KulturGut Würzburg 03

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KulturGut

Ausgabe

03

Oktober 2010

Magazin für die Kulturregion Würzburg

Wert-Schätzung: Wer fördert Kultur? | Brot & Freiheit: Erlaubt Sattsein Kreativität? | Fehler machen: Erfolgsrezept | Heimlich: Kunst-Welten erobern

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„sinfonische Meisterleistung“ ... „Ohrenschmaus“ ... „unvergessliches Ereignis“

Russische Kammerphilharmonie St. Petersburg

Leitung: Juri Gilbo Klarinette: Sharon Kam

mit Werken von Mozart, Weber

und Tschaikowsky

5.

Das große Konzertereignis am 13.11.2010 --------

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ODER KARTEN UNTER: Tel.: 0931/418-2221 oder per E-Mail: petra.hack@vogel.de www.wuerzburger-benefizkonzert.de 07213

Sie sind herzlich eingeladen zum 5. Würzburger Benefizkonzert. Die vier Veranstalter Koenig & Bauer, Mediengruppe Main-Post, Robert Krick Verlag und Vogel Business Media haben wieder ein Orchester von internationalem Renommee samt einer virtuosen Solistin verpflichten können. Es spielt die Russische Kammerphilharmonie aus St. Petersburg unter der Leitung von Juri Gilbo Werke von Mozart, Weber und Tschaikowsky. Solistin ist an der Klarinette die Ausnahmemusikerin Sharon Kam. Der Erlös des Konzertabends geht an das Förder projekt HALMA e.V. Genießen Sie einen unvergesslichen musikalischen Abend mit einem der gefragtesten Ensembles Europas.

www.vcc-wuerzburg.de


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Editorial

Was ist was wert? Und warum? 3 … 2 … 1 … sold! Die hauseigene Kunstkollektion der Pleitebank Lehman Brothers wurde bei Sotheby‘s versteigert. Für 12,3 Millionen Dollar kamen Werke von Hirst, Richter, Murakami unter den Hammer. Die Gläubigerforderungen von 600 Millionen Dollar werden damit nicht befriedigt. Die Werke sind allesamt Spekulationsobjekte der Bank, die den Katastrophenherbst an der Wall Street vor zwei Jahren auslöste. Ob die relativ konzeptionsschwache aber wertvolle Sammlung für eine Million mehr oder weniger über den Tisch ging, wird in Würzburg nicht viele tangieren. Dennoch macht der Vorgang nachdenklich – schließlich ist der Ausverkauf der Kunststücke ein fast symbolischer letzter Akt. Denn die Lehman-Pleite führte mit der Wirtschaftskrise weltweit zu Kürzungen von Fördermitteln, die Initiativen und Kulturvereine in ihrem Handlungsspielraum beschneiden. Um so mehr ist regionales Engagement gefragt, das die Wichtigkeit des reichhaltigen Kulturlebens erkennt und fördert. Es gibt sie, die unauffälligen Förderer im Hintergrund, die völlig uneitel agieren. Die passionierten Sammler, die ihr Herz an die Kunst verloren haben, ohne das Augenmerk auf die reine Spekulation zu richten. Es gibt die Kämpfer unter den Künstlern, die frei nach dem Schriftsteller Thomas Bernhard die Auffassung vertreten,

wer einem Künstler helfe, vernichte ihn. Und es gibt die Künstler, die sich die Mechanismen des Markts fast spielerisch zu eigen machen. Wir haben sie getroffen, die Wohltäter, die Stifter, die Kunstfreunde und die Künstler. Und haben festgestellt, dass ihnen, so sehr sie sich in ihrer Auffassung unterscheiden, eins gemeinsam ist: Sie schätzen den Wert der Kunst an sich. Ein Grund mehr, unsere Gastautoren und Porträtierten zu bitten, ein Kunstwerk ihrer Wahl mit einer großen Abbildung in den Focus zu rücken. Wir wünschen Ihnen eine anregende Lektüre und hoffen, Ihnen bleibende Eindrücke vermitteln zu können. Wenn Sie gerne weiter in den Diskurs mit uns eintreten möchten, dann laden wir Sie wie immer herzlich auf unsere Website www.kulturgut-wuerzburg.de ein. Wir freuen uns auf Ihre Anregungen und auf einen geistreichen Dialog, Iris Wrede Chefredakteurin

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Editorial

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Inhalt

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Thema | Sponsoren, Mäzene & Co.:

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Kann man kulturelle Verantwortung messen? 9

Thema | Der Sammler P. C. Ruppert

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Thema | O. Hörl: Wie man reich wird ...

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Thema | Der Stifter, ein Corporate Citizen

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Thema | Benefiz nützt

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Thema | So funktionieren Kunstvereine

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Thema | Überlebensmittel Fundraising

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Thema | Im Twittermuseum mit H.-P. Porzner

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Thema | Das dichteste Stiftungsnetz

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Bühne | Julia Kandzora: Amok als Dauerzustand

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Bühne | Von kleiner Bühne auf viele große

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Bühne | Rückblick Sommertheater

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Theater | Termine

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Musik | Omnibus-Geschichte:

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Folk statt Bananen 44

Musik | WJO trifft Trio ELF

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Musik | Termine

48

Kunst | Leben als freier Künstler: Unglaublich leicht, ungebunden

50

Kunst | Termine

52

Literatur | Wozu ein Literaturhaus?

54

Literatur | Opernbuch „Die andere Seite“

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Literatur | Termine

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Film | Termine

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Film | Von der ersten Idee zum Set:

48

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60

Der Schleier fällt 60

Stadt | Straßenschilder zu Pflugscharen?

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Stadt | Termine

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Wissenschaft | Termine

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Interkultur | Termine

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Zum Schluss | Impressum KulturGut 03 | Seite

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Dr. Matthias Wagner leitete ein studentisches Projekt über vergessene „Würzburger Haustüren, Visitenkarten des Hauses“. Die Jugendstiltür der Schillerschule sähe er gern besser erhalten. KulturGut 03 | Seite

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Kann man kulturelle Verantwortung messen? Sponsoring dient der unternehmerischen Profilierung. Aber wie viel Rampenlicht haben die Wohltäter verdient? Von Dr. Matthias Wagner

+ Großer Bahnhof beim Bundesverband der Deutschen Industrie in Berlin am 9. September, Verleihung der Deutschen Kulturförderpreise: Begrüßung durch Deutsche-Bank-Aufsichtsratschef Clemens Börsig, Festrede von Minister zu Guttenberg, Moderation durch heute-Nachrichtensprecherin Barbara Hallweg, Preisverleihungen nicht an, sondern durch Maria Furtwängler und Hans Werner Kilz, den Chefredakteur einer großen süddeutschen Zeitung.

Kein Geld für Geldgeber Gewonnen haben die nicht dotierten Preise Intervideo (kleine Unternehmen), die Deutsche Kreditbank (mittlere Unternehmen) und BASF (Große Unternehmen). Den Deutschen Kulturförderpreis verleiht der Kulturkreis der deutschen Wirtschaft e.V. seit fünf Jahren. Der Verein hat über 400 Mitglieder, darunter zahlreiche Unternehmen und Unternehmerpersönlichkeiten. Im Würzburger Raum zählen dazu der Vogel Business Media Verlag und die Kurtz Holding in Kreuzwertheim. Seit nunmehr 60 Jahren fördert das Gremium kulturelle Entwicklungen in Deutschland. Der Kulturkreis tritt dabei keineswegs als eigener Sponsor auf – darin berät er äußerst professionell die Unternehmen –, sondern ist ständiger Motor für kulturelle Prozesse und vergibt renommierte Kunstpreise. Für die Qualität der ausgewählten Preisträger steht u.a. die Würzburger Geigerin Sinn Yang, die 2009 auch den Kulturförderpreis der Stadt Würzburg erhielt.

Tropfen auf heiße Steine zählen? Niemals! Zurück nach Berlin. Der Untertitel des Kulturförderpreises verrät den Impetus der Auslobung: „Für herausragende unternehmerische Kulturförderung“. Es stellt sich die Frage: Ist die damit verknüpfte Vorbildlichkeit des kulturellen Engagements eigentlich messbar, gibt es gar eine Art Punkteskala zur Siegerermittlung? Juroren sowie Festredner stellten in Berlin klar: Entscheidend für das Votum war neben der Nachhaltigkeit die gesellschaftliche Mitverantwortung des Unternehmens, die Corporate Cultural Responsibility CCR.

Tiefen- und Außenwirkung sind gefragt Für den Aspekt der Messbarkeit unternehmerischer Kulturförderung spielt der Kulturkreis der deutschen Wirtschaft als deren Interessenvertreter eine wichtige Rolle. Er definiert konkret, dass Kulturförderung mehr ist als die Bereitstellung von Mitteln zur Unterstützung kultureller Projekte, und betont: Kulturelles Engagement ist dann sinnvoll, wenn es sich nachhaltig nach außen in die Gesellschaft sowie nach innen in die betriebliche Struktur richtet. Weitere Fakten dazu gibt die in diesem Jahr veröffentlichte hervorragende Studie des Kulturkreises zur „Unternehmerischen Kulturförderung in Deutschland“: Ambivalent sind z.B. die Förderbereiche oder die Höhe und Art der Aufwendungen; Nachhaltigkeit sowie die Einbindung der Mitarbeiter belegen einen deutlichen Trend der Förderstrukturen.

Bewerten statt messen Genau an diese Aussagen knüpft sich die Frage der Messbarkeit unternehmerischer Kulturförderung. Können überhaupt „messbare“ Größen definiert werden? Was kann gemessen werden? Sind es die strukturellen Voraussetzungen eines Unternehmens, ist also z.B. das DAX-Unternehmen mit zigtausend Mitarbeitern anders zu bewerten als ein kleines Unternehmen mit gerade einer Handvoll Mitarbeiter? Eignen sich Faktoren wie Umsatz, Gewinn, die Gesamtperformance oder die persönlichen Präferenzen des Chefs? Viel leichter zu vergleichen wäre doch die Höhe der kulturellen Förderung z.B. im Verhältnis zum Umsatz oder zur Anzahl der Mitarbeiter. Könnte also jeder noch so erwünschte Euro die messbare Größe für Kulturförderung sein, um sich als Szenario (von einer noch zu bestimmenden öffentlichen Instanz) ein kriterienbewertetes Schild „Vorbildliches CCR-Unternehmen“ ins Entree zu hängen? Schön wäre es, aber nicht umsetzbar und zudem nicht sinnvoll. Denn zunächst ist jede Art von unternehmerischer Kulturförderung zu begrüßen. Eminent ist dabei vielmehr die gesellschaftsrelevante Grundhaltung eines Unternehmens, kulturelle und – eng verknüpft – auch soziale oder zunehmend ökologische Prozesse zu fördern. Fazit: Un-

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ternehmerische Kulturförderung ist als Vergleich kaum „messbar“, jedoch durchaus „bewertbar“.

Mitarbeiter sollen mitarbeiten Die „Wertenden“ sind Gesellschaft, Staat, Wirtschaft, Medien oder die Kulturbetriebe. Um eine Grundlage für diese Bewertung zu erhalten, sind für ein Unternehmen Art und Vermittlung der Förderung entscheidend. Dazu sollten Format und Umfang seines kulturellen bzw. gesellschaftlichen Engagements unternehmensintern abgestimmt und definiert werden. Mit wachsender Firmengröße dehnt sich Verantwortung häufig in die Breite, also in die Vielfalt. Daraus erwachsen dann durchaus andere Qualitäten kultureller Förderung, um die CCR in verschiedenen Szenarien darzustellen. Rollen spielen dabei Nachhaltigkeit und Individualität eines unterstützten Projekts, dessen gesellschaftliche Verknüpfung, Häufigkeit und der Umfang der Mittelvergabe. Tiefer greift dann das Sponsoring kultureller Projekte, welche kreative Prozesse unter den Mitarbeitern fördern, die Einrichtung von Stiftungen oder eines eigenen Museums, die mäzenatische Förderung von Künstlern oder die kulturelle Integration von ausländischen Mitarbeitern.

Ausgerechnet: Chancen der Imagepflege ungenutzt

Denn viel zu selten wird bei der betrieblichen Bewertung der kulturellen und sozialen Verantwortung die Nachhaltigkeit kultureller Förderung als Marketing- und Kommunikationsmehrwert gesehen, um über den „guten Ruf“ das längerfristig greifende Image des Unternehmens in die Gesellschaft zu pflegen. Dies sollte unbedingt bei betrieblichen Konsolidierungsmaßnahmen wie z.B. in der zurückliegenden Krise berücksichtigt werden, die häufig eine Minderung des gesellschaftlichen Engagements mit sich bringt. Dass der Einfluss der Kulturförderung auf die Wirtschafts- und Gesellschaftsordnung unterschätzt wird, bestätigt der Geschäftsführer des Kulturkreises der deutschen Wirtschaft, Dr. Stephan Frucht, und erinnert daran, dass die Ausprägungen der gesellschaftlichen Kulturentwicklung nicht ausschließlich das Ergebnis staatlichen Handelns sein kann. Hier entscheidet am Ende sicherlich die richtige Mischung, um z.B. Ängste vor einem Theater- und Museumssterben besser bewerten und abmildern zu können, wie es kürzlich die Studie von der Beratergesellschaft A.T. Kearney prophezeite. Kulturelle und die damit eng verknüpfte soziale Verantwortung entbinden ein Unternehmen allerdings nicht von einer Gesamtverantwortung gegenüber anderen gesellschaftlichen Prozessen. Unsere Aufmerksamkeit ist dort ebenso gefordert wie bei der Verleihung des Deutschen Kulturförderpreises, denn die Vielfältigkeit der Kunstund Kulturförderung durch Unternehmen, wie sie auch im Würzburger Raum vorhanden ist, verdient die Wertschätzung von Gesellschaft und Medien.

Die Ausstattung einer eigenen Abteilung für die kulturelle Förderung wäre weiterer Ausdruck dieser unternehmerischen Grundhaltung.

LINK: | www.kulturkreis.eu

Lieblingsbilder Unsere Autoren bzw. Gesprächspartner wählten die großformatigen Abbildungen zum Schwerpunktthema, um diese Kulturgüter durch eine Veröffentlichung zu fördern. Seite 6: Dr. Matthias Wagner leitete ein studentisches Projekt über vergessene „Würzburger Haustüren, Visitenkarten des Hauses“. Die Jugendstiltür der Schillerschule sähe er gern besser erhalten. Seite 9: Peter C. Ruppert schlug eine seiner jüngsten Neuerwerbungen in der Sammlung Konkrete Kunst vor: Verena Loewensberg, Ohne Titel. 1965, Öl auf Leinwand, 108 x 108 cm. Ausschnitt.www Seite 16: Bruno Forster erinnert sich als Rosenkavalier auch sehr gern an die „Rosenkavalier“-Inszenierung am Mainfranken Theater. Seite 22: Dr. Renate Fiedler hebt statt eines Einzelexponats das Kombinationsprinzip alter und neuester Kunst im Museum am Dom hervor. Seite 25: Dr. Bettina Keß hält Sabine Kirstes Bilder für „vielschichtig - im Wortsinn wie im übertragenen Sinn. Ihre großen Formate verdienen große Umgebungen - im Wortsinn wie im übertragenen Sinn. Leider sind unsere Bürowände zu klein. Sonst würden ihre Gemälde uns schon längst beim täglichen Kultur-Planen anregen. Sabine Kirste, No Exit. 2010, Öl auf Leinwand, 210 x 148cm. Seite 28: Hans-Peter Porzner, Auf der Löwenbrücke mit dem berühmten Blick auf die Festung Marienberg, Nr. 2. 2003-2006, Öl auf Holz, Holzrahmen, 57 x 67,5 cm. Ausschnitt. KulturGut 03 | Seite

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Peter C. Ruppert schlug eine seiner jテシngsten Neuerwerbungen in der Sammlung Konkrete Kunst vor: Verena Loewensberg, Ohne Titel. 1965, テ僕 auf Leinwand, 108 x 108 cm. KulturGut 03 | Seite

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Lebenswerk, öffentlich Der Berliner Vermögensberater Peter C. Ruppert stellt seine Sammlung ungegenständlicher Konkreter Kunst seit 2002 im städtischen Museum im Kulturspeicher aus. Die Präsentation bietet eine Übersicht über die Entwicklung dieser Richtung seit 1945 in Europa. von Joachim Fildhaut / Foto: Gleb Polovnykov

+ KulturGut: Wie kamen Sie auf Würzburg als Ort, um Ihre Sammlung erstmals öffentlich zu machen? Peter C. Ruppert: Am Beginn stand eine Begegnung in Berlin im Jahre 1992 mit Frau Dr. Britta Buhlmann, seinerzeit Direktorin der Städtischen Galerie Würzburg, die sich für Konkrete Kunst ebenso begeistern konnte wie für die Idee eines neuen Museums am Alten Hafen, das sie uns als Projekt vorstellte. Da die Sammlung vom Konzept her auf die Entwicklung dieser Kunstrichtung in Europa nach 1945 ausgerichtet war, also der Kontext der Exponate und nicht Einzelwerke im Vordergrund standen, kam uns das großzügige Raumangebot entgegen. Auch hat meine Frau und mich die Aufgeschlossenheit der Stadt beeindruckt, nicht nur die Kunsttradition zu bewahren, sondern auch gegenwartsbezogen fortzusetzen. Wie sehen Sie Ihre Rolle dabei: Ist eine solche Präsentation eher ein Geschenk des Sammlers an die Gesellschaft oder erfüllt er sich damit einen Lebenstraum? Die Sammlung als mein Lebenswerk habe ich der Öffentlichkeit zugänglich gemacht, um nicht nur Freunde der Konkreten Kunst, also Gleichgesinnte, daran teilhaben zu lassen, sondern diesen Zweig der Moderne auch allen anderen an bildender Kunst interessierten Mitmenschen durch die museale Präsenz näher zu bringen. Ich sehe es aber auch dieser Kunstrichtung selbst geschuldet. Dritte Möglichkeit: Ist jedes Kunstwerk eine Mitteilung und bedarf wesensmäßig der Öffentlichkeit? Für mich ist ein Kunstwerk eher eine Aussage, ein Angebot an den Rezipienten. Wenn Qualität und Bedeutung stimmen, ist Öffentlichkeit durchaus wünschenswert, sollte Kunstbesitz nicht nur Privatsache sein. Ursprünglich war die Sammlung Peter C. Ruppert eine Leihgabe bis 2012 an das Museum im Kulturspeicher. Hätten Sie die Werke wieder in ein Depot zurücknehmen mögen? Die Sammlung war von Beginn an eine Dauerleihgabe ohne Befristung und daran hat sich nichts geändert. Die herumgeisternde Jahreszahl 2012 war nie ein relevantes Laufzeitdatum. KulturGut 03 | Seite

Ist mit der Stiftungsgründung der Verbleib der Sammlung in Würzburg gesichert? Die Gründung der Stiftung stellt den Bestand und die Öffentlichkeit der Sammlung über ein temporäres Sammlerleben hinaus sicher. Die Standortfrage Würzburg ist separat in dem Dauerleihvertrag mit der Stadt geregelt, in den die Stiftung entsprechend eingebunden ist. Liegt im Stiften eines Preises der Übergang vom Sammler zum Mäzen? Oder ist der Ankauf vom Werken bereits ein Akt der Kulturförderung? Nicht erst die Preisaussetzung macht einen Sammler zum Mäzen, ich sehe mein gesamtes Engagement für das Museum im Kulturspeicher unter diesem Aspekt. Mit der Finanzierung eines solchen Preises ist gleichwohl eine fortgeschrittene Stufe im Leben eines Sammlers erreicht. Anstelle von Ankäufen geht es – in meinem Fall – um eine Dankesgeste an die Künstler schlechthin und eine Hommage an die Konkrete Kunst. Im übrigen kommt damit auch die bisherige gute Zusammenarbeit zwischen der Stadt Würzburg, ihrem Museum und dem Sammlerehepaar Ruppert zum Ausdruck. Wie erfolglos muss ein Künstler sein, damit der Ankauf eines Werks von ihm als Mäzenatentum betrachtet werden kann? Aus meiner persönlichen Sicht kann sich eine anspruchsvolle Kunstsammlung nicht daran orientieren, aus Mildtätigkeit Ankäufe zu tätigen, also den mäzenatischen Gesichtspunkt in den Vordergrund zu stellen. Meine Frau und ich trennen das. Der „Preis Peter C. Ruppert für Konkrete Kunst in Europa” wird für ein Lebenswerk vergeben. Hatten Sie je erwogen, ihn zur Förderung von Nachwuchskünstlern zu stiften? In besonders begründeten Fällen kann der Preis gemäß Satzung auch an herausragende Nachwuchskünstler vergeben werden. Im Katalog zu Ihrer Sammlung sagen Sie, Sie kauften kaum direkt bei Künstlern, „um meine Unabhängigkeit zu bewahren“. Können Sie das bitte etwas erklären? Wie sähe denn eine Abhängigkeit vom Künstler aus?

