein. Ab Mitte 1945 wurden außerdem auf sowjetische Anordnung rund 75.000 Zivilistinnen und Zivilisten sowie zurückgekehrte WehrmachtSoldaten – Frauen zwischen 18 und 30 Jahren sowie Männer zwischen 17 und 45 Jahren – zur Zwangsarbeit in die Sowjetunion geschickt. Schwerkranke wurden aus den Sowjetlagern direkt nach Ostdeutschland abgeschoben. Die illegal nach Rumänien Zurückgekommenen wurden verhaftet und saßen jahrelang in rumänischen Gefängnissen. Nach der Rückkehr im Jahr 1949 fanden die Deutschen ihre Häuser und Höfe von rumänischen „Kolonisten“ besiedelt und mussten als Tagelöhner in Kolchosen arbeiten. Im offiziellen Diskurs wurden die sowjetisierten „Heimkehrer“ als vorbildhafte Sowjetmenschen dargestellt. Das im Zuge der Deportation erfahrene Leid wurde erst nach der Wende Ende der 1980er-Jahre in der Öffentlichkeit breit thematisiert. Das Deutsche Antifaschistische Komitee (DAK) in der Rumänischen Volksrepublik wurde Anfang 1949 vom ersten kommunistischen Generalsekretär Gheorghe Gheorghiu-Dej geschaffen. Bis zu seiner Auflösung Anfang 1953 sorgte es für die politische „Umerziehung“ der deutschen „Hitleristen“ und „Imperialisten“. Erklärtes Ziel war das „Zersprengen“ der „Isolation“ der deutschen Gemeinschaften sowie die Durchsetzung des Stalinismus. 1951 wurden die Deutschen zusammen mit anderen „unzuverlässigen“ Ethnien entlang der Grenze zu Jugoslawien ins Ba˘ra˘gan (nordöstlich von Bukarest) verschleppt. Schätzungsweise 10.000 von ihnen starben in der fünfjährigen Verschleppungszeit. Diese zweite Deportation prägte sich tief ins kollektive Bewusstsein ein. Erst 1956 wurde die Diskriminierung stufenweise gelockert. Die Deutschen durften in ihre Wohnhäuser zurückkehren. Das Vertrauen in das Regime war aber nachhaltig erschüttert.

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Vertreibung von deutschen Kolonisten in Tschechien Die gravierenden und völkerrechtlich zu verwerfenden Ereignisse ab 1938 mit dem so genannten Münchner Abkommen, einem Diktat gegenüber der Tschechoslowakei, der im März 1939 erfolgten Besetzung der sogenannten „Rest-Tschechei“, der Bildung des Protektorats Böhmen und Mähren und mit dem Drängen des nationalsozialistischen Deutschen Reichs, die Slowakei möge sich zur Eigenstaatlichkeit entschließen, änderten das Bild der bis dahin gut intergrierten Deutschen in Tschechien grundlegend. Die ersten Aussiedlungen Sudetendeutscher waren noch kriegsbedingt: Die deutschen Behörden begannen, da sich die Rote Armee unaufhaltsam näherte, mit der Evakuierung der Deutschen. Zum Teil flüchteten Deutsche in den Kriegswirren aber auch unorganisiert, da man sich nach dem Vernichtungskrieg gegen die Sowjetunion vor Racheaktionen fürchtete. Mit Beginn des Maiaufstandes des tschechischen Volkes am 5. Mai 1945, noch vor der bedingungslosen Kapitulation der Wehrmacht am 8. Mai und somit noch vor der Befreiung durch alliierte Truppen, gelang es der tschechischen Bevölkerung, in Teilen des Landes die Kontrolle zu erringen. Dort kam es dann bereits zu ersten als „spontane Vertreibungen“ bezeichneten gewaltsamen Maßnahmen der tschechischen Bevölkerung gegen noch anwesende deutsche Bevölkerung. Die öffentlichen Ansprachen Beneš’ am 12. und 16. Mai, in denen er die Entfernung der Deutschen als absolute Notwendigkeit erklärte, bildeten sodann den entscheidenden Impuls zur Intensivierung der „wilden Vertreibungen“, bei der es zu brutalen Exzessen und mörderischen Angriffen gegen Deutsche kam. Zwischen Kriegsende und der praktischen Umsetzung des Potsdamer Protokoll wurden durch die Vertreibungen bereits an die 800.000 Deutsche ihrer Heimat beraubt.

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ab 1945

Aufgrund des Beneš-Dekretes 108 wurde das gesamte bewegliche und unbewegliche Vermögen der deutschen Einwohner konfisziert und unter staatliche Verwaltung gestellt. Um die Täter nicht vor Gericht stellen zu müssen, wurde in der Provisorischen Nationalversammlung am 8. Mai 1946 ein Straffreiheitsgesetz für im Freiheitskampf zwischen 30. September 1938 und 28. Oktober 1945 begangene Straftaten beschlossen. Das Beneš-Dekret 115/46 erklärt Handlungen „im Kampfe zur Wiedergewinnung der Freiheit“ oder jene, „die eine gerechte Vergeltung für Taten der Okkupanten oder ihrer Helfershelfer zum Ziel hatte“, für nicht widerrechtlich.

