KulturGut N°11

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KulturGut

Ausgabe

11

Januar 2013

Magazin für die Kulturregion Würzburg

Nestputz! Der Kulturspeicher zeigt bislang Verborgenes | Inspiration. Was Reykjavik für das Umsonst & Draußen bedeutet | Urban … oder? Die Identität des Alten Hafens

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KulturGut | Editorial | Inhalt | Titelthema | Bühne | Musik | Kunst | Literatur | Film | Stadt | Wissenschaft | Interkultur | Service

Editorial

Die Macht der Wahrheit. Es wurde Zeit. Es hat lange gedauert, es sind Jahre verstrichen, Jahrzehnte. Jetzt, im Februar des Jahres 2013 ist es endlich soweit. Der Kulturspeicher zeigt das, was lange im Verborgenen schlummerte, was kaum einer sehen wollte, keiner sehen sollte: Bestände der Städtischen Galerie Würzburg aus der Zeit 1933 bis 1945. Einen überfälligen „Nestputz“ forderte Autor Peter Roos in KulturGut 2/2010 und legte den Finger tief in die Wunde. Man solle es endlich wagen, die Keller zu lüften. Nun hat man sie aus dem Magazin geholt, die Gradls und Rothers. Blonde Pferde, zähe Bauern, kräftige Weinbergsmädchen vor weiten Landschaften, abgearbeitete Frauen mit Mutterkreuz. Mittelmäßige Kunstwerke, antimodern und banal. Sie dürfen, sie müssen ans Licht. Wissenschaftlich aufgearbeitet, in den historischen Zusammenhang gestellt. Langsam, sehr langsam hat sich die Erkenntnis durchgesetzt und wir bekommen Gelegenheit, endlich einen lange versteckten, unrühmlichen Teil der Würzburger Museums- und Stadtgeschichte zu sehen. Es ist wichtig und gut, was hier passiert. Und es ist ebenfalls wichtig und gut gegenüberzustellen, was jenseits von den Nazis und ihren Mitläufern an künstlerischen Werten,

an Werken und Menschen zerstört wurde: Die sogenannten „Entarteten“, die nicht in die antimodernistische Blut- und Boden-Ideologie passten. Ein bis heute spürbarer Verlust ist geblieben. Würzburg ist nun auf dem Weg, sich der Verantwortung zu stellen. Es werden sicher immer wieder offene Fragen auftauchen zum Umgang mit der Vergangenheit. Aber es zeigt sich, dass die Aufklärung nicht aufgehalten werden kann. Auch wenn es dauert. Wir wünschen Ihnen wie immer eine interessante Lektüre und laden Sie zum Diskurs auf unsere Website www.kulturgut-wuerzburg.de ein. Iris Wrede Chefredakteurin

PS: Unsere Titelstrecke zeigt diesmal Ausschnitte von Werken aus dem Museum im Kulturspeicher. Im Impressum finden Sie die Namen der Künstler.

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Inhalt

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Titelthema | Der Zweck der Kunst zur Nazi-Zeit. „Tradition und Propaganda“ im Kulturspeicher

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Titelthema | Kinderstimmen im KZ. Greta Klingsberg sang Oper in Theresienstadt. Ein Interview

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Titelthema | Mit dem Teddy auf der Flucht. Johanna-Stahl-Zentrum beleuchtet Schicksale jüdischer Kinder

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Titelthema | Was vom „Tausendjährigen Reich“ im Stadtbild blieb

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Titelthema | Wer besinnt sich da? Kunsthistorikerin verzeichnet Würzburgs Gedenktafeln

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Titelthema | Ganzheitlich erinnern. Was soll man sich bei der Helmut-Zimmerer-Straße denken?

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Theater | Blauer Eumel fährt Bühne ins Dorf

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Theater | Termine

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Musik | Inspiration aus dem Norden. Ein isländisches Popfestival und das Umsonst&Draußen

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Musik | Termine

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Kunst | Jährlich tausend neue Kunstwerke im Museum am Dom

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Kunst | Termine

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Literatur | Über das Internet in den Laden zurück. Buchhändler verkaufen persönlich online

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Literatur | Minna könnte Flusen fressen. Die literarische Erstveröffentlichung

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Literatur | Termine

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Film | Termine

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Film | Central-Kino zieht vom Zentrum ins Kulturzentrum

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Stadt | Erdteilmonat Mai. Bürgerbeteiligung an „40 Jahre Europastadt“

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Stadt | Mit den Bischöfen verwoben. 100 Jahre Mainfränkisches Museum

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Stadt | Termine

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Stadt | Der Main, das Meer und die Würzburger

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Wissenschaft | Dampf für die Kultur. Der Alte Hafen in urbanethnologischer Sicht

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Wissenschaft | Termine

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Interkultur | Termine

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Interkultur | Unterschiede schaffen Klarheit: Die pluralitätsfähige Religionspädagogik

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Zum Schluss | Impressum

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Der Zweck der Kunst zur Nazi-Zeit „Tradition und Propaganda“: Forschung und Ausstellung im Museum im Kulturspeicher. von Bettina Keß / Fotos: Andreas Bestle

+ „Der Inhalt des Werkes verherrlicht den nordischen Gedanken. Beide Gestalten, der Mann mit dem Adlerblick, das treue Pferd, sind ins Symbolische gesteigert. In dem Mannesauge blitzt heroische Tatkraft, in dem Auge des Pferdes schimmert die germanische Auffassung des Weltgeheimnisses auf“, so beschrieb 1941 der „Kunstberichterstatter“ Oskar Kloeffel in der NSDAP-eigenen „Mainfränkischen Zeitung“ das Gemälde „Arbeitskameraden“ des Malers Ferdinand Spiegel. Der Würzburger Oberbürgermeister Theo Memmel hatte die monumentale Darstellung eines blonden Bergbauern und seines – ebenfalls blonden – Arbeitspferds 1940 auf einer der NS-Prestigeschauen, der „Großen Deutschen Kunstausstellung“ in München, für 7500 Reichsmark erworben.

Sammlungsgeschichte

entierte, gegenständliche Kunst, die anti-moderne Sammlungspolitik und das Netzwerk ihres Gründungsdirektors, des Malers und Kunstlehrers Heiner Dikreiter, sorgten dafür, dass auch nach 1945 immer wieder Kunst aus der NS-Zeit in die Städtische Sammlung gelangte.

Bestandsaufnahme Lange Zeit setzte man sich mit diesem „Erbe“ aus der Zeit des Nationalsozialismus nur unzureichend auseinander. Über die Existenz von ‚hitlerbeschatteten Bunkern in der Städtischen Galerie‘ spekulierte der Schriftsteller Peter Roos (KulturGut 2010/02), und auch Fragen nach dem „richtigen“ Umgang mit der Kunst des Nationalsozialismus wurden laut. Mit dem Projekt „Tradition und Propaganda“ stellen sich nun die Stadt Würzburg und sein Museum im Kulturspeicher diesem „Erbe“: mit einer kritisch-wissenschaftlichen Untersuchung ihres Bestands, einer Sonderausstellung, einem ausführlichen Vortragsprogramm und einem Vermittlungsangebot für unterschiedliche Zielgruppen sowie mit einem Begleitbuch. Zwischen November 2011 und August 2012 wurden zunächst alle Kunstwerke des Museums gesichtet. Die so ermittelten, nachweisbar in den Jahren zwischen 1933 und 1945 entstandenen rund 1300 Kunstwerke wurden wissenschaftlich bearbeitet. Viele Arbeiten aus diesem Bestand stehen in der Tradition der akademischen Kunst des 19. Jahrhunderts, darunter Genregemälde, Porträtbüsten oder Landschaftszeichnungen. Andere Kunstwerke

„Genrebilder in der Tradition des 19. Jahrhunderts“

Heute wird das Bild des in Würzburg geborenen und im Nationalsozialismus sehr erfolgreichen Künstlers Spiegel im Depot des Museums im Kulturspeicher Würzburg aufbewahrt. Zusammen mit vielen anderen Kunstwerken, die zwischen 1933 und 1945 entstanden: Rund 1300 Gemälde, Skulpturen, Zeichnungen und druckgrafische Arbeiten von knapp 160 Künstlerinnen und Künstlern stammen aus der NS-Zeit. Warum das so ist, erklärt die Geschichte des Museums und seiner Sammlung: 1941 –- also nur kurz nach dem Kauf der „Arbeitskameraden“ – gründete die Stadt Würzburg ihre Städtische Galerie, die Vorgängerinstitution des Museums im Kulturspeicher. Damit begann Würzburg seine Kunstsammlung, mitten im Nationalsozialismus und mitten im Zweiten Weltkrieg. Die Vorliebe für eine traditionell ori-

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vermitteln offen nationalsozialis­ tische Propaganda. Werke sogenann­ ter „Entarteter Kunst“ gibt es in der Würzburger Museumssammlung dagegen nur wenige. Im Würzbur­ ger Bestand befinden sich Arbeiten von vorwiegend regional bekannten Künstlerinnen und Künstlern wie Richard Rother und Willi Greiner, aber auch von Malern, die zu den er­ folgreichsten Kunstproduzenten im Nationalsozialismus überhaupt ge­ hörten wie der Maler der „Arbeitska­ meraden“, Ferdinand Spiegel, oder Hermann Gradl. Jedes dieser Werke entstand unter den Bedingungen des nationalsoz­ ialistischen Kulturbetriebs. Entweder innerhalb der engen Grenzen, an den Rändern oder – im Fall der soge­ nannten „Entarteten“ – sogar unter Gefahren außerhalb. Kunst war im „Dritten Reich“ weder unwichtiges Beiwerk noch harmlose Verschö­ nerung: Kunst, Kultur und die „Kulturschaffenden“, wie es im Natio­ nalsozialismus hieß, waren vielmehr wichtige Bausteine des Regimes. Künstlerische Produkte sollten offen oder subtil ideologische Bot­ schaften transportieren oder gewünschte Identitäten schaffen, etwa die einer geschlossen „Volksgemeinschaft“ im Krieg oder die eines starken „Gaus Mainfranken“. Gerade Werke der bildenden Kunst wa­

ren wirksame Instrumente der Pro­ paganda und lieferten den inszena­ torischen Rahmen für Macht und Gewalt. Die Ausstellung „Tradition und Pro­ paganda. Eine Bestandsaufnahme. Kunst aus der Zeit des Nationalso­ zialismus in der Städtischen Samm­ lung“ präsentiert nun eine für den Gesamtbestand repräsentative Aus­ wahl mit 90 Werken von 60 Künst­ lern und Künstlerinnen. Wie kamen die Gemälde, Skulpturen oder Gra­ fiken in die Sammlung? Von wem stammen sie? Welche Themen grei­ fen sie auf? Unter welchen Bedin­ gungen sind sie entstanden? „Tradition und Propaganda“ rich­ tet sachlich dokumentarische Blicke auf Gemälde, Skulpturen, Zeich­ nungen und druckgrafische Arbeiten, deren öffentliches Präsentie­ ren auch fast 70 Jahre später noch keine Selbstverständlichkeit ist. Historische Dokumente aus dem Archiv des Museums, dem Haus der Kunst in München und dem Institut für Hochschulkunde in Würz­ burg verdeutlichen die Zusammenhänge mit der Würzburger Stadt­ geschichte und dem nationalsozialistischen Kulturleben. Die Aus­ stellung und das dazugehörige Buch zeigen die Geschichte(n) hinter der Würzburger Sammlung und ihren Kunstwerken.

„Sachlich dokumentarischer Blick auf Werke, deren Präsenz noch keine Selbstverständlichkeit ist“

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Richard Rother schnitt den Titel der Gau-Soldatenzeitung in Holz. Bauhaus-Absolvent Hans Haffenrichter ließ Tilman Riemenschneider vor 1935 in Bronze gießen; er entwarf auch sehr erfolgreiche Porträtbüsten von Hitler und Göring. Philipp Franck malte 1943 „Frühling im Park/Tulpenbeet. Heiner Dikreiter porträtierte seinen Oberbürgermeister Theo Memmel für die 1940 von der Stadt Würzburg herausgegeben Broschüre „Unsere lachende Feldpost“.

Info: Bettina Keß kuratierte die Ausstellung

„Tradition und Propaganda. Eine Bestandsaufnahme. Kunst aus der Zeit des Nationalsozialismus in der Städtischen Sammlung Würzburg“. 28. März bis 12. Mai, Museum im Kulturspeicher. Begleitprogramm und Vermittlungsangebote | www.kulturspeicher.de KulturGut 11 | Seite

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Kinderstimmen im KZ Greta Klingsberg sang die Oper „Brundibár“ in Theresienstadt mit Interview: Alexander Jansen / Fotos: privat

+ In was für eine Familie wurdest du 1929 in Wien hineingeboren? In eine arme und herzliche! Wir lebten in einer Einzimmerwohnung im II. Bezirk, der Mazzesinsel genannt wurde, weil dort die meisten Juden wohnten. Meine Mutter Paula war eine emanzipierte Frau. Sie war die erste Jüdin, die am Ring arbeiten durfte. Sie führte vor ihrer Heirat eine Trafik, einen kleinen Laden für Zeitungen und Zigaretten. Mein Vater Alfred war gelernter Koch und Kellner. Du hattest eine jüngere Schwester. Was für ein Mensch war sie? Trude war ein Herzensganev, frisch, fröhlich und kämpferisch. Wenn jemand uns verulkte, ging Trude hin und war bereit, dem eine Ohrfeige zu geben.

falls man uns fassen sollte. Hattet ihr Angst? Meine Mutti sicher. Wir Kinder dachten, es sei mehr oder weniger ein Ausflug. Wir flohen in einer regnerischen Nacht. Meine Mutti wurde immer verzweifelter, weil wir durch nasse Felder stolperten und unsere Schuhe durch die feuchte Erde immer schwerer wurden. Schließlich konnte sie nicht mehr: Jetzt gehen wir zurück. Ich sagte: Nein! Wir sind so weit gegangen, jetzt gehen wir weiter! Dadurch habe ich meiner Mutter wahrscheinlich das Leben gerettet. Wir kamen nach Mikulov, wo es eine deutschsprachige jüdische Bevölkerung gab. Menschen nahmen uns auf. Wir konnten uns waschen und übernachten.

„Meine Schule war improvisiert, aber sehr phantasievoll.“

Kannst du dich an deine Schulzeit erinnern? Ich habe gerne gelernt und konnte es nicht verstehen, warum ich keine Einser mehr bekam. Meine Mutter sagte: Weil du Jüdin bist. Aber das war für mich keine Erklärung.

Ihr seid sehr früh aus Österreich geflohen. Warum? Nach meinem Vater wurde gesucht, weil er auch bei einer linksradikalen Zeitung gearbeitet hatte. Meine Mutter ging 1938 mit uns Mädchen voraus über die grüne Grenze in die Tschechoslowakei. Mein Vater dachte, dass es für uns ohne Mann weniger gefährlich wäre,

Ihr seid dann nach Brünn, wo dein Vater zu euch stieß. Mein Vater wusste: Auch in die Tschechoslowakei wird Hitler kommen. So wollte er weiter. Aber kein Staat nahm uns auf, ob es England oder Südamerika war, wenn man wie wir kein Geld hatte. Es gab jedoch eine jüdische Organisation, die versuchte, Juden mit illegalen Transporten nach Palästina zu bringen, mit schlechten Schiffen. Dabei war es verboten, Kinder mitzunehmen. Meine Eltern wagten die Reise und gaben uns in ein Kinderheim, wie es auch andere jüdische Eltern mit ihren Kindern taten. Wir sollten ein, zwei Monate später nachkommen.

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Als deine Eltern gingen, warst du achteinhalb Jahre alt, deine Schwester ein Jahr jünger. Am Anfang kamen noch Nachrichten. Ich habe ja meinen Eltern noch geschrieben: Ich möchte an meinem neunten Geburtstag gerne bei euch sein! Aber es ging nicht. Wir waren auch schon einmal im Zug, wurden aber wieder herausgeholt. Dann wurde das Münchner Abkommen unterzeichnet und die Deutschen zerschlugen die Tschechoslowakei. Wir kamen in ein tschechisch-jüdisches Waisenhaus. Ich bekam den gelben Stern und wurde nicht mehr von meinen ehemaligen Schulkameradinnen gegrüßt, weil sie Angst hatten. Was gab dir Halt und Kraft? Ich wusste, dass ich Eltern habe. Aber vor allem hatten wir Schwestern einander. Trude hatte mich und ich hatte sie.

Um euch kümmerten sich Erzieher und manchmal hattet ihr auch illegalen Unterricht. Wie verlief der? Wir hatten dauernd heimlichen Unterricht. Mitschreiben konnte man bei den Vorträgen nicht, denn das Papier wurde für die zeichnenden Kinder gebraucht. Uns wurde viel erzählt, zum Beispiel Literatur. Gedichte musste ich auswendig lernen, „Sängers Fluch“, „Die Kraniche des Ibykus“. Meine Schule war improvisiert, aber sehr phantasievoll. In Theresienstadt kannten dich viele Menschen durch deinen Gesang. Wie wurdest du entdeckt? Jemand wusste, dass ich eine klare, helle Stimme hatte, einen hohen Sopran und ein absolutes Gehör. So wirkte ich bei verschiedenen Konzerten im Lager mit, beispielsweise im Chor von Verdis „Requiem“. „Libera me domine“ – für uns war das Erlösung aus dem Jetzt, nicht aus dem Tod. In der „Zauberflöte“ hatte ich meine erste Rolle. Ich sang den zweiten Knaben. Dann kam „Brundibár“, wo ich das Mädchen Aninka mehr als 50 Mal spielte. Das Besondere war, dass dieses Stück nur von Kindern gespielt wird! Und auch vom musikalischen Standpunkt aus ist es wertvoll. Es ist eine schöne, leichte und harmonische Musik, zwischen Strawinsky und Weill. Ich bin so froh, dass die Oper lebt!

„Erwachsene sollen elastisch bleiben – nicht nur körperlich, auch seelisch, und ebenso wie Kinder neugierig sein.“

Im März 1944 wurdet ihr nach Theresienstadt deportiert. Das Ghetto war noch nicht organisiert. Es dauerte, bis sich die jüdische Selbstverwaltung um die Kinder kümmerte. Dann richtete man Häuser für die Kinder ein. Unseres war L 410, das Haus der Mädchen, ein normales Wohnhaus eigentlich. Es lebten dort sehr viele Kunst liebende Kinder. Wir haben sehr viel gesungen, Gedichte gemacht und gezeichnet. Aber wir waren gepfercht. Dreißig Mädchen in einem kleinen Raum. Wir schliefen in dreistöckigen Betten. Es gab keinen Schrank. Unsere Habe hatten wir auf unseren Lagern, Kleiderfetzen, ein Buch, eine Zahnbürste. Die Zeichnungen der Kinder von Theresienstadt sind berühmt. Hast du auch gezeichnet? Ich weniger, meine Schwester schon. Ich habe geschrieben. Etwa eine Unterhaltung mit einem künstlichen Gebiss. Wie ich darauf kam? Im Ghetto gab es sehr viele alte Frauen. Die Organisationen „Stützende Hand“ schickte Kinder zu ihnen. Wir sollten sie etwas fröhlicher machen. Bei einem solchen Besuch habe ich wahrscheinlich ein künstliches Gebiss gesehen. Jedenfalls kam mir die Idee, dass man das abends herausnimmt und sich mit diesem unterhält.

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Wie würdest du den Inhalt in einem Satz zusammenfassen? Wenn Kinder zusammenhalten, dann siegen sie auch über alles Böse. In der „Brundibár“-Rezeption gibt es verschiedene politische Deutungen, aber für euch Kinder hatte sie eine andere Bedeutung. Selbstverständlich! Wir waren froh, auf der Bühne zu sein. Es waren Stunden des normalen kindlichen Lebens. Plötzlich gibt es einen Hund und eine Katze und einen Spatz. Es gibt eine Schule, es gibt Milch, es gibt Eis – also alles Sachen, die wir kaum mehr kannten! Und selbst der Brundibár war populär. Er hatte einen Schnurrbart, der wackelte hoch und runter, wenn er gesungen und gebrüllt hat. Das fanden wir schrecklich komisch. Ob jetzt die Erwachsenen in Brundibár Hitler gesehen haben, das war für uns Kinder vollkommen unwichtig. Im Ghetto wurdest du nicht mehr Greta, sondern Aninka gerufen.

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Greta (drei) und ihr Burli-Brumm.

