Ebook kulturgut 14

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KulturGut

Ausgabe

14

Februar 2014

Magazin für die Kulturregion Würzburg

Hellwach-Küssen. Neue Ansichten im Theater | 265 Seiten für alle. Würzburg liest ein Buch | Kulturmasern. Ausstellungsplan mit Punkten in der Heftmitte.

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KulturGUT

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Bei Abgabe am Empfang der THERMEN & BADEWELT SINSHEIM liegt für alle KulturGut Leser ein Überraschungsgeschenk bereit. Gültig bis 30.05.2014

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KulturGut | Editorial | Inhalt | Titelthema | Bühne | Musik | Kunst | Literatur | Film | Stadt | Wissenschaft | Interkultur | Service

Editorial

Wir haben viel vor! Viel Lärm allenthalben über das Theater. Es ist ja auch gut, dass man sich über die Zukunft den Kopf zerbricht, doch täte der Debatte etwas Ruhe gut. Und ein Blick auf die Werte, über die wir hierbei sprechen, tut es nebenbei auch. Wir haben den konzentrierten Blick getan und Menschen mit Durchhaltevermögen getroffen. Die stürmischen Gewässer, durch die hier gesegelt werden muss, halten echte Theatermenschen nicht davon ab, optimistisch zu bleiben und zu betonen: Es ist das Theater der Bürger dieser Stadt. Sie sollen es in Besitz nehmen. Ein schöner und ein zukunftsträchtiger Satz, der aber auch die große Verantwortung enthält, das KulturGut Theater pfleglich zu behandeln.

„Die Jünger Jesu“ ganz Würzburg in seinen Bann ziehen. Das Buch, die Stadt, rund 100 Veranstaltungen: „Würzburg liest ein Buch” heißt das literarische Großereignis vom 4. bis 13. April. Veranstaltungsort: Ganz Würzburg, diverse Veranstaltungsorte und natürlich das Sofa zu Hause. Mit Lesungen im öffentlichen Raum, Kino, Theater, Wettbewerben, Ausstellungen, Vorträgen, Tanz und Musik. Es gibt viel zu entdecken – KulturGut ist natürlich mit einigen Seiten dabei und wünscht eine anregende Lektüre.

In Besitz nehmen sollen die Würzburgerinnen und Würzburger noch etwas anderes in diesem Jahr: Ein Buch. 256 Seiten, 312 Gramm schwer und keine leichte, aber lohnende Kost. Verfasst 1946 im New Yorker Exil wird Leonhard Franks

Bleiben Sie uns gewogen.

Wie immer laden wir Sie ein, uns auf unserer Webseite www.kulturgutwuerzburg.de zu besuchen.

Iris Wrede Chefredakteurin

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KulturGut | Editorial | Inhalt | Titelthema | B端hne | Musik | Kunst | Literatur | Film | Stadt | Wissenschaft | Interkultur | Service

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Editorial

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Inhalt

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Titelthema | Das Theaterensemble: Wie kommt S. dazu?

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Titelthema | Das Theater zeigt Gesichter: Stars bringen Farbe in die Stadt

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Titelthema | Poetry Slam: Die Show war gut, der Feuerwehrmann blieb wach

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Titelthema | Als Schauspieler neu in Würzburg. Außensicht auf die Stadt

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Titelthema | Dirk Terwey, Theatergeschäftsführer: „Wir spielen für das Publikum“

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Titelthema | Nachdenken im Kaisersaal. Das Mozartfest hat eine neue Leiterin

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Titelthema | Machtspiele um Geld und Götzen: Darum kriegt jede Spielzeit ihr Motto

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Titelthema | Zwischenruf

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Theater | Annäherungen an „Ruth“. Leonhard Franks Drama wird neu bearbeitet

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Theater | Termine

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Musik | Wie klingt der Raum? Das Philharmonische Orchester

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Kunst | LED aus, Spot an – auf den KulturGutAusstellungsStadtPlan

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Service | Werkstattbericht aus der Bildredaktion

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Musik | Dichter können singen. Der Wettbewerb „Literatur Update“ wird Heimatklang

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Musik | Termine

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Kunst | Aquarell im Blitzlichtgewitter. So entsteht eine Fotoausstellung

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Kunst | Termine

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Literatur | Gedichte zu Leonhard Franks Roman „Die Jünger Jesu“

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Literatur | Termine

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Film | Termine

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Film | Frank geht ins Kino

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Stadt | Termine

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Stadt | Es fehlte der Boden. Geistiges Klima im Würzburg der frühen Nachkriegszeit

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Wissenschaft | Wenn Städte schmökern. Die Wissenschaft der Leseförderung

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Wissenschaft | Termine

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Interkultur | Termine

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Interkultur | Die Bahnhofsmission liest mit

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Zum Schluss | Impressum

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KulturGut | Editorial | Inhalt | Titelthema | Bühne | Musik | Kunst | Literatur | Film | Stadt | Wissenschaft | Interkultur | Service

Wie kommt S. zum Ensemble? Zukunftsperspektiven für die Säule des Bühnenbetriebs von Hermann Schneider

+ Das Theater ist das Ensemble. Das Theater sind die Künstler, die dem Publikum von der Bühne her begegnen. Dieser Gedanke scheint naheliegend, beinahe banal zu sein, geriet aber dennoch in den Diskussionen der letzten Jahre ins Hintertreffen – sehr zu unrecht. Wer mit dem Theater zu tun hat, gleichviel in welcher Funktion, sollte sich neu auf dieses Prinzip besinnen: Denn nur der leibhaftige Mensch kann authentisch von seinem Schicksal berichten, oder, ganz schlicht: Der Mensch erzählt den Menschen etwas vom Leben anderer Menschen. Ein Verzicht auf digitales Brimborium kann dabei deshalb so gut funktionieren, weil die technischen Medien, das Internet, das 3-DKino gerade einer enormen Visualisierung Vorschub leisten. Das kann unterhaltend sein und den Alltag erleichtern – ein Theater mit einem guten Ensemble kann weitgehend darauf verzichten und seine eigenen ästhetischen Funktionen umso erfolgreicher ausspielen. Das Ensemble ist aber auch hinter den Kulissen wichtiges Strukturmoment. Denn die Typologie der einzelnen SpielerInnen, SängerInnen und TänzerInnen definiert den Handlungsrahmen der künstlerischen Leiter eines Theaters. In der Oper ist dieser Rahmen verhältnismäßig eng: Ein Sopran muss eine Frau sein, der Bass ein Mann mit tiefer Stimme. Da sind etliche Kriterien schon von der Partitur gesetzt. Bis zur Mitte des 20. Jahrhunderts befand sich auch das Schauspiel in einer ähnlichen Lage. Hier gab es den jugendlichen Liebhaber, die junge Naive, die komische Alte… Zahllose Sprechtheaterstücke wurden für eben diese Rollenfächer geschrieben. Dann allerdings, mit der Etablierung der Moderne auf den Spielplänen, löste sich die Verbindlichkeit dieser Typologie gleichzeitig mit dem Repertoiregedanken auf.

Ist das Ich eine Projektion für acht Spieler? Im Musiktheater existiert noch – man kann drüber gähnen oder nicht – ein Kanon von 50, 60 Stücken, meist von Mozart bis Richard Strauss. In diesen Opern gelten die traditionellen Rollenfächer weiterhin. Sie verlangen ein Ensemble, mit dem ein Parameterstück wie „Figaros Hochzeit“ besetzt werden kann. Ein solches Kernensemble ist auch für unser Würzburger Haus gültig. Im Schauspiel gibt es seit den 60er Jahren des 20. Jahrhunderts diese Fächer nicht mehr im eigentlichen Sinne; ja, man ist dezidiert gegen eine solche Typologie und gegen eine bestimmte physische und stimmliche Erwartungshaltung eingestellt, und zwar aus sehr grundsätzlichen Erwägungen heraus, die auch in der Biologie, der Neurophysiologie, in Soziologie und Philosophie formuliert wurden: Das, was wir Persönlichkeit, Subjekt oder Identität nennen, ist eine Konstruktion oder Projektion von Faktoren, die uns von außen eingeschrieben sind. Dem folgen die Dramenautoren, wenn sie für die Ausführung lediglich noch angeben „8 Spieler“, bei denen das Geschlecht egal ist, oder wenn sie Textabschnitte gar nicht mehr einzelnen Spielern zuteilen. Dem folgen Regisseure, die einen Klassikertext genauso als Gegenwartstext lesen wie ein Stück von Elfriede Jelinek. Daraus ergeben sich Inszenierungen wie bspw. Schillers „Verschwörung

des Don Fiesko zu Genua“ vor einiger Zeit am Nationaltheater Mannheim, bei denen nicht definiert wird, wer auf der Bühne den Fiesko spielt / „ist“. Der Text dient als Material und wird auf einzelne Figuren übertragen, die daraus aber nicht mehr ihre Identität definieren. Einen komplementären Weg schlug Einar Schleef ein, als er die Figuren multiplizierte, im „Faust“ mehrere Gretchens spielen ließ, um multiple Persönlichkeiten auf die Bühne zu bringen. Diese unterschiedlichen Formen, den Diskurs über das Subjekt im Theater zu führen, macht das Zusammenstellen eines Ensembles komplizierter und einfacher zugleich.

Überlebt das Subjekt in Oper und Ballett? Theater sollte sich auf das Ensemble bzw. auf den Einzelnen und das Kollektiv in ihrer Wechselwirkung konzentrieren. Dass der Einzelne und das Kollektiv, als Ensemble abgebildet, in wechselnden Rollen erlebbar sind, macht Theater spannend. Wenn an unserem Haus Barbara Schöller gleichzeitig eine faszinierende Donna Elvira im „Don Giovanni“ und eine Nora Desmond im Musical „Sunset Boulevard“ gibt, zwei völlig unterschiedliche Fächer – dann macht Theater dem Zuschauer ein Identifikationsangebot, so dass z. B. ein Musical-Freund durch das Erlebnis dieser Sopranistin dazu angeregt werden kann, vielleicht zum ersten Mal in seinem Leben eine Oper zu besuchen. Im Ballett hat sich die Situation ähnlich wie im Schauspiel in der Mitte des 20. Jahrhunderts einschneidend verändert. Auch hier gab es die „Prinzenrollen“ – die Primaballerina und den Primo Uomo, entsprechend die und den Secondo. Nicht zuletzt aufgrund von ökonomischem Druck wurde diese Ensemblestruktur abgeschafft. Verträge werden heute über ein Leistungsprofil wie „Solo mit Gruppe“ abgeschlossen. Der Künstler hat hier keinen Anspruch, immer nur solo zu tanzen, sondern kann auch im Corps de ballet eingesetzt werden. Das ist nicht nur eine Frage des Tarifrechts, sondern auch der Flexibilisierung, die nötig ist, wo Ballettensembles immer stärker schrumpfen; wobei zwölf TänzerInnen, wie im Mainfranken Theater, für ein Dreispartenhaus unserer Größe vergleichsweise viel sind. Dank dieser Durchmischung aufgrund ökonomischer Notwendigkeiten an kleinen und mittleren Häusern wurden nun aber auch neue Ballettformen und choreografische Vorstellungen entwickelt. Verstärkt seit den 1960er Jahren wurde die Funktion von Helden und der Inhalt selbst von Stücken wie „Schwanensee“ hinterfragt, auch von klassischen Choreografen wie John Neumeier anders gedeutet als in der konventionellen Auffassung, bei der sich vor einem Corps die individuelle Geschichte von Einzelpersonen abspielte („Illusionen wie – Schwanensee“). Das führte zu eigenständigen Formen wie dann auch zum Tanztheater. Auch hier stellt sich das Ensemble völlig anders dar – übrigens wunderbar an unserem Haus. Nicht nur aus dispositionellen Gründen, also um Verletzungsausfällen vorzubeugen, besetzt die Würzburger Ballettchefin Anna Vita oft Rollen mehrfach. Jeder versetzt sich dabei im wahrsten Sinn des Wortes in die Rolle des anderen. Dabei entstehen enorm spannende psychologische, gruppendynamische und künstlerische Prozesse. Das stärkt und verbindet ein En-

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semble und stellt die künstlerischen Vorstände und die Intendanz vor bestimmte Fragen, wie ein Ensemble zu „bauen“ sei, wie es wiedererkennbar werden, wie jede Künstlerin und jeder Künstler mal größere und mal kleinere Rollen in einer guten Verteilung bekommen kann.

Das Casting findet außer Haus statt Vor der letzten Spielzeit hatten viele SchauspielerInnen das Mainfranken Theater verlassen. Daraufhin besetzten wir etliche Positionen erst einmal mit Gästen, damit Stephan Suschke als neuer Schauspieldirektor für die nächstes Saison freie Hand hatte, um ein neues Ensemble zu formieren. Dabei sollte dann ein möglichst breites Panorama von Jung bis Alt, von Männern und Frauen gebildet werden – und es ließ sich in der praktischen Arbeit wieder beobachten, dass die alte Rollenfach-Typologie nicht dumm war, weil sie eine bestimmte Soziologie abbildete: Wie kann ich ein gesellschaftliches Panorama oder eine Familie mit drei Generationen darstellen? Wer kann wer sein, von der Ausstrahlung, von der Körpergröße her? Bei der konkreten Auswahl von Bewerbern steht das Kriterium Teamfähigkeit bei uns sehr weit oben, mindestens ebenso wichtig wie die handwerklich-technischen Möglichkeiten eines Künstlers, Ausdrucksbreite, Verwandlungsfähigkeit, Belastbarkeit. Dabei entscheidet sich viel aus dem Gefühl, ob eine sympathische Ausstrahlung und eine gute Energie rüberkommen. Es lässt sich aber auch durchaus rational testen, wie flexibel und offen ein Schauspieler ist, etwa wenn er beim Vorsprechen gebeten wird, einen Monolog variiert zu wiederholen, den Hamlet also bspw. zuerst als Träumer, dann als seelisch Kranken und ein drittes Mal als arroganten Adligen zu spielen. Ob er das technisch gut umsetzt, kann fast sekundär werden, wenn man sieht, wie, mit welcher Kooperationsfähigkeit und Offenheit sich der Bewerber darauf einlässt. Allein fürs Schauspiel bekommt das Mainfranken Theater, das in dieser Sparte keine freien Stellen ausschreibt, jährlich rund 200 bis 300 Bewerbungen. Wenn wir einen bestimmten Typus brauchen, bedienen wir uns aber nicht aus diesem großen Fundus hoffnungsfroher Talente, sondern suchen selbst, fahren desöfteren zu ausgesuchten Theatern zu Aufführungen mit Schauspielern, mit denen wir schon einmal im Gespräch standen. In der Oper arbeiten wir mit Vorsingen, zu 99 Prozent in Kooperation mit Agenturen oder aufgrund von Empfehlungen. Nur im Tanz wer-

den Vakanzen ausgeschrieben und aus einer stattlich dreistelligen Bewerberzahl dann 30, 40, 50 Kandidaten vorausgewählt, etwa nach ihrer choreografischen Schule und nach früheren Engagements, so dass Anna Vita weiß: Das passt von der Technik und Stilistik her zu uns. Im Ballett geht es bei der Besetzung obendrein am stärksten von allen Sparten um den Phänotyp, ob eine Kandidatin oder ein Kandidat von der Körperlichkeit her in die Gruppe passt.

Was die Zukunft bringen sollte Die Ergebnisse dieser Ensemblepflege können und sollen sich sehen lassen. Deswegen hängen seit dem Herbst Porträtaufnahmen der Bühnenkünstler in den Treppenhäusern zu den Rängen. Daneben richteten wir eine Reihe neuer Formate wie „Tonspur meines Lebens“ und „Musiktheater persönlich“ ein, um die Darsteller auch von ihrer privaten Seite her ins Gespräch zu bringen. Künstler können in diesen Rahmen Programme vorschlagen, die ihnen persönlich viel bedeuten, und sich so dem Publikum von einer anderen Seite ihres Schaffens bekannt machen. Und wir versuchen, immer wieder möglichst spartenübergreifend zu arbeiten. Schauspieler in Musiktheater-Produktionen integrieren oder umgekehrt, das werden wir in den nächsten Spielzeiten wieder verstärkt aufnehmen – und nicht nur das Ballett in der Operette mitwirken lassen, was ja nicht besonders originell ist. So hedonistisch das klingen mag: Besonders förderlich wäre diesen Zwecken eine gute Gastronomie im Mainfranken Theater und eine Kantine als Sozialraum, in dem Menschen miteinander in Dialog kommen. Das betrifft nicht allein den Austausch zwischen Theatermachern und -gängern, sondern auch zwischen den KünstlerInnen. Ohne einen solchen Treffpunkt, an dem sich jeder gerne aufhält, geht jeder nur in seine Probe und lernt nur seine Rolle. Die Ensemblemitglieder drohen zu vereinzeln. Und bei Proben benötigen sie bessere Räume. Denn was wenige Würzburger wissen: Schauspieler, Sänger und Musiker müssen im Jacobi-Hof in der Oeggstraße grundsätzlich mit geschlossenen Fenstern in unklimatisierten Räumen arbeiten, weil sonst sofort Anwohner auf Grund der „Lärmbelästigung“ die Polizei alarmieren. Das allerwichtigste, unabhängig von Örtlichkeiten, ist jedoch ein Ensemblegeist, eine Atmosphäre des Vertrauens. Der Beruf des Bühnenkünstlers bringt es mit sich, dass man sich entäußert und – meist im

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übertragenen Sinn, manchmal aber auch wörtlich – entblößt. Wenn dabei eine Atmosphäre von Angst oder auch nur Missgunst, des Neides oder der Intrige herrscht, dann ist die künstlerische Arbeit gefährdet. Worauf es hinter den Kulissen ankommt, ist eine Atmosphäre

des Respekts, in der sich alle Beteiligten als Teil eines gemeinsamen künstlerischen Risikos verstehen.

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Unsere Stars Das Theater zeigt Gesichter: Kult um Künstler bringt Farbe in die Stadt von Joachim Fildhaut

+ Seit eineinhalb Stunden hängen die Fotos im Treppenhaus des Mainfranken Theaters. Ein hagerer Glatzenträger in quietschorange Straßenarbeiterhose und schwarzem Pulli steht auf dem Absatz. Der Fotograf Falk von Traubenberg porträtierte die Schauspieler, Sängerinnen, Tanzenden u.s.w. in streng einheitlicher, nur ganz leicht verspielter Ästhetik. An einem Freitag um zehn Uhr wurden die Bilder angeschraubt. Um halb zwölf startet ein kleiner Empfang. Dieser Aufwand (ohne Sekt und Häppchen) ist gerechtfertigt. Denn die Galerie bringt nicht nur Abwechslung an die weißen Wände. Ihre Bedeutung zielt vielmehr über die Theatermauern hinaus, in die Stadt hinein. „Wir wollten die Leute, die auf der Bühne immer in Kostüm und Maske stehen, so zeigen, dass die Würzburger sie auch im Café am Nebentisch wiedererkennen“, sagt Intendant Hermann Schneider. Das Wort „Stars“ vermeidet er. Dabei schnitt die Theaterleitung in den Verhandlungen mit von Traubenberg das Thema „Autogrammkarten“ durchaus an. Aber Schneider ist froh, dass das Stichwort jetzt von außen kam, gewissermaßen „aus der Stadt“. Immerhin dürfte das ein Indiz dafür sein, dass die Konterfeis der KünstlerInnen beim Publikum einmal Sammlerwert bekommen könnten. Falls die denn gedruckt werden.

Auf unterfränkischen Schultern Ihre kleine säkulare Einweihung hat die Galerie auch deswegen verdient, weil sie einer übergreifenden Strategie unterliegt. Ein ähnlicher Gedanke, nämlich die Ensemblemitglieder nach außen hin stärker individuell zu profilieren, durchzog in der vorigen Spielzeit die Plakate für einzelne Produktionen am Hause. Da sah man beispielsweise auf der Ankündigung von August Strindbergs Drama „Der Vater“ die Hauptfigur und die Schlagzeile: „Rainer Appel ist Der Vater“, um nur mal einen besonders knackigen Slogan zu zitieren. Solche Töne waren 2011, 2012 neu in der Stadt. Sie werden künftig fortgesetzt, variiert, auch gegen den passiven Widerstand der schwer zu beeindruckenden, stets gern untertreibenden Unterfranken, die ein euphorisches Lob mit dem Zweisilber „basst scho“ auszudrücken imstande sind. KulturGut 14 | Seite

Ist es nicht wünschenswert, ein paar Prominente mehr in der Stadt zu haben, die weder der Lokalpolitik noch der Gastronomie entsprungen sind? In allerjüngster Vergangenheit wurde am Kardinal-Faulhaber-Platz nicht systematisch daran gearbeitet – eher im Gegenteil. Der vorige Schauspieldirektor Bernhard Stengele legte sehr großen Wert darauf, den Ensemblegedanken in der Öffentlichkeit zu kommunizieren. Jahrelang hatten Ensemblemitglieder darauf gedrungen, wieder einmal Fotografien in den Foyers aufzuhängen. Allein, in der Ära Stengele war da nichts zu machen.

Wer fotografiert da? Grund zum Studium der Stargalerie am Wirkensort der Abgebildeten gibt neben dem teils sehr feinen Mienenspiel die Frage: Warum hängen die in dieser Reihenfolge? Sie hängen dort salomonisch in der Reihenfolge des Aufnahmedatums. Jede und jeder habe gern mitgespielt, erzählt Falk von Traubenberg, der pro Gesicht zwischen 15 und 60, 70 mal auf den Auslöser drückte. Eine erste Vorauswahl sortierten der Bild- und die Bühnenkünstler gemeinsam gleich auf der zum Atelier umgerüsteten Probebühne aus, die endgültige Entscheidung über das Motiv wurde von von Traubenberg getroffen. Der schon seit mehreren Jahren Inszenierungen für das Mainfranken Theater fotografiert. Den meisten Theatergängern dürfte sein Name aufgefallen sein, als er 2009 mehrere Reihen von Einweckgläsern mit Dias füllte und in den Seitenfluren des Theaters ausstellte. Seinen Beruf gibt er übrigens nicht mit Fotograf, sondern mit Konzeptkünstler an, sein Diplom baute er in Architektur. Vor genau zehn Jahren gab er sein Ausstellungsdebüt in einem Museum, dem der Laie gewiss gern einen Exotenbonus zubilligt: in der Kartause Ittingen des schweizerischen Kantons Thurgau. Indes, das dortige Kunstmuseum wurde vom Reisemagazin Globo mehrfach zum Kulturreiseziel ernannt. Und Falk von Traubenberg setzte seine Ausstellungskarriere mit dem Internationalen Medienpreis des ZKM Karlsruhe fort, im Vitra-Design- und im Verkehrsmuseum Dresden, am MIT Boston und an vielen kleineren Schnittstellen zwischen Kunst, Wissenschaft und Technik. Auch ein solches Profil kann das Mainfranken Theater seinem Image getrost hinzufügen.

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Die Show war gut, der Feuerwehrmann blieb wach Was machen die jungen Leute im Theater? Heute: Die Poetry-Slam-Reihe „Dead Or Alive“ von Christian Ritter

+ Poetry Slammer auf die Theaterbühne – darf man das? Machen die nicht alles dreckig? Kann mir das auch passieren? Ja, zum Beispiel im Mainfranken Theater. Das ist einer von 22 Austragungsorten so genannter „Dead Or Alive“-Slams im deutschsprachigen Raum. Beim gewohnten Poetry Slam darf jede/r mir eigenem Text und genug Mut auf die Bühne. Die Theater-Veranstaltungen „Dead Or Alive“ sind dagegen Mannschaftssport. Auf der einen Seite steht das SlamTeam, jeweils neu vom Moderator rekrutiert aus allen deutschsprachigen Slammern; auf der anderen Seite das Schauspieler-Team aus dem Ensemble, das in die Rollen verstorbener Dichter schlüpft – und sich erst mit dem Format anfreunden musste. Man stelle sich vor, ein Theaterstück würde alle fünf Minuten unterbrochen und das Publikum sollte jeweils Bewertungen über die aktuelle Ergriffenheit und Stimmungslage abgeben. Wäre schwierig. Ein Poetry Slam aber lebt einzig und allein von der Reaktion des Publikums und ständigem Feedback durch die Bewertungen der Vorträge. Es kommt zusammen, was nicht zusammen gehört. Aber es funktioniert erstaunlich gut.

