Lebensmittel-Paranoia

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i t t e L L e b e n s m

,,


Masterarbeit

an der Hochschule f체r angewandte Wissenschaften W체rzburg-Schweinfurt, Fakult채t Gestaltung

Vorgelegt von Alexandra Bayer (Matrikel-Nr. 5314710) bei Prof. Carl Frech, Prof. Dr. habil. Gerhard Schweppenh채user Masterstudiengang Informationsdesign im Sommersemester 2016


L e b e n s m i t t e L

, Digitalisierung, KÜrperbilder und Ernährung aus analytischer & allegorischer Sicht



Psychogramm der Gegenwart

Emotionale Fehlermeldung Himmlische Cloud

Allegorien /

199 - 190

Gebrauchsanweisung

Food Fetish

Das Leben ist ein Versuch 211 - 200

59-46 101 - 60

Ewig leben

EinfĂźhrung /

189 - 168

45 - 16

167 - 102

15 -6

Inhalt

Lyrik



6-7

psychogramm der gegenwart



8-9

psychogramm der gegenwart



psychogramm der gegenwart

WIE lEbEn WIr?

Es fehlt Wir wollen Erlebnisse. 100 % Diesseits. uns an Gott wurde durch Technik abgelöst. nichts. Technik innoviert sich ständig. Und doch Auf diesen Gott kann man sich nicht werden wir verlassen. Aber einen anderen nicht satt. kennt die Gegenwart nicht mehr ... Wir glauben, was wir sehen. Täglich blicken wir in ein Bildermeer und suchen uns selbst darin. Begehrnisse machen das Internet aus. Wir können nicht aufhören, nach mehr zu suchen. Stumpfe Goldgräberstimmung. Das lose Technisches Wissen kann durch gezielte Gefühl wird Nahrungswahl angewendet werden. durch das Die Menschen kümmern sich jetzt um tägliche Essen sich selbst. Das glauben sie zumindest, gerettet. weil sie die Mittel dazu haben. Gesundheit ist ein Gut. Es ist beruhigend, wenn man es sich leisten kann. Der Körper ist eine Ressource und Kapitalanlage. Geld und Schweiß helfen beim Optimieren. Wir wollen

Die Menschen haben begonnen die

betriebsbereit,

Maschinen nachzuahmen. Sie sind so

reversibel und

formbeständig, verlässlich und schön.

unermüdlich sein.

Es wird alles leichter, aber mehr.

Optische Schönheit wird verlängert. Unser Leben ist auf Körperhüllen fixiert. Wir konservieren uns durch Technik. Jenseitsgedanken werden vertrieben. Was zählt ist das Jetzt. Und das Jetzt muss optimal sein,

10 - 11

denn es gibt nur dieses eine Leben, diese eine Chance.


SElbStbEzoGE

M端DE

端bErStEUErt

Gr端bElnD

UnrUhIG

raStloS tErMInIErt

zUKUnftSf端hlIG GEnErvt SUchtbEWUSSt

zWEIfElnD

vErUnSIchErt UnbEfrIEDIGt


vErzaGt

übErforDErt

ratIonal

zIElloS

psychogramm der gegenwart

En

abGElEnKt WartEnD

InSzEnIErt

UnaUfMErKSaM DoKUMEntIErEnD

hEKtISch IrrItIErt

InKonSIStEnt

UnEInS

12 - 13

bEtrIEbSaM


WIE SollEn WIr lEbEn?

Bei den meisten Alltagshandlungen folgen wir gewohnten Mustern. Alles scheint offensichtlich und vertraut. Die Welt ist jedoch komplex und wandelt sich ständig. Nach Plan A vorzugehen reduziert Komplexität. Aber die dabei auftauchenden Widesprüche, die uns in dieser Lebensart widerfahren, bleiben. Konträre Gefühle begleiten uns dabei: Wir haben lebensmittel-Paranoia. Unser bewusstsein für globale Probleme und zusammenhänge ist so sensibel, wie nie. Paradoxe Gefühle werden im Alltag noch bohrender. Der Mensch – losgelöst von Traditionen und durch Fortschritt, entfernt von Gottvertrauen, sucht eigene Lösungswege, sich diesen Widersprüchen zu stellen. Dies führt soweit, dass er sich selbst schneidet. Er hält an seinen Idealen und Vorstellungen fest. Entwicklungen werden unbewusst angenommen. Die Eingangsfrage müsste lauten: Wie können wir leben? Es gibt immer eine Wahl, eine andere Perspektive, eine Schwebe zwischen beugsamen JaSagen und überfordertem Nein.


14 - 15

psychogramm der gegenwart


12 - 13

psychogramm der gegenwart


2-3


14 - 15


2-3



don´t worry: this is not another coaching book Wer finanziell abgesichert ist und in einer wohlhabenden Gesellschaft lebt, hat unter Umständen trotzdem kein freies, glückliches Leben. Der Fehler: wir versuchen uns mit den mitteLn Loszusagen, die an uns zehren. Die Philosophie lehrt, dass ein gelungenes Leben nichts kostet, außer selbst zu denken. Seien Sie aber nicht enttäuscht: Das gute Leben ist ein Mythos, der Versuch aber eine fantastische Sache. Probieren Sie Gewohntes zu hinterfragen. Wer irrt, der lebt (selbst). Geben Sie diese spannende Aufgabe nicht an Experten ab. Lernen Sie selbst die Dinge aus anderen Augen zu sehen. 20 - 21

Der Markt ist voll mit Büchern, Magazinen, Communities, Blogs, Apps, Kursen und Workshops, die mit Entschleunigung und Lebensverbesserung werben. Die Menschen sind gestresst, haben keine Zeit und wollen sämtliche Lebensbereiche perfekt managen. Warum also nicht ein Magazin über gesundes Essen auf dem Weg zur Arbeit lesen? Warum nicht in der Mittagspause Yoga machen und Abends einen Mandala-Kurs besuchen oder das Fitness-Studio aufsuchen, um runterzukommen? weiL sie mehr geLd ausgeben und termine haben - statt weniger!


Der Mensch dem, was er Aber wer ve schon selbst


einFĂœhrung 22 - 23

steht zu r versteht. ersteht sich t?








2-3


E

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D

I

n

G

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I c

eine Sache wird.

h

U

n

Durch Verdinglichung wird alles vergleichbar und gleich gemacht. Sie befriedigt den menschlichen Zwang, alles zu fixieren. Menschen, Gegenstände und Gefühle bekommen Warencharachter.