Die Oper war sehr bekannt. Viele wollten mitspielen. Es gab wechselnde Besetzungen, aber nicht aus normalen Gründen, sondern weil Kinder abtransportiert wurden. Ich hatte Glück. Ich blieb bis zum vorletzten Transport in Theresienstadt. „Brundibár“ wurde auch für den Nazi-Propagandafilm „Theresienstadt“ benutzt. Kannst du dich an die Dreharbeiten erinnern, als aus dem Ghetto ein Potemkin-Dorf wurde? Uns Kindern gab man Sandwiches. Die haben wir so schnell aufgegessen, dass sie uns noch einmal welche geben mussten. Wie ist es für dich, wenn du heute den „Brundibár“-Ausschnitt siehst? Ich kannte ihn gar nicht. Eine gute Freundin in Israel hat mich darauf aufmerksam gemacht: Da bist du in dem Film! Wie kannst du mich erkennen? Große Nase, große Augen, das bist du. Es stimmt! Ich habe mich anscheinend nicht viel geändert, außer einigen Falten. Theresienstadt wurde als der „Vorhof zur Hölle“ bezeichnet. Es war ein Teil unserer Kindheit, dass Leute starben, dass es Hunger gab, dass es Schmutz gab. Es gab Kinder, die plötzlich neben mir starben, weil sie unterernährt waren oder an Typhus litten. KulturGut 11 | Seite

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Am 23. Oktober wurdest du mit deiner Schwester und den anderen „Brundibár“-Kindern nach Auschwitz deportiert. Für uns Kinder war das eine Fahrt ins Irgendwo. Manche hatten Angst, von ihren Eltern getrennt zu werden. Ich hatte meine Schwester und meine Betreuerin Laura. Ich weiß, warum ich seitdem Raum und Platz brauche. Es war dieses Gepferchte. Einige wurden im Waggon fast verrückt vor Durst. Aber man hatte noch seine Sachen. Man war noch wie ein Mensch gekleidet. Dann stand der Zug, die Waggons wurden geöffnet. Es war finster. Ich hörte Geschrei und Hunde. Ich sah, wie meine Schwester auf die eine Seite ging und ich mit Laura auf die andere. Was das bedeutete? Ich wusste es damals nicht. Auschwitz gilt als ein Wort für das Böse. Auschwitz ist unfassbar. Ich kann es heute kaum begreifen, dass es möglich war, durchzukommen. Wie lange war ich in Auschwitz? Vielleicht eine Woche. Ich war ja für einen Arbeitseinsatz ausgesucht worden. Aber die Begegnung war vollkommene Entmenschlichung. Du wirst nackt ausgezogen, unter Hunderten von Menschen, nackten Frauen, die kahl geschoren werden, auch du, deine Schamhaare, von denen du gar nicht wusstest, dass du sie schon hast, mit vierzehn. Du stehst wieder eingepfercht. Diese nackten Leiber und das Geschrei im Hintergrund. Was hast du mitbekommen? Lagerinsassen kamen und sagten: Ihr werdet alle ins Gas kommen oder verbrennen. Da haben wir gesagt: Die sind verrückt, weil sie schon so lange hier sind. Das war vielleicht auch eine Art Rettung. Dann ging es von Auschwitz nach Öderan, einem Ort zwischen Dresden und Chemnitz. Als wir von Auschwitz nach drei Tagen ankamen, bekamen wir etwas zu essen. Die Häftlinge sagten zu uns: Bitte, bitte, esst das auf, sonst werden die Rationen gekürzt. Aber wir konnten nicht. Uns liefen die Tränen herunter. Wir waren hungrig, aber wir konnten kaum essen. Öderan war eine Munitionsfabrik, ein Außenlager des KZ Flossenbürg. Ich lernte, wenn man eine Patrone verkehrt in die Maschine hineinschiebt, dann bleibt sie stehen. Sabotage ist ein zu großes Wort dafür. Aber jedenfalls hatte man einige Minuten Ruhepause. Das war ein gutes Gefühl. Habt ihr gespürt, dass sich die Front verändert hat? KulturGut 11 | Seite

Greta Klingsberg besuchte letztes Jahr die Pianistin Theresienstad

Eine Tages trieben sie uns in Viehwaggons. Wir sollten nach Mauthausen weitertransportiert werden. Mauthausen aber war überfüllt. So fuhren wir bis an die tschechische Grenze und marschierten zurück nach Theresienstadt. Die Rote Armee befreite euch. Hattet ihr Rachegefühle? Weder ich noch meine Freundinnen. Wir sagten uns: Wir werden nicht so sein wie sie. Das ist das einzige, was wir daraus lernen wollen. Wir werden nicht so sein. 1946 kamst du nach Palästina. Wie erklärt man den eigenen Eltern, was in den acht Jahren passiert ist? Man erklärt es gar nicht. Ich wusste, dass ich meinem Vater nicht erzählen kann, dass seine Mutter an Hunger in Theresienstadt gestorben ist. Ich konnte auch meiner Mutter nicht von Trude erzählen. Ich wusste, dass ich erwachsener war als meine Eltern. Im Zusammenhang mit „Brundibár“ sprichst du oft mit Kindern und Jugendlichen. Mit Kindern kann man noch sprechen, weil ihre Fragen direkt sind. Sie fragen mich: Was hast du aus dieser Zeit gelernt? Ich sage: Das Andere zu akzeptieren. Das Andere zu würdigen. Du musst nicht so sein, wie der andere, aber du sollst ihn leben lassen.

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Bronnbacher Kultouren 2013 So. 24.3. 10:30 Uhr

Heilige Messe mit gregorianischem Choral Mit der Choralschola Külsheim

Sa. 20.4. 19:30 Uhr

Preisträgerkonzert Deutscher Musikrat Preisträger aus 2012 und 2013 Unter anderem mit den Preisträgern des Jahres 2012, Asya Fateyeva und dem Duo Gerassimez Mi. 8.5. 19:00 Uhr

Wagner ganz anders Kammerkonzert zum 200. Geburtstag von Richard Wagner (1813-1883) mit Richard Wagner a Cinque So. 19.5. 17:00 Uhr

Festliches Pfingstkonzert Im Glanz von Trompete und Orgel Prof. Claude Rippas, Zürich (Trompete, Flügelhorn) Friedrich Fröschle, Ulmer Münster (Orgel)

Mi. 29.5. 19:30 Uhr

Jazz Open-Air

mit dem Trio mit Sean Moyses (Banjo, Gesang), Jürgen Hahn (Trompete, Gesang) und Mathias Grabisch (Sousaphone)

enstadts in London, die 109 Jahre alte Alice Herz-Sommer.

Bronnbacher Musikfrühling Sa. 1.6. 18:00 Uhr

Eröffnungskonzert mit Galadinner Lutz Koppetsch, Saxophon Südwestdeutsches Kammerorchester Pforzheim Leitung: Tom Woods Was rätst du Eltern? Sie sollen offen sein für ihre Kinder und elastisch bleiben – nicht nur körperlich, auch seelisch, und ebenso wie Kinder neugierig sein.

Mi. 5.6. 19:00 Uhr

Kammerkonzert mit dem ATOS TRIO: Annette von Hehn, Violine, Stefan Heinemeyer, Violoncello, Thomas Hoppe, Klavier

Sa. 8.6. 19:00 Uhr

Kammerkonzert Eine Reise durch 200 Jahre mit dem Trio Gaspard: Hyo-Sun Lim, Klavier Jonian Ilias Kadesha, Violine, Vashti Hunter, Violoncello InfoS: Vom 13. bis zum 25. Februar wird „Brundibár“,

Oper von Hans Krása und Adolf Hoffmeister, acht mal im Museum am Dom aufgeführt. Die Inszenierung berieten Greta Klingsberg und der Maler Yehuda Bacon, der ebenfalls in Theresienstadt interniert war. Ausführende sind Dommusik und Philharmonisches Orchester Würzburg. Zwischen 10. Februar und 19. März findet ein umfangreiches Rahmenprogramm statt, zu dem ein gesonderter Flyer erscheint, einzelne Termine auch auf den folgenden Service-Seiten. Kartenvorbestellungen und Informationen Tel. (0931) 3908124. | www.theaterwuerzburg.de

So.9.6. 17:00 Uhr

Abschlusskonzert Alegria – Fado und mehrr mit Cristina Branco und Ensemble

Sa. 15.6. 20:00 Uhr

1. Bronnbacher Weintafel im Satzenberg musikalische Umrahmung mit dem Ensemble „Moenus“

Informationen und Kartenvorverkauf: Kloster Bronnbach · Verwaltung im Prälatenbau Bronnbach 97877 Wertheim · Tel. (0 93 42) 9 35 20 20 21 · www.kloster-bronnbach.de



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Mit dem Teddy auf der Flucht Johanna-Stahl-Zentrum beleuchtet Schicksale jüdischer Kinder Text und Fotso: Michaela Schneider, privat

+ Sein Kindermädchen half Hans Schwabacher zu überleben. Immer wieder organisierte es neue Unterkünfte in Familien und Klöstern rund um Würzburg, um den Jungen und seine zwei Brüder vor den Nationalsozialisten zu schützen. Denn: Hans‘ Vater war Jude, seine Mutter – einst eine Katholikin – war zum Judentum konvertiert. „So genannte Halbjuden wie Hans stuften die Nationalsozialisten als Geltungsjuden ein“, erzählt Rotraud Ries, Leiterin des Johanna-Stahl-Zentrums für jüdische Geschichte in Unterfranken. „Sie standen unter ständiger Beobachtung und wussten nicht: Sind wir auch noch dran?“ Biografien wie jene von Hans Schwabacher – heute nennt er sich John und lebt in den USA – bilden die Grundlage einer Sonderausstellung, die ab Mitte April im Johanna-Stahl-Zentrum zu sehen sein wird. „jung – jüdisch – unerwünscht“ dreht sich um jüdische Kinder aus Unterfranken in der Zeit zwischen 1920 und 1950. Dabei im Fokus: Einzelschicksale wie jenes von Hans Schwabacher.

einstige Heimat. Für Ries und ihre Kollegin Stefanie Neumeister eröffnete sich dadurch – technisch unterstützt vom Lehrstuhl für Europäische Ethnologie/Volkskunde der Uni – die Chance für eine groß angelegte Zeitzeugenbefragung.

Der Fluchtweg auf einer Schulzeichnung Das Resultat: 16 Videointerviews und ein Audiointerview mit Längen zwischen 30 und 90 Minuten. „Teils sprachen wir mit ‚Interview-Profis’, die ihre Geschichte schon vielfach erzählt hatten. Teils redeten die Gäste indes zum allerersten Mal über ihre Kindheit in Würzburg und ihr Schicksal, manches hörten selbst Angehörige während der Interviews zum ersten Mal. Wir erlebten viele sehr emotionale Momente. Ich hatte das Gefühl, dass diese Menschen über ihre Schicksale sprechen möchten“, erzählt Stefanie Neumeister. Dabei ging es in den Interviews vor allem um Würzburg und die Umstände der Emigration oder Deportation.

„Jüdischer Zeitzeuge erlebte Bombardierung“

Möglich wurde die Ausstellung in dieser Form erst, weil die Stadt im April 2012 jüdische Zeitzeugen aus Israel, den USA und Südamerika eingeladen hatte, die einen Teil ihrer Kindheit in Würzburg verbracht hatten. Einige von ihnen waren während der nationalsozialistischen Schreckensherrschaft mit der Familie oder mit Kindertransporten ins Ausland geflohen, andere hatten die Gräuel der Konzentrationslager überlebt. Insgesamt 23 überlebende Juden folgten zusammen mit ihren Familien der Einladung der Stadt in die

Der Ausstellungsfokus indes liegt auf ganz Unterfranken: auf der Emigration mit den Eltern oder mit Kindertransporten, Deportationen und der Ermordung jüdischer Kinder und Jugendlicher, auf dem Überleben in Konzentrationslagern und in Verstecken sowie auf der zeitweiligen Rückkehr in die einstige Heimat nach 1945. Zudem blicken die Ausstellungsbesucher in den

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Rotraud Ries und Stefanie Neumeister.

jüdischen Kinderalltag ab etwa 1920 vom Schulbesuch bis zu religiösen Bräuchen. Und auch Würzburger Zeitgeschichte wird in den Einzelschicksalen greifbar. So befand sich Hans Schwabacher auch am 16. März 1945 während der Bombardierung der Stadt in Würzburg. Nach seiner Auswanderung fertigte er in der Schule eine Zeichnung mit einem kleinen Essay zu seinem Fluchtweg an. Das beeindruckende Dokument wird in der Sonderausstellung zu sehen sein. Ebenso der Fluchtrucksack von Helen Feingold aus Aschaffenburg, das Sonntagsgeschirr einer jüdischen Familie aus Schonungen oder das Foto des Teddybären von Hans Hanauer. Mit einem Kindertransport flüchtete der Bub 1939 nach England und lebte dort bei einer Pflegefamilie. Seine leiblichen Eltern wurden deportiert, er sollte sie nie wieder sehen. Der Teddy und einige Briefe blieben ihm als einzige greifbare Erinnerung an seine Kindheit in Unterfranken.

Info: „jung – jüdisch – unerwünscht“ eröffnet am

11. April um 19.30 Uhr im Johanna-Stahl-Zentrum in der Valentin-Becker-Straße 11 und läuft bis zum 13. Oktober. Führungen jeweils sonntags um 11 Uhr am 14. April, 12. Mai, 9. Juni, 14. Juli, 11. August, 8. September und 13. Oktober. Begleitprogramm mit Vorträgen, Zeitzeugengesprächen, Filmvorführungen und Lehrerfortbildungen unter | www.johanna-stahl-zentrum.de

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John Schwabacher (rechts) mit Bruder und seiner kranken Mutter.

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Was vom „Tausendjährigen Reich“ im Stadtbild blieb Eine Übersicht der Täter-Orte Text und Fotos: Hans Steidle

+ Andere Städte haben es mit der baulichen Hinterlassenschaft der nationalsozialistischen Diktatur leichter und schwerer als Würzburg. Nürnberg, München und Weimar besitzen direkte und typische Zeugnisse der NS-Monumentalarchitektur, die materiell die Megalomanie und kollektivistische Uniformität der totalitären Herrschaft ausdrücken. Die Frage, wie mit diesem „Erbe“ umzugehen sei, provozierte lange kontroverse Auseinandersetzungen, aber auch, wie in Nürnberg, beeindruckende Lösungen. In Würzburg fokussiert sich die historische Erinnerung auf zwei Aspekte, und dies mit gutem Grund: einerseits die Durchführung der Shoah, die für diese Stadt in für Deutschland fast einmaliger Weise dokumentiert ist. Deswegen wird diese Erinnerungsarbeit durch breites bürgerliches Engagement getragen. Der zweite Aspekt ist die fast vollständige Zerstörung der Stadt am 16. März 1945. Wurde diese vor einigen Jahrzehnten unter dem Aspekt der leidenden deutschen Zivilbevölkerung und der Sinnlosigkeit des Kriegs oder jeglichen Kriegs interpretiert, wird sie in jüngerer Zeit als eine Folge der deutschen Entfesselung und Führung eines totalen Kriegs verstanden. Der Schriftsteller Leonhard Frank nannte die „zerhackte Ruine“ Würzburg ein „Denkmal der Naziherrschaft“.

Ein Regierungspräsident geht über den Ehrenhof und wird Gauleiter Das macht sich in vielen deutschen Mittel- und Großstädten mit der sachlichen und funktionalen Nachkriegsarchitektur so permanent bemerkbar, dass es schon fast selbstverständlich scheint – auch und besonders in Würzburg. Dennoch erinnern viele Plätze und Orte an die NS-Zeit. Immerhin wurde die gesamte Stadt vor 80 Jahren von den Institutionen des Nationalsozialismus durchsetzt. Die vornehmste architektonische und urbane Adresse der Stadt waren und sind Residenz KulturGut 11 | Seite

mit Schlossplatz, die NS-Gauleiter und NSDAP für sich vereinnahmten. Der Residenzplatz diente als Aufmarsch- und Paradeplatz für Parteiveranstaltungen und Militärparaden. Am 1. Mai 1933, dem Tag der deutschen (!) Arbeit, marschierten mehr als 20.000 Menschen aller Berufsgruppen auf, um die Volksgemeinschaft zu demonstrieren. Zehn Tage später wurde anlässlich der Bücherverbrennung im Scheiterhaufen deutscher Kultur gezeigt, wer nicht mehr zur Volksgemeinschaft zählte. Gauleiter Hellmuth residierte als Regierungspräsident von Unterfranken im Palais Rosenbach, in dem heute die Hofkellerei ihre Weine verkauft. An der Ecke Residenzplatz / Theaterstraße, damals Adolf-Hitler-Straße, kaufte die NSDAP das ehemalige Hotel Kronprinz, bezog es als Parteihaus („Braunes Haus“) und ließ 1936 eine Ehrenhalle in der Theaterstraße anfügen für besondere NS-Repräsentanten des Gaus Mainfranken. Von diesem Zentrum der NS-Herrschaft in Würzburg steht nichts mehr, doch die ehemalige Staatsbank, heute Hochschule für Musik, an der Ecke zur Hofstraße bewahrt als Zwillingsbau das Aussehen des ehemaligen Hotels Kronprinz. Vor dem Bau stand 1936 Adolf Hitler auf einer Tribüne, hier rollten die neuen Panzer unter Kommandeur Guderian auf den Residenzplatz. Im Schloss heiratete 1936 Gauleiter Hellmuth mit dem Prunk eines absolutistischen Regionaldespoten. In geringer Entfernung, in der Ludwigstraße, hatte die Gestapo, die Kerntruppe des Terrorapparats, in den Häusern Nr. 2 und 3 ihren Sitz. Von Haus Nr. 3 stehen noch einige Relikte. Hier wurden die Überwachung der Bevölkerung, die Verfolgung der Diskriminierten und der Massenmord an den mainfränkischen Juden geplant und umgesetzt. Drei Minuten entfernt residierte Professor Heyde im Rassenpolitischen Amt, Klinikstraße 6, und entwarf die Grundlagen der Euthanasiemorde an 100.000 Menschen. Nahe der Gestapostellen lag die alte Schrannenhalle, wo heute die Spiegelstraße auf den Kardinal-Faulhaber-Platz stößt. In deren Saal im Obergeschoss wurde die erste Depor-

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Goetheschule, einst Bertholdschule, Probeschule für Volksschullehrer im Dritten Reich (oben). Musterhaus des Gauheimstättenbundes 1936 von Hugo Gross, heute Familienzentrum (unten).

schofspalais wurde originalgetreu wieder aufgebaut, vom ehemaligen SA-Bau steht noch der elegante klassizistische Torbau just gegenüber.

Ein leerer Platz

tation mainfränkischer Juden am 19.11.1940 zusammengestellt. Eine Gedenktafel erinnert an diesen Akt der NS-Barbarei. Wenige Gassen entfernt lag bereits 1930 das Haus der Würzburger SA. Eine Freifrau von Thüngen hatte das Stadtpalais ihrer Familie, einen ehemaligen Domherrnhof, den aufstrebenden Rechtsradikalen geschenkt und wurde als „Mutter der SA“ bezeichnet. Der Hof stand am heutigen Kardinal-Döpfner-Platz gegenüber dem Bischofspalais, dem Hof Conti. Von hier aus organisierte Gauleiter Hellmuth mit seinen Helfern die Ausschreitungen gegen die jüdischen Theaterbesucher des Habima-Ensembles in den umliegenden engen Gassen am Abend des 3.11.1930. Mehrmals störten die Landsknechtstypen der SA 1933 und 1934 durch Gegröle den Würzburger Bischof in seiner Nachtruhe und stürmten sein Palais, als sie das Tor gesprengt hatten. Bischof Ehrenfried erhielt wegen seines katholischen Beharrens gegen die NS-Weltanschauung den Ehrennamen „Störenfried“. Das Bi-

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Zu den Erinnerungsorten in der Innenstadt gehört unbedingt der Platz der ehemaligen Synagoge in der Kettengasse, erreichbar durch das Gebäude des Diözesanarchivs. Ein leerer Platz mit einem Erinnerungsstein ist geblieben. Die Synagoge wurde nicht in der Nacht vom 9. auf den 10. November 1938 niedergebrannt. Dennoch verrichtete hier unter der Führung des Universitätsrektors Professor Seifert der Mob sein Vernichtungswerk, verbrannte Thorarollen und zerstörte die Einrichtung. Gleichermaßen hausten SA und NS-Anhänger in der Bibrastraße 6, dem alten Haus der Israelitischen Lehrerbildungsanstalt, das den jüdischen Lehrerstudenten als Wohnheim diente. Es nahm bis 1942 verfolgte Juden, die aus ihren Wohnungen vertrieben worden waren, auf. An dem Tor erinnert ein Schatten an die einstmals befestigte Gebetskapsel (Mesusah). Die Reste der Synagoge wurden in den 1950er Jahren plattgewalzt. So erinnert heute ein leerer Platz an das frühere Zentrum der jüdischen Gemeinde. Jedes Jahr am 9. November wird hier an das Novemberpogrom erinnert. Es lohnt fast nicht, die vielen Adressen aufzulisten, unter denen im Adressbuch 1936 NS-Einrichtungen zu finden waren. Einige Gebäude außerhalb der Altstadt sind jedoch erhalten und Monumente des Dritten Reichs. In der Valentin-Becker-Straße steht das Logenhaus der Freimaurer, das als Alfred-Rosenberg-Haus zu einem Zentrum der NSIdeologievermittlung umfunktioniert wurde. Am Ludwigskai entstand Mitte der 1930er Jahre der Bau der NS-Volkswohlfahrt. Im unzerstörten Administrationsbau verwaltete die US-Militärregierung Würzburg und Mainfranken, mussten sich die Würzburger der Entnazifizierung unterziehen, suchen heute Arbeitslose einen Job.

Kolossalbau für Eigentumswohnungen Oberhalb der Missionsärztlichen Klinik und ihres expressionistischen Kirchenbaus setzte die Reichswehr einen 300 Meter langen Monumentalbau, das Standortlazarett. Er sollte der Festung ein gewaltiges und auffälliges Gegenüber des neuen militanten Staats liefern. Die US-Army nutzte den intakten Bau fast ein halbes Jahrhundert als Hos-

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pital. Die Stadt Würzburg dachte schon an den Abriss des geschützten Denkmals, da es angeblich nicht verwendbar sei. Diesem typischen Würzburger Irrtum bereitete ein Nürnberger Investor ein Ende, der eine Vielzahl von heiß begehrten Eigentumswohnungen in den Komplex einbaute. So bleibt der NS-Kolossalbau erhalten. Schräg gegenüber, an der Ecke Rottendorfer- / Wittelsbacherstraße, steht in vornehmer Zurückgezogenheit eine neuklassizistische Villa. Ihr Besitzer, der jüdische Apotheker Mandelstein, musste sie zu einem lächerlich geringen Preis veräußern, Gauleiter Hellmuth erhielt sie quasi kostenlos als repräsentativen Wohnsitz. In unmittelbarer Nähe ließ dieser Würzburgs einzigen Betonbunker errichten, der vor rund zwei Jahrzehnten in die Luft gesprengt wurde. Vor hier aus befahl Hellmuth Anfang April 1945 den sinnlosen und verlustreichen militärischen Widerstand gegen die erobernde US-Armee und konnte unproblematisch seine Flucht organisieren.

Verblasste Zukunftsmärsche Damals war Würzburg völlig zerstört. So blieben auch wenige Schauplätze der NS-Zeit original erhalten. Der Ausbau der Stadt zur nationalsozialistischen Gaustadt unterblieb wegen des Kriegs. Bau- und Planungsreferent Gross hatte vor, die Juliuspromenade als breite Aufmarschstraße auszubauen und auf den Fluss hinzuführen. Auf der an-

deren Mainseite sollte ein großer Platz entstehen mit einer Anzahl von Partei- und Repräsentationsgebäuden. Tatsächlich steht von Gross in der Lehmgrubensiedlung noch ein altfränkisch anmutendes Fachwerkhaus, das der HJ als Heim diente. Mehrfach wurde dieses Haus als Beispiel der NS-Baugesinnung gelobt. Ohne genaueres Wissen sieht man dem Haus dies nicht an. Deswegen müssen Informationen an den Beispielen von NS-Architektur zumindest darüber aufklären. Noch besser wäre ein stadtgeschichtliches Museum des 19. und 20. Jahrhunderts mitten in der Stadt als Zentrum einer bürgerlichen Erinnerungskultur.