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ab 1941—1946

Trudarmee


Hinter der „Trudarmee“ verbirgt sich der vielleicht schwierigste Lebensabschnitt der Deutschen, den diese seit ihrer Übersiedlung nach Russland erlebt haben. Damit wurde das eigene physische Überleben der Volksgruppe infrage gestellt. Die Einberufung der nahezu gesamten arbeitsfähigen deutschen Bevölkerung zur Arbeit für die Bedürfnisse der Kriegswirtschaft war die logische Fortsetzung der Deportation der Sowjetdeutschen, die im Herbst 1941 durchgeführt worden war. Bis zum Ende des Jahres 1941 wurden rund 800 000 Sowjetdeutsche aus dem europäischen Teil der UdSSR nach Sibirien und Kasachstan übergesiedelt. Nach Einschätzung der zentralen Führung des NKWD, die sich auf Berichte aus den Regionen stützte, hatte die Situation und die damit einhergehende Perspektivlosigkeit unter den deutschen Übersiedlern einen solchen Grad an Schärfe und Spannung erreicht, dass man mit den üblichen vorbeugenden Verhaftungen die Situation bereits nicht mehr hätte retten können; es wurden radikalere Maßnahmen notwendig. Zu dieser Maßnahme wurde die Einberufung der gesamten arbeitsfähigen deutschen Bevölkerung in die so genannte Trudarmija (Trudarmee/Arbeitsarmee). Die Einberufung der Sowjetdeutschen an die „Arbeitsfront“ löste gleich zwei Probleme. Zum einen wurden die sozialen Spannungen in den Orten, in denen sich deportierte Deutschen in größerer Zahl befanden, beseitigt und es wurde die Zahl der Insassen des Zwangsarbeitsystems aufgestockt. Der Begriff „Arbeitsarmee“ selbst war von den tatsächlich in den Jahren des Bürgerkriegs existieren Arbeitsarmeen übernommen worden. „Trudarmisten“ begannen sich diejenigen selbst zu nennen, die einberufen und von den Militärämtern verpflichtet worden waren, Zwangsarbeit in Arbeitsabteilungen und Arbeitskolonnen mit einer strengen zentralisierten militärischen Struktur zu leisten. Aber auch diejenigen nannten sich so, die in kasernierter Form bei NKWD-Lagern, bei Unternehmen oder auf Baustellen im Zuständigkeitsbereich anderer Volkskommissariate in abgezäunten und bewachten Zonen lebten. Dadurch, dass sie sich selbst Trudarmejzy (Trudarmisten) nannten, wollten diese Menschen zumindest irgendwie ihren sozialen Status aufwerten,

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ab 1941—1946

der durch die offiziellen Stellen auf das Niveau von Strafgefangenen herunter gedrückt worden war. Die Arbeitsarmee wurde vor allem aus Angehörigen solcher Volksgruppen rekrutiert, die ethnisch mit der Bevölkerung von Ländern, die gegen die UdSSR Krieg führten, verwandt waren: Deutsche, Finnen, Rumänen, Ungarn und Bulgaren, obwohl es in der Arbeitsarmee auch Angehörige einiger anderer Volksgruppen gab. Während jedoch die ersten Deutschen bereits Ende 1941/1942 in die Arbeitsarmee kamen, wurde mit der Bildung von Arbeitsabteilungen und Arbeitskolonnen aus Angehörigen der anderen, oben erwähnten Volksgruppen erst Ende 1942 begonnen. Betroffen waren auch Deutschen aus den Gebietszentren und Industriezonen Kasachstans. So beschloss die Kommunistischen Partei

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Kasachstans am 16. Oktober 1941 die Aussiedlung, bereits Ende des Monats begannen die Erfassung, das Zusammentreiben und schließlich die Verbannung in die ländlichen Siedlungen der Gebiete Molotow/ Perm, Tscheljabinsk, Swerdlowsk und Tschkalow/Orenburg im Ural. Hier mussten die Ankömmlinge nicht nur für sich selbst sorgen, sondern wurden für schwerste und unqualifizierte Arbeiten beim Bau von Eisenbahnlinien, Industriebetrieben, in der Öl- oder Kohleförderung oder beim Holzfällen eingesetzt. Die Verhältnisse, unter denen die Zwangsarbeiter arbeiten mussten, waren wie in einem Gefangenenlager. Sie lebten unter strenger Bewachung, mit Schwerstarbeit und psychischem Druck von Seiten der Vorgesetzten. Die Arbeitsnorm war unerträglich hoch und nicht alle konnten sie erfüllen. Wer die Norm schaffte, bekam 600-800 g Brot und die andere nur 300 g. An Unterernährung, Unterkühlung und Krankheit starben mehr als ein Drittel der mobilisierten Deutschen. 2.900 ihrer auf diese Weise verwaisten Kinder waren daher von der NKVD zwischen März 1944 und Oktober 1945 in Waisenhäuser einquartiert worden. Da die Versorgung mit Lebensmittelmarken nur für die arbeitende Stadtbevölkerung galt, die Landbevölkerung überwiegend von eigenen Nutzgärten und vom privat gehaltenen Vieh lebte, waren vor allem Hunger und Krankheiten Ursache für ein massenhaftes Sterben der Deportierten. Laut einer Regierungsverordnung vom 8. Januar 1945 wurden zur besseren Erfassung und Kontrolle der deportierten Völker in den Aussiedlungsgebieten Sonderkommandanturen geschaffen. Jeder Deutschen musste sich jetzt registrieren lassen und binnen drei Tagen alle Änderungen der Zahl seiner Familienangehörigen melden. Ohne Genehmigung des Kommandanten durften niemand seinen Wohnort verlassen. Zudem wurden auch die bereits vor dem Krieg in Sibirien und Kasachstan ansässigen Deutschen der Aufsicht der Sonderkommandantur des NKVD unterstellt. Ab 1947 wurden die Strafen für kleinste Vergehen verschärft. Das unerlaubte Verlassen des Aufenthaltsortes wurde nun erst mit bis zu drei Jahren Freiheitsentzug bestraft, ab dem 21. Februar 1948 wurde das Strafmaß auf bis zu zehn