Als Kinski nackt über die Sesselreihen kletterte Nicht wenige Poetry-Slam-Stammzuschauer wurden durch den „Dead Or Alive“-Slam dazu gebracht, erstmals ins Theater zu gehen. Die Verwunderung auf beiden Seiten ist dabei nach wie vor groß. Dass dem studentischen Slam-Gänger ein Kartenvorverkauf relativ egal ist und er einfach so ganz frech erscheint, ohne sich angekündigt zu haben, sorgte schon für enormes Chaos bei einer der ersten Veranstaltungen, da nicht genügend Karten im System angelegt waren. Einen Schauspieler kann in hohem Maße irritieren, ein fremdes Arbeitsgerät vorgesetzt zu bekommen – „Ein Mikrofon? Ich brauche so etwas nicht!“ Und umgekehrt: Die Technik des Mainfranken Theaters brauchte nur fünf Minuten von unserer blanken Idee zur Realisierung: Vor der Show wird die Vorderbühne versenkt, mit Bodennebel gefüllt und zur Abenderöffnung spektakulär mit Künstlern drauf hochgefahren. Im Theater ist vieles möglich – solange am Bühnenrand der Feuerwehrmann sitzt und mit wachem Auge wacht. Als Moderator habe ich es mir zur Gewohnheit gemacht, nicht nur die Zuschauer, sondern auch KulturGut 14 | Seite

immer mal wieder den Feuerwehrmann zu beobachten. Einmal hat er gegrinst, schon öfter war er kurz davor zu applaudieren. Eingeschlafen ist er noch nie. Sowieso ist das Zusammenspiel der Darsteller und Selbstdarsteller sehr befruchtend. Man lernt voneinander, zum Beispiel galantes Verbeugen oder dass es überhaupt möglich ist, als professioneller Poetry Slammer zu leben: „Also jetzt nochmal ernsthaft, ihr macht das wirklich? Rumfahren und Texte vorlesen? Hundert Mal im Jahr? Da lobe ich mir meine feste Bühne.“ Dass die Rivalität nicht nur gespielt ist, kommt dem Format sehr zugute. Natürlich will jede Mannschaft gewinnen. Auch wenn die Schauspieler das bislang seltener getan haben (die Rivalität muss geschürt werden), war es dann doch umso eindrucksvoller. Unvergessen ist, wie Klaus Kinski zwanzig Jahre nach seinem Tod auf der Bühne des Mainfranken Theaters steht, plötzlich wild wird, die Requisite demoliert und sich weiter schwadronierend Stück für Stück die Kleider vom Leib reißt, bis er in ganzer nackter Pracht und nach Abbruch wegen Zeitüberschreitung 49 von 50 möglichen Punkten erhält. Der eine Punkt, der ihm verwährt bleibt, bringt ihn dermaßen in Rage, dass er über die Zuschauer klettert, sich vor ebendem Jurymitglied aufbaut, das ihn mit nur neun kläglichen Punkte bedacht hat, und lautstark Rechtfertigung verlangt. Das war ein starker und verstörender Theatermoment! Selbst der Feuerwehrmann lugte aus seiner Nische, um das Spektakel nicht zu verpassen. Der „Dead Or Alive“-Slam ist längst kein bloßes Werkzeug mehr, um junge Leute ins Theater zu locken. Der Nachwuchs kommt genauso wie das Abonnementpublikum, die Lager sind gespalten vereint, sowohl im Zuschauerraum wie auf der Bühne. Man munkelt gar, dass sich der ein oder andere Student schon ein Theaterstück angesehen hat, genauso wie sich routinierte Theatergänger zum Slam in die Posthalle getraut haben. Mittlerweile fühle ich mich an beiden Spielstätten durchaus zuhause. Da spreche ich auch im Namen meiner verrückten, jungen Zuschauerschaft. Zwar fährt mir noch jedes mal der kalte Schreck in die Knochen, wenn durch alle Lautsprecher in den Katakomben die scheppernde Aufforderung ertönt, umgehend die Auftrittsposition einzunehmen. Aber an manches muss man sich vielleicht gar nicht gewöhnen. Das nächste Mal könnten wieder die Schauspieler gewinnen.

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Offene Zentrale Als Schauspieler neu in der Stadt von Sarah Pfister

+ Sven Mattke ist neu im Ensemble des Mainfranken Theaters – wie die Hälfte der Schauspieler. Wie hat er die neue Stadt erfahren? Wo sieht er den Platz des Theaters in Würzburgs Gesellschaft? „Dieses Theater steht seit 200 Jahren im Zentrum der Stadt“, sagt er mit einem Rundblick über den Theatervorplatz: „Es ist dafür da, die Türen zu öffnen und zu sagen: Das gehört den Bürgern.“ Für Sven Mattke ist dies eine Tatsache, ganz selbstverständlich. Er probt seit Juni 2013 in Würzburg und trat seit Spielzeitbeginn unter anderem in Molières Komödie »Der Geizige« in Plateau-Highheels auf. Das erfordert ganzen Körpereinsatz. Mattke war mal Krankenpfleger, hat die Ausbildung sogar erfolgreich abgeschlossen. Und doch zog es ihn auf die Bühne. Aus Unzufriedenheit, sagt er. Die Krankenhaus-Ausbildung genügte ihm nicht. Also sprach er im Theater Nordhausen, seiner Heimatstadt, mit einem Freund für eine kleine Statistenrolle vor. Sein Freund erhielt die Rolle, Sven Mattke nicht. Er ging an die Oper und erhielt dort ein paar kleinere Statistenaufträge. „Das war schon ein bisschen verrückt. Ich musste immer hinten herum den Dienst tauschen, um abends auf der Bühne stehen zu können. Dann habe ich auch noch während meiner Ausbildung heimlich vorgesprochen.“ Und das mit Erfolg. Nach seiner Krankenpflegerlehre führte ihn sein Weg an die Hochschule für Musik und Theater in Hamburg. Nach vier Stationen – Hannover, Marburg, Kiel, Dresden – schnupperte Mattke erste Würzburger Bühnenluft während der Aufführung des „König Lear“, damals noch als Gastschauspieler. Er bewarb sich als festes Ensemblemitglied, weil er bereits in Marburg mit dem Schauspieldirektor Stephan Suschke gearbeitet hatte. „Ich wusste, dass wir gut zusammen arbeiten können. Wir haben eine ähnliche Theaterphilosophie, nämlich, dass das Theater für alle aufgemacht werden muss. Theater ist nicht nur für eine elitäre Schicht.“ So fand Sven Mattke seinen Weg in die Theaterstraße 21. Würzburg ist die südlichste Stadt in der er je gewohnt hat. Sonnig, mediterran, traditionsverbunden und katholisch geprägt – so wirkt sie KulturGut 14 | Seite

auf ihn. Er mag die Mischung des Publikums aus alteingesessenen Würzburgern und jungen Studenten. Einziger Minuspunkt: der Verkehr. „Auf der Straße zeigen sich die Würzburger, wo der Hammer hängt.“ Besuch aus Nordhausen führt er vom Theater zum Dom, zur alten Mainbrücke, über den Markt und, wenn alle bei guter körperlicher Verfassung sind, hinauf zur Festung. Wenn es der straffe Zeitplan eines Schauspielers zulässt, dann erkundet Mattke die Nachtwelt. Nach Proben oder Vorstellungen bleibt er gleich im Haus und macht es sich in der Bar im unteren Foyer gemütlich. Das Würzburger Publikum empfindet er als „sehr aufgeschlossen. Ich hatte bisher nicht das Empfinden, dass man auf große Widerstände trifft. Die Würzburger sind kritisch und mit viel Lust und Interesse bei der Sache. Ein motiviertes Publikum wie die Würzburger ist für Schauspieler immer ein großer Ansporn.“ Ein Theater sollte immer wieder neu das Interesse der aktuellen Generation wecken, dem Zeitgeist folgen, sagt er: „Wir machen das ja nicht für uns, wir machen das für die Leute und wollen natürlich auch, dass sie gucken kommen.“ Deswegen probt das Ensemble momentan intensiv für die Aufführung der „Buddenbrooks“ von Thomas Mann in der gefeierten Theaterfassung von John von Düffel, die sehr dicht am Roman bleibt. Es wird eine zeitlose, sehr stringente, auf das Wesen bedachte Produktion. Den Sohn Hanno stellt eine Puppe dar, die abwechselnd von den Schauspielern geführt wird. „Allein diese Puppe bringt die Magie in den Abend“, sagt Mattke. Ein offenes Theater als zentraler Platz in der Stadt – die Idee hat Tradition, weil „Theater nun mal das Leben abbildet oder Missstände, Umstände, traurige und lustige Sachen, die im Leben passieren. Die führt uns das Theater in aller Ruhe vor Augen, komplett abgeschottet von allem anderen. Man hat Zeit zu fokussieren und neue Gedankenanstöße mit nach Hause zu nehmen.“ Sven Mattke nennt es eine Reflexion des eigenen Daseins – eine Reflexion, die im Theater am besten funktioniert.

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Wir spielen für das Publikum Dirk Terwey, kaufmännischer Geschäftsführer des Mainfranken Theaters Würzburg von Christine Weisner

+ Manchmal setzt sich Dirk Terwey unbemerkt mitten ins Theaterpublikum. So kann er ganz unmittelbar wahrnehmen, wie die Leute auf die Inszenierung reagieren. Sprechen sie beim Rausgehen über das Stück? Welche Bemerkungen machen sie über das soeben Erlebte? Verlassen sie hellwach und angeregt den Zuschauerraum? Terwey schätzt diese direkten Eindrücke und bedauert ein bisschen, dass diese Art der Publikumserforschung nicht mehr so gut funktionieren wird, wenn erst einmal mehr Leute sein Gesicht kennen. Noch ist der gebürtige Nordrhein-Westfale in Würzburg der Neue. Er trat am 1. Juni 2013 seinen Posten als kaufmännischer Geschäftsführer des Mainfranken Theaters an, das er seitdem zusammen mit dem Intendanten Hermann Schneider leitet und nach außen vertritt.

Als ein weiteres wichtiges Arbeitsfeld nennt Terwey die Budgetverlässlichkeit. Hier ist es das oberstes Ziel, zuverlässig mit dem eingeplanten Geld auszukommen. Er hält das für keine leichte, aber für eine lösbare Aufgabe: „Theater ist immer ein Hochrisikounternehmen, denn man weiß vorher nie sicher, ob eine Inszenierung beim Publikum ankommen wird oder nicht. Aber durch langjährige Erfahrung lassen sich diese Risiken weitgehend beherrschen.“ Das ist ein breites Aufgabenfeld und so verwundert es nicht, dass der Mann mehrmals das Wort „Kärrnerarbeit“ verwendet, wenn er von seiner Tätigkeit spricht. Allerdings verwendet er mindestens genauso oft die Wörter „spannend“ und „reizvoll“. Und man merkt, dass er viel Freude daran hat, diesen Karren schwungvoll voranzubringen.

Spannende Kärrnerarbeit

Kanäle öffnen

Wer meint, ein kaufmännischer Geschäftsführer würde den ganzen Tag in seinem Büro über Zahlen brüten, der hat sich getäuscht. „Die Beschäftigung mit den Zahlen bildet eine sehr wichtige Grundlage meiner Arbeit. Aber das allein reicht natürlich nicht aus“, erläutert Terwey. Sein typischer Arbeitsalltag besteht zu einem nicht geringen Teil aus Gesprächen: Leitungsrunde, Besprechung mit der künstlerischen Leitung, der neben dem Intendanten die Direktoren der drei Sparten des Theaters angehören, Technikbesprechung, Unterredung im Rathaus, Pressetermin, Mitarbeitergespräche… Das alles ist natürlich kein Selbstzweck. Dirk Terwey beackert dabei mehrere Aufgabenfelder. Zum einen „ist es die Aufgabe der kaufmännischen Leitung, den finanziellen Gesamtrahmen zu setzen und hierbei Spielräume für die künstlerische Arbeit im Haus zu schaffen“. Er versteht diese Aufgabe als Dienstleistung für die künstlerischen Abteilungen. Auch arbeitet Terwey daran, die vorhandenen Organisationsstrukturen zu verbessern, und er kümmert sich als Personalverantwortlicher für die 250 Mitarbeiter unter anderem um die Weiterbildung. „Die täglichen Anforderungen und die Berufsbilder bei den technischen Abteilungen wandeln sich derzeit sehr schnell. Auch die anstehende Sanierung schafft hier neue Herausforderungen. Wenn wir die einzelnen Mitarbeiter mitnehmen wollen, ist Weiterbildung unerlässlich“, erläutert er.

Terweys Büro befindet sich im Seitentrakt des Theaters an der Ludwigstraße. Die Wand gegenüber von seinem Schreibtisch ist bedeckt mit Zeitungsausschnitten über das Mainfranken Theater. So hat Terwey die öffentliche Wahrnehmung des Theaters immer im Blick. Er will erreichen, „dass die Bürger das Theater wieder mehr als ihr Theater begreifen und in Besitz nehmen. Denn das ist nicht mein Theater oder das Theater der Leitung oder der Mitarbeiter. Es ist das Theater der Bürger dieser Stadt.“ Um das zu ereichen, sind seiner Meinung nach auch neue Kanäle zu den Bürgern nötig. Zu diesen neuen Kanälen rechnet er neue Öffnungen im Haus wie den Barbereich, die Bespielung des Atriums oder die Bestuhlung im Oberen Foyer. Die Leute sollen sich im Haus willkommen fühlen und sie sollen auch mehr über die spannende Welt des Theaters und die Menschen darin erfahren. Der gelernte Blechbläser mit Swing im Gefühl sieht die begonnene Entwicklung mit Optimismus: „Ich denke, dass wir zusammen bereits einiges erreicht haben und an einige Fäden wieder anknüpfen konnten. Jetzt geht es darum, das zu bewahren und weiter auszubauen.“ Die Zahlen geben seiner optimistischen Einschätzung Recht. Im November 2013 konnte Terwey mitteilen, dass die Vorstellungen des Mainfranken Theaters gut besucht sind und dass der rückläufige Einnahmetrend im Abonnement gestoppt werden konnte.

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Dirk Terwey wuchs in einem Ort nahe Münster auf. In dieser dörflichen Umgebung kam er mehr oder weniger zufällig dazu, Posaune zu lernen. Im Blasmusikverein gab es gerade Bedarf bei diesem Instrument. Aus dem Zufall wurde schnell mehr: Terwey blies in der Big Band des Gymnasiums die Posaune und er musizierte später unter anderem auch im Landesjugendjazzorchester NRW.

Zeitraum. Man arbeitet hochspezialisiert und man muss sich komplett am Markt durch Eintrittsgelder finanzieren.“ Terwey genoss die Internationalität des Ensembles und die Zusammenarbeit mit bekannten Künstlern, aber das Streben nach neuen Aufgaben blieb.

Biografie mit konstruktiven Brüchen

2009 wechselte Dirk Terwey an das an das Stadttheater Bielefeld, wo er als Verwaltungsleiter und Stellvertreter des Verwaltungsdirektors arbeitete. Ihn reizte es, jetzt in ganz anderen Strukturen, eingebunden in eine öffentliche Verwaltung zu tätig zu werden. Mit seinem Werdegang ist Terwey eine Ausnahmeerscheinung in diesem Berufsfeld. Denn nur wenige verfügen über Leitungserfahrung in beiden Bereichen, sowohl in einem privatwirtschaftlichen als auch in einem öffentlich geförderten Theaterbetrieb.

Nach dem Abitur begann er ein Volkswirtschaftsstudium in Münster und machte parallel weiter Musik. Er spielte in Bands, Jazzcombos und Kammermusikensembles. Dabei fand er – wie er selbst sagt – als Spätberufener zur klassischen Musik. Schließlich entschied er sich, ein Musikstudium in Detmold draufzusetzen. Seine Berufsvorstellung war damals eine Tätigkeit als Orchestermusiker, obwohl ihm die Risiken dieses Berufs bewusst waren. Zu einer ersten Berührung zwischen der Welt der Zahlen und der der Kunst kam es, als Terwey nebenher die Geschäftsführung eines Studentenorchesters übernahm. „Da erlebte ich praktisch, wie wichtig die Zahlen sind, was man mit der Beherrschung dieses Handwerks alles machen kann.“ Nach dem Studium arbeitete der diplomierte Posaunist als Orchestermusiker, zuletzt in einem Musical-Theater in Bremen. 2001 wechselte er vom Orchestergraben ins Betriebsbüro des Hamburger MusicalTheaters „Neue Flora“. „Ich wusste damals nicht, was als Orchestermusiker noch Spannendes kommen konnte. Wenn man rund 700 mal hintereinander ‚Jekyll & Hyde’ gespielt hat, dann sehnt man sich nach etwas Neuem. Der Wechsel war einer dieser Brüche in meinem Leben, die sich letztendlich alle als sehr konstruktiv erwiesen haben.“

Mammi Mia! In Hamburg stieg Dirk Terwey sehr schnell zum Theaterleiter auf. In der „Neuen Flora“ und später im „Operettenhaus“ leitete er den Spielbetrieb von so erfolgreichen Musical-Produktionen wie „Tanz der Vampire“, „Mamma Mia“, „Ich war noch niemals in New York“ oder „Dirty Dancing“. Seine damalige Arbeit beschreibt er so: „Das ist eine komplett andere Welt als in einem Stadttheater. In einem MusicalTheater spielt man ein und dasselbe Stück en suite über einen langen KulturGut 14 | Seite

Und es gibt Bielefeld doch

Würzburg-spezifische Lösungen finden Wie sieht Terwey die Zukunft von Stadttheatern wie in Würzburg? „Die Probleme bei der Finanzierung oder Sanierungen sind überall sehr ähnlich. Aber es geht darum, originelle, spezifische Lösungen zu finden, die zu dem jeweiligen Ort passen. Das Theater ist immer das gleiche geblieben. Es verhandelt grundlegende Fragen des Menschseins. Nur wird das gerade von jungen Leuten häufig nicht so wahrgenommen. Unsere Aufgabe ist es, zu zeigen, dass das Theater nach wie vor aktuell ist. Dazu brauchen wir eine zeitgemäße Theatersprache und auch eine Theatersprache, die vom Publikum vor Ort verstanden wird.“ Die oft beschworene Polarität zwischen Unterhaltung auf der einen und Kulturauftrag auf der anderen Seite existiert für Dirk Terwey nicht. Uraufführungen, Kulturauftrag, Unterhaltung – das alles gehöre zusammen in den einen Korb, der ein Stadttheater ausmacht. Und „auch Unterhaltung funktioniert nur dann, wenn sie handwerklich wirklich gut gemacht ist“. Wichtig ist dem kaufmännischen Leiter, dass ein Theater die Menschen bewegt. Das zeigt sich nicht zuletzt daran, dass sie darüber sprechen. Denn: „Ein Theater, über das man nicht spricht, das braucht man nicht.“

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Nachdenken im Kaisersaal Das Mozartfest hat eine neue Leiterin Interview: Daniel Staffen-Quandt

+ Ab diesem Jahr leitet Evelyn Meining das Würzburger Mozartfest. Die Kulturmanagerin hat mit dem altehrwürdigen Festival viel vor, sie will es internationaler und noch bekannter machen und vor allem neue Schwerpunkte setzen. Von 1999 an war sie Programmdirektorin und Prokuristin beim Rheingau Musik Festival, einem der größten privat finanzierten Musikfestivals in Europa. KulturGut: Frau Meining, sind Sie gut angekommen in der Provinz? Evelyn Meining: Nichts ist provinzieller als das Schimpfen über die Provinz. Provinz eine Sache der Köpfe. Ich habe in Berlin und New York Aufführungen erlebt, in denen ein überwiegend kleinbürgerliches Publikum saß. Würzburg ist eine Stadt des Geistes, der Architektur, der Musik. Es hat tolle Spielstätten und ist eingebettet in eine wunderbare Landschaft. Insofern macht es mir viel Spaß, hier zu arbeiten. Und unser Programm für 2014 zeigt ja auch, wie wir auf die Offenheit der Stadt reagieren – und mit ihr rechnen. Gehört es ein bisschen zur fränkischen Mentalität, dass man sein Licht eher unter den Scheffel stellt? Ein Franke wird sich jedenfalls kaum Mühe geben, mehr zu scheinen als er ist. Das ist mir sehr sympathisch – und erleichtert auch die Arbeit. Mein Mann ist übrigens auch Franke. Im Fernsehen gilt es als Karrieresprung, wenn man von den Privaten zu den Öffentlich-Rechtlichen kommt. Wie ist das bei Musikfestivals? Für mich hat mit dem Wechsel eine große Freiheit begonnen. Ich kann jetzt viel stärker inhaltlich arbeiten. Und damit auch näher an der Kunst. Es geht ja um einen Bildungs- und Kulturauftrag, der nicht al-

lein in Sponsorengeld oder Besucherzahlen gemessen wird. Bei den Privaten ist es eben doch so, dass man das Programm auch im Sinne der Sponsoren gestalten muss. Demnach stört es Sie nicht, dass Sie nun ein kleineres Festival betreuen? Natürlich ist das Einzugsgebiet rund um Würzburg kleiner als das einer Metropolregion wie dem Rhein-Main-Gebiet. Dort leben fünf Millionen Menschen! Bislang kommen die Gäste unseres Mozartfests vor allem aus der Region. Sie reisen an, essen etwas, trinken vielleicht einen Wein, gehen ins Konzert – und fahren wieder. Mein Ziel ist, das Würzburger Mozartfest zu einer festen Adresse im europäischen Kulturkalender zu machen, wohin die Leute reisen – und auch mehrere Tage bleiben. Sie wollen das Mozartfest profilieren. Haben Ihre Vorgänger das verschlafen? Das würde ich nicht sagen. Wir greifen ja 2014 viele gute Traditionen des Mozartfests auf und pflegen sie gerne weiter. Trotzdem ist es natürlich die Aufgabe eines künstlerischen Leiters, seine eigene Handschrift zu zeigen und das Festival weiter zu entwickeln. Ich wünsche mir, dass sich der Radius, innerhalb dessen das Mozartfest wahrgenommen wird, weitet. Eine der wichtigsten Aufgaben dürfte sein, das altbackene Image loszuwerden. Wie?

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Allein: Eine modernere Aufmachung und ein Star-Artist werden nicht reichen, um das Publikum des Festivals zu verjüngen, oder? Die Altersstatistik beim Mozartfest ähnelt der anderer Klassikfestivals und -konzerte. Das hängt mit der Lebenssituation, dem Einkommen und mit dem Bildungsstand zusammen. Da können wir nicht einfach sagen: Das ändern wir jetzt mal. Das wollen wir auch gar nicht grundlegend ändern – und es war übrigens auch vor 20 oder 30 Jahren nicht so, dass überall junge Leute im Konzert saßen. Trotzdem haben wir das Angebot für junge Besucher ausgebaut, das jetzt wirklich breit ist. Sieben unserer 60 Konzerte sind eigens für Kinder, außerdem haben KulturGut 14 | Seite

wir ein neues, umfangreiches Musikvermittlungsprojekt mit dem Namen „Ohrenfänger“ entwickelt. Kinderkonzerte und Musikvermittlung – das klingt ja ganz gut. Aber was ist mit den Studenten, den jungen Erwachsenen? Keine Angst, die haben wir nicht vergessen. Das Abschlusskonzert des Mozartfests findet nicht in der Residenz statt, sondern im Vogel Convention Center. Bei dieser Jupiter-Nacht erklingen vier klassische Stücke, aber vom Prinzen-Frontmann Sebastian Krumbiegel moderiert. Wir versuchen sehr intensiv, auch jüngere Generationen für die so genannte Klassik zu begeistern. Das Mozartfest ist durch den Namensgeber thematisch eingeschränkt – stört Sie das? Bei welchem Komponisten wäre man weniger eingeschränkt als bei Mozart? Und ganz abgesehen davon: Eine thematische Begrenzung gibt einem doch erst die Chance, inhaltlich etwas Spannendes zu konzipieren. Wenn es keine thematische Begrenzung gibt, wie ich es etwa im Rheingau erlebt habe, kann ein Festival schnell in die Beliebigkeit absacken. Sehen Sie den Bad Kissinger Sommer als Konkurrenz? Unser Programm für 2014 gibt Ihnen die Antwort. Was die Rahmenbedingungen betrifft, liegt der Unterschied darin, dass das kleine Kissingen einen relativ großen Konzertsaal hat, der in Würzburg leider fehlt.

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Was meinen Sie genau mit „altbacken“? In gewisser Hinsicht ist doch David Garrett unglaublich altbacken in der Weise, wie er sein Publikum und dessen Sehnsüchte bedient – und damit Kasse macht. Auch in unserer schicken digitalen Welt stecken ganz viele altbackene Klischees, nur dass sie halt jetzt neu daherkommen. Finden Sie es altbacken, wenn Menschen das Treppenhaus in der Residenz hinaufsteigen, um im Kaisersaal Musik zu hören, bei der man mitdenken darf? Die Residenz ist ein zentraler Ort für das Mozartfest, aber nicht der einzige. 2014 haben wir 22 Spielstätten, die vielen Orte nicht mitgerechnet, die der Mozart-Tag einschließt. Jeder wird etwas für sich finden. Neu an unserem Konzept ist unter anderem, dass ein Star-Artist das Programm durchleuchtet. Wir haben mit dem jungen Komponisten Jörg Widmann jemanden gefunden, der wie Mozart für eine intensive Auseinandersetzung mit der Musik steht.


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Das Mozartfest kann sich also weniger große Symphonieorchester einladen und damit Einnahmen generieren. Wir nutzen das als Chance, am Programm zu feilen. Worin liegt in Sachen Künstlern die Zukunft des Mozartfests? Große Namen oder Geheimtipps? Die Lösung liegt in der Mitte. Zu einem Festival mit internationalem Anspruch gehören natürlich auch große Namen. Dieses Jahr kommen zum Beispiel Christian Gerhaher, zweifellos einer der führenden Sänger seiner Generation, der Oboist François Leleux und der Geiger Gidon Kremer. Wir bleiben aber auch dem Nachwuchs verpflichtet, gucken sehr genau hin bei den großen Wettbewerben und schauen, welche Künstler zu uns passen. Mein Ziel ist es, in Würzburg eine Künstlerfamilie zu etablieren, mit der das Publikum von Jahr zu Jahr einen Weg gehen kann. Sie holen mit Jörg Widmann und Wolfgang Rihm zwei der profiliertesten Komponisten Neuer Musik nach Würzburg. Wird das Mozartfest zu einem zweiten Donaueschingen? Wir haben keinen Ehrgeiz, ein Festival zeitgenössischer Musik zu werden. Wir wollen aber auch kein klingendes Museum sein. Mozarts Oeuvre den Werken anderer Komponisten gegenüberzustellen, das wird in den nächsten Jahren das Spannende sein.