G 30 - 31

Wenn keine Sache

einFÜhrung emotionaLe FehLermeLdung

v




tragen sie einen schubkarren statt rucksack. So ein Quatsch! Aber wie steht es im Alltag mit Ihrer Unsinn-Erkennung? ist das neue auch immer das beste? Verdinglichung äußert sich als „erstarrte Denkgewohnheit“. Wir nehmen die Umwelt mit einer versteiften Sichtweise wahr. Diese Gewohnheit lässt im Alltag Abläufe zu, die nicht überdacht werden müssen. Das macht den Alltag einfacher. Routine ist Leerlauf für den Kopf. Durch diese Sichtweise wird die Fähigkeit zur interessierten Anteilnahme an Mitmenschen und Geschehnissen vereitelt. Jeder kümmert sich um seine Belange. Die Anderen verschwinden vom Radar der eigenen Wahrnehmung.

Durch die Brille der Verdinglichung erscheint der Alltag als langweilig. Mit dieser Brille auf der Nase sind die Menschen auf permanenter Erlebnis-Suche. Dabei ist das Neue stets willkommen. Das einstige Bedürfnis nach Gemeinschaft verkeht sich in permanente Begehrnisse. Neue Angebote und Technologien wollen ausprobiert werden. Die falsche Nutzung von Technologien führt aber mehr Belastung statt Linderung herbei. Mit was schmücken technoLogien Sie sich Ihr Leben brauchen eine schwer? Brauchen Sie bewusste FÜhrung, all diese Apps? Warsonst um schon wieder ein verFÜhren neues Smartphone? sie uns.


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einFĂœhrung emotionaLe FehLermeLdung

emotionaLe FehLermeLdung


Die Sprache ist so eine Sache. Einerseits ermöglicht sie das Gleiche zu meinen – denn für jedermann ist eine Blume, eine Blume. Andererseits begrenzt Sprache auch und räumt vielem nicht den Platz ein, den es zum besseren Verständnis bräuchte. Die Liebe gehört zu den Dingen, die eigentlich kein Ding ist. Aber alles wird verdinglicht: Liebe wird zu Kitsch verramscht und als Werbemittel

Menschen lieben andere Menschen,

kommerziell benutzt.

turnschuhe oder McDonalds.


einFÜhrung emotionaLe FehLermeLdung

D I E a K l t I K Dialektik ist eine Art Dialog, um theoretisch im Zwiegespräch sachliche Möglichkeiten auszuhandeln. Sie ist bezogen auf ein Sehen der Sache, um es in der bereits ausgelegten, öffentlichen Sprache freizulegen. Es geht um das aktive Aufsuchen von Widersprüchen. Dies geschieht durch Widerlegen, um ein Sachfeld neu aufzurollen.

Dialektik löst

Sie vermittelt zwischen der leiblich-endlichen

oder erläutert

Existenz des Menschen und dessen Anspruch seiner Vernuft, der sich unendlich ausdehnt.

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Spannungen.


rIltch


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fachSIG einFÃœhrung emotionaLe FehLermeLdung


Gehen Sie auf Spurensuche: Widersprüche wollen gefunden und vestanden werden. Sie sind in Paradoxien enthalten. Die Paradoxie ist die Verwunderung über einen sinnwidrigen Sachverhalt. Der Mensch hat gewisse Tendenzen mit Paradoxien umzugehen – oft leugnet er diese, um sich dem Problem nicht stellen zu müssen. Oder startet »utopische Lösungsversuche«, in dem er versucht, das Problem auf falscher Ebene zu beheben. Wobei der Mensch häufig beginnt sich zu bearbeiten, statt das darüber liegende System, das einer anderen Abstraktionsstufe angehört.

P

Das Konfrontiertsein mit Paradoxien verlangt uns Entscheidungen ab. Paradoxien lösen sich häufig nur in aktiver Auseinandersetzung auf. Sie sind abhängig von der jeweiligen Epoche, dem Kenntnisstand der Gesellschaft und vom subjektiven Empfinden (oft Pseudoparadoxien). Was für den einen akzeptabel ist, mag für den anderen inakzeptabel sein. Gerade wenn ein altes Muster der Weltdeutung (Paradigma) durch ein neues ersetzt wird, empfinden das viele als Paradoxie/ Verwirrung. Auch finden sich die Menschen nach einem Paradigmenwechsel im neuen Paradigma paradox. Durch den raschen Wandel, durch technische Innovationen und gesellschaftliche Tendenzen, kann sich niemand mehr vor Paradoxien schützen. Sie drängen sich als Reizüberflutung, Ungewissheit, schlechtes Gewissen, Überforderung (…) auf.

r


I

x einFÃœhrung emotionaLe FehLermeLdung

o

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a D

a

E

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fach rIl


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ltch hSIG einFÃœhrung emotionaLe FehLermeLdung


aLLegorien



offEnSIchtlIch SchWarz aUf WEISS

Haben Sie noch Fabeln aus Ihrer Kindheit in Erinnerung? Darin fördern Tiere die Konflikte und gesellschaftliche Krisen der Menschen zu Tage. Im Alltag sehen oder lesen wir kaum noch Mehrdeutiges. Die Medien servieren meist nur Informationsschnipsel. Wir sollen schließlich etwas kaufen oder liken. Newsfeeds pampern den Verstand. Widersprüche Der Trick, um Widersprüche zu entlarlassen sich ven, ist das Entdecken der Allegorie. entwirren. Sie kommt nicht nur in Fabeln vor, sondern auch in der Bibel. Wenn Jesus seine Wange zum nächsten Schlag anbietet, meint er das nicht wortwörtlich. Mehrdeutigkeit Texte oder Bilder, können noch mehr kommt auf den bieten, als ihren reinen Unterhaltungszweiten blick. wert. Scheinbar profanes kann auf diese Weise noch einen anderen Sinn haben.


aLLegorien gebrauchsanweisung

SUbtIl rot aUf WEISS

Goethe bezeichnet die Allegorie als Art, die Wirklichkeit zu erkennen und zu deuten, die den jeweiligen Zeitgeist wiederspiegelt. Sein Werk Faust ist so ein epochales Spiegelwerk. Wie lässt sich unsere Wirklichkeit auf diese Weise neu betrachten? Es gilt den

Damit Sie eine Idee davon bekommen,

zweiten Sinn

wie interssant die Spurensuche hinter

auszumachen.

den Dingen sein kann, ist die Allegorie in rot schon freigelegt. Die Beispiele laden zur bewussten Begegnung von Widersprüchen im Alltag ein.