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ab 1941—1946 Jahre Haft erhöht, und jedes Familienoberhaut musste monatlich persönlich zur Registrierung beim Kommandanten des NKVD erscheinen. Eine weitere Verschärfung der Bedingungen für Deutsche und andere Sondersiedler erfolgte am 26.11.1948 durch ein Dekret, das die Verbannung der Deutschen “auf ewig” festschrieb und für das unerlaubtes Verlassen des Aufenthaltsortes 20 Jahre Zwangsarbeit vorsah, eine Strafe, die tatsächlich verhängt wurde. Nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges wurden die Einheiten der Arbeitsarmee aufgelöst, ihre Angehörigen wurden in die reguläre Belegschaft der Betriebe oder Organisationen eingegliedert, in denen sie gearbeitet hatten. Die Russlanddeutschen durften nun, wenn genügend Wohnraum vorhanden war, ihre Familien an den Arbeitsort nachkommen lassen. Ebenfalls wurden etwa 200.000 Russlanddeutsche aus dem Warthegau als so genannte Repatriierte nach Sibirien und Mittelasien deportiert. Unter ihnen viele der etwa 340.000 Schwarzmeerdeutschen, die in den 1943/1944 beim Rückzug der Wehrmacht in den Warthegau umgesiedelt wurden und als Administrativumsiedler die deutsche Staatsbürgerschaft erhalten hatten. Bis 1946 kamen weitere rund 200.000 repatriierte Deutsche aus dem westlichen Teil der UdSSR und aus allen Besatzungszonen Deutschlands, fast die Hälfte waren Minderjährige. Die Zusammenführung der Familien war erst in der zweiten Hälfte der Die Russlanddeutschen durften nach der Auflösung der Arbeitsarmee – allerdings nur mit Genehmigung durch Betriebe und Behörden – an die Orte (im Wesentlichen im asiatischen Teil der Sowjetunion) zurückkehren, in denen sie vorher zwangsweise nach der Vertreibung aus dem ursprünglichen Siedlungsgebieten angesiedelt worden waren. Sie erhielten allerdings den Status von Sondersiedlern und waren bis 1955 der örtlichen Kommandantur des Innenministeriums (MWD) unterstellt. Eine Rückkehr in die ursprünglichen Siedlungsgebiete blieb verboten, sie mussten schriftlich auf Entschädigung für das enteignete Vermögen verzichten.

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Moskau Kiew

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ab 1941—1946 19411946

Positionen der Arbeitslager in der UDSSR 91


Rund 350.000 Deutschen, vor allem in der Ukraine, blieb das Schicksal der Deportation zunächst erspart, da die deutschen Truppen so schnell vorgestoßen waren, dass den sowjetischen Behörden keine Zeit zur Deportation geblieben war. Diese Menschen zogen dann 1943/44 mit der zurückweichenden deutschen Front in langen Trecks westwärts. Sie wurden im Wartheland bei Posen (Poznan) und Litzmannstadt (Lodz) angesiedelt und erhielten im Wege der Einzeleinbürgerung die deutsche Staatsangehörigkeit. Nach Kriegsende wurden sie von sowjetischen Repatriierungskommandos, die überall nach Russlanddeutschen fahndeten, in die Sowjetunion verschleppt, wo sie wegen Verrats der sozialistischen Heimat zu lebenslanger Verbannung und Zwangsarbeit verurteilt wurden. Insgesamt wurden in den Jahren 1941 bis 1945 1,1 Millionen Deutsche aus dem europäischen Teil der Sowjetunion in Gebiete östlich des Urals deportiert. Selbst die schon in Sibirien und im asiatischen Teil der UdSSR lebenden Deutschen wurden in Zwangsarbeitslager verschleppt und unter Sonderkommandantur gestellt. Trotz Kriegsende im Mai 1945 änderte sich das Schicksal dieser Menschen jedoch nicht. Mit dem Dekret des Obersten Sowjets vom 26. November 1948 wurden die Deportierten auf „ewige Zeiten“ den Deportierungsorten zugewiesen. Sie wurden unter Sonderkommandanturaufsicht gestellt; bei unerlaubtem Verlassen dieser Orte drohte ihnen Zwangsarbeit bis zu 20 Jahren. Personen, die ihnen bei der Flucht halfen, wurden zu fünf Jahren Freiheitsentzug verurteilt. So fristeten die Russlanddeutschen auch nach dem Krieg ein Leben als Arbeitssklaven, als Ausgestoßene, die nicht einmal eines Personalausweises würdig waren, sondern lediglich einen Deportierungsschein bekamen, der sie gegenüber jedermann als „Faschisten“ abwertete. Deutsch konnte ausschließlich in der Familie gesprochen werden, die Kinder durften nur russische Schulen besuchen; eine Weiterbildung war völlig ausgeschlossen. In der Öffentlichkeit wurden die Deutschen totgeschwiegen und als Volksgruppe ignoriert, obwohl sie mit etwa 2 Millionen Menschen unter den 100 Nationalitäten der UdSSR die 14. Stelle einnahmen. In dieser Trostlosigkeit mussten die Russlanddeutschen noch zehn Jahre nach Ende des II. Weltkrieges schuldlos ihr Dasein fristen.