Info: Stadtheimatpfleger Dr. Hans Steidle unternimmt am

23. März, 14.30 Uhr einen zweistündigen Rundgang „Würzburg im Dritten Reich“ vom Rathaus aus. Anmeldung bei der VHS. Bei genügend großem Interesse wird die Führung am 11. Mai wiederholt. | www.vhs-wuerzburg.de


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Wer gedenkt denn da? In der Stadt gibt es unzählige Denkmäler und Gedenktafeln. Die Kunsthistorikerin Petra Maidt verzeichnet sie erstmals von Daniel Staffen-Quandt | Foto: n/a

Die Vorsitzende der Heiner-Reitberger-Stiftung lernte bei ihrer Gedenk-Recherche verborgene Winkel der Stadt kennen.

+ Gedenkplatten, Denkmäler, Inschriften – oft sind sie kaum noch zu sehen, versteckt, verblasst. Selbst im Rathaus hat man keinen Überblick. Deswegen erfasst die Kunsthistorikerin Petra Maidt von der Heiner-Reitberger-Stiftung im Auftrag der Stadt Würzburg derzeit all diese Erinnerungsorte. „Ich hab den Umfang anfangs unterschätzt“, sagt sie nach mehr als einem Jahr Arbeit: „Zuerst dachte ich, damit bin ich in zwei Wochen fertig.“ Mit Kladde, Stadtplan und Fotoapparat ausgestattet zieht Maidt seit Herbst 2011 durch Würzburg, zunächst durch die Innenstadt samt Ringpark, dann durchs Mainviertel, die Äußere Pleich, Zellerau, das Steinbachtal und die Sanderau. Von rund 100 Denkmälern ist sie anfangs ausgegangen. Inzwischen ist sie bei rund 230 angekommen – und viele Stadtteile, wie Frauenland, Grombühl und Heidingsfeld fehlen noch. Von den später eingemeindeten Stadtteilen einmal ganz abgesehen. KulturGut 11 | Seite

Die Kunsthistorikerin macht im Auftrag des Kulturreferats und des Büros Kulturplan eine „Ersterfassung“ aller Denkmäler, Mahnmale und sonstiger Erinnerungszeichen. Das bedeutet: Sie erfasst den exakten Ort, an wen oder was dort erinnert wird, den konkreten Anlass und den Zeitpunkt der Errichtung, die Initiatoren und Stifter sowie gegebenenfalls den bildenden Künstler, der das Mal geschaffen hat. Eine vertiefende wissenschaftliche Recherche gibt es nicht. „Das muss später erfolgen“, sagt Petra Maidt.

Grundlagen für Analyse und Wertung Das Projekt ist ambitioniert. Niemand weiß, wie viele Denkmäler und Gedenkplatten es in Würzburg gibt. Es gilt, aufmerksam Straße für Straße abzulaufen. „Eine absolute Sicherheit, dass ich nicht doch mal etwas übersehe, die gibt es nicht“, sagt Maidt. Denn oft seien die Er-

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innerungszeichen versteckt oder so verwittert und verfallen, dass man sie kaum noch als solche erkennt. Oft stehen und hängen sie auch an Orten, wo sie unpassend sind, man sie nicht erwartet und deshalb auch meist übersieht. Der Wehrkraft-Brunnen am Eingang der Steinbachtal-Anlagen im Waldkugelweg ist so ein Beispiel. Er steht lieblos eingerahmt von einem alten Buswartehäuschen, Mülleimern und Schildern. Einst stand der Brunnen in der Leistenstraße und wurde wegen einer Straßenerweiterung einfach dorthin an den Fuß des Steinbachtals versetzt. Hier nehme das Denkmal aus dem Jahr 1914 keiner richtig wahr, eine wissenschaftlich fundierte Auseinandersetzung am Standort des Denkmahls fehle völlig, sagt Maidt. Das trifft auch auf eins der bekanntesten und markantesten Mahnmale Würzburgs zu, das Denkmal für die Opfer des 1. Weltkriegs im Husarenwäldchen, das erst 1931 errichtet wurde. „Es verherrlicht in seiner Gestaltung das Heldentum des Soldatensterbens in propagandistischer Weise“, sagt Maidt. Hier gebe es dringenden Handlungsbedarf, das Mahnmal könne „nicht weiter so unkommentiert dort stehen bleiben“, findet die Kunsthistorikerin. Doch eine solche Analyse sei bereits der zweite Schritt.

Lieber digital Derzeit erfasst Maidt noch fleißig, alle gesammelten Daten sollen schließlich in ein Werk einfließen. Unklar ist noch, welche Form das Ganze haben soll. „Ich wäre sehr für einen Online-Katalog“, sagt sie. Den könne man problemlos erweitern, gezielt durchsuchen, nach Kategorien ordnen. Für die weitere wissenschaftliche Nutzung sei dies zweifelsohne sinnvoller als ein reiner Print-Katalog, findet Maidt. Mit einer Datenbank gelänge auch eine Analyse der vorhandenen Denkmäler einfacher, glaubt sie. Denn allein bei der Erfassung der Denkmäler dürfe es nicht bleiben – auch wenn sich das Projekt an sich erst einmal darauf beschränkt. Es gehe um die Instandhaltung, die Lesbarkeit von Inschriften, die Ermittlung von Defiziten oder fehlender wissenschaftlicher Einordnung. „Zum Beispiel gibt’s mehrere Denkmäler für Balthasar Neumann – aber eigentlich keins, das seiner wirklich würdig ist“, sagt Petra Maidt. Und das wiederum ist auch für eine Stadt der Größe Würzburgs nicht so wirklich würdig. LINK: | www.reitberger-stiftung.de

WAGNER

OPER – KONZERT – SCHAUSPIEL 2013 Uraufführung Reinhard Baumgart

WAHNFRIED – BILDER EINER EHE Regie Jan Steinbach

VORSTELLUNGEN SA 23.02. 19:30 | SA 02.03. 19:30 SA 09.03. 19:30 | SA 30.03. 19:30 DO 25.04. 19:30 | SO 19.05. 19:00 SA 22.06. 19:30 Richard Wagner

DAS LIEBESVERBOT

Musikalische Leitung GMD Philippe Bach

Regie Ansgar Haag

VORSTELLUNGEN SA 02.02. 19:30 | SO 03.03. 15:00 FR 22.03. 19:30 | MI 22.05. 19:30

SÜDTHÜRINGISCHES STAATSTHEATER

Richard Wagner

TRISTAN UND ISOLDE

Musikalische Leitung GMD Philippe Bach VORSTELLUNGEN FR MI SO SA

01.03. 13.03. 28.04. 18.05.

18:00 18:00 15:00 18:00

Regie Gerd Heinz

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SO 10.03. SO 31.03. FR 03.05. FR 21.06.

18:00 18:00 18:00 18:00

DAS MEININGER THEATER Südthüringisches Staatstheater Bernhardstraße 5 . 98617 Meiningen KARTENVORVERKAUF 03693 / 451 - 222 o. 137 www.das-meininger-theater.de



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Ganzheitlich erinnern Jahrzehntelang störte sich niemand an der Helmut-Zimmerer-Straße – obwohl auch die Schattenseiten des einstigen Würzburger OBs seit langem bekannt waren von Daniel Staffen-Quandt

+ An diese Abstimmung des Würzburger Stadtrats will sich heute offenbar kaum einer erinnern: Es ist das Jahr 1985, der Altoberbürgermeister Helmut Zimmerer im November des Vorjahrs gestorben. Im Pilziggrund will man ihm zu Ehren eine Straße benennen, das Würzburger Stadtparlament winkt die Idee einstimmig durch. So haben die Würzburger dem gebürtigen Niederbayern und Rathauschef von 1956 bis 1968 in Lengfeld ein Denkmal gesetzt – das möglicherweise bald verschwinden wird. Dass Zimmerer heute in einem anderen Licht gesehen wird als noch vor einem Vierteljahrhundert, das ist auch und vor allem Verdienst des Journalisten Wolfgang Jung. Bei seinen Recherchen für die Stadtführung „Würzburger Krawalle“ war er auf die Geschichte des Nervenarztes Elmar Herterich gestoßen, der in den Nachkriegsjahren die NS-Verstrickungen scheinbar honoriger Bürger Würzburgs öffentlich macht. So findet er beispielsweise den Titel der Doktorarbeit von OB Zimmerer heraus.

Fraktionsübergreifendes Schweigen 1936, drei Jahre nach der Machtergreifung durch die Nationalsozialisten, schreibt der damals erst 23-jährige Jurist seine Dissertation: „Rasse, Staatszugehörigkeit und Reichsbürgerschaft – ein Beitrag zum völkischen Staatsbegriff“. Mehrere Medien zitieren aus Zimmerers Arbeit, die nicht einmal 80 Seiten hat. Zimmerer diskreditiert darin die Demokratie, repetiert das Nazi-Rollenbild und sinniert über die Juden in Deutschland, die „entgermanisiert“ werden müssten. Es ist ein grauenhaftes Pamphlet. All das machte Herterich öffentlich. Zimmerer rechtfertigt sich. Man müsse auch jene Stellen in der Arbeit würdigen, in denen er sich gegen die NS-Ideologie stelle. Ja, auch diese Passagen gibt es. Doch viele dieser Gedanken konterkariert er wenige Zeilen später mit anderen Schmähungen. Scham und Reue, so schrieb Jung im Oktober in der „MainPost“, habe Zimmerer in seinen Rechtfertigungen nie geäußert. Statt-

„Hinterfragen der Erinnerung ist Verantwortung.“

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dessen verklagt er die Presse und schimpft bei jeder Gelegenheit über seine Kritiker. Aus den Reihen des Stadtrats hat Zimmerer indes nichts zu fürchten. 1956 als Kandidat der Freien Wählergemeinschaft (FWG) angetreten, wurde er von Anfang an auch von Teilen der CSU sowie der SPD unterstützt. 1962, bei Zimmerers zweiter Kandidatur, fand sich nicht einmal ein Gegenkandidat. Und als der OB wegen der Doktorarbeit in der Kritik stand, sprang ihm die SPD-Spitze sogar noch zur Seite. Insofern ist das einstimmige Votum für die Zimmerer-Straße von 1985 wenig verwunderlich. Dass es jetzt ausgerechnet wieder ein SPD-Stadtrat ist, der die Zimmerer-Straße abschaffen will, ist wohl die Ironie der Geschichte. Heinrich Jüstel war das Problem bis zu Jungs „Krawall“-Stadtführung wohl gar nicht bekannt, ehe er einen Prüfantrag stellte. Dabei sitzen noch heute viele Stadträte von einst im Gremium: Bürgermeister Adolf Bauer, Willi Dürrnagel, Erich Felgenhauer, Ursula Weschta (alle CSU), Hans Schrenk (SPD), Klaus Zeitler (damals SPD), Jürgen Weber (WL) und Egon Schrenk (FDP). Auch in den Jahren danach war das Gedenken an den verstorbenen Alt-OB Zimmerer nie ein Thema, auch für die SPD nicht. Mehrere Anfragen bei einstigen Stadträten, auch bei mehreren aus dem Jahr 1985, blieben unbeantwortet. Niemand will anscheinend daran erinnert werden, dass per Beschluss des Würzburger Stadtrats an jemanden erinnert werden soll, an den sich heutzutage immer weniger erinnern wollen – jedenfalls nicht mit der weiterhin unkritischen Verwendung eines Straßennamens. Helmut Zimmerer hat in Würzburg als OB zweifellos viel Wichtiges und Gutes getan, er war eine der treibenden Kräfte beim Neuaufbau der zerstörten Stadt. Dass die Art der Erinnerung an ihn heute hinterfragt wird, ist kein Infragestellen seiner Leistungen für die Stadt und die Bürger. Es ist vielmehr das Gegenteil, es ist gelebte historische Verantwortung. In diesem Sinn unternimmt die Kommune derzeit erste Schritte zu einem externen Gutachten, das die Person Zimmerer insgesamt würdigen soll, wenn möglich in Form einer kritischen Biografie. Denn letztlich sei, so Kulturreferent Muchtar Al Ghusain, „die Frage der Umbenennung der Straße eine politische Frage, die nur in Würdigung des gesamten Lebens erfolgen kann“. Beim Wiederaufbau habe Zimmerer sich z. B. für den Neubau der Synagoge eingesetzt. „Das ist ihm als Zeichen der Scham und späten Reue ausgelegt worden.“ Ob sein Einsatz für den Synagogen-Neubau dies tatsächlich war, wird sicher eine sehr interessante Forschungsaufgabe. Und allemal eine ernsthaftere Würdigung der Person Zimmerer als ein Straßenschild.


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Blauer Eumel fährt die Bühne in das Dorf Ein THW-Laster verwandelte Marktplätze und Wiesen in Kulturstätten von Michaela Schneider / Fotos: Michaela Schneider, privat

+ Molières Zeit der wandernden Künstlertruppen auf dem Land ist eigentlich vorbei. Doch nicht für einen kleinen Trupp um die Pianistin Katia Bouscarrut. Die jungen Leute, allesamt klassische Musiker aus dem Raum Würzburg, konzertieren sonst in Konzertsälen und Theatern. Doch im Sommer brachten sie Kultur in die Provinz. „Der Blaue Eumel“ nennt sich das kleine Ensemble. Es tourte in einem alten Laster des Technischen Hilfswerks von Deutschland durch die Schweiz bis nach Frankreich. Um Klassik zu genießen ist kein bestimmter Bildungsgrad nötig - Menschen erleben Musik über Emotionen. Das wurde Bouscarrut klar, als sie eines Tages in ihrer einstigen Heimat Sauviac konzertierte - einem sehr ländlichen Dorf bei Bordeaux. Nach der Aufführung war vor allem die Fischverkäuferin ganz begeistert, die sonst keine Möglichkeit hat, Klassikkonzerte zu besuchen. „Ich habe gemerkt: Menschen auf dem Land kommen nicht so selbstverständlich in Kontakt mit Kultur. Hier herrschen Scheu und Berührungsangst.“ Als Künstlerin fühlte sich die 37-jährige zunehmend fremdbestimmt, die Konzertatmosphäre empfand sie oft museal: „Als Solist kann man mehr selbst gestalten, aber gerade die Kollegen im Orchestergraben haben hierzu wenig Möglichkeit.“ Und so reifte die Idee, mit Musikern durch die Lande zu touren. Bouscarrut kaufte einen ausrangierten Kleinlaster. Das Mainfranken Theater stellte einen alten Flügel. Das Fahrzeug wurde leicht umgerüstet, der Flügel erhielt auf der Ladefläche stählerne „Stiefel“ und wurde gedämmt – fertig war die Konzertbühne. Gleichzeitig gründete sich Anfang Mai der Verein „Der Blaue Eumel. Mobile Kunst e.V.“. Immer noch ist Bouscarrut verblüfft, wie viel Unterstützung die Musiker erfuhren: Angefangen bei den Eltern, die bei der Finanzierung unter die Arme griffen; über den Bühnenmeister des Mainfranken Theaters, der, wo immer möglich, mit anpackte; bis hin zur Autowerkstatt, die den THW-Laster zum Selbstkostenpreis herrichtete. Zum ersten Konzert des Blauen Eumels im Klanggarten in der Zellerau im Juli kamen mehr als 200 Zuhörer. „Die Resonanz war toll, wir schafften es, die Ausgaben durch Spenden komplett zu KulturGut 11 | Seite

decken – und hatten ein kleines Startkapital für die eigentliche Tour“, sagt Bouscarrut.

„Doch nicht so unangenehm“ Wichtig ist ihr: Die Qualität muss immer stimmen. „Wir wollen nicht einfach Straßenkünstler sein“, sagt sie. Stücke und Musiker werden vorgestellt, das Programm ist rein klassisch mit Werken von Mozart, Mendelssohn oder Dvorák. Die Besetzung: zwei Geigen, zwei Bratschen, ein Cello, der Flügel und – als modernes Klangelement – ein Schlagzeug. Berührungsängste wollten die Künstler den Zuhörern vor allem auch durch ihre Kleidungswahl nehmen: Statt in Abendkleidern und Anzug konzertierten sie auf der Ladefläche in Jeans und manchmal sogar barfuß. In einem Musikcamp in der Schweiz spielte der Blaue Eumel mit 70 Kindern im Orchester, immer wieder wurden die Musiker zum Essen oder kostenlosen Übernachten eingeladen. Fixe Konzerttermine standen vorab nicht fest, im Oldtimer-Mercedes „Carmen“ suchte eine Vorhut geeignete Spielorte, meist Dorfplätze oder Wiesen am Ortsrand, regelte die behördlichen Angelegenheiten und warb per Megaphon fürs nächste Konzert. Letzte Station der Tour: Katia Bouscarruts Heimatdorf Sauviac. Hier bekam sie den schönsten Lohn für ihr Engagement, als die Rathaussekretärin sagte: Wenn ihr das gleiche Programm auch in Konzertsälen spielt, dann ist es da ja vielleicht doch nicht so unangenehm. Im Sommer 2013 wollen die Musiker wieder touren – dann vielleicht Richtung Osten nach Tschechien und Polen. Für Katia Bouscarrut hat dies auch ganz persönliche Gründe: „Auf der Tour 2012 ist für mich die Freude am Spielen zurückgekehrt. Ich hatte endlich wieder das Gefühl, auf der Bühne frei zu sein.“

LINK: | www.der-blaue-eumel.de

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Pianistin Katja Bouscarrut (unten rechts) schwebte „In Schrebers Garten“ säulenhoch über dem Publikum des Mainfranken Theaters.

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 weitere Informationen: www.kulturgut.wuerzburg.de

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Theater |

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Der Vater

3. Februar bis 24. März, 20 Uhr, Mainfranken Theater „Rainer Appel ist der Vater“ heißt es auf den Plakaten zu Recht: Höchste Zeit, ein bisschen verdiente Star-Verehrung oder zumindest öffentliche Leistungsträger-Erwähnung in der Stadt des Bildungsbürgertums zu betreiben. So ließe sich fortfahren: Edith Abels ist die Mutter. Nur, August Strindbergs Trauerspiel behandelt den Niedergang einer Männerfigur. Zu dem Zweck lässt der Wuppertaler Gastregisseur Peter Wallgram alle außer Appel wie Karikaturen erscheinen. Der Darsteller des tragischen Helden hingegen kann die Psyche des Vaters ausloten. Diese herausragende schauspielerische EinzelLeistung erhielt Ende 2012 einen Sonderpreis des Würzburger Theaterpreises. (Foto: Gabriela Knoch) | www.theaterwuerzburg.de ++++++++++++++++++++++++

Django

bis 10. Februar, 16 Uhr, Theater am Neunerplatz Der Kinderbuchillustrator Frans Haacken (1911-79) entwickelte aus den Stilen der 1920er Jahre seine eigene moderne Klassik. In seinem Todesjahr schuf er zwölf Bildtafeln zur Biographie des Gitarristen Django Reinhardt. Die wurden jetzt vertont: Wolfgang Salomon erzählt die Geschichte des ZigeunerSwing-Erfinders von der Wiege an. Salomons gewöhnliche Rolle als Theatermusiker übernimmt bei diesem Stück für Kinder ab sechs Jahre Rehan Syed. Das ist der Gitarrist, der das Erbe Django Reinhardts in Würzburg wach hält, als Bandleader und Lehrer. Bei den Aufführungen leitet er das Winterstein Sintett. Vier sehr junge NachwuchsgitarristInnen und

Termine |

SängerInnen aus der hochmusikalischen Winterstein-Familie spielen Djangos virtuose Evergreens. | www.neunerplatz.de

sei nur soviel verraten: Amnesie ist nicht der Name der weiblichen Hauptfigur. Es spielen Christina Winkelmann und Michael Völkl. | www.theater-ensemble.net

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Des Teufels Lustschloss ab 16. Februar, 19.30 Uhr, Mainfranken Theater

Franz Schubert trug viele Kompositionen zum Kanon der Konzertsäle bei. Ins Opernhaus drang er nicht mit gleichem Ansehen vor. Schließlich war er erst 16 Jahre alt, als er eine Ritterromanzen-Persiflage des seinerzeitigen Bühnen-Bestsellerautors August Kotzebue hernahm und mit dem unfreiwilligen Ernst seines Alters in Töne setzte. (Es folgten übrigens noch knapp 15 Singspiele, Possen und dramatische Gedichte.) Während der junge Komponist auf den Bühnen die Schicksalsschläge hageln lässt, setzt sein heutiger Regisseur, Peter P. Pachl, diesen seinen szenischen Erstling in Beziehung zu Schuberts gebrochener Biographie. | www.theaterwuerzburg.de ++++++++++++++++++++++++

Kleine Eheverbrechen ab 27. Februar, 20 Uhr, Theater Ensemble

Der Elsässer Eric-Emmanuel Schmitt ist einer der Lieblingsautoren am Privattheater in der hinteren Zellerau. Jetzt bringt Regisseur Norbert Bertheau hier das konzentrierteste Stück des Sinnfragers und Identitätenrüttlers Schmitt heraus – die Begegnung von Mann und Frau. Natürlich nicht irgendwelcher, sondern eines Manns, der sein Gedächtnis verloren hat, und seiner Frau, die sich ihm wieder zu nähern versucht. Und zwar extrem nahe. Bis sich die Frage stellt, ob er seine Amnesie lediglich vortäuscht. Hier KulturGut 11 | Seite

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Streckenbach & Köhler 1. März, 20.15 Uhr, Bockshorn

Die zwei Tenöre kommen. Aber, junge Freunde, keine Angst vor schwerer Klassik! Erstens machen die beiden Musikkabarett, und zweitens sind ihre Songs eher wie Popsongs strukturiert. Nur dass Streckenbach und Köhler eben Klasse-Stimmen haben. Das allein sorgt schon für eine beträchtliche Fallhöhe und komische Energie, wenn solche Stimmen plötzlich dank einer gut getimten Unterbrechung von 180 auf nahe Null runterfahren. Außer zerwurschteltem Liedgut, inspiriert von Schlagern der 1920er Jahre, bringt Pianist Köhler eine mehr als Priol-wilde Frisur als Rahmen seiner Grimassen mit. Streckenbach kann sich des öfteren aus dem Bannkreis des Instruments befreien, hat das strahlendere Timbre und setzt es zu theatralischen Nummern ein. Sicher arbeiten sie auch schon mal gegeneinander, aber wenn die zwei gleichzeitig Vollgas geben, dann strampelt der ganze Saal mit ihnen. | www.streckenbach-und-koehler.de ++++++++++++++++++++++++

Dieter Nuhr

7. März, 20 Uhr, s.Oliver-Arena Und jetzt zu etwas ganz Großem und Leisem. Der Meister der kabarettistischen Alltagsanalyse mit politischer Nebenwirkung stellt sich, nur von einem Mikro und dem leicht schillernden grauen Anzug unterstützt, ins überdachte Stadion und unterhält die Massen, gerade indem er nicht gegen ferne Hallen-