Sie leben nicht komplett in Würzburg. Kann man so ein lokal verortetes Festival wie dieses gut leiten? Mein Mann ist Professor in Karlsruhe, und wir wohnen mit der Familie zwei Autostunden von Würzburg entfernt. In meiner Branche gibt es ganz wenige Festivalleiter, die an ihrem Spielort wohnen. Die Künstler des Mozartfests muss ich sowieso weltweit und in den großen Städten treffen. Und das Mozartfest hat auch was davon, wenn die Intendantin den Blick von außen behält. Übrigens ich bin mehr hier, als Sie vielleicht vermuten, schon wegen der fränkischen Küche.

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Was versprechen Sie sich vom „MozartLabor“? Das klingt spannend, aber das Exerzitienhaus Himmelspforten ist etwas ab vom Schuss… Na ja, auf dem Marktplatz und im Dom spielen wir ja auch… Wichtig ist, dass Ort und Programm zusammen passen. Das „MozartLabor“ ist eine Art Experimentierstube, aber offen für alle. Jeder ist eingeladen, zuzuhören, mitzudenken und mitzudiskutieren. Es soll ein Nährboden für Begegnungen werden, ein Austausch zwischen Philosophen und Komponisten und Literaten und Medienkünstlern. Dafür bürgen auch prominente Gäste.

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Machtspiele um Geld und Götzen Mit glänzenden Motti in die nächsten Spielzeiten von Joachim Fildhaut

+ Dem Mainfranken Theater klebt ein Glanz an der Stirn. Die fünf Blockbuchstaben sind ein echter Hingucker. Sie bringen Glanz „in die bescheidene Hütte“; darauf läuft eine mögliche Assoziation bei den Passanten hinaus. Die Inschrift erinnert daran, dass ein Theater ebensoviel mit Sternenschimmer wie mit dem Schein zu schaffen hat. Und die Lettern G l a n z schließen an das Spielzeitmotto „Von Geld und Götzen“ an. Sämtliche Plakate dieser Spielzeit glänzen ja goldbronzen von den Anschlagtafeln herab. Der Spielplan 2013/14 richtet sich an diesem Schwerpunktthema aus – im Jahr davor gab es MachtSpiele. Und schließlich veranstaltet das Mainfranken Theater das Begleitprogramm „kontrovers“, das beim Erscheinen dieser KulturGutAusgabe einen äußerst profilierten Gast begrüßt: den Konsumverzichts-Denker Prof. Niko Paech (3. Februar). Klar sind die Macher im Theater froh, große Namen aufzufahren; so diskutiert am 7. April (immer 19.30 Uhr im Foyer-Café) der Schriftsteller Ingo Schulze über die Ursachen von Demokratieabbau und sozialer Polarisierung. Aber es kam ihnen auch darauf an, die Veranstaltungsreihe lokal zu verankern. Auf mögliche Wechselbeziehungen zwischen Geld- und Götzenglauben konzentriert sich der Sektenbeauftragte der Diözese Würzburg, Jürgen Lohmayer, am 17. März. Mitte Januar waren die Träger des Verschenkladens an der Posthalle eingeladen, auch weil der Dramaturg Roland Marzinowski der Initiative „gerne größere Bekanntheit in der Bevölkerung“ bieten mochte. Eben darum, neue Schichten anzusprechen, geht es dem Theater bei solchen Schwerpunktsetzungen auch in eigener Sache. Dennoch sind die Saisonthemen nicht bloß Mittel zum Zweck, sieht Marzinowski es doch als Aufgabe seines Hauses an, „über die Diskussion um Kunst hinaus andere, auch gesellschaftspolitische Themen aufzugreifen. Wir sollen unser Publikum anregen, Denkanstöße geben.“ Einen „partizipativen Ansatz“ des Theaters sieht der Dramaturg, und: „Wir müssen uns immer wieder fragen: Was erwartet die Stadtgesellschaft von uns? Das sollten wir zu erfüllen versuchen – aber auch mal überraschen.“ Bei den Schenkladen-Verschenkern ist die Überraschung gelungen. Die wunderten sich sehr, für was die Theaterleute sich alles so engagieren. Nun, Spielzeitmotti taugen durchaus auch als Werkzeuge im

künstlerischen Betrieb. Dem Dramaturgen und dem Schauspieldirektor Stephan Suschke haben „Geld und Götzen“ die Spielplangestaltung erleichtert: „Wir haben ein offenes Themenfeld formuliert und geschaut, welche Stücke dazu passen. Dabei hat sich gezeigt, dass unsere Perspektive für die Suche nach Klassikern, neuen Stücken und nach Inszenierungsansätzen geschärft wurde.“

Das Schwerpunktthema als Schweizermesser? Die Schwerpunktveranstaltungen geben den Theatermachern trotzdem kein Universalwerkzeug in die Hand, so Marzinowski: „Wenn man Etwas außerhalb des Kerngeschäfts macht, dann muss man sehr viel leisten, um ein Publikum dafür zu finden.“ Drei neue Formate hat das Theater in dieser Saison eingeführt, um sich zu öffnen und ein neues Publikum anzusprechen. Neben der „seriösen“ Diskussionsreihe sind das die „Tonspur meines Lebens“, bei der Ensemblemitglieder ihre Lieblingsmusik vorstellen, und die „Freitagnacht“, wo Künstler ihre selbstgewählten Themen ebenso von spielerischen Seiten her angehen. Welches Format künftig beibehalten wird, machen die Künstler auch vom Publikumszuspruch abhängig. Und: Es eignet sich nicht jede Darbietungsform für jeden Schwerpunkt. Gleich für die kommende Spielzeit ist ein Motto angedacht, zu dem ein satirischer freitagnächtlicher Zugriff überhaupt nicht passt. Dieses Themenfeld müssten die Bühnenkünstler dann wieder mit anderen Werkzeugen bestellen. Der jährliche Zentralgedanke – der nebenbei alle Aktivitäten des Hauses sichtlich bündelt und recht kräftig für dessen Image strahlt – muss nicht jeden Menschen gleich existenziell betreffen. Suschke und Marzinowski möchten ihn jeweils an aktuelle Anlässe knüpfen, natürlich nicht an tagesaktuelle, sondern an Bewegungen wie die Finanzkrise, neue Religiosität etc. Dazu passen auch schon mal Jährungen historischer Ereignisse. Schließlich hat Kunst ebensoviel mit Erinnerung wie mit Zukunftsgestaltung zu tun.

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Auf die achtsame Streit-Lust! Ein Zwischenruf von Iris Wrede

+ Da kommt es schon wieder mit langen Schritten um die Ecke: Das Theater um das Theater. Würzburg übt sich im Augenblick wiederholt in der Selbstzerfleischung. Man stöhnt. Man glaubt, nur hier wäre es besonders schlimm – und kriegt sich gar nicht mehr ein. Nur Vorsicht: wer das Theater allzu leichtfertig durch massive Kritik an Personen, Konzepten, Zahlen, Spielplänen, Kosten usw. in Frage stellt, ruft zuallererst diejenigen auf den Plan, die diese Einrichtungen am liebsten gleich geschlossen sehen. Nicht alle Bürgerinnen und Bürger zählen sich schließlich zu den glühenden Verfechtern dieser traditionsreichen Kulturform und noch weniger zum typisch deutschen Stadttheatersystem. Dies nur als Vorbemerkung zu der aufgeregten Theaterdebatte, die in Würzburg gerade in Sachen Gebäudesanierung geführt wird. Machen wir uns nichts vor: Theater, städtische oder staatliche zumal, sind keine kleinen, sondern große Institutionen, Würzburgs Theater hat rund 245 Mitarbeiter, das Staatstheater Nürnberg 541 und das Stadttheater Regensburg auch 307. In diesen Organismen sind die Personalkosten in der Regel der entscheidende Faktor. Kosten senken heißt dann immer auch Personal reduzieren. Will man das nicht, muss man die Einnahmen erhöhen, das heißt dann mehr Besucher anziehen und oder die Eintrittskarten teurer machen. Und manchmal werden alle Register gleichzeitig gezogen. Wenn das aber mal ausgereizt ist, kommt der Punkt, an dem keine Optimierungen mehr möglich sind, zumindest nicht kurzfristig. Dann stellt sich die Frage verstärkt: welches Theater wollen wir eigentlich? Ist es zwingend, dass Theater so viele Mitarbeiter beschäftigen oder gibt es auch ein gutes Theater mit weniger Beteiligten? Zugegeben, ein heißes Eisen. Aber war es nicht so, dass es in Würzburg erst vor gut zehn Jahren heftigste Debatten und Kürzungen gegeben hat? Rund zehn Prozent der Mitarbeiter, d.h. 25 Stellen wurden abgebaut. Aber doch wollte man eigentlich kein anderes Theater. Alles sollte weiter gehen wie gehabt. Das tat es auch eine Zeitlang. Bis eben im letzten Jahr der Etat nicht mehr ausgeglichen werden konnte, weil bei immer weniger Vorstellungen irgendwann auch immer weniger Besucher kamen. Und weil bei weniger Veranstaltungen eine missglückte oder vom Publikum nicht angenommene Inszenierung auch gleich viel gravierendere Folgen hat.

der Begegnung, an dem gelauscht, geschaut, geredet, gesungen, gespielt, diskutiert, gestritten, gefeiert und gegessen wird? Ein Ort, an dem sich Behinderte und Nichtbehinderte, Alteingesessene und Neubürger, Gäste und Menschen auf der Flucht begegnen und kennen lernen können, um etwas über sich selbst und unser Menschsein zu erfahren? Das würde sicher über das reine Vergnügen hinaus gehen. Sicher, Operette und Musical haben auch künftig ihren Platz am Theater – niemand wird das in Frage stellen. Aber warum dürfen sich die Türen der heiligen Hallen nicht öffnen? Das Theater kann Raum für Aktionen und bürgerschaftliches Engagement bieten – das Laienschauspiel kann hier ebenso Platz finden wie eine Bürgerversammlung.

Weitblick und Liebe zur Sache Vor lauter gebanntem Starren auf die Kosten verliert man aktuell den Blick auf die grundlegenden Fragen – welches Theater braucht eine Stadt wie Würzburg? Erst danach wird man sagen können, wie groß, mit welcher Architektur und an welchen Orten das Theater gebaut werden muss. Und wie viel Geld man dafür bereit stellen möchte. Niemand wird bestreiten, dass angesichts vieler Aufgaben, die unsere Gesellschaft bewältigen muss, von Kinderkrippen über die Energiewende hin zum Bau ganzer Stadtviertel, der Aufwand für einen Theaterbau mit Augenmaß erfolgen muss und dass ein übermäßiger Luxus nicht in die Zeit passt. Aber wenn man Geld in die Hand nimmt, muss am Ende etwas heraus kommen, das auch funktioniert, etwas, das die Aufgaben, die zuvor gestellt wurden, auch lösen kann. Dies alles zu bearbeiten und zu beantworten muss letztlich die Politik angehen. Bleiben die Fragen ungeklärt, streitet man sich am Ende nur über Kosten. Aber dann ist eigentlich schon jeder Euro zuviel, den man ausgibt, denn es fehlt die Vision und, ja auch: die Liebe zur Sache. Das kann man doch nicht ernsthaft wollen. Also bleibt der Appell: geht pfleglich um mit dem kostbaren Gut Theater. Mit Kreativität und Bescheidenheit und mit Weitblick!

Gebanntes Starren Es ist eine Spirale, die – will man sie aufhalten – nur mit echtem Neuanfang in eine andere Richtung gelenkt werden kann. Eine Kraftanstrengung ist erforderlich, ohne Zweifel steht nicht wenig auf dem Spiel. Aber warum nutzten wir nicht die Gelegenheit und formulieren die Wünsche und Träume? Wäre es nicht wünschenswert, Menschen im Theater zu treffen, die alle Generationen, Schichten, Herkünfte repräsentieren? Wäre es nicht schön, das Theater würde von morgens bis abends pulsieren? Nicht als Konsumtempel, sondern als ein Ort KulturGut 14 | Seite

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Vernetzung stärken Die Theaterlandschaft braucht neue Kanäle und weniger Grenzen von Thomas Schmidt

These 1 Das deutsche Theater- und Orchestersystem steht vor der größten Umbruchsituation seit seiner Wiederentstehung in den 50er Jahren des vergangenen Jahrhunderts, weil vor allem das öffentliche Theater an seinen Enden und in der „Peripherie“ massiv zu bröckeln beginnt. Die Legitimation der Theater ist gesunken, die Zahl der Zuschauer hat in den letzten Jahren kontinuierlich abgenommen, während die Theater mit immer weniger Ressourcen immer mehr produzieren. Die Theaterstrukturen sind ebenso unflexibel wie ihre Produktionsbedingungen. Hinzu kommt eine chronische finanzielle Unterausstattung, die zu einem Substanzabbau führt. Verstärkt wird dies durch eine – in weiten Teilen des Landes – kulturpolitische Ideenlosigkeit, diesen Problemen zukunftsfähige Konzepte entgegen zu setzen. These 2 Die Hauptaufgabe des Theater ist und bleibt es, sich und seine künstlerischen Formate weiter zu entwickeln. Die Legitimationskrise, die temporäre Veränderung der Besucherstrukturen und der Wahrnehmung des Theaters dürfen dieses nicht daran hindern immer wieder und weiter neue Wege zu suchen, das Theater künstlerisch neu zu erfinden. Gleichzeitig muss das Theater auch in einer heterogenen und sich immer weiter diversifizierenden Gesellschaft dorthin zurückfinden, wo es einmal seinen Ursprung genommen hat: in der Mitte. These 3 Die Aufgabe des Theaters ist es, das Publikum für sich zu gewinnen. Der Besucher muss wiederentdeckt und begleitet, in seiner Differenziertheit, in seiner Entwicklung, seinem Wissen und seinen Ansprüchen wahrgenommen werden. Niemals zuvor war das Publikum einer Stadt heterogener als heute. Die Theater müssen über die Entwicklung und Kommunikation neuer künstlerischer Formate einen Weg zu den verschiedenen Besuchergruppen und damit zurück in die Gesellschaft finden. Nicht der Weg zurück zum „Theatermuseum“ und zu althergebrachten Aufführungspraxen, sondern interdisziplinäre, performative Spiel-

weisen, Neuentwicklungen von Texten, zeitgenössische, experimentelle Inszenierungen, neue Musik, Tanz und Performance haben die Kraft zur Erneuerung. These 4 Vor allem das Stadttheater und sein Betrieb müssen sich grundlegend reformieren, hinsichtlich interner Produktionsprozesse (Vereinfachung), der Tarifstruktur (Theatereinheitstarifvertrag), der Tendenz zur Überproduktion (Entschleunigung), der Komplexität der Spielplanung (Veränderung des Repertoirebetriebes), der Zusammenarbeit mit freien Gruppen (echte Kooperationen, Öffnung, finanzielle Restrukturierung der Etats) und ihrer Ausrichtung (Zukunftsfähigkeit). These 5 Das Verhältnis zwischen Theatern und Politik muss neu definiert werden, dazu gehört, dass Politik die entsprechenden Rahmenbedingungen schafft bzw. neu definiert, u.a. für neue, öffentliche und gerechtere Finanzierungsformen (Grundfinanzierung für öffentliche und freie Theater/Gruppen, Zugriff auf zusätzliche Förder- und Exzellenzmittel für alle), aber auch für eine regelmäßige künstlerische Evaluierung durch externe Fachleute. Kultur muss zudem aus dem Status der „freiwilligen“, also jederzeit zur Disposition stehenden Aufgaben befreit werden. Die Aufgabe der Kulturpolitik eines Landes und seiner Kommunen ist es, eine ausgewogene, heterogene und entwicklungsfähige Theaterstruktur zu erhalten, die sowohl öffentliche wie freie Theater und Ensembles fördert. These 6 Die Kluft zwischen öffentlichen und freien Theatern muss grundlegend aufgehoben werden, durch gleichberechtigten Zugang zu Ressourcen, durch gleichberechtigte politische Legitimation und durch eine enge Kommunikation und Zusammenarbeit – dies ist die Grundvoraussetzung für die Zukunft der deutschen Theaterlandschaft. Der damit verbundene Austausch zwischen öffentlichen und freien Theatern, öffentlichen und freien KulturGut 14 | Seite

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Orchesterensembles muss vorangetrieben werden. These 7 Die Ausbildung in den Theaterberufen muss sich stärker mit dieser neuen Wirklichkeit auseinandersetzen. Noch immer wird vor dem Hintergrund einer „blühenden“ öffentlichen deutschen Theater- und Orchesterlandschaft ausgebildet. Die wenigsten Studenten werden auf die veränderten Anforderungen und daraus entstehenden neuen Berufsprofile oder für die anspruchsvollen Aufgaben in der freien Szene und den freien Ensembles vorbereitet. Neue Berufsfelder an der Schnittstelle zwischen Kunst und Management werden sich entwickeln und müssen in der Ausbildung gefördert werden. These 8 Wir müssen die Arbeit in realen Netzwerken verstärken, so wie sich Teile der freien Musiktheaterensembles, der Konzerthäuser, der freien Szene und im Tanz zusammengeschlossen haben: ein Netzwerk, das sich über alle Teilnetzwerke der öffentlichen Theater und der freien Szene spannt, als Diskussions- und Kommunikationsplattform, als Austauschbörse, Denkfabrik und Motor für ein Theater der Zukunft dient und sich als gemeinsame, politisch unabhängige Interessengruppe artikuliert.

Info: Thomas Schmidt ist Professor für

Theater- und Orchestermanagement und Direktor des gleichnamigen Masterstudiengangs an der Hochschule für Musik und Darstellende Kunst in Frankfurt am Main. Seine Lehrschwerpunkte sind Theatermanagement, Kulturwirtschaftslehre, Kulturpolitik sowie Organisationstheorie und Organisationsmanagement. Er ist Geschäftsführer des Deutschen Nationaltheaters Weimar und ist in der Spielzeit 2012/13 außerdem Interimsintendant.


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Annäherungen an „Ruth“ Leonhard Franks Drama und die Bearbeitung für das theater ensemble Würzburg von Ulrike Schäfer

+ Es muss irgendwann in den 1990er Jahren gewesen sein, als ich eine Dokumentation sah mit dem Titel „Das große Schweigen. Bordelle im Konzentrationslager“. Darin legen mehrere Frauen Zeugnis ab von dem, was sie erlebt und durchlitten haben. Der Film ist nur eine halbe Stunde lang - so die Quellenangaben, die ich jetzt, rund zwanzig Jahre später, dazu lese. In meiner Erinnerung nimmt er einen Raum ein, der zu dieser Angabe nicht zu passen scheint. Zwangsprostitution in staatlich errichteten Bordellen (in KZs und in besetzten Gebieten) gehört zu den vielen Formen sexualisierter Gewalt im Nationalsozialismus. Wie Leonhard Frank auf diese Realität stieß – lange bevor sich die Geschichts- und Sozialforschung dessen annahm und viele Jahrzehnte, bevor jener Film entstand -, weiß ich nicht. Vielleicht war das damals, in zeitlich unmittelbarer Nähe zum Geschehen und andererseits aus der Distanz des amerikanischen Exils, leichter, als es im Nachkriegsdeutschland der Folgejahre gewesen wäre. Dass es für ihn jedenfalls vom persönlich Gehörten oder Gelesenen zu einem Stoff wurde, der nach literarischer Umsetzung verlangte, ist belegt. Es ist der dunkle Hintergrund, vor dem er die Figur Ruth geschaffen und zur Protagonistin eines Hauptstrangs seines Romans „Die Jünger Jesu“ gemacht hat, geschrieben kurz nach Kriegsende. Rund zehn Jahre später setzte er diesen Erzählstrang in Dramenform um (wiederum in zwei Fassungen). Sowohl im Roman als auch im Drama skizziert er Ruths Schicksal nicht nur als biografische Vorgeschichte, sondern versucht, ihr Weiterleben literarisch zu erfassen und Worte für ihre Traumatisierung zu finden. Allerdings stellt er nicht nur ihr Opfersein dar, sondern lässt sie im Verlauf der Geschichte zur Handelnden, ja Täterin werden.

Das Original-Drama von 1958/60 Ruth, eine junge Jüdin, die nach Auschwitz deportiert und zunächst im KZ, dann in einem Bordell über Jahre hinweg vergewaltigt worden war und irgendwie überlebte, kehrt ins zerstörte Würzburg zurück – und erschießt Zwischenzahl, den Mörder ihrer Eltern, der damals für ihre Deportation gesorgt hatte und inzwischen, unbehelligt von der Justiz, den nahtlosen Karrierewechsel vom Blockwart im Dritten Reich zu einer Größe im Schwarzmarkthandel der Nachkriegszeit geschafft hat. Ruth gibt ihren Mord an Zwischenzahl offen zu – und führt damit die Gerichtsbarkeit, ja gewissermaßen die ganze Stadt in eine Zerreißprobe, indem sie dem Richter (und damit allen) eine einfache Frage stellt: „Wenn Zwischenzahl Ihre Eltern ermordet hätte, und er wäre nicht bestraft worden – was würden Sie getan haben?“ Sie hat gemordet, weil die Justiz versagte, und genau diese Justiz soll nun über sie richten. Ruth zwingt dem Gericht ein Urteil auf, das zu fällen ihm einerseits der (neue) Rechtsstaat abverlangt und zu dem ihm andererseits jegliches moralische Recht fehlt. Für das theater ensemble habe ich eine Bearbeitung von Franks Drama geschrieben, die in der Aktionswoche zu „Würzburg liest ein Buch“ in einer szenischen Lesung vorgestellt und im Herbst aufgeführt wird. Warum diese Bearbeitung, und worin unterscheidet sie KulturGut 14 | Seite

sich vom Original? Es ist zum einen der Versuch, die Dramatisierung sozusagen einen Schritt weiterzutreiben: Leonhard Frank hält sich im Handlungsablauf recht eng an seine Romanvorlage, so dass Ruths Schicksal bereits bekannt ist, bevor der Mord an Zwischenzahl geschieht und der Gerichtsprozess seinen Anfang nimmt. Die Bearbeitung dagegen setzt mit dem Mord ein. Erst während der Verhandlung und der Zeugenaussagen entfaltet sich die Vorgeschichte und wirft die Frage auf, wer in diesem Fall Opfer und wer Täter ist. Ein Aspekt, der mich lange beschäftigt hat, ist dabei die Eindeutigkeit der Figuren. Gut und Böse stehen sich (mit wenigen Ausnahmen) in Franks Drama sehr klar gegenüber. Der Staatsanwalt, der Zwischenzahl seinerzeit nicht angeklagt hat, ist fintenreich in seinen Versuchen, für Ruths Verurteilung zu sorgen, ihr Verteidiger hingegen sympathisch und emotional. Aber diese Eindeutigkeit gibt der geradezu absurden Gerichtssituation eine Schärfe und Überkonturierung, die die zugrundeliegende Realität (die teils nahtlos fortgeführten Karrieren gerade auch in der Justiz) gut in Szene setzt. Allzu große Eingriffe schienen mir letztlich weder im Sinne der Geschichte noch im Sinne Franks. Durch die geänderte Dramaturgie umfasst die Bearbeitung einen wesentlich engeren Handlungsrahmen, nämlich nur den Gerichtsprozess (und damit lediglich den dritten Akt des Originals). Diese Verdichtung schafft Raum für einen zweiten Handlungsstrang: den des Liebespaars Martin und Ruth.

Bearbeitung für das theater ensemble 2014 Leonhard Frank hat dieses Paar mit der ganzen Wucht, dem ganzen tragischen Potenzial romantischer Liebe ausgestattet: Es sind zwei Menschen, die von Kindheit an füreinander bestimmt sind, und es ist die größtmögliche Fallhöhe, aus der diese Beziehung durch Ruths Schicksal stürzt. Für die Bearbeitung schien es mir stimmig, dem „öffentlichen“ Teil der Verhandlung, in der die Beteiligten mit der Unmöglichkeit einer Urteilsfindung ringen, den privaten Teil gegenüberzustellen, in dem Martin um die Rettung dieser Liebe ringt, an deren Möglichkeit oder zumindest Lebbarkeit Ruth nicht mehr glauben kann. Es wird in diesen Szenen viel vom Schweigen abhängen, und so versucht die Bearbeitung, hier mit wenigen Worten auszukommen, die Sprache zurückzunehmen, um den Schauspielern und der Kraft ihres Spiels Raum zu geben. Viel wäre nötig, um einer Figur wie Ruth wirklich gerecht zu werden. Es mögen heute mehr Grundlagen geschaffen sein – Traumaforschung, Geschichts- und Sozialforschung – als zu Leonhard Franks Zeiten, doch auch mit all dem im Rücken bliebe die Frage: Wie das literarisch umsetzen? Die Aufgabe ist wohl nur zu bewältigen, wenn man sie von vornherein als das begreift, was sie – heute ebenso wie damals – nur sein kann: eine Annäherung.