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1948

Die Verbannung Erst am 10. M채rz 1955 erhielten Sondersiedler in der UdSSR endlich ihre P채sse, die ihnen seit Kriegsende vorenthalten worden waren. Drei Monate nach dem Besuch des ersten Bundeskanzlers der Bundesrepublik Deutschland, Konrad Adenauer, in Moskau im Sp채tsommer 1955 folgte aus Moskau der Ukas vom 13. Dezember 1955, mit dem die Meldepflicht bei der Kommandantur f체r Deutsche und ihre Familien aufgehoben wurde, die immer noch in Sondersiedlungen festgehalten wurden.


1950-69 Volkszuwachs durch Aussiedler in Deutschland 659.741

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1955

Der Besuch Nach Inkrafttreten der Pariser Verträge lud die sowjetische Regierung am 7. Juni 1955 den ersten Bundeskanzler Konrad Adenauer zu Gesprächen nach Moskau ein. Für Adenauer stand die Notwendigkeit, nach Beendigung des Besatzungsstatuts diplomatische Beziehungen zu Sowjetrussland aufzunehmen, schon lange vorher außer Frage. Verschiedene Gründe waren dafür ausschlaggebend: Die Sowjetunion war die vierte für Deutschland als verantwortliche Macht. Nach Einschätzung der Bundesregierung lag der Schlüssel zur Wiedervereinigung in Moskau. Wollte Bonn jemals ernsthaft über die Wiederherstellung der deutschen Einheit verhandeln, waren direkte Beziehungen unverzichtbar. Bonns Eigengewicht gegenüber den Westmächten würde sich zudem verstärken und die Bundesrepublik wäre auf gesamteuropäischem Parkett als politischer Faktor präsent. Bereits 1952 stellte das Auswärtige Amt Überlegungen zur Aufnahme handelspolitischer Beziehungen an und nannte die Freilassung der Kriegsgefangenen eine wesentliche Voraussetzung. Nach vier Verhandlungstagen lag das Minimum eines deutschen Verhandlungserfolgs, eine Vereinbarung über die Kriegsgefangenen, in weiter Ferne. Adenauer setzte die Behauptung in die Welt, seine Weisung, die Lufthansa-Maschine früher nach Moskau zu beordern, habe die Gegenseite zu einer konzilianten Haltung bewogen. Doch konnte er es in Wirklichkeit kaum riskieren, die Verhandlungen platzen zu lassen und damit die Ost-West-Entspannungspolitik zu torpedieren. Überdies wollten die Sowjets die Kriegsgefangenen freigeben, dies hatten sie zuvor der SED-Führung signalisiert; fraglich war nur der taktisch günstigste Zeitpunkt. Den hielten Bulganin und Chruschtschow vermutlich an diesem oder dem nächsten Tag für gekommen. Letztlich waren sie von der Prinzipientreue und Standfestigkeit Adenauers - nicht zuletzt in den Diskussionen über die Kriegsursachen - beeindruckt. Adenauer hielt an zwei Punkten eisern fest: Ohne Gegenleistungen wollte


er der Aufnahme der Beziehungen nicht zustimmen und die deutschlandpolitische Grundposition der Bundesregierung musste gewahrt bleiben. Sein Entschluss entgegen allen Warnungen seiner Berater, der Freilassung der 9626 Kriegsgefangenen auf das sowjetische Ehrenwort zu vertrauen, resultierte aus der situativen Einschätzung, seiner Lebenserfahrung und Menschenkenntnis. In drei Punkten zeigte er sich konzessionsbereit: beim Verzicht auf eine schriftliche Bestätigung des Ehrenwortes, bei seiner Einwilligung, die deutschlandpolitischen Vorbehalte nicht in das Schreiben über die Aufnahme der Beziehungen zu inkorporieren und bei seiner Bereitschaft, die Nichtanerkennung des territorialen Besitzstandes, den Friedensvertragsvorbehalt und den unveränderten Alleinvertretungsanspruch nicht im Protokoll, sondern lediglich in einem Brief niederzulegen. Die Freilassung der deutschen Kriegsgefangenen gegen Bulganins mündlich gegebenes Ehrenwort war das Maximum des Erreichbaren und kompensierte Adenauers Misserfolg in der Wiedervereinigungsfrage, ohne diesen spürbar werden zu lassen, da die Aufnahme diplomatischer Beziehungen das Ziel der Wiedervereinigung nicht unmöglich machte. Trotz Stagnation in der deutschen Frage gelang es ihm, den innenpolitischen Erwartungsdruck zu befriedigen und das Moskauer Verhandlungsergebnis so nachhaltig als einzigartigen Erfolg darzustellen, dass heute noch viele Deutsche die Adenauer-Ära damit identifizieren.