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 Vor acht Jahren sagten Sie, Ihre Sammlung sei in der Hauptsache abgeschlossen. Sind unter den neuen Titeln nur Nebensächlichkeiten zu finden? Ich habe damals offen gelassen, wie es weitergehen wird. Die tatsächliche Entwicklung mit einer Aufstockung der Exponate um mehr als 100 Arbeiten hat meine Frau und mich selbst überrascht. Um Nebensächlichkeiten ging es uns dabei gewiss nicht. Wir haben das Glück gehabt, einige museale „Highlights“ hinzuzufügen und andererseits zeigen zu können, wie die Entwicklung dieser Kunstrichtung im begonnenen 21. Jahrhundert fortgesetzt wurde. Mit Ihrer Bestandserweiterung haben Sie die Konkrete Fotografie als ein Gebiet klar umrissen. Ist damit der seltene Fall eingetreten, dass ein Sammler hilft, einen kunsthistorischen Begriff zu definieren? Unbescheidenerweise ja. Die bisherige Bezeichnung „generative Fotografie“ wurde infolge der Einbeziehung als Teilgebiet der Konkreten Kunst entsprechend ersetzt. Mich hatte interessiert, welche neuen Möglichkeiten das Medium Fotografie innerhalb der Konkreten Kunst wahrnehmen kann. Das Gleiche gilt für die neuen Möglichkeiten von Digital Art bzw. Software Art, also die Rolle des Computers in der Konkreten Kunst. Entsprechend ist die Sammlung ergänzt worden, was wir bei der geplanten Neuhängung der Sammlung Anfang nächsten Jahres zeigen werden.

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Wissen Sie, nach unseren Erfahrungen sind Künstlerinnen und Künstler in der Regel sympathische, liebenswerte Menschen, so dass dann schon einmal aus persönlichen Gründen die Objektivität gegenüber der Qualität ihrer Werke auf der Strecke bleibt. Auch im Geschäftsleben hält man besser Privates heraus, um unabhängig zu bleiben. In diesem Sinne habe ich die Zwischenschaltung von Galerien und Händlern, auch als Basis von Verhandlungen, stets bevorzugt.

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Wie man reich wird … Der Künstler Ottmar Hoerl hat geschafft, was er sich vorgenommen hatte: die Welt über das Gesetz der großen Zahl zu erobern von Iris Wrede

+ Pfarrer Schorlemmer ist glücklich: Endlich verschwinden die 800 Luther-Figuren aus Kunststoff vom Wittenberger Marktplatz. Die Installation des Künstlers Ottmar Hörl wird abgebaut. Unermüdlich, laut, wie ein zu spät gekommener Savonarola hatte der ehemalige Bürgerrechtler in Interviews und Streitschriften gegen den „theologischen und ästhetischen Schindluder“ gewettert. Zwar geht die Geschichte wohl für den Pfarrer besser aus, wir leben ja nunmal nicht im Jahr 1498 – aber erreicht hat er mit seinem Eifer das Gegenteil. „Herr Schorlemmer hat mir mit seinem Protest einen Gefallen getan“, kommentiert Ottmar Hoerl in seinem Atelier in Wertheim genüsslich das Geschehen, lächelt spitzbübisch aus dem Ledersessel (natürlich hervorragendes Design) und spielt dabei auf ein höchst ökonomisches Grundkonzept seines Erfolgs an: über die Wahl der richtigen Gegner Öffentlichkeit zu erzielen. Wollte man den Wert des Widerstands für den Künstler in Werbemillionen messen, würde der zweistellige Bereich nicht ausreichen. „Man braucht einen starken Gegner“, sagt er – und geht noch einen Schritt weiter: „Jeder, der dich in der Zeitung lobt, arbeitet eigentlich an deiner Vernichtung.“ Denn Spannung ist eben das Gegenteil von Harmonie. Das ist Marketing. Und für Ottmar Hörl ist Marketing wiederum ein aufregendes Spiel, eine Lebensform, mit der Vermögen verdient werden.

Ein Berufskünstler ist sowas wie ein Berufsverbrecher Als Hörls Gartenzwerg-Figur „Poisoned“ in Nürnberg wegen der dargestellten Hitlergruß-Geste für zwei Wochen beschlagnahmt wurde, machte man sich im Bekannten- und Verwandtenkreis Sorgen – schließlich ermittelte die Staatsanwaltschaft. Die Aufregung zahlte sich aus. Der Zwerg wurde zurückgegeben, die Presse hatte ihren Spaß: „Wenn du eine Doppelseite in der New York Times hast, der BBC sendet, das ganze bis zu Al Dschasira getragen wird, in der ganKulturGut 03 | Seite

zen Welt verbreitet, dann hast du ein Werbevolumen von 800 Millionen Dollar innerhalb einer Woche - so viel hätte ich bezahlen müssen, um nur im Ansatz den Effekt zu erzielen. Die Titelseite der Süddeutschen zu kriegen, das ist der absolute Adel. Du bekommst einen Artikel im Spiegel und du bist legitimiert, das Blatt kann sich wenden.“ Dazu passt, dass der Bundestagspräsident sich inzwischen auch einen Luther bestellt hat. Es gibt Leader-Konzeptionen in der deutschen Öffentlichkeit, wenn die etwas mitmachen, sagt Hörl, dann brechen alle Dämme. Darum sei die bayerische Staatsanwaltschaft, oder auch jetzt Friedrich Schorlemmer, ein wunderbarer Gegner. Reden dürfe man darüber allerdings eigentlich nicht, denn als Künstler müsse man gerade das finanzielle Gelingen verschweigen – vor allem wenn ein Projekt noch läuft. So verschwinden die Lutherfiguren zum stillen Welterfolg. Jede ist verkauft, und das mehrfach. Das ist bei näherem Betrachten die ökonomisch äußerst rationale Ebene hinter einem auffälligen Werk. Insgesamt funktioniert es letzendlich auf eine unspektakuläre Weise. Ebenso zurückhaltend und klar wie diese Logik wirkt die Umgebung in Ottmar Hörls Atelier. Eher vergleichbar mit einem Architekturbüro, mit dem hier dominierenden klassisches Design, den vielen Büchern im Regal (Ottmar Hörl sammelt Kunstbücher) und einem großen Schreibtisch. Eher das Habitat eines Planers als eines Phantasten.

Erfolg ist dann, wenn man alles falsch gemacht hat Ottmar Hörl ist so etwas wie ein Schreibtischtäter, ein gelassener Denker, der es versteht sein Konzept mit Charme und Charisma zu verkörpern. Ja, er verbringt viel Zeit seinem Bürostuhl, sagt er. Auch wenn dabei an manchen Tagen nichts rauskommt – die Disziplin ist ihm wichtig. Ein überzeugter Arbeiter ist er, der diese Einstellung auch gerne an seine Studenten an der Nürnberger Kunstakademie weiter-

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gibt und sie fordert. Weil Kunst eben harte Arbeit sei und ein echter Berufskünstler in etwa ein Berufsverbrecher – lebenslänglich, was er ist. „Die, denen es zufliegt, die müssen noch mehr arbeiten. Das ist schon die erste Lektion für meine Studenten: Wer die meisten Fehler macht, gewinnt das Spiel. Wer viel arbeitet, eine Vision hat, experimentiert ständig. Experimente gehen aber zu 90 Prozent schief. Das heißt, du machst ständig Fehler, anhand derer du dich entwickelst, weil sie sichtbar werden. Du kämpfst ständig um etwas, von dem du nicht weißt, was es ist. Wer das sehr vehement macht, bekommt auf Dauer bessere Ergebnisse als jemand, der zielgerichtet sagt: ‚Ah, ich habe ein ganz tolles Bild im Kopf. Das male ich jetzt, weil ich ja so genial bin.‘ Und dann sage ich: ‚Ja, wenn du es deiner Mutter zeigst, findet sie das gut, denn Mütter finden immer alles gut, was ihre Kinder malen. Wenn du damit aber die Welt erobern willst, werden sie dir sagen, das ist bereits 32 Millionen mal von allen Hobbymalern dieser Welt gemalt. Damit kannst du keinen Blumentopf gewinnen. Deine Vision war leider manipuliert. Du hast das, von dem dir die Welt suggeriert, das ist schön das ist prächtig, das hast du gemalt. Du musst aber etwas malen, was noch kein Mensch gesehen hat. Und wenn du das machst, weiß kein Mensch, ob das gut oder schlecht ist. Ein guter Künstler zu werden ist einfach schiere Arbeit, Fleiß und Reflektion. Darum musst du kämpfen.‘“ Unabhängig davon, ob man mit seiner Kunst finanziell erfolgreich wird, oder nicht? „Berühmte Künstler sind Menschen, die ein Alleinstellungsmerkmal entwickelt haben. Und wenn du das hast, bekommst du auch irgendwann Geld. Weil du bewiesen hast, dass es geht.“ Die meisten Künstler scheiterten aber in anderer Weise am Geld, denn „viele hören vollkommen auf, kreativ zu sein, wenn sie Professor sind. Das heißt, es sind nicht wirklich künstlerische Persönlichkeiten. Wenn man ihnen einen festen Job und mehr Geld gibt, hören sie auf. Ihr Preis war also relativ niedrig. Der Berufskünstler dagegen ist ein freier Mensch, ein Freibeuter in dieser Gesellschaft und nicht zu integrieren. Er hält seine Position so in der Schwebe, dass man ihn nicht abschafft, ist aber ständig dabei, seine Welt zu KulturGut 03 | Seite

revolutionieren, damit neues Denken entsteht. Du kannst ihm soviel Geld geben wie du willst, er hört nicht auf zu kämpfen.“ Kämpfen, das hat Ottmar Hörl gelernt. Schon während seines Studiums an der Städelschule hatte er ganz offen zu seinen Professoren gesagt, er wolle berühmt werden. Damals sorgte er für Stirnrunzeln und Gelächter. Dass ihm das nicht egal war, ihn tief getroffen hat, merkt man heute noch an der Art, wie er von der Reaktion seiner Umgebung berichtet. Er habe sich immer „von der einen Scheiße in die nächste geehrlicht“, weil er dachte: „Wenn ich das wirklich will, kann ich auch sagen, was will.“ Im Nachhinein allerdings hat die Realität seine Aussage bestätigt, denn: Es ist nicht so einfach, mit Multiples Geld zu verdienen. Man muss ein Weltstar werden, denn Multiples rechnen sich nach dem Gesetz der großen Zahl. Wenn Hörl einen goldenen Kunststoff-Hasen verkauft, bekommt der Händler 40 bis 50 Prozent. Die Produktionskosten bleiben bei dem Künstler. Aber auch den Zwischenhandel umgeht er inzwischen. Sein Internet-Shop läuft – und generiert weltweit Umsatz. Kurz: „Das Hörlsche Imperium reicht von Australien bis Neufundland.“ Hier ist einer angetreten, Welten zu erobern. Sein definiertes Ziel: Jeder Mensch soll „ein Teilchen“ von ihm haben – oder wenigstens jemanden kennen, der eins hat. Zum Beispiel Guido Westerwelle. Wenn auf der Hälfte seiner Portraits in Zeitungsberichten ein gelber Vogel von Hörl im Hintergrund steht, tritt der gewünschte Effekt ein. „Wenn die Spitze unseres Landes den Hörl gut findet, dann kann ich mir doch auch so ein Häschen kaufen. Und wenn dann die Frau Maier sagt: ‚Du, was hast du denn da wieder für einen Kitsch gekauft?‘, dann sagt die andere: ‚Moment, da klär ich dich jetzt mal auf.‘“

Fürs Bravsein kriegst du nichts! Dass der Anspruch, Menschen für günstiges Geld an Kultur teilnehmen zu lassen, im Widerspruch zu den Gesetzen des gängigen Kunstmarkts steht, ist Ottmar Hörl bewusst: „Wir leben in einer demokrati-

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INFO: Der Künstler Ottmar Hörl (* 1950 in Nauheim) ist Präsident der Akademie der Bildenden Künste Nürnberg. Er lebt und arbeitet in Nürnberg und Wertheim und wurde mit seinen vielfältigen Skulpturen zu Themen des alltäglichen Lebens bekannt. Sein Seifenobjekt „Unschuld“ ist seit seinem Erscheinen (Oktober 1997) in rund 42.000 Händen und gilt damit als das erfolgreichste Multiple. | www.ottmarhoerl.de

Foto: Heidelberger Druckmaschinen AG

schen Welt, in der Menschen Bücher lesen, ins Theater gehen können. Das haben wir uns erkämpft. Nur in der bildenden Kunst ist man noch nicht soweit. Es geht immer noch darum, ein Bild möglichst schnell auf zwei Millionen zu bringen. Der Handel verdient natürlich dann, wenn alles möglichst teuer wird. Aber das Modell des Einzigartigen gehört ins neunzehnte Jahrhundert. Menschen müssen teilnehmen können, sich ein Kunstwerk kaufen können. Stolz darauf sein können, dass sie mit Kunst leben – jenseits von Nobilität.“ In Kreisen von Kuratoren und Sammlern kennt man sich. Es ist kein Problem, die immergleichen Leute auf den Vernissagen zwischen Mitteleuropa und New York zu treffen. Kuratoren, Kunsthandel, Museumsbetrieb: „Wie eine konspirative Vereinigung“ sei das, von der Hörl unabhängig sein möchte. Tatsächlich haben die Menschen seine Multiples fast „heimlich“ gekauft. Ohne offizielle Genehmigung durch den Kunstbetrieb, der irgendwann gemerkt habe: „Der wird immer berühmter und wir haben das dem doch gar nicht erlaubt!“ Denn an Kunst wollen viele mitverdienen – dass Künstler mit eigenen Vertriebswegen Erfolg haben, ist ungewöhnlich und „nicht brav“. „Für Bravsein kriegst du aber gar nichts“, sagt Ottmar Hörl: „Viele Hochbegabte haben darauf gesetzt, dass das Establishment sie für ihr Bravsein belohnt. Ich habe meine Kollegen immer gewarnt, von einem System abhängig zu sein. Das haben sie mir nicht geglaubt und dafür einen sehr hohen Preis gezahlt: den der Armut und Nichtbedeutung.“ Natürlich hätte das Spiel auch schlecht ausgehen können, oder? Zu scheitern sei kein Problem, dann könne man sagen: „Ich habs probiert – kann sein, ich war nicht gut genug – aber ich habe es probiert“, meint Hörl. „Ich möchte, nachdem ich diese paar Jahre hier gelebt habe, sagen können: Ich habe alles probiert. Jeder Blödsinn, diesen ganzen unseriösen Scheiß, bei dem die anderen gesagt haben: Hör auf, du ruinierst dein Leben. Ich mach das jetzt, ich probier das jetzt aus. Ich will auch anderen dieses Selbstvertrauen geben, einfach zu sagen: Wie dieses Leben jetzt ausgeht ist egal, ich probiere es.“ Nur bequem dürfe man nicht werden, denn das Gehirn bestrafe einen gnadenlos für das Sicherheitsdenken. Es gebe einem keine kreativen Ideen mehr, wenn es nicht gewöhnt sei, um sein Leben zu kämpfen – was zunächst einmal nichts mit Geld zu tun habe. „Ich kämpfe immer noch wie ein junger Avantgardist mit achtzehn, zwanzig um mein Leben“, beteuert Ottmar Hörl. Vielleicht fällt es in der gediegenen Umgebung zunächst schwer, das zu glauben. Aber wenn das leidenschaftliche Plädoyer für die Freiheit hört, überzeugend und energetisch vorgetragen, weiß, es handelt sich um einen Überzeugungstäter, der sich seine Lust am Tun einfach nicht abgewöhnen will und kann. „Manchmal sagen die Leute: Jetzt kannst du doch ein bisschen souveräner werden, du hast es doch geschafft. Und ich sage: Ich will nicht souverän werden.“ Ja, bitte nicht. Alles andere wäre … langweilig.

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Bruno Forster erinnert sich als Rosenkavalier auch sehr gern an die „Rosenkavalier“-Inszenierung am Mainfranken Theater. KulturGut 03 | Seite

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Vorzeige-Stifter Die Rosenkavaliere wollen das Mainfranken Theater als gutes Dreispartenhaus erhalten. Das ist ihnen jährlich eine Drittelmillion wert von Joachim Fildhaut / Foto: Falk von Traubenberg

+ Würzburger Theaterfreunde blicken oft neidvoll gen München: Ja, den Staatstheatern, denen schiebt die bayerische Regierung satte Unterstützung zu! Einmal jedoch drehte sich der Spieß um, 2009, bei der Verleihung der Würzburger Kulturmedaille. Diese Auszeichnung erhielten der hiesige Theaterförderverein und seine Rosenkavaliere, und zur Laudatio reiste Dr. Ulrich Peters an, heute Staatsintendant des Münchner Gärtnerplatztheaters. Der Ex-Würzburger warf ein neidisches Auge auf das Mainfranken Theater, eben wegen seiner privaten Unterstützer.

zu gewinnen, mehr für das damalige Stadttheater zu tun. Wesentlich war bereits am Anfang der Gedanke: Größere Spenden sollen auch äußerlich sichtbar gemacht werden. Die Geber können sich Rosenkavaliere nennen, was sie denn auch wirklich ganz gerne tun. Und wer nicht anonym bleiben will, dessen Name – oder Firma – wird in den Programmheften abgedruckt. Über 85 Mitkavaliere freute sich BolzaSchünemann im ersten Jahr. In den besten Zeiten fasste der Stifterkreis 240 Personen, 450.000 Euro konnten als Maximum verteilt werden. Heuer hat sich die Spenderzahl bei 166 eingependelt.