Kommt Ihnen

Es könnten Signale einer Allegorie

etwas absurd

sein! Auch Analogien und Gegensätze

vor?

sind Hinweise auf etwas anderes. Stellen Sie öfter Gedankenspiele an. Der Zweifel hat zu unrecht ein schlechtes Image. Er löst Zwänge und schafft Optionen.

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oder surreal


Confectional Faรงade Keramik- und Holzarbeit von Dirk Staschke


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aLLegorien gebrauchsanweisung


Es kann weder noch Honig flie – ist ja alles a


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aLLegorien gebrauchsanweisung

Milch eĂ&#x;en abgepackt.



2-3









2-3

DaS lEbEn ISt EIn vErSUch das Leben ist ein versuch


Bild: www.vectoropenstock.com/blog/11-most-expensive-paintings-in-the-world/


Ein neues Projekt steht an. Sie fühlen sich verkrampft, gehetzt und unproduktiv? Der ständige Versuch, die Erwartungshaltungen von außen zu erfüllen, ist anstrengend. Der innere Leistungsdruck lähmt einfach anzufangen. Machen Sie aus dem Versuch keine „Challenge“. Generieren Sie keinen künstlichen Optimismus. Probieren Sie eigene Mittel und Wege aus, die Ihrem Wesen entsprechen. Lassen Sie sich von Picassos Lebensversuch inspirieren. Etwas zu tun ist ungemein befriedigend.

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Meinen Sie, er hätte unter dem Druck stets schöne Bilder zu malen, insgesamt 50.000 Werke kreiert? Pablo Picasso (1881 - 1973) ist ein weltbekannter Künstler aus Spanien. Seine Arbeiten reichen von Papierzeichnungen bis zu Malereien und Plastiken. Er sah die Kunst als Versuch an, sich auszudrücken. Der Pinsel war sein Sprachrohr. Leinwände wurden übermalt und Leute mit eckigen Darstellungen vor den Kopf gestoßen. Picassos Werke etablierten sich erst nach und nach. Kubismus mag nicht jedermanns Geschmack sein, aber er ist ein unschätzbarer Wert für die Vielfalt. Seine Sichtweise ist eine Interpretation. Sein Versuch zu leben, überdauert.

das Leben ist ein versuch

picasso woLLte nie schöne biLder maLen.


sie haben FÜnF vergoLdete nägeL.

WaS tUn SIE DaMIt? a) Als Serie sind sie sehr dekorativ. Ich stelle sie ins Regal. b) Die sind sicher was wert. Ich versuche sie zu verkaufen. c) Das sind nützliche Nägel. Ich baue mir etwas damit.


64 - 65 Beim Benutzen der Nägel verschwindet die Vergoldung im Holz. Zu schade? Keineswegs! Kaufen Sie Dinge nicht als Lebensdekor. Machen Sie was draus. Sinnstiftung kommt nur durch´s Tun. Vergolden Sie sich sozusagen von Innen!

das Leben ist ein versuch


sie verbrennen einen geLdschein.

WaS DEnKEn SIE DabEI? a) Zum Glück sind es nur fünf Euro. b) Warum? Davon hätte ich mir doch Zigaretten gekauft! c) Ist mir egal. Ist das jetzt gut oder schlecht?

Bild: dpa


66 - 67 Geld löst Allmachtfantasien bei uns aus. Was immer für Geld zu haben ist; es lässt sich wortwörtlich ummünzen. Für Geld können Sie Ihr Auto verkaufen und sich dafür einen Urlaub auf Bali leisten oder sich einen schnelleren Rechner anschaffen. Das Geld bieten Ihnen Optionen, Ihr Dasein auszufüllen. Alles wird zur Ware gemacht und ist damit austauschbar. Sie selbst sind es, der diesen Dingen Bedeutung beimisst. Gegenüber Geld dürfen Sie daher gerne ein vorbehaltvolles Verhältnis pflegen. Geld macht den Tod nicht suspendierbar, aber es hält uns auf Trab, nicht darüber nachzudenken.

das Leben ist ein versuch


Zeit ist Geld


das Leben ist ein versuch

d. Hinterfragen Sie Ihre kapitalistischen Einstellungen und ändern Sie diese zu

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Ihren Gunsten.








am Liebsten wären sie eine edeLkastanie Warum auch nicht? Diese Baumart erreicht ein beträchtliches Alter von 700 Jahren. was machen sie aus ihrer Lebenszeit? Als Baum überdauern Sie andere Baumarten und Lebewesen. Noch älter wird nur noch der Stein. Aber darin steckt noch nicht mal Leben. Er kann nicht alt werden, er ist alt. In der römischen Mythologie gibt es den Gott Senectus. Er stellt das Greisenalter dar und lebt im hintersten Winkel der Unterwelt Hades. Allein sitzt er dort im Dunkeln und blickt auf die letzten Lichtstrahlen des Lebens. Senectus kann nicht sterben und ist im ewigen Siechtum gefangen. Das Licht streift ihn nur noch, wärmt oder erhellt ihn aber nicht mehr. Für ihn ist die Ewigkeit trostlos und unerfüllt.

Durch die Erleichterung des technischen Fortschritts kommen immer mehr Menschen in das sogenannte 3. Alter, das mit 80 Jahren beginnt. Im Bauplan des Menschen war das gar nicht vorgesehen. Wir geben unsere Lebenserfahrung durch die Gene weiter. Darum ist der Mensch so gut an seine Umwelt angepasst. Er steht nicht wie eine Edelkastanie allein auf weiter Flur und wartet, wie Senectus, auf den erlösenden Blitz. Der Mensch wehrt sich so sehr gegen das Alter, dass er vergisst, was es heißt, Mensch bLeiben sie zu sein. Er ist kein nicht in der fest geschriebenes zeit stecken. Blatt, kein tief ver- gestaLten wurzelter Baum. Der sie ihre gegenwart Mensch kann werden in die zukunFt und erfinden. hinein.