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 weitere Informationen: www.kulturgut.wuerzburg.de

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wände anschreit, sondern sich ganz darauf verlässt, dass seine perfekt sitzende Selbststilisierung bis in die letzten Reihen strahlt. | www.nuhr.de ++++++++++++++++++++++++

David Werker

12. März, 20 Uhr, Saalbau Luisengarten „Es kommt anders, wenn man denkt“, klingt gebildet. Der Programmtitel von Werkers Solokabarett weist auf seine Bühnenfigur hin: Langzeitstudent in einer Stadt mit dem irreführenden Namen Siegen. Der Nachwuchsgermanist treibt Klischees über das Studi-Leben auf die Spitze, und das darf er deshalb, weil er die Themchen seiner Show so differenziert heraussucht. Man sieht das mit Glitzerstift präparierte Skript seiner Kommilitoninnen geradezu vor sich. Das trug ihm Preise wie den Deutschen Comedypreis, „Gewinner im Quatsch Comedy Club“ und „Bonner Paukenschlag“ ein. | www.david-werker.de ++++++++++++++++++++++++

Der Prozess

ab 16. März, 20 Uhr, Werkstattbühne Der Ende 2012 verstorbene Theaterleiter Wolfgang Schulz hat Franz Kafkas finsteren Roman noch selbst dramatisiert. Das Ensemble setzt die Arbeit des bühnen-manischen Gründers – nun freilich ohne dezidiert sozialistisches Selbstverständnis – fort. Schließlich hat sich der Keller in der Rüdigerstraße gerade durch Schulz’ Energie-Input einen sehr guten Ruf als professionell betriebenes Privattheater erspielt (wenn der Einfluss des Hausherrn nicht grade mal wieder ein Team zersprengte). | www.werkstattbuehne.com

Termine |

Hans Werner Olm

24. März, 20 Uhr, Saalbau Luisengarten Und noch ein Kabarettist für all die, die die Gags und anzüglichen Vergleiche so dicht wie möglich brauchen. Man sieht den 58-jährigen Bochumer förmlich am Schreibtisch sitzen und eine gemeine Metapher nach der andern aus dem Hirn pressen. Davon lenken gestochene Gestik und hohe Dynamik seiner Show „Mir nach. Ich folge“ gekonnt ab. | www.saalbau-luisengarten.de ++++++++++++++++++++++++

Flamenco-Festival

30. März bis 7. April, verschiedene Orte, Würzburg An zwei Wochenenden reisen altbekannte Künstler des Festivals und Neuentdeckungen nach Würzburg. Bewährtes Rezept: Intimere Spielarten des Tanzes gibt es in der Juspi-Zehntscheune, wo der letztjährige Gitarrist Amir Haddad gleich an zwei Tagen (5. und 6. April) mit Ensemble auftritt. Am 7. April feiert die neue Formation des Sängers Dávid Morán in Würzburg Deutschlandpremiere. Die große Bühnenshow mit der Kompanie Andrés Peña & Pilar Ogalla im Mainfranken Theater. Schwerpunkt liegt heuer auf der Flamenco-Wiege Jerez und damit auf einer gewissen Ursprünglichkeit. Im Vorlauf zeigt Norbert Schmelz (siehe Foto) bis 9. März in der Stadtbücherei seine Flamenco-Fotoaustellung. | www.wueflamencofestival.com ++++++++++++++++++++++++

Indien

5. bis 28. April, 20 Uhr, Theater am Neunerplatz Sage keiner, das Stück sei ja kein „reiner Hader“, weil außer dem Kabarettisten Josef Hader noch KulturGut 11 | Seite

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ein Alfred Dorfer das Skript zu „Indien“ mitschrieb. Nach dem Träger des Bayerischen Kabarettpreises ist immerhin ein Hochschulstipendium benannt! Die Bühnenfassung des Films „Indien“ kommt nun zum zweiten Mal an den Neunerplatz, mit zwei ausgesprochen bühnenpräsenten Verkörperern: Achim Beck und Hermann Drexler reisen als Inspektoren des Fremdenverkehrsamts durch die Provinz, um Qualität zu testen und Hygiene zu kontrollieren, sprich: um Wirte zu quälen. Doch Niederösterreich wirft das aneinandergekettete Duo auch immer wieder auf sich selbst zurück, sich in die Arme. Das reißt eine tiefe Innensicht in die Figuren hinein auf. Regie führte Erhard Drexler, originellerweise begleitet ein Blechbläserquartett die Inszenierung; jeweils mittwochs, freitags und samstags. | www.neunerplatz.de ++++++++++++++++++++++++

Boeing Boeing

ab 15. Mai, 20 Uhr, Theater Chambinzky Boing, boing! folgen die Chicksalsschläge aufeinander. Bernhard hat was mit zwei Stewardessen am Laufen. Damit das geht, muss eine von beiden immer in der Luft sein. Deshalb jongliert der Schwerenöter mit Flugplänen und Smartphones, virtuos versucht er zu verhindern, dass - boing, boing! – Türen so aufklappen, wie es in der Boulevardkomödie ihre Aufgabe ist. Außer den beiden Hühnchen kommen für den verhängnisvollen Griff an die Klinke in Frage: sein alter Jugendfreund vom Lande und seine esoterische Mutter. Der Schauspieler und Comedian Michael Kessler, Jauch-Lookalike in der „Wochenshow“, hat das Erfolgsstück bearbeitet und aus dem Jahr 1960 ins gegenwärtige Frankfurt verlegt. Regie führt Martina Esser. | www.chambinzky.com


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Inspiration aus dem Norden Isländisches Popfestival fasziniert die Macher des Würzburger Umsonst & Draußen von Anna Valeska Strugalla / Fotos: Tilman Hampl & Steffen Deeg

+ Anfang November fehlten dem Cairo der Chef, dem Magazin Frizz die Graphikerin und dem Umsonst & Draußen-Verein ein wesentliches Mitglied. Die drei und ein paar andere saßen mit schneeköniglicher Vorfreude, Koffern, Apple-Items und Lochkamera im Flugzeug nach Reykjavik. Dort findet seit 13 Jahren das Iceland Airwaves Festival statt. Eben dahin zog es einige Vertreter Würzburger Kulturspots. 7000 Besucher, 450 Konzerte in fünf Tagen und eine begeisterte internationale Presse lautet die Bilanz des Jahrs 2012. Das Musikevent, das den Namen der landesgrößten Luftfahrtgesellschaft trägt, kann grob in Richtung Indie-Elektronik verortet werden. Doch an diesen Herbsttagen öffnet die Stadt auch jeder anderen Art von Musik Tür und Tor, heimischem Folk, Techno, Death Metal aus Kanada. Gespielt und aufgelegt wird überall: in der neuen Konzerthalle Hapard, der Bibliothek, im Caféhaus oder im besten Hutgeschäft der Stadt! Die Würzburger Festivaltruppe fand sich im Privaten. Dass knapp die Hälfte von ihnen gleichzeitig in der Umsonst&Draußen-Programmgruppe sitzt, ist wohl der gemeinsamen Affinität zu junger, frischer Musik geschuldet. Steffen Deeg, Leiter des Jugendkulturhauses Cairo, ist Airwaves-Urgestein. Bekannte schwärmten ihm so lange etwas vor, bis er sagte: Mann, da will ich auch mal hin. Tilman Hampl, EDVKulturGut 11 | Seite

Berater und U & D-Mitgestalter, war vergangenen November das dritte Mal mit dabei. Ihn „fasziniert der entspannte Umgang mit den verschiedensten Musikstilen. Dort wird kein Widerspruch darin gesehen, wenn jemand erst mit dem Cello in einem klassischen Quartett spielt und dann abends mit einer Punkband abgeht.“ Und auch wegen der atemberaubenden, rauen Landschaft der Insel wartet die Clique jedes Jahr im Dezember auf die Freischaltung der Earlybird-Tickets. Kleine Ausflüge ins Landesinnere und die Küste entlang gehören zum Airwaves-Begleitprogramm.

Teil einer Musikmesse Gleich und gleich gesellt sich gern. Durch zahlreiche Gespräche und Begegnungen mit anderen Kulturschaffenden auf dem Festival schufen sich die Würzburger ein Reykjavik-Netzwerk. „Bei einem dieser Gigs am frühen Nachmittag, in irgendeinem Buchladen, habe ich den Promoter von kanadischen Bands kennengelernt. Ebenso haben wir Kontakte zur Chefin des Exportbüros für isländische Musik geknüpft“, erzählt Tilman Hampl. Ganz en passant reifte eine Idee in den Köpfen der Würzburger. Sie wollten Bands, die sie auf dem Airwaves in Reyk-

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javik gehört hatten, nach Würzburg auf das U & D bringen. Schon 2011 traten Utidur, ein zwölfköpfiges Kammer-Pop-Gespann, auf den Mainwiesen auf. In diesem Sommer machten Retro Steffson mit einer genialen Show auf sich aufmerksam. Außerdem konnten durch die Kanada-Verbindung die Elektro-Popper Rich Aucoin gewonnen werden. Seit zwei Jahren sind die Würzburger bei einem Treffen zwischen Bookern und Bands des Festivals mit dabei. Dieser Austausch dient allen. Isländische Musik wird als Exportprodukt populär. Und die Würzburger Programmgruppe, die isländische Bands sehr schätzt, kommt zu einem finanzierbaren internationalen Line-up für das U & D. Doch noch etwas anderes haben die Würzburger von ihren Trips in den Norden mit nach Unterfranken gebracht – Inspiration. „Nach dem Airwaves komme ich immer ein wenig ins Schwärmen: Erst ein paar Jamsessions im Hugendubel und bei s.Oliver und dann abends rüber aufs U&D, das wär was“, lächelt Tilman Hampl. Oft fragen sie sich untereinander: Warum ist das bei uns nicht so, so alternativ, so neu, so offen? Deeg sieht den Ursprung der isländischen Offenheit für die Organisation und Finanzierung eines solchen Festivals so: „Auf Island wimmelt es einfach nicht so vor Residenzen, Burgen und Museen, dort fehlt dieser Reichtum an ‚Hochkultur‘.“ Außerdem sei es dort lange dunkel, weite Teile des Landes seien nicht sehr dicht besiedelt. Entsprechend dünn falle das kulturelle Angebot aus. Von der Insel würde er „gern ein wenig von der Aufgeschlossenheit zwischen den verschiedenen Kultursparten mitnehmen. Hier in Würzburg muss die Balance zwischen Barockfassaden und junger Musik noch gefunden werden. Den richtigen Weg haben wir bereits eingeschlagen.“

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Musik |

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Helge Schneider

15. Februar, 20 Uhr, s.Oliver-Arena Man muss das mal gesehen haben, wie stolz der mehrfach zum besten deutschen Schlagzeuger gewählte Willy Ketzer dreinblickt, wenn Helge Schneider an ihm vorbeischlampt, um seinen Platz auf der Bühne einzunehmen. Und auch der Bassist Ira Coleman (zupfte für Sting, Branford Marsalis) fühlt sich sichtlich wohl im Trio mit dem unberechenbar improvisierenden Multiinstrumentalisten, der verspricht, Klavier, Trompete etc. „With Love in My Fingers“ zu behandeln. Möglicherweise taucht obendrein ein weiterer Saxophonist auf. Das Genre des Abends ist eigentlich weniger für die Riesenhalle geeignet, Kammerjazz, gegengeschnitten mit einem verbalen und clownesken Bühnengebaren, das sich um keine medialen Anstandsregeln schert. Einer der ganz großen Humanisten unserer Zeit, nein. | www.helge-schneider.de ++++++++++++++++++++++++

Monteverdichor

17. Februar, 17 Uhr, Neubaukirche Die Kooperation von Prof. Matthias Beckerts Vokalensemble mit der Thüringen Philharmonie Gotha geht weiter, und ebenso die Reihe Würzburger Erstaufführungen. Zu Saisonbeginn stellt der Monteverdichor drei herausragende chorsinfonische Werke des Österreichers Heinrich von Herzogenberg (1843-1900) vor. Der gute Freund von Johannes Brahms stand dem Romantiker auch beruflich nahe, nachzuhören anhand von Requiem op. 72, Totenfeier op. 80 und Begräbnis-Gesang op.88. Die Solistin und Sopranistin Anna Nesyba gastierte seit 2008 mehrfach am Mainfranken Theater, Bass Jens Hamann ist Leipziger Bachpreisträger. | www.hochschulchor.uni-wuerzburg.de

Termine |

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O’Carolan’s Concerto 28. Februar, 19.30 Uhr, Siebold-Museum

Ariana Burstein (Cello) und Roberto Legnani (Gitarre) spielen virtuose Musik des Harfenspielers Turlough O’Carolan, der als bedeutendster irischer Komponist gilt: Er verband die alte keltische Melodik mit den lebensfrohen Rhythmen des italienischen Barocks – eine einzigartige Mischung. Das mehrsätzige Concerto erlebt in der Version für Cello und Gitarre eine Uraufführung. Dazu spielt das Duo Tangos, Eigenkompositionen und Werke wie Debussys „Le Petit Nègre“ und Ravels „Habanera“. | www.siebold-museum.byseum.de ++++++++++++++++++++++++

SDP

12. März, 20 Uhr, Posthalle Ja, nicht im Cairo, wie ursprünglich angekündigt. Aber das hätte sich die selbststilisierte „bekannteste unbekannte Band der Welt“ ja ausrechnen können, dass sie mit einem massenkompatiblen Youtube-Hit wie „Die Nacht von Freitag auf Montag“ neun Jahre nach ihrem Debüt „Räuberpistolen“ irgendwann mal selbst ran muss und nicht immer andere für sich in die großen Hallen schicken kann, wie etwa Ich+Ich, für die der SDPler Vincent Stein produzierte. Jetzt geht das Spandauer Duo Stonedeafproduction (SDP), das mit der weitaus dicker besetzten Band Seeed verglichen wird, zum ersten Mal auf Deutschlandtournee, und Würzburg als einer von neun Auftrittsorten musste gleich mal die Location nachrüsten. | www.stonedeafproduction.com ++++++++++++++++++++++++

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Guitar Masters 5

16. März, 19 Uhr, Wolffskeelhalle Reichenberg Allen Unkenrufen zum Trotz gibt es doch noch einmal ein Weltgipfelgitarristentreffen im kleinen Reichenberg. Der Pflichttermin für jeden, aber auch wirklich jeden Gitarrenfan verspricht Bossa vom Gianluca Persichetti-Trio, groovigen Blues von Adam Rafferty und Jazziges von Larry Coryell und Kazumi Watanabe, die sich für diesen Abend auch noch den so wunderbar unaufgeregten Perkussionisten Ramesh Shotham zur Unterstützung geholt haben. | www.guitarmasters.jimdo.com ++++++++++++++++++++++++

Seirei-Schulorchester

27. März, 19 Uhr, Barbarossa-Saal des Maritim-Hotels Das Siebold-Museum veranstaltet ein Benefizkonzert mit 80 Mädchen aus Nagoya. Alle spielen daheim im Orchester ihrer Seirei-Mädchenschule. Einstudiert haben sie Werke von Beethoven, Mozart, Tschaikowski und Wagner. Die jungen Musikerinnen treten in Würzburg zu Gunsten einer Hilfsaktion des SieboldMuseums für das Kinderheim in Ichinoseki auf, wie Hagoya auf der Insel Honshu gelegen und vor zwei Jahren beim Erdbeben stark beschädigt. | www.siebold-museum.byseum.de ++++++++++++++++++++++++

Tocotronic

5. April, 21 Uhr, Posthalle Mit brandneuem Album „Wie wir leben wollen“ signalisieren die Top-Indie-Rocker, dass sie weiterhin die großen Fragen des Menschengeschlechts mit ihren Schrammelgitarren berühren möchten. Nachdem sie sich zum Aufschwung vor Refrains schon vor ein


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Musik |

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paar Jahren den himmelstürmenden Sound der frühen U2 abgelauscht hatten, kommen sie jetzt gediegener daher, und das heißt – wir schlagen’s im Buch des Gitarrenpop nach – smithsiger. Da ist es denn ein schönes Glück für Dirk von Lowtzow, dass er sich seit den Geburtsjahren der Hamburger Schule einen eigenen Ruhm angesungen hat und nicht immer gleich mit Bono und neuerdings halt auch Morrissey verglichen wird. | www.posthalle.de ++++++++++++++++++++++++

Messiaen und der Jazz 24. April, 19.30 Uhr, Museum im Kulturspeicher

Drei bis vier Klangraumkonzerte veranstaltet der Freundeskreis Kulturspeicher jährlich, und für PianoSoli ist die Akustik im Foyer des Museums besonders geeignet. Heute spielt Markus Bellheim (Foto: Armin Fuchs), 2000 in Paris erster Preisträger des Concours Messiaen. Den Komponisten studiert der Absolvent der Würzburger Musikhochschule derzeit innig, spielt er doch in Koproduktion mit dem Hessischen Rundfunk eine Gesamtaufnahme seines Oeuvres für Soloklavier ein. Das Interessante am Programm des Abends ist, dass Messiaen den Jazz mit einer geradezu adornesken Inbrunst hasste. Dagegen, aber nicht deswegen, haben ihn viele Jazzer geliebt. | www.freundeskreis-kulturspeicher.de ++++++++++++++++++++++++

Mozartfest

24. Mai bis 30. Juni, verschiedene Orte Hochkarätige Konzerte im Kaisersaal und zunehmend in weiteren Tonhallen sind die eine Seite des ältesten deutschen Mozart-Festivals. Daneben wird

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verfolgen lässt. So sind nachmittags Bands auf der offenen Bühne zu erleben. Da ist manche Entdeckung zu machen. Zum Rahmenprogramm gehören Filme, die das Schwerpunktthema des Jahres behandeln. Die Universität Würzburg gestaltet das Festival in einem eigenen Info-Zelt mit. Für Kinder ist aufs unterhaltsamste und transkulturellste gesorgt, es gibt Ausstellung, Basar und traditionelle Handwerker in einer Bambushalle. Und der Havana-Club schließlich lässt tagsüber feinsten Kaffee schmecken, abends verwandelt er sich in eine Rum-Probierstätte und vor allem in eine karibische Disko. Neueste Informationen bekommen Abonnenten des Newsletters, die sich auf der Homepage des Afro Project einschreiben (Foto: Franck Blanquin). | www.africafestival.org

25. Africa Festival

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die Klassik an Hörer herangeführt, die nicht unbedingt mit Mozart und Beethoven ins Bett gehen. So erklingen z. B. am Eröffnungswochenende kostenlose Konzerte beim „Mozart-Tag“ in der Würzburger Innenstadt, und es gibt gegen geringen Eintritt die Nachtmusiken im festlich illuminierten Hofgarten der Residenz. Von den Großen sind diesmal dabei das Orchestre des Champs-Elysées unter Leitung von Philippe Herreweghe, die Bamberger Symphoniker mit Rudolf Buchbinder, Amsterdam Sinfonietta und Patricia Kopatchinskaja, das Kammerorchester Basel mit Angela Hewitt, Sonatori de la Gioiosa Marca und Giuliano Carmignola. | www.mozartfest-wuerzburg.de

30. Mai bis 2. Juni, Talavera Vor 24 Jahren erlebten 600 AKW-Besucher die Bands Africa Soli aus Guinea, Rai Express aus Algerien und Akapoma aus Ghana. Das veranstaltende Afro Project hatte sich „musikalische Entwicklungshilfe für Deutschland“ aufs Banner geschrieben. 2012 ließ das Afro Project sein Publikum wünschen, welche Superstars mit biographischen oder musikalischen Bezügen zu Afrika im Würzburger Jubiläumsjahr noch einmal auftreten sollten. And the winners were Manu Dibango (Auftritt 30. Mai 2013; nicht unter den großen Zehn), Habib Koité & Bamada (31. Mai; Platz 4), Salif Keita (31. Mai; Platz 3), Youssou N‘Dour (1. Juni; Platz 1) und Alpha Blondy & Solar System (2. Juni / Platz 5). Die Zweitplatzierte Angélique Kidjo singt nach ihrem Gig 2012 nicht gleich wieder am Main. Das prominente Abendprogramm geht im Zirkuszelt über die Bühne. Insgesamt verwandeln sich die Talavera-Wiesen in eine Kennenlern-Messe für Kulturen, deren Geschichte sich bis nach Afrika zurückKulturGut 11 | Seite

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David Garrett – Music!

31. Mai, 19.30 Uhr, Residenzplatz Mit Band und großem Orchester ist David Garrett im Mai und Juni 2013 unterwegs und macht mit seiner neuen Open Air Crossover-Tour auch in Würzburg Halt. Dass manche Karte nur verkauft wird, weil die Mädels den „bestaussehenden Geiger der Welt“ (Stefan Raab) endlich mal leibhaftig sehen wollen, stört das einstige Klassik-Wunderkind nicht –ein gutes Produkt braucht, wie er sagt, auch „eine geile Verpackung“, und was die bewusste Inszenierung anbelangt, verweist er auf Paganini und Callas. Garrett verdient heute, sagt er selbst, weit besser denn als Wunderkind. Ihm ist klar, dass sein Zielpublikum nicht unbedingt fortgeschrittene Klassik-Fans sind. Und er hat zwar keine Hemmungen, kostbarstes Pop- und Klassik-Material auf knalliges CrossoverFormat herunterzufiedeln - seine Geige jedoch ist dem Blonden extrem heilig. | www.argo-konzerte.de


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J辰hrlich tausend Kunstwerke Zum zehnten Geburtstag des Museums am Dom von Joachim Fildhaut / Fotos: Thomas Obermeier, Benjamin Br端ckner KulturGut 11 | Seite

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MW_Damisch_Ad_4c_93x133_Kulturgut 11.12.12 12:34 Seite 1

Gunter Damisch Teile vom Ganzen

Sammlung Würth und Leihgaben Museum Würth Künzelsau 17. 11. 2012 bis 21.4. 2013 Täglich 11 bis 18 Uhr

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MUSEUM Reinhold-Würth-Str. 15 74653 Künzelsau www.kunst.wuerth.com Gunter Damisch Rotweg Weissfeld 2004/05 (Detail) Sammlung Würth, Inv. 14875 © Gunter Damisch, 2012 Alle Aktivitäten des Museum Würth sind Projekte der Adolf Würth GmbH & Co. KG.