Kunst geht vor Kalk

Die Mütter Courage der Premierengäste

Der Stifterkreis Rosenkavaliere ist eine Aktion des Theaterfördervereins, also keine eigenständige und erst recht keine konkurrierende Kulturvereinigung. Die knapp 1000 Fördervereinsmitglieder zahlen einen Jahresbeitrag von 21 Euro. Ab einer Spende 500 Euro kann man Rosenkavalier werden. 350.000 Euro legten die Stifter für die anlaufende Spielzeit zusammen. „In Absprache mit dem Theater suchen wir aus, was wir unterstützen wollen“, reißt der Vorsitzende des Theaterfördervereins, der pensionierte Uni-Kanzler Bruno Forster, die Tätigkeit des Kreises an: „Wir möchten die künstlerischen Leistungen des Theaters fördern. Deshalb gehen unsere Mittel nicht in den allgemeinen Theateretat ein, aus dem auch die Flure geweißelt werden.“ So fließen Gelder gebunden für einzelne Inszenierungen, für Gastsolisten und Ausstattung. Erkenntbar wird diese Förderung für Außenstehende durch den Vermerk „Der Theaterförderverein präsentiert“ im Programmheft. Wenn dort obendrein noch steht, die Inszenierung sei diesem oder jenem Würzburger gewidmet, so heißt das, dass der Betreffende mehr als 25.000 Euro in die Kavalierskasse gegeben hat – nicht gezielt für gerade diese Produktion. Theaterpädagogische Aktivitäten finanzieren die Rosenkavaliere mit, den Kauf von Orchesterinstrumenten, für die kein Geld im Etat wäre, und besonders gründlich das Ballett. Derzeit ist das Tanzensemble auf acht Planstellen geschrumpft. Dazu kommen vier Nachwuchskräfte, so genannte Eleven, die von ihrer Vergütung kaum existieren könnten. Diese vier Stellen stocken die Rosenkavaliere zu Volltänzern auf. Die Zuwendung zum Ballett hat ihren Grund: Die choreographische Kunst macht neben Sprechtheater und Oper das Mainfranken Theater zum Dreispartenhaus. Und als dessen Bestand gefährdet war, vor zehn Jahren, da kam auch die Initiative zu den Rosenkavalieren auf. Hans-Bernhard Bolza-Schünemann, Aufsichtsrat des Druckmaschinenherstellers Koenig & Bauer, suchte nach einem Weg, Leute dafür

Dass „Rosenkavaliere“ ein recht repräsentativer Name ist – etwa im Vergleich zu „Mutter Courage“ –, nahm man billigend in Kauf. Das heißt jedoch nicht, dass besonders Produktionen der Repräsentationskultur und kulinarische Operettenausstattungen Mittel der Rosenkavaliere abbekämen. Über die Verteilung befinden die Vorstandsmitglieder des Theaterfördervereins. Die Rosenkavaliere beeinflussen die Verwendung ebensowenig wie den Spielplan. Ihr Kuratorium hat überhaupt nichts mit dem Ausgeben von Geldern zu tun, sondern nur mit dem Einnehmen. Das Gremium berät Mittel und Wege der Stifterakquisition. „Unglaublich aktiv“ war hier der heuer verstorbene Hans BolzaSchünemann, „der maßgebliche Motor durch seine Persönlichkeit und sein Engagement“, sagt Bruno Forster: „Er hinterlässt eine Lücke, die, wenn überhaupt, dann nur sehr schwer zu füllen ist.“ Kein gangbarer Weg erscheint den Rosenkavalieren ein Zusammenlegen mit der Mainfränkischen Theaterstiftung. Forster rechnet vor: Die Aktion hat bisher über drei Millionen Euro erbracht. Bei einer dreiprozentigen Verzinsung ergäbe das inzwischen zwar 90.000 Euro im Jahr: „Aber das Theater braucht eine viel höhere Soforthilfe!“ 800.000 Euro stehen dem Haus als freier Etat für Produktionskosten – Ausstattung und Gastkünstler – zur Verfügung. Spenden der Rosenkavaliere können die dünne Finanzdecke noch einmal um die Hälfte aufpolstern.

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INFO: Je nach ihrer Spende erhalten die Rosenkavaliere vom Theater eine steigende Zahl von Ticket-Gutscheinen und Einladungen zu Bühnenproben, Theaterdinners sowie zu Intendantengesprächen mit nachfolgenden Arbeitsproben.

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Benefiz n端tzt Vor zehn Jahren rief Vogel-Verleger Dr. Kurt Eckernkamp eine regional agierende Stiftung ins Leben von Iris Wrede

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+ Eine der großen deutschen Privatstiftungen trägt – nicht seinen Namen. Im Jahr 2000 gründete Dr. Kurt Eckernkamp gemeinsam mit seiner Frau Nina Eckernkamp-Vogel die Vogel Stiftung. Für Bildung, Wissenschaft, Medizin und Kultur stehen mittlerweile die Erlöse einer Einlage von über zehn Millionen Euro zur Verfügung. Aktuell hat die Stiftung zwei umfangreiche Förderprojekte: seit 2008 eine Stiftungsprofessur „Fachjournalismus mit Schwerpunkt Technik“ an der Fachhochschule Würzburg-Schweinfurt sowie seit diesem Sommer das Forschungsprojekt „Frühdiagnose in der Demenzforschung“ an der Uniklinik. Als Verleger kennt Eckernkamp die Notwendigkeit, Nachwuchs auszubilden, denn „die medialen Anforderungen sind heute gewaltig und Qualität bleibt das alles entscheidende Kriterium“, kommentiert der Stifter seine Motivation: „Nur mit einer hohen Glaubwürdigkeit der Quelle und nur mit Vertrauen in die Güte der Information können unsere Fachleser Entscheidungen treffen und Investitionen tätigen. Bei aller Crossmedialität: Das Herz unserer Produkte bleibt die redaktionelle Leistung.“ Der dreisemestrige Masterstudiengang ist der einzige dieser Art in Süddeutschland und war die erste Stiftungsprofessur an der Würzburger FH. Die Stiftung finanziert die Einrichtung und den Betrieb der Professur mit 600.000 Euro über fünf Jahre. Ebenfalls auf fünf Jahre angelegt ist das Förderprojekt zur Demenzforschung. 375.000 Euro spendete Dr. Eckernkamp im Februar 2010 anlässlich seines 75. Geburtstags und des zehnjährigen Jubiläums seiner Vogel Stiftung. Weitere 25.000 Euro gingen in den Aufbau der übergreifenden Beratungsstelle HALMA e.V. (Hilfen für alte Menschen) in Würzburg. Mit der sozialen Zeitbombe Altersdemenz befasst sich Eckernkamp besonders, seit ein Fall in seiner eigenen Familie auftrat.

Warum so regional? Anders als eine Unternehmensstiftung agiert eine Personenstiftung völlig eigenständig und unabhängig vom Unternehmen. Die Vogel Stiftung betätigt sich zudem vor allem regional. Der Aufsichtsratsvorsitzende begründet: „Ich lebe und arbeite seit 40 Jahren in der Region. Hier kenne ich die Strukturen und Menschen. Hier können wir ganz gezielt fördern und helfen. Die räumliche Nähe schafft Vertrauen und Glaubwürdigkeit und erhöht letztlich die Nachhaltigkeit unseres Engagements.“ Hinzu kommt: Wenn ein Projekt auch einmal anderweitige Unterstützung als durch Geld benötigt, können regional vernetzte Stifter schnell und unkompliziert eingreifen. Bürgerschaftliches Engagement ist für den Unternehmer Eckernkamp in einen weiten Horizont eingebettet, nicht in den moralischen etwaiger „milder Gaben“, sondern in einen politischen: „Wenn die Entwicklung vom regulierenden Wohlfahrtsstaat zu einer starken Zivilgesellschaft vollzogen werden soll, dann ist klar, dass das ohne Mitwirkung von Unternehmern und Unternehmen nicht geht.“ Wobei der Mann, der 1970 Geschäftsführungsaufgaben im damaligen Vogel-Verlag übernahm, durchaus Vorteile auch für die Spender sieht. Er verfolgt die Diskussionen und Publikationen, inwieweit Sponsoring mehr als bloße Image-Pflege sein kann. Da sieht er bei „verantwortungsKulturGut 03 | Seite

bewussten Unternehmen“ durchaus auch mehr Profit – und höhere Attraktivität für die Mitarbeiter. Denn alles Sponsoring, Fördern und Stiften in einem Unternehmen richtet sich nicht nur nach außen. „Verantwortungsethos in der Unternehmenskultur“, wie Eckernkamp es formuliert, „macht zufrieden und motiviert. Das sind Erfolgsfaktoren“, sagt der Kunstfreund, der Theater und Konzerte gern selbst genießt – und das Mainfranken Theater freigiebig unterstützt und im Kuratorium der Rosenkavaliere mitarbeitet.

Corporate Citizen Ein Unternehmen sieht er in einem Beziehungsgeflecht unterschiedlicher Stakeholder-Ebenen, wobei Vertrauen die wichtigste Grundlage dieser Beziehungen zu all diesen Ebenen sei: zu Kunden, Mitarbeitern, Unternehmen, Partnern und der Gesellschaft. In Eckernkamps Überlegungen spielen nicht die Shareholder die Hauptrolle, sondern die Stakeholder, d. h. alle, die am Verwertungsprozesses beteiligt sind. Sein Ethos: „Verantwortungsbewusstsein gegenüber allen Stakeholdern muss integraler Bestandteil unternehmerischen Denkens und Handelns, entlang der gesamten Wertschöpfungskette, in jedem Geschäftsfeld, auf allen Ebenen des Unternehmens sein.“ Vielseitige Vernetzung mit langfristigen Perspektiven vollzieht irgendwann einen qualitativen Sprung auf eine neue Ebene. Da ist das Ganze mehr als die Summe seiner Teile, so wie Corporate Social plus Corporate Cultural Responsibility sich ja auch nicht bloß zu Corporate Anything Responsibility aufaddieren, sondern zu Corporate Citizenship fügen. In diesem Wechselgeflecht ist der Bürger mehr als ein einfacher Nutzer der Stiftungsziele. Er ist in Vermittlungsprozesse integriert und übernimmt selbst aktive Parts. Eine wichtige Vokabel in Eckernkamps Überlegungen heißt denn auch Nachhaltigkeit. „Denn Nachhaltigkeit ist immer Zukunft“, betont er. Eben die sieht er durch Stiftungen garantiert – „im Gegensatz zu einer kurzfristigen, medientauglichen Spende“.

INFO: Jährlich rund 40.000 Euro Spendengeld erbringt das Benefizkonzert der vier Würzburger Druck- und Medienhäuser (Vogel, Krick, MainPost und Koenig & Bauer). Verpflichten konnten sie in diesem Jahr die Russische Kammerphilharmonie St. Petersburg. Sie spielt am 13. November, 20 Uhr, im Vogel Convention Center unter der Leitung von Juri Gilbo die große g-Moll-Sinfonie von Mozart (KV 550) und Tschaikowskys vierte Sinfonie in f-Moll (op. 36). Solistin in von Webers erstem Klarinettenkonzert in f-Moll (op. 73 J. 114) ist die Israelin Sharon Kam. Der Gesamterlös des fünften Abends seiner Art geht an den Würzburger Verein HALMA, der Demenzkranke und ihre Angehörigen unterstützt. | www.wuerzburger-benefizkonzert.de

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25 JAHRE THEATER AM NEUNERPLATZ


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Dr. Renate Fiedler hebt statt eines Einzelexponats das Kombinationsprinzip alter und neuester Kunst im Museum am Dom hervor. KulturGut 03 | Seite

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Kunstfreunde e. V. Zu einem kultivierten Leben gehört mehr, als an Bilderwänden entlang zu schreiten. Die Innenwelt der Museumsfördervereine von Susanne Hoffmann / Foto: Thomas Obermeier

+ Vom 20. bis 22. November tagen sie im Kulturspeicher – rund 70 Vorsitzende im Bundesverband der Fördervereine deutscher Museen für bildende Kunst. Über „Die Finanzkrise des Bundes und die Kulturförderung“ werden sie diskutieren. Der Freundeskreis Kulturspeicher e.V. gehört seit vier Jahren dazu. Ein weiterer Würzburger Verein, die Freunde des Museums am Dom e.V., wird die Mitgliedschaft demnächst beantragen. Beide Vereine gingen aus einem spontanen Zusammenschluß ehrenamtlicher Kunstenthusiasten hervor, als ihr Museum noch in der Planungsphase steckte. Beide Vereine sind junge Gründungen. Beide erfreuen sich einer stetig wachsenden Mitgliederzahl. Beide loben die enge und hervorragende Kooperation mit der Museumsleitung und den Mitarbeitern. Beide arbeiten erfolgreich an der Unterstützung und Förderung ihres Museums, denn beide bieten abwechslungsreiche Programme zur jeweiligen Kunstausstellung. Zweck eines Fördervereins ist es, ein Museum in allen Belangen zu unterstützen und zu fördern. Mitglied kann jeder Kunst- und Kulturinteressierte werden. Für einen moderaten Jahresbetrag erhält jedes Mitglied freien Eintritt ins Museum, Einladungen zu Veranstaltungen, Publikationen zu reduzierten Preisen und die bevorzugte Teilnahme an Exkursionen.

Werkstatt mit Studentinnen Der Freundeskreis Kulturspeicher hat sich die materielle und ideelle Unterstützung des Museums im Kulturspeicher zum Ziel gesetzt. Die Wurzeln seiner Entstehung gehen auf das Jahr 1993 zurück. Als für die Sammlung der städtischen Galerie ein neues Gebäude gesucht wurde, entstand unter der damaligen Leiterin Dr. Britta Buhlmann das Forum Galerie mit 30 engagierten Bürgern. Im Februar 2002 gab sich der Förderverein seinen jetzigen Namen. Heute gehören ihm 830 Mitglieder an. Erster Vorsitzender ist der Kinderarzt Dr. Gert Fricke, selbst ein Sammler moderner Kunst. Aus der einstigen Bürgerinitiative ging das Forum hervor. „Es ist heute der Ideengeber, der ‚Think Tank’ des Vereins“, erläutert Dr. Fricke. Dort werden Arbeitskreise von interessierten Freiwilligen zu bestimmten Projekten gebildet. Auf diese WeiKulturGut 03 | Seite

se entstand auch der Aufbau einer eigenen Homepage, denn die Information der Mitglieder läuft zu 65 Prozent über das Internet. Vorstand, Forum und die beiden Direktorinnen des Museums stehen in regelmäßigem Austausch miteinander. Bei besonders dringenden Aufgaben gibt es einen Jour Fixe, an dem sich der Vorstand mit der Direktion trifft. Die Zusammenarbeit klappt hervorragend, lobt Dr. Fricke. Von seinem Beginn an konnte der Kulturspeicher auf den tatkräftigen Einsatz von 130 Volunteers zurückgreifen. Ihre Organisation in Minigruppen funktioniert reibungslos. Bei Sonderveranstaltungen sorgen sie für das leibliche Wohl und arbeiten im Empfangsbereich. Dafür werden sie vom Verein gehegt, indem er ihnen alljährlich eine Exkursion als Anerkennung für ihre Dienste spendiert. Materielle Unterstützung erhält der Kulturspeicher durch die Beiträge der Vereinsmitglieder. „Laufende Einnahmen werden gleich verplant“, so Dr. Fricke. Im letzten Jahr waren es ca. 25.000 Euro. Zusammen mit anderen Sponsoren beteiligt sich der Freundeskreis an Kunstankäufen. Er stellt Geld für Publikationen und für die technische Ausstattung des Museums zur Verfügung. Beispielsweise für die Head Sets, die erstmals für die Ausstellung „Licht und Farbe“ ausprobiert wurden. Daneben sorgte der Verein für die Finanzierung einer Teilzeitkraft im Bereich Marketing, die Kontakte zu den Medien herstellt. Dr. Fricke: „Dies war uns ein wichtiges Anliegen, bei dem es noch Nachholbedarf gab.“ Im Kreis Junge Freunde sind die 18- bis 30-jährigen Mitglieder versammelt. Sie haben die Möglichkeit, aktiv in der Museumspädagogik mitzuwirken. Beispielsweise bieten Studenten der Kunstpädagogik begleitende Kurse zu den aktuellen Ausstellungsprojekten an.

Freunde in den besten Jahren Die Freunde des Museums am Dom gründeten sich 2001 auf Initiative des Kunstreferenten der Diözese Würzburg, Dr. Jürgen Lenssen. Heute ist der Verein von einem Dutzend kunstinteressierter Bürger auf 750 Mitglieder angewachsen. Vor zwei Jahren wurde Dr. Renate Fiedler zur ersten Vorsitzenden gewählt. Die Kunstliebhaberin, die schon immer ein großes Interesse an moderner Kunst hatte, arbeitet hauptberuflich als Richterin am Sozialgericht in Würzburg. Dr. Lenssen ist

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Beisitzer im Vereinsvorstand, Museumsleiter Martin Turek nimmt regelmäßig als Gast an den Vorstandssitzungen teil. Über die Wünsche des Museums wird gemeinsam entschieden. Bisher konnte der Verein mehr als 200.000 Euro Einnahmen zur Verfügung stellen. Anders als beim Freundeskreis Kulturspeicher fließen die Beiträge hier fast ausschließlich in den Ankauf von Kunstwerken. In den letzten Jahren gelang es den Freunden des Museums sogar, die komplette Finanzierung bei Werken von Arnulf Rainer, Markus Fräger, Jub Mönster und Herbert Falken zu übernehmen. Für 2010 ist der Erwerb von vier Ölbildern des Französischen Malers Gérard Eppelé vorgesehen. An dem Projekt „Endspiel 2010“ beteiligte sich der Verein mit dem Stück „Körperchen, Körperchen an der Wand“ in einer Inszenierung des Kölner Künstlers Jürgen Wolf, das im Museum am Dom aufgeführt wurde. Für die Museumspädagogik finanzierte er eine eigene Broschüre, „denn die Kinder- und Jugendarbeit liegt uns sehr am Herzen“, betont Dr. Fiedler.

Kunstvermittlung live Immer am ersten Adventssamstag findet ein eigener Weihnachtsmarkt auf dem Kiliansplatz statt. Dafür spenden die Freunde selbstgemachte Leckereien und Bastelarbeiten für den Verkauf. Das brachte im letzten Jahr 7500 Euro ein. Vorträge, Führungen und Exkursionen, die auch Nichtmitgliedern offen stehen, werben in eigener Sache für die Vereine. Schließlich soll ein möglichst breites Publikum angesprochen werden, quer durch alle Altersstufen und sozialen Schichten. Zur Zeit sind die Mitglieder zwischen 40 und 60 Jahren in der Überzahl. Der Freundeskreis Kulturspeicher lädt seit Jahren erfolgreich zu Künstlergesprächen ein. Relativ jung ist das Musikprogramm Klangraum, das unter der Leitung von Joachim Herten auch mal experimentelle Musik im Foyer ertönen lässt. Im Oktober findet eine einwöchige Kunstexkursion ins Baskenland statt. Die Freunde des Museums am Dom suchen die Künstler direkt in ihren Ateliers auf, darunter waren bereits Jacques Gassmann, Herbert Mehler und Lilo Emmerling. Einmal im Jahr steht eine Fahrt zu umgestalteten Kirchenräumen der Diözese in Würzburg auf dem Programm. KulturGut 03 | Seite

Ob alte oder neue Kunst, religiöse oder nichtreligiöse, ob die Besichtigung von Klöstern in der Wachau oder der Besuch der Art Basel – das Programm schreitet über regionale Grenzen hinaus. Dr. Fiedler meint denn auch: „Wir haben mehr Programmpunkte als Termine. Mehrtägige Fahrten sind immer schnell ausgebucht. Es scheint sich herumgesprochen zu haben, dass Dr. Lenssen hervorragende Kontakte zu anderen Museen besitzt, was den Teilnehmern zugute kommt.“ Ebenfalls sind gute Beziehungen zum Stadtrat für die Fördervereine unentbehrlich. Die Freunde des Museums am Dom wählten Bürgermeister Dr. Adolf Bauer zu ihrem 2. Vorsitzenden. Für den Kulturspeicher ist bei den Sitzungen im Rathaus auch schon mal der ein oder andere Vertreter aus dem Freundeskreis anwesend. Nähere Kontakte der beiden Vereine untereinander bestehen nicht. Aber das kann sich rasch ändern. Immerhin bietet die Bundesverbandstagung im November eine Chance, mit anderen Vereinen ein überregionales Netzwerk zu errichten, indem auch die Würzburger Kunstinstitutionen fest verankert sind. Manche Vereine blicken auf eine 100-jährige Tradition zurück. „Im Vergleich zu den Fördervereinen des Städel in Frankfurt oder dem des Wallraf-Richartz-Museums in Köln sind wir ein Baby“, erklärt Dr. Fricke. Der möchte „von den Erfahrungen der anderen profitieren“.