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 weitere Informationen: www.kulturgut.wuerzburg.de

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Tschick

ab 27. Februar, 20 Uhr, Mainfranken Theater Der Autor Wolfgang Herrndorf erlebte seinen literarischen Durchbruch mit dem Roman „Tschick“, verfasst für Jugendliche. Für die richtet Regisseurin Nele Neitzke auch die Aufführung ein. Die führt den Nachwuchstheatergängern die Grammatik der Bühnensprache und die Möglichkeiten ihrer eigenen Phantasie vors innere Auge. Denn „Tschick“ ist zu einem guten Teil ein Roadmovie („ohne Landkarte“) mit Ziel Walachei. Knüpft also direkt an die Fähigkeit von Kindern an, zwei Stühle und einen Topfdeckel (Lenkrad!) zu einem fahrtüchtigen Lada Niva (Foto) umzuprogrammieren. Robert Koall schrieb den Roman zum Bühnenstück um; zuvor arbeitete der Theaterautor für die beiden größten Christophs des Gegenwartstheaters, Christoph Schlingensief und Christoph Marthaler. | www.theaterwuerzburg.de ++++++++++++++++++++++++

Salve!

ab 1. März, 19 Uhr, Theater am Neunerplatz Seid mir gegrüßt, Kinder ab acht oder zehn oder Erwachsene ab 18! Der lateinische Gruß „Salve“ ist Titel des neuen Stücks von Wolfgang Salomon und die Fortsetzung von „Heureka!“! Wir erinnern uns: Im ersten Teil reisten die Kinder Edi und Alexa mit der Zeitmaschine von Onkel Kurt Kurzschluss ins alte Griechenland. Jetzt landen sie im Pompeji des Jahres 79, unmittelbar vor dem Ausbruch des Vesuv, der die ganze Stadt in Lava erstickte. Das ist aber nicht die Sorge des reichen Umbicius Scaurus, der die Kinder bewirtet. Der Gastgeber ist Würzefabrikant. Er

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stellt Garum, eine Art antikes Maggi, her. Nur eines wurmt den großen Genießer: Nie wird er so vornehm sein und so viel Geld scheffeln wie sein Vorbild Trimalchius in Rom. Trotzdem, für pompejanische Verhältnisse wird in „Salve!“ prunkvoll aufgetischt. Es erklingen Melodien, die so fatti in casa sind, dass man danach tanzen kann. Und spannend ist natürlich auch die Frage, ob die Kinder ihre Zeitmaschine rechtzeitig vor dem Vulkanausbruch wieder flott kriegen. Es wird in jedem Fall ordentlich krachen… | www.neunerplatz.de ++++++++++++++++++++++++

Ensemble Weltkritik

1. März, 20.15 Uhr, Bockshorn Was man aus Stereotypen machen kann, zeigen Bettina Prokert und Maxim-Alexander Hofmann. Das Ensemble zweier charismatischer Leipziger Informationsträger fängt dort an, wo andere eine Pointe vermuten. Als analytische Geister („Zerlegefachkraft“) entfalten sie das herkömmliche Kabarettmaterial bis zum unteilbaren Atom der Originalität („verschwommen sind alle meine Kleider, weil mein Schatz keine Optikerin mehr ist“), handhaben dabei Musik völlig unvorhersehbar, sind stimmlich wohldisponiert und brechen an gut gesetzten Repertoirepunkten in Clownstechniken aus. Große Entdeckung! | www.bockshorn.de ++++++++++++++++++++++++

Verrücktes Blut

ab 8. März, 20 Uhr, Theaterwerkstatt Wenn es sonst keiner macht, dann macht es eben die frühere Werkstattbühne. Sie greift wacker zu einem der aktuellen Theaterhits von Erkan und Stefan – Quatsch: das Niveau darf ruhig höher sein! Also: Nurkan Erpulat und Jens Hillje warfen in die Wogen KulturGut 14 | Seite

30 | Würzburg

der Leitkulturdebatte ihr Skript aus gnadenloser Schulzeit: Deutschlehrerin muss eine Klasse mit multikulturellem Hintergrund bändigen. Kleiner Fehler beim Rangeln: Einem jungen Mann fällt die Knarre aus den Pant-Baggys, die Lehrerin bemächtigt sich der Waffe und zwingt ihre Schülerschar mit der Vorgehaltenen, auf ihren Plan A zurückzukommen und sich nunmehr endlich Schillers „Kabale und Liebe“ sowie den „Räubern“ anzunähern. Das Gute am Text: Immer wenn er Vorurteile durch die Lebenswirklichkeit (auf der Bühne) zu bestätigen scheint, kippt ein nächster Knaller das Meinungsgefüge wieder um. Regie führt Hermann Drexler. Ein Sonderlob ergeht hier bereits für das Plakatmotiv; gewöhnlich ist ja kaum ein Anschlagszettel von Privattheatern dieser Stadt ihrer Designer-FH auch nur annäherungsweise würdig. | www.theater-werkstatt.com ++++++++++++++++++++++++

Fundament

ab 13. März, 20 Uhr, Mainfranken Theater In diesem Fünfpersonenstück wechseln die Spieler von ihrer Erzählerrolle zu Helden und dann wieder zu Nebenfiguren in den Geschichten der anderen. Sie sind zufällig zur selben Zeit am selben Ort – und es ist der falsche Ort: eine Bahnhofshalle, deren Sprengung durch ein Attentat kurz bevorsteht. Die Fünf selbst tragen etwas – mehr oder weniger bescheiden – Extremistisches in ihren Alltag und den der anderen hinein. Regisseurin Monika Steil (Schauspielhaus Hamburg, Basel u.v.a.) interessiert sich u. a. für die Instrumentalisierung von Religion durch die Politik. | www.theaterwuerzburg.de ++++++++++++++++++++++++


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 weitere Informationen: www.kulturgut.wuerzburg.de

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Theater |

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Viel Lärm um nichts

ab 3. April, 20 Uhr, theater ensemble Warum denn einfach, wenn’s auch kompliziert geht? Schlag nach bei Shakespeare: Kompliziert ist es einfach schöner. In sehr vielen Variationen versuchen die Szenebeobachter, will sagen Nebenfiguren, das Liebespaar Hero und Claudio auseinander- und das Hassespaar Beatrice und Benedict zusammenzubringen. Das klappt auch deswegen nicht auf Anhieb, weil in der Welt eine Problematik von Schein und Sein existiert. Wer sich der entziehen will, zum Beispiel durch Verkleidung, macht die Sache nicht unbedingt schlichter. Als SchauspielerInnen sind eingeplant Kristina Förster, Philipp Härtig, Katharina Largé, Thomas Schröter, Mike Smauley, Michael Völkl, Michael Wagner und Franziska Wirth. Haben wir Sabrina Kohl übersehen? Nein, das treue theater-ensemble-Ensemble-Mitglied führt Regie. | www.theater-ensemble.net ++++++++++++++++++++++++

Salomé

ab 5. April, 19.30 Uhr, Mainfranken Theater Heiße, süße Orientalismen und irre Leidenschaften: Richard Strauss’ Oper nach dem seinerzeit immer noch recht aktuellen Skandal-Stück von Oscar Wilde bietet großes Theater schon allein für die Sinne. Zudem ist es durchaus sinnvoll, das Strauss-Jahr (150. Geburtstag) mit diesem Werk aus dem Jahr 1905 zu begehen. Es führt exemplarisch vor Ohren, wie die Moderne in der Musik eingeläutet wurde. Denn Strauss formierte seine Figuren mit dem Werkzeug der – damals ebenfalls brandneuen – Psychoanalyse, schrieb ihnen ihre Arien förmlich auf den neurotisch gebeutelten Leib. Außerdem liegt die Entstehung dieser Komposition in einem gewissen Sicherheitsabstand zu Strauss’ Wirken als Präsident

Termine |

der Reichsmusikkammer und zu seinem Rang als einer der drei wichtigsten Musiker auf Adolf Hitlers Gottbegnadetenliste; der späte Strauss sollte seine eigene Geburtstagsfeier atmosphärisch nicht stören. – Die musikalische Leitung der „Salomé“ liegt bei Generalmusikdirektor Enrico Calesso, die Regie übernimmt Alexander von Pfeil, dessen Verdi-Inszenierung „La forza del destino“ vor gut drei Jahren am selben Ort schon einmal zeigte, wie man mit tödlichen Leidenschaften auf der Bühne umgehen kann. | www.theaterwuerzburg.de ++++++++++++++++++++++++

Der Vorname

ab 17. April, 20 Uhr, Theater Chambinzky

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Der Vorname lautet Adolf, sein Träger ist noch nicht geboren, sondern weilt im Bauch der hochschwangeren Gastgeberin. Die Taufankündigung trifft ihr Ehemann in aufgeräumter Runde: Das halbe Dutzend Menschen, das sich hier versammelt hat, ist kreuz über quer miteinander verwandt, verheiratet oder zumindest seit Studienzeiten befreunden. So radikal wie an diesem Abend hat man sich allerdings nie zuvor die Wahrheit gegeigt. Manfred Plagens führt Regie über dieses Stück bester französischer Konversationskomödie, in der, aber das ist tautologisch, tiefe ernste Abgründe aufgerissen werden. www.chambinzky.com ++++++++++++++++++++++++

Günter Grünwald

7. Mai, 19.30 Uhr, Mainfranken Theater Großer Erfolg auf Kabarettbühnen kann faszinieren. Grünwald z. B. schafft es, seine Zuschauer mit bloßem Unfug zu unterhalten, währenddessen zunehmend die Frage drängelt: Was will der da auf der KulturGut 14 | Seite

Bühne – und jetzt auch noch im Großen Haus des Stadttheaters?! Dann kommen seine langen rhetorischen Bögen bei einem Stichwort an, das irgendeinem bedeutungsüberladenen Gegenwartsphänomen den wörtlichen Stich versetzt, sei’s den Schwulen, sei’s dem Baumarktwesen. Das Publikum entlädt seine Lacher, um sich für die nächsten drei bis fünf Minuten wieder gern über einen grotesken Slalompfad führen zu lassen. Anschließend wieder ein Stich, der bisweilen konservativ motiviert sein kann, doch wenn man darüber weg- und von der äußerlichen Eigenschaftslosigkeit der Künstlerfigur absieht, hebt sich die Kicherlaune. | www.bockshorn.de

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Der Kaufmann von Venedig ab 10. Mai, 19.30 Uhr, Mainfranken Theater

Eins der größten Plädoyers, dass der Mensch ein Mensch sei, schrieb William Shakespeare in sein Drama um den diskriminierten Juden Shylock, der als Racheplan gegen die Geschäftsleute von Venedig die berühmte Darlehensgarantie, ein Pfund Fleisch aus dem Körper des Antonio, in einen leichtfertig geschlossenen Vertrag einsetzt. Aktuell ist der elisabethanische Klassiker nicht so sehr, weil eine höhere Tochter hier den Namen eines deutschen Sportwagens trägt, sondern durch die rücksichtslose Vorherrschaft des materialistischen Denkens. Denn Shylock neigt sehr dazu, als pfundschweres Stück Fleisch das Herz des Antonio zu wählen. Regie und Ausstattung liegen in den Händen des eingespielten Teams Stephan Suschke und Momme Röhrbein, die zusammen vor über acht Jahren mit „Ödipus, Tyrann“ ihr Debüt in Würzburg gaben. Der erste ist inzwischen Schauspieldirektor des Mainfranken Theaters. | www.theaterwuerzburg.de


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Wie klingt der Raum? Theaterpreis für das Orchester des Mainfranken Theaters von Joachim Fildhaut

+ Der Theater- und Orchesterförderverein Würzburg verlieh den Theaterpreis 2013 an das Philharmonische Orchester Würzburg unter Leitung von Enrico Calesso. Der Generalmusikdirektor gehört selbst nicht mit zur Jury. Zweierlei begeistert ihn an der Prämierung besonders: dass das Publikum ein Mitspracherecht bei der Preisträgerauswahl hatte und dass erstmals ein Kollektiv diese Auszeichnung erhielt. Im Verhältnis zu den Hörern ist „etwas in Bewegung geraten“, diagnostiziert der italienische Dirigent. Die Gäste der Sinfoniekonzerte und der Opern stünden jetzt „näher an unserer musikalischen Sprache. Sie lassen sich von uns Geschichten erzählen.“ Calesso schließt das bei Opern aus der gespannten Ruhe im Zuschauerraum, aus dem Verzicht auf Szenenapplaus selbst nach den bewundernswürdigsten Leistungen – und aus den regelrechten Applausausbrüchen, die die Musiker an Aktschlüssen oft verbuchen können. Er ist sicher: „Das Publikum genießt unseren Versuch, stilistisch vielfältig und genau zu sein.“ Die Neigung der Würzburger, sich von Klangmassen überwältigen zu lassen, sieht er verblassen. Zwar gebe es „immer die Gefahr, mit billigen Mitteln Hörgewohnheiten auf dein pop-artiges Erleben zu reduzieren. Aber das ist nicht unser Weg.“

Der Mensch begegnet sich selbst Der philharmonische Orchesterklang in Würzburg soll künstlerischen Zielen entsprechen, in Opern also die Inszenierung fühlen lassen. Enrico Calessos Formel: „Bühne und Grabe sollen eine Einheit bilden.“ Eine tiefschürfende Zielbestimmung findet der Dirigent auch für die Konzerte: „Es geht darum, einen Raum zu finden, in dem unser Orchester etwas Besonderes zu sagen hat.“ Das kann ganz wörtlich gemeint sein. Beim Mozartfest beispielsweise ist dieser Raum mitunter der Kaisersaal mit seiner schwierigen Akustik. Die Würzburger Philharmoniker sehen sich heute in der Lage, auch mit modernen Instrumenten eine gültige Interpretation von Klassik in dieser Tonhalle zu erarbeiten, und zwar in einer (abermals im Wortsinn) einmaligen Klangvorstellung. Sogar noch für die Hörer hinter der Reihe fünf. Solche richtigen Töne zu treffen kommt auch bei Spezialisten an. Hier sind Wagnerianer gute Indikatoren. Eben diese Operngänger mit europaweiter Hörerfahrung bestätigen der preisgekrönten Würzburger Stadtkapelle gelungene, auch in ihrer Weise wiederum einzigartige Darbietungen. Doch so wichtig die Kategorie Klang für Enrico Calesso ist, kommt es ihm doch fundamental auf eine gesellschaftliche Aufgabe von Kunst KulturGut 14 | Seite

Enrico Calesso ist seit 2011 Generalmusikdirektor in Würzburg. Er leitet die meisten Konzertund Operneinsätze des Philharmonischen Orchesters.

an, nämlich auf die geistige Begegnung der Menschen mit sich selbst und auf das Beschäftigen mit aktuellen Themen unter zunächst vielleicht ungewohnten Blickwinkeln. Eben diese Funktion haben die Schwerpunktprogramme der Sinfoniekonzerte, die jedesmal unter einem Thema stehen. Und auch für sie, für diesen Dialog mit dem Publikum, sieht Calesso immer größere Akzeptanz – teils schon an steigenden Hörerzahlen ablesbar.

Rundes symbolisches Sümmchen Kein Wunder, dass sich der Name „Publikumspreis“ für die Ende Dezember 2013 vergebenen 3000 Euro einbürgert.

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Sei nur ein großes Licht Scheinwerfer und LEDs auf Ausstellungsstücke: Alle Museen und Galerien auf einen Blick Stadtplan: Stadt Würzburg

+ Am Samstag, 17. Mai, ist Open Art. Zahlreiche Museen und Galerien öffnen mit Sonderprogrammen zu einer langen Kunstnacht. Die vermittelt einen lebendigen Eindruck von Würzburgs vielfältigen Ausstellungsorten. Dabei gibt es sogar noch ein paar mehr. Im Folgenden sind 43 Sammlungen gelistet, zur Demonstration dieses Reichtums 1

Adolf-Würth-Zentrum für Geschichte

12 Galerie Gabriele Müller

ohne Wertung in alphabetischer Reihenfolge. Wetteifern können Würzburgkenner über dem umseitigen Stadtplan: Wer weiß, welche Ziffer welche Sammlung bezeichnet? Nach dem Spiel lösen Kunstbeflissene den Plan aus KulturGut heraus und haben damit stets ein anregendes Heimatblatt neben ihrer Bildbandbibliothek liegen. 23 Kunsthandlung

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Theaterstraße 18

Franz Xaver Müller

Valentin-Becker-Straße 11

Pleicherwall 1

www.galerie-gabriele-mueller.de

Kardinal-Faulhaber-Platz 2

www.museumshalomeuropa.de

www.awz.uni-wuerzburg.de

www.qualitaetsroute-wuerzburg.de 13 Galerie Goldschmiede Markus Engert

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33 Museum Shalom Europa

Arte Noah

Domstraße 18

Oskar-Laredo-Platz 1

www.markusengert.de

34 Prothesensammlung des Zentrums 24 Kunsthaus Michel

www.kunstverein-wuerzburg.de

Bayern Familie und Soziales

Semmelstraße 42

Georg-Eydel-Straße 13

www.kunsthaus-michel.de

www.zbfs.bayern.de

14 Galerie Ilka Klose 3

BBK-Galerie

Leitengraben 3

Oskar-Laredo-Platz 1

www.galerie-ilkaklose.de

25 Mainfränkisches Museum

www.bbk-unterfranken.de

35 Residenz und Hofgarten

Festung

Residenz

www.mainfraenkisches-museum.de

www.residenz-wuerzburg.de

15 Galerie immagis 4

Botanischer Garten

Franziskanergasse 1

Julius-von-Sachs-Platz 3

www.immagis.de

26 Missionsmuseum

www.bgw.uni-wuerzburg.de

36 Riesengebirgler-Heimatstube

Mariannhillstraße 1

Neubaustraße 12

www.mariannhill.de

www.trautenau.de

16 Galerie im Schwarzweller 5

Brauchtums- und Trachten-

Hofstraße 3

puppenmuseum der Banater Schwaben

www.schwarzweller.de

27 Martin von Wagner-Museum

Am Ostbahnhof 20 www.wetschehausen.com

17 Galerie Professorium

Antikenabteilung

Röntgenring 8

Residenz

www.wilhelmconradroentgen.de

www.museum.uni-wuerzburg.de 38 Schmuckgalerie Eva Maisch

Innere Aumühlstraße 15-17 6

Domschatz Plattnerstraße

28 Martin von Wagner-Museum

www.wredanien.de

www.museen.bistum-wuerzburg.de

Gemäldegalerie und 18 Galerie Sundermann

7

Sterngasse 5 www.eva-maisch-schmuck.de

Graphiksammlung

Eisenbahnmuseum

Peterstraße 10

Residenz

Veitshöchheimer Straße 107b

www.sundermann-kunst.de

www.museum.uni-wuerzburg.de

www.eisenbahnmuseum-wuerzburg.de

39 Siebold-Museum Frankfurter Straße 87 www.siebold-museum.byseum.de

19 Galerie und Ausstellungshaus 8

37 Röntgen-Gedächtnisstätte

29 Milchhof

Forum der VR-Bank

Lothar C. Forster

Bergmeistergasse 6

Marktplatz 2

Spitalgasse 16

www.milchhof.com

www.vr-bank-wuerzburg.de

www.lothar-forster.de

40 Sparkasse Mainfranken Würzburg Hofstraße 7 www.sparkasse-mainfranken.de

30 Mineralogisches Museum 9

Fürstenbaumuseum

Am Hubland

41 Spitäle

Festung

Mainaustraße 33-35

www.mineralogisches-museum.uni-

Zeller Straße 1

www.mainfraenkisches-museum.de

www.wuerzburg.ihk.de

wuerzburg.de

www.vku-kunst.de

10 Galerie Arte

11

20 IHK

21 Johanna-Stahl-Zentrum

31 Museum am Dom

42 Werkkunstgalerie Uebele

Sedanstraße 21c

Valentin-Becker-Straße 11

Kiliansplatz

Beim Grafeneckart 2

www.galeriearte.de

www.johanna-stahl-zentrum.de

www.museum-am-dom.de

www.werkkunstgalerie.de

Galerie Bernhard Schwanitz

22 Künstlerhaus

32 Museum im Kulturspeicher

43 WVV-Museum Historisches Archiv

Katharinengasse 1

Oskar-Laredo-Platz 1

Oskar-Laredo-Platz 1

Altes Gaswerk Ständerbühlstraße

www.leinwandundbronze.de

www.bbk-unterfranken.de

www.kulturspeicher.de

www.wvv.de

KulturGut 14 | Seite

33 | Würzburg


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Zu Wort und Bild Zwischenbemerkung zum einzigartigen Aufbau dieses KulturGut aus der Redaktion / Foto: Joachim Fildhaut

+ Mit ihren zwei Schwerpunktthemen ist Ausgabe 1414 der Regionalzeitschrift KulturGut ein Unikum. Noch etwas stärker dürfte die Bildauswahl bereits beim Durchblättern ins Auge fallen. Die erwartbar meistgestellte Frage beantwortet dieser kurze Werkstattbericht: Wie sind die bloß darauf gekommen? Am Anfang stand das Gespräch. Das Gespräch mit den Machern der stadtweiten Aktion „Würzburg liest ein Buch“ warf die Frage auf, ob KulturGut diese Leonhard-Frank-Woche Anfang April mit einem Sonderheft flankieren möge. Mögen, können, sollten, dreierlei. Aber: Wir probierten durch, ob nicht jedes KulturGutRessort – von „Theater“ bis „Interkultur“ – einen Aspekt von „Stadt liest Buch“ aufgreifen könne. Und es war für alle Beteiligten die schönste Bestätigung zu sehen, dass die Leseförderungs-Woche so viele unterschiedliche Verlaufsformen haben wird, dass KulturGut 1414 keineswegs von Eintönigkeit bedroht erschien. Diese Vielfalt, das Weit-Ausgreifende der Buch-Aktionen inspirierte die Bildredaktion. Ausgangspunkt der Überlegungen war das Nachkriegs-Würzburg von Leonhard Franks Roman „Die Jünger Jesu“, an dem sich alle Veranstaltungen von „Würzburg liest ein Buch“ festmachen. Ein erster Foto-Grundstock zur Umsetzung dieser Gedanken lag aus der Galerie Altes Feuerwehrhaus Albertshausen vor. Eberhard

Jandkes bunte Sammlung strahlte sogleich in den vorderen Teil dieses Hefts aus. Denn für diese ersten knapp 30 Seiten geisterte vor unseren Augen bereits die schwarzgrundige, farbreduzierte Fotogalerie Falk von Traubenbergs aus dem Mainfranken Theater. Zusammengeschaut bildeten die konzentrierten Schauspieler-, Tänzer- und Sängernahaufnahmen so etwas wie ein Gegenprogramm zur zweiten Hefthälfte, zu deren Themen umso freier assoziiert werden dufte. Dies wurde dann auch. So streicht die extreme Sachlichkeit einer reproduzierten Briefmarke die objektiven Verbindungen zwischen FrankZitaten und Gegenwartsgedichten hervor. Landschaftsgrafiken fangen die Stimmung einiger Romankapitel ein. Originalillustrationen früher Frank-Veröffentlichungen bieten Aspekte, die sie leicht dem einen oder anderen Ressort zuordnen lassen. Von allen möglichen Bild-Text-Beziehungen wurde stets die plausibelste gewählt. Dabei drängelten sich Schwarz-Weiß-Motive in den Vordergrund genau in dem Maße, das sich bei Themen aus der zweiten Hälfte der 1940er Jahre erwarten lässt. So büßte der Farbigkeitskontrast zwischen erster und zweiter Magazinhälfte wieder etwas ein. Die zeitweise stark bedrohte visuelle Einheit dieses Hefts nahm dafür zu. Das Impressum auf Seite 66 schlüsselt Fotografen, Quellen und Motive auf.

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Dichter können singen Der Wettbewerb „Literatur Update“ wird Heimatklang von Christine Fuchs

+ Die Literaturstiftung Bayern schreibt im Rahmen des bayernweiten Musikfestivals Lokalklang (Mai bis Juli) den Wettbewerb Literatur Update aus. Teilnahmeberechtigt sind AutorInnen bis 35 Jahre mit biografischem oder Werksbezug zu Bayern. Das Thema trägt den konjunktivisch-utopischen Titel „Heimatklänge – Heimat klänge“. Eingereicht werden sollen bis zum 31. März Liedtexte, Lyrik, Kabarettoder Slam-Poetry-Texte, die in der Tradition des politischen Lieds und des volkstümlichen Brettls einen frischen Blick auf die bayerische Gesellschaft und die damit verbundenen Heimatgefühle werfen. Die Texter sollen das Leben in Bayern befragen: In welcher Welt leben wir hier? Alles gut, alles schlecht? Wie steht es um die verfassungsmäßig geforderte Liebe zur Bayerischen Heimat (Art. 131 Abs.3) in einem Einwanderungsland? Ist Heimat „wo man bleiben darf“ oder „wo schon die Urgroßeltern lebten“? Ist sie Zwischenstation für eine globalisierte, bewegliche junge Generation oder Lieferant ambivalenter Gefühle für all jene, die ihre Familie in wirtschaftlichen oder politischen Krisengebieten zurücklassen müssen? Ist der Lokalklang längst ein (viel vitalerer) Globalklang?

