Das weiß-blaue Königszelt vor dem gerade die königliche Kutsche eintrifft, dahinter der Glückshafen, Ansichtskarte 1913
mit zwei entscheidende Funktionen des Oktoberfests: zum einen sollte die Inszenierung des Fests inklusive Pferderennen das bayerische Königshaus stärken und die politische Einheit der Nation der Bayern mit ihren neuen und nicht unbedingt freiwillig hinzugekommenen Gebieten unter streichen. Zum anderen sollte es ein Fest für das Volk sein – und als solches wurde es von diesem auch von Anfang an und aus tiefster Seele em pfundenen. Entsprechend dieser Zielsetzung bildete im 19. Jahrhundert das Königszelt den Mittelpunkt des Festgeschehens. Das weiß-blaue Zeltdach, ein Beutestück des barocken Kurfürsten Max Emanuel aus den Türkenkriegen, war bewusst gewählt worden, konnte doch mit solch kleinen Gesten auf die Kontinuität des Hauses Wittelsbach in Bayern verwiesen werden. Stadtkommandant Felix von Lipowsky inszenierte zur Hochzeit die Huldigungen an das Königshaus, indem er 16 Buben und Mädchen aus angesehenen Münchner Familien
paarweise vor das Königszelt treten ließ. In verschiedene Landestrachten gekleidet und damit die neun Kreise des Königreichs symbolisierend, über reichten sie Früchte und regionaltypische Produkte. Inzwischen ist aus diesen 16 Kinderpaaren ein jährlich zu Beginn des Oktoberfests durchgeführter, etwa sieben Kilometer langer Trachtenund Schützenumzug durch München geworden, der seit 1948 stattfindet. Insgesamt rund 9000 Trachten- und Musikgruppen, Spielmanns- und Fanfarenzüge sowie Schützenkompanien ziehen, zusammen mit den Prachtgespannen der Münchner Brauerein, von der Maximilianstraße durch die Stadt und weiter zur Oktoberfestwiese. Entsprechend unserer inzwischen demokratisch gewordenen Staatsform defilieren der Münchner Oberbürgermeister mit seinen Stadträten und als Ehrengast der bayerische Ministerpräsident nebst Gemahlin an den Münchner Bürgern vorbei. Angeführt wird der Zug vom Münchner Kindl höchstpersönlich.