INFO: Die Herbsttagung des Bundesverbands der Fördervereine deutscher Museen für bildende Kunst e. V. wird unterstützt von der Sparkassenstiftung für die Stadt Würzburg, von der Unterfränkischen Kulturstiftung des Bezirks Unterfranken und der Bürgerstiftung Würzburg und Umgebung (VR-Bank Würzburg).

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Dr. Bettina Keß hält Sabine Kirstes Bilder für „vielschichtig - im Wortsinn wie im übertragenen Sinn. Ihre großen Formate verdienen große Umgebungen - im Wortsinn wie im übertragenen Sinn. Leider sind unsere Bürowände zu klein. Sonst würden ihre Gemälde uns schon längst beim täglichen Kultur-Planen anregen. Sabine Kirste, No Exit. 2010, Öl auf Leinwand, 210 x 148 cm. KulturGut 03 | Seite

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Überlebensmittel Fundraising Kaum eine Kulturinitiative kann sich professionelle Hilfe beim Anwerben von Unterstützern leisten von Dr. Bettina Keß

+ Das Ringen um den Erhalt der schmalen Budgets von Museen, Theatern oder privaten Kulturinitiativen ist hart und wurde in den vergangenen Jahren immer härter. Egal, ob eine Einrichtung von öffentlichen Trägern mehr schlecht als recht finanziert ist oder eine Initiative völlig sich selbst überlassen arbeitet. Auch in der Kultur gelten mehr und mehr die Gesetze des Markts. Für kommunale Kultureinrichtungen ist es nichts Ungewöhnliches mehr, Teile der Etats selbst erwirtschaften zu müssen. Eintrittsgelder oder Einnahmen aus gelegentlichen Vermietungen etwa von Foyer oder Ausstellungsräumen reichen dafür längst nicht mehr aus.

Die Sozialen sind schon weiter So genanntes Fundraising muss daher zusätzliche oder auch nur dringend nötige Mittel erbringen, um das Angebot aufrecht zu erhalten, die Qualität zu sichern oder auch um einmal eine Projektidee in den Himmel wachsen lassen zu können. Der Deutsche Fundraising Verband definiert das vielbeschworene Wundermittel ganz sachlich als „die Beschaffung von Mitteln zur Verwirklichung von am Gemeinwohl orientierten Zwecken“. In der Praxis bedeutet Fundraising, Geld-, Sach- oder Dienstleistungen für die Arbeit von so genannten Non-Profit-Organisation einzuwerben. Das können klassische Spenden sein, Sponsorenleistungen, Stiftungsmittel, aber auch öffentliche Zuwendungen und Fördergelder wie z.B. der städtische Zuschuss an freie Kulturträger oder Unterstützung durch die EU. Für die systematische Ressourcen-Gewinnung „Fundraising“ ist übrigens bisher noch kein schlüssiger deutschsprachiger Begriff gefunden worden. Auch in den Würzburger Kultureinrichtungen geht nichts mehr ohne zusätzliche Mittel, sei es, um Sonderausstellungen anbieten zu können wie im Museum im Kulturspeicher, oder um ein großes Musikfestival wie das Umsonst&Draußen überhaupt jedes Jahr aufs Neue zu realiKulturGut 03 | Seite

sieren. „Es gibt fast keine Wechselausstellung, die ohne zusätzlich eingeworbene Mittel durchgeführt wird“, betont Kulturspeicher-Chefin Dr. Marlene Lauter. Fundraising ist also das richtige Werkzeug, um Lücken im Kulturbereich zu stopfen. Trotzdem ist dieses Instrument dort keine Selbstverständlichkeit. In anderen Non-Profit-Bereichen ist man da schon weiter, besonders im sozialen, der traditionell auf Spenden angewiesen ist und auf eine große Erfahrung im Einwerben von Unterstützung bauen kann. Menschenrechtsorganisationen, Wohlfahrtsverbände und auch Umweltverbände werben Spenderinnen, binden ehrenamtliche Unterstützer dauerhaft an die eigene Organisation oder überzeugen Sponsoren von ihren Zielen. Erst seit Mitte 2005 gibt es dagegen einen Arbeitskreis „Fundraising für Kunst und Kultur“ im größten Zusammenschluss von professionellen Fundraising-Dienstleistern, dem bereits 1993 gegründeten Deutschen Fundraising Verband. Kulturspezialisten sind hier also noch eine Seltenheit. Die Pflege von Kontakten zu Sponsoren und Spendern, das Gewinnen von Freiwilligen oder deren Betreuung wurden stattdessen in vielen Kultureinrichtungen zunächst von den dort Beschäftigten zusätzlich zu den Kernaufgaben übernommen. Erzwungen durch größer werdende Finanzierungslücken avancierten diese Tätigkeiten für Ausstellungskuratorinnen oder künstlerische Leiter vom Eben-mal-Miterledigten zu einer zentralen Aufgabe. Oft sind Fundraising-Aktivitäten sogar Chefsache, wie im Museum im Kulturspeicher oder auch beim Trägerverein des Umsonst&Draußen-Festivals. Geschäftsführer Ralf Duggen weiß, wie zeitaufwendig es ist, Unterstützer zu gewinnen und vor allem auch zu halten. Der Kulturprofi benennt ein paar seiner Fundraising-Aktivitäten auf: „Anfragen schreiben, Anrufen, Präsentationen verschicken, Termin vereinbaren, Kontaktpflege, Einladung zum Festival…“ Die Aufzählung zeigt: die Nähe der Fundraising-Aktivitäten zum Marketing und zu klassischen Aufgaben der PR- und Öffentlichkeitsarbeit ist groß.

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Kunsthalle zu vermieten In einer Region wie Würzburg erfordert das Aufbringen von finanziellen und anderen Leistungen oft besondere Findigkeit: Die Zahl potentieller Sponsoren wie Banken oder größere Unternehmen ist überschaubar, und kulturelle Projekte können nur auf vergleichsweise wenige Förderquellen zugreifen. Darüber hinaus konkurrieren Kulturprojekte oft unfreiwillig mit Anliegen aus dem Sozialbereich. Mit großem persönlichen Engagement betriebene Privatinitiativen wie die Förderaktionen der Amicae Artis e.V. helfen zwar, ungewöhnliche Projekte außerhalb des Pflichtprogramms zu realisieren, sind aber allenfalls ein Tropfen auf den heißen Stein. Dass das Geld bei den Sponsoren nicht oder nicht mehr so locker sitzt, bekommen gerade kleinere Kulturinitiativen wie der Kunstverein Würzburg zu spüren: „Die öffentlichen Zuschüsse werden immer knapper und die Sponsoren, die Firmen, die uns die letzten Jahre regelmäßig unterstützt haben, müssen ebenfalls stärker auf ihre Ausgaben achten“, erklärt Susanne Götz, die stellvertretende Vorsitzende. Auch der Kunstverein muss verstärkt zusätzliche Gelder einwerben, etwa durch Vermietungen oder gezieltere Angebote an potenzielle Sponsoren. Kulturinitiativen ringen also mit großem Aufwand um ihre Mittel. Nicht immer würden die Ergebnisse ihrer Fundraising-Aktionen einer strengen Marktkriterien folgenden Kosten-Nutzen-Prüfung standhalten. So entbehrt die Situation nicht einer gewissen Ironie: Theatern, Museen oder freien Initiativen fehlt das Geld, um sich professionell bei der Geldbeschaffung helfen zu lassen. Ist Fundraising also kein Wundermittel für die Kultur? In der Regel sicher nicht, aber angesichts schrumpfender Budgets und klammer öffentlicher Haushalte ein unverzichtbares Überlebensmittel.

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Hans-Peter Porzner, Auf der Löwenbrücke mit dem berühmten Blick auf die Festung Marienberg, Nr. 2. 2003-2006, Öl auf Holz, Holzrahmen, 57 x 67,5 cm. Ausschnitt. KulturGut 03 | Seite

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Im Twittermuseum Bildende Kunst ist mehr als Stein und Leinwand. Hans-Peter Porzners Post-Kunstmarkt-Kunst macht den Mäzen zum Kunstobjekt von Joachim Fildhaut / Foto: Burkart Benkert

+ Der Würzburger Künstler Hans-Peter Porzner leitet das Museum für Moderne Kunst München. Die Adresse – Museumsplatz 5 – existiert in der dreidimensionalen Wirklichkeit nicht. Aber ungerührt lädt Porzner seit 1991 dorthin zu Vernissagen ein. Die Einladungskarten tragen Motive wie etwa Vermeer van Delfts „Mädchen mit dem Perlenohrring“. Die Bildunterschrift dazu: „Mönch am Meer“! Ausstellungsobjekte waren dann aber sowieso die Geladenen, nämlich die Direktoren der führenden Museen Deutschlands. Das Museum breitete sich im imaginären Raum aus. Dazu schaltete Porzner Anzeigen für sein Haus, in denen er keineswegs kleckerte – großformatig, farbig, in den angesehenen Magazinen „Art“ und „Artforum“. Auf mehrere 100.000 Euro summierten sich die Betriebskosten des MfMK München auf diese Weise, auch wenn der Musentempel nicht geheizt werden muss. Mäzene kamen dafür auf, deren Namen Hans-Peter Porzner verschweigt. Kein Wunder: Wer Geld für eine so komplexe Kunst rausrückt, wie sie diese Reflexionen des Ausstellungsbetriebs darstellen, der kann auf die Idee kommen, die nächsten Tausender doch lieber in populärere, beispielsweise sichtbarere Werke zu stecken.

Unsichtbare Adresse geklaut! Hans-Peter Porzner gibt ein Musterbeispiel für eine Kunst, die ausschließlich mit Hilfe von Mäzenen realisiert werden kann. In dieser KulturGut 03 | Seite

Reinform existierte sie allerdings nicht. Denn der Absolvent der Münchner Kunstakademie hielt nicht nur sein Museum am Laufen. Rings um den Museumsplatz sprossen Dinge. Der Eigner dieser 1aLage schuf seit den 1980er Jahren Objekte und Installationen, die eins miteinander gemein haben: Sie thematisieren Kunst im Raum, also auch die Ausstellungssituation. Durch diese inhaltliche Nähe bilden sie zusammen mit dem MfMK ein Oeuvre. Und diese Porzners zogen auch in non-imaginäre Museen ein, von den Kunsthallen Hamburg und Kiel bis ins Würzburger Martin-von-Wagner-Museum. In der Heimatstadt fand sich schließlich auch ein transrealer Platz für eine Dependance des MfMK. Indes hat sich der Urheber auf ein Projekt eingelassen, das ihn und auch seine ausersehenen Kooperationspartner mehr Nerven kostet als der Kleinkrieg, der seit acht Jahren an der Isar schwelt. Denn dass auch einem imaginären Raum reale Gefahren drohen, zeigt sich in München am Lenbachhaus neben der Luisenstraße. Dem Leiter des dortigen Kunstinstituts, Prof. Helmut Friedel, gefiel es nämlich, diese Fläche zu taufen – und zwar ausgerechnet „Museumsplatz“. Das schien den Unmut unseres fränkischen Wahlmünchners zu provozieren. Denn wenn der Münchner Museumsplatz in der platten Wirklichkeit entstünde – wo bliebe dann noch ein geistiger Raum für sein Haus Nummer 5? Ganz so unrecht kann Porzner die Territorialisierung aber auch nicht sein, liefert sie ihm doch Anlass, sein Münchner Stammhaus in der Diskussion zu halten.

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Manager der Manager Sein Tätigkeitsschwerpunkt ist derweil das „Heimspiel“ – ein Titel, den er für eine Gruppen-Ausstellungsreihe mit-einführte, um ihn schließlich auf sein derzeitiges Großvorhaben anzuwenden: den Sturm auf den Hotelturm. Diese Bauruine hat er für ein Museum der Wissenschaft und Technik ins Auge gefasst, wobei schon allein der Akt der Umwidmung – zumal angesichts der Ausmaße des Präsentationskomplexes – als Kunstaktion von Christo-Ausmaßen verstanden werden könne. Übrigens würden in einem Aufwasch Kunst, Architektur, Theorie, Leben und einiges mehr miteinander ins Spiel kommen: ein Ziel seit der Romantik. Das originelle Bauwerk mit Inhalten, die die Arbeit des Deutschen Museums fortsetzen könnten – davon verspricht Porzner sich und der Stadt Würzburg nicht zuletzt einen immensen touristischen Schub. Bespielt würden die Stockwerke von Weltfirmen, die dort als Sponsoren auftreten und getrost ihr Image pflegen sollen. Sie dürfen dort – in kuratorisch festgelegten Grenzen – auch wirtschaftliche Interessen verfolgen; diesbezüglich kennt der Heimspieler keine grundsätzliche Berührungsangst. Am Ende soll sich die Ausgangslage des MfMK München umgedreht haben: Da er so viel Herzblut in den Aufbau des Turmmuseums steckt, sieht sich Hans-Peter Porzner selbst als Mäzen, der seiner Geburtsstadt etwas schenken möchte.

Jonglage mit Twitter-Gruppen Allein, noch „fehlt mir die Macht“, gibt er angesichts vorwiegender Skepsis gegenüber seinen Plänen zu. Mit strategischem Blick eröffnete er zu Jahresbeginn also einen Nebenschauplatz. Bis dato völlig computer-abstinent, meldete Porzner das MfMK München bei Twitter an. Statt seitenlanger theoretischer Texte und kulturbetrieblicher Anspielungen, die er zuvor brieflich an Multiplikatoren sandte, jetzt plötzlich beschränkt auf 140 Anschläge – was ließ sich so noch kommunizieren? Wer so fragte, vergaß, dass Hans-Peter Porzner sich gern auf Metaebenen aufhält. So auch im Netz. Nach wenigen Monaten vermerkten ihn die internen Twitter-Rankings als einen der geachtetsten Zwitscherer deutscher Zunge. Der Neuling jonglierte eifrig mit Listen, Empfehlungen, Followings und der Aufmerksamkeit einflussreicher Web-Autoritäten. Außerdem postete er interessant, warf zum Beispiel die Frage nach einer Tweet-Ausstellung in die Runde. Sein Engagement hievte die Themenkreise Kunst und Kultur aus Schattenbereichen in die Top Ten der Twitter-Hitparade. Im virtuellen Raum hat es der Chef des imaginären Museums schon zu bedeutendem Ansehen gebracht. KulturGut 03 | Seite

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Seliger denn Nehmen: Das Stiftungsrelief des Juliusspitals weist die sozialen und medizinischen Zwecke der Einrichtung aus.

130 Säckel Würzburg hat die meisten Stiftungen pro Einwohner. Eine Steuernovelle machte Mildtätigkeit auch für die U-50er interessant von Joachim Fildhaut

+ Würzburg ist seit 2009 die deutsche Stadt mit der höchsten Stiftungsdichte, stellte das Bundesamt für Statistik fest. 21 Stiftungen kommen in einer durchschnittlichen deutschen Stadt auf 100.000 Einwohner. In der Domstadt sind es dagegen 76. In absoluten Zahlen liegen also 100 Donationen vor, um jene Lebensgebiete zu unterstützen, die das kommunale Hilfswesen als Freiwillige Leistungen bezeichnet. Wissenschaft, Technik und Umwelt kommen als weitere beliebte Stiftungszwecke noch hinzu. Wenn die Stadt von Julius- und Bürgerspital auch quantitativ herausragt, so gliedert sie sich doch in die Stiftungslandschaft der Republik ein. In Ost- und Westdeutschland nämlich haben sich die meisten Stiftungen des öffentlichen Rechts dem klassischen Sozialen verschrieben, und hier macht die Stadt am Main keine Ausnahme. In den weiteren Themenbereichen zeichnet sich indes ein Ost-West-Unterschied ab. Die neuen Bundesländer sind generell weniger stiftungsfreudig, und wenn, dann überwiegen hier Kunst, Kultur und Umwelt als ZieKulturGut 03 | Seite

le einer mildtätigen Kapitalverzinsung, wie der „Stiftungsreport“ des Bundesverbands Deutscher Stiftungen (BDS) für 2008/09 vermerkt. Dagegen setzt der Westen die Fördererlöse eher für Bildung, Erziehung und Wissenschaft ein.

Kunst im Mittelfeld Würzburg passt in dieses Zahlenwerk glatt hinein. So listet das Bayerische Landesamt für Statistik – nach einer älteren Zählweise – knapp 130 Stiftungen auf. Und um wen kümmern sich die Einrichtungen? Schwierig zu rubrizieren, zumal in Würzburg, da hier eine Universität mit berühmter medizinischer Fakultät steht. Denn darin gehen Wissenschaft und Gesundheit ineinander über, und dieses Themencluster überschneidet sich auch noch mit dem der Jugend, wenn nämlich Medizinstudenten ein Stipendium beispielsweise aus der Kurt und Inge Schuster-Stiftung erhalten. Doch jenseits solcher methodologischen

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Differenzierungen richtet sich die Mehrheit von 29 Würzburger Stiftungen eindeutig sozial aus: Sie hilft armen und / oder alten Menschen. Wissenschaftliche Stiftungen mit deutlichem Schwerpunkt auf Universitätsbetrieb, Forschung und Theoriebildung hat’s 25 an der Zahl, und auf Platz drei liegen die eher praktisch orientierten Gesundheits-Stiftungen mit 19 Einrichtungen. Das anschließende Mittelfeld bilden die Kunst- und Kulturvereinigungen mit 15 Titeln. Der Jugend und deren Bildung haben sich 14 verschrieben. Die Spendenfreudigkeit der Würzburger lässt sich nun nicht durch intakte Bindungen an die Institution Kirche erklären. Denn was in die Statistik der Regierung von Unterfranken ausdrücklich nicht eingeht, sind kirchliche Stiftungen; diese steuern noch einmal ein besonders dichtes Geflecht bei, ist doch die Grundlage einer jeden Gemeinde eine Stiftung, und vom Kindergarten bis zu einzelnen Messen wird das christliche Leben von vielfachen, meist erblich vermachten, Einzelstiftungen getragen. Die unterliegen jedoch nicht der staatlichen Aufsicht und wurden weder von den Statistikämtern noch vom BDS berücksichtigt. Unabhängig also von kirchlichen Einrichtungen listet die Regierung in Würzburg immer noch acht Schatullen auf, die eine Pflege des religiösen Lebens fördern – von der Augustiner- bis zur Schönstatt-Stiftung. Sport und Umwelt mit jeweils drei Helferkassen stehen schon an der Grenze zu „Diverses“. Diese Gruppe macht noch einmal zehn Fördernäpfe aus, darunter die Vielzweck-Bürgerstiftung aus dem Gründungsjahr 2008 und Exotika wie die Ignatz Kolb’sche Messweinstiftung.