Die Bewerber gehören in einen guten Stall

Dem Festival Lokalklang entsprechend spielen hier Klangfarbe, Takt und Ton eine zentrale Rolle. Der in Lied oder Reim verpackte Entwurf einer Gesellschaft ist der Musikgeschichte nicht fremd: Musik berührt die Menschen auf unmittelbare, emotionale Weise. Zum Mitsingen einladend, gefühlvoll und leicht zu merken – so waren kritische oder oppositionelle Stimmen in der Bayerischen (Volks-)Musik, auf den Kabarett- und (Volks-)Bühnen schon immer zu hören. Der „Bayerische Hiasl“ oder Mathias Kneißl z.B. sind die Helden sozialrevolutionärer und romantischer Wildererlieder. Mit der Verstädterung erlebten Volksstück und Vorstadtbrettl eine Blüte, die Folgen der Industrialisierung Bayerns fanden in Arbeiterliedern gegen Armut und soziale Not ein Ventil. Die politischen Liedermacher gaben der Anti-Atom-, der Friedens- und Umweltbewegung der 1970er und 1980er Jahre Takt und Ton vor: Haindling, Biermösl Blosn, Konstantin Wecker, Hans Söllner, Gerhard Polt, die Wellküren u. v. a. m. Kabarettisten, Liedermacher und Dramatiker griffen und greifen gern auf die in Bayern lebendige „volkstümliche“ und musikalische Tradition zurück, auf das „Politiker-Derbleckn“ mit „Singspiel“ auf dem Nockherberg zum Beispiel. Volxmusik trifft mit ihrem klischeefreien Umgang mit Heimat und heimischen musikalischen Traditionen eine eigene politische Aussage.

Ein paar Modalitäten

Gerade in Bayern behaupten die Mundarten in Alltagssprache wie in der Musik erfolgreich ihre Eigenart und ihren Eigensinn. Wie lebt es sich in Sprachwelten zwischen Lokal- und Welt-Klang? Und wie klänge Heimat? KulturGut 14 | Seite

Die Literaturstiftung möchte junge AutorInnen darin bestärken, einen Beitrag zur Beschreibung der heutigen bayerischen Gesellschaft zu leisten. Sie sucht nach Texten mit politischen Inhalten, die auch ein utopisches Moment – „so könnte es besser sein“ – formulieren. Hei-

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mat klänge dann zum Beispiel so wie die Wettbewerbsbeiträge in einer vertonten Version – gesungen oder gesprochen. Gerne dürfen die Texte in Mundart, also in den aktuellen authentischen lokalen Klängen und in sicher nicht immer Duden-gerechten Sprechweisen verfasst sein. Bewerben können sich TexterInnen bis 35 Jahre (Stichtag ist der Einsendeschluss) mit einem noch unveröffentlichten Beitrag. Eine Vertonung, gesungen oder gesprochen, sollte beabsichtigt sein. Eine Audio-Version kann eingereicht werden, ist aber nicht Gegenstand der Bewertung. Erforderliche Unterlagen: Textbeitrag von maximal vier DIN-A4-Seiten, Vita, gegebenenfalls Publikationsliste. Die zehn besten KulturGut 14 | Seite

Beiträge werden durch eine Jury ausgewählt und als Anthologie im Würzburger Stellwerck-Verlag veröffentlicht. Beim Erlanger Poetenfest im August wird ein erster Preis in Höhe von 2000 Euro vergeben. Jury: Volker Breidecker, Süddeutsche Zeitung; Christine Fuchs, Literaturstiftung Bayern; Nora Gomringer, Autorin und Internationales Künstlerhaus Villa Concordia Bamberg; Christine Ott, Stellwerck Verlag Würzburg; Georg Ringsgwandl, Kabarettist, Liedermacher; Cornelia Zetzsche, Bayerischer Rundfunk. Schirmfrau ist Staatsministerin Christine Haderthauer, Leiterin der Bayerischen Staatskanzlei und Staatsministerin für Bundesangelegenheiten und Sonderaufgaben. Partner und Förderer sind u. a. der

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Wir setzen Ideen um. Agentur für Kommunikation & Verlag. Das KulturGut ein Medium aus dem Hause MorgenWelt. Ihr Produkt für Morgen schaffen wir gestern.

Kulturfonds Bayern, die Leipziger Buchmesse und die öffentlich-rechtliche Radiostation Bayern 2.

INFO: Literaturstiftung Bayern, Hohe-Schul-Straße 4, 85049 Ingolstadt, Telefon (0841) 3051868, E-Mail info@literaturstiftung.de | www.literaturstiftung.de

Gerberstrasse 7, 97070 Würzburg, Tel.: 0931 3299910 www.morgenwelt-wuerzburg.de

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Musik |

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Trivium

15. Februar, 20 Uhr, Posthalle Zwei Gitarren, Bass, Schlagzeug (mit doppelter Kickdrum) und ein Gesangsmikro – mehr braucht eine Metal-Band nicht. Die 13 Jahre junge Gruppe aus Florida bringt den Stil, als hätte sie ihn gerade erfunden. Die Musiker haben die nötige Fingerfertigkeit, die garantiert, dass auf der Bühne nichts falsch laufen kann. Fans des harten Rock, denen Black Sabbath unter den Fittichen groß wurden und die von Iron Maiden nur leicht irritiert waren, werden ihre Freude haben, zumal das Quartett zwei Peinlichkeitsfaktoren eliminiert hat: Sie singen kein Falsett, und nur einer hat Matte. Die Fremdschamesröte treibt’s dem reifen Rockpublikum ja nur ins Gesicht, wenn gleich alle breitbeinig am Bühnenrand ihre Mähnen in die Scheinwerferluft bängen. - Wer es weniger thrashig mag, dafür mit mehr Melodie, der wartet noch eine Woche, dann spielen Bullet for My Valentine am selben Ort. Die haben auch einen VorzeigeMattenträger. Ansonsten gilt: Trivium sind Wacken, Valentine Rock am Ring. | www.argo-konzerte.de ++++++++++++++++++++++++

MarieMarie

17. Februar, 20 Uhr, Cairo Die Sängerin, Songwriterin und Harfenistin aus Augsburg lässt sich von Windkrafträdern Träume zuflüstern. So entstand das Titelstück ihres Debütalbums „Dream Machine”. Ihr Crossover von Phantasien und Wirklichkeit nennt sie Folktronic-Pop, wobei sie von beiden musikalischen Elementen die Einfachheit der Melodie nimmt. Ihre Arrangements stammen indes keineswegs aus Pub-Hinterstuben, sondern aus den Mainstream-Studios der 1980er Jahre. Mit Band versteht sich MarieMarie aber auch auf bezirzende akustische Instrumentation, wozu sie stimmlich an

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internationale Vorbilder anschließt. So dass sie für den Eurovision-Song-Contest kandidiert. Umlegung des Veranstaltungsorts vorbehalten. | www.cairo.wue.de ++++++++++++++++++++++++

Siro-A

26. Februar, 20 Uhr, Posthalle Wenn ein Performance-Abend des japanischen Ensembles Siro-A (deutsch etwa: keiner Gruppe zugehörig) endet, dann sind sogar Musikfreunde, die dem Techno bisher nichts abgewinnen konnten, ein bisschen mit Gewump und Bleeps versöhnt. Allerdings kommt es bei der Show in erster Linie nicht auf die Musik an. Die gibt vor allem den Beat für ein perfektes Ineinander von Tanz und digital gesteuerten visuellen Effekten. Die Show tritt an mit dem Slogan „A new generation of entertainment“, und tatsächlich erreicht die Nummernfolge von verblüffenden Tricks eine neuartige Dimension der elektronischen Unterhaltung. Um Siro-A dennoch mit Bekanntem zu vergleichen: Sie ähneln einer Robert-WilsonTheaterinszenierung auf Speed, nur stellen sie nicht ständig die Frage, was die Künstler uns mit alledem sagen wollten; oder auch: Hier vermählt sich die Pionier-Band Kraftwerk mit dem ewigen Kind Michael Jackson. Und bei allem Riesen-Aufwand haftet der Darbietung viel von Kleinkunst, Cabaret und ElektroBrettl an. | www.posthalle.de ++++++++++++++++++++++++

5. Sinfoniekonzert

6. und 7. März, 20 Uhr, Musikhochschule Hofstallstraße Beim vorletzten Saisonkonzert des Philharmonischen Orchesters Würzburg gibt es viel Schweres – entKulturGut 14 | Seite

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weder wegen tragischer Gewichtigkeit des Klanggeschehens oder aufgrund von Anforderungen an die Virtuosität der Musiker. Das russischste Programm der Spielzeit bringt, wie das 4. Konzert im Januar, abermals einen Prokofjew, nämlich die 7. Sinfonie in cis-moll, dazu Sergej Rachmaninows „Romanze und Scherzo“, Nikolai Rimski-Korsakows Orchestersuite „Der Goldene Hahn“ und das 1. Cellokonzert von Dmitri Schostakowitsch, der das Werk seinem Schüler Mstislaw Rostropowitsch widmete – ein Lehrer der Würzburger Solistin Tatjana Vassiljewa. Es dirigiert der Este Mihkel Kütson, Anfang der Nuller Jahre Kapellmeister des früheren Würzburger Publikumslieblings Carmen Fuggis an der Niedersächsischen Staatsoper. | www.theaterwuerzburg.de ++++++++++++++++++++++++

Phrasenmäher

8. März, 20 Uhr, Cairo Die kleine Band ist nicht zu verwechseln mit dem gleichnamigen Kabarett, andererseits auch nicht grundverschieden. Es gibt zwar keine personellen Überschneidungen, aber die stark satirisch angehauchten Alltags- und Beziehungsbeobachtungen der gebürtigen Hanseaten kreisen eher nicht um exquisite Erscheinungsformen von Jugendkultur und adoleszenter Befindlichkeit, sondern gehen auch als Erwachsenenpop durch. Musikalisch prägt das vitale Tastenspiel von Jannis Kaffka die Truppe. Der Bass seines Bruders Lenne tritt – wie sich das gehört – hinter die Drums von Martin Renner zurück. Im Grunde ihrer Herzen sind die Burschen aber Multiinstrumentalisten, und mehrstimmig singen sie auch sehr schön. „Was wir nicht können, ist Coolness“, lautet ihr erfreuliches Credo. | www.inconcerts.de


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Musik |

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Rehan Syed Ensemble 28. März, 20 Uhr, Spitäle

Der Würzburger Gitarrist pflegt die schöne Tradition des Gypsy Jazz und flitzt wie der leibhaftige Django Reinhardt über die Saiten. Auf einer soliden Grundlage aus Handwerk und Liebe baut Syed seinen eigenen Stilmix auf. Tango, Klezmer und arabische Musik spielen bei ihm eine weitaus größere Rolle als bei seinem Vorbild. Sein Ensemble: Thomas Buffy (Violine), Alex Bomba (Rhythmusgitarre) und Simon Ort (Kontrabass). | www.spitaele.de ++++++++++++++++++++++++

Lokalklang – Aufgetaktet ab 9. Mai, verschiedene Orte

Eine gesamtbayerische Veranstaltungsreihe tut etwas sehr Kluges: lässt Unterschiede und örtliche Besonderheiten von Kultur herausarbeiten. Vorletztes Jahr schrieb das „Stadtkultur Netzwerk bayerischer Städte e. V.“ das Thema historischer Alltagskulturen aus. Das diesjährige Festival ist musikalisch orientiert: Bewerben sollten sich Musiker, die Heimatklänge spielen oder „mit neuen Klängen Heimat schaffen“. Ein Symposion „zur lokalen Musik in U und E“ leitet die süddeutsche Weltmusik ein: Am 9. Mai bekommt Lokalklang seinen landesweiten Startmarathon mit einem dreitägigen Kongress, zunächst ab 18 Uhr in der Hochschule für Musik. Gescheite Gedanken werden geäußert, ebensolche Musi erklingt an diesem Tag von der Bamberger Band Boxgalopp; das Quartett kitzelt aus fränkischen Originals eine fingerfertige Valenz heraus, die dann zwanglos an gesamteuropäische Muster anschließt. Außerdem erteilte Lokalklang den Kompositionsauftrag für ein Symphoniekonzert an Yasutaki Inamori; das hat an

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diesem Tag Uraufführung. Am 10. und 11. Mai sind im Kulturspeicher Vorträge, Performances, Gesprächsrunden und weitere Konzerte, u. a. mit Achim Bergmann, Jürgen Königer, Prof. Klaus Hinrich Stahmer, Prof. Elena Ungeheuer mit Julia Mihaly, Barbara Morgenstern, Nora-Eugenie Gomringer und Coconami zu erleben. Für das Symposion ist eine Anmeldung notwendig. | www.lokalklang.de ++++++++++++++++++++++++

Mozarttag

24. Mai, 11 Uhr, Innenstadt Einen Tag nach dem Eröffnungskonzert schwirrt trazoM – das Mozartfest, das sich spiegelt – in die Straßen hinaus. Bis 17 Uhr bevölkern Ensembles die Fußgängerzone, ausgefuchste Profis und ganze Klassen der Sing- und Musikschule. Am 10. Mai soll der Stundenplan dieses klangvollen Samstags veröffentlicht werden. www.mozartfest.de ++++++++++++++++++++++++

Bruckner im Dom

28. Mai, 20 Uhr, Kiliansdom Die siebte Sinfonie und Mozarts Klarinettenkonzert passen zusammen wie E- und A-Dur. Mindestens. Melancholie und Hoffnung spiegeln sich in beiden Werken. Und beide erklingen bei der Neubegründung einer Konzertreihe innerhalb des Mozartfests, bei „Bruckner im Dom“. Das Festival möchte damit an die Tradition anknüpfen, dass bereits bedeutende Bruckner-Dirigenten wie Eugen Jochum („Die 5. Sinfonie sollte zum Dogma der katholischen Kirche erhoben werden“) in der Kathedrale dirigierten. Das wird jetzt Jonathan Nott (Foto: Paul Yates) mit den Bamberger Symphonikern sein. Der schwedische KulturGut 14 | Seite

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Soloklarinettist Martin Fröst ist nicht nur unter Musikern sehr begehrt. Die Kritikerin der Londoner Times: ”Until you‘ve heard Martin Fröst, you really haven‘t heard the clarinet.” | www.mozartfest.de ++++++++++++++++++++++++

26. Africa Festival 29. Mai bis 1. Juni, Talavera-Mainwiesen

Zwei Dinge beeindruckten Fatoumata Diawara beim 25. Africa Festival: ihr mitreißender Erfolg auf der offenen Bühne und die Überschwemmung des Festgeländes. Spontan erklärte sich die malinesische Sängerin und Gewinnerin des Festival Awards bereit, heuer wieder nach Würzburg zu kommen. Jetzt ist sie Haupt-Act beim ersten Abendprogramm. Tags drauf kehrt Mayra Andrade nach acht Jahren nach Würzburg zurück. Die damals blutjunge kapverdische Sängerin hat sich von der Tradition ihrer Inselheimat inzwischen dem Pop geöffnet. Und einen spektakulären Bogen von Folk-Mustern zu aktuellen Fusionsklängen schlagen Sams- und Sonntag auf der Hauptbühne: Die Jolly Boys spielen seit 60 Jahren zusammen den Mento, einen Reggae-Vorläufer. Auf eben solche karibische Klänge zielt am letzten Abend Cheikh Lo, der seinen eigenen panafrikanischen Stil entwickelte, inklusive Reggae. Der Mittfünfziger wird im heimischen Senegal fast wie Youssou N’Dour verehrt. Neben diesen Perlen des Hauptprogramms wartet das Afro-Project wieder mit weniger prominenten Künstlern auf der offenen Bühne und einem reichhaltigen Begleitprogramm auf. | www.africa-festival.org ++++++++++++++++++++++++


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Aquarell im Blitzlicht­ gewitter Wie eine Fotoausstellung mit Romanlesern entsteht von Joachim Fildhaut / Fotos: Laura Markert

+ Ein Dorf liest ein Buch: 60 Würzburgerinnen und Würzburger – immerhin die Population eines größeren Weilers – wurden ausgewählt, um mit der „Jünger Jesu“-Sonderausgabe für ein Porträt zu posieren. Federführend an der Personenliste arbeitet Wolfgang Salomon. Für die Aktiven der Aktion „Würzburg liest ein Buch“ hält er die Verbindung zur Angewandten Hochschule FHWS, speziell zu den Kommunikationsdesignern, die bei Prof. Dieter Leistner und Marcus Kaiser ihr fotografisches Können verfeinern. Die Studenten sollen mit einer großen Ausstellung das Motto „Würzburg liest ein Buch“ sinnfällig machen. Zu dem Zweck hätte der Musiker Salomon gerne „jede Menge Leute von der Straße gehabt. Ein Metzger wär toll“, sagt er und schwingt ein imaginäres Hackbeil. Werkzeug als Requisite kommt dem Porträt eines Handwerkers ja immer zugute. Und die erste Staffel von Lichtbildern zieht schon einen fast repräsentativen Querschnitt durch die Bevölkerung. Ein Fleischhauer wurde zwar (noch) nicht auf Chip gebannt. Aber eine Bäckerin wickelt das großformatige Taschenbuch in Papier ein. Ein Kellner serviert es gemeinsam mit vier Fischen. Und ein Domkapitular liest den Frank-Roman an vollem Schreibtisch mitsamt – freilich leerem – Aschenbecher.

Lernziele der Fachhoch-Fotografenausbildung heißen auch: Wie verwalte ich einen überbordenden Terminka l en

Der Kampfleser im Erklärungsnotstand Zwei Monate nach dem Aufstellen der Wunschliste trafen sich FHWSStudierende an der Sanderheinrichsleite in einem kahlen Seminarraum zur Präsentation ihrer ersten Ergebnisse. Über einen riesigen Plasma-Schirm wandern die Würzburger, die zumindest von sich beKulturGut 14 | Seite

haupten, das Buch zu lesen. Auch Menschen ohne herkömmliche Model-Qualitäten haben hier das Zeug, eine Botschaft zu verkörpern. „Kampfleser!“, heißt es da am Seminartisch über ein Motiv. So gelingt das Plakative. Ein Kommilitone muss dagegen leidvoll einsehen: Einem aufgeklappten Buch genügt eine kleine Unaufmerksamkeit des Fotografen, und die Rückseite zieht mehr Aufmerksamkeit auf sich als das Cover vorn. Andere Tücken sind organisatorischer Natur. So sollte sich eine angehende Kommunikationsdesignerin um einen hohen Freistaatsbeamten als Model kümmern. Zweimal erklärte sie ihm Sinn und Zweck der Fo-

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nicht unbedingt als Semesterarbeit ausführen; diese Pflichtübung ist zusätzlich fällig, und der Designer-Arbeitsplan kann schon sehr eng sein. Denn: Unterm Strich dominieren die prominenteren „lesenden Würzburger“, und da wird das Termin-Ausmachen oft zur Jonglage. Das ist echtes Leben, will gelernt sein und fördert den Praxisbezug des Studiums. Allerdings kapitulierten mehrere junge Beiträger in der ersten Phase des Projekts, das fürs dritte Semester gedacht war. Um neue Arbeitskraft für die zweiten 30-x Porträts zu bekommen, rief Prof. Leistner einige begabte Studienbeginner zur Teilnahme auf. Und da bereits ein Siebtsemester die Gelegenheit ergriffen hatte, sich von seinem bisherigen Spezialgebiet Landschaftsfotografie zu lösen

nka l ender und wo bekomme ich gültige Fotografiergenehmigungen? Beim Schraubensepp ist letzteres kein Problem, und Anja Flicker leitet die Stadtbücherei selbst.

toreihe telefonisch, bis er sie bat, ihm eine Mail zu schicken: Damit er sich eine Vorstellung von Sinn und Zweck der Aktion machen könne.

Im Studienwirbel aufgetaucht Trotz solcher Abstriche war Mitte Dezember bereits gut die Hälfte der ursprünglich ausgeguckten Kandidaten porträtiert. Im Idealfall hätte sich jeder der sechs Projektteilnehmer zehn Motive vors Objektiv geholt. Aber es sprangen nicht nur Modelle ab, sondern auch Studenten. Schließlich ist die Teilnahme freiwillig. Sie lässt sich auch KulturGut 14 | Seite

und auch in Porträts zu reüssieren, finden sich nun die fotokünstlerischen Handschriften verschiedenster Altersklassen vereint. Nicht nur in einer Ausstellung. Mehrere Dutzend Leonhard-Frank-lesende Würzburger kommen im Kleinformat auch auf einem Poster zusammen. Außerdem gestaltet die international renommierte TypografieDozentin Prof. Gertrud Nolte das Plakat für „Würzburg liest ein Buch“.

LINK: | www.wuerzburg-liest.de

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Kunst |

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Gesichter zwischen den Zeiten

2. Februar bis 30. April, Gemäldegalerie des Martin von Wagner-Museums Eberhard Zwicker gab den Würzburger NachkriegsAufbaujahren ein fotografisches Gesicht. Die Kirchenaufnahmen seines Studios stellten den großen Fundus für die hiesigen Ansichtskarten dieser Zeit. Dabei war der Fotograf höchst vielseitig. In den 1940ern beteiligte er sich als Angehöriger der Akademie der Graphischen Künste Leipzig an der Entwicklung des Farbfilms. In Halle aufgewachsen, war es schon früh ein Herzensprojekt von ihm, die Steinskulpturen des dortigen Doms lichtbildnerisch abzunehmen. Die eindringlichen Apostelfiguren des Bildhauers Peter Schroh erscheinen in expressiver Lichtregie – die Not diktierte den Schweinwerferkegel, die Aufnahmen entstanden in unmittelbarer Nachkriegszeit in eiskalten Winternächten mit provisorischem Material. Beim vorherigen Organisieren von Filmen in Süddeutschland hatte der Hallenser Zwicker seine Würzburger Frau kennengelernt; um diese Ausstellung ranken sich wirklich Geschichten. Zuerst wurde sie in Halle gezeigt, wo der Fund historischer Aufnahmen als Entdeckung gefeiert wurde. Nun finden die rund 35 neuen Abzüge einen würdigen Rahmen in der Residenz. | www.fzb-ateliers.com ++++++++++++++++++++++++

Wegzeichen

ab 21. Februar, Museum am Dom Die Kunstsammlung der Diözese hütet den Nachlass zu Lebzeiten von Benedikt Werner Traut. Zu dessen 80. Geburtstag konnten die Ausstellungsmacher aus Hunderten von Holzschnitten bis hin zu Betonreliefs wählen. Die Prägung Trauts in den 1950er Jahren ist manchem Blatt abzulesen. Die wichtigste

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Entscheidung in diesem Jahrzehnt traf der Kölner 1957. Da trat er in den evangelischen Orden Communität Christusbruderschaft im oberfränkischen Selbitz ein. 1962 bis 1967 studierte Bruder Benedikt an der Hochschule für Gestaltung in Nürnberg. Er richtete in Selbitz die Druckwerkstatt ein, die viele Gotteshäuser mit anspruchsvollen, meditativen und, den Ausmaßen der Präsentationsorte entsprechend, großformatigen Farbdrucken belieferte, auf denen Landschaften spirituelle Räume sind, nie touristisch erschließbare Tatsächlichkeiten. Viele Arbeiten schufen reine, gegenstandlose Farb- und Denkräume. | www.museum-am-dom.de ++++++++++++++++++++++++

Kurt Fleckenstein

bis 26. Februar, Kulturspeicher Am Ende des 150 Meter langen Flurs kann man plötzlich nach draußen schauen, auf Fernheizwerk bzw. Cinemaxx. Allerdings steht das Kino im Südosten, die Schornsteine im Nordwesten. Der Künstler Kurt Fleckenstein hat die Projektionen mit vertauschter Kamera eingerichtet, so dass der Raum gespiegelt wirkt. Die Zeit ist Echtzeit. Am 13. Februar, 19.30 Uhr besucht Fleckenstein den Kulturspeicher zu einem Künstlergespräch. Da können sich die Aschaffenburger bei ihm ausweinen, denen immer noch der Schock von Fleckensteins dortiger Kunstaktion in den Knochen sitzt: Fleckenstein verkündete am Mainuferweg auf Bautafeln, hier entstehe eine „sichere“ breite Asphalt-Autostraße. | www.kurt-fleckenstein.com ++++++++++++++++++++++++

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What You See Is What You Don’t

2. März bis 16. April, Kunstschiff Arte Noa h Esther Horn eröffnet das Jubiläumsprogramm des Kunstvereins. Die Münsteraner Geisteswissenschaftlerin und Kunstschulabsolventin (Meisterklasse) gestaltet ihre Ausstellungsräume gern gleich mit. Wenn sie keine Mauervorsprünge findet, setzt sie welche aus Pappe ein. Der 80 Jahre alte umgebaute Kohlefrachter des Kunstvereins wird sie auf eine besondere Probe stellen – und das Ergebnis ihrer Raumintervention sicher entsprechend interessant ausfallen. Ihren 25. Geburtstag begeht die einzige schwimmende Kunstgalerie Deutschlands mit einem Viertelhundert Einzelveranstaltungen, darunter etwa ein halbes Dutzend Ausstellungen. | www.kunstverein-wuerzburg.de ++++++++++++++++++++++++

Kindheit in der Nachkriegszeit

bis 8. März, Deutschordensmuseum Bad Mergentheim Hinweis zur Aktion um Leonhard Franks Roman „Die Jünger Jesu“: 80 nie gesehene Fotografien amerikanischer Beobachter 1945 – 1955 konzentrieren den Blick auf Trümmerbuben, Halbwüchsige mit schlesischem Migrationshintergrund und Care-Paket-Öffnerinnen, auf große Not und Freude über die erste Banane (nicht: Gurke!). Der Grundstock dieser Auswahl stammt von einem US-amerikanischen Sammler, der drüben Bildzeugnisse von GIs archivierte. 30 weitere Exponate bringen Regionalrelevanz in die Ausstellung. Diese Fotos sind minutiös dokumentiert und kommentiert, dazu gibt’s plastische Erinnerungsstücke in Vitrinen und ein freilaufendes Schaukelpferd. | www.deutschordensmuseum.de


