Schlosser: Johannisburg

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Johannesburg heute

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enn man heute einen Außenstehenden fragt, welche Vorstellungen er mit Johannesburg verbindet, dann ist es in der Regel die Schreckensvision einer Stadt, die von Kriminalität und Gewalttätigkeit wie von einer Seuche befallen zu sein scheint. Die Verbrechensstatistiken sprechen eine eindeutige Sprache und bestätigen dieses Bild auf nur allzu eindringliche Weise. Es dürfte heute in Johannesburg kaum jemanden geben, der nicht entweder selbst oder im Freundes- und Bekanntenkreis Teil dieser Statistiken geworden ist und zu der menschlichen Tragödie beigetragen hat, die sich dahinter verbirgt. Egoli, The City of Gold, ist zur City of Crime, der Hauptstadt des Verbrechens geworden. Seit 2001 genießt Johannesburg den fragwürdigen Ruf, zu den zehn gefährlichsten Städten der Welt zu gehören. Der Ruf ist nicht ganz neu und erinnert an eine ähnliche Reputation während der Zeit des Goldrauschs, als Johannesburg von einem Besucher aus Kapstadt zur Universität des Verbrechens oder gar zur Hauptstadt der Hölle erklärt worden war und Baron Ludwig von Veltheim, der berüchtigte Botschafter des Verbrechens, die Stadt zu seinem bevorzugten Auslandsposten erkoren hatte. Ein Vergleich mit diesen frühen Verhältnissen hieße jedoch, die Situation von heute zu verharmlosen. Die Dick Turpins, Majuba Jacks, Old Jobs oder Frederick Demmings alias Albert O. Williams (1), die damals Johannesburg unsicher machten, waren Einzelgänger, Gestalten wie aus einem Kriminalroman, fast sympathische Gauner und Gelegenheitstäter, die in nichts mit dem organisierten Verbrechen zu vergleichen sind, das heute Johannesburg heimsucht. Auch das individuelle Verbrechen von damals hat nichts mit der Gewalttätigkeit gemein, die heute selbst bei jugendlichen Tätern gang und gäbe ist. Die Kriminalität ist nicht nur in 27


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