Kongresssponsor gesucht Dicht, aber klein: Laut der Aufsichtsbehörde Regierung von Unterfranken haben etwa 80 Prozent aller Stiftungen weniger als 100.000 Euro Kapital. Wie viel Geld nun insgesamt auf Soziales, Universitäres, Gesundheit und Kultur entfällt, ist am Peterplatz unbekannt. Und auch über die Gründe der hiesigen Stiftungsfreude wird gerätselt. Um dem Phänomen vielleicht auf den Grund zu gehen, möchte der BDS schon seit längerem seinen Jahrestag in Würzburg abhalten. Allerdings fand sich noch kein finanzkräftiger heimischer Sponsor für den Kongress…

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Warum in den letzten zwei, drei Jahren deutlich mehr Menschen Vermögenswerte stifteten als zuvor, darüber ist man sich allerdings schnell im Klaren. 2007 wurde das einschlägige Steuerrecht novelliert. Das sorgt seitdem für einen Boom, einen nicht abreißenden: 2009 war „die Errichtung von 914 neuen Stiftungen das drittbeste Ergebnis seit dem Bestehen der Bundesrepublik“, wertet BDS-Vorstandsvorsitzender Wilhelm Krull das Ergebnis. In eben diesem Jahr überrundeten die Würzburger mit ihrer Quote von 76 die Frankfurter, die 71 mildtätige Gründungen auf 100.000 Einwohner boten. Ein Blick über den Tellerrand: Im Städte-Ranking erreicht Nürnberg mit 38 einen Platz 22.

Mäzen muss Steuern zahlen Gleichzeitig mit dem 2007 aufziehenden Hoch im Stiftungsklima ballte sich freilich auch Gewölk speziell über der Kunstlandschaft zusammen. Auch hier griff eine steuerliche Neuverordnung, allerdings zu Lasten des mäzenatischen Engagements: Zuvor konnte, wer das Werk eines lebenden deutschen Künstlers kaufte, 500 Euro von der Steuer absetzen. Diese Regelung wurde ersatzlos gestrichen. Die Gegenbewegung, die neue Stiftungsfreude, hat in Würzburg eine auffallende Eigenschaft. So freut es Peter Ditze, den zuständigen Sachgebietsleiter der Regierung von Unterfranken, besonders, dass „nicht nur Menschen, die bereits auf ihr Leben zurückblicken, sich auch Gedanken über eine Stiftung machen“. Vielmehr gingen viele der neueren Einrichtungen „auf Leute unter 50 Jahre zurück, die Erfolg haben und andere daran teilhaben lassen möchten.“ Könnte nun alles noch besser sein, wie in Amerika? Nun, zumindest im europäischen Vergleich „ist Deutschland bereits Spitze bei den Rahmenbedingungen“, jubelt BDS-Generalsekretär Prof. Hans Fleisch. Und im Süden der Republik gelten noch einmal besondere Bedingungen. So profitierte Würzburg von einem jungen bayerischen Brauch. Nach dem übernimmt die Landesregierung die Schirmherrschaft über Stiftungen.

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Amok als Dauerzustand Kann das gut gehen? Ein Porträt der Leonhard-Frank-Preis-Gewinnerin Julia Kandzora von Nina Dees

terstück namens „Zweite Haut“ an „Drama Pool“, einem Projekt des Proscript Verlags teil. Das Studium am Deutschen Literaturinstitut in Leipzig beendete sie mit einem Diplom in Literarischem Schreiben. Heute arbeitet und lebt die junge Autorin in Berlin, wo sie „In Neon“ bereits im April dieses Jahres am Deutschen Theater als Werkstattinszenierung präsentieren konnte. Im Rahmen der Würzburger Autorentheatertage setzte sich die Wahl-Berlinerin gegen „burn motherfucker“ von Jeanne Dark und „Frau Koma kommt“ von Valentin Werner durch und überzeugte die fünfköpfige Fach-Jury bei der Langen Nacht der Autoren. Der Wettbewerb war zum Thema „Amok” ausgeschrieben. Junge Autoren waren dazu aufgerufen, sich mit der gegenwärtigen Realität auseinanderzusetzen und einen Schwerpunkt auf dieses sozialpolitisch aktuelle Thema zu setzen. Laut Jury ist dies Julia Kandzora am besten gelungen. Sie überzeugte durch „sprachliche Präzision des Stückes und die psychologisch tiefgehende Gestaltung der Figuren“. Petra Paschinger, damalige Leitende Schauspieldramaturgin am Mainfranken Theater und Mitglied der Jury, erklärt, die Entscheidung, dieses „komplexe und sprachlich versierte“ Theaterstück zum Sieger zu ernennen, sei einhellig gewesen; unter anderem, weil die Autorin „ungewöhnlich und kreativ“ mit dem ernsten Thema „Amok“ umgeht. Bei Daniel Osthoff, der als Vertreter der Leonhard-Frank-Gesellschaft einen Platz in der Jury hatte, fiel das Stück zunächst durch, denn sein „erster Eindruck war: Thema verfehlt, da niemand Amok läuft“. Doch im Nachhinein hält er „In Neon“ für „wahnsinnig interessant“, weil gerade keiner Amok läuft, obwohl dieser ständig in der Luft hängt und man meint, er breche jeden Moment aus.

Kurz davor

+ Kann Amok ein Dauerzustand der Gesellschaft sein?, mögen sich die Zuschauer von Julia Kandzoras „In Neon“ fragen. Mit dem sozialkritischem Theaterstück ist sie die Gewinnerin des diesjährigen Leonhard-Frank-Preises, den Leonhard-Frank-Gesellschaft und Mainfranken Theater gemeinsam zum vierten Mal vergaben. In Würzburg wird „In Neon“ jedoch entgegen der ursprünglichen Planung nicht inszeniert. Kandzora bedauert „verschiedene hausinterne Gründe“, die die hiesige Uraufführung ausfallen lassen. Stattdessen – ganz andere Baustelle – wird im November ein Gedichtband von ihr erscheinen. Denn Julia Kandzora schreibt nicht nur Theaterstücke. Die gebürtige Hamburgerin veröffentlichte bereits ein Kinderbuch mit dem schön klingenden Namen „Sternenbrüder“ sowie einige Kurzgeschichten. Ihr Schaffen darf sie ebenso mit dem Gewinn des Kurzdramenwettbewerbs 2008 am Schauspielhaus Hamburg zieren. Im Jahr darauf nahm Julia Kandzora mit einem weiteren TheaKulturGut 03 | Seite

Drei Menschen. Ein Mann, eine Frau und ein Freund. Drei Vorstellungen vom Leben. Sie versuchen sich der Gesellschaft anzupassen. Manch einer mehr, der andere weniger. Doch passen sie überhaupt zu sich selbst? Im Grunde werden alltägliche Situationen dargestellt – eventuell überspitzt. In jedem Fall will die Autorin den Zuschauern einen Spiegel vorhalten und davor warnen, „Menschen nur nach ihrer Funktionsfähigkeit zu beurteilen“. Denn es ist durchaus „eine gesunde Reaktion, auf kranke Zustände mit Krankheit zu reagieren“. Einen derartigen Dauerzustand der Gesellschaft, nicht den Amok an sich, sondern „vielmehr den Moment davor“, hält sie durchaus für realistisch. Für bestimmte Szenen habe sie „stellenweise sogar O-Töne verwendet“. Doch was wird aus den Protagonisten? Überwinden der Mann und die Frau die Distanz zwischen sich? Das bleibt offen, soll jeder für sich selber entscheiden, wünscht sich die Autorin, denn „am Ende tun sich verschiedene Möglichkeiten auf“. Und was kommt bei ihr als nächstes? Ein weiteres Theaterstück, „Ökonomie der Zärtlichkeit“, hat Julia Kandzora bereits fertig, ein weiteres ist in Planung. Und Prosa schreiben möchte sie auch wieder. Das war in der Leipziger Literatenschmiede schließlich ihr Hauptfach.

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Sophia Mix bei den Herdmanns und im Jahr 2010. Den Ballon schuf sie während ihres Dresdner Kunststudiums.

Von einer kleinen Bühne auf viele große Das Kindertheater am Neunerplatz brachte scharenweise Profis hervor von Manfred Kunz

+ Das Würzburger Theater am Neunerplatz besteht seit 25 Jahren. 59 Kinder- und Jugendtheaterproduktionen und 31 Inszenierungen für Erwachsene hat das von Thomas Heinemann gegründete Haus herausgebracht. Über 100 Menschen standen allein in der Ära Heinemann, d. h. bis 2000, auf der Bühne: „Alle fünf bis sechs Jahre gibt es einen Generationenwechsel“, benennt Wolfgang Salomon – von Beginn an als musikalischer Leiter dabei – die permanente Herausforderung eines Theaters, das überwiegend mit Kindern auf der Bühne arbeitet. Denn das gehörte zum ideellen Gründungsmanifest der Bühne: ein GebäuKulturGut 03 | Seite

de zu sein, „wo während des ganzen Jahres Kinder für Kinder Theater spielen. Ein Gebäude, das allen Kindern der jeweiligen Stadt gehört. Die Leitung läge in den Händen ausgezeichneter, pädagogisch veranlagter Künstler“, wie es Erich Kästner in einem Essay 1948 formulierte. Ein Konzept, dessen soziale und jugendkulturelle Implikationen den damaligen Sozialreferenten Dr. Peter Motsch so überzeugten, dass er zum entscheidenden Unterstützer in der Gründungphase und zum bis heute engagierten Fördervereinsmitglied wurde.

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Kindeskinder Doch was ist aus denen geworden, die als Kinder ihre ersten Bühnenerfahrungen im Neunerplatz auf oder hinter der Bühne machten? Paradigmatisch für das Neunerplatz-Prinzip ist Beate Krüger. 1987 stand sie als Kiruna in „Paul und der Eisbärkönig“ erstmals auf der Bühne, bis 1992 folgten Rollen in sechs weiteren Produktionen, zuletzt in „Kalaf der Tigerfürst“. Nach Studium, Familiengründung und Auslandsjahren kehrte sie als Beate Silva im Jahr 2009 nach Würzburg – und an den Neunerplatz zurück, wo sie im Frühjahr dieses Jahres als Regieassistentin die Wiederaufnahme jenes Stückes betreute, mit dem für sie vor 23 Jahren alles angefangen hatte – nämlich „Paul und der Eisbärkönig“. Und die nächste Generation steht in den Startlöchern, ist doch ihre vierjährige Tochter ebenfalls schon begeisterte Neunerplatz-Besucherin. Überhaupt sind es immer wieder Kinder von Neunerplatz-Schauspielern, die auf den Spuren ihrer Eltern eine eigene Bühnenlaufbahn starteten, wie Sophia Mix, Tilman Meisner oder Katharina Miebach. Letztere trat 1989 erstmals im Alter von sieben Jahren auf, gemeinsam mit Schwester Susanne und Mutter, der Schauspielerin Brigitte MiebachSchrader. Das Plakat ihres Lieblingsstücks „Pünktchen und Anton“, in dem auch der viel zu früh verstorbene Schauspieler und Titanic-Autor Harald Lippert sein Neunerplatz-Debüt gab (und der 1993 und 1994 mit seinem Stück „Traube, bitte kommen“ ein ganz neues Erwachsenen-Publikum für den Neunerplatz gewinnen konnte), aus dem Jahr 1990 hängt noch heute im Zimmer der studierten Germanistin, die inzwischen als Cross-Media-Volontärin eine Ausbildung zur Redakteurin macht. Zur selben Darsteller-Generation gehört Sophia Mix, die nach einem theaterwissenschaftlichen Studium heute als freie Künstlerin lebt. In Astrid Lindgrens „Ronja Räubertochter“ spielte sie 1993 ihre erste Rolle am Neunerplatz. Auch Susanne Weber, heute am Schauspielhaus Graz als Schauspielerin engagiert, legte die Grundlagen ihres heutigen Berufs Mitte der 90er Jahre am Neunerplatz mit ihrer ersten Rolle in „Pimpf“. Für Christian Perleth war u. a. das Mitwirken in „Hilfe die Herdmanns kommen“ (1995) und „Kalle hinter den Sternen“ (1996) der Ausgangspunkt für eine Laufbahn als Zauberer „Zappalott“. Für den Film- und Fernsehschauspieler (u. a. „Tatort“, „Vorne ist verdammt weit weg“) Tobias Oertel war „der Neunerplatz die Welt“. „Seid ich das erste Mal im Neunerplatz gespielt habe, war es mir klar, dass ich im Leben nichts anderes machen möchte als spielen, und so ist es heute noch, zum Glück!“, beschreibt Oertel die Macht der frühen Bühnenerfahrungen, die ihn u. a. als Leichtmatrose Lunz auf der Suche nach „Tortuga“ (1990) die Südsee durchschippern oder als LeibKulturGut 03 | Seite

gardist den mürrischen Kaiser „PuDing“ (1989) bewachen ließ. Zum gefragten Darsteller in Spiel- und Fernseh-Filmen (u. „Sonnenallee“, „Tatort“) hat es auch Andreas Pietschmann geschafft, der darüber hinaus auch immer wieder Engagements am Berliner Maxim-Gorki-Theater hat.

Oscargewinner Apropos Film: Keinesfalls vergessen werden darf Michel Morales, der 1988 im Heinemann-Stück „Mutter ist die Beste“ seinen Einstand als Beleuchter gab und lange Jahre das Allround-Talent in allen technischen Belangen war. Diese am Theater erlebte und praktizierte Vielseitigkeit überführte er nahtlos in seine eigene Filmproduktionsfirma, die mit dem Kurzfilm „Que sierro“ im Jahr 2001 in Hollywood sogar den Oscar in der Sparte Kurzfilm einheimste. Den Sprung vom Darsteller in „Ein Kuss für Karl-Heinz Vollmond“ (1988) und in sechs weiteren Produktionen zum renommierten Ton- und Veranstaltungstechniker schaffte Steffen Heininger. Viele der Genannten sind dem Neunerplatz weiter verbunden, engagieren sich (finanziell) im Förderverein oder stehen im künstlerischen Austausch mit dem aktuellen Leitungsteam. Zum großen NeunerplatzFamilientreffen soll das Wochenende vom 16. bis 18. Oktober werden, zu dem die beiden Neunerplatz-Archivare Liese Stein-Salomon und Wolfgang Salomon in wochenlanger mühseliger Detailarbeit nahezu sämtliche Adressen ausfindig machen konnten.

INFO: | Zum Jubiläumswochenende am 16. und 17. Oktober erscheint eine bebilderte Chronik der vergangenen 25 Jahre mit umfangreichem Inszenierungs- und Darstellerregister. Bereits erhältlich ist eine neue Compilation „Neunerplatzmusik. Lieder und Atmosphären“. Die nächsten Bühnenproduktionen: „Kalaf der Tigerfürst“ (Wiederaufnahme), „Anna und der König“ (Wiederaufnahme am 5. November), „Zwischen Himmel und Erde“ – Gesellschaftssatire von Jura Soyfer (ab 6. November). Theater am Neunerplatz, Adelgundenweg 2a, 97082 Würzburg, Telefon 0931/41 54 43 | www.neunerplatz.de

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Muss Sicherheit so langweilig sein? Der Theaterkarren rumpelte in ausgefahrenen Gleisen. Ein Rückblick auf die Freilichtsaison von Joachim Fildhaut

+ Bunt prickelt das Bild der Würzburger Freilicht-Theatersaison in der Zusammenschau: Ein Jumbo-Jet landet neben dem Käppele. Shakespeare entführt die Tochter von Julia und Romeo aus dem Rathaus. Die getüpfelte Prinzessin überwindet ihre Vorurteile und heiratet einen gestreiften Prinzen. Aber nur auf dem Papier braust der Schnelldurchgang so quicklebendig durch. Das wirkliche Bühnengeschehen spulte sich dagegen gar zu routiniert ab. Fast alle Programmmacher setzten auf Sicherheit: Die Einkünfte aus dem Sommerbetrieb sollen die größeren künstlerischen Wagnisse in der Indoor-Spielzeit subventionieren. Solch ein Sicherheitsdenken kann atemberaubend ausfallen – siehe Shaffers „Amadeus“ vor gut zehn Jahren, zugleich die Entdeckung des Schauspielers Markus Grimm. Heuer wirkten die Kassenkalkulationen lustlos. KulturGut 03 | Seite

Dabei ist es verständlich, dass beispielsweise die Witzbolde am Schützenhof ihre Eigenproduktionen regelmäßig nicht nur einen, sondern zwei Sommer lang geben. Sie traf keine Schuld, dass ihre Flugplatzposse „Hangar der Hoffnung“ ausgerechnet in einem Jahr wie diesem wiederholt wurde, das sich vielerorts durch Einfallsmangel auszeichnete. So vermehrte das Schützenhof-Quartett eher zufällig den Eindruck, auf den Würzburger Open-Air-Bühnen herrsche die Uninspiriertheit. Das heißt: Gar so schuldlos sind die „Hangar“-Macher auch wieder nicht in die Tragödie am Main verstrickt. Denn gestrickt sind ihre Revuen allzweijährlich nach einem vorhersehbaren Muster. Das trägt nicht gerade dazu bei, vom Würzburger Sommertheater Überraschungen zu erwarten.

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26. Jazzfestival

der Jazzinitiative Würzburg e.V.

Sound fürs 21. Jahrhundert

30. und 31. Okt. 2010

Felix-Fechenbach-Haus Petrinistraße, Würzburg

Joe Krieg Quartet Felix Wiegand Quintett • Maxbab Roger Hanschels Heavy Rotation WJO-Beatles Projekt Trio ELF • WJO meets Trio ELF

Die Bühne im Grünen an der Frankfurter Straße wartete immerhin mit Newcomern auf. Große Ansprüche, verschobene „Baal“-Premiere, und dann die ernüchternde Erkenntnis, es mit einer normalen Anfänger-Inszenierung zu tun zu haben. Das rief wehmütige Erinnerungen an die Truppe Der Keil wach, die vor einem Jahr an derselben Stelle aus dem Dilettantismus eine gepflegte Kunstform gestaltet und Büchners „Leonce und Lena“ (Foto) großartig auf die Bretter geschmuggelt hatte. Leider siedelten die Bühnenfrechdachse nach Leipzig um. Dass die Neuen heuer ihre geplante Shakespeare-Komödie ausfallen ließen, wurde dagegen nicht als großer Verlust empfunden. Mittlerweile zogen sich zwei Ensembles auch in den Sommermonaten in ihre festen Häuser zurück. Das wirkt wie Siesta – verschlafen. Wobei Werkstattbühne und Chambinzky wohlbegründet auf ein Freiluftvergnügen verzichten. Doch vitale Eindrücke schufen sie mit reanimiertem Dada und Boulevard keineswegs. Komödie muss sein, aber mit seinem besorgten Schielen aufs Kartenverkaufen machte sich das Theater im Rathaus-Efeuhof selbst lächerlich. Es setzte gleich zwei Ehedramolette Ephraim Kishons nacheinander auf den Zettel. Die Regisseurin der zweiten Produktion versuchte zu retten, was zu retten war. Das war nicht viel angesichts der übervorsichtigen Programmauswahl. So breitete sich über die Theaterszene der sommerlichen Stadt eine Atmosphäre von tiefer Lustlosigkeit. Da fällt es unter Innovation, dass das Mainfranken Theater einem Ruf der Diözese folgte und ein barockes theologisches Erbauungsspektakel auf dem Kiliansplatz realisierte. Schon allein die Location garantierte Eventcharakter, und der lockte glaubens- wie theaterferne Kreise in die Calderòn-Aktualisierung. Die Regie lieferte solide Einblicke in den Handwerkskasten heutiger Stadttheaterinszenierungen und kann für sich in Anspruch nehmen, ein künftiges Publikum neugierig gemacht zu haben. Dem wünschen wir dann weniger bleierne Freilichtsaisons. KulturGut 03 | Seite

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www.jazzini-wuerzburg.de


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Peng! Du bist tot!