76 - 77

das Leben ist ein versuch



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das Leben ist ein versuch










Kein Termin ist auch ein Te – und zwar ein


das Leben ist ein versuch

ermin n wichtiger. Der Mensch wird

immer älter, aber

die Auffassung von Zeit wird immer

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knapper.




zumindest schLaFen sie mit ihrem kopF

Seifen Sie sich beim Duschen doppelt ein, weil sie nicht mehr sicher sind, ob Sie es bereits getan haben? (So geht es mir gerade.) Haben Sie das Auto wirklich abgeschlossen? Wo lag doch gleich der Schlüssel? Machen Sie sich nichts draus:

Im Siegerdenken des Sports, der Machbarkeit von Schönheit und im Leistungsstreben der Arbeit liegt das Übel des Abstrusen:

körper und geist sind schon immer uneins gewesen.

– also müssen Falten geglättet und Lider gehoben werden. Wir machen Wellness, um auf Knopfdruck zu entspannen. Schließlich haben wir dafür bezahlt. Wir (be)werten Arbeit nach Stunden. Das Leistungsprinzip stellt eine unversöhnliche Gleichung auf, in der für die Annäherung zum eigenen Wohlbefinden und Selbstfühlen kein Raum mehr bleibt. Diese Tendenzen führen zur Enteignung. Wir werden uns selbst immer fremder. Nehmen Sie sich öfter mal raus aus dieser Gleichung. Ersetzen Sie müssen durch können. Machen Sie sich Platz zum Denken.

Das ist Teil unser historisch geprägten Denkgewohnheit: Wir denken stets in Differenzen und Gegensätzen. Es ist ein prekäres und unversöhnliches Unterfangen. Neue Weltvorstellungen brauchen Generationen zur Neuorientierung. Die derzeitige Tendenz lässt davon nicht ab. Wir denken binär und rational. Es wird umso abstruser, je gezwungener diese unterschiedlichen Wesen namens Körper und Geist versöhnt werden sollen.

wir woLLen so aLt aussehen, wie wir uns FÜhLen.


92 - 93

das Leben ist ein versuch



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das Leben ist ein versuch









102 - 103

EWIG lEbEn.










There´s a Highw to Hell but only Stairway to He


ewig Leben

Am Sßndenfall kann sich der Mensch abarbeiten. Oder darauf verzichten – das geht schneller.

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hway ya eaven.





ewig Leben

das Leben ist todernst. Das Bild hat etwas Komisches an sich. Dennoch oder gerade deshalb repräsentiert es vortrefflich unsere Vorstellung vom Leben. Und darin ist kein Platz für:

Mit der Säkularisierung haben die Menschen einen ganz neuen Lebensweg eingeschlagen. Dieser ist mitverantwortlich für das Gefühl der Lebensmittel-Paranoia in wohlhabenden Gesellschaften. ein Überirdischer gott kommt hier nicht mehr vor. Die Menschen kreieren Ersatzreligionen, die nicht mehr das Geistige preisen. Stattdessen wird das Greifbare erhöht und angebetet.

geLd, ernährung und technik sind die neuen sinngeber. Sie bieten bereits im Diesseits alles was der Mensch begehrt: Sie sind verständlich, kontrollierbar und habhaft. Diese Eigenschaften besänftigen das Sicherheitsbedürfnis. Sie müssen nur Lebenszeit opfern, Disziplin aufbringen und todernst ihre Glaubensvorstellungen praktizieren, um schon im Diesseits göttlich leben zu können.

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„auF wiedersehen“









ewig Leben

wir sind besessen.

wir sind besessen nach Fassaden. Längst haben wir uns an die idealen Oberflächen gewohnt: Sie haben schlechterdings unsere Wahrnehmung eingenommen. Der Vergleich mit dem eigenen Körper, dem eigenen Leben schwingt stets mit. Wir sind eine visuelle Gesellschaft und damit stets von einander getrennt. Unser Konsens liegt im Sichtbaren, doch die Menschen zeichnen sich durch Diversität aus: Wir kommen offensichtlich nie auf einen Nenner.

wäre es nicht vieL geseLLiger, sich den schaLL miteinander zu teiLen? Leider sind wir nicht auf´s Hören fixiert, sondern ganz auf das Sehen. Körperliche Ideale werden angestrebt, um in der Normierung der Körperbilder Einigkeit und Anerkennung zu finden. Wir wollen einander angleichen, um den trennenden Unterschied auszumerzen. Schönheitsoperationen und Fitnessbetrieb werden nicht vorgenommen, um besonders zu sein – sondern, um ähnlich zu werden. Sich um ein annehmliches Erscheinungsbild zu mühen ist demnach eine soziale Handlung. Sich wohlfühlen, heißt sich schön zu fühlen. Aber wann kippt diese Logik? Werden Sie sich mit 60, 70 Jahren noch so fühlen? Ab hier wird die Beurteilung nach Hüllen plötzlich asozial: Alte Menschen kommen in der visuellen Glitzerwelt nicht vor. Sie sind die Verlierer des visuellen Wetteifers. Wir haben sie disqualifiziert!

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Mit dem Wohlstand nimmt auch die Besessenheit zu: Zum einen sind wir besessen von Oberflächen. Derlei Schauseiten sind die Werbeflächen, mit denen wir täglich zu tun haben. Das ist ein passives Unterfangen. Sie treffen das Auge, unabhängig vom bewussten Betrachten der Schaufenster aus der realen und digitalen Welt. Angebote, Verheißungen und Verbesserung buhlen um den Einfluss auf unserer Netzhaut. Sie wollen ins Bewusstsein vorstoßen und Begehrnisse auslösen. Das Gefühl von Mangel ist dabei stets präsent.



ewig Leben

Nichts soll den Menschen vorzeitig an ein Ende denken lassen. Die Überhöhung von Fitness, Leistungsfähigkeit, Jugendlichkeit und permanenter Geselligkeit (zum Beispiel via facebook) lässt keinen Platz für solche Menschen, die diesen Kriterien keine Folge leisten (können). Diese unabänderlichen Größen werden mit Originalität, Neuheit und Kreativität zusammengebracht. Hier ist Leben kein beweglicher Prozess mehr. Vielmehr geht es um das Erreichen und Behalten eines Levels, das von der Gesellschaft durchweg akzepiert wird. Diesen Marktwert gilt es um jeden Preis aufrecht zu halten. Die Selbstsorge um ein gutes Aussehen ist also nicht nur eine soziale Handlung, sondern auch eine Wettbewerbsfläche. Die Verknüpfung vom Schönfühlen zum Wohlfühlen ist damit immer an kostspielige Eingriffe und Handlungen gebunden. Das Wohlfühlen bekommt eine masochistische Note, sofern dafür schmerzhaftes Muskeltraining oder operative Eingriffe, wie das Bleichen der Zähne oder Ebnen des Nasenhöckers, vorausgehen müssen, um ein Wohlgefühl auslösen zu können. Die naturgegebene Erscheinung wird immer seltener als Quelle von Einzigartigkeit aufgefasst. Der Mensch begreift sich als Architektur, als Haus, an dem ständig Renovierungsbedarf herrscht, um sich seines Erfolges in Liebe, Beruf und Anerkennung zu vergewissern.