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Kunst |

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Große Freiheit Nr. 100 8. bis 30. März, BBK-Galerie

Die vielseitige deutsche Künstlerin Gabi Weinkauf und die beiden Irani Maneis Arbab und Ilia lenken den Blick auf Asyle. Gemeinsam unterschrieben sie den Pass, der einem anonymen Hundertsten den Zutritt zur Großen Freiheit gewährt. Installation, Film und Fotografie sind die modernen Medien, die dem Betrachter ebenfalls einen Zugang bieten. Angetrieben wurden die drei von Albert Camus’ Feststellung: „Es gibt keine Freiheit ohne gegenseitiges Verständnis.“ | www.bbk-unterfranken.de ++++++++++++++++++++++++

Helmut Booz

16. März bis 6. April, Spitäle Der „Lebenslauf in Bildern“ bringt Landschaften, Porträts, freie Malerei, Zeichnungen und Objekte aus sechs Jahrzehnten. Da lässt sich beobachten, wie der Wahlveitshöchheimer zu seinem wiedererkennbaren Stil fand, zu den Bildern, die mosaikartig aus schmalen, schwarz eingefassten, plastisch anmutenden Elementen bestehen. Und wie er diese Methode wieder aufgab, selbst auf die Gefahr hin, dass sein neuerliches Suchen rückwärtsgewandt erscheinen könnte. Vernissage ist am Samstag, 15. März, 16 Uhr. | www.spitaele.de ++++++++++++++++++++++++

Philipp Bauknecht

ab 10. April, Museum Würth, Künzelsau Je bekannter der Pinselschwung eines Klassikers der Moderne, desto größer die Gefahr, dass der

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Museumsbesucher mit der oberflächlich beglückten Bemerkung „Ja, ein E. L. Kirchner“ vorübergeht; mit dem Wiedererkennen und Etikettieren ist die Betrachtung abgetan. Dagegen hier die erste Reaktion: Philipp Wer? 1884 in – immerhin – Nürnberg geboren, lebte der Maler 23 Jahre bis zu seinem frühen Tod in Davos, wo er tatsächlich den Kollegen Kirchner kennen lernte. Seinen frühen Stil entwickelte er an Vorbildern wie F. Hodler, in Bauknechts Reifezeit sehen die Ausstellungsmacher eine Prägung durch das enge Nebeneinander von mondänem Kurort und rauer Bergwelt. Das „Selbstbildnis mit Orang Utan“ schuf er 1928. – Ab 23. Mai hat die Kunsthalle Würth im benachbarten Schwäbisch Hall Klassiker der Moderne aus der Berliner Nationalgalerie zu Gast. | www.wuerth-kunst.de

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VKU-Neuaufnahmen

13. April bis 11. Mai, Spitäle

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Ein Reiz von Gruppenausstellungen der Vereinigung Kunstschaffender Unterfrankens liegt im Wiedersehen. Der Galeriegänger hat ja so seine Favoriten, und die hängen mehr oder weniger verlässlich im Sommer und Advent unter der Festungsfelswand. Aber: Zweimal im Jahr entscheidet eine Jury der VKU auch über Neubewerber und macht sich die Entscheidung über Aufnahme oder Ablehnung von VereinskandidatInnen nicht leicht. Wer es in den Jahren 2012 und 2013 schaffte, hat jetzt was davon: „Malerei. Graphik. Figur. Konzept.“ heißt der Untertitel der Ausstellung, die mit einer Feier am Samstag, 12. April, 19 Uhr eröffnet wird. | www.spitaele.de

Renée Sintenis

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ab 12. April, Kulturspeicher Das städtische Würzburger Kunstmuseum legt einen starken Schwerpunkt auf Skulptur des 20. Jahrhunderts. Eine wichtige Plastikerin war die 1888 geborene Renate Sintenis. Anders als die zwei Jahre jüngere Emy Roeder, der die Galerie ihre Konzentration auf Bildhauerei verdankt und die sich von jung auf erfolgreich bemühte, die Tierheit eines Tiers fassbar zu gestalten, hielt sich Sintenis intensiver an Artmerkmale ihrer Modelle – auch ihr verdankt die Nachwelt viele Tierfiguren, u. a. den Berliner Bären bei Dreilinden, der seinerseits wieder Modell stand für die Siegerstatuette der Filmfestspiele. 150 Arbeiten aus dem Georg-Kolbe-Museum Berlin und aus einer Privatsammlung werden abgerundet durch biografisches Material zum Leben dieser ungewöhnlichen Künstlerin, die als erste Bildhauerin in die Berliner Akademie der Künste aufgenommen wurde. | www.kulturspeicher.de KulturGut 14 | Seite

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Manfred Neuner

bis Ende Juli, Forum am Marktplatz Manfred Neuner gehört seit langem zur Künstlergruppe Sepia im Atelier von Renate Jung. Für seine Ausstellung „Pastelle und Ölbilder“ tat er das berühmte Gebäude auf, das nicht auf einem Fundament, sondern auf Säulen einer Tiefgarage fußt – die VR-Bank. Darin zeigt er „Orte und Momente der Stille und Vergänglichkeit, real oder entworfen, abhängig von Tages- und Jahreszeit, vom Wetter“. Er lädt die Betrachter an einem der belebtesten Plätze der Stadt zum Innehalten ein und hofft, seine Bilder taugten dazu, die Momente des Verweilens intensiv wirken zu lassen. | www.vr-bank-wuerzburg.de ++++++++++++++++++++++++


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Frieden in Würzburg

Gedichte zu Sätzen aus Leonhard Fr von Kornelia Koepsell

Heimatlos So sitzt irgendwo auf der Welt der Heimatlose, für den es aus tausendundeinem Grund keinen Halt und keinen Weg mehr gibt.

Die Aufweichung des Körpers Die dächerlosen Hausruinen schnitten gezackte Schneesilhouetten in den kalten Himmel.

Vor der Müller-Drogerie steht jeden Samstag ein gestählter Mann, fast nackt, nur mit schwarzem Slip bekleidet, einem

Röhrenstiefel würden ihm nicht passen, bei ihm riecht alles nach Arabica und Syrah funkelt in den Gläsern, hier

Markenhöschen, das den Waschbrettbauch betont. Er kennt mich schon und schaut ertappt zur Seite, sein Gesicht ist ausdruckslos.

im Casa dello Vino trifft sich, wer sich als Gourmet erhaben fühlen möchte, gelbe Scheiben halten, was für spießig gilt,

Hochglanz-Flyer hält er jedem hin, die achtlos in den nächsten Abfalleimer geworfen werden wie ein Häufchen Asche.

draußen. Wenn der Wirt nicht gar zu dicke übers Ohr haut, klagt er, daß er krank sei. Das weite Hemd umkleidet seinen Körper,

So steht der Heimatlose vor den Läden, in denen Menschen drängeln, und die Stadt ist tot und hat ihn längst vergessen.

als wolle es, voll Gnade, ihm erlauben, sich weiter auszudehnen. Solche Trauer von Alters her, von abgesprengten Dächern.

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Fernweh Das Lächeln war wie ein Erinnerungsblick an ihr totes Herz.

Wer im Schatten der Vergangenheit mit der Schere um die Köpfe klappert, sehnt sich weg ins Paradies und nach Hurghada. In Hurghada glitzert lebenssprühend Wasser unter ewig blauem Himmel. Während ich die Haare von Malena bewundere, erzählt sie mir vom Shoppen. Vielleicht ist sie das Gegenteil der Amputierten, die Schmerz empfinden, wo nichts ist, und sie hat ja keine Schuld, sie ist so jung. Sie ist so jung, daß sie sich in den Flieger setzt und in Ägypten baden will.


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d Franks Roman „Die Jünger Jesu“

Die Kroatin Das dünne verblichene blaue Waschkleidchen bot die Formen an. Mit Blick auf Obstbaumfelder, Rebenhänge, putzt die Kroatin Mattglasflächen schlierenfrei, sie weiß noch, was ein Wackelpudding ist. Bei Hugendubel, wo sie Bruckners Achte erwirbt, vertiefen wir uns ins Gespräch. Ich kann es nur ertragen, sagt sie, wenn mein Herz sich für die Dinge öffnet, die ich reinige. Der Mensch erhebt sich nur durch Glanz aus seiner Alltagsnot. Sie weiß noch, was ein Wackelpudding ist. Den aß man sonntags, immerzu ist Sonntag, wenn sie die Augen, nach dem Beten, schließt.

Die eisige Stille der Zeit Ein Stein war ein paar Zentimeter gerutscht, nur durch seine eigene Schwerkraft. Die Naturgesetze waren nicht zerstört.

Sportverein An der Wand hing ein verräuchertes Plakat, auf dem ein sitzender Ziegenbock ein Glas Bier in den Klauen hielt.

Nur mit der Lupe kann er es erkennen, das Staubkorn, welches meine Uhr zum Stehen brachte. Vom Zusammenkneifen müde

Ihr Mann spielt Basketball, ein Hüne, der sich im Blick der Damen und im Bier bespiegelt. Die Postmamsell jedoch ist pummelig.

sind seine Augenmuskeln, wenn er aufblickt. Der Sohn hat das Geschäft mit Kreationen aus Gold zu Grund gerichtet und der alte

Betrete ich den Laden, um ein Päckchen aufzugeben, quirlt sie um die Wage. Sie kennt die seltensten Gebühren, alle

Uhrenmacher muß den Laden schließen. Er steckte noch im ärmellosen Leibchen, das die Mutter strickte, als die Bomben

Größen der Pakete, manchmal schiebt sie einen Umschlag durch den Schlitz des gelben Lineals, um ganz gewiß zu sein.

alles zertrümmerten und schwarze Münder in der Erde Essen suchten. Ein Staubkorn nur, ich kann es kaum begreifen.

Vielleicht kann sie sein Herz erweichen, wenn sie von der Tribüne ruft und ruft. Arme Vertriebene, wo ist dein Haus?

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Literatur |

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Und bist du nicht willig

14. Februar, 16.30 Uhr, Uni-Bibliothek „Nur schlechte Nachrichten sind gute Nachrichten“ – unter diesem Motto stellt ein Betreuer der UB-Schatzabteilung Handschriften und alte Drucke vor, in denen die Abgründe der Menschen mediale Aufmerksamkeit genossen. Er sucht und findet literarische Spuren zu kriegerischen Auseinandersetzungen und Friedensschlüssen, politischem Mord und Hexenjagden, inszenierter Versöhnung und Sühneritualen – vom mittelalterlichen „Trojanerkrieg“ des Konrad von Würzburg bis zum Ersten Weltkrieg. | www.bibliothek.uni-wuerzburg.de

Termine |

Literaturcafé

Geschichte und Geschichten

Monatlich treffen sich Bücherfreunde unterm Dach des Falkenhauses. Da stellt Uni-Lehrbeauftragte Uta Neumann Auszüge aus Romanen vor – anschließende Diskussion nicht ausgeschlossen. Andersrum wird ein Manuskript draus: In dieser Saison bekommt das Café (bei dem es wirklich Kaffee und Kuchen gibt) Verstärkung durch Elisabeth Schilling-Küng, Leiterin der Stabü-Schreibwerkstatt. Beim Termin Ende Februar notieren die Teilnehmer mit Schilling-Küngs Hilfe, was sie bewegt. Dabei darf es gern märchenhaft zugehen. Literaturcafé ist meist am letzten Donnerstag im Monat, Eintrittskarten kosten vier Euro, Einlass 15.30 Uhr. | www.stadtbuecherei-wuerzburg.de

„Dass wir auch künftig zum Gesange werden den späteren Menschen. Ruhm u. Klage in Homers Ilias“ heißt der erste Beitrag der interdisziplinären philologischen Ringvorlesung . Semesterwöchentlich geht es weit über die griechische Archaik hinaus ins Grundsätzliche: Wie veranschaulicht Literatur historische Ereignisse und wie verändert sie die Wahrnehmung historischer Daten? Welche ästhetischen Werkzeuge ziehen Schriftsteller dazu aus ihrem Kasten? Warum berührt das historische Ereignis in einer Erzählung anders als im Geschichtsbuch? Die Vorträge gehen von herausragenden Daten der abendländischen Geschichte aus, doch im Mittelpunkt steht jeweils ein literarisches Werk, das das Datum wachruft, verwandelt, neu erschafft oder konterkariert. | www.uni-wuerzburg.de

27. Februar, 16 Uhr, Stadtbücherei

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Krieg und Nachkrieg

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15. bis 16. Februar, Alte Augenklinik

Würzburg liest ein Buch

Nicht der Erste Weltkrieg steht im Zentrum des zweiten Leonhard-Frank-Symposiums, sondern das, was ein Krieg bei den Menschen bewirkt und wie diese Wirkungen in der Literatur verarbeitet werden. Das Treffen von Spezialisten und Lesern gehört zur Veranstaltungsreihe „Würzburg liest ein Buch“; diesem Leonhard-Frank-Jahr mit Schwerpunkt auf der zweiten April-Woche (s. u.) ist ja die zweite Hälfte des vorliegenden Hefts gewidmet. Im OswaldKülpe-Hörsaal am Röntgenring 12 geht es u. a. um die nietzscheanische Legitimation des Ersten Weltkriegs, um Würdigungen von Franks „Deutscher Novelle“ und „Der Mensch ist gut“. Zu den acht Vorträgen kommt eine Führung durch Franks Würzburger Heimatviertel. | www.wuerzburg-liest.de

4. bis 13. April, verschiedene Orte An diesen zehn Tagen konzentrieren sich an Schulen und vielen öffentlichen Orten die Veranstaltungen um Leonhard Franks „Die Jünger Jesu“: In dem Roman bestehlen Jugendliche 1946 reichere Würzburger und beschenken die Armen; die junge Jüdin Ruth kehrt in ihre Heimatstadt zurück und rächt den Mord an ihren Eltern. So eingängig sie geschrieben ist, hat diese engagierte Dichtung doch sehr unterschiedliche Aspekte; das zeigt auch die Themenbreite der vorliegenden Zeitschrift, die eng an diese Leseförderungsaktion anknüpft. Demgemäß steht eine breite Vielfalt auf dem Kalender der Leonhard-FrankGesellschaft und ihrer zahlreichen Partner beim Ausrichten dieser verlängerten Buchwoche. | www.wuerzburg-liest.de

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ab 15. April, 19.30 Uhr, Neue Uni

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Allzeit ein Buch

27. Mai, 19 Uhr, Vinothek des Staatlichen Hofkellers Der Komponist Wolfgang Amadeus Mozart hinterließ eine erstaunlich umfangreiche Bibliothek. Der Musikwissenschaftler Prof. Ulrich Konrad wertete die vor 22 Jahren aus und zog Querverbindungen zum musikalischen Schaffen. Beim Mozartfest spricht er wieder einmal darüber, mit der neuen Festivalleiterin Evelyn Meining. Zwei Wochen später, gleiche Zeit, gleicher Ort, selbes Konzept: der Neurologe Prof. Dr. Klaus Toyka plaudert über den medizinischen Alltag der Mozart-Zeit, abermals zwei Wochen drauf bestreitet der Würzburger Liedgestaltungs-Professor Gerold Huber den literarischen Abend. | www.mozartfest.de


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Film |

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Termine |

40. Internationales Filmwochenende

Hitlerjunge Quex

Das kleine Würzburger Filmfestival kehrt kalendarisch zu seinen Wurzeln zurück, dem Multiplex den Rücken und an einer völlig unabhängigen Spielstätte ein. Es setzt mit seiner Verkleinerung ein Zeichen, dass es auch ohne Wachstum und Budengassen geht. Das ist schön. | www.filmwochenende.de.

Der „Film vom Opfergeist der deutschen Jugend“ (Untertitel) läuft in der Reihe „Verbotene NS-Propagandafilme“. Die sind aufgrund ihres rassistischen, antisemitischen, militaristischen oder volksverhetzenden Inhalts nicht der Öffentlichkeit freigegeben. Telefonische Anmeldung beim VHS-Referenten Stock erforderlich unter Tel. (09382) 8245. | www.vhs-wuerzburg.de

bis 2. Februar, Programmkino Central

11. Februar, 17 Uhr, Programmkino Central

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SchleFaZ

ab 7. Februar, 22.10 Uhr, Cineworld Seit Juli 2013 zeigt Tele5 allmonatlich „Die schlechtesten Filme aller Zeiten“, ausgewählt und kommentiert von Oliver Kalkofe und Peter Rütten. Die erklären ganz genau, warum es sich bei den trashigen Streifen vielleicht doch um heimliche Filmmeilensteine handelt und wo man auf jeden Fall lachen darf. Als „betreutes Gucken“ bezeichnete Markus Lanz das Sendungskonzept. Und weil betreutes Gucken in großen Gruppen noch viel schöner ist, macht das Cineworld an jedem ersten Freitag des Monats einen Saal dafür frei. Rütten setzt auf „die ewigen Klassiker: Chips, Popcorn, Nachos mit viel Käsesoße, Blutwurst-Stullen“. Und Kalkofe empfiehlt ganz offen Alkohol, um „die Birne auf die passende Betriebstemperatur vorzuglühen“. Kommende SchleFaZ-Events: der Blaxploitation-Grusel „Blacula“ (7. Februar), die Filmkatastrophe „Titanic II“ (7. März) und der vor allem von Sexszenen vorangetriebene Actionfilm „Die sieben Männer der Sumuru“ (4. April). | www.cineplex.de | www.tele5.de ++++++++++++++++++++++++

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Falschspieler

bis 18. Februar, 19 Uhr, Cinemaxx Letzte Gelegenheit (zuvor montags und dienstags je 19 Uhr, Sonntag 11 Uhr): Episode 4 des „Dadord Würzburch“. Die Leiche ist wie immer ausgesucht eklig (ein toter Anlageberater schwimmt im Tümpel im Bahnhofspark) und Hauptkommissar Rabe (Gerald Schneider) muss sich in die Tiefen der HotelturmFinanzierung versenken, während die Steuerfahndung und eine mysteriöse Loge Privatdetektiv Strick (Christian Kelle) auf Trab halten. Mit dabei: viele Gäste aus der lokalen Theater- und Medienszene, diesmal Christina Winkelmann, Maria Schwab, Talia von Bezold, Herbert Ludwig, Markus Grimm, Csaba Beke und Andy Puhl. | www.radiorimpar.de ++++++++++++++++++++++++

Kunst in Bewegung

ab 12. März, jeweils 19 Uhr, Spitäle Nach dem Thema Architektur behandelt die diesjährigen Filmreihe in der VKU-Galerie bewegte, sich vor den Augen des Betrachters entwickelnde Arbeiten zeitgenössischer Kunst, humorvolle, poetische und KulturGut 14 | Seite

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dramatische Abende mit offenem Ende (12., 19. und 26. März, 2. April). | www.artfilm-wuerzburg.de ++++++++++++++++++++++++

2. Würzburger Film- und Foto-Festival 16. März, 11 Uhr, Radlersaal

Familie Zagel reiste in den letzten fünf Jahren durch ebensoviele Kontinente und versuchte, „Spannung, Emotionen und Abenteuer“ in bewegte und statische Bilder zu bannen. Einige Ergebnisse zeigen Guri und Frank Zagel auf einer 32-Quadratmeter-Leinwand. Dazu haben sie Shows von Kollegen im Gepäck. So fangen sie das Festival mit dem Pazifikparadies Galapagos von Johannes Kern an. In jeweils dreistündigem Abstand folgen Thailand, Spitzbergen und Indien. Jörgen Schütte paddelte per Faltboot im Nordmeer, Mario Goldstein fuhr in einem umgerüsteten Wasserwerfer zum Dalai Lama. Zwischen den Vorträgen laufen Workshops. | www.weltenbummlerfamilie.de ++++++++++++++++++++++++

Mozart im Kino

26. Mai bis 23. Juni, Programmkino Central Mit einer Shakespeare-Inszenierung in einem Swimmingpool wurde der amerikanische Theater- und Opernregisseur Peter Sellars zu Beginn der 1980er Jahre bekannt. Auch für seine Mozart-Opern wählte er ungewöhnliche Sets: der Titelheld seines düsteren „Don Giovanni“ (2. Juni, 19 Uhr) ist ein schwarzer Drogendealer in der Bronx, für das Bühnenbild von „Le nozze di Figaro“ (16. Juni, 20.30 Uhr) musste ein Appartement im protzigen Trump Tower herhalten. | www.mozartfest.de


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Frank geht ins Kino Film inspiriert: Ein Würzburger Schriftsteller im alten Berlin von Michael Henke

+ Als Leonhard Frank und seine Räuberbande noch Verwünschungen auf ihre Heimatstadt Würzburg aussprachen und feurige Pläne hegten, wurden andernorts Vorboten eines kulturellen Einschnitts sichtbar. Ende 1895 zeigten nahezu zeitgleich die Gebrüder Skladanowsky in Berlin und die Lumières in Paris vor zahlendem Publikum etwas, das sich Film nannte. Auch wenn es noch einige Zeit gebraucht haben dürfte, bis diese neue Attraktion in Unterfranken zu bewundern war: Frank gehörte zu der Generation, die so mit dem Film aufwuchs wie heutige Generationen mit dem I-Phone. Welche Faszination der Film auf Frank ausübte, wissen wir nicht. Wie so oft bei ihm, sind wir auf „fundierte Spekulation“ angewiesen. Nun heißt der erste von Frank veröffentlichte Text „Jahrmarkt“ (stilistisch an Schnitzler erinnernd, erschienen 1912 in der „Schaubühne“), und auch wenn darin vom Film nicht die Rede ist, erinnert man sich doch daran, dass die Filmgeschichte auf dem Rummelplatz ihren Anfang nahm. Erst ab 1908 etablierten sich dem Theater nachempfundene eigene Vorführstätten. Im Übrigen wissen wir aus Franks ersten Jahren in Berlin, dass er häufiger Besucher des „Luna-Parks“ in Berlin-Halensee war, möglicherweise gar seine Wohnung danach aussuchte, dass der Weg zu diesem Vergnügungspark nicht zu weit war.

Sinfonie eines Weinstädtchens Vielleicht sollte man Franks frühe Erzählung „Gotik“, eine düsterphantastische Geschichte über jemanden, der der starken katholischen Alltagsprägung zu entkommen sucht, auch vor dem Hintergrund interpretieren, dass die Filme der Anfangszeit aus technischen Gründen eine gewisse Düsternis ausstrahlen. Jedenfalls fällt beim Lesen Leonhard Franks immer wieder auf, dass er mit wenigen Worten, oft mit einfachen Sätzen, ein Panorama entstehen lässt, wie es sonst nur der Film vermag. Es gab in literarischen Kreisen schon vor dem Ersten Weltkrieg eine Diskussion über „die Films“, wie man damals noch sagte; mancher wünschte sich regelrecht, das Kino nach eigenen Vorstellungen nutzen zu können. Für die literarische Praxis hatte das aber keine Konsequenzen. Man orientierte sich weiter an den literarischen Konventionen der Beschreibung, selbst wenn man – wie die expressionistische Generation – alles auf den Kopf stellen wollte. VielKulturGut 14 | Seite

leicht aber flossen Frank, dem Autodidakten, der solche Konventionen nie gelernt hatte, gerade deshalb filmähnliche Bilder in die Feder, vielleicht auch ohne, dass er sich dessen bewusst war. Die bewusste Auseinandersetzung mit dem Film beginnt bei Frank spätestens Mitte der 1920er Jahre. Mitten in einer produktiven Phase seines Lebens, in der „Im letzten Wagen“, „Karl und Anna“ und das „Ochsenfurter Männerquartett“ erscheinen, erstellt Frank ein Filmskript zu seinem Erstlingsroman „Die Räuberbande“. Es war das erste Mal übrigens, dass ein deutscher Schriftsteller direkt für ein Filmprojekt tätig wurde und allein deshalb schon eine Sensation. Auch sachlich kam Zuspruch von allen Seiten und die Filmgesellschaft hatte bereits einen renommierten Regisseur gefunden, da scheiterte das Ganze am Geld. Die Fox-Europa Filmproduktion musste fusionieren und das neue Unternehmen strich das Projekt. Der renommierte Regisseur war im übrigen Karl Freund, der nur wenig später mit Walter Ruttmann „Berlin – Sinfonie einer Großstadt“ realisierte – ein immer wieder sehenswerter Meilenstein der Filmgeschichte.