Ein ganzer Abend Kleist

Hier kann wirklich was lernen, wer auf Machtspielchen steht. Die Amerikanerin Lori Donner erfand den erfolgreichen Bühnenautor, der seinen Sohn – der auch fürs Theater schreibt – bis aufs äußerste trietzt: während des Stücks, aber auch vorher zur Genüge. In einer guten Stunde faltet Donner die Vorgeschichte auseinander, und die beiden Spieler Frank Muth und Alexander Kaiser bringen in den Dialog auch ihre Körperlichkeit nach Kräften ein. Di. bis Fr. 20 Uhr, Sa. 16.30 und 19 Uhr | www.torturmtheater.de

Zwei Premieren an einem Abend – dass das zumindest alle vier Jahre physisch verkraftbar ist, zeigte das Mainfranken Theater 2006 mit der Ibsen-Doppelaufführung. Statt Mythen und Psychodrama diesmal Komödie? Macht die Klugheit der Kleistschen Texte das Wachbleiben noch leichter? Nun, die virtuosen Dialoge zu verfolgen kann auch anstrengen, aber es lohnt sich. Den Auftakt gibt im Großen Haus „Der zerbrochene Krug“, dessen Dorfrichter Adam die Fallstricke des Gesetzes flechten will und der sich doch in ihnen verheddert. Unentwirrbar wird die Situation später für Alkmene in der Kammer. Ab 22.30 Uhr stehen Identitäten auf dem Spiel, das „Amphitryon“ heißt. In den folgenden Monaten werden die Stücke einzeln gespielt. | www.theaterwuerzburg.de

bis 16. Oktober, Torturmtheater Sommerhausen

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Siehda dada DA

bis 30. Oktober, Werkstattbühne Rasch, agitato, musikalisch und immer wieder überraschend versucht das Ensemble, eine knapp hundertjährige Antikunst wieder zu beleben, die nie tot war. Wie entgeht man der Gefahr, diese aggressiven Proteste gegen die wilhelminische Gesellschaft herzuzeigen, ohne dass sie zu Museumsstücken werden? Wie soll man die alten Klassiker von Hugo Ball bis Karl Valentin auf die Bühne bringen, ohne selbst eine Idee dazuzutun, denn sonst steht man ja ganz schön dumm daneben? Regisseurin Britta Schramm entging den Dilemmata, sammelte originelle Ideen zu einer bunten Umsetzung, die die Bewegung Dada freilich ziemlich nett erscheinen lässt. meist Mi., Fr. bis So., 20 Uhr | www.werkstattbuehne.com ++++++++++++++++++++++++

23. Oktober, 19.30 Uhr Mainfranken Theater

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Klinik unter Almen

28. Oktober bis 27. November, Chambinzky Guter Arzt und böser Arzt prallen aufeinander, wenn der Schönheitschirurg Vertretung in der Wellness-Farm der Homöopathen verrichtet. Die Frauen der beiden Kontrahenten haben theoretisch und praktisch auseinanderklaffende Auffassungen zu Kindern. Der Komödienroutinier René Freund ließ das Stück vor fünf Jahren unter dem Titel „Die goldene Nase“ uraufführen. Die erste Piefke-Inszenierung besorgt der gestandene Würzburger Theatermacher Achim Beck. Mi. bis Sa. 20 Uhr, So. 19 Uhr www.chambinzky.com ++++++++++++++++++++++++ KulturGut 03 | Seite

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Playing on

29. Oktober, 22.30 Uhr, Chambinzky Die zweite Vorstellung der „Klinik unter Almen” macht dem Improtheaterfestival Platz. Das läuft von Donnerstag bis Sonntag an verschiedenen Orten, vor allem im Cairo. Das Chambinzky mit seinen oft aufwändigen Kulissen ist aber der ideale Schauplatz für diesen Abstecher mit dem Untertitel „Ein Bühnenbild in neuem Licht”. Sechs Improviseure aus fünf Städten ermitteln gemeinsam mit dem Publikum, welche Geschichte ein Ausstattungsstück denn wohl erzählen könnte. Und dann spielen sie es. Improtheater ist sehr beliebt, die Vorstellungen sind rasch ausverkauft. Interessenten besorgen sich Karten also vorher im Plattenladen H2O, Karmelitenstraße 28. | www.improtheaterfestival.de ++++++++++++++++++++++++

Pimpftown. Wie werde ich ein Mann?

30. Oktober, 20.15 Uhr, Bockshorn Nepo Fitz wuchs auf 1.) in Eggenfelden und 2.) als Sohn der Kabarettistin Lisa Fitz. Von der übernahm er den Dauereinsatz seiner Energie, nicht jedoch das, was er im Rahmen seiner Bubenanalyse als „degenerierte Mütterrhetorik” definiert. So wurde er ein Mann, der weiß: „Harte Jungs essen keinen Honig, sie kauen die Bienen.” Das adoleszente Verhalten spielt bei dem angehenden Endzwanziger eine Hauptrolle, der er körpersprachlich mit fliegenden Wechseln zwischen Pianohocker und Hip-HopPose oder als einmarschierender Gorilla Ausdruck verleiht. Vielleicht bleckt er beim Ablauf einer Show zwei-, dreimal zu oft sein – freilich sehenswertes – Gebiss in eigener Sache. Meist steckt er aber in den Rollen von Depp, Checker und den anderen ange-


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henden Männern, deren Duftspur er vom Fitnessclub bis zum niederbayerischen Esoterikmarkt verfolgt. | www.bockshorn.de; www.nepofitz.com ++++++++++++++++++++++++

Intimacy. In Kunst baden 1. bis 7. November

Die 6. Tanzbiennale von Thomas Kopps TanzSpeicher bespielt lediglich an zwei Abenden das eigene Haus am Alten Hafen. Für die ersten vier Performances werden Wohnungen im berühmten Dencklerblock an der Frankfurter Straße mit Lichtinstallationen versehen. Vier TänzerInnen interpretieren unter dem Titel „Privatsachen“ in zeitgenössischer Körpersprache Sterbeszenen aus der großen Oper. Der Abschlussabend führt wiederum in halb-intime Räume. Diesmal sind es acht Aufführende, die sich auf ebenso viele Hotelzimmer des Maritim verteilen und darin für jeweils einen oder zwei Gäste etwa viertelstündige Tanztheaterstücke geben; für diese Wiederholung von der letzten Biennale konzipierte Kopp manches neu. – Der erste Gast im Speicher, Anne Juren, verbindet am 5. November (nur für Erwachsene) Muster von Zauberei und Striptease. Tags drauf begegnen sich ein weißer und ein afrikanischer Tänzer und erzählen ziemlich witzig vom nicht immer ganz freiwilligen Kulturaustausch zwischen den Kontinenten. | www.tanzspeicherwuerzburg.de ++++++++++++++++++++++++

Die lustigen Weiber von Windsor

ab 17. November, Werkstattbühne

Eigeninteresse werden sie sich also nicht darauf verlassen, dass die Komödie um den mehrfach geprellten mehrfachen Heiratsschwindler Sir John Falstaff schon aufgrund ihrer grobianistischen Elemente interessant über die Runden kommt. Sondern der Inszenierung den Pfiff verleihen, der schon manchen Klassiker in der Rüdigerstraße sehenswert machte. Es will ja niemand ein Unterschichtentheater, dessen Publikum schon lacht, bloß weil die Hauptfigur ein dicker Säufer ist. meist Mi., Fr. bis So., 20 Uhr | www.werkstattbuehne.com ++++++++++++++++++++++++

Das Mädchen aus der Streichholzfabrik ab 12. Dezember, 20 Uhr Mainfranken Theater

Es ist die introvertierte Schwester von Beatrix Kiddo aus „Kill Bill“. Auch es befindet sich auf einem unerbittlichen Rachefeldzug, auch dieses Mädchen kennt keine moralischen Skrupel mehr, wenn es das Gebot „Du sollst nicht töten“ bricht. Allerdings konzentriert sich die Titelheldin des gleichnamigen Films von Aki Kaurismäki abweichend von Tarantinos Schwertvirtuosin ganz auf den Giftmord, und die Filmsprache lebt in höchstem Maß von den wechselnden Interieuraufnahmen sowie davon, dass Iris fast nichts sagt. So etwas auf die Bühne, und sei’s nur die der Kammerspiele, zu heben muss man sich auch trauen... | www.theaterwuerzburg.de ++++++++++++++++++++++++

Regisseur Manfred Plagens knöpft sich den Shakespeare in der Absicht vor, neun Wochen zu spielen. Das ist eine lange Zeit, die den Schauspielern nicht langweilig werden sollte. Schon in ihrem KulturGut 03 | Seite

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Folk statt Bananen Ein Club für alle Genres. Im Omnibus spielt seit 40 Jahren die Musik. Sie soll nicht aufhören von Marcus Thume / Foto: Archiv Omnibus

+ Wer Ende der 60er Jahre jung war und in Würzburg lebte, musste sich damit abfinden, dass er nur wenige Konzerte in der Stadt erleben konnte – eine bittere Tatsache mitten in der Blütezeit der Hippiebewegung und der Anfänge des Progressive-Rock. Da half nichts, als dieses Vakuum durch kleine Auftritte im privaten Kreis zu füllen. So ging es auch Günther Vollkommer, dem späteren Omnibus-Gründer, dessen Mutter ein Feinkostgeschäft in der Theaterstraße 10 leitete. Als junger Mann entdeckte er alternative Nutzungsmöglichkeiten für den Kellerraum, in dem normalerweise Bananen, Wein und andere Lebensmittel lagerten. „Alle halbe Jahre hat es mich und meinen Freundeskreis gejuckt und wir haben hier eine Riesenparty veranstaltet. Jeder brachte seinen Perserteppich von zuhause mit und wir schleppten Sofas nach unten. An die Decke wurde eine große Schaukel befestigt. Wenn sich die Mädchen darauf hin und her bewegt haben, sind manchmal die Röcke geflogen – das waren so die Freuden der 60er Jahre!”, erinnert er sich grinsend. Bei diesen Feten gab es auch immer wieder Programmpunkte: ein Schauspieler vom städtischen Theater unterhielt die Leute mit Brecht-Stücken, Musiker spielten für die Party-Runde auf.

Der Franzose aus dem Bus Der Wunsch, das urige Ambiente zum öffentlichen Kulturkeller umzufunktionieren, begann in Vollkommer zu schlummern, doch seine beruflichen Verpflichtungen bei der Dresdner Bank ließen ihn zunächst Abstand von der Idee nehmen. Das änderte sich an einem Abend im Jahr 1969, als wieder einmal gefeiert wurde. Unter den Gästen war Philippe Vincent. Ursprünglich aus Paris, lebte er schon seit einiger Zeit in Würzburg und galt unter seinen Altersgenossen als wahrer Lebenskünstler – mit handwerklichem Geschick. Er gestand Vollkommer, dass er darauf brannte, in Würzburg einen Club mit Bühne zu eröffnen, auf der alle möglichen Künstler auftreten könnten. Wäre da nicht dieser Keller genau das Richtige? Mit seiner Begeisterung rannte er bei Vollkommer offene Türen ein. KulturGut 03 | Seite

Von nun an steckten die beiden Männer, unterstützt von Mitstreitern aus dem Freundeskreis, jede Minute ihrer Freizeit in den Kellerumbau. „Wir waren alle mit Feuereifer dabei und bei der gemeinsamen Arbeit stand die Solidarität ganz oben”, blickt Vollkommer zurück. Nach rund einem Jahr war es soweit: Der Omnibus öffnete im Januar 1970 zum erstenmal seine Kellertür für die Öffentlichkeit! Bei der Namensgebung spielte neben der Grundidee eines Kulturtreffs „für alle” auch Vincents Markenzeichen eine erhebliche Rolle: Er fuhr einen Pariser Linienbus, der einst die Strecke nach Montparnasse bedient hatte. Dieses imposante Vehikel erfüllte beim Omnibus-Projekt bald eine neue Aufgabe, wie Vollkommer zu berichten weiß: „Wir fuhren mit dem Ding nach München und haben dort ein paar PseudoAntiquitäten gekauft, z.B. diese Tür, eine alte Klostertür – eins der letzten Teile aus jener Zeit, das noch da ist.” Die Holz-Rarität schmückt die Bühnenwand. Außerdem wurden große, unhandliche Holzstühle aus dem Set einer Münchener „Wallenstein”-Verfilmung erworben. Darauf fanden bei Veranstaltungen bequem zwei Mädchen nebeneinander Platz. Aufgrund ihrer begrenzten Haltbarkeit als Filmmöbel musste nach einer Weile Ersatz her. Auf dem Oktoberfest entdeckte Vollkommer Holzbänke, die auch im Münchner Hofbräuhaus stehen. Angetan von ihrer Form und Qualität, ließ er sie für den Omnibus nachzimmern – sie haben die Zeiten bis heute überlebt.

Liedermacher in allen Größen Die ersten musikalischen Gäste auf der Bühne waren meist Straßenmusiker aus dem Ausland, gerade auf der Durchreise nach Puna oder zurück, die Vollkommer und Vincent spontan zum abendlichen Auftritt bewegen konnten. Die beinahe ausnahmslos langhaarigen Zuhörer quittierten deren Darbietungen dankbar mit Geldspenden, die in einem Hut gesammelt wurden. Mit ihren Songs über Liebe und Freiheit trafen sie den romantischen Zeitgeist eines Großteils der damaligen Jugend – und traten eine anhaltende Folk-Welle in Würzburg los.

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Viele dieser Künstler sorgten nach der Rückkehr in ihr Heimatland für reichlich Mundpropaganda, so dass die ersten Auftrittsgesuche bei den Veranstaltern eintrudelten. Als dann ganze ausländische Bands Konzerte gaben und sich immer mehr aufstrebende deutsche Musiker auf der Bühne einfanden, erreichte der neue Club rasch Kult-Status in der Mainfrankenmetropole und darüber hinaus. Schließlich gehörten u.a. Jürgen von der Lippe, Reinhard Mey und Ulrich Roski zu den frühen Omnibus-Sängern. Mit 120 bis 130 Gästen sind die Raumkapazitäten erschöpft – darüber hinaus wird kein Einlass gewährt. In den Anfangsjahren hielten es allerdings viele Musikfans dann doch gelassen aus, sich in die Warteschlange am Eingang einzureihen: Die Lüftungsrohre entlang der Decke waren aus Holz geschreinert – der frische Sauerstoff suchte sich Ausflüchte über die Fugen im Material und die Verbindungsstücke. Daher waren Teile des Raums chronisch unterversorgt. Wenn die ersten im Publikum keine Luft mehr bekamen, umkippten und vom Personal nach oben zum Ausgang getragen wurden – dann konnte der nächste aus der Kassenschlange eintreten. „Der Omnibus war damals ein absoluter Magnet”, sagt Karl-Georg Rötter, Redakteur und Ende der 1970er Mitbegründer der Waschküch, des heutigen Standard. Der Mann der ersten Stunde im Publikum schwärmt: „Da waren ganz großartige Musiker dabei – zum Beispiel Wizz Jones, ein absoluter Meister auf der Akustikgitarre, oder Champion Jack Dupree, ein begnadeter amerikanischer Blues-Sänger und -Pianist.“ Dupree war zeitweilig Weggefährte von John Mayall und Eric Clapton. Neben den hochkarätigen Musikern faszinierten Rötter die US-Soldaten unter den Gästen: „Ich habe dort die Möglichkeit gehabt, im Gespräch mit ihnen mein Schul-Englisch auszuprobieren. Da waren ein paar ganz Nette dabei – es herrschte ein sehr herzliches Miteinander.” Eins von Vollkommers persönlichen musikalischen Highlights waren die Brüder Eddie and Finbar Furey, zwei irische Zigeuner, die mit einer ganzen Armada von Saiteninstrumenten auftraten. Die zauberhafte Folk-Musik brachte ihn “den Tränen nahe”. Einstimmig unvergesslich KulturGut 03 | Seite

sind für die beiden Zeitzeugen die Auftritte des Schlagzeug-Virtuosen Charly Antolini, des polnischen Fusion-Geigers Michał Urbaniak und des großen deutschen Jazzers Albert Mangelsdorff.

25 Prozent Ausländersteuer Vollkommers ganz besondere Leidenschaft aber gilt der Musik aus dem Mississippi-Delta, vor allem aus der „Wiege des Jazz“ New Orleans. Von Anfang an war es ihm wichtig, dass regelmäßig Musiker aus dieser Region auf dem Programmzettel standen. Selbst beruflich eine Zeitlang in Boston beschäftigt, verstand er es rasch, die entscheidenden Drähte nach Übersee zu knüpfen. „Wenn die Musiker dann in Würzburg ankamen, holte ich sie vom Bahnhof ab und brachte sie zum Hotel. Da waren schon echt faszinierende Gestalten dabei.” Obwohl selbst des Amerikanischen mächtig, stieß er bei der Konversation mit den Gästen an seine Grenzen – der Louisiana-Slang ließ ihr jeweiliges Anliegen oft nur erahnen. Damit unterwegs keiner der Geladenen aufgrund sprachlicher Missverständnisse verlorenging, entwickelte er ein einfaches Konzept: Er beauftragte einen Freund in New York damit, dem jeweiligen Musiker vor dem Flug ein Pappschild mit der Aufschrift „Omnibus Würzburg” um den Hals zu hängen – und es funktionierte! Schon lange ist Günther Vollkommer selbst nicht mehr verantwortlich für die Programmgestaltung. Die liegt seit über zehn Jahren bei seinem Neffen Stefan Dörr, der die Tradition des Hauses fortsetzt, eine möglichst breite Musikpalette anzubieten: Neben den institutionalisierten Veranstaltungen wie dem Musikerstammtisch oder der Blue Monday Jazz-Session kommen auch Newcomer zum Zug. Der Schwerpunkt hat sich allerdings auf die lokale Szene verschoben – vor allem seit ausländische Musiker in Deutschland eine Extrasteuer zahlen müssen. Karl-Georg Rötter kennt das Problem seit langem – und feilt an einer Lösung: Ihm schwebt vor, noch dieses Jahr einen Omnibus-Freundeskreis zu gründen, der den Veranstaltern Zuschüsse für den Auftritt gewisser Publikumsmagneten gewähren könnte.

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Gipfel-Treffen Würzburg Jazz Orchestra trifft beim Jazzfestival auf Ausnahme-Trio ELF Interviews: Thomas Williams / Fotos: Sedat Antay, Archiv

+ Er ist 33 Jahre jung und doch ein alter Hase. Markus Geiselhart gründete im Jahre 2005 dass Würzburg Jazz Orchestra (WJO), das sich zu einer international geachteten Institution gemausert hat. Es wird beim Würzburger Jazzfestival auf ein ebenso meisterliches Trio Treffen. ELF nennen sie sich und sorgen zur Zeit weltweit für Furore. Ihnen gelingt es virtuos, Club-Stile wie House, Dubstep, Drum’n’Base und auch Hip Hop als Sprungbrett für ihre Improvisationen zu nutzen. Sie schauen am 31. Oktober in der Bischofsstadt vorbei und machen mit dem WJO gemeinsame Sache. – KulturGut sprach mit Markus Geiselhart, Leiter des WJO, und Sven Faller, Bassist und Komponist der ELF, über Alter, schwierige Arbeitsbedingungen und das erste Mal. KulturGut: Mit 33 Jahren sind Sie ein vergleichsweise junger Komponist und Bandleader. Wundert Sie das nicht selbst ein bisschen? Markus Geiselhart: Meine heutige Tätigkeit als Komponist, Arrangeur und Bandleader ist eigentlich die Folge der Entwicklung der vergangenen sechs oder sieben Jahre. Zu einem großen Teil hat natürlich die Arbeit mit dem WJO die Entwicklung beschleunigt. Spielen und organisieren, wie geht das? Ursprünglich habe ich Jazzposaune studiert, aber ich spiele heute nicht mehr so viel. Die Zeit, die ich früher mit Üben verbracht habe, verbringe ich heute mit Schreiben und Organisieren. Beides auf einem hohen Niveau umzusetzen stellt sich schwer bis unmöglich dar. Trotzdem ließen Sie rasch eins der kreativsten Jazzprojekte Europas entstehen. KulturGut 03 | Seite

Mit harter und konsequenter Arbeit. Sicher war natürlich das Gründungskonzert im Frühjahr 2005 im Mainfranken Theater ein Paukenschlag, als das WJO die erste Band in Europa war, die nach dem Tod von Don Ellis 1978 wieder ein komplettes Programm mit seinen Kompositionen aufführte. – Danach wurde mir schnell klar, dass die Band regelmäßig spielen muss. Deshalb initiierte ich dann die Konzertreihe „Würzburg Big Band Lounge“. So kamen in fünf Jahren 32 Produktionen und 36 Konzerte zustande. Im Jahr 2009 haben wir mit dieser Arbeitsweise den bisherigen künstlerischen Höhepunkt erreicht. Durch Sponsorenausfälle und Förderabsagen gerieten wir aber in finanzielle Schieflage, wodurch wir die Arbeit in dieser Form 2010 leider nicht fortsetzen konnten. Sind wir jetzt bei dem brisanten Thema Kunstförderung angelangt? Ich denke das Hauptproblem ist, dass die so genannte Hochkultur gesichert ist. Die unteren Kulturebenen, die der Hochkultur zuarbeiten, haben es nicht geschafft, eine Lobby aufzubauen. Und die meisten Politiker sehen Kulturförderungen nicht als Wirtschaftshilfen, was sie eigentlich sind, sondern als Almosen, die man jederzeit kürzen kann. Sehen Sie den Jazz von dieser Förderpolitik besonders betroffen? Jazz wird in Europa immer noch als eine fremde Kultur gesehen, obwohl die Europäer nachhaltig zu einer Weiterentwicklung des Jazz beigetragen haben. Paradox, dass in der Zwischenzeit an fast jeder Musikhochschule ein Jazzstudiengang angeboten wird, es aber in dem Bereich keinerlei Spitzenförderung gibt, in vielen Förderprogrammen Jazz gleich gar nicht vorkommt.