Der Körper wird zum Projekt erklärt. Als ewige Baustelle wird das Machbare herangezogen und die Scheu vor Eingriffen wird immer niederschwelliger. Hierzulande lassen sich jährlich 48.000 Frauen ihren Busen verschönern. Das ist, umgerechnet auf 41 Mio. Bundesbürgerinnen, jede 9. Frau. Der Bezug zum Naturwüchsigen wird immer fremder. Damit wird das Natürliche ausgetrieben, um immer weiter an ein Ideal heranzureichen. Ideal heißt Perfektion - und ist dem Tod am Fernsten. In jungen Jahren kann dieses Unterfangen noch als kitzelnde Challenge untereinander aufgefasst werden. Bereitwillig werden Fitnessdaten aufgenommen und an die Krankenkasse weitergeleitet, sofern Vergünstigungen winken. In diesem Ego-Tunnel wird das Alter ausgeklammert. Doch gewiss und hoffentlich werden auch Sie alt. Es wäre reichlich spät, an Solidarität und Mitmenschlichkeit zu denken, wenn Sie erst selbst davon profitieren möchten. ein probates mitteL, um sich aus dem bann der oberFLächen Frei zu machen heisst empathie. Lösen Sie sich aus den Sorgen eigener Befindlichkeiten und entfliehen Sie den haltlosen Oberflächen, indem Sie anderen Menschen Ihre Zeit und Ihr Interesse widmen. Neugierde ist der Tod für jegliche Oberfläche: Sie sticht durch sie hindurch und erreicht das Herz, welches sich vormals nur flach auf ihr spiegeln konnte. Werden Sie zum umsichtigen Lenker Ihrer Sichtweise, damit das Leben jetzt und später lebenswert bleibt.

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es giLt, todesFerne räume zu schaFFen.







132 - 133

So vIElE tEIlE,

ewig Leben


So WEnIG GanzES.


2-3

das Leben ist ein versuch.








404, error: Your self-displa is not presenta


142 - 143

┏ ┓

ay able.

ewig Leben



2-3



2-3

das Leben ist ein versuch.



ewig Leben

sie sind unzuFrieden...

wir brauchen immer irgendetwas: Mehr Geld für den großen Urlaub, dazu neue Kleidung und passende Sandalen zur angesagten Bademode. Damit auch alles hineinpasst, wäre ein geräumigerer Koffer sinnvoll, der nicht so schwer ist, wie der alte. Dieses Beispiel zeigt, mit welcher Betriebsamkeit die (Frei-)Zeit in Kapital umgemünzt wird. Die teure Urlaubsreise erfordert mehr Arbeitseinsatz in Form von Überstunden und Sonderschichten. Auch die neuen Anschaffungen müssen auf diese Weise erst umgewandelt werden. Ziemlich mühselig, oder? Der Grund warum die Mehrheit der Menschen so denkt, arbeitet und danach handelt, liegt in unserer Auffassung von Arbeit an sich.

Der Mensch bewährt sich durch Arbeit und kann damit die eigene Leistungsfähigkeit darstellen („Schaut, wie vital und lebendig ich bin“). Aber auch dessen Leidensfähigkeit zeigt er auf diese Weise („Ich arbeite 60 Stunden in der Woche“). Die Idee, dass wir uns durch Mühsal (Arbeit) profilieren, ist uralt. Sie hat sich durch die Bibel etabliert. Adam und Eva sind aus dem Paradies verjagdt und zur Arbeit verdammt worden. Bis heute. Zwar leben wir längst nicht mehr nach kirchlichen Vorstellungen, aber die Vorgabe des Leiden-Müssens steckt tief in unseren Denkstrukturen. der mensch bewährt sich durch arbeit. Den Glauben von Erfolg durch Arbeit hat Luther aktualisiert, in dem er das Tagebuch einführte. Darin musste Arbeit und Rechenschaft nieder geschrieben werden. Keine Seite durfte weiß bleiben, Arbeit und (Erb)Schuld mussten dokumentiert und auf dem imaginären Sündenkonto verrechnet werden.

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Dann arbeiten Sie dran. Es gibt noch so viel zu tun. Lassen Sie nicht locker. Auf dieser Denkart basiert die Wirtschaft. Die Idee des ewigen Wachstums ist darauf angewiesen, dass Sie ständig auf Trab bleiben. Denn Hand auf´s Herz:


...dann verdienen sie zu wenig. Diese Verrechnung ist eine Gegenüberstellung von Gegensätzen, wie Soll und Haben, gut und schlecht usw. Nach diesem Modell leben wir immer noch. Nach der Logik der Dichotomie heißt das: Wer glücklich sein will, muss erstmal etwas dafür tun. Das Leben läuft nach Belohnungssystem. Es gibt das erwirtschaftete Glück in Form eines Urlaubs, einer Wellness-Anwendung, einer vollen Shoppingtüte, und die andere Zeit, in der für die nächste Belohnung gearbeitet werden muss. Dabei hat der Mensch das nagende Gefühl, nicht genug geleistet zu haben. Das gedachte Sündenkonto á la Luther ist ein anhaltender Fluch, der rechnungslose Lebensfreude verunglimpft. Der Rationalismus als Leben nach Zahlen hält stets mehr Peitsche, als Zuckerbrot für uns bereit. der mensch ist ein verkorkster masochist, der eigentLich keine Lust am Leid empFindet, aber so tut, aLs ob.