„Räuberbande“-Filmkritiken Ganz gestorben war die „Räuberbande“ nicht: Zur gleichen Zeit, als Frank mit der UFA wegen der filmischen Realisierung von „Karl und Anna“ in Streit geriet, arbeitete er für die kleine, zu Fox gehörende Produktionsfirma Fellner & Samio, die unter dem Namen Felsom-Film agierte. Aber man arbeitete hier nicht nach Franks Skript von 1926, Frank assistierte lediglich beim Drehbuch von Franz Schulz, der wohl auch den Einfall hatte, dass Frank selbst am Ende des Films auftrat. In der Regie von Hans Behrendt wurde gedreht, viele Sequenzen in Würzburg selbst, und mit Paul Hörbiger war auch ein namhafter Darsteller für den Lehrer Mager gefunden. Das Resultat hatte am 13. November 1928 am Kurfürstendamm Premiere, den Kritiken zufolge ist jedoch wenig von der kritischen Essenz des Romans übrig geblieben. Frida Rubiner, Weggefährtin aus Exil und Nachkriegszeit, machte Frank persönlich verantwortlich für den herausgekommenen Kitsch. Die „Neue Bücherschau“ sah den Film als die „Wiedergabe einiger frisch-fröhlicher Dummjungenstreiche“ und ließ lediglich Hörbigers bösartig-gefährliche Verkörperung des Schulmeisters und einige atmosphärische

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Sequenzen gelten. Andere sahen in dem Film ein, damals noch rares, Angebot für Kinder. Der zum deutschnationalen Scherl-Konzern gehörende „Kinematograph“ tat dem Film die Schmach an – ihn zu loben: von „wunderbaren Landschaftsbildern“ und von der „zauberreichen Stadt“ ist da die Rede; man sei gefangen von Bildern fern aller Probleme, die „die deutschen Kinotheater gern spielen werden, weil es (…) einmal aufatmen läßt und weil es in den meisten Beschauern Erinnerungen an die Jugend weckt, die weich stimmen, vielleicht sentimental machen, und die darum ausschlaggebend für den Erfolg sind.“ Ob es so gekommen ist, wissen wir nicht. Wir können nicht einmal beurteilen, ob die Kritiker Recht hatten, denn bislang gilt der Film als verschollen. Faktisch ist das Fazit des Kritikers der „Neuen Bücherschau“ korrekt: „Leonhard Franks ‚Räuberbande‘ harrt also noch ihrer Verfilmung!“ Das gilt bis heute. Als in den 1970er Jahren mehrfach Frank-Stoffe für das Fernsehen, in beiden Teilen Deutschlands, bearbeitet wurden, war die „Räuberbande“ nicht dabei. Michael Verhoeven im Westen (ZDF 1977, mit Klaus Knuth, Gerd Baltus und Christine Kaufmann) und Jurij Kramer im Osten (DFF 1979, als erster Teil von „Das Ende vom Lied“, mit Fred Delmare) widmeten sich zwar dem „Ochsenfurter Männerquartett“, ließen die „Räuberbande“ aber links liegen. Was aus dem Stoff zu machen ist (und vielleicht immer noch zu machen wäre), das hat erst vor wenigen Jahren Michael Haneke mit seinem Film „Das weiße Band“ unter Beweis gestellt.

Mit Albert Ehrenstein Kino aufs Korn nehmen

Premiere: man zeigte einen Film, bei dem niemand geringeres als der große Theaterregisseur Max Reinhardt, Karl Freund übrigens an der Kamera, Regie geführt hatte. Der Titel „Insel der Seligen“ war da wohl sekundär und auch nicht sonderlich originell; wenige Jahre zuvor waren Stücke von Max Halbe und Max Burckhard unter gleichem Titel erschienen. Jedenfalls hatte man den Streifen ab Juni 1913 südlich von La Spezia abgedreht. Herausgekommen war ein komödiantischerotisch gemeinter Stummfilm, den der Kritiker Kurt Kersten in der „Aktion“ kurzerhand in „Animierinsel“ umbenannte. Ein Erfolg war es wohl nicht, weitere filmische Bemühungen von Reinhardt sind nicht bekannt. Was das mit Frank zu tun hat? Vielleicht gar nichts. Sicher ist nur, dass der Schriftsteller Albert Ehrenstein am 31. Mai 1913 seinem Kollegen Stefan Zweig schreibt: „Sehr verehrter Herr Doktor, heute erlaubte ich mir, Ihnen jene Komödie (oder literarische Posse) zugehen zu lassen, die ich zusammen mit dem Maler und Schriftsteller Leonhard Frank schrieb. Falls Sie diese ‚Insel der Seligen‘, die wir unter dem Pseudonym Albrecht Umweg u. Rudolf Hain aufführen lassen wollen, in Wien (…) empfehlen wollten, wäre ich Ihnen dafür sehr dankbar.“ Das Werk muss Zweig gefallen haben, denn in einem weiteren Ehrenstein-Brief vom 4. Juni 1913 heißt es: „Sehr verehrter Herr Zweig, herzlichsten Dank für Ihre analytische Lobeshymne auf unser Stück, die Leonhard Frank (…) und mich sehr deprimierte. Wir hatten bei der Abfassung an Nichts weniger als an Literatur gedacht (...).“ Danach gibt es keine Spur mehr von dem Stück, es gilt als verschollen. Oder hat jemand daraus einen Film gemacht?

Vielleicht aber hat Frank schon viel früher ungewollt für den Film gearbeitet: Am 3. Oktober 1913 wird am Berliner Kurfürstendamm ein Kino eröffnet, das gleiche, das später die „Räuberbanden“-Premiere erlebt. Es muss ein gesellschaftliches Ereignis gewesen sein, denn die Zeitungsberichte schreiben von langen Autoschlangen vor der Eröffnung. Kein Wunder, denn es ging um den „U.T. Palast am Kurfürstendamm“ mit der Hausnummer 26, nur wenige Schritte vom „Café des Westens“ entfernt. Kein Wunder auch angesichts der gebotenen KulturGut 14 | Seite

INFO: Die erwähnten Erzählungen sind 2007 in dem Sammelband „Fremde Mädchen“ erschienen. Zu den Filmen „Heimkehr“ (1928) und „Niemandsland“ (1931) sind Beiträge des Verfassers in Heft 20 der Schriftenreihe der Leonhard-Frank-Gesellschaft erschienen. Beide Publikationen können im Antiquariat Osthoff, Martinstraße 19, erworben werden.

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Stadt |

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Kulturhauptstadt Europas ganzjährig, Umeå

Schwedens nördlichste Groß- und Würzburgs Partnerstadt demonstriert als Kulturhauptstadt Europas 2014 die Vielfalt und die Zusammengehörigkeit europäischer Künste. Zwei Weltkarrieren begannen hier. Aus der Region stammt der Autor Per Olov Enquist. Europaweite Lebensstationen wie München und Paris geben seinem Werk eine Weite, in der Enquist dennoch das Melancholische des Nordens beibehält. Und in Umeå startete die Rockband Refused erstmals durch. Sie setzte Maßstäbe für das Verschmelzen musikalischer Gattungen sowie für eine vehemente Vermittlung ernsthafter Aussagen. Das Opernhaus uraufführt ein Musiktheater nach Enquists letztem Roman „Blanche und Marie“ und ein philharmonisches Arrangement von Refused-Songs. Erdteilumspannend interpretiert die Norrlands Operan gemeinsam mit der katalanischen ArchaikerTruppe La Fura dels Baus Richard Strauss’ Musiktheaterwerk „Elektra“. Diese Kooperation verbindet die Städte Mykene (Schauplatz), München (Strauss’ Heimatstadt), Barcelona (Sitz der Theatertruppe) und Umeå. Und sicher kommt Würzburg hinzu, im Publikum. Das Würzburger Büro International richtet eine Bürgerreise in den Pfingstferien aus, zur Eröffnung des Kulturjahr-Frühsommers (der samische Kalender kennt acht Jahreszeiten, Umeå 2014 macht daraus acht Eröffnungen!). Zur Fahrt sind besonders Familien eingeladen. Die können sich mit Kindern vor oder nach den Kulturereignissen herrlich in Ferienhäusern am Stadt-See Nydalasjön verlustieren. Das städtische Partnerschaftsbüro erleichtert bildenden Künstlern die Teilnahme an Ausstellungen in Umeå, während das Jugendkulturhaus Cairo fürs Implantieren junger Würzburger Kultur im Programm der Schweden zuständig ist, etwa für die Teilnahme an einem Street Art Festival.

Termine |

Informationen über Bürgerreise, Kontakte für Ausstellungsbeteiligungen: Büro International, EvaMaria Barklind-Schwander, Telefon 0931 372 807 international.affairs@wuerzburg.de. Jugendkultur-Austausch: Cairo, Steffen Deeg, Telefon 0931 416933, | www.cairo.wue.de. | www.umea2014.se

Veranstalter ist die Würzburg AG, die die Teilnehmer gemäß ihrem Slogan „Würzburg. Eine Geschichte mit Zukunft“ an die Öffentlichkeit führt. | www.wuewita.de

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Die Aktionswoche zu Leonhard Franks Roman „Die Jünger Jesu“ beflügelt das Leben der Stadt programmgemäß. Ein Festakt mit dem Landtagsabgeordneten Georg Rosenthal findet am 8. April um 19 Uhr vor der Stadtbücherei statt, zwei Tage und eine Stunde später gefolgt vom Main-Post Stadtgespräch, das Lokalchef Andreas Jungbauer im Schröder-Haus bestreitet; das Buch, das Würzburg liest, hat genug Anknüpfungspunkte für heute noch sehr strittige Themen. Überhaupt geht es bei „Stadt liest Buch“ ums Fördern von Urbanität mit den Mitteln der Kunst. | www.wuerzburg-liest.de

1000 Jahre St. Stephan 6., 11. und 13. Februar, je 20 Uhr, Schröder-Haus

Mit drei Vorträgen beteiligt sich die evangelische Erwachsenenbildungsstätte am Jubiläum ihrer Dekanatskirche. Den Anfang macht Willi Dürrnagel mit seinem Vortrag „Die Rückkehr des Protestantismus“ vor gut 210 Jahren; denn nach der Gegenreformation unter Julius Echter existierten evangelische Gemeinden nur noch vereinzelt im Umland. Die Säkularisierung beendete das fürstbischöfliche Regiment. Wie es zu „1000 Jahre St. Stephan“ kam, erläutert Prof. Rainer Leng am 11. anhand von Urkunden zu dem mittelalterlichen Benediktinerkloster, gefolgt vom Kunstgeschichtler Prof. Stefan Kummer, der eine Kunstgeschichte der Stadt Würzburg verfasste und nun Werke in und um St. Stephan betrachtet. | www.schroeder-haus.de ++++++++++++++++++++++++

Würzburger Wirtschaftstage

17. bis 22. Februar, verschiedene Orte Sieben Jahre Wirtschaftstage – zum achten Mal laden Fabriken und Montageräume, Büros, Schulen und Labore Würzburger ein, damit sie sich ein Bild von dem machen können, was vielfach etwas abstrakt als Wirtschaftsstandort apostrophiert wird. KulturGut 14 | Seite

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Würzburg liest ein Buch

4. bis 13. April, verschiedene Orte

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So wohnte der Großherzog 16. Mai, 15 Uhr, Frankoniabrunnen der Residenz

Vor 200 Jahren musste Großherzog Ferdinand III. von Toskana aus dem Würzburger Schloss ausziehen. Die Bayern übernahmen, die Toskanazeit war vorbei. In diesen acht Jahren entstanden Empiremöbel vom Feinsten, und die wurden zum Jubiläum restauriert. Dazu richtet die Schlösserverwaltung eine Ausstellung mit Großfotos der Originalräume ein, die eine lebendige Vorstellung von der Wohnsituation unter Großherzog Ferdinand und später unter dem bayerischen Kronprinzen Ludwig (I.) geben. Durch die Ausstellung führt Museumsdirektor Werner Helmberger. | www.frankenbund-wuerzburg.de


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„Es fehlte ihm wirklich der Boden“ Leonhard Frank und Würzburg. Perspektiven auf eine schwierige Rezeptionsgeschichte von Ulrike Schäfer

+ Es ist ein bisschen wie „Stille Post“: Was ich selbst nicht erlebt habe, höre ich von anderen, die es ebenfalls nicht erlebt haben, und im Oktober 2013 stehe ich im Kunsthaus Michel und umreiße bei der Buchvorstellung von „Die Jünger Jesu“ in dürren, aber eindeutigen Worten die Würzburger Rezeptionsgeschichte des Romans. Woraufhin mich Frau Poschet, ehemalige Stadtbüchereileiterin, im anschließenden lockeren Teil der Veranstaltung ebenso nachsichtig wie energisch darauf hinweist, dass das aus ihrer Sicht, nun ja, recht holzschnittartig sei, was ich da gerade erzählt habe, um nicht zu sagen: falsch. Der Holzschnitt sieht so aus: Weil „die Würzburger“ (wer immer das sein mag) Franks Roman vor allem als Kritik an Würzburg lasen – insbesondere die Schilderung der Ermordung eines jüdischen Ehepaars auf dem Marktplatz der Stadt, aber auch der wiedererstarkenden nazistischen Strömungen nach dem Krieg –, verurteilten sie erstens Autor und Buch und überließen diese zweitens in den nachfolgenden Jahrzehnten der Vergessenheit.

Camus war wichtiger als Frank… Hildegard Poschet war siebzehn, als der Zweite Weltkrieg endete, und mit dieser Version ist sie spür- und hörbar nicht ganz einverstanden. Zunächst einmal glaubt sie nicht, dass so viele Würzburger den Roman damals, nach seinem Erscheinen 1949, überhaupt gelesen haben. Es war gar nicht leicht, an Bücher zu kommen, da Verlagswesen KulturGut 14 | Seite

und Buchhandel erst noch im Wiederaufbau begriffen waren. Außerdem hatten gerade die literarisch Interessierten einen großen Hunger nach ausländischen Werken, zu denen ihnen vorher jeglicher Zugang versperrt war – Steinbeck, Hemingway, Camus und Sartre etwa fallen ihr ein, wenn sie an die Lektüre denkt, die sie damals beeindruckte. Und dann drängten schon die jungen deutschen Autorinnen und Autoren nach – die Gruppe 47 verkörperte ja überwiegend die nächste Generation. Viele der Exilautoren hatten es da schwer. Franks Bücher wurden gelesen, konnten sich allerdings, vergleicht man die Ausleihzahlen der Stadtbücherei, „nicht mit zeitgenössischen Neuerscheinungen in der Lesergunst messen“.

Ein echter Badseller „Es fehlte ihm wirklich der Boden“, sagt sie über die Auswirkungen des Exils (fern von dem Ort, über den er schrieb) und zugleich der langen Jahre literarischer Nicht-Existenz in Deutschland. Es stimme schon: Viele derjenigen, die das Buch damals lasen, nahmen tatsächlich übel und missverstanden die Absicht des Autors. „So war es doch nicht“, ist ein Satz, der ihr aus Gesprächen durchaus in Erinnerung ist. Nur: So großformatig, wie sich das heute anhört, spielte sich das Ganze wohl nicht ab, und es trugen noch weitere Faktoren dazu bei, dass das Buch in Westdeutschland – nicht nur in Würzburg – wenig Beachtung fand.

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Jungen helfen beim Wiederaufbau in der aktuellen Ausstellung „Kindheit in der Nachkriegszeit. Fotografien amerikanischer Beobachter 1945 - 1955“ im Deutschordensmuseum Bad Mergentheim. Aus der Sammlung Dr. John Provan / Michael Wahle, siehe Seite 44.

„Die Räuberbande“ gelang ihm besser Sie selbst habe es schon damals als fiktiven Text gelesen, einen Roman eben, der nicht Tatsachen abbildet, sondern Wahrhaftigkeit auf einer anderen, verdichteten Ebene herzustellen versucht. Beeindruckt hat sie die Liebesgeschichte zwischen Johanna und dem amerikanischen Soldaten Steve, eine Art von Beziehung, die in der Realität verpönt und mit Vorurteilen behaftet war. Literarisch schätzte sie das Buch nicht so hoch ein wie „Die Räuberbande“, und auch das wird, wenn man ehrlich ist, bei der Rezeption eine Rolle gespielt haben. Die geradezu prophetische Kraft dieses Werks, etwa in der Schilderung wiedererstarkender rechter Strömungen, macht einen großen Teil seiner Wirkung aus, da sind wir uns einig. Das ist aber eben erst aus heutiger Sicht erkennbar. KulturGut 14 | Seite

Und noch etwas hat Frank vom fernen Amerika aus gut getroffen: „Nach dem Krieg hat man seine Freunde kennengelernt“, sagt Hildegard Poschet. Die einen hätten das Letzte geklaut, was in den Kellern zu finden war, die anderen das Wenige mit einem geteilt, was sie hatten. Insofern ist es durchaus schmeichelhaft für die Stadt, dass Frank seine „Jünger Jesu“, die in Robin-Hood-Manier den Reichen nehmen und den Armen geben, gerade in Würzburg ihr segensreiches Unwesen treiben lässt.

INFO: Hildegard Poschet: Leonhard Frank und die Stadtbücherei. In: Schriftenreihe der Leonhard-FrankGesellschaft, Heft 10, 2002.

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Streiflichter auf elitäre Inselchen Geistiges Klima im Würzburg der frühen Nachkriegszeit Text und Foto: Joachim Fildhaut

+ Wenn engagierte Literatur in den Nachkriegsjahren eine Würzburger Mehrheit provozieren konnte, wer bildete dann die Minderheiten? In einer anfangs zu 90 Prozent unbewohnbaren Stadt hielten Hunger und Kälte nicht davon ab, auch noch geistige Bedürfnisse zu haben. Deren hochkonzentrierte Befriedigung winkte naturgemäß im Philosophiestudium. 1947 promovierte der 30-jährige Hans Wagner an der Juliana – unter dem Titel „Apriorität und Idealität“ über wichtige Prinzipien des Denkens in der gesamten Philosophiegeschichte seit Urvater Plato. Der hochintelligente Wagner selbst stand den erkenntniskritischen Einsichten Immanuel Kants nahe. Kaum zwei Jahre Doktor, beendete er bereits seine religionsphilosophische Habilitationsschrift. Seine Studenten müssen das Denkenlernen bei ihm als höchst anregend empfunden haben. „Weggedrängt“ worden sei Wagner aus der Julius-Maximilians-Universität. Aber erst 1961! Acht Jahre lang war er Professor an der hiesigen Uni. 1940 erhielt ein früherer Konservator des Martin-von-Wagner-Museums den Lehrstuhl für Kunstgeschichte: Emil Kieser. Dessen Seminare – immer Einzelwerkbetrachtungen – wurden im amerikanisch besetzten Würzburg zum Hort des Progressiven. Hier sahen manche StuKulturGut 14 | Seite

denten ihren ersten Matisse oder Picasso. Allerdings soll seine Zuhörerschaft in der Praxis nicht immer zweistellig gewesen sein. Immerhin regte Kieser den jungen Künstler Dieter Stein dazu an, abstrakt zu malen. Überregional sorgte Kieser für Furore, als er Hans Sedlmayrs konservative Kulturkritik „Der Verlust der Mitte“ in der FAZ geißelte.

…und Faulkner ebenfalls Die dunkle Hintergrundfolie: Für Heiner Dikreiter, den Leiter der Städtischen Galerie, war Picasso selbstverständlich ein „Scharlatan“. Oder: Nach einem – übrigens gut besuchten – Vortrag über moderne Kunst im Amerikahaus gestand der Leiter der Werkkunstschule, „am liebsten“ hätte er dem Referenten ordentlich Contra gegeben. Anscheinend habe der Herr Direktor sich zurückgehalten, „um sich nicht als Nazi zu outen“, so der damalige Referent heute. Amerikahaus: Sehr beliebt war die Baracke im Glacis (auf dem leicht erhöhten Terrain oberhalb der Stadtmensa), weil sie geheizt wurde. Außerdem ließ sich hier die amerikanische Gegenwartsliteratur lesen. So scheinen William Faulkners Abrechnungen mit der Gesellschaft

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02.04.2014 WÜRZBURG - POSTHALLE der Südstaaten (Nobelpreis 1950) beliebter gewesen zu sein als Leonhard Franks Verarbeitung mainfränkischer Motive.

Im Schlagerklang der Mitte „Wir waren wirklich nur ein ganz kleiner elitärer Zirkel“, gesteht Fritz Därr, der im Amerikahaus dem Jazzklub angehörte. Hier hielt man sich mit möglichst neuen Schallplatten auf dem Laufenden, schließlich erlebte diese Musik gerade die Revolution des Bebop. Die modernen Ami-Kultur-Fans waren also ein überschaubarer, aber keineswegs ein eingeschworener Haufen. Milde belächelt wurde bspw. der blutjunge Ado Schlier, als er mit einigen eigenen Schallplatten im Jazzclub erschien. Die waren einer Mehrheit dieser verschwindenden Minderheit zu schlagerhaft. Dabei hätten die Besatzer aus Amiland die fortschrittlichen Kräfte gern institutionell verankert. US-Kulturoffiziere suchten progressiv denkende Zeitgenossen, damit sie ebenso handelten – und zwar in politischen Parteien. Diese Re-Education-Kampagne scheiterte am Unwillen der Würzburger Intelligenzija.

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Wenn Städte lesen Wissenschaftliche Begleitung von Leseförderung zeigt: So werden Aktionen wie „Würzburg liest…“ nachhaltig von Dr. Jana Mikota

Mädchenschatz – Jungen-Eldorado: Wieviel Identifikation brauchen Nachwuchsleser? Jugendschriftsteller jonglieren immer öfter mit Geschlechterrollen.

+ Lesen und Leseförderung gehören zu den wichtigsten Schlagwörtern der Bildungsdebatte der letzten Jahre. In Kooperation mit dem Jugendamt Siegen entstand aus zahlreichen Seminaren an der Universität Siegen die Idee, die Aktion „Eine Stadt liest ein Buch“ an Schulen und in der Stadt durchzuführen. Als Lektüre ausgewählt werKulturGut 14 | Seite

den vielfach prämierte Kinderromane, womit das Projekt neue Wege beschreitet. Kinder als Leserinnen und Leser stehen im Mittelpunkt der Aktion. Kinderliteratur, und darüber sind sich Literaturdidaktik, Kinder- und Jugendliteraturforschung und Literaturpädagogik einig, ist die Literatur, die Kindern den Einstieg in die literarische Welt er-

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möglicht. Bereits im Vorschulalter lernen Kinder unterschiedliche literarische Formen kennen: Bilderbücher, Märchen oder Reime. Doch, auch das ist aus Untersuchungen hinlänglich bekannt, haben nicht alle Kinder im Vorschulalter Kontakte zu literarischen Texten, kommen oftmals in die erste Klasse ohne Bucherfahrungen. Genau hier setzt die Idee ein, das Konzept „Eine Stadt liest“ für ein kindliches Publikum umzusetzen. Angesprochen werden Kinder, die die Klassenstufen 3 bis 6 besuchen. Schulen werden angeschrieben und können sich anschließend bewerben, um an der Aktion teilzunehmen. Ausgewählt werden schließlich zehn Klassen aus Schulen, die z. T. in so genannten sozialen Brennpunkten stehen. Die Kinder dürfen ihr „Stadtbuch“ behalten. Auch das ist wichtig, denn viele der Kinder wachsen in Familien auf, in denen Bücher nicht vorhanden sind. Es geht aber nicht darum, Kinder bloß mit einem Lese-Event zu unterhalten. Vielmehr steht die nachhaltige Leseförderung im Mittelpunkt, die nach dem Event einsetzt und zwar insbesondere in außerschulischen Einrichtungen. Seit 2011 finden im Rahmen der Aktion an der Universität Werkstattgespräche mit den Autorinnen und Autoren statt. 2009 fand die erste Veranstaltung statt, an der bereits 300 Kinder teilnahmen. Der erste Stadtroman war „Rico, Oskar und die Tieferschatten“ von Andreas Steinhöfel. Die Argumente, diesen Roman zu lesen, lassen sich schnell zusammenfassen und dienen als Folie für die Auswahl der weiteren Kinderromane: Im Mittelpunkt soll ein Roman stehen, der den Kindern den Genuss und die Lesefreude bringt und zugleich zeigt, dass auch Kinderliteratur literar-ästhetische Kriterien erfüllen kann. Kinder lernen so, dass Lesegenuss und literarische Qualität keinen Widerspruch bilden müssen. Es ist vor allem Aufgabe der Schulen, Kinder die literarischen Aspekte zu lehren und ihnen auch jene Romane zu empfehlen, in denen nicht gezaubert wird. „Rico, Oskar und die Tieferschatten“ folgt dem Konzept des Kinderkriminalromans, doch verbindet Steinhöfel sensibel die realistische Alltagswelt der Kinder mit der Abenteuergeschichte um den Entführer mehrerer Kinder. Weitere Romane waren „Der Tag, an dem ich cool wurde“ von Juma Kliebenstein (2010), „Der durch den Spiegel kommt“ von Kirsten Boie (2011), „Die fabelhafte Miss Braitwhistle“ von Sabine Ludwig (2012) und „Matti und Sami und die drei größten Fehler des Universums“ von Salah Naoura (2013).