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Machen Sie sich Sorgen um den Nachwuchs? Wahrscheinlich haben wir momentan so viele gut ausgebildete Jazzmusiker wie niemals zuvor, aber gleichzeitig haben diese keine wirklich befriedigenden Arbeitsbedingungen. Ein Jazzorchester kann ohne Subventionen im Prinzip eben so wenig überleben, wie dies ein Symphonieorchester könnte. Ja, aus eigener Erfahrung habe ich erlebt, dass man mit Visionen besondere Schwierigkeiten vorfindet, um überhaupt in die Förderlandschaft vordringen zu können. Vielleicht habe ich auch durch den rasanten Aufbau und die schnelle Weiterentwicklung des WJO die gesamte Kulturförderlandschaft überfordert, wie es zuletzt von einem Kulturpolitiker behauptet wurde. Dies würde aber wiederum nur freilegen, wie unflexibel sich das ganze System darstellt und hier dringend Handlungsbedarf nötig wäre.

Auf dem Weg zur Weltpremiere Der Festivalsonntag gliedert sich in drei Teile. Den Auftakt gibt das WJO mit einem Beatles-Programm, anschließend stellen Eisenhauer/ Lang/Faller ihre neue CD vor, und schließlich gliedert sich das das Trio ELF als Rhythmussektion in das WJO ein – die eigentliche Uraufführung. Die Idee zur Kollaboration entstand nach einem Konzert von Trio ELF im Wiener Jazzclub Porgy&Bess. Beim gemeinsamen Umtrunk von Geiselhart und den Dreien kam der Gedanke auf, Trio ELF mit Big Band zu kombinieren. Ein Bruch der Jazztradition ist es, Piano, Bass und Drums in den Vordergrund zu stellen. Hier werden die Bläser nun mit riff- und sample-artigen Einsätzen über das Klaviertrio gelegt. Die Bläsereinsätze werden dabei abhängig vom momentanen Verlauf gegeben, ähnlich der Herangehensweise eines DJs.

Nächstes Jahr tourt das Trio ELF in Brasilien und in New York City. Gilt der Prophet im eigenen Land weniger? Da hat sich viel getan in Deutschland. Inzwischen sind einheimische Bands hier viel gefragter als noch vor zehn Jahren, was sicherlich mit einer größeren Akzeptanz von deutschem Jazz und Pop im Ausland zu tun hat. Unsere Konzerte in New York waren auf jeden Fall ein Schlüsselerlebnis: Nachdem wir vor vielen Jahren alle zum Studium dorthin gepilgert waren, um diese Musik in ihrem Mutterland von den Meistern zu lernen, kehrten wir nun zurück, um unsere bescheidene Variante anzubieten. Mit welchen Gefühlen tritt man als Musiker im Mutterland des Jazz auf die Bühne? Wir waren ganz schön aufgeregt. Doch die Amerikaner waren begeistert, auch einige unserer ehemaligen Lehrer kamen zu den Konzerten, und wir haben gesehen, dass wir uns nicht verstecken müssen mit unserer Vision. Auf jeden Fall pflegen wir das gleiche innige Verhältnis mit den Zuhörern in Landsberg am Lech wie in Sao Paulo, egal ob es 200 oder 2000 sind.

INFOS: Am Samstag, 30. Oktober, beginnt das Jazzfestival

um 19 Uhr mit dem Gitarrenpoeten Joe Krieg und dem aktuellen Quintett des vielseitigen Kontrabassisten Felix Wiegand. Nach den zwei heimischen Formationen inszeniert das junge Aufsteigerquartett Maxbab seine Balladen in bodenständigem und zugleich stets überraschend luftigem Sound. Roger Hanschels Heavy Rotation vereint solch auseinanderstrebende Elemente wie Modern Jazz und zeitgenössische Kammermusik mit der Energie des Rock. Im Felix-Fechenbach-Haus an der Petrinistraße, Eintritt Samstag 30, Sonntag 25 Euro für die drei Sets von WJO und Trio ELF.

KulturGut: Wie hat es sich angefühlt, als Sie Ihre Kollegen E und L das erste Mal trafen? Sven Faller: In unserem Fall war es wirklich Liebe auf den ersten Gig. Wir waren 2004 als Begleitband für eine Bar-Sängerin engagiert und haben ein paar Instrumentals vorausgespielt, da war’s geschehen. Trio ELF war geboren. Wir haben dann eine Weile auf Gerwin Eisenhauers Initiative auf Raves zu DJs gespielt. Irgendwann haben die dann aufgehört und wir haben allein für die tanzenden Kids weiterimprovisiert. So kam es zu der Fusion von Jazz-Improvisation und modernen ClubStilen. KulturGut 03 | Seite

Das Rahmenprogramm folgt am 13. November, 20 Uhr, in der Johanniskirche: Hammond-Organistin Barbara Dennerlein führt den Dialog mit dem virtuosen Schlagzeuger Drori Mondlak.

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Musik |

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Figaros Hochzeit

ab 2. Oktober, 19.30 Uhr, Mainfranken Theater Es ist eigentlich eine üble Geschichte: Da lässt sich einer als liberal und menschenfreundlich feiern, weil er ein Privileg abschafft, aber dann fällt ihm ein, dass er doch ganz gern eine kleine Ausnahme hätte – für sich. Und die anderen haben keine Möglichkeit, sich offen dagegen zu wehren, und verfallen auf die dümmsten Tricks, um aus der Situation irgendwie wieder heraus zu kommen. Richtig komisch ist das erst einmal nicht und rein menschlich gesehen – naja. Gut, dass diese Zeiten vorbei sind. Wer’s glaubt. Regisseur Marcus Lobbes sicher nicht. Wenig angetan bis entsetzt reagierte das Würzburger Premierenpublikum auf seinen „Figaro“. Nein, es gab keine Sado-Maso-Szenen im finsteren Wald oder Orgien auf dem Louis-Seize-Kanapee. Aber: halt auch keine bunten Farben und Perücken und Kostüme und irgendwie auch keine Bühne – der Vorhang, augenzermürbend grau-braun, blieb zu. Und als er sich für die Gartenszene öffnete, war’s erstmal völlig finster und leer. Das, was sich von Anfang bis Ende munter bewegte, war das, worauf es ankam: Mozarts Musik, gespielt von einem Orchester, das klar und rund und unsentimental die rechten Akzente setzte, und gesungen von einem durchgehend starken Ensemble, das überzeugend und berührend Menschen Stimmen lieh. Dieser „Figaro“ ist anstrengend. Und sicher nichts für diejenigen, die meinen, dass Mozart mit Leichtigkeit des Seins identisch zu sein und ein Opernbesuch einen entspannten Abend weit weg vom Jetzt und vom Hier zu garantieren hat. Wer das und ansonsten immer das Gleiche möchte, sollte sich eine schöne Opern-DVD mit seiner Lieblingsinszenierung zulegen. Da weiß man dann, was man hat, und ist vor Überraschungen sicher. Aber dazu muss man ja nicht ins Theater. | www.theaterwuerzburg.de

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Gerhard Stäbler

14. Oktober, 20 Uhr, Neumünsterkirche Die neue Kantate des Komponisten Gerhard Stäbler und seiner Würzburger Librettisten Alexander Jansen und Hermann Schneider heißt „Vom Anfang im Ende“ und entstand als Auftragswerk der Diözese für Gesang, Schlagzeug, Orgel, Chor und Orchester. Als „energetischen musikalischtheatralischen Vorgang“ betrachtet der Komponist sein Werk, geschaffen für Hörer, die bereit sind, sich neugierig zu öffnen. Wer mehr von Stäbler hören möchte: Wieder aufgenommen wird vom Mainfranken Theater ab 9. Oktober die Kammeroper „Letzte Dinge“. Die konzertante Labyrinthbegehung, deren Würzburger Uraufführung die Süddeutsche Zeitung 2007 als eins der faszinierendsten Theaterprojekte Nordbayerns feierte, führt diesmal durch Räume des Augustinerklosters. | www.theaterwuerzburg.de; www.endspiel2010.de ++++++++++++++++++++++++

Ein bisschen Blues muss sein 16. Oktober, 20 Uhr, Spitäle

Wer die Namen Gerda Traub und Bernhard von der Goltz als Ausübende dieses Abends liest, erinnert sich vielleicht gebannt an spontane Liedinterpretationen der beiden. Aber angeblich will Gerda Traub heute nicht singen. Die Pianistin spielt Klavierkompositionen des Gitarristen, für den Blues ebenso wichtig war wie J. S. Bach. | www.vondergoltz.net ++++++++++++++++++++++++

Marimba & Streicher 18. Oktober, 19.30 Uhr, Hochschule für Musik

Mit dem Mandelring Quartett und der MarimbaSolistin Katarzyna My�ka gehen die Meisterkonzerte in die neue Saison. Einen Klangteppich mit warmen, weichen und klaren Tönen verspricht das Programm, das neben Werken von Haydn, Mozart und Ravel mit Konzerten des französischen Perkussionisten Emmanuel Sejourne und des brasilianischen Marimbavirtuosen Ney Rosauro auch zwei zeitgenössische Kompositionen enthält. | www.hfm-wuerzburg.de ++++++++++++++++++++++++

Maceo Parker

29. Oktober, 21 Uhr, Posthalle Fleißig ist der mittlerweile 67-Jährige, der seine Karriere 1964 bei James Brown begann, und Berührungsängste kennt er keine. Gespielt hat der Funk-Perkussionist am Saxophon mit George Clinton und Ray Charles, aber auch Prince, Keith Richards und die Red Hot Chili Peppers hatten die Ehre. Mit etwa 200 Konzerten im Jahr zählt Parker zu den meistbeschäftigten Musikern weltweit. Nach Japan, den USA und Südamerika im September ist im Oktober wieder Europa dran. Was zu erwarten ist? Funk à la Parker – gutes Zusammenspiel auf und gute Laune vor der Bühne. | www.posthalle.de ++++++++++++++++++++++++

Gut gelaunt mit 20 Fingern 7. November, 15.30 Uhr, Kloster Bronnbach, Bernhardsaal

Einkehr beim Ausflug: Das Pianistenpaar Michaela Schlotter und Rudolf Ramming spielt zwei- bis KulturGut 03 | Seite

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vierhändig heitere Klassiker und südamerikanische Bravourstücke. Im Eintrittspreis von 18 Euro sind zwei Stück Kuchen, Tee und Kaffee inbegriffen. | www.kloster-bronnbach.de ++++++++++++++++++++++++

Seven Gates of Jerusalem

13. November, 20 Uhr, Dom St. Kilian Seine siebte Sinfonie für fünf Soli, Sprecher, drei gemischte Chöre und Orchester schrieb Krzysztof Penderecki zur 3000-Jahr-Feier der Stadt Jerusalem 1997. Die Aufführung seines groß angelegten Vokalwerks im Kiliansdom leitet er selbst. Das Gemeinschaftskonzert der Musikakademie Krakau und der Hochschule für Musik Würzburg stellt letztere knapp einen Monat nach Beginn des Wintersemesters vor ganz besondere Herausforderungen – wegen des Werkumfangs, aber auch als Kooperationsprojekt. Das Konzert „im Geiste gelebten europäischen Miteinanders“ ist sicher nicht nur für Freunde klangmächtiger Opernensembles ein tonaler Höhepunkt im Würzburger „Endspiel 2010“. | www.hfm-wuerzburg.de ++++++++++++++++++++++++

Die lange Orgelnacht 26. November, 18 Uhr, St. Johanniskirche

Felix Mendelssohn-Bartholdy sind die diesjährigen Bachtage gewidmet – mit seiner Aufführung der Matthäus-Passion begann 1829 die Wiederentdeckung Bachs. Die Bachgesellschaft hat 2010 noch ein Ereignis zu feiern, und sie tut dies standesgemäß: 50 Jahre alt wird die große Beckerath-Orgel in St. Johannis, die 1960 mit drei Manualen und 39 Registern einen eher puristischen Kontrapunkt zu den romantischen Orgeln setzte und an der Günter

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Jena als erster Kantor spielte. Er war es, der nach dem Vorbild seines Münchener Lehrers Karl Richter Bachchor und -orchester gründete und 1968 die Würzburger Bachtage ins Leben rief. In einem Bach-Marathon lassen Schüler der Orgelklasse von Prof. Christoph Bossert Klangpracht und Delikatesse des Ausnahmeinstruments hörbar werden. | www.bachtage-wuerzburg.de ++++++++++++++++++++++++

3. Psychedelic Network Festival

26.-27. November, Jugendkulturhaus Cairo Nach dem Auftakt 2007 im AKW bot das kleinere Cairo 2009 Asyl. Ihre Hochzeit feierte die psychedelische Musik in den 1960er Jahren, aber viele Musiker und Fans sind ihr bis heute treu, auch wenn der Sound schneller und elektronischer geworden ist. Ein reines Veteranentreffen wird das dritte Network Festival trotzdem nicht werden, zu dem die Programmgruppe um Horst Porkert lud. Am Freitagnachmittag startet das Cairo mit der JamRock-Band „Interkosmos“, deren Gitarrist Sula Bassana am Samstag mit „Electric Moon“ und Psychedelic Doom gleich noch einmal zu hören ist. Jeweils zwei Stunden gibt es auch für Stoner Rock mit den Niederländern „The Machine“ (Kyuss meets Jimi Hendrix) und „Gomer Pyle“, psychedelischen Krautrock von den „Gurumaniax“ Mani Neumeier, Ax Genrich und Guy Segers, frei improvisierten SpaceGrooveRock von „Weltraum“ und hypnotisch-spacige Klänge von „Pharaoh Overlord“ mit Mitgliedern der finnischen Band Circle. 100 Prozent Handarbeit verspricht Kosmik Klaus für seine Lightshow mit Dia-, Öl- und Super8-Projektoren. | www.cairo.wue.de

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Die Jahreszeiten

2. Dezember, 19.30 Uhr, Museum im Kulturspeicher Mit Konzerten in kleiner Besetzung macht der Freundeskreis den Kulturspeicher quartalsweise zum Klangraum. Peter Tschaikowskis Klavierzyklus „Die Jahreszeiten“ ist eher selten zu hören. Für eine Petersburger Musikzeitschrift komponierte Tschaikowski 1875/1876 die zwölf Stücke und benannte sie nach den Monaten der Veröffentlichung. Muss man das noch steigern? Nein, aber man kann. Der bekennende Großstädter Erich Kästner erhielt Anfang der 1950er Jahre von einer Zeitschrift den Auftrag, einmal im Monat ein Naturgedicht zu schreiben. Und setzte dem Jahr noch einen Monat drauf. Sissi Retschmeier, Franziska Schäffner und Franziska Pott gestalten den Klavierabend mit Lesung. | www.freundeskreis-kulturspeicher.de ++++++++++++++++++++++++

Weihnachtskonzert der Singund Musikschule Würzburg 5. Dezember, 15 Uhr, Congress Centrum Würzburg

Voll wird der Saal fast immer – denn für Eltern, Geschwister und Repräsentanten des Zweckverbands ist dieser Termin Pflicht. In einem bunten Programm zeigt die Sing- und Musikschule mit vielen Ensembles und Orchestern und mehr als 300 Mitwirkenden die Bandbreite ihres Wirkens zwischen musikalischer Früherziehung und D3-Prüfung auf Abiturientenniveau. | www.musikschule-wuerzburg.de ++++++++++++++++++++++++


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Unglaublich leicht, ungebunden Fotografen mit künstlerischem Anspruch haben es abseits der großen Metropolen schwer von Daniel Staffen-Quandt / Fotos: Waldemar Salesski

+ Fotografen haben ein Problem. Eins, das andere Künstler nicht haben: „Es ist sehr schwer, den Wert der eigenen Arbeit darzustellen“, sagt Waldemar Salesski. Denn eine Kamera in die Hand nehmen und auf den Auslöser drücken kann jeder, zumal seit Digitalkameras erschwinglich geworden sind. Instrumente spielen kann hingegen nicht jeder. Nun lassen sich Fotos wie die des 27-Jährigen keinesfalls mit dem vergleichen, was man selbst im Urlaub so alles knipst. Salesskis Fotos sind Kunst, auch wenn dem gebürtigen Kasachen das Wort dafür nicht richtig gefällt. Hinter seinen Abbildungen steckt ein Konzept, eine BotKulturGut 03 | Seite

schaft, er knipst eben nicht, er fotografiert. Seit diesem Sommer hat er sein Diplom der Fachhochschule Würzburg-Schweinfurt in der Tasche, nun muss er sich irgendwie finanziell über Wasser halten. Als freier Fotograf eine Herausforderung. Jungen Schauspielern, Musikern fliegen Aufträge und Geld auch nicht gerade zu. Aber: Sind sie gut, finden sich irgendwie und irgendwann Förderer und Abnehmer, glaubt der Fotograf. Genau das sei bei ihm anders: „Weil man Fotos selten ansieht, wie viel Aufwand in ihnen steckt, haben die meisten keine Vorstellung von ihrer Wertigkeit – finanziell und künstlerisch.“