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1955

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1959 Volkszählung Sowjetdeutsche in der Sowjetunion 1.619.600

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ab 1964

Die Teilrehabi litierung Am 13. Dezember 1955 erließ das Präsidium des Obersten Sowjets der Sowjetunion ein Dekret, wonach die Kommandanturaufsicht und Zwangsarbeit aufgehoben wurden. Die Rückkehr in die ursprünglichen Heimatorte im europäischen Teil der Sowjetunion blieb jedoch verboten. Auch wurden die nationalen Rechte der Deutschen nicht wieder hergestellt und sie mussten sich verpflichten, nie wieder in ihre ehemaligen Siedlungsgebiete zurückzukehren und keine Ansprüche auf das konfiszierte Eigentum zu erheben. Als sich infolge dieses Dekretes etwa 200.000 Russlanddeutsche spontan für die Aussiedlung nach Deutschland entschieden, wurde ihnen auch diese Möglichkeit verweigert. In der Öffentlichkeit und in der Presse wurden die Deutschen weiterhin totgeschwiegen. Die im Dekret zugesagte Hilfe für den wirtschaftlichen Aufbau unter Berücksichtigung ihrer nationalen Besonderheiten und Interessen wurde vor Ort nicht ausgeführt. Trotzdem erleichterte das Dekret aufgrund der nun möglichen, wenn auch eingeschränkten Bewegungsfreiheit das Los der Russlanddeutschen. Die 1958/59 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der UdSSR vereinbarte Ausreise der Russlanddeutschen zum Zwecke der Familienzusammenführung mit in der Bundesrepublik Deutschland lebenden Verwandten ersten Grades brachte leider nur einen kurzfristigen Anstieg der Ausreisegenehmigungen. Obwohl sich beim DRK binnen kurzem die Anträge zu Hunderttausenden türmten, durften zwischen 1959 und 1970 nur rund 15.000 Personen ausreisen. Die Genehmigungspraxis der sowjetischen Behörden war schleppend, willkürlich und schikanös.


Mit den Entspannungen in der Ostpolitik der 1960er Jahre lockerte sich die Lage der Russlanddeutschen ein wenig. Mit dem Dekret vom 29. August 1964 des Präsidiums des Obersten Sowjets wurden die Deutschen nach 23 Jahren von der pauschalen Beschuldigung des Verrats freigesprochen. Leider blieb diese längst fällige Rehabilitierung jedoch ohne die erhofften Folgen. Nach dem bisher Erlittenen konnte das die Deutschen aber nicht abschrecken: Mit dem Mut der Verzweifelten brachten sie eine Bewegung zur Wiederherstellung der früheren Autonomie ins Rollen. Die Sicherheitskräfte des KGB erstickten aber sämtliche Aktivitäten mit immer härteren und brutaleren Mitteln bis zum ausdrücklichen Verbot aller Autonomiebestrebungen im Jahr 1968 im Keim. Der am 12. August 1970 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der UdSSR abgeschlossene Vertrag über gegenseitigen Gewaltverzicht brachte zwar eine Verbesserung des Klimas hinsichtlich der Deutschen im Allgemeinen und der Russlanddeutschen im Besonderen, doch außer einem vorübergehenden Anstieg der Ausreisegenehmigungen und der Einbeziehung der Russlanddeutschen in den Erlass der Regierung vom 3. November 1972 über die Gewährung der Freizügigkeit für alle Sowjetbürger gab es keine Verbesserung der Lage für die Volksgruppe. Erst Anfang der 1980er Jahre konnten die Russlanddeutschen mit ihrer Forderung nach Autonomie wieder in die Öffentlichkeit treten. So war es möglich, dass in den Jahren 1988 und 1989 drei Delegationen von Russlanddeutschen aus allen Teilen der UdSSR mit einer eindrucksvollen Zahl von Unterschriften in Moskau für die Autonomie vorstellig werden konnten. Der Durchbruch in den deutsch-sowjetischen Beziehungen war schließlich mit dem von Bundeskanzler Dr. Helmut Kohl und Präsident Michail Gorbatschow 1990 abgeschlossenen „Abkommen über gute Nachbarschaft und Zusammenarbeit zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der UdSSR“ geschafft.

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ab 1964

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1970-89 Volkszuwachs durch Aussiedler in Deutschland 1.339.468

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Seit der Unterzeichnung des Moskauer Vertrages vom 12. August 1970 zwischen BRD und UdSSR stieg die Zahl der Ausreiseanträge rapide an und bekam eine neue Dimension. Zugleich führte die unnachgiebige Haltung der Sowjetregierung gegenüber den Forderungen nach Wiederherstellung der ASSR der Deutschen an der Wolga zu einer organisierten Bewegung unter den Russlanddeutschen, die sich diesem Ziel verschrieb. Verursacht durch die unterschiedliche Handhabung der Bearbeitung von Ausreiseanträgen in den verschiedenen Sowjetrepubliken und die willkürliche Genehmigungspraxis und die daraus resultierenden häufigen Absagen kam es zu spektakulären Aktionen von Russlanddeutschen. In einigen Orten kam auch zur offenen Konfrontation mit sowjetischen Behörden. Um die Zahl ausreisewilliger Deutscher einzudämmen, versuchte die Regierung der UdSSR, eine autonome Selbstverwaltung für die Deutschen in Kasachstan zu etablieren, was allerdings am Widerstand der kasachischen Bevölkerung scheiterte. 1976 erreichten die Ausreisegenehmigungen – außenpolitisch durch die Unterzeichnung des KSZE-Abkommens 1975 in Helsinki befördert – mit 9652 Personen erstmals einen Höhepunkt. Danach gingen die Ausreisegenehmigungen erneut zurück. Die Sowjetregierung richtete sich in dieser Frage nach dem jeweiligen Stand des momentanen „politischen Wind“.