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+ „Hing das schon immer hier?“, fragt sich der Besucher, der im Frühjahr 2003 zum ersten Mal und nun erneut im Kunstmuseum der Diözese Würzburg steht, immer wieder. Das Museum am Dom lebt. Im Rückblick auf die ersten zehn Jahre fällt dem Gründer Jürgen Lenssen als bedeutsamstes Phänomen ein: „Wir haben unerwartet viele Zustiftungen bekommen – über 10.000.“ Davon entfallen 4000 – meist Zeichnungen – auf Yehuda Bacon, 3700 auf Skizzen von Friedrich Press, aus dessen Nachlass außerdem 130 Skulpturen und Modelle stammen. Bleiben 2170 Werke, die nicht in solch riesigen Konvoluten übereignet wurden. Dabei sei es noch nie vorgekommen, erzählt der Sonderausstellungskurator Michael Koller, dass ein Stifter die Bedingung stellte: ‚Ihr kriegt dieses schöne Bild, müsst es dann aber auch ausstellen…’ Eine Garantie für die Übernahme in die Dauerausstellung gibt es nicht. Aber, was für Stifter wesentlich sein kann: Das Museum am Dom hält ihre Werke auf Dauer für die Forschung zugänglich. Besonders wenn ganze Nachlässe ins Depot kommen, müssen sich die Erben darauf verlassen können. Unabhängig von den Interessen der Gelehrtengemeinde möchten die Würzburger Museumsleute übrigens selbst gern die eine oder andere wissenschaftliche Aufbereitung ihrer Schätze vorlegen. Eine Aufnahme in die Dauerausstellung verbietet sich für die meisten neuen Stücke ohnehin, weil sie Arbeiten auf Papier und entsprechend lichtempfindlich sind. KulturGut 11 | Seite 39 | Würzburg Ci_Anzeige Kopie_ZW.indd 1

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Inbrunst und Expression: Für Sonderausstellungen wie zuletzt die Installation des ArtePovera-Vertreters Jannis Kounellis räumt das Museum am Dom auch schon einmnal sein komplettes Souterrain frei. Und wenn gerade die großen Namen fallen: Das rotbefleckte Gewand rechts unten ist selbstverständlich ein Nitsch.

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Woraus und worauf lebe ich? Wem es in den letzten Jahren aufgefallen sein sollte: Das Museum am Dom war immer dunkler geworden. Die modernen Leuchtstoffröhren verloren nach etlichen Jahren an Illuminationskraft. Unlängst wurden alle Lichter ausgewechselt, die Säle tauchen ihren Inhalt wieder in ein makelloses Weiß. Sukzessive zum Hellen gewandelt hat sich in den ersten zehn Lebensjahren des Hauses dagegen das Ansehen seiner Fassade. Für die musste ein mit funktionslosen Bogen verblendeter Heimatstil-Bau der frühen Nachkriegszeit weichen, eine Schnuckeligkeit, an der manches Würzburger Herz arg hing. „Aber selbst fleißige Unterschriftensammler gegen den Neubau“, schmunzelt Jürgen Lenssen, „kommen inzwischen zu den Ausstellungseröffnungen.“ In den ersten zehn Jahren spendete der Förderverein Freunde des Museums am Dom 300.000 Euro. Zudem konnten Neuanschaffungen aus den Erlösen der Stiftung Kunstsammlung der Diözese Würzburg getätigt werden. Was die Akzeptanz betrifft: Das Museum am Dom verfolgt bekanntlich das Konzept, alte und neueste Kunst thematisch miteinander zu verschränken, dabei auch säkulare Standpunkte zuzulassen und keinen Schwerpunkt auf Sakralkunst zu legen. Das mag manchem Kirchgänger unlieb aufstoßen, indes weist Domkapitular Jürgen Lenssen darauf hin: „Es ist lediglich eins von acht Museen der Diözese Würzburg.“ Andere richten sich beispielsweise an Erscheinungsformen der Volksfrömmigkeit (Astheim bei Volkach) oder des Pilgerwesens (Dettelbach) aus. Der Museumsgründer hat es gern groß, mag aber keine Superlative, sagt er. Und zwar auf die Frage nach der größten inhaltlichen Auseinandersetzung, die er seit Bestehen des Museums führen musste. Wichtiger als eine solche Evaluation in eigener Sache ist ihm die Klarstellung für die Zukunft: „Diskussionen um einzelne Werke entzünden sich vielfach aus zwei Gründen: Der Betrachter verwechselt Bild und Abbild.“ Und ein Museum sei „weder eine Kirche noch eine Sakristei, sondern ein Ort des Dienstes, um den Menschen zu den Grundfragen zu führen: Wer bin ich? Woraus lebe ich? Worauf lebe ich zu?“ Damit versucht Lenssen, „den Intentionen der Künstlerinnen und Künstler zu entsprechen“. Denn die wollen nicht, dass ihre Werke in eine Chronologie der -ismen eingespannt, die wollen nicht als Vertreter einer bestimmten Richtung abgehakt werden, sondern wollen ihren Zeitgenossen etwas sagen. Dem kommt das Museum am Dom entgegen, indem es die Werke in thematische Zusammenhänge stellt, die eine Auseinandersetzung begünstigen. Dazu wird die Hängung an zwölf Schwerpunkten ausgerichtet. Im Zuge der Neu-Hängung wurden die Schlagwörter auch schon einmal beherzt mit ausgewechselt. Die gegenwärtige Stichwortreihe beginnt mit dem Phänomen „Wahrnehmung“. Es folgt, so Lenssen, „kein Gang durch die Kunstgeschichte, sondern durch die eigenen Lebensstationen“.

Info: Am 6. März vor zehn Jahren wurde das Museum

Wir setzen Ideen um. Agentur für Kommunikation & Verlag. Das KulturGut ein Medium aus dem Hause MorgenWelt. Ihr Produkt für morgen schaffen wir gestern. Gerberstrasse 7, 97070 Würzburg, Tel.: 0931 3299910 www.morgenwelt-wuerzburg.de

am Dom eröffnet. Domkapitular Jürgen Lenssen führt daher um 19.30 Uhr durch die Dauerausstellung. Zu dieser Veranstaltung der Freunde des Museums am Dom sind auch Nichtmitglieder willkommen. KulturGut 11 | Seite

MorgenWelt Würzburg GmbH

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Kunst |

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Raumquartier – Herr B. stört den Raum

8. Februar bis 3. März, BBK-Galerie Schön, wenn ein Bildhauer auch die akustischen Qualitäten seiner Werkstoffe zu würdigen weiß. Dierk Berthel tut dies und bastelt schon seit einigen Jahren aus den Klängen, die ihn umgeben, seine eigenen „soundscapes“. Im Februar verlässt er sein Atelier in Rannungen und quartiert sich in der BBK-Galerie ein. Als „work in progress“ wird dort eine Skulptur im Raum entstehen, die sich täglich durch die Anwesenheit des Künstlers ändert – Herr B. stört den Raum. Aber nicht alleine. Als Störenfriede hat er befreundete Musiker eingeladen, die ihre Soundscapes mit seinen Samples durch Raum und Zeit schwirren lassen. Bis zur letzten der insgesamt 37.380 Minuten. Wer keine Zeit hat, sich mit dem Schlafsack in der Galerie einzuquartieren, kann das, was zwischen dem ersten Störtermin mit Stefan Hetzel und Jochen Volpert (9. Februar, 19 Uhr) und dem letzen mit Carola Thieme, Jochen Volpert und Ernst Luksch (3. März, 17 Uhr) passiert, detailliert im Logbuch nachverfolgen. | www.bbk-unterfranken.de | www.raumquartier.wordpress.com ++++++++++++++++++++++++

Yehuda Bacon

ab 10. Februar, verschiedene Orte Gleich drei Institutionen zeigen anlässlich der Aufführung der Theresienstädter Kinderoper „Brundibár“ Arbeiten des israelischen Künstlers Yehuda Bacon. Er und eine weitere Mitwirkende der KZ-Aufführungen, Greta Klingsberg, kamen nach ihrer Befreiung 1945 in Kinderheimen des christlichen Humanisten Premysl Pitter unter – ihm ist eine vom Prager Pädagogischen Museum und dem Institutum Bohemicum konzipierte Ausstellung im Oberen Foyer des

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Mainfranken Theaters gewidmet, die durch Zeichnungen und Dokumente Bacons ergänzt wird (Vernissage am 10. Februar, 20 Uhr; bis 3. März). Gleich gegenüber am Kardinal-Faulhaber-Platz sind in der Galerie Gabriele Müller Gemälde, Aquarelle und Zeichnungen zu sehen (Vernissage mit Eva-Suzanne Bayer am 13. Februar, 17.30 Uhr; bis 28. Februar). Das Museum am Dom schließlich, dem Bacon seinen Vorlass anvertraute, kann aus dem Vollen schöpfen und hat das Zwischengeschoss mit einer Auswahl bestückt. Die bietet einen repräsentativen Querschnitt des malerischen, vor allem aber des zeichnerischen Werks und dokumentiert auch, wie Bacon, der anfangs noch mit seiner KZ-Nummer signierte, sich allmählich von der düsteren Auschwitz-Thematik lösen kann und zu dem ihm eigenen spontan-impulsiven Strich findet, der seinen späteren Gemälden und Zeichnungen ihre Eleganz und heitere Leichtigkeit verleiht (13. Februar bis 3. März). | www.theaterwuerzburg.de | www.museum-am-dom.de ++++++++++++++++++++++++

Hetzfelder Flößerzunft

bis 28. Februar, Beratungscenter Sparkasse Mainfranken Verlängert wurde die Ausstellung mit Arbeiten namhafter Mitglieder der 1905 gegründeten Künstlergilde, darunter Zeichnungen von Curd Lessig, Skizzen des Würzburger Dombaumeisters Hans Schädel, Plastiken von Lothar Forster und Reiseskizzen des ehemaligen Stadtgrafikers Ernst Weckert. | www.sparkasse-mainfranken.de ++++++++++++++++++++++++

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sakral – profan

5. März, 19 Uhr, Spitäle Bis zur Bombardierung 1945 war die heutige Galerie der Vereinigung unterfränkischer Kunstschaffender ein Kirchenraum. Der Goldschmied Matthias Engert, die Textil- und Objektkünstlerin Christine Schätzlein und der Bildhauer Kurt Grimm taten sich nun zur Gruppe creo zusammen und nutzen die profanierte Spitalkirche, um mit ihrem multimedialen „Raumspiel Kunstkirche Spitäle“ vom 3. März bis 1. April die Frage nach den Formen einer zeitgemäßen Liturgie neu zu stellen. Zahlreiche Veranstaltungen und ein Katalogband begleiten die Rauminstallation. Was sich die Künstler bei ihrem Projekt gedacht haben, erläutern sie an diesem Dienstagabend. Für theologische Zwischenrufe ist der Salzburger Dogmatikprofessor Hans-Joachim Sander zuständig, der Jazz-Saxophonist Hubert Winter sorgt in den Pausen für eine weitere Stimme im Gespräch über den Zusammenhang von Sakralem und Profanem und ihr nicht immer spannungsfreies und daher äußerst spannendes Verhältnis zueinander. | www.vku-kunst.de | www.domschule-wuerzburg.de ++++++++++++++++++++++++

Der Berliner Skulpturenfund 10. März, 15 Uhr, Museum im Kulturspeicher

Dass es sich bei den Skulpturenfragmenten, die 2010 bei Grabungen in der Berliner Rathausstraße entdeckt wurden, nicht um vor- und frühgeschichtliche Artefakte handelte, war relativ schnell klar. Aber erst, nachdem ein Terrakottakopf als Teil von Emy Roeders Plastik »Die Schwangere« (1918) identifiziert werden konnte, zeichnete sich der Zusammenhang ab, der den Fund zur Sensation werden ließ: Es handelte sich um sechzehn verschollen geglaubte Skulpturen,


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Kunst |

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die ab 1937 in der NS-Wander-Feme-Ausstellung als “Entartete Kunst” diffamiert worden waren. Das Kopffragment ist nun vom 9. März bis 20. Mai in einer von den Staatlichen Museen zu Berlin kuratierten Ausstellung auch in Würzburg zu sehen – immerhin bewahrt der Kulturspeicher den Nachlass Roeders und eine Holzfassung der „Schwangeren“. Rudi Held erklärt die künstlerischen und zeitgeschichtlichen Zusammenhänge und konfrontiert die diffamierten mit propagandistischen Werken der NS-Zeit. | www.kulturspeicher.de | www.rudis-kunstgeschichten.de ++++++++++++++++++++++++

Die 7¹⁄² Leben des Walter Moers

ab 17. März, Deutschordensmuseum und Kulturforum Bad Mergentheim Egal, ob das „Kleine Arschloch“ den „Alten Sack“ im Rolli ärgert oder „Adolf die Nazi-Sau“ in seiner Bunker-Badewanne Durchhalteparolen trällert – Sympathieträger sind und waren die Titelhelden des zeichnenden Autodidakten Walter Moers, dessen Comics seit Mitte der 1980er Jahre in den SatireZeitschriften Kowalski und Titanic oder beim Eichborn-Verlag erschienen, erstmal nicht. Und trotzdem lachte man, mit schmerzverzerrtem Gesicht. Mit dem knuffigen Käpt’n Blaubär war es da schon etwas anders, auch wenn das, was seine „Kuriose Kombüsenküche“ den jungen Zuschauern der Sendung mit der Maus vorsetzte, grundsätzlich ungenießbar war. Nur dummes Zeug brachte er den Kindern bei, und seine haarsträubenden Geschichten glaubten ihm zum Glück höchstens seine drei Bärenenkel. 1999 zog Moers mit Blaubär um, auf den fantastischen Kontinent Zamonien und in das Reich der illustrierten Erwachsenenliteratur. Bücher und Lesen und das Jonglieren mit Worten und Sätzen spielen in den

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mittlerweile sechs Zamonienromanen eine große Rolle – und outen, wie auch die Illustrationen, den notorisch öffentlichkeitsscheuen Moers nicht nur als Scrabble-Fan, sondern auch als recht guten Kenner der Literatur- und Kunsthistorie. Die Ausstellung stellt den 1957 in Mönchengladbach geborenen Geschichtenerfinder mit über 200 originalen (und teils noch unveröffentlichten) Zeichnungen, Skizzen, Gemälden, Skulpturen, Puppen und Filmen in medialer Breite vor. | www.deutschordensmuseum.de

an sich. Der Frage nach Wandel und Konstanten des Menschenbildes in den letzten 125 Jahren geht die Ausstellung mit 200 Gemälden, Skulpturen, Zeichnungen und Installationen von mehr als 100 Künstlern nach. Die ebenso vielfältige wie illustre Bandbreite künstlerischer Weltsichten und Obsessionen demonstriert auch die gelungene Ankaufspolitik der Sammlung in den letzten Jahren, handelt es sich bei einem Großteil der Exponate doch um Neuerwerbungen und erstmals in der Kunsthalle gezeigte Werke. | www.kunst.wuerth.com

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Eine Loge im Welttheater

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bis 14. April, Museum Georg Schäfer, Schweinfurt

Momento Eterno

Bis zur Verdrängung durch die Fotografie hatte das gemalte oder gezeichnete Interieurbild herzuhalten – als Erinnerungsstütze oder Demonstrationsobjekt, als Alltags-, Milieu- und Stimmungsschilderung und auch als Spiegel seiner Bewohner. Die rund 65 Innenansichten aus der Zeit von 1800 bis 1910 stammen großteils aus der in dieser Hinsicht besonders gut und qualitätvoll bestückten Graphischen Sammlung des Museums und wurden nur durch einige wenige Leihgaben (aus dem Germanischen Nationalmuseum Nürnberg und anderen Schweinfurter Sammlungen) ergänzt, um die ganze Breite des Genres zu dokumentieren. | www.museumgeorgschaefer.de

bis 2. Juni, Kunsthalle Würth, Schwäbisch Hall

Der Expeditionsfotograf Willy Sinn, der Radnomade Mario Gerth und nun Carmen Spitznagel – geht man die Liste der Fotografen durch, die von der Galerie Immagis in der Franziskanergasse vertreten werden, so kann man wohl beipflichten: „eine exzellente Selektion zeitgenössischer Photographie“. Ins Auge fielen den Passanten die etwas versteckten Schaufenster bei der Riemenschneider-Weinstube schon oft. Jetzt wurde hier ein Projekt heimisch, das direkt an den sozialen Impetus der Fotokuratoren anflanscht: Die Reihe „Art.charity“ – seit vier Jahren im Internet präsent – zweigt zehn Prozent der Verkaufserlöse für wohltätige Zwecke ab. Die Foto-Editionen versprechen sehr hochwertige Digi-Prints aus profilierten Vertragslaboren. „Momento Eterno“, der ewige Augenblick – der Titel bezieht sich auf Carmen Spitznagels Ziel, die monochromen Küstenlandschaften besonders nachhaltig in Sinn und Seele des Betrachters nachwirken zu lassen. | www.immagis.de

Darstellungen von Menschen sind meist auch Darstellungen der jeweiligen Vorstellung vom Mensch

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Von Kopf bis Fuß

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bis 28. Februar, Immagis Galerie


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Über das Internet in den Laden zurück „Lass den Klick in deiner Stadt“: Würzburger Buchhändler verkaufen ganz persönlich online von Christian Neubert / Foto: Benjamin Brückner

+ Früher war alles ganz einfach: Fleischwaren gab´s beim Metzger, Brot beim Bäcker, Werkzeug im Eisenwarenhandel und Bücher im Buchladen. Dann war es plötzlich noch einfacher, denn irgendwann bekam man all das im Supermarkt – einmal quer durch, ab an die Kasse und fertig. Und heute? Heute ist es so einfach wie nie zuvor. Im Internet gibt es alles. Per Mausklick, rund um die Uhr, auch feiertags. Ein paar Tage später ist es da. Man könnte meinen, das Internet hätte den Fachverkäufer genauso abgelöst wie moderne Textverarbeitungssoftware den Drucksetzer. Dem ist aber nicht so, weil der Einzelhändler mehr bietet als ein anonymer Versender. Zum Beispiel Fach- und Hintergrundwissen. Oder ein Sortiment mit einem durchdachten Konzept. Und, um einmal vor seiner offenen Ladentür zu kehren: eine belebte Innenstadt. Dennoch kriselt es in der Branche. Zugunsten multinationaler Konzerne brechen die Umsätze des Einzelhandels jährlich weiter ein. Verglichen mit anderen Branchen hat der Buchhandel einen vermeintlich guten Stand, denn Bücher unterliegen der Preisbindung. Sie kosten überall gleich viel, egal ob online oder im Laden. Doch obwohl die allermeisten Fachhändler selbst Online-Shops betreiben, landet das Gros der Internet-Bestellungen im virtuellen Warenkorb von Amazon. Das liegt vorrangig am verbreiteten Irrglauben, Amazon könne alles, der heimische Verkäufer nur ein begrenztes Sortiment liefern, vermuten Elisabeth Stein-Salomon und Werner Beyer. „Dabei können wir fast jedes Buch innerhalb eines Tages besorgen. Wer seinen Kauf von zuhause aus tätigen möchte, bitteschön: Online geht bei uns auch. Und wer zu uns in den Laden kommt, hat sogar bei KulturGut 11 | Seite

vermeintlich vergriffenen Bänden die Chance, über uns an Archivexemplare zu gelangen.“

Netzwerke des Vertrauens und Leben in der Stadt Damit nicht noch mehr Kunden zu Versandhandelsriesen abwandern, haben sich Stein-Salomon, Inhaberin der Akademischen Buchhandlung Knodt, und Beyer, Inhaber des Buchladens Neuer Weg, mit anderen Würzburger Buchhändlern zusammengetan. Gemeinsam mit Ulla Rottmann vom Buchladen Dreizehneinhalb und Adolf Wolz von der Buchhandlung Schöningh haben sie die Initiative »Lass den Klick in deiner Stadt« ins Leben gerufen. Sie möchten am Buy-Local-Gedanken anknüpfen, der mittlerweile in vielen Städten die Menschen unter einem Banner eint. Schließlich sehen die Fachhändler sich in ihrer Existenz und die Käufer sich von verwaisten Innenstädten bedroht. „Den heimischen Einzelhandel zu unterstützen ist entsprechend eine politische Entscheidung, die weit über den Kauf einer bestimmten Ware hinausgeht.“ Ein Drittel aller Buchverkäufe werde inzwischen über Amazon abgewickelt, erklären die Initiatoren. Als alteingesessene Händler verfügen sie zwar je über eine Stammkundschaft, doch diese droht angesichts der aktuellen Entwicklung über kurz oder lang wegzubrechen. Immerhin erkenne man den Trend des anonymen Online-Kaufs vor allem bei den Unter-Dreißig-Jährigen.

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Um dieser Entwicklung entgegenzuwirken, möchten sie Netzwerke aufbauen und Vertrauen wecken. Und ein Bewusstsein schaffen. Ein Bewusstsein dafür, dass sie mit ihren Läden und Online-Shops in Sachen Vielfalt, Einfachheit und Tempo locker mit reinen Internetversendern mithalten können. Aber auch ein Bewusstsein dafür, dass sie mehr leisten als bloße Warenbeschaffung. „Die Leute sollen erkennen, dass wir im Gegensatz zu Amazon nicht nur für einfache und rasche Abwicklung, sondern darüber hinaus mit dem eigenen Ruf einstehen.“ So sieht sich Werner Beyer nicht nur als Dienstleister, sondern auch als Kulturvermittler. „Meine Kollegen und ich wollen den Leuten gute Ansprechpartner sein, weswegen wir nicht nur ökonomische Interessen verfolgen. Unsere Anliegen sind umfassender als die eines in erster Linie profitorientierten multinationalen Konzerns.“ Natürlich ist für sie als eine vitale Innenstadt von Interesse, weswegen sie Lesungen veranstalten, sich für einen Jugendleseclub engagieren oder das Literaturfrühstück austragen. Als Händler leben sie nun mal von der Stadt. Sie leben allerdings auch in ihr. Und die Stadt? Die lebt durch uns alle.