Ein paar neue Sandalen zur aktuellen Bademode und dazu einen trendigen Koffer zögern diese Erkenntnis scheinbar endlos in die Länge. Nach der Belohnung folgt nur ein schales Gefühl. Geld erschöpft sich ebenso wenig, wie die Erbschuld. Man kann gar nicht genug verdienen oder Pluspunkte auf dem (Buß)Konto einzahlen. Es erschöpft sich nicht. Es kann nie genug sein. aus Luthers tagebuch resuLtiert das zeitmanagement und daraus die heutige Idee der WorkLife-Balanace. Die gleiche Art des Verrechnens führt jedoch zu keiner Lösung der Arbeitsfrage. Es generiert aber Lebensmittel-Paranoia und schafft Bedarf an Ratgeber-Literatur, Coaching-Seminaren und Wellness-Anwendungen. Es kann Ihnen keiner die Frage abnehmen, wie sie gerne leben und arbeiten möchten. Hören Sie auf Ihr Gefühl, statt auf immer neue Expertenratschläge. Suchen Sie Konfrontationen, statt Kaufhäuser auf. Gehen Sie ihrer Eingebung nach.


150 - 151

ewig Leben



ewig Leben

Post-Its (Klebezettel) sind wichtig fĂźr ein erfolgreiches Zeitmanagement. Sie werden stets an erinnert.

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Ihre Do´s (Aufgaben)


Neben dem Mühsal der Arbeit, das wir leid-affin mit Erfolg in Verbindung setzen, gilt die Zeit als größter Widersacher des Menschen. zeit ist die grösste bÜrde des menschen. Wir knüpfen Erfolg nicht nur an Arbeit, sondern bedingen ihn zusätzlich an Zeit. Erfolg wird an Zeit gemessen. Start-Up Unternehmen gelten als Shooting-Stars der Arbeitswelt. Zeit bedeutet Challenge. Wir müssen uns pushen, um möglichst viel Leistung in besonders wenig Zeit zu vollbringen. Dabei scheitert der Kampf gegen die Zeit am menschlichen Körper. Dieser zeigt dem Größenwahn des Verstandes die Grenzen auf, über die er sich hinwegzusetzen versucht. Da sich der Mensch durch Arbeit bewährt und gesellschaftliche Anerkennung darin findet, ist es auch keine Schmach, von Burn-Out-Therapien zu berichten. Der Fokus auf Arbeitspensum und Zeitmanagement ist eine rationale One-ManShow. Das menschliche Dreigestirn aus Körper, Seele und Geist wird ausgeladen. Die Folge: Es macht mürbe! Die Bezahlung nach Stunden ist eine unmenschliche Angelegenheit.

Dennoch kommt Arbeit einer Religion gleich. Dieser Widerspruch wurde aber nicht in Wandel versetzt, wie es der Ökonom John Maynard Keynes zur Neugestaltung der Arbeit nach dem zweiten Weltkrieg in einer 15-Stunden-Woche vorsah. der schuLdbewusste mensch hätte es nicht ertragen, die restLiche zeit mit kunst, Lesen, tanzen oder gärtnern zu verbringen. Stattdessen haben wir unsere Ressourcen in Produktivität umgewandelt. Dafür mussten Herstellungen ins Ausland ausgelagert und laut Journalist Lars Berge, tausende Bullshit-Jobs kreiert werden, damit die Wirtschaftsform unsere Konsumgesellschaft weiter trägt. Die eigene Zeitspanne wird nicht mehr ausreichen, um noch die 15-StundenWoche miterleben zu dürfen. Dafür nervt der Konsum die Menschen noch zu wenig, um in kollektive Wallung zu geraten. Zwar steht das Konsumwesen schwer in der Kritik, aber wir entwickeln lieber wandelresistente Lösungen, um die Krise in einen Paradigmenwechsel zu vereiteln.


Und schon wieder sind wir dem System auf den Leim gegangen. Das grüne Image vom Bessermensch hilft nicht weiter. Versuchen Sie sich als Vorreiter von Keynes Vision einer 15-Stunden-Woche: Leben sie mitteLmässig. Kaufen Sie Dinge, die Sie tatsächlich zum Leben brauchen, und die es wert sind für Mühsal eingetauscht zu werden. Mittelmäßigkeit macht Sie nicht zum Gipfelstürmer des Erfolgs, aber längerfristig zufrieden. Nehmen Sie sich wieder Zeit. Sie sind ein Miet-Arbeiter. Die restliche Zeit steht ihnen für Familie, Kultur und Müßiggang frei. wann waren sie das Letzte maL tanzen?

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Dieses Vereiteln wird mit Fair-TradeProdukten und Ökosiegeln erreicht, um die Wirtschaft etwas humaner zu verpacken. Die Erntehelfer verdienen deshalb nicht mehr für Ihre Schokolade aus Chile. Nur der Plantagenbesitzer wird besser entlohnt; den Pflückern bleibt der landesübliche Mindestlohn. Für die Wirtschaft ist es eine Win-Win-Situation: Die Überproduktion geht weiter, das System wird fortgeführt und die westlichen Gesellschaften kaufen ihr Gewissen rein. Der Markt findet in der grünen Nische eine weitere Goldgrube des Wachstums. Die Konsumenten und Arbeiter werden in Form von neuen Produkten, Siegeln und Super Foods bei Laune gehalten. Wir sehen den Raubbau von Ressourcen, und arbeiten gerne etwas mehr, damit teure Fair-Trade-Produkte gekauft werden können. Der Mensch schmückt sich selbst mit Siegeln, die er sich zu erwirtschaften weiß.



ewig Leben

156 - 157

wann waren sie das Letzte maL tanzen?






U n

S I nn

Die Verunglimpfung der Nützlichkeit war eine Spezialität des Dadaismus. Vertreter dieser Kunstrichtung, wie Man Ray, stellten die Dinge auf den Kopf, nagelten sie zu und kombinierten sie mit weiteren Alltagsgegenständen bis zur Aufhebenung ihrer „Daseinsberechtigung“. Ein nagelgespiktes Bügeleisen oder ein umgedrehtes Pissoir erscheinen uns völlig unisnnig oder dada. Der offensichtliche Unsinn führt uns aber auf den zweiten Blick vor Augen, wie es um unsere westlich geprägte Zweck-Mittel-Beziehung steht. Die Logik des Westens ist von Aristoteles Lehre getränk t. Bis heute klammern wir uns an dessen Prinzipien, wie den Satz von Identität („A ist gleich A“) und den Satz vom Widerspruch („A ist nicht gleich Nicht-A“). „A“ vs. „Nicht-A“,

Unser Denken basiert

„gut“ vs. „schlecht“,

auf trennung und

„nützlich“ vs. „nutzlos“.