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1971—1982

Erste Rückkehr


Ankunft in der fremden Heimat. Seit Beginn der Perestroika Mitte der 1980er Jahre und bis in die Gegenwart kamen gut 2,3 Millionen (Spät-)Aussiedler aus der ehemaligen Sowjetunion nach Deutschland. Davon emigrierten gut 450.000 in der Zeit ab 1987, als die Sowjetunion ihre Ausreisebestimmungen lockerte, bis zum Zerfall der UdSSR Ende 1991. Weitere 1,8 Millionen folgten bis Mitte der 2000er Jahre. Die Masse der Russlanddeutschen siedelte also in einem bemerkenswert kurzen Zeitraum von nicht einmal zwanzig Jahren aus der UdSSR bzw. den GUS-Staaten in die Bundesrepublik über. Entsprechend identifizierten sich in der Russischen Föderation laut Volkszählung von 2010 nur noch gut 400.000 Menschen als Deutsche, in Kasachstan sind es ca. 180.000 (Stand 2009). Bei der letzten sowjetischen Volkszählung von 1989 waren es noch um die zwei Millionen gewesen. Parallel zu der entstehenden Emigrationsbewegung gab es in der Perestroika-Zeit auch Versuche, die Rechte der Russlanddeutschen innerhalb des sowjetischen Staates zu stärken. Hierfür stand insbesondere die 1989 gegründete Organisation „Wiedergeburt“, deren Ziel es war, die 1941 abgeschaffte Autonome Republik der Wolgadeutschen wiederherzustellen. Eine ähnliche innersowjetische Rückkehrbewegung gab es auch unter den Krimtataren, die 1944 kollektiv aus ihren angestammten Siedlungsgebieten deportiert worden waren und denen genau wie den Russlanddeutschen auch in der Zeit nach Stalin die Rückkehr verweigert wurde. Während den Krimtataren jedoch eine umfassende Mobilisierung gelang und sie in vielen Fällen durch eigenmächtige Übersiedlung auf die Krim Fakten schufen, bemühten sich die Vertreter der Russlanddeutschen trotz mehrjähriger Anstrengungen vergeblich um die Wiedererrichtung der Wolgarepublik und die Rückkehr in die alte Heimat.

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ab 1987

Neue Heimat


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ab 1987

Eine rasant zunehmende Zahl deutscher Sowjetbürger wartete diese Möglichkeit auch vor dem Hintergrund der sich verschlechternden wirtschaftlichen Lage gar nicht erst ab und emigrierte stattdessen nach Deutschland. Die Aussiedlung in die Bundesrepublik Deutschland war für viele Russlanddeutsche mit einer Erfahrung verbunden, die sich treffend als „doppelte Fremdheit“ beschreiben lässt. Auf den Punkt gebracht wird dieser Erfahrung mit dem oft zitierten Satz „dort waren wir die Deutschen (bzw. die Faschisten), hier sind wir die Russen“. In der Sowjetunion blieben die Russlanddeutschen trotz des durch Deportation und Verbannung erlittenen Verlusts der deutschen Sprache über ihre Namen und aufgrund des Nationalitätenvermerks im Inlandspass als Deutsche identifizierbar. In Deutschland wurden sie hingegen aufgrund des Gebrauchs der russischen Sprache als Russen identifiziert, oft in diskriminierender Absicht. Auch verlief die Ankunft und Eingliederung in der Bundesrepublik nicht so reibungslos, wie sich dies Politik und auch die Aussiedler selbst gewünscht hatten. Ein Grund hierfür war die Reduzierung der Eingliederungshilfen und Sprachkurse zu einem Zeitpunkt, als sie angesichts zurückgehender Deutschkenntnisse vieler Aussiedler und einer zunehmend schwierigeren Integration in den Arbeitsmarkt am meisten benötigt wurden. Bei den Integrationsproblemen der Russlanddeutschen standen Phänomene von „Ghettobildung“, Jugendkriminalität, Arbeitslosigkeit und sozialer Deklassierung im Mittelpunkt. Gründe dafür waren migrationsbedingte Entwurzelung, mangelnde Sprachkenntnisse und mit dem bundesdeutschen Arbeitsmarkt nicht kompatible Qualifikationen. Besonders die „mitgenommene“ Generation jugendlicher Russlanddeutscher galt als problematische Gruppe.

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1990-2009 Volkszuwachs durch Spätaussiedler in Deutschland 2.503.452