LINKS: | www.dreizehn-einhalb.de | www.knodt.de | www.neuer-weg.com | www.schoeningh-buch.de KulturGut 11 | Seite

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Minna könnte Flusen fressen Die literarische Erstveröffentlichung von Peter Sandkopf

+ Nach dem Seminar ist vor der Seminartür. Da drängte jede schnellstens in ihre Richtung. Keine einzige Frau trödelte auch nur ein Sekündchen herum, keine blieb, mit der du ein Grüppchen bilden könntest, zusammen abziehen und Wunden lecken. Anlass genug hattest du. Fing schon bei der Dozentin an, die war von ihren komischen Theorien völlig eingenommen. Pädagogik hieß bei der: Erstens was stand zweitens wann drittens bei wem in viertens welchen Schulbüchern? Dabei hatte die doch noch keine einzige Fibel mit echten Eselsohren aus Kinderhand in ihre manikürten Pfoten genommen, sondern brach sich nur einen ab über Konzepte, Kultusministerkonferenzen, Lehrplantheorie. Curriculumforschung nannte sich der Stuss. Klar, schnaubtest du, dass ein paar Typen voll drauf abfuhren. Soviel wie du von deren Referaten begreifen konntest, hangelten die sich aber auch bloß an vorgekauten Fremdwortkaskaden entlang, das allerdings mit Volldampf, nur natürlich ohne selbst zu verstehen, worauf das überhaupt hinauslief. Die große Schwarze in der vorletzten Bankreihe hatte wenigstens einmal aufgemuckt. Die hatte es zumindest versucht. Oder wollte die auch bloß was putzen und mitbrillieren, als sie einwarf, sie hätte gern mal gewusst, inwieweit der „Anspruch einer wissenschaftlichen Durchdringung denn wohl später mit unserer schulischen Alltagspraxis“ – hier hatte die Schwarze zu stocken angefangen: „inwieweit also die Seminartheorien im Leben als Lehrer dann…“ Als „sehr interessante Anregung“ hatte die Dozentin diesen „kritischen Ansatz“ hochgelobt, Intellektualschlange!, und sich nach „weiteren Fragen“ erkundigt. Man, gerade als Frau, müsste dieser Kostümschlampe ihre Gemeinheiten glatt um die Ohrenclips hauen: Meine Beste – das eben war keine Frage, das war eine Infragestellung, und zwar eine Infragestellung des ganzen Lehrstuhls, den wir euch eines nicht mehr fernen Tages mit Schmackes unter eurem gepflegten Arsch wegtreten! Aber deine Geschlechtsgenossinnen rotteten sich nichtmal zusammen, um ihre Wunden – schon wieder dieses… wie hieß das noch gleich? Nicht „Symbol“, weil Symbol war literaturwissenschaftlich definiert als ein Zeichen, das das Bezeichnete zugleich verkörperte, KulturGut 11 | Seite

wie Gold zum Beispiel den Wert oder der Hund die Treue, wobei die große Schwarze übrigens auch in diesem verquasten Literaturwissenschaftlerseminar saß, hatte da letztens was wunderbar wertvoll golden Schnippisches eingeworfen, aber trotzdem unterm Strich alles sinnlos, besonders mit den Kerlen, die benutzten die Freiheit des Lehrbetriebs überall und in jeder Stunde für lauter Bluff und Hirngewichs – du hattest es: Metapher. Du hast es erkannt: Hirnwichsen und Wundenlecken gehörten zu den Metaphern, im Unterschied zu den Symbolen, was du dir merken wolltest, wenn du dich auch fragtest, ob hier beim einsamen Schlurfen durch die Betonflurwurmlöcher in Alma Maters Bauch schon wieder derart zweck- und heillos differenziert werden musste in Metaphern, Symbolsalat und den ganzen Schrott. Immer alles einteilen, differenzieren, auseinanderklamüsern, als wenn die täglichen Studiumswunden nur Metaphern wären und keine tatsächlichen Kerben, Einschläge im Kopffleisch der strebend Beflissenen und Bemühten: Da wirrst du echt bemühtskrank. Als wirkliche Wunden kriegten sie dazu auch noch den Adelsschlag des Hochsymbolischen, ob du wolltest oder nicht. Komplizierter Fall, über den du dich am liebsten ausgeheult hättest, nur sicher nicht mit den drei, vier blonden Flusen, die unterm Eck des Cafeteriapodests aufeinander eingackerten: „Beesch“, es ging um „Beeehsch!“ und um „meine Kusine, die auch“, „Aber doch wohl kaum mit so einer orangenen Bluuuse!“ Kichersalve. Die meinten Frau Doktors Kostüm, das beige, und tuschelten sich eins drüber ab, und was das überhaupt sei, so ein Furikulum? Eine jubelte aus dem Gewuschel „absolut null, null, null“, die nächste pflichtete pflichtschuldigst bei: „Noch weniger als das, ich hab heute minus gar nichts kapiert.“ Die fanden das zum Lachen. Mit denen deine Wunden zu lecken lag unter jedweder Würde.

Info: In dem Romanfragment „Im Streichelzoo des abso-

luten Geistes“ schließt sich die frustrierte Studentin Minna einem Kreis von ästhetischen Terroristen an, um die Welt mit einem „Kultursommer“ zu verbessern. Man schreibt das Jahr 1977.

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Literatur |

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Richard Wagner in Franken

8. Februar, 16.30 Uhr, UB am Hubland Als Komponist und Librettist, aber auch als Kommentator seines Schaffens und seiner Zeit war der polarisierende Musikgigant recht fleißig. Kein Wunder also, dass sich sein Name auch in den Beständen der Universitätsbibliothek vehement niederschlug: 2647 Titel von und über Richard Wagner listet der Katalog bei der Freitextsuche, dazu kommen rund 140 Theaterzettel des 19. Jahrhunderts, die Aufführungen seiner Werke am Würzburger Stadttheater dokumentieren. Die 90-minütige Führung zeigt die interessantesten hauseigenen Dokumente über den vor 200 Jahren geborenen Komponisten und sein Wirken in Franken. | www.bibliothek.uni-wuerzburg.de

Termine |

Der Schoppenfetzer und die Satansrebe 15. März, 19 Uhr, Mainfränkisches Museum

Natürlich haben die Lesungen, die sich das Museum im Geburtstagsjahr schenkt, etwas mit der Lokalhistorie zu tun: Tilman Riemenschneider, Florian Geyer oder die Würzburger Hexenprozesse dienten den Autoren Günther Huth, Roman Rausch und Markus Grimm als thematische Aufhänger. An einen Tatort seines zehnten Krimis um (Ex-)Kommissar Rottmann kehrt Autor Huth an diesem Abend zurück – schließlich spielt der Tod des Museums-Hausmeisters eine nicht unbedeutende Rolle bei der Lösung des Falls. Weitere Lesungen am 5. April (abermals Huth), 26. Juli (Rausch) und 27. September (Grimm), je 19 Uhr. | www.mainfraenkisches-museum.de

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Dramatische Flucht 20. Februar, 19.30 Uhr, Handwerkskammer

Im September 1936 wurde der evangelische Theologe Kuno Fiedler (1895-1973) in Dettingen von der Gestapo verhaftet – sie hielt ihn für den Agenten eines von Thomas Mann geleiteten Spionagerings. Tatsächlich stand Fiedler seit 1915 in Briefkontakt mit dem von ihm bewunderten Autor, und auch die spöttische Schilderung des Täufers der Mann-Tochter Elisabeth im „Gesang vom Kindchen“ konnte die Freundschaft nur kurzfristig trüben. Am Beispiel Fiedler beleuchtet der Altphilologe Hans-Ludwig Oertel die Situation Oppositioneller im Naziregime und rekonstruiert die Flucht aus dem Würzburger Landgerichtsgefängnis, die glücklich in Küsnacht bei den Manns endete. | www.frankenbund-wuerzburg.de ++++++++++++++++++++++++

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Mainungen

17. März bis 14. Juli, Museum Otto Schäfer, Schweinfurt Begleitend zur Landesausstellung zeigen Kulturamt, Rückert-Gesellschaft und Stadtarchiv Schweinfurt im Museum Otto Schäfer, was sie zum Thema „Der Main und die Literatur“ zu bieten haben. Vorgestellt werden Autoren, die am Main geboren wurden oder lebten (Celtis, Goethe, Jean Paul, Rückert, Svevo, Dauthendey, Frank, Maar und Gasseleder) und solche, in deren Leben und Wirken der Main eine besondere Bedeutung hatte (Kleist, Immermann, Platen, Fontane, Scheffel, Hesse und Tucholsky). Dazu kommen Bücher, die dem Main gewidmet sind, wie Gustav von Heeringens „Wanderungen durch Franken“ (illustriert von Ludwig Richter) oder Wolfgang Weyrauchs „Der Main eine Legende“ (illustriert von Alfred Kubin). | www.bibliothek-otto-schaefer.de KulturGut 11 | Seite

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Literarischer Frühling

ab 21. März, je 20 Uhr, Falkenhaus Ein alter Bekannter eröffnet die bis Mitte Mai in der Stadtbücherei laufende Autoren-Lesereihe literarischer Neuheiten: Hanns-Josef Ortheil stellt seinen im November 2012 erschienenen Roman „Das Kind, das nicht fragte“ vor, der „mit einer neuen Spiegelung“ sein autobiografisches Selbsterkundungsprojekt fortführt. Gespannt darf man auch auf Astrid Rosenfeld sein, die mit ihrem Erstling „Adams Erbe“ 2011 die Kritiker entzückte; sie kommt am 9. April mit ihrem im Februar erscheinenden Roman „Elsa Ungeheuer“. Und: Mit „Aus der Kümmerniß“ ist am 30. April auch Eckhard Henscheid wieder einmal zu Gast. Der von Klaus Gasseleder betriebene Wildleser-Verlag für „Mindheitenliteratur“ druckte den „gotteskundlichen Roman“, der vom jahrtausendealten Kampf zwischen Gott und Satan anhand unzähliger Quellen und in davon schwer infizierter Kunstsprache berichtet. | www.stadtbuecherei-wuerzburg.de ++++++++++++++++++++++++

Himmelsgarten

18. April, 20 Uhr, Spitäle Als „strenges und ausschweifendes wortklang-projekt, welches sich in jeder und durch jede aufführung wandelt“, bezeichnet die 1968 in Zürich geborene Komponistin Annette Schmucki ihre Performance „Himmelsgarten“. Glocken und Sampler kommen dabei zum Einsatz, vor allem aber die Sprache als Musikinstrument. Als Inspirationsquelle diente das gemalte Herbarium an der Decke der Klosterkirche St. Michael in Bamberg, die Schmucki 2012 als Stipendiatin der Villa Concordia kennen lernte. | www.spitaele.de | www.blablabor.ch


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Film |

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Vote Your Movie

4. Februar, 20 Uhr, Cineworld Dettelbach Seit November 2012 stehen im Netz allmonatlich fünf Filme zur Wahl, die nicht mehr im aktuellen Cineworld-Programm laufen, aber auch noch nicht auf DVD erschienen sind. Der Abstimmungssieger ist dann jeweils am ersten Montag des Folgemonats für freundliche drei Euro im Mainfrankenpark zu sehen. Vier Würzburger Studenten haben sich die Aktion ausgedacht, mit der sie an dem bayernweiten Existenzgründungswettbewerb „5 Euro Business“ teilnehmen. | www.voteyourmovie.de ++++++++++++++++++++++++

Es gibt keine Alternative zum Guten

14. Februar, 19.30 Uhr, Shalom Europa Für den Dokumentarfilm „Mut zum Leben – Die Botschaft der Überlebenden von Auschwitz“ begleiten Christa Spannbauer und Thomas Gonschior seit 2011 die Hamburger Sängerin Esther Bejarano (Foto: Oliver Wolters), die ungarische Autorin Éva Fahidi und den israelischen Maler Yehuda Bacon. Anlässlich der Premiere der Kinderoper „Brundibár“ kommt das Filmteam nach Würzburg, wo es, wenn alles klappt, erstmals zu einer persönlichen Begegnung der Filmprotagonisten kommen wird. Alexander Jansen unterhält sich mit ihnen am Tag nach der Premiere im jüdischen Gemeinde- und Kulturzentrum. Bereits am 12. März (19 Uhr) stellen sich dort auch zwei schulische Filmprojekte vor. Schüler des Röntgen-Gymnasiums begleiteten das „Brundibár“Projekt und befragten Darsteller, Vertreter der beteiligten Institutionen und Zeitzeugen der Aufführungen in Theresienstadt. Das Filmteam des Wirsberg-Gymnasiums folgte einer Schulklasse auf den Spuren der

Termine |

Deportation der jüdischen Bürger Würzburgs, von der damaligen Bahnstation Aumühle bis nach Theresienstadt. | www.theaterwuerzburg.de | www.mut-zum-leben-filmprojekt.org ++++++++++++++++++++++++

5 Aspekte der Architektur 20. Februar bis 20. März, je 19 Uhr, Spitäle

Treffpunkt Architektur goes Spitäle: An fünf Mittwochabenden stellt die Filmreihe Einzelaspekte des Bauens vor. Zum Aufwärmen gibt es jeweils einen Vorfilm von Studierenden der FH Würzburg (u.a. Würzburg bei Nacht, Dencklerblock), bei der Afterparty Live-Musik und Wein. Drei der Hauptfilme porträtieren auf recht unterschiedliche Weise Architekten des 20. Jahrhunderts: Der brasilianische Dokumentarfilm „Oscar Niemeyer – Das Leben ist ein Hauch“ (2007) von Fabiano Maciel ist eine akribisch recherchierte Hommage an den im Dezember 2012 verstorbenen Planer der Hauptstadt Brasilia, der selbst ausführlich darin zu Wort kommt (20. Februar). Eine sehr persönliche Spurensuche dokumentiert dagegen Nathaniel Kahns „My Architect“ (2003) – der Regisseur machte sich „mit architektonischer Faszination und biographischer Neugier“ auf die Suche nach Werk und Wesen seines 1974 verstorbenen Vaters Louis (27. Februar). Rem Koolhaas ist der dritte Abend (6. März) gewidmet: „A Kind of Architect“ (2008) nannten Markus Heidingsfelder und Min Tesch ihren Filmessay, der die vernetzte Gedankenwelt des niederländischen Architekturtheoretikers in ein stringentes Bildgewebe übersetzt. | www.spitaele.de ++++++++++++++++++++++++ KulturGut 11 | Seite

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39. Internationales Filmwochenende

14. bis 17. März, Cinemaxx, Programmkino Central Brandneue deutsche und internationale Filme aus allen Genres verspricht auch das diesjährige Filmwochenende. Darunter die deutsch-norwegische Koproduktion „Zwei Leben“ (Kinostart 2013) mit Juliane Köhler, Ken Duken und Liv Ullmann in einer Nebenrolle, in der Regisseur Georg Maas gleich zwei unrühmliche Kapitel der deutschen Geschichte zusammenführt. Zum Festivalschwerpunkt „Flucht und Asyl“ gehört der Schweizer Dokumentarfilm „Vol spécial“ (2011). Nachdem Regisseur Fernand Melgar in „La Forteresse“ (Goldener Leopard, Locarno 2008) dokumentierte, wie die Schweiz Asylbewerber empfängt, zeigt er nun das Ende des „Migrationsparcours“ in einem der 28 Schweizer Ausschaffungsgefängnisse. Das gesamte Programm ist ab Mitte Februar im Internet abrufbar. | www.filmwochenende.de ++++++++++++++++++++++++

Medizinhistorische Filmreihe 2013 Ein halbes Jahrhundert Medizin im deutschen Film stellt das Universitäts-Institut für Geschichte der Medizin mit zwölf Spielfilmen in zwölf Monaten vor, von Robert Reinerts „Nerven“ (1919) im Juli bis zu Falk Harnacks „Arzt ohne Gewissen“ (1959) im März. Im Mai steht „Paracelsus“ (1943) von Georg Wilhelm Pabst auf dem Programm, mit Werner Kraus in der Titelrolle. Die jeweiligen Termine werden erst kurzfristig bekannt gemacht. | www.central-programmkino.de ++++++++++++++++++++++++


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Vom Zentrum ins Kulturzentrum Central-Kino: Umzugsgedanken im zweiten Jahr von Christian Neubert / Foto: Benjamin Brückner

+ Filmvorführungen in einer Ex-Brauerei? Das riecht nach Saufkumpanen-Komödien wie „Bierfest“ oder „Hangover“? Doch das frühere Bürgerbräu-Gelände an der Frankfurter Straße wird eher zum Ort für europäisches Kino, für US-Independent-Filme und Arthouse-Produktionen. Die Macher des Central-Kinos planen einen Umzug vom MozartAreal in die Zellerau. Grund: der bevorstehende Verkauf des MozartGeländes. Das ehemalige Gymnasium war von Beginn an nur eine provisorische Bleibe für das Kino. Bereits im Frühjahr 2010, noch bevor das Central-Kino in der Maxstraße seinen Projektor scharf stellte, wurde über das Bürgerbräu-Gelände als angemessener Platz für ein Programmkino innerhalb der Würzburger Programmkino eG diskutiert. Immerhin boten die alten Gewölbekeller eine schöne und vor allem geeignete Kulisse. Noch dazu konnte man den Zugang barrierefrei gestalten. „Damals wurde jedoch nach einem Nutzungskonzept für das gesamte Areal gefragt. Wir wollten lediglich Kino machen. Unserer Genossenschaft war es nicht möglich, einen Plan für ein großes Gelände zu entwickeln“, berichtet Heidrun Podszus, Vorstand und Programmverantwortliche des Central-Kinos. Mittlerweile hat das Bürgerbräu-Gelände mit dem Architekten Roland Breunig einen Investor gefunden, weswegen ein Umzug in die Zellerau nicht nur erneut im Gespräch, sondern bereits dingfest ist. Breunig, selbst Mitglied des Würzburger Programmkino eG, leitet auch den Bau des Kinos, mit dessen Fertigstellung wir allerdings frühestens im Winter 2014 rechnen dürfen.

Die Schnörkel kommen später Dann jedoch erwartet uns ein Programmkino mit drei Sälen und neuester Projektionstechnik. Podszus erachtet die Vergrößerung von einem auf drei Säle beim Umzug für notwendig. „Unsere Besucherzahlen sprechen definitiv dafür. Außerdem wird von vielen Seiten geKulturGut 11 | Seite

Roland Breunig arbeitet viel an der Frankfurter 89. Der Architekt und Investor i

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wünscht, dass wir unsere Filme länger als eine Woche zeigen. Dies wird uns dann möglich sein, genauso wie wir nicht mehr gezwungen wären, schöne Programmideen in die Matinee zu verschieben. Darüber hinaus würde auch das Internationale Filmwochenende Würzburg von unserem Umzug profitieren.“ Die Gefahr sinkender Besucherzahlen, die der Umzug in die Zellerau bedeuten könnte, sehen die Macher nicht. Am Theater Ensemble, das sich seit jeher auf dem Bürgerbräu-Gelände befindet, könne man sehen, dass das Betreiben eines Kulturangebots auch außerhalb des Stadtkerns funktioniere. „Abgesehen davon greifen wir eine bestehende Infrastruktur auf. Theater, Museum, unser Kino – alle profitieren voneinander und befruchten sich gegenseitig“, erklärt Podszus weiter. Überhaupt sei das Kino dann in bester Gesellschaft, denn das von seinem Investor vorgelegte Nutzungskonzept sieht für das ehemalige Bürgerbräu-Gelände eine Art Kulturzentrum vor, eine künstlerische Enklave im Würzburger Randgebiet. Neben den vorhandenen Kulturbetrieben möchte Breunig eine Mieterschaft von Kreativen für das Gelände gewinnen, die mit ungewöhnlichen Ateliers, Design- und Kunsthandwerksläden sowie einem Angebot an Kreativdienstleistungen einige der freien, 40 bis 150 Quadratmeter messenden Räumlichkeiten des Geländes beziehen sollen. Angereichert mit einem umfangreichen Gastronomieangebot werde das Areal so zu einem Ort wachsen können, der wirtschaftlich funktioniert und dabei über ein künstlerisches Ambiente verfügt, ist sich Breunig sicher. Nur der Name des Kinos muss dann überdacht werden. Von einem Central-Kino kann am Stadtrand nicht mehr die Rede sein. Das ist für Podszus jedoch noch kein Thema. „So etwas wie der Name entsteht unterwegs. Zunächst einmal kümmern wir uns um die wichtigen, momentan relevanten Dinge. Um die Schnörkel kümmern wir uns später, nämlich dann, wenn es soweit ist.“

estor ist Mitglied der Central-Kinogenossenschaft. KulturGut 11 | Seite

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Erdteilmonat Mai 45 Europa-Projekte bewarben sich um 15.000 Euro von Joachim Fildhaut / Fotos: Benjamin Brückner und Joachim Fildhaut

+ Zu ihrem 40. Geburtstag als Europastadt lud Würzburg seine Bürger ein: Macht etwas Europäisches, veranstaltet international Buntes im Mai. Für ein breites, von der Basis getragenes Programm stellte die Stadt 15.000 Euro Unterstützung in Aussicht. Anfangs gingen die Bewerbungen nur schleppend bei der Kommune ein. Als die Einsendefrist dann noch einmal bis Mitte Dezember verlängert wurde, hagelte es Interessebekundungen – von Alumni bis Zumba wurden insgesamt 45 Projekte beschrieben. Von denen umfassen etliche gleich mehrere Einzelveranstaltungen. Damit ließe sich schon ein ansehnliches Programmheft füllen. So wird der Gästeführer-Verein musikalisch begleitete Themenführungen durch die Stadt unternehmen, z.B. „Was wären wir ohne Italiener?“, „Robin-Hood-Connection – Würzburgs historische Verbindung zur Insel“ oder „Die Schweden kommen“, wie die Arbeitstitel lauten. Eine lockere Gruppe von Literaturfreunden wird im Festmonat Mai im Landesgarten jeden Sonntagnachmittag an einem anderen europäischen Partnergarten einschlägige Leseblüten rezitieren. In den Rubriken „Austausch“ und „Ausstellungen“ herrschen Ideen vor, die auch ohne das städtische Jubiläum aufgetaucht wären. Trotzdem gibt es auch hier Überraschungen. So interessieren sich etwa die Streetworker lebhaft für einen Vor-Ort-Austausch mit ihren Kollegen aus Estland. Und einen brisanten optischen Seitenhieb auf das zerklüftete Westkap Eurasiens warf ein Fotograf, der eine Fotoschau vom Bauzaun der Europäischen Zentralbank vorschlug: „Occupy, Graffitis, Faszination Europa“ lauteten seine lakonischen Stichwörter. Angesichts der ungewohnten Perspektiven auf Europa erfreut nicht nur der Einfallsreichtum, sondern auch die Gesamtreihe an sich. Als Einzelveranstaltung würde mancher erwartbar wertvolle Beitrag etwas ungewohnt in der Luft hängen und die Frage aufwerfen: Wieso machen die ausgerechnet dies, und das gerade jetzt? Durch ihre Bündelung in einem Programm bekommen die Beiträge eine viel höhere Motiviertheit. Es drängen nur wenige Privatleute ins Festkomitee. Und wenn, dann gehen sie sehr in ihrer bekannten Funktion auf. Jürgen Gottschalk – klar, das wird irisch. 25 Jahre lang war er Vorsitzender der DeutschIrischen Gesellschaft. Aber der Würzburger vermag zu überraschen. Jetzt wandert er „auf internationalen Spuren“ durch die Stadt. Die Führung gehört zu den 13 Veranstaltungen, meist sind es ganze ReiKulturGut 11 | Seite

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hen, die eine Jury in der zweiten Januarwoche am schnellsten überzeugte. Bei weiteren holte das Auswahlkomitee noch zusätzliche Informationen ein, um über einen Förderzuschlag entscheiden zu können. Das Straßenmusikfestival zeigt sich von seiner feinsten Seite, mit Straßentheater. Da steckt mehr persönliches Herzblut drin, als es auf den ersten Blick scheint. Stramu-Initiatorin Antje Molz kam Ende der 1990er Jahre aus Augsburg nach Würzburg, stark beeindruckt von einem sommerlichen Kunstfestival in der Fuggerstadt. Mit dem Würzburger Musikfest Anfang September hat sie einen Teil ihres Traums etabliert. Das theatralische Seitenstück dazu setzt ebenfalls auf internationale Beteiligung und ist für die vier Samstage des Mai angedacht. Gerade bei den individuellen Initiativen ermutigt es zu sehen: Bürger tun, was sie können. Im Falle Norbert Schmelz ist dies das Fotografieren. Der Lichtbildner baut ein mobiles Studio in der Innenstadt auf und bittet Passanten aus dem europäischen Ausland und Einheimische, sich im Duo oder in größeren Kleingruppen ablichten zu lassen. Abgezogen werden sollen die Bilder dann so groß, dass sie für eine Ausstellung taugen. Aus den zahlreichen Musik-Vorschlägen ragt der pädagogisch begabte Pianist Rudi Ramming hervor. Seine musikalische Reise für Kinder führt in einem Theater an europäische Orte, wo dann leider Sprachbarrieren die Reisenden trennen. Aber die überwindet man mit Musik. Rammings sympathische Begründung: „Junge hochbegabte Musiker bringen den jungen Hörern anspruchsvolle Musik nahe als eine verbindende Sprache, die mit ihrem regional geprägten Ausdruck wunderbar den europäischen Gedanken der Vielfalt in der Einheit vermittelt.“ C’est vrai.