Gegenüberstellung:


ewig Leben

Sinn der Unterscheidung

Diese mit Reißzwecken gespikte

ist die Sehnsucht nach

Tasse, ist keine Einladung zum

Kontrolle.

Kaffeetrinken. Sie fordert Ihre Fantasie heraus, die durch die

Brille der Logik im Alltag kaum zum Einsatz kommt. Sie lädt ein, den sicheren Standpunkt des Nutzenkalküls zu verlassen und andere Perspektiven auszuprobieren: „Es kann so, aber auch ganz anders

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sein.“ Solche Gedankenspiele bringen Lockerheit in den Alltag.







hIMMlISchE cloUD.


The body is a p place – you sho there sometime


himmLische cLoud

particular ould be es. Stecken Sie auch

häufig mit dem Kopf in Ihrer Cloud?

Schauen Sie sich um.

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Zählen Sie Wolken.


Machen Sie schnell, das ist Ihre Chance gegenw채rtig zu sein: Schenken Sie ihr ein L채cheln! Es kostet Sie nichts und gibt einem Menschen doch das Gef체hl, Teil dieser Welt zu sein. Haben Sie indes Mails gelesen oder in die Ferne gestarrt, ist Ihnen dieser unwiederbringliche Augengblick entgangen. Vielleicht l채chelt Sie auch manchmal jemand an?


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schneLL! WaS SEhEn SIE?

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a) Sie schaut mich an? b) Meine Bahn, die in 2 Minuten abfährt! c) Ich hab drei Re-Tweets und 10 Likes bekommen.








bLeib so, wie du bist!


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web-anbieter wÜnschen sich das auch von ihnen. Der Ausspruch vom „Bleib-so-wie-dubist“ ist eine Forderung nach Berechenbarkeit. Sprich: Ich mag Sie so und nicht anders. So sind Sie mir angenehm, also bleiben Sie bitte so. Beim Surfen im Internet geht es ums gleiche Prinzip. Jede Suchanfrage, die abgeschickt wird, dient dem Kennenlernen. Ihre IP-Adresse steht stellvertretend für Ihren Charakter. Je öfter und länger Sie mit Lead-Generatoren ein Blind Date eingehen, desto genauer kann festgestellt werden, welches Geschlecht, Alter und welche Interessen Sie haben. Jeder Surfer erhält eine individuelle Sortierung in einer Data-Schublade. Damit das Blind Date nicht zu Ende geht, macht man Ihnen gefällige VideoVorschläge oder Kleiderangebote: Ihr Verehrer ist äußerst aufmerksam.

Die Crux an personalisierter Werbung ist die ungeheure Redundanz. Der Surfer wird ausschließlich mit eigenen Interessen konfrontiert. Damit wird Ihnen bereits eine Vorauswahl abgenommen, was in Anbetracht der Fülle an Angeboten auf den ersten Blick gar nicht nachteilig, sondern zeitsparend und bequem erscheint. die seLektion verursacht jedoch, dass jeder surFer auF seiner weLLe hängen bLeibt. Das Internet wird damit von einer Austausch-Plattform zu einem Einbahnstraßenmedium degradiert. In einer Einbahnstraße stoßen Sie nie auf Gegenverkehr. Alles ist angenehm. Auf diese Weise wird es immer seltener, dass fremde Themen Ihren Monitor streifen. Aber ebensolche erweitern das Wissen und formen Haltungen, die vorher noch nicht „provoziert“ waren. Bleiben Sie nicht wie Sie sind und lassen Sie sich nicht festnageln. Das Wesen des Menschen ist es, zu „werden“

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Sie kennen diesen Spruch. Er zeugt von Anerkennung und findet öfters zu Gratulationen seine Anwendung im Tost auf den Jubilär. Cheers!


werde, der du bist...


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Er bleibt nicht - er wird! Sie sind also prädestiniert zum Nicht-Bleiben. Der Körper entwickelt sich, der Geist formt sich unaufhörlich aus. Das Aussehen ändert sich genauso, wie die Ansichten und Meinungen über uns und die Welt. Das Internet lockt mit dem Recht auf Unwissen. Ebenso steht Ihnen aber auch die Teilhabe zu (als demokratischer Bürger). Bleiben Sie weltoffen im world wide web. erLauben sie sich den spiess herumzudrehen: googLen sie nach LockenwickLern und juckpuLver.

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Stiften Sie Verwirrung in Ihrer Schublade, damit wird Ihr Blind Date nicht rechnen.



Seit über hundert Jahren fehlt den Menschen eine positive Vorstellung von Zukunft. Utopische Träume scheinen bereits

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ausgeträumt.


Wir haben sie uns erfüllt. Phantastisches ist real geworden. Mit der Umsetzung großer Zukunftsideen, wie dem Traum vom Fliegen, hat sich der Geist des Träumens ausgeträumt. Wir surfen um die Welt mit einer günstigen Flatrate; auf dem Mond und dem Mars war nichts zu holen, aber wir können uns einmal um die Welt essen, ohne dafür die Stadt zu verlassen: Sushi Kim, Zum Auflauf, Pizzeria Luigi ... alles erscheint in Reichweite. Die Erfüllung der Träume brachte Ernüchterung. Visionen sind ausgeblieben. Stattdessen kam die Langeweile, die sich mit der Ausmerzung großer Ideen einstellte. Das Märchen eines Bauern, dem drei Wünsche gewährt wurden, verdeutlicht dies: Er vergeudet seinen zweiten Wunsch und wünscht seiner Frau eine Wurst an die Nase. Seinen letzten Wunsch verwandt er, um sie wieder weg zu wünschen. Er hatte keine Vorstellung, was er mit seinen Möglichkeiten anstellen sollte. Also lebte er so weiter wie bisher. Gegenwärtig besteht die Erfüllung der Utopie in der Wiederholung des Immergleichen. Bei Wilhelm Busch heißt es: „Schön ist es auch anderswo, und hier bin ich sowieso.“ Uns sind die großen Ideen ausgegangen, für die es sich zu arbeiten lohnt. Die Gegenwart denkt nur noch in Problemen und deren Bewältigung. Daraus resultieren zig Berufsfelder, wie das Coaching, Consulting usw. Sie haben sich die Problematik zum Broterwerb gemacht. Sie stürzen sich mit Experten-Ratschlägen auf die Wunsch- und Ziellosen. Die Menschen befinden sich in einem Horror Vacui, einem erdrückenden Raum der Leere, den sie mitunter bis zum Burnout auszufüllen versuchen und dabei weder Ziel noch Maß vor Augen haben. Die Wirklichkeit wird rational angegangen und strukturiert bearbeitet. Dort werden, wie auf einem kleinen Acker , Probleme bearbeitet. Doch was können wir stattdessen hinein pflanzen? Uns fehlen Träume und Visionen. Dafür haben wir Ängste und Verdruss. Wir wollen alles einlösen können, was wir prognostizieren. Sicherheit und Kontrolle haben Konjunktur. Träumer und Visionäre gelten als Spinner der Gegenwart. Sie sind die Aussortierten des Systems und belächelte Künstler zugleich.