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Die wirtschaftliche Entwicklung der Sowjetunion zeigte seit Anfang der 1980er Jahre einschneidende Wachstumsrückgänge. Ab 1985 wurden vom neu gewählten Generalsekretär Michail Gorbatschow erste Reformen eingeleitet. Durch Perestrojka (Umbau) und Glasnost (Offenheit) sollte der Realsozialismus reformiert werden und zu neuem, kritischem Denken führen. Dadurch traten die Probleme des Systems offen zutage, deren öffentliche Diskussion die Position der Zentralregierung schwächte. Die Entwicklung verselbstständigte sich und entglitt zunehmend der Kontrolle der Partei, die nicht reagieren konnte, da dem damit einsetzenden Demokratisierungsprozess der institutionelle Rahmen fehlte. Außenpolitisch wurde eine umfassende Politik der Entspannung und Abrüstung eingeleitet. Die von Gorbatschow initiierten Reformen brachten keine Wachstumssteigerung. Weder konnte die Weiterentwicklung der Industrie in großen Kombinaten gefördert werden, noch zogen die wachsenden Investitionsanteile des Agrarsektors eine bessere Lebensmittelversorgung der Bevölkerung nach sich. Die zunehmende Wirtschaftskorruption entzogen der Staatswirtschaft wichtige Ressourcen. Am 19. August 1991, einen Tag bevor Gorbatschow und eine Gruppe der Führer der Republiken einen neuen Unionsvertrag unterzeichnen wollten, versuchte das Staatskomitee für den Ausnahmezustand, eine Gruppe hoher Funktionäre, die Macht in Moskau zu ergreifen. Bereits am 21. August war der Putsch am Widerstand der Bevölkerung unter Führung von Boris Jelzin gescheitert. Durch den Augustputsch war die Sowjetunion endgültig zerfallen. Die offizielle Auflösung erfolgte jedoch erst zum 26. Dezember 1991, dem Tag der Hinterlegung der Ratifikationsurkunden zum Abkommen von Alma-Ata, durch Beschluss des Obersten Sowjets, womit zum 31. Dezember 1991 die Existenz der Sowjetunion offiziell endete.

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1991

Auflรถsung der UDSSR


Nach dem Putsch wurde die KPdSU durch Dekret verboten. Jelzin übernahm die Kontrolle über die Medien und die Schlüsselministerien. Gorbatschow trat als Generalsekretär der KPdSU zurück, blieb jedoch bis zum 25. Dezember 1991 Staatspräsident, als er die Amtsgeschäfte an den Präsidenten der Russischen Föderation, Boris Jelzin, übergab. Am Abend wurde die rote Flagge der Sowjetunion mit Hammer und Sichel vom Dach des Moskauer Kreml eingeholt und die weiß-blau-rote Flagge Russlands aufgezogen. Die Unionsrepubliken erklärten ihre Unabhängigkeit von der UdSSR. Schließlich beschlossen elf von ihnen – die baltischen Staaten und Georgien waren nicht zugegen – am 21. Dezember 1991 in Alma-Ata die Auflösung der Union. Die Sowjetunion ging damit durch Dismembration in ihre bis dahin noch vorhandenen Gliedrepubliken unter, während diese als Nachfolgestaaten des sowjetischen Völkerrechtssubjekts den Status völkerrechtsunmittelbarer Staaten erlangten. Die ehemaligen Unionsrepubliken schlossen sich daraufhin in der Gemeinschaft Unabhängiger Staaten (GUS) zusammen. Gleichwohl aber erklärte sich die Russische Föderation, die wiederum völkerrechtlich identisch zur RSFSR ist, ausdrücklich zum „Fortsetzerstaat“ der UdSSR, was die Übernahme aller völkerrechtlichen Rechte und Pflichten einbezog – einschließlich des sowjetischen Sitzes im Sicherheitsrat der Vereinten Nationen – und von ihr in weiteren außenpolitischen wie innerstaatlichen Rechtsakten und Erklärungen immer wieder bestätigt worden ist. Unter breiter Zustimmung blieben somit völkerrechtliche Verträge mit dritten Staaten weiterhin in Kraft.

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1991

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2002 Volkszählung Russlanddeutsche in Russland 59.720

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2010 Volkszählung Russlanddeutsche in Russland 39.410

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Bildquellen https://www.spiegel.de/spiegelgeschichte/a-742730.html#fotostrecke6a61cb25-0001-0002-0000-000000064161 Die deutsche Ostsiedlung, dargestellt im „Sachsenspiegel“ (frühes 14. Jahrhundert) 7 https://www.wikiwand.com/de/Liste_von_S%C3%B6hnen_ und_T%C3%B6chtern_Stettins Zarin Katharina II. (auch „Die Große“ genannt), um 1780 9 https://deutscheausrussland.de/2016/09/14/deutsche-wandern-nachrussland-aus/ Das Manifest von Katharina der Großen, welches ausländische Siedler anwarb. 11 https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Valley_of_the_Shadow_of_ Death.jpg Schlachtfeld in der Krim mit zurückgelassenen Kanonenkugeln 18 https://de.wikipedia.org/wiki/Datei:The_Crimean_War,_1854_-_1856_ Q71229.jpg Gefechtsstellung mit Kugelfängen aus Bambusmatten 23 https://www.newworldencyclopedia.org/entry/File:Alexander_II_of_ Russia_photo.jpg Zar Alexander II. Von Russland (1855 - 1881) 27 https://www.wikiwand.com/de/Alexander_III._(Russland) Zar Alexander III. Von Russland (1881-1894) 29

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http://stuer-archiv.de/wp-content/uploads/2019/06/Die_ Gartenlaube_-1854-_b_450.jpg Querschnittszeichnung eines typischen Auswandererschiffs, 1854 30 https://www.ndstudies.gov/gr4/sites/default/files/unit1/img/59german-russian.jpg Russlanddeutsche Aussiedler in North Dakota, USA 32 https://bigkyiv.com.ua/wp-content/uploads/2019/06/3.png Lazarett mit verwundeten Soldaten 36 https://www.mediathek.at/typo3temp/assets/_processed_/7/d/csm_ WK1_2_Armeen_Russ_1914_Infanterie_Marsch_wiki_01_b78cbccde1. jpg Russlanddeutsche Truppen auf dem Weg an die Front 39 https://www.lpb-bw.de/fileadmin/_processed_/9/8/csm_Wikimedia_ Russian_Troops_1917_58d48049f8.jpg Russische Truppen, 1917 40 https://www.watson.ch/imgdb/b40d/Qx,A,0,0,854,552,355,230,142,92/ 8194527306607975 Deportation von Krimtataren 1944 42 https://rusdeutsch.eu/fotos/2974_b.png Gemälde von Viktor Hurr 44