Neue Perspektiven auf eine alte Europastadt gesucht. KulturGut 11 | Seite

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Der junge Franz-Ludwig von Erthal machte schon als Hofrat in Rom viel her. Nikolaus Treu malte ihn 1759. KulturGut 11 | Seite

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Mit den Fürstbischöfen verwoben 100 Jahre Mainfränkisches Museum gebenAnlass, in die Zukunft des ehrwürdigen Instituts zu blicken von Susanne Hoffmann / Fotos: Rolf Nachbar und Joachim Fildhaut

+ 1913 schlossen sich zwei historische Vereine in Würzburg zusammen und gründeten das Fränkische Luitpoldmuseum. In der ehemaligen Gewerbeschule in der Maxstraße machten sie ihre gesammelten Kunstwerke erstmals der Öffentlichkeit zugänglich. Darüber hinaus sollten die Fayencen, Gläser und Möbel zukünftigen Kunsthandwerken während ihrer Ausbildung als Anschauungsmaterial dienen. 1947 kamen die Exponate auf die Festung in das neueröffnete Museum auf dem Marienberg. Ein Drittel der heute umfangreichen

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Foto: Christian Schwab

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Spezialsammlungen ist im Besitz der Freunde Mainfränkischer Kunst und Geschichte, die anderen zwei Drittel gehören der Stadt. Neben den berühmten Werken Tilmann Riemenschneiders zählen dazu Kunstwerke und handwerkliche Kostbarkeiten aus dem Barock, eine archäologische und volkskundliche Abteilung sowie die Exponate zur Stadtgeschichte. „Noch heute spiegelt sich in den Sammlungen der Glanz des alten Würzburg wider“, schwärmt die Leiterin des Museums, Dr. Claudia Lichte. „Es handelt sich dabei um reine Hochkunst.

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Kinderführung mit Claudia Jüngling durchs Fürstenbaumuseum.

Sie repräsentiert die adlige Wohnkultur und den gehobenen Lebensstil der Fürstbischöfe, und deshalb bildet die Festung einen angemessenen Ausstellungsort.“ In der volkskundlichen Abteilung können die Besucher die Festtrachten des Ochsenfurter Gaus bewundern. Die Alltagskleidung des Landarbeiters sucht man dagegen vergeblich. Sie ist nicht mehr vorhanden und galt den Gründern des Museums als nicht bewahrenswert.

Der Sinn des Jubiläums: Nicht nur jubeln Sind die Werte der höfischen Kunst für die heutigen Besucher überhaupt noch nachvollziehbar und vermittelbar? „Die Hundertjahrfeier 2013 ist für uns eine Riesenchance“, so Claudia Lichte. „Natürlich müssen einige Abteilungen besucherfreundlicher eingerichtet werden.“ Um ein möglichst breites Publikum anzusprechen, werden Informationen künftig auf zwei Ebenen vermittelt. In den sogenannten Kontexträumen steht ein bestimmtes Werk als Leitobjekt im Mittelpunkt, wobei Zusammenhänge anschaulich erläutert und vertieft werden, was die Besucher zu weiterem Fragen anregen soll, wie z.B.: Welche anderen Werke gab es noch in dieser Zeit? Welchen Lohn erhielt der Künstler und wie konnte er davon leben? „Diese Art der Vermittlung richtet sich in erster Linie an Besucher ohne Vorkenntnisse und in besonderem Maß an Familien mit Kindern“, erklärt die Leiterin das neue Konzept. Für Kunstkenner werden vermehrt Objekte aus dem Depot gezeigt, die dicht gedrängt die bisherigen Schausammlungen ergänzen. Der chronologische Rundgang bleibt, aber der Wandel der Zeiten wird deutlicher als bisher herausgestellt. Ebenfalls in Betracht zieht Lichte die Einrichtung eines „Kunst- und Kulturhofs“ nahe dem Fürstenbaumuseum. Ansonsten setzt sie sich für eine „behutsame Neukonzeption“ ein und erteilt willkürlichen Veränderungen eine Absage. Denn es müssten die vorhandenen Räumlichkeiten und die technischen Gegebenheiten berücksichtigt werden, beispielsweise die Befestigungen und die Verlegung der elektrischen Leitungen, die noch aus der Aufbauphase des Museums nach dem Kriege stammen. Auf die Frage zur Ernennung des Mainfränkischen Museums zum Landesmuseum möchte sie sich derzeit noch nicht äußern: „Aber wir sind froh, dass wir das Signal erhalten haben.“ Ein Ankaufsetat steht

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bisher kaum zur Verfügung. Man ist weitgehend auf Spenden angewiesen.

Wohin soll die Stadtgeschichte? Das barrierefreie Fürstenbaumuseum mit seiner stadtgeschichtlichen Sammlung bleibt während der Wintermonate geschlossen. Jedoch bietet das Mainfränkische Museum selbst in dieser Zeit, wenn weniger Touristen kommen, ein reiches Veranstaltungsprogramm, das von den Einheimischen sehr gut angenommen werde. Eine Standortverlagerung der Stadtgeschichte kommt für Claudia Lichte nicht in Frage: „Die Stadtgeschichte gehört auf die Festung“, denn diese sei „eng mit den Fürstbischöfen verwoben“, begründet Lichte. Außerdem hätten viele Exponate engen Bezug zu Werken in den übrigen Räumen des Museums. Vor einer Ausweitung der stadtgeschichtlichen Sammlung auf Themen des 20. Jahrhunderts „müssen zunächst die Themenschwerpunkte geklärt werden“, gibt die Leiterin zu bedenken: „In welcher Richtung soll gesammelt werden?“ Aus dem breiten Spektrum des 20. Jahrhunderts kann sie sich besonders die bauliche Entwicklung Würzburgs nach dem Krieg vorstellen.

Infos: Einen Vorgeschmack auf die zukünftige Museums-

gestaltung bietet die große Jubiläumsausstellung zur 100-Jahr-Feier. Unter dem Titel „Ans Werk“ zeigen 22 Ausstellungsinseln Highlights der unterfränkischen Kunst. Abgerundet werden die Feierlichkeiten durch zwei Sonderausstellungen und das bunte Begleitprogramm „100 Jahre – 100 Tage“. Daneben stellen neue Informationsmedien die Geschichte des Mainfränkischen Museums vor. | www.mainfraenkisches-museum.de

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Von Siegel, Szepter und Talar…

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Letzte Gelegenheit für den Besuch der Sonderausstellung zur Geschichte der Würzburger Universität! Die ist nämlich, das belegt die im Original zu bestaunende Gründungsurkunde von 1402, die älteste Bayerns und bildete mit eigener Gerichtsbarkeit und üppiger Finanzgrundlage auch eine selbst- und traditionsbewusste eigene Communitas im Würzburger Kommunalleben. Mit vielen nur selten zu sehenden Exponaten vermittelt die Ausstellung in der Gemäldegalerie Einblicke in den komplexen Kosmos Alma Julia. Der Jura-Alumnus Prof. Dieter Salch hatte die Idee, das Universitätsarchiv konzipierte und realisierte sie unter Mitwirkung des Instituts für Hochschulkunde. | www.uniarchiv.uni-wuerzburg.de | www.museum.uni-wuerzburg.de

8. März, 10-16 Uhr, Residenzplatz

2. Februar, 10 Uhr, Martin-von-Wagner-Museum

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40 Jahre ME-Haus – die ersten 10 Jahre 27. Februar, 14.30 Uhr, Matthias-Ehrenfried-Haus

Unter dem Motto „40 Jahre Zukunft“ feiert das katholische Bildungs- und Begegnungszentrum Geburtstag – am 13. Januar 1973 öffnete es seine Pforten. Festlicher Höhepunkt ist ein Gottesdienst mit Bischof Hofmann in der Pfarrkirche Stift Haug (21. April, 10.30 Uhr). Gelegenheit, sich zu erinnern, bietet das monatliche Erzählcafé, im Februar mit Bildern der Anfangsjahre. Zu Gast sind an diesem Mittwochnachmittag Gustl Hostombe, der das Haus in den ersten 25 Jahren leitete, und die erste Bildungsreferentin Edeltrud Hohmann. | www.me-haus.de

Gedenken an die Bücherverbrennungen 1933 In einem Zelt am Ort des Geschehens kann, wer sich beteiligen will, an diesem Tag aus einem der 1933 „verbrannten Bücher“ vorlesen (Anmeldung unter 0931 / 80464345 oder stephanie.boehm@ frankenwarte.de), der Publizist und Rezitator Gerd Berghofer moderiert und das Schwander-Goltz-Duo umrahmt die Veranstaltung. Am Abend zeigt das Programmkino Central einen einschlägigen Film, und am 10. März (17 Uhr) kommt im Toskanasaal u. a. der musikalische Appell „Gerettete Blätter“ von Klaus Hinrich Stahmer in redigierter Fassung zur Uraufführung. Das geschichtliche Hintergrundwissen zum Konzert vermittelt Prof. Ulrich Konrad mit seinem Vortrag über die verfemte Musik in der NS-Zeit. | www.frankenwarte.de ++++++++++++++++++++++++

König der Schmiede 24. April, 10 Uhr, Peterskirche (Treffpunkt)

Georg Götz, der Vorsitzende des Main-FrankenKreises, führt anlässlich des 310. Geburtstags von Johann Georg Oegg zu dessen bekanntesten Werken: den Gittern an der Schönbornkapelle des Doms, am Hofgarten und am Rennweg. In der Schmiedewerkstatt Schrepfer in der Kroatengasse lässt sich anschließend der Kunstschmied Eric Hofmann über die Schulter sehen. | www.frankenbund-wuerzburg.de | www.main-franken-kreis.de ++++++++++++++++++++++++

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Carillon-Konzert

8. Mai, 17.30 Uhr, Alte Universität Das Glockenspiel im Turm der Neubaukirche beendet die Winterpause mit seinem ersten öffentlichen Konzert des Jahres – wie in den nächsten Monaten mittwochs, etwa 30 Minuten lang und am besten im Innenhof der Alten Universität zu hören. | www.musikwissenschaft.uni-wuerzburg.de ++++++++++++++++++++++++

Open Art: Die Lange Nacht 2013

11. Mai, 19 Uhr, verschiedene Orte Mit einem Ticket kann, wer will, an einem Abend fast alle Würzburger Museen und etliche Galerien kennen lernen. Den kostenlosen Transfer besorgt ein Shuttle-Bus. Und damit man auch wirklich alles schafft, wird in diesem Jahr die Open Art mit verlängerten Öffnungszeiten zur Langen Nacht. Das Programm enthält ein Flyer, den der Fachbereich Kultur ab Mitte April gedruckt und im Internet bereitstellt. | www.wuerzburg.de ++++++++++++++++++++++++

Galanacht

17. Mai, 20 Uhr, Mainfränkisches Museum Seinen Geburtstag feiert das Museum mit Festakt und Galanacht. Eröffnet wird an diesem Abend die Ausstellung „Ans Werk“ (bis 6. Oktober), die mit Hilfe neuester Technik direkt auf 22 Themeninseln ans Werk (will heißen „ans Original“) heranführt. Eine Verschnaufpause verspricht die zur Markthalle umgebaute Kelterhalle mit Werken zeitgenössischer lokaler Künstler und fränkischem Kunsthandwerk. | www.mainfraenkisches-museum.de


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„MAIN UND MEER“ ist „für alle Besucher interessant“, sagt Christine Ketzer, Pressesprecherin im Augsburger Haus der Bayerischen Geschichte. Das Haus richtet in Schweinfurt die Landes­ ausstellung (Kunsthalle, 9. Mai bis 13. Oktober) aus – „besonderes natürlich für diejenigen, die wie die Würzburger am und mit dem Main leben.“ Die Ausstellungsmacher konnten auf „ausgezeichnete Leihgaben aus Würzburg zugreifen: Gemälde, archäologische Funde und mittelalterliche Weingläser aus dem Mainfränkischen Museum, weitere hochwertige Leihgaben aus dem Museum im Kulturspeicher und vom Martin­von­Wagner­Museum.“ August Geists Gemälde „Bei Miltenberg am Main“ (1857) stammt aus dem Schweinfurter Museum Georg Schäfer. | www.hdbg.de

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Dampf für die Kultur Wissenschaft legt strenge Maßstäbe an den Alten Hafen von Cordula Klein / Foto: Benjamin Brückner

+ 2012 verfasste Cordula Klein ihre Magisterarbeit im Fach Europäische Ethnologie / Volkskunde an der Würzburger Universität. „Vom Staatshafen zum Kulturhafen: Transformation brach gefallener Industrieareale am Beispiel Würzburgs“ analysiert die Umnutzung von Einrichtungen im Alten Hafen mit dem strengen Begriffsapparat, der bei der Ausrichtung der Autorin auf Urbanethnologie denn auch naheliegt. Gerade weil hier bspw. Hochkultur auf der einen und Unterhaltung / Freizeit auf der anderen Seite klar geschieden bleiben, ist die Arbeit hervorragend geeignet, zu einem Leitbild des Kreativ- und Kulturquartiers Alter Hafen beizutragen. Schließlich zwingen eng gefasste Begriffe dazu, für Phänomene, die sie nicht abdecken, eigenständige Definitionen und Funktionen festzulegen. – Im Folgenden geben wir die gekürzten Abschnitte „Fazit“ und „Ausblick“ wieder.

Muss der Hafen ein Hafen bleiben? Die Hafenmeile verpasste die Chance, an die Vergangenheit eines technischen Denkmals anzuknüpfen. Technikgeschichte und Arbeiterkultur werden negiert und der Kulturspeicher so intensiv mit Hochkultur verwoben, geradezu überformt, dass dem Besucher dieser Mangel nicht einmal offenbar werden kann. „Eigentlich ist es gar nicht so lange her, dass am Hafenbecken noch Lastschiffe festmachten und das Heizkraftwerk an der Friedensbrücke mit Kohle belieferten. Doch kann man sich das heute kaum noch vorstellen. Kontinuierlich entwickelt sich das ehemalige Industriegebiet zu einem kulturellen Zentrum“, schrieb Karl-Georg Rötter vor fünf Jahren in der Main-Post. Ist diese Revitalisierung nun eine erfolgreiche? Es hat sich in der wissenschaftlichen Stadtgeographie die gängige Auffassung ausgebildet, dass eine Revitalisierung ohne Bezugnahme auf die industrielle Vergangenheit nicht erfolgreich genannt werden kann. Martin Pries behauptet in seiner Betrachtung der Waterfronts von New York City und Baltimore, dass eine Nachnutzung von Hafengebieten, die keinen Hafenbezug aufweist, nicht als optimal bezeichnet werden kann. Denn sie bedürfe schließlich nicht der Wasserkante und könne an jedem beliebigen Ort stattfinden. Lothar Wilhelm sieht in der beliebigen kulturellen Nutzung von Industriedenkmalen eine Gefahr für den „immateriellen Wert des Kulturensembles“. Ob Industriedenkmale als bloße Kulisse für Kultur-Event-Management benutzt würden, sei ein gewichtiges Kriterium. Und Jürgen Schwark nennt die Verlagerung beliebiger Angebote in industriekulturelle Gebäude den „denkbar schlechteste[n] und am wenigsten nachhaltigste[n] Weg“. Er fordert, dass die „Kontextualität“ gewahrt bleiben müsse, um der „‚Verwahrlosung’ zur lediglich impressionistischen Kulisse“ zu entgehen. KulturGut 11 | Seite

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Für den Tourismus können allerdings auch solche inhaltsarmen „Hüllen“ große Bedeutung haben. Hier spielt die Erwartungshaltung der Besucher eine große Rolle. Die Eigenheit des Ortes, Arbeiter- und Industriekultur, sind wenig relevant für das kulturelle Erbe der Stadt Würzburg. Da der Ort kein Teil der erfahrenen Alltagswelt war, trug das Erbe seiner ursprünglichen Erscheinung und Funktion nicht zur Identitätsbildung der Stadt bei. Im revitalisierten Hafenensemble hat die Industriekultur aus diesem Grund keinen Platz gefunden. Stimmig ist die Verbindung von Industrie und Kunst einzig in der Einrichtung des Kunstvereins. Die Arte Noah stellt eine gelungene Beziehung zwischen den beiden Komponenten her. Durch die Aufnahme der Städtischen Sammlung in den Kulturspeicher befindet sich im Hafenquartier ein wichtiger Teil der Würzburger Identität. Dieser bezieht sich auf die Hochkultur der bildenden Kunst. Für Würzburgs Eigen- und Fremdbild spielen die bildenden Künste eine entscheidende Rolle. Dem Selbstbild und dem inszenierten Image der Stadt entspricht das revitalisierte Hafenensemble aus diesem Grund weit mehr als sein tatsächlicher Ursprung und der ehemalige Charakter des Ortes. Die Transformationsvorgänge repräsentieren die lokale Kultur. Die Architektur des Heizkraftwerks und des Speichers werden positiv angenommen. Soll das Projekt sich positiv auf das Image auswirken und die Attraktivität der Stadt steigern, müssen Zugänglichkeit und Anbindung des Geländes optimiert werden. Die Akteure versuchen, das Quartier mittels Veranstaltungen und aktivem Besucherinvolvement, das auf die Interaktion mit den Gästen abzielt, zu beleben. Die Inhalte, mit tanzSpeicher, Kabarett und Arte Noah, sind zu großen Teilen zeitgenössisch und aktuell und transportieren eine modernes Bild, das die kulturellen Angebote der Stadt bereichern kann. Die Inhalte des Revitalisierungskonzepts sind geeignet, die Stadtidentität zu prägen und das Image zu modernisieren. Durch weitere Projekte hoffen die Akteure darauf, das Gebiet erfolgreich zu beleben und als Teil der Innenstadt zu etablieren.