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U

P t I o a ?



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home home. sweet


Food Fetish

die toiLette, der esstisch und das bett sind die Letzten bastionen des aLLeinseins. möchten sie wie ein von Dieser beginnt unweipawLow kon- gerlich zu speicheln, ditionierter sobald ein akustihund Leben? sches Signal ertönt. Entwöhnen und de-konditionieren Sie sich. Sie sind schließlich Ihr eigener Herr. Essen Sie lieber in menschlicher Gesellschaft. Heben Sie sich Ihren Hunger für jemanden auf. Die Mahlzeit ist nicht nur reiner Nährwert, sondern auch sozialer Kit, der Lebebensqualität zu bieten hat. Widmen Sie sich mehr Ihrem vermeintlich langweiligen Körper, indem Sie Rituale einführen. Gehen Sie abends zu Bett und überlegen Sie, was und mit wem Sie gegessen haben. Dabei geht es nicht darum, Kalorien in Form von Schäfchen abzuzählen, bis Ihnen die Augen zufallen. Vielmehr geht es um die eigene Rückbesinnung: streamen und Liken sie sich seLbst. Fragen Sie sich, was Ihnen gut tut und gefällt. Was war zum Beispiel bis jetzt Ihr schönster Moment des Tages? Digitale Medien gilt es genauso bewusst zu genießen, wie eine Tüte Chips. Allzu schnell ist Zeit verdaddelt bzw. der Magen unglücklich satt. 194 - 195

In der Öffentlichkeit stehen Sie stets unter fremder Beobachtung. Sie gehen einkaufen, arbeiten und sind unterwegs. Aber auch Ihre Präsenz im Internet ist eine Art Öffentlichkeit, die immer mehr Einzug in die privaten Rückzugsorte Ihres Lebens gewinnt. Das Smartphone ist immer dabei. Es ist beim Essvorgang, Stuhlgang und Schlafengehen stets an Ihrer Seite. Der Mensch widmet seinem Essen, seiner Notdurft und den letzten Minuten des Tages nicht mehr sich selbst. Aufmerksamkeit verästelt sich und lässt sich immer schwerer bündeln. Hektik, Ungeduld und Genervtheit mischen sich in den mittlerweile fragmentierten Alltag. In Sachen Ernährung hat dies zu Folge, dass entweder zuviel oder zu wenig gegessen wird. Die Körperwahrnehmung lässt nach. Das Sich-Fühlen wird seltener, denn der digitale Begleiter lenkt ab. Die Essmenge wird durch die digitalen Inhalte vorgegeben. Sie werden vermutlich nicht lustvoll und genüsslich ein deftiges Essen zu sich nehmen, während Sie eine Model-Casting-Show streamen. Wird hingegen eine Kochsendung verfolgt und dabei noch die Essdauer an die Sendungslänge angepasst, kann es gut sein, dass Sie über den Hunger essen.



Food Fetish

Vom vielen Sitzen wird die Verdauung ganz träge. Dagegen gibt es Hochleistungsmixer. Delegieren Sie zumindest den Kau-

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vorgang.


Das Phänomen Foodporn entwickelt sich weltweit. Es florieren Kochshows im TV und auf Youtube. Grund dafür sind die zunehmenden Single-Haushalte und das Gefühl weniger Zeit zu haben. Nach einem langen Arbeitstag haben wir immer weniger Lust noch selbst zu kochen und schauen dann lieber anderen dabei zu, wie sie kochen und ganz bestimmte Sachen essen. Das tun wir um uns auf digitale Weise wieder zu vergemeinschaften. Es ist auch eine Art der Pornografie, in der man anderen beim Genuss zusieht. Wir gucken uns gerne schlemmende Menschen an. Wir leben in einer Zeit, in der die klassischen Sinngebungsinstitutionen erodieren. Religion verschwindet und damit auch deren Funktion den Menschen einen Sinn zu geben, der bis und über die Lebensspanne hinaus geht. Dieses Verschwinden wird mit Ersatzreligionen wettgemacht. Der komplexe Alltag wird bei der Ernährungsreligion durch feste Regeln, Gebote und Verbote des Essens reguliert. Auch hier gibt es die Idee vom Guten und Bösen als religiöse Einteilung. Wenn sich Menschen dann zwanghaft diesem Regelwerk unterwerfen kommt dieser Fundamentalismus als Foodamentalismus zutage. Essen hat schon immer eine identitätsstifende Rolle gespielt. Sobald die Möglichkeit besteht zwischen Nahrungsmitteln zu wählen, konstruiert sich der Mensch damit. Da Essen täglich eingenommen wird lässt sich daraus auch ableiten, welche Werte, Milieus und Vorstellungen damit vertreten werden. Kokovorismus. Anfang des 20. Jahrhunderts hat sich ein Mensch ausschließlich von Kokosnüssen ernährt. Er wollte, wie die Palmenfrucht, näher bei Gott sein. Nach kurzer Zeit wurde er krank. Diese Erzählung gleicht unserer medial geprägten Welt, in der Ernährung permanent eine Rolle spielt. Es bedarf einer bewussten Haltung, um die Freude am Essen nicht zu verlieren. Gewinnen Sie Abstand von den vielen Heilsversprechen. Wichtiger als der Nährwert bleibt vor allem der Mensch, als Teil der Essgemeinschaft.


fo aM oD ta En l MU IS S



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Schriften

Caecilia LT Std,

Papier

Munken

Bindung, Druck

Tim Bingnet Horst Jรถst

Kontakt, Gestaltung

Impressum

Alexandra Bayer

Chaparral Pro, InfoOffice, TrueBlood

Cream 120g/m2

0160 753 60 60 alexandra.bayerfh @gmail.com



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