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Bildquellen https://static.geo.de/bilder/81/b4/73201/colorbox_image/ oktoberrevolution-05.jpg Wladimir Iljitsch Lenin führt die Bolschewiki an 46 https://i0.wp.com/marinamaral.com/wp-content/uploads/2018/04/ e4787-teste.jpg?ssl=1 Wladimir Iljitsch Lenin 48 https://www.vorwaerts.de/system/files/styles/large_15x_node_full/ private/images/vorwaerts_oktoberrevolution.jpg?itok=rTPqU5M9 Ausgabe der „Vorwärts“ vom 19.11.1917 49 https://dc.ria.ru/dc/i1/revolution100//src/assets/pics/22.jpg Gefechtsstellung 51 https://i.dailymail.co.uk/i/pix/2016/12/30/12/3BB6B4F200000578-0image-a-22_1483101155805.jpg Ein Russisches Paar verkauft menschliche Körperteile auf einem Markt, 1921 53 https://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/4/41/Coat_of_ arms_of_the_Russian_Soviet_Federative_Socialist_Republic.svg Logo der ASSR 55 https://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/f/f5/Nachrichten_ Redaktion_1923-1.jpg Redaktion der Zeitung „Nachrichten“ 57

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https://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/thumb/2/2b/ Dekulakisation_in_the_USSR_V_3.jpg/719px-Dekulakisation_in_the_ USSR_V_3.jpg Protestmarsch gegen die „Kulaken“. 60 https://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/thumb/a/a3/ GolodomorKharkiv.jpg/1280px-GolodomorKharkiv.jpg Tote auf dem Bürgersteig in Charkiw 66 http://www.schwabecher.de/wp-content/uploads/2014/03/ Erlass-1941.jpg Erlass vom 28. August 1941 69 https://novogrodovka-rada.gov.ua/images/ news/2017/10/516c4575be7a693715750fae293fe1cc.jpg Deportierung von Russlanddeutschen 71 https://www.grenzecho.net/sites/default/files/ dpistyles_v2/ena_16_9_extra_big/2020/05/07/ node_35658/7613060/public/2020/05/07/ B9723408667Z.1_20200507192323_000+GD6FVIVEN.2-0. jpg?itok=r2UOQtGv1588872213 Gestelltes Propagandabild zum Kriegsende: Der sowjetische Soldat Militon Kantarija hisst am 2. Mai 1945 die sowjetische Flagge auf dem Berliner Reichstag. 73 https://telegraf.al/wp-content/uploads/2019/11/ushtare-sovjetikerob-lufte_1-640x423.jpg Deutsche Kriegsgefangene in der Sowjetunion 77

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Bildquellen https://cdn.prod.www.spiegel.de/images/2 3e99717-0001-0004-0000-000001244751_w948_r1.77_fpx63.08_fpy54.83. jpg Flüchtlingstrek in der Sowjetunion auf dem Weg in den Westen 79 Archiv, Alle Rechte vorbehalten Russlanddeutsche bei der Trudarmee 86 https://deutscheausrussland.de/wp-content/uploads/2017/03/ Sonder-2.jpg Bei der Zwangsarbeit 1946 in Orsk/Gebiet Orenburg/Ural (Russland) 93 https://www.kaz-online.de/storage/media/2426/conversions/Bild-10AdenauerCruschtscho-full.jpg Chruschtschow und Adenauer, 1955 96 https://www.kas.de/o/adaptive-media/image/837159/hdresolution/7_media_object_file_73111.jpg Die Mutter eines Kriegsgefangenen dankt Bundeskanzler Adenauer nach seiner Rückkehr aus Moskau am 14.09.1955 auf dem Flughafen Köln/Bonn für den erfolgreichen Abschluss seiner Verhandlungen mit der sowjetischen Führung. 99 Archiv, Alle Rechte vorbehalten Familienfoto 102

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Archiv, Alle Rechte vorbehalten Rehabilitationsbescheid 103 https://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/3/31/ Bundesarchiv_B_145_Bild-F005101-0003%2C_Lager_Friedland%2C_ Aufnahmeverfahren.jpg Lager Friedland mit angekommenen Spätaussiedlern 107 https://www.spiegel.de/wirtschaft/soziales/fluechtlinge-wiemigranten-deutschland-gepraegt-haben-a-1051994.html#bilde1b242b3-a874-4ec7-af02-3b757e5cd0cc Aussiedlerfamilie in Unna-Massen (1989) 109 https://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/5/51/ Bundesarchiv_B_145_Bild-F079095-0024%2C_Lager_Friedland%2C_ Mann_mit_Kind_vor_DRK-Baracke.jpg Lager Friedland, 1988 110 https://www.handelsblatt.com/images/umgestuerztes-lenindenkmal/14973448/3-format2020.jpg ZerstÜrte Lenin Statue 115 https://www.hdg.de/lemo/img/galeriebilder/biografien/ gorbatschow-michail_foto_LEMO-F-6-073_akg.jpg Michail Gorbatschow 117

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