Die ehemalige Viehauktionshalle Im Mai 2011 beschloss der Stadtrat, das denkmalgeschützte Gebäude der Viehauktionshalle gegenüber dem Kulturspeicher zu einer Stadthalle, die auch als Theaterspielstätte genutzt wird, umzufunktionieren. Der Plan sieht vor, die wiederhergestellte Halle als Ausweichspielort für das sanierungsbedürftige Mainfranken Theater zur Verfügung zu stellen. Nachdem die Baumaßnahmen am Theater abgeschlossen wären, stünde den Kunstschaffenden mit der so genannten Frankenhalle zusätzlich eine neue große Veranstaltungsbühne zur Verfügung, die das Haupthaus entlastet und anderen Projekten Raum bietet. Auch Konzepte von Bürgern und Privatwirtschaftlern könnten in das Gebäude Einzug halten – nicht zuletzt, um die Auslastung zu erhöhen und die Betriebskosten zu senken. Dem Projekt positiv gegenüberstehende entscheidungstragende Parteien im Stadtrat argumentieren mit der Notwendigkeit einer Ausweichspielstätte für das Mainfranken Theater für die Dauer der Sanierung. Dass so zum Einen ein Denkmal neu belebt und bestenfalls ein Stadtgebiet aufgewertet wird, findet weniger Beachtung. Durch die kulturelle Nutzung der Viehauktionshalle würde die Erneuerung rund um das Hafengebiet vorangetrieben werden. KulturGut 11 | Seite

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Wissenschaft |

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Der Bullenheimer Berg bis 9. Februar, Martin von Wagner-Museum

Das „bayerische Troja“ (SZ) ist seiner metallischen Schätze weitgehend beraubt. Leider haben die Hobbyarchäologen, die nach der Entdeckung der bronzezeitlichen Wallanlage 1973 den Tafelberg bei Seinsheim stürmten und Meter für Meter umpflügten, ihre Funde meist nicht nur illegal, sondern auch undokumentiert entfernt. Ohne Information über das Wo und Wie ist ein solcher Fund nun aber für die Wissenschaft wertlos. Um zumindest den Status quo am Berg zu sichern, erkundeten Studenten für Vor- und Frühgeschichtliche Archäologie 2010/2011 das Gelände mittels geophysikalischer Prospektionen auf Grundlage eines Airborne Laserscans, GPS-gestützter Geländebegehungen, Bohrungen, Sondagen und technisch verfeinerten Grabungen. Keramik- und Steinartefakte konnten schließlich archäometrisch untersucht werden. Die Sonderausstellung „Der Bullenheimer Berg im Fokus moderner Methoden der Archäologie“ stellt Methoden und erste Ergebnisse des DFG-Forschungsprojekts vor. | www.museum.uni-wuerzburg.de | www. vfg.uni-wuerzburg.de ++++++++++++++++++++++++

Verborgene Pflanzenwelten 21. Februar, 19 Uhr, Ökohaus

Die Ästhetik kleinster und für das bloße Auge unsichtbarer Strukturen macht der Fotograf Stefan Diller sichtbar. Architektur-, Kunst- und Luftbildfotografie waren die ersten Leidenschaften des gebürtigen Kronachers, in den 1990er Jahren spezialisierte er sich auf die wissenschaftliche Fotografie mit Raster- und Transmissionselektronenmikroskopen. Prüflabore und Werkstoffentwickler sind seine Auf-

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traggeber, Schulen unterstützt er beim Aufbau und Betrieb eigener Geräte. Im Ökohaus führt er in sein Spezialgebiet ein und zeigt seine bestürzend schönen Aufnahmen von Kräutern und Nutzpflanzen (Bild: Zitronenmelisse) aus dem Botanischen Garten. Anmeldung bis 20. Februar erforderlich. | www.wuerzburg.bund-naturschutz.de | www.elektronenmikroskopie.info ++++++++++++++++++++++++

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Cloud Software

25. Februar bis 1. März, Akademie für Weiterbildung Mit ihrer 2012 gegründeten Akademie für Weiterbildung intensiviert die Universität Würzburg ihr Angebot für Berufstätige. Geschäftsführer ist der promovierte Wirtschaftswissenschaftler Michael Dörflein, zuvor unter anderem mehrere Jahre für die Organisation des berufsbegleitenden MBA-Studiengangs Business Integration verantwortlich. Um Software für die Cloud geht es in dem fünftägigen Seminar unter Leitung von Prof. Rainer Thome, Managementmethoden stehen im Mittelpunkt eines Seminars vom 4. bis 8. März. Im März startet auch der neue berufsbegleitende MBA-Studiengang Purchasing & Supply Chain Management, der sich an Fachleute für Beschaffung und Logistik wendet. | www.akademie.uni-wuerzburg.de ++++++++++++++++++++++++

An die Wäsche gegangen ab 21. März, Malerwinkelhaus Marktbreit

Insider wissen, dass das Marktbreiter Haus mit der Bezeichnung „Heimatmuseum“ nur unzureichend charakterisiert wäre. Regional relevante inhaltliche KulturGut 11 | Seite

Aufarbeitungen – das trifft es besser. Unter Leitung von Privatdozentin Simone Michel-von Dungern gibt es immer wieder fundierte winzige Schauen mit breitem Horizont zu erleben. Wie als Ergänzung zur Dauerausstellung „Frauenzimmer. Lebensstationen in einer fränkischen Kleinstadt“ wird nun bis 10. November Damenunterbekleidung aus der Zeit zwischen 1860 und 1960 zu sehen sein. | www.malerwinkelhaus.de

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Hermann von Helmholtz (1821-1894)

bis 20. Dezember, Adolf-Würth-Zentrum für Geschichte der Psychologie Den Berliner Mediziner, Physiologen und Physiker nennen viele moderne Wissenschaften „Vater“. Für die Psychologie leisteten seine Erkenntnisse zur Sinnesphysiologie Grundlagenarbeit. Zwar wussten schon die alten Griechen, dass zwischen dem, was die Sinne wahrnehmen, und dem, was der Verstand daraus macht, ein Unterschied besteht. Aber seit Helmholtz wissen wir einiges genauer. Zum Beispiel, dass Menschen Farben wahrnehmen, weil das menschliche Auge drei Rezeptortypen für die Primärfarben besitzt, aus deren gemeinsamer Aktivität das Gehirn dann einen Gesamteindruck erzeugt. Was das Hören anbelangt: Helmholtz fand heraus, dass auch der Klangeindruck ein Gemisch verschiedener gleichzeitiger Empfindungen ist. Und: Erst Helmholtz konnte nachweisen, dass die Nervenleitungsgeschwindigkeit messbar ist – das Reaktionszeitexperiment in der Psychologie war geboren. Bei Führungen durch die Ausstellung am Pleicherwall gibt’s Klang- und Farbexperimente. Anmeldung Tel. (0931) 3188683. | www.awz.uni-wuerzburg.de ++++++++++++++++++++++++


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Menschenwürde und Menschenrechte

5. Februar, 20 Uhr, Schröder-Haus „Das säkulare Erbe des christlichen Abendlandes“ – diesen Untertitel trägt ein Vortrag über die verfassungsmäßigen bundesdeutschen Garantien, den der evangelische Theologieprofessor Klaas Huizing in der Erwachsenenbildungsstätte am Wilhelm-SchwinnPlatz hält: Welchen Anteil hat das Christentum an der Ausbildung der humanistischen Grundbegriffe? Dass man von Huizing beim Thema Menschenwürde ungewöhnliche Perspektiven erwarten darf, verrät ein Blick in einen Aufsatzband, in dem er die historische und biblische Sicht auf die Dinge seinen Mitautoren überließ und selbst sehr gegenwärtig unter dem Titel „Six Feet Under“ die problematische Handhabung der Menschenwürde in den Medien abhandelte. Und er selbst beschränkte sich nicht auf die wissenschaftliche Sicht. Auch die Dramatisierung seines Romans „In Schrebers Garten“ – 2010/11 eindrucksvoll im Mainfranken Theater zu sehen – setzt sich mit der Menschenwürde auseinander. | www.schroeder-haus.de ++++++++++++++++++++++++

Länderabend Estland 12. März, 18.30 Uhr, Akademie Frankenwarte

Dass Tallinn Estlands Hauptstadt ist, wissen seit dem Eurovision Song Contest 2002 sicher einige mehr. Was man sonst noch politisch, landestypisch kulinarisch und kulturell vom nördlichsten Staat des Baltikums kennen sollte, vermittelt der 26. Länderabend der Frankenwarte. Ersteres per Vortrag, zweiteres

Termine |

mit einem reichhaltigen Buffet. Und die Kultur? Lassen Sie sich überraschen. Anmeldung erforderlich! | www.frankenwarte.de ++++++++++++++++++++++++

gegründeten „Internationalen Künstlervereinigung“, die in der Vernetzung zeitgenössischer Künstler aus aller Welt ihre Aufgabe sieht, hat ihn aber auch überregional bekannt gemacht. | www.internationalerkuenstlerverein.de

Dante und Boccaccio

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13. März, 19 Uhr, Toskanasaal Den 700. Geburtstag des italienischen Dichters Giovanni Boccaccio würdigt die Società Dante Alighieri mit einem Vortrag des Würzburger Romanisten Prof. Wilhelm Pötters. Er stellt Boccaccios Hauptwerk, das für die gesamte europäische Erzählliteratur vorbildliche „Decameron“, anhand einiger ausgewählter Novellen vor und widmet sich dann zwei Texten, mit denen Boccaccio zum Begründer der wissenschaftlichen Beschäftigung mit seinem großen Vorläufer und Vorbild Dante wurde: dem biographischen „Trattatello in laude di Dante“ und dem Kommentar zu den ersten siebzehn Gesängen des Inferno, den unvollendet gebliebenen „Esposizioni sopra la Commedia“. | www.dante-gesellschaft.uni-wuerzburg.de ++++++++++++++++++++++++

Konkret

bis 15. März, Schröder-Haus Farbiger Ton, Lehm, Kreiden, Kieselgur und feine Sande sind die erdigen Zutaten, die Elmar Döll in seinen streng konstruktivistischen Arbeiten gern verwendet. Sie haben, auch wenn man das seinen Bildern auf den ersten Blick gar nicht ansieht, einiges mitzureden bei der Entstehung. Als Dialog zwischen Künstler und Materie sieht Döll seine Arbeiten, und dazu gehört auch, dass das Eigenleben der verwendeten Stoffe seinem Wollen Grenzen setzt. Seit 1990 ist der Stettener in Ausstellungen der Region präsent, sein Engagement in der 2005 mit Sitz in Köln

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Duo CantAccord

12. Mai, 20 Uhr, Zehntscheune des Juliusspitals Vom 4. bis zum 19. Mai hält das Juspi zwischen Zehntscheune und Park seine 26. Kulturtage. Einen weltmusikalischen Akzent setzt dabei das Duo von Sängerin Katalin Horvath und Andrej Mouline am Bajan. „Passion und Poesie“ heißt ihre Klangreise zwischen Paris, Plattensee, Galizien und Buenos Aires. Die Poesie entstammt den folkloristischen Quellen, die über den ganzen Globus verteilt sprudeln. Die Vokalistin pendelte schon in ihrer Kindheit zwischen Deutschland (insbes. dem preisgekrönten Chemnitzer Jugendchor) und Ungarn, sog die Musik frühzeitig auf, erhielt dann eine klassische Gesangsausbildung in Tübingen und legte noch einmal populare Techniken bei ihrem Lehrer Jens Heckermann (füenf) nach. Wichtig aber: Ihre gewonnene Technik stellt sie in den Dienst der Passion. Horvath scheut sich nicht, voll in all die Manierismen reinzugehen, die die Tangosängerin bspw. von ihrer Klezmer-Kollegin unterscheiden. Moulines Instrument ist das osteuropäische Akkordeon. Der Russe studierte es in Moskau und interagiert perfekt mit der Sängerin. Als Solist hat er ebenfalls viel zu sagen. Die parallel laufende Kunstausstellung im Gartenpavillon vereint Malerei von Eva-Maria Walter und Holzskulpturen von Bernhard Schwanitz, der in der Würzburger Katharinengasse eine Galerie führt. | www.juliusspital.de


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Unterschied schafft Klarheit Die pluralitätsfähige Religionspädagogik feiert in Würzburg Geburtstag Interview: Joachim Fildhaut / Foto: Benjamin Brückner

+ Der Würzburger Professor für Religionspädagogik, Hans-Georg Ziebertz, erforscht seit 25 Jahren mit empirischen Befragungen, woran Menschen glauben. Resultat: Es herrscht Pluralität. Konsequenz: Seit zehn Jahren sucht er nach pluralitätsfähiger Religionspädagogik. Sie sind empirischer Theologe und erforschen u. a. den Unterschied zwischen religiösem Bewusstsein und kirchlicher Verkündigung. Mit welchem Ergebnis? Es gibt heute kaum noch eine homogene Religionspraxis, auch nicht innerhalb einer Religionsgemeinschaft. Es gibt auch keine klare Demarkationslinie zwischen Innen und Außen, weil viele Christen an den Rändern der Kirche zwar noch an den zentralen Ritualen teilnehmen, aber beispielsweise bekennen: Ich kann auch ohne Kirche Christ sein. Also müssen wir offen dafür sein, dass Menschen ihren Glauben auf diesem breiten Spektrum verorten. Wir erforschen, wie sie ihn verorten, warum und in welchem Ausmaß das geschieht. Ist das bereits ein interreligiöser Ansatz? Wenn Interreligiosität heißt, dass der Kontakt zu anderen Religionen zum Verstehen der eigenen Position beiträgt, dann können wir feststellen: Das ist nur bei wenigen und relativ stark religiös praktizierenden Personen der Fall. Sie haben Interesse daran, was andere Religionen zum Lebensstil, zur Schöpfung, zu politischen und sozialen Fragen sagen. Interreligiosität wächst in dem Maß, wie jemand sich als religiös versteht. Ihren Erhebungen zufolge hegen viele Jugendliche Gottesvorstellungen, die der idealistischen Philosophie oder der Mystik nahestehen. Was bedeutet das für den Religionsunterricht? Für die übergroße Mehrheit ist der Gott eine „allgemeine höhere Kraft“. Es ist ein unbestimmtes Konzept und vor allem: es hat wenig Relevanz für weitere Bereiche der persönlichen Lebensführung. Er ist abgekoppelt von den Fragen, die man im Leben zu entscheiden hat.

„Für Kirchen als Ort der Sehnsucht gibt es nicht so viele Alternativen.“ Hans-Georg Ziebertz arbeitet im Ange sic

Auch abgekoppelt von der Religionspädagogik? Nein, denn für Religionspädagogen ist es sehr wichtig, davon auszugehen, was Schüler mitbringen. Das bedeutet nicht, Schüler nur in dem zu bestätigen, was sie glauben, sondern sie auf Denkwege mitzunehmen. Zum Beispiel liegt ja in der Vorstellung eines transzendenten Gottes auch etwas Christliches: Gott ist nicht beschreibbar durch konkrete Eigenschaften. Dieses eher abstrakte Gottesbild können Jugendliche viel leichter verstehen und akzeptieren als eine sehr dogmatisch aufgeladene Theologie. Haben religiöse Fragen in den aktuellen Weltbildern der Menschen überhaupt einen wichtigen Platz? Die zunehmenden Diskussionen über Religion seit 2001 sind kein Zeichen für eine Revitalisierung von Religion. Der öffentliche Diskurs zeigt: Religion ist wieder da, aber in sehr ambivalenter Form. Man sieht, dass Religion auch mit Gewalttätigkeit verbunden sein kann. DaKulturGut 11 | Seite

mit wächst ein Feindbild auf den Islam. Aus der ganzen Debatte entsteht kein direkter Profit für die christlichen Kirchen. Nehmen die Kirchen die Ergebnisse der empirischen Theologie zur Kenntnis? Mir scheint, sie lassen sich weniger durch Befunde aufschrecken, sondern verfolgen in erster Linie eine eigene Agenda. Die besteht in hohem Maße in Bestandssicherung und Traditionserhalt – so wird vor allem die katholische Kirche von der Mehrheit erfahren. Ein kleiner Teil der Menschen sieht darin einen Charme, dass es in allem Wandel eine Institution gibt, die sich dem widersetzt. Die protestantischen Kirchen werden als etwas flexibler wahrgenommen, aber stehen in der öffentlichen Meinung trotzdem nicht viel besser da. Wie nutzen Pädagogen die empirische Theologie? Hier findet seit langen Jahren ein erhebliches Umdenken statt. Schule ist heute kein Kirchenraum im Kleinen mehr, sondern ein säkularer

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Ort, an dem junge Menschen zusammenkommen, die teilweise erstmals über Fragen von Religion nachdenken, und an dem mit all den Unterschieden, die Schüler mitbringen, gearbeitet wird, gemäß der Maxime, dass Lernen am effektivsten ist, wenn man über Differenzen verhandeln kann. Wenn eine Nürnberger Lehrerin unter 20 Schülern zehn Nationen und Konfessionen hat, wird sie anders auf sie zugehen als in einer homogeneren Klasse, wo sie sagen kann: Wir Katholiken oder Wir Protestanten. Das ist inzwischen selten.

Zunächst einmal: Er konnte sich etablieren. Pluralitätsfähige Religionspädagogik ist heute – im Vergleich zu einer katechetischen Glaubensunterweisung – selbstverständlich geworden. Als wir im jüngsten, zusammenfassenden Band unserer Schriftenreihe eine Bilanz versuchten, zeigte sich allerdings, dass die Frage, was eine pluralitätsfähige Religionspädagogik ausmacht, nicht gelöst ist. Wie soll es weitergehen? Die Konturen sind klarer geworden. Aber die Lösungswege sind unterschiedlich: Einige plädieren deutlicher als früher dafür, wieder stärker auf kirchlich gebildete Religion zu setzen, andere sehen eine Zukunft nur für den Religionsunterricht, der die Vielheit im Grunde aufnimmt und mit ihr arbeitet. Empirische Theologen befragen pro Projekt bis zu 10.000 Menschen. Wo finden Sie die? Bei internationalen Studien sprechen wir ab, wie wir Stichproben ziehen, damit sie repräsentativ und international vergleichbar sind. Gehen Sie in Schulen? Ja, solange die gesuchte Altersgruppe noch schulpflichtig ist, ist das am einfachsten. Wobei wir darauf achten, dass die Schulen die Gesamtbreite der Jugendlichen abdecken. Wer spendet die Drittmittel? Ein größeres Projekt erhielt Mittel von der EU, die meisten von der Deutschen Forschungsgemeinschaft. Hier und da kommen kleinere Beträge von Stiftungen dazu. Unter- und Mittelfranken sind durch Diaspora-Strukturen bestimmt. Führen die zu größerer Offenheit? Nach meiner – nicht akademisch gestützten Wahrnehmung – blüht die Ökumene hier nicht besonders, sondern man versucht, die relative Stärke, die man hat, zu bewahren und zu pflegen.

nge sicht der Rückfront des Würzburger Doms.

Welche Religionspädagogik ist pluralitätsfähig? Pluralitätsfähigkeit bedeutet, dass Schüler in der Lage sind, die Vielgestaltigkeit von Religion wahrzunehmen, auch zu sehen, dass die Lernwege, die sie machen, keinen Standardformeln entsprechen, sondern sehr eigen sind. Sie können innerhalb einer Pluralität von religiösen Haltungen ihren Weg finden. Früher konnte man noch sagen: Ein Umgang mit wachsender Pluralität ist es, Schülern die Sicherheit in einer bestimmten Auffassung zu geben. Die Praxis zeigt aber, dass das nicht funktioniert, dass man der Pluralität besser nicht ausweicht, sondern sie selbst zum Thema macht. So können Schülerinnen und Schüler innerhalb der Pluralität handlungsfähig werden, d. h. Differenz erkennen, Argumente nachvollziehen, Perspektiven wechseln und dadurch lernen, wo man selbst steht.

Und die jeweiligen Minderheiten? Gesamtdeutsche Befunde zeigen, dass bei Minderheiten das Interesse, die eigene religiöse Beheimatung zu pflegen, immer höher ist, einfach weil das Umfeld zu wenig Elemente des eigenen Kultus bietet. Das ist die Grundfrage von Pluralität, Ökumene und Interreligiosität: Wir behaupten theoretisch, dass uns der Austausch etwas bringt, andererseits neigen Menschen dazu, doch immer wieder die Sicherheit der eigenen Überzeugung zu suchen und eher einen kleinen Zaun da herum zu ziehen, als sich zu offen zu verhalten. Da scheint die Anthropologie manchmal etwas gegen eine Theorie von Multikulturalität zu sprechen. Wollen Jugendliche heute spirituelle Elemente lieber selbst suchen und entdecken, anstatt sie angeboten zu bekommen? Nicht unbedingt. Die Attraktivität der ökumenischen Kommunität von Taizé bleibt seit Jahrzehnten gleich hoch. Diese Offerte hat an den offiziellen kirchlichen Stellen viel Zulauf. Dass Jugendliche ihre eigenen spirituellen Angebote kreieren, trifft man eher in nicht-religiösen Bereichen an, also über Musik, Bewegung, Internetaktivitäten, die über die eigene kleine Begrenztheit hinauszugehen versuchen, sich selbst auf soziale Gruppen hin transzendieren. Diese Räume erfüllen Funktionen, die Religion auch erfüllt. Das sind aber nicht unbedingt Meditationsgruppen.

Sie begründeten mit der gleichnamigen Schriftenreihe vor zehn Jahren die „pluralitätsfähige Religionspädagogik“. Hat sich Ihr Frageansatz in dieser Zeit verändert? KulturGut 11 | Seite

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Impressum |

Herausgeber und V.i.S.d.P.: MorgenWelt Würzburg GmbH Gerberstraße 7, 97070 Würzburg Telefon (09 31) 32 999 0 und Kulturreferat der Stadt Würzburg Rückermainstraße 2 97070 Würzburg Redaktionsadresse MorgenWelt Würzburg GmbH: KulturGut Gerberstraße 7, 97070 Würzburg Telefon (09 31) 32 999 0

Produktion & Distribution: MorgenWelt Würzburg GmbH, Gerberstraße 7, 97070 Würzburg Kostenlose Auslage in Kulturzentren, Kinos, Veranstaltungshäusern, städtischen Einrichtungen, Gastronomie und ausgewählten Ladengeschäften

Internet: www.kulturgut-wuerzburg.de

Anzeigen: MorgenWelt Würzburg GmbH, Gerberstraße 7, 97070 Würzburg Stefan Luz, Telefon (0931) 32999 11 Matthias Meyer, Telefon (0931) 32999 14

Chefredaktion, Konzept: Iris Wrede C. v. D.: Joachim Fildhaut

Druck: Schleunungdruck GmbH, Marktheidenfeld

Mitarbeiter: Susanne Hoffmann, Alexander Jansen, Bettina Keß, Cordula Klein, Christian Neubert, Gabriele Polster, Michaela Schneider, Daniel Staffen-Quandt, Hans Steidle, Anna Valeska Strugalla, Christine Weisner. Redaktionsbeirat: Anja Flicker, Muchtar Al Ghusain, Stefan Moos, Dr. Rotraud Ries, Hermann Schneider, Dr. Gunther Schunk, Prof. Dr. Ulrich Sinn Fotos: Benjamin Brückner, KulturGut Bildarchiv, Veranstalter. Die Illustrationen zum Schwerpunktthema (und auf Seite 46) fotografierte Benjamin Brückner. Wir danken dem Museum im Kulturspeicher, das die Motive zur Verfügung stellte: Seite 6 Wolfgang Lenz: Bildnis Frau Hilde Seubert-Effner (1966), Seite 10 Luigi Malipiero: Selbstbildnis mit Zylinderhut (1929), Seite 16 Christian Schad: Emilio Bertonati (1972), Seite 19 Franz von Lenbach: Frau Geheimrätin Tina Joest (1901), Seite 20 Emy Roeder: Die Schwangere (1920), Seite 26: Georg Ehmig: Bildnis der Gattin des Künstlers (1927), Seite 28 Stephan Balkenhol: Kopfrelief (2000), Seite 46 Grete Kaltenecker: Bildnis Bärbel (1952). Art Direktion: Melanie Probst

Auflage: 10.000 Exemplare ISSN 2191-9666 Sonstiges: Alle Veranstaltungsangaben ohne Gewähr. Veranstalter, die Fotos an den Verlag senden, haben eventuelle Honorarkosten zu tragen. Urheberrechte für Anzeigenentwürfe, Vorlagen, redaktionelle Beiträge sowie für die gesamte Gestaltung bleiben beim Herausgeber. Der Nachdruck von Fotos, Zeichnungen, Artikeln und Anzeigen, auch auszugsweise, bedarf der ausdrücklichen Zustimmung des Herausgebers. Für unaufgefordert eingesandte Manuskripte, Leserbriefe und Fotos kann keine Haftung übernommen werden. Bearbeitung und Abdruck behalten sich Verlag und Redaktion vor. Namentlich gekennzeichnete Beiträge geben nicht unbedingt die Meinung des Verlags und der Redaktion wieder. Dank: Wir danken ausdrücklich den Unterstützern und beteiligten Kulturinstitutionen und Kulturschaffenden, ohne die die Herausgabe dieses Mediums nicht möglich wäre.

KulturGut erscheint dreimal jährlich in Würzburg.

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KulturGut 12 Juni 2013 |

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oper von franz schubert ab 16. februar 2013, groĂ&#x;es haus mainfranken theater wĂźrzburg



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