Wie werde ich Gewohnheitsleser? Die gesamte Aktion „Eine Stadt liest ein Buch“ dauert vierzehn Tage, in denen die Schulklassen verschiedene Lesetermine wahrnehmen. Wir versuchen zur Auftaktveranstaltung die Autorin bzw. den Autor selbst einzuladen. Die Lesungen zeigen, dass Kinder den Text anders wahrnehmen, wenn sie die Autorin bzw. den Autor kennengelernt haben. Wichtig ist uns zudem, dass Schülerinnen und Schüler angesprochen werden. Die Lesesozialisationsforschung fragt auch, wie Mädchen und Jungen zu habituellen Leserinnen bzw. Lesern werden, und hat unterschiedliche Gründe herausgearbeitet. Eine wichtige


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Rolle spielt dabei das Geschlecht der Hauptfigur sowie die Darstellung der Jungen und Mädchen in den Romanen. Innerhalb der letzten Jahre kam es zu einem Wandel hinsichtlich der Darstellungen von männlichen Figuren in der Kinderliteratur. Wir versuchen in unserer Auswahl der Texte genau diesen Wandel zu berücksichtigen. Fast alKulturGut 14 | Seite

le Hauptfiguren unserer ausgewählten Romane waren männlich, brechen jedoch mit tradierten Rollenmustern. Bereits mehrere Wochen vor Start der Aktion organisieren wir ein Treffen mit den Lehrerinnen und Lehrern, um sie über das ausgewählte Buch zu informieren und ihnen die Aktion zu erläutern. Wir stellen

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eine Mappe mit Informationen zur Autorin bzw. zum Autor sowie zum Buch. Wir versuchen auch zu begründen, warum eins der Bücher ausgewählt wurde, und zeigen die Besonderheiten der Texte. Anschließend lesen die Schüler den Roman gemeinsam in der Klasse.

Verbindung von Leseaktionen und Unterricht Während der Leseaktion erhalten die Schulklassen die Möglichkeit, an einer Lesung aus dem Roman teilzunehmen. Die Leseorte sollen nicht in der Schule sein, sondern Kinder sollen Orten begegnen, die ihnen bislang unbekannt waren. Als Vorleserinnen und Vorleser konnten wir u. a. den Bürgermeister der Stadt Siegen, den Leiter des Studentenwerkes oder den Vorstandsvorsitzenden der Sparkasse gewinnen. Sie bekommen in Absprache mit den Lehrkörpern Kapitel zugewiesen, was die Arbeit innerhalb der Klasse mit dem Roman erleichtern soll. Die Verbindung zwischen der Aktion „Eine Stadt liest… einen Kinderroman“ und der Schullektüre hat sich als sehr fruchtbar herausgestellt. Die Forschungsstelle „Schrift-Kultur - Forschungsstelle sprachliche und literarische Sozialisation im Kindesalter im Kontext von Mehrsprachigkeit“ an der Universität Siegen knüpft an die Aktion an. Obwohl sie und die Forschungsgebiete Lesesozialisation und Literarische Sozialisation inzwischen gut etabliert sind, wird eine Verbindung zwischen beiden Teilgebieten erst in jüngster Zeit verstärkt zum Gegenstand der Forschung.

Fazit Nach fünf Jahren und zahlreichen Gesprächen mit Lehrerinnen, Lehrern und Jugendamtmitarbeiterinnen und -mitarbeitern deutet sich an, dass die Aktion „Eine Stadt liest ein Buch“ Früchte trägt. Kinder sammeln auch an außergewöhnlichen Leseorten – etwa Museum, Mensa der Universität, Cafés – Lektüreerfahrungen. Sie begegnen unterschiedlichen Vorlesern und Vorleserinnen, sprechen mit Freunden über ihre Erfahrungen und verlieren die Scheu vor Büchern. Lesen wird mit spannenden und damit auch positiven Erlebnissen geknüpft.

INFO: Die Autorin forscht an der Universität Siegen mit einem besonderen Schwerpunkt auf Kinderliteratur der ExilantInnen des Zweiten Weltkriegs und gegenwärtiger Kinderliteratur. Sie gehört zur knappen halben Handvoll WissenschaftlerInnen, die die Leseförderung durch Breitenaktionen wie „Eine Stadt liest ein Buch“ systematisch praktisch und wissenschaftlich begleiten. Zuletzt erschienen unter ihrer Mitherausgeberschaft: Mikota, Jana/ Oehme, Viola (Hg.): Siegener Werkstattgespräche mit Kinderbuchautorinnen und autoren. Bd. I:Literarisches Lernen mit Kinderliteratur, Bd. II:Kirsten Boie. Lesekompetenz ist eine gesellschaftliche Aufgabe, beide Siegen, universi 2013.


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Wissenschaft |

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Drosophila und die Natur des Geistes

6. Februar, 20 Uhr, Residenz, Toskanasaal Auftritt Martin Heisenberg. Fast 40 Jahre lehrt und forscht der Begründer der deutschen Neurogenetik in Würzburg, wo er als einer der Ersten Gehirnentwicklungsmutanten der Taufliege Drosophila verwendete, um den Zusammenhang von Gehirnstrukturen und Verhalten zu erforschen. An diesem Abend geht es um die Frage (Kompletttitel:) „Was erzählt uns die Verhaltensforschung an der Fliege Drosophila über die Natur des Geistes?“ Schließlich ging des dem Gruppenleiter am Virchow-Institut immer auch um Prinzipien der Wahrnehmung und die Willensfreiheit. | www.philosophie.uni-wuerzburg.de

Termine |

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Redoute, Ball und Schlittenkarussell

28. Februar, 19 Uhr, Mainfränkisches Museum Wie die barocken Würzburger sich im Fasching vergnügten, berichtet die Kunsthistorikerin Verena Friedrich in ihrem Vortrag. Museumsmitarbeiterin Frauke van der Wall führt anschließend durch die Sonderausstellung „Winterfreuden“ mit historischen Schlitten. Und vor dem Wiederabstieg in die Stadt, in den närrischen Gegenwartstrubel, kommt auch der Jubiläumswein des Museums, ein Thüngersheimer Silvaner, noch zur Verkostung. Kartenvorbestellung unter 0931 205940. | www.frankenbund-wuerzburg.de

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Karlsbilder

6. bis 8. Februar, Residenz Am 28. Januar war der 1200. Todestag Karls des Großen. Nun beginnt ein dreitägiges Colloquium über die Frage, wie der schon von Zeitgenossen als „Vater Europas“ titulierte Kaiser 1200 Jahre lang zur Projektionsfläche für diverse nationale Belange werden konnte. Die Teilnehmer gehen vier Arten von Quellen nach: historischen, literarischen und musikgeschichtlichen sowie Bildzeugnissen des Mittelalters und der Neuzeit. Themen variieren zwischen „Argumentieren mit Karl dem Großen in der Frühen Neuzeit“, „Karl der Große zwischen Mythos und Antimythos in der Literatur um 1800“ und „Ein neues Filmporträt Karls des Großen“. Ein öffentlicher Vortrag für alle beginnt im Audimax der Neuen Uni am 6. Februar um 19.30 Uhr. Johannes Fried aus Frankfurt spricht über Kaiser Karls „Aktualität“. | www.mfn.uni-wuerzburg.de

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Das künstliche Kniegelenk

12. März, 17 Uhr, König-Ludwig-Haus Der Hörsaal liegt im Erdgeschoss (Brettreichstr. 11) der Spezialklinik im Rahmen der Reihe „Orthopädie im Dialog“. Der Ärztliche Direktor Prof. Maximilian Rudert nimmt sich persönlich des Themas an. Rudert stellt Chancen und Risiken der Eingriffe auf dem neuesten Stand medizinischen Handelns vor. Eine Gesprächsrunde schließt sich an den Vortrag an. Telefonische Anmeldung für den nicht sehr großen Hörsaal wird erbeten ab 5. März unter Telefon 0931 8033131. | www.koenig-ludwig-haus.de ++++++++++++++++++++++++

Cultural Landscapes bis 15. März, Universität

Geschichts-Bachelors aufgepasst: Die Würzburger Uni richtet ab Wintersemester 2014/15 einen hochinteressanten neuen Master-Studiengang für Regionalgeschichte im transatlantischen Vergleich ein: Wie entstanden die Kulturlandschaften Franken und – Ohio?! Wenn die Forscher weitere Maßstäbe benötigen, beziehen sie sie aus der Toskana. Die Bewerber sollten mit Schwerpunkt Regionalgeschichte studiert haben, des Amerikanischen mächtig und bereit sein, ein Semester an der Kent State University (Foto: Procter&Gamble-Zentrale in Cincinatti) bzw. mehrere Wochen in Florenz zu arbeiten. Mehrere Praktika sind vorgesehen, die die Absolventen zu einem breiteren Berufsspektrum, auch außerhalb von Schule und Universität, befähigen soll. Die enge Zusammenarbeit der Gruppe soll den Aufbau von sozialen und beruflichen Netzwerken begünstigen. | www.phil1.uni-wuerzburg.de ++++++++++++++++++++++++

Wege aus Burnout und Depression

28. Mai, 19 Uhr, Neubaustraße 12 „Wenn die Seele streikt“ heißt ein Informationsabend für Betroffene, Angehörige, Selbsthilfegruppen und Berufsgruppen, die zur multiprofessionellen Behandlung von psychischen Krankheiten beitragen. Vorbeugung und Behandlung häufiger psychischer Beschwerden sind Thema für die geschäftsführende Oberärztin Prof. Katharina Domschke, die die klinische Psychologie an der Füchsleinstraße leitet. Die Veranstaltung ist kostenfrei. Eine Anmeldung ist nicht erforderlich. | www.nervenklinik.ukw.de ++++++++++++++++++++++++

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Mitten unter uns

Bosnien – die Wunde Europas

Seit dem 21. Januar informiert eine Wanderausstellung in Würzburg über das Landjudentum in Unterfranken. Die Tafeln erarbeitete das JohannaStahl-Zentrum mit Heimatforschern zwischen Bad Neustadt, Wertheim und Kitzingen. Das jüdische Zentrum in Mainfranken waren indes Stadt und Kreis Würzburg – im Oktober gastierte die Ausstellung denn auch bereits im hiesigen Landratsamt. Vier Tafeln zeichnen die Geschichte der unterfränkischen Landjuden chronologisch nach, neun weitere widmen sich jeweils einem Landkreis und einem Schwerpunktthema. Ausgewählte Biografien und eine Hörstation runden die Präsentation ab. Dazu wird ein kostenloses Begleitheft verteilt. | www.landjudentum-unterfranken.de

Der Bosnienkrieg von 1992 bis 1995 zerrüttet den Alltag in der einstigen jugoslawischen Provinz bis heute. Die UNO befragte muslimische Bosniaken, Serben oder Kroaten in dem ethnischen Flickenteppich und bekam Bescheid: Drei Viertel von ihnen wollen nur unter ihresgleichen leben. Welche Perspektiven hat das Land, das seit 1992 unabhängig ist? Andreas Zumach, Journalist, Buchautor und UNO-Korrespondent in Genf, versucht auch Schlüsse aus seinen Beobachtungen von 1991 bis zum Kosovokrieg 1999 zu ziehen. | www.schroeder-haus.de

bis 6. Februar, Rathaus

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Learning Through the Arts 19. bis 21. Februar, Universität

Eine bunte Riege von Fachwissenschaftlern und KünstlerInnen richtet ihren ersten Kongress aus. „Durch Kunst und Freude zum Lernerfolg“ lautet der Untertitel. Am Mittwoch um 15 Uhr geht’s los in der Neubaukirche. Programmatisches spricht dort außer der heimischen Prominenz etwa Angela Elster, Konservatoriums-Vizepräsidentin aus Toronto, oder Prof. Angelika Plank von der Linzer Kunstuniversität. Dass Kunst Schule mache und wie man Motivation lernen könne, damit befassen sich an den zwei Folgetagen Workshops im Hubland-Hörsaal Z6 und auf dem Campus Nord. Würzburger Praxis-Vertreter sind u.a. der Kommunikations- (und Knigge-) Trainer Frank Wissmann und die Tänzerin Lisa Kuttner. | www.ltta.de

24. Februar, 20 Uhr, Schröder-Haus

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Transkulturelle Kompetenz für Erzieherinnen 8. März, 9 Uhr, Kolping-Akademie

Die Lehren aus der interkulturellen Betrachtungweise werden nun auch mit Gewinn auf Beziehungen in scheinbar homogenen Umfeldern angewendet. In diesem ganztägigen Seminar stellt Götz-Daniel Kolle nicht die Herkunftskultur in den Vordergrund, sondern die Frage, welche Einflüsse kindliche Wahrnehmungen, Werte und Verhalten prägen – also neben der sozialen Schicht auch Geschlecht, Religion, Körperbau, Familie u. a. Denn: „Diese Faktoren und ihren Einfluss auf die Kinder und die Gruppe zu kennen, ist in einer Zeit zunehmender Vielfalt in der Kita unerlässlich“, sagt Kolle. | www.kolping-akademie-wuerzburg.de

Das wird man ja wohl noch sagen dürfen 14. bis 16. März, Akademie Frankenwarte

Amnesty International und das SPD-nahe Bildungswerk mit dem Aussichtsturm auf dem Nikolausberg stellen sich dem Rassismus und der Islamfeindlichkeit im Alltag aus menschenrechtlicher Perspektive. In dem dreitägigen Seminar geht es darum, rassistische Vorurteile überhaupt zu erkennen und ihre Überwindung zu lernen. Die Beispiele wurden vor dem Hintergrund ausgewählt, dass „das Völkerrecht ein wichtiger Verbündeter im Kampf gegen Rassismus“ sei. Anmeldung Telefon 0931 80464333. | www.frankenwarte.de ++++++++++++++++++++++++

Frühling International

18. Mai, 11 Uhr, Landesgarten Das 16. Fest der deutsch-internationalen Gesellschaften bevölkert die Partnerstadt-Gärten, das Rosengelände und den Spielplatz mit Darbietungen wie Square-Dance, skandinavischen und mediterranen Snacks und viel Kinderprogramm. Ausgerechnet im letzten Jahr, Würzburgs Europajahr, musste das lockere Begängnis wegen schlechtem Wetter verschoben werden. Tatsächlich sollte man ein paar Stunden im leicht abschüssigen Gelände bleiben, um genug Anregungen zu tanken und gesättigt vom erdteilweiten Festgeschehen nach Hause zu gehen. Das heißt: Regennass oder kühl sollte das Wetter beim Frühling international nicht sein. | www.wuerzburg.de

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Dichtkunst für soziale Thesenpapiere Die Bahnhofsmission liest das Buch ebenfalls von Susanne Hoffmann

+ „Lesen ist ein lohnenswertes Geschäft. Es ermöglicht unserer Klientel den Zugang zum kulturellen und gesellschaftlichen Leben.“ Die Klientel ist arm, hat wenig festen Halt in der Welt. Sie kommt regelmäßig in die Bahnhofsmission. Deren Förderverein gründete Helmut Fries, auch Erster Vorsitzender des seit neun Jahren bestehenden e.V. Und weil der das Lesen lohnenswert findet, setzte sich sein Verein mit den Initiatoren der Aktion „Würzburg liest ein Buch“ in den Buchhandlungen zusammen. Rund 70 Mitglieder unterstützen die Arbeit der Bahnhofsmission, getragen von der Christophorus-Gesellschaft, einer Kooperation von Caritas und Diakonie. Die Förderer werben oder helfen beim Beschaffen von Geld, etwa durch Benefizveranstaltungen wie beispielsweise Konzerte. Wer zur Bahnhofsmission kommt, lebt oft in schwierigen Verhältnissen am Rande der Gesellschaft als HartzIV-Empfänger mit geringem Einkommen. Über siebzig Prozent der Gäste am Würzburger Hauptbahnhof sind Dauerbesucher, die froh sind, für einige Stunden ihrem tristen Alltag in oft beengten Wohnverhältnissen zu entfliehen. „Darunter finden sich auch interessierte und gebildete Leute, mit denen ich schon anregende Gespräche philosophischer oder religiöser Art geführt habe“, meint Fries. Zudem stelle die Stadtbücherei regelmäßig Bücher zur Verfügung. Mit der Beteiligung an der Veranstaltungsreihe zu Leonhard Franks Roman „Die Jünger Jesu“ wird Neuland betreten. „Von den vier verschiedenen Handlungsträgern des Romans wird die Bande der Jugendlichen, die sich selber die Namen der Jünger Jesu geben, bei uns im Mittelpunkt stehen“, sagt Fries. Um die Besucher an das Thema heranzuführen, strebt er zunächst „eine Plattform im geschützten Raum an“: Zitate aus den Dialogen der Jugendbande möchte er als große Poster an die Wände des Aufenthaltsraums anbringen lassen. Daneben sollen Bilder von der kriegszerstörten Stadt den jüngeren Besuchern die Zeit von damals näher bringen. KulturGut 14 | Seite

Leonhard Franks Jugendbande bildet eine heile Welt, die mit dem realen Leben so gut wie nichts gemein hat: Der Zusammenhalt in der Gruppe verläuft ohne Spannungen; obwohl es einen Anführer gibt, scheinen alle gleichberechtigt und handeln in altruistischer RobinHood-Manier, indem sie von den Besitzenden nehmen, um den Notleidenden das Notwendigste zu geben, wobei auch die eigenen Bedürfnisse hinten angestellt werden. Gerade dieser Idealzustand bildet für Fries eine gute Diskussionsgrundlage, um Konflikte und den Umgang im alltäglichen Miteinander anzusprechen. Dabei stelle sich die Frage nach der sozialen Umverteilung und ob es heute gerechter zugehe als damals. Heute mangele es eher bei der Teilnahme am gesellschaftlichen Leben als bei materiellen Gütern.

Thema Rechtsradikale bei Bedarf Ein weiteres Thema des Romans ist das Wiedererstarken der Nazis: „Mit Rechtsradikalen und deren Umfeld haben wir bei der Bahnhofsmission bisher nichts zu tun. Sollte aber Bedarf bestehen, werden wir diesen Aspekt des Buchs aufgreifen.“ Vor allem wünscht sich Fries, dass die Besucher der Bahnhofsmission selber anregende Ideen entwickeln, um die Aktion voranzutreiben. Vielleicht gibt es am Ende irgendeine Art von Veröffentlichung. Und wie lautet das persönliche Urteil von Fries über den Roman? „Ich habe das Buch vor Jahrzehnten gelesen“, so die Antwort, „doch jetzt finde ich es noch spannender, zum Beispiel wie Frank die Beziehungen der beiden Paare Ruth und Martin, Johanna und Steve ohne große Worte eindringlich beschreibt. Das ist für mich schon sehr beeindruckend.“

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Herausgeber und V.i.S.d.P.: MorgenWelt Würzburg GmbH Gerberstraße 7, 97070 Würzburg Telefon 09 31 32 999 0 und Kulturreferat der Stadt Würzburg Rückermainstraße 2 97070 Würzburg Redaktionsadresse MorgenWelt Würzburg GmbH: KulturGut Gerberstraße 7, 97070 Würzburg Telefon 09 31 32 999 0

Art Direktion: Melanie Probst

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Produktion & Distribution: MorgenWelt Würzburg GmbH, Gerberstraße 7, 97070 Würzburg Kostenlose Auslage in Kulturzentren, Kinos, Veranstaltungshäusern, städtischen Einrichtungen, Gastronomie und ausgewählten Ladengeschäften

Chefredaktion, Konzept: Iris Wrede C. v. D.: Joachim Fildhaut Mitarbeiter: Christine Fuchs, Michael Henke, Susanne Hoffmann, Kornelia Koepsell, Jana, Mikota, Sarah Pfister, Gabriele Polster, Christian Ritter, Hermann Schneider, Daniel Staffen-Quandt, Ulrike Schäfer, Christine Weisner, Prof. Thomas Schmidt. Redaktionsbeirat: Anja Flicker, Muchtar Al Ghusain, Stefan Moos, Dr. Rotraud Ries, Hermann Schneider, Dr. Gunther Schunk, Prof. Dr. Ulrich Sinn.

Anzeigen: MorgenWelt Würzburg GmbH, Gerberstraße 7, 97070 Würzburg Stefan Luz, Telefon 0931 32999 11 Theresa Schmitt, Telefon 0931 32999 13 Ivo Koch, Telefon 0931 32999 14 Druck: Schleunungdruck GmbH, Marktheidenfeld Auflage: 10.000 Exemplare ISSN 2191-9666

Fotos: Benjamin Brückner, KulturGut-Bildarchiv, Veranstalter. Die Ensemble-Porträts des Mainfranken-Theaters fotografierte Falk von Traubenberg: Seite 7 Leonam Abilio de Conceicao Santos, Seite 8 Kaori Morito und Alexey Zagorulko, Seite 9 Sonja Koppelhuber und Daniel Fiolka, Seite 11 Marianne Kittel, Seite 12 Kai Christian Moritz, Seite 15 Sven Mattke, Seite 19 Petra Hartung, Seite 20 Johan F. Kirsten, Seite 25 Caroline Matthiessen. Wir danken Willi Dürrnagel, der aus seiner Sammlung die Motive für folgende Seiten zur Verfügung stellte: Seiten 29, 51, 66 „This Week Magazine“ vom 3. 8. 1947, Illustrationen zu einer Erzählung Leonhard Franks nach dem Roman „Die Jünger Jesu“; Seite 38 f Josef Versl, Lithografie o. T., o. J.; Seite 60 Albert Banska, Holzschnitt „Mein Garten“ o. J.; Seite 65 Taschenbuchausgabe des Verlags Volk & Welt, 1967. Wir danken Eberhard Jandke für die Genehmigung zum Fotografieren in der Galerie Altes Feuerwehrhaus Albertshausen: Seiten 38, 55f und 58.

Sonstiges: Alle Veranstaltungsangaben ohne Gewähr. Veranstalter, die Fotos an den Verlag senden, haben eventuelle Honorarkosten zu tragen. Urheberrechte für Anzeigenentwürfe, Vorlagen, redaktionelle Beiträge sowie für die gesamte Gestaltung bleiben beim Herausgeber. Der Nachdruck von Fotos, Zeichnungen, Artikeln und Anzeigen, auch auszugsweise, bedarf der ausdrücklichen Zustimmung des Herausgebers. Für unaufgefordert eingesandte Manuskripte, Leserbriefe und Fotos kann keine Haftung übernommen werden. Bearbeitung und Abdruck behalten sich Verlag und Redaktion vor. Namentlich gekennzeichnete Beiträge geben nicht unbedingt die Meinung des Verlags und der Redaktion wieder. Dank: Wir danken ausdrücklich den Unterstützern und beteiligten Kulturinstitutionen und Kulturschaffenden, ohne die die Herausgabe dieses Mediums nicht möglich wäre.

KulturGut erscheint dreimal jährlich in Würzburg.

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KulturGut 15 Juni 2014 |

KulturGut 14 | Seite

66 | Würzburg

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LASCIA CHE ACCADA

(Lass es geschehen) Ballett von Roberto Scafati | Uraufführung

JOSEPHSLEGENDE Ballett von Anna Vita

Ab 8. März 2014 | 19.30 Uhr | Großes Haus Mainfranken Theater Würzburg Weitere Premieren / Konzerte im Großen Haus:

DIE DIEBISCHE ELSTER (La gazza ladra) Oper von Gioachino Rossini Premiere: 15. Februar 2014 | 19.30 Uhr

FRÜHLINGSKONZERT

Werke von C. W. Gluck, F. Chopin u. R. Strauss 22. März 2014 | 19.30 Uhr

SALOME

Oper von Richard Strauss Premiere: 5. April 2014 | 19.30 Uhr

DER KAUFMANN VON VENEDIG Schauspiel von William Shakespeare Premiere: 10. Mai 2014 | 19.30 Uhr

DORNRÖSCHEN

Ballett von Anna Vita mit Musik von Peter Tschaikowski Premiere: 31. Mai 2014 | 19.30 Uhr Karten: 0931 / 3908-124 www.theaterwuerzburg.de


NATURGESUND WOHNEN, SITZEN, SCHLAFEN

ZUFRIEDENHEIT

GARANTIERT

TZ E ATU R LATE X M ATR A N te n ie m or d ER N MED B EI M K AU F EI SE N Z IR B E N P IL LO Z U. IS K LL FÜ N EI E SI DA ER H A LT EN O N 79,- € G R AT IS V T ER W IM ) cm (ca. 80 x 40

DENN NUR WENN SIE RICHTIG ERHOLSAM SCHLAFEN, SIND WIR ZUFRIEDEN. DESHALB HABEN SIE BEIM KAUF EINER UNSERER NATURLATEXMATRATZEN DER SERIEN BASIC, CLASSIC ODER DELUXE 30 TAGE KERNTAUSCHRECHT 1. SOLLTEN SIE ZUHAUSE FESTSTELLEN, DASS IHNEN IHRE MATRATZE ETWAS ZU HART ODER ZU WEICH IST, TAUSCHEN WIR IHNEN DEN MATRATZENKERN AUS 1. DENN WAS GIBT ES SCHÖNERES ALS ZUFRIEDEN UND ERHOLT AUFZUWACHEN? 1

INNERHALB VON 30 TAGEN KÖNNEN SIE DEN GELIEFERTEN MATRATZENKERN (DER SERIEN BASIC, CLASSIC ODER DELUXE) IN EINEN ANDEREN HÄRTEGRAD MIT GLEICHER KERNHÖHE ODER EINEN ALTERNATIVEN MATRATZENAUFBAU AUS DER GLEICHEN SERIE UMTAUSCHEN (GEGEN EVTL. AUFPREIS FÜR EINEN FESTEN LATEXKERN ODER EINEN ALTERNATIVEN MATRATZENAUFBAU). DIESES ANGEBOT GILT AUSSCHLIESSLICH IM MONAT FEBRUAR 2014.

NATURGESUND WOHNEN SITZEN & SCHLAFEN Das Bett | Möbel Schott • 97070 Würzburg • Spiegelstr. 15-17 Tel. 09 31 - 4 04 17 60 • info@dasbett.net • www.dasbett.net Montag - Freitag 10.00 - 19.00 Uhr • Samstag 10.00 - 16.00 Uhr


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