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Eine Herzenswahl Aber man wird ja nicht Fotograf, um reich zu werden. Mit 20 Jahren, nach dem Abitur in Berlin, stand der junge Mann schließlich vor der Wahl: dem Verstand und dem Rat der Eltern folgen und etwas Handfestes wie BWL studieren – oder der Leidenschaft fürs Fotografieren? Er wollte nicht sein Leben lang „nur im Büro sitzen“. Die Wahl war also getroffen. Als sich Salesski in Würzburg für Kommunikationsdesign einschrieb, konnten seine Eltern noch nichts damit anfangen. „Erst über die Jahre, mit den ersten Arbeiten, hat sich für meine Eltern geklärt, was ich da eigentlich mache“, erzählt er. Dass er in Würzburg gelandet ist, hatte pragmatische Gründe. Während das Gros der Hochschulen bereits zur Studienbewerbung komplette Mappen mit Zeichnungen sehen wollte, sei das an der Würzburger FH anders gewesen. Zudem: „Die Gestaltung hier hat wirklich ein Top-Team an Dozenten.“ Dieses Team hat aus Salesski einen exzellenten Fotografen gemacht. Nur: „In Würzburg fehlt der Markt für höherwertige Fotografie mit Konzept“, sagt er. Das heißt: Auf lange Sicht kann ein freier Fotograf, der sich nicht dauerhaft mit Familienbildern, Porträts und Hochzeitsfotos über Wasser halten will, kaum in Würzburg halten – außer, er hat zwischen seinen selbstgewählten Projekten lukrative Angebote, etwa für Werbefotografien großer Unternehmen. Ausschließlich solche Arbeit kann sich Salesski jedoch auch nicht vorstellen. „Das freie Arbeiten ist für mich als Fotograf sehr, sehr wichtig. Daraus schöpfe ich die Energie für kommerzielle Projekte.“ Bislang hat er allerdings kaum kommerziell gearbeitet, „aus Zeitmangel“, wie er sagt. Seine freien Projekte und die Arbeiten fürs Studium waren oft zu zeitraubend. Geld verdient hat er bislang vor allem über den Bilderverkauf. „Das ist ein schöner Nebeneffekt, wenn man ein Projekt abgeschlossen hat und damit etwas verdienen kann“, sagt er.

schaft im Fitnessclub, seinen Telefonanschluss, zog monatsweise bei Freunden ein. Nur sein Handy behielt er weiter. „Man fühlt sich unglaublich leicht, dynamisch und flexibel, wenn man so ungebunden ist“, sagt er. Geholfen hat ihm dabei sein gutes Netzwerk an Freunden. So soll es freilich nicht auf Dauer bleiben. Waldemar Salesski schaut sich derzeit nach einer Festanstellung um, die ihm nebenbei die Freiheit und Freizeit für eigene Arbeiten lässt. Und: Er wird Würzburg wohl oder übel den Rücken kehren müssen, auch wenn er die Stadt lieb gewonnen hat: „Kommerziell zu arbeiten sehe ich als praktische Herausforderung. Und irgendwie ist es auch ein inneres Bedürfnis, kommerziell zu arbeiten. So können viele Leute meine Arbeit sehen.“

Der Nutzen Dieser pragmatische Ansatz unterscheidet Waldemar Salesski von so manchem Traumtänzer, der seinen eigenen Ideen nur hinterher jagt, statt sie umzusetzen. „Ich mache ja auch keine Kunst im Sinne von Kunst“, sagt er: „Ich sehe mich als Gestalter – und die brauchen praktische Aufgaben, nichts Abgehobenes.“ Auch bei der Werbefotografie geht es ihm „nicht nur ums Geld. Ich will Fotos machen, die einen Nutzen haben.“ Damit unterscheidet er sich von vielen Kollegen, die Fotos um der Fotos willen machen. „Kann ich auch und mach ich auch gerne“, sagt er. Aber eine Art „Anker“ im Alltag braucht er schon. Irgendwie. Den hatte er eigentlich im beschaulichen Würzburg gefunden. „Ohne die Ablenkung der Großstadt lässt’s sich besser arbeiten“ – wenn es denn Arbeit für ihn gäbe hier am Main.

Die Aufgabe Der Erlös schwankt von Monat zu Monat sehr stark: „Manchmal hat man noch 100 Euro für den Rest des Monats und es ist erst der 14.“ Salesski versucht dann, keine Panik zu bekommen, sagt sich: Es läuft schon irgendwie. Positives Feedback auf seine Fotografien gibt ihm Kraft. Für sein Diplom reiste er nach Russland. Er wollte die Atmosphäre beim 65. Jubiläum des Siegs der Roten Armee im Zweiten Weltkrieg mit seinen Bildern erfassen. Seine Reportage mit fast zeitlos anmutenden Aufnahmen zeigt ein aktuelles Spiegelbild der russischen Seele. So ein Projekt lässt sich nicht in fünf Tagen realisieren, es braucht etliche Vorrecherchen, tagelange Planung. Wochenlang war er mit einer analogen Mittelformat-Kamera unterwegs, rund 500 Fotos hat er gemacht. Jeder Klick kostet Geld.

Das Hungertuch Um die immensen Kosten der Diplomarbeit zu stemmen, „hab ich meine laufenden Kosten so weit wie möglich minimiert“, berichtet Salesski. Der junge Fotograf kündigte seine Wohnung, seine MitgliedKulturGut 03 | Seite

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Kunst |

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Steff Bauer & Joachim Schäd

Gewebter Luxus

Zwei Schweinfurter in der VKU-Galerie: Die Natur im Kopf hat Joachim Schäd, wenn er die Ergebnisse seiner Landschaftsstudien mit Öl- und Pastellkreide auf Papier und Leinwand bringt. Der Grad der Abstraktion variiert, nicht aber das Filigrane der Ausführung. Das verbindet ihn mit der Holz- und Steinbildhauerin Steff Bauer, die dort beeindruckend wird, wo das Material nur noch Form ist. | www.vku-kunst.de

Tapisserien sind gewirkte Wandbehänge aus Wolle und Seide, aufwändig und kostspielig in der Herstellung und deshalb im 17. und 18. Jahrhundert unverzichtbar Teil repräsentativer Wohnkultur. Von der französischen Manufaktur Beauvais und der Würzburger Manufaktur Pirot stammen die sieben farbenprächtigen Wandbilder mit zeittypischen Szenen vom chinesischen Kaiserhof und aus Venedig, die in vier Schauräumen der Residenz bestaunt werden können. Die fragilen Kunstwerke wurden in den letzten Jahren gereinigt und restauriert, drei von ihnen werden in der Residenz bleiben. | www.residenz-wuerzburg.de

bis 17. Oktober, Spitäle

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Und das Dorf ist niemals hier bis 24. Oktober, BBK-Galerie

Unter dem Titel „art & dialog“ formieren sich im Oktober an verschiedenen Orten mehr als 60 Einzelprojekte zur bundesweiten Triennale des Berufsverbands bildender KünstlerInnen. Den Dialog führen beim unterfränkischen Verbandsableger zwei Oberfranken mit gegensätzlichem Kunstzugang. Die Visualisierung und Auslegung von Symbolen und einfachen Codes, die sie bruchstück- und zeichenhaft zusammenfügt, beschäftigt Monika Pellkofer-Grießhammer. In Bildern und Objekten lotet sie zugrunde liegende Muster, Prägungen, Gefühle und Ansichten aus. Für Wieland Prechtl ist die Beobachtung von geologischen Abläufen, Wettererscheinungen oder natürlichen Strukturen Ausgangspunkt der Erkundungsreise in die Sprache von Farbe und Form, Wahrnehmung und Auslegung. Die unternimmt er in experimentellen Arbeiten mit Mischtechniken auf Leinwand, Holz oder Metall, gegebenenfalls aber auch mit der Kettensäge. | www.bbk-bundesverband.de; www.bbk-unterfranken.de ++++++++++++++++++++++++

bis 31. Oktober, Residenz

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Liebermann und die Berliner Secession

bis 1. November, Schlösschen im Hofgarten, Wertheim Seit 2006 gibt es das Museum der Stiftung Schlösschen im Hofgarten, getragen von Stadt und rührigem Förderkreis, fachlich betreut vom Grafschaftsmuseum und bestückt mit drei privaten Kunstsammlungen. Von denen die zur Berliner Secession erstmals fast vollständig zu sehen ist. Innerhalb von nur 30 Jahren trug der Wertheimer Industrielle Wolfgang Schuller sie zusammen. Vertreten sind neben dem Impressionisten und Secessionsgründer Max Liebermann die führenden Mitglieder Max Slevogt, Lovis Corinth und Walter Leistikow, aber auch die jüngere Generation mit Emil Pottner, Charlotte Berend-Corinth oder Franz Heckendorf. Zu den Gemälden kommen Plastiken von Ernst Barlach, Georg Kolbe, Fritz Klimsch und Bernhard Hoetger. – Die Sammlung zeigt, wie

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breit, vielfältig und spannungsreich das Kunstkapitel „Berliner Moderne um 1900“ ausfiel. | www.schloesschen-wertheim.de ++++++++++++++++++++++++

Max Beckmann und Albrecht Dürer

bis 21. November, Museum am Dom Fast 500 Jahre liegen zwischen dem Renaissancekünstler Albrecht Dürer und dem Expressionisten Max Beckmann und ihren Zyklen zur Apokalypse. Doch die Holzschnittfolge von 1496/1498 und die kolorierten Kreidelithographien von 1941/1942 verbindet neben dem Sujet auch ein gemeinsames Interesse: die Menschen in ihren Erfahrungsräumen abzuholen und als Musterbücher der Hoffnung Zuversicht zu wecken. Im Gegenüber von Werken unterschiedlicher Jahrhunderte und Stile das Gemeinsame und Vergleichbare zu entdecken ist Konzept des Hauses. So hochkarätig kommt es nur selten daher. | www.endspiel2010.de ++++++++++++++++++++++++

Sophie Brandes und der Heidelberger Malerkreis

ab 17. Oktober, Martin-vonWagner-Museum, Gemäldegalerie Traum- und Zwischenwelten zeigen die Gemälde von Alf Osman, Elke Wassmann, Michael Lingrên und Joachim Geissler-Kasmekater. Sie alle sind Mitglieder des seit 1985 bestehenden Heidelberger Malerkreises. Dem gehört seit einigen Jahren auch die in Veitshöchheim ansässige Illustratorin und Graphikerin Sophie Brandes an. Eine Reihe von Radierungen mit surrealem Inhalt brachte sie in näheren Kontakt mit dem Phantastischen Realismus und der Gruppe.


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Fine A.R.T.S. 2010

22. bis 24. Oktober, Museum im Kulturspeicher Fine A.R.T.S. ist die Messe für Kunst, Kunsthandwerk, Design und Antiquitäten. Mehr als 30 Betriebe und Ateliers aus der Region haben sich angemeldet. Laut Jürgen Geisel, Würzburger Restaurator und Vorsitzender des Trägervereins, ergibt das fast doppelt so viele Aussteller wie beim letzen Mal. Ob aus Holz, Metall, Glas oder auf Leinwand – angeboten wird, was Auge und Tastsinn erfreut und das gehobene Qualitätsbewusstsein befriedigt. Zur feinen Lebensart gehören asiatische Küche und fränkischer Wein mit Musik und Mode im Rahmenprogramm. So sollte sich der Besucher einen der drei Tage ausgiebig Zeit nehmen. | www.fine-arts-wuerzburg.de ++++++++++++++++++++++++

Und über allem der Himmel 29. Oktober bis 25. November, Kochsmühle Obernburg

Noch bis 17. Oktober sind zeitkritische und satirische Blätter von A. Paul Weber (18931980) zu sehen, danach Werke seines Zeitgenossen Otto Pankok (1893-1966). Als expressiver Realist folgte Pankok in Linienführung und Farbpalette seinem Vorbild van Gogh, leidende Menschen am Rande der Gesellschaft waren zeitlebens bevorzugtes Motiv. Wie Künstlerfreund Otto Dix Mitglied der Düsseldorfer Gruppe Junges Rheinland, erhielt Pankok 1936 Arbeitsverbot, 1937 wurden seine Werke beschlagnahmt. Typisch sind seine übergroßen expressiven Kohlezeichnungen. Die Kochsmühle

Termine |

zeigt einige von ihnen sowie Holzschnitte, Radierungen und Bronze-Skulpturen. | www.kulturwochen.landratsamt-miltenberg.de ++++++++++++++++++++++++

Ende der Tierhaltung

7. November, 17 Uhr, Arte Noah Mit der Finissage der Gemeinschaftsausstellung von Frank Herzog und Gisbert Lange (siehe KulturGut 02) geht das Kunstschiff in die Winterpause. Wie an jedem letzten Sonntag einer Ausstellung lädt der Kunstverein aber noch einmal jeden, der fragen, erfahren oder einfach nur sehen möchte, zu einer zwanglosen halbstündigen „Art-Führung“ ein. Im Frühling 2011 wird das Ausstellungsschiff wieder im Alten Hafen andocken. | www.kunstverein-wuerzburg.de ++++++++++++++++++++++++

Figuration und Abstraktion ab 13. November, Museum im Kulturspeicher

Würzburg als Stadt der 1950er Jahre – da fehlt bis heute die rechte Würdigung. Einblick in das künstlerische Spektrum und Potenzial gibt die Winterausstellung im Kulturspeicher. Vermessen wird das lokale Kunstschaffen anhand der europaweiten Entwicklungen in der Konkreten Kunst. Ganz konkret: 120 Gemälde, Plastiken, Fotografien und Skulpturen von Heiner Dikreiter, Gertraud Rostosky, Emy Roeder, Curd Lessig, Josef Versl und Dieter Stein gehen in spannungs- und aufschlussreiche Konfrontation mit Werken von Hans Arp, Günther Fruhtrunk, Robert Jacobsen oder Victor Vasarely. | www.kulturspeicher.de ++++++++++++++++++++++++ KulturGut 03 | Seite

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Einkaufen!

Spitäle & BBK-Galerie Die Winterausstellungen der Künstlerverbände BBK und VKU an ihren beiden festen Häusern bei der Alten Mainbrücke und im Alten Hafen bieten alljährlich zur Weihnachtszeit die schöne Gelegenheit, Kunst aus der Region nicht nur zu sehen, sondern auch zu kaufen. Im Spitäle ist die Zeit dazu vom 28. November bis zum 23. Dezember, dazu Musik aus der Nachbarschaft, nämlich 30-minütige Kleinstkonzerte der Sing- und Musikschule an allen Werktagen (18.30 Uhr). „Versammelt“ heißt es vom 26. November bis 19. Dezember in der BBK-Galerie. Die Urheber der Exponate kann man am 5. Dezember (17 Uhr) dort selbst kennen lernen. Neben den Verbandsmitgliedern in diesem Jahr auch Künstler aus der Würzburger Gemeinschaftsunterkunft für Flüchtlinge, die dem Migrationsprojekt des Mainfranken Theater angehören. | www.vku-kunst.de; www.bbk-unterfranken.de ++++++++++++++++++++++++

Engel - Himmlische Boten und Begleiter

ab 10. Dezember, Museum am Dom Eine bedrohte Art sind sie sicher nicht. Alle monotheistischen Religionen kennen die Geistwesen als Mittler zwischen Gott und Welt, und bis heute hat die Verehrung der Engel im Katholizismus und in der christlichen Orthodoxie ihren festen Platz. Denn nicht nur in der Weihnachtsgeschichte spielen sie eine zentrale Rolle. Einen Überblick über die Darstellungen von Engeln aus verschiedenen Jahrhunderten und deren unterschiedliche Bedeutungen zeigt das Museum am Dom in der Weihnachtszeit. | www.museum-am-dom.de


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Wo die Wörter wohnen Die Alternative zum Bestseller: ein Literaturhaus zum Selbermachen von Joachim Fildhaut / Foto: Gleb Polovnykov

+ Mozartfest bis Bachtage, Africa- bis Jazzfestival: alle singen das Lied von der Musikstadt Würzburg. Hingegen: Literatur deluxe bis Literarischer Herbst – das Image einer Buchstadt bekommt selbst dann keine rechte Farbe, wenn man die 1a-Zertifizierung der Stadtbücherei hinzulegt. Das bedauert Christoph Pollmann, Unterfranken-Vorsitzender des Verbands Deutscher Schriftsteller, des VS: „Mit sehr wenig Mitteln ließe sich da viel bewegen. In der Öffentlichkeit gehen die literarischen Potenziale unter, weil es keine zentrale Anlaufstelle gibt.“ Eine solche Örtlichkeit könnte Literaturhaus heißen. Diese Immobilien des Imaginären haben zwischen München und Hamburg sehr verschiedene Architekturen, was Nutzungen und Trägerschaft angeht. Größere Einrichtungen bieten Raum für Lesungen und Ausstellungen, es wird diskutiert und in Schreibwerkstätten gearbeitet. Sie sind Stätten der Begegnung und des Austauschs für Literaturinteressierte.

Das Rascheln im Publikum Ein VS-Vereinsheim soll das Literaturhaus nicht werden, wenn Pollmann auch bemerkt, bei der Suche nach einem Träger könne man – als eine Option – auf die bestehende Verbandsstruktur zugreifen. Die Mitglieder allein machen eine Wortkunstzentrale weder nötig noch möglich. Vielmehr wollen sie mit weiteren Literaturinteressierten zusammenwirken. So könnte die Volkshochschule ihre Literaturkurse aus dem Stammhaus auslagern. In einem Literaturhaus möchten VSMitglieder den Besuchern von Workshops ihre eigenen praktischen Erfahrungen auf der nächsten Entwicklungsstufe des Schreibens, auf dem Buchmarkt vermitteln: Kreativ schreiben – schön! Aber was können die folgenden Schritte sein? Oder: Wie trete ich bei einer Lesung auf, damit meine Hörer nicht mehr so laut rascheln? Die Schreibbeflissenen sollen professioneller agieren lernen, dabei das Haus als ihres begreifen und sich mit für seinen Unterhalt engagieren. Ohne aktive Beiträge wird es nämlich nicht abgehen. Pollmann glaubt: „Das Potenzial ist da, es muss nur gebündelt werden.“ KulturGut 03 | Seite

Ein Teil dieses Potenzials heißt Würzburger Autorenkreis. Die Mitglieder kommen monatlich zusammen, um einander neue Texte vorzustellen oder gemeinsam Gruppenlesungen zu organisieren. Die Orte wechseln, denn in unruhigen Kneipenhinterzimmern lässt sich keine Kontinuität schaffen. „Ein regelmäßiger Treffpunkt wäre eine große Hilfe“, sagt Autorenkreis-Sprecherin Ulrike Sosnitza. Als Literaturhaus genügt den Initiativgruppen schon ein Saal, in dem auch kleinere Lesungen stattfinden könnten. Sosnitza: „Wenn der als Marke eingeführt ist, wenn sich die Leute drauf verlassen können, dass dort Veranstaltungen mit Qualität stattfinden, dann kommen sie auch zu Lesungen von unbekannteren Autoren.“ Neben den prominenten Lokalkrimi-Schreibern wie Roman Rausch, Rainer Greubel und Christian Kelle zählen etwa 15 weitere Autoren zum Kreis, der vom Austausch ganz verschieden gelagerter Talente lebt, versichert Ulrike Sosnitza: „Gerade wenn an einem Abend Haikus und lange Texte gelesen werden, kann es fruchtbar werden.“ Allerdings sieht sie bei den Nebenberufs- und Hobbyschreibern kaum Kapazitäten, um ein Literaturhaus zu betreiben. Vielmehr hätte man gern die Hilfe einer Halbtags- oder 400-Euro-Kraft, die unter anderem Promotion für Lesungen machen könnte. Die Finanzierung ist offen. Dennoch könnten sich die Gründungsbeflissenen vorstellen: Wenn jeder Literaturinteressierte etwas zum Gelingen beitrüge, ließe sich ein Literaturhaus möglicherweise stemmen. Schließlich haben sie einen Saal an der Hand, der ihnen zu mäzenatischen Konditionen angeboten würde. Geld ist hier das geringere Problem. Es solle bloß „nicht nur jeder sein Süppchen kochen“, so der potenzielle Raumgeber, sondern „etwas Übergreifendes schaffen wollen – und im Kern professionell sein“. Das klingt nach einer vernünftigen Forderung.

LINK: | www.autorenkreis-wuerzburg.de

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Jetzt wechseln „Die andere Seite“: Der Roman zur Opern-Uraufführung von Joachim Fildhaut / Foto: Gleb Polovnykov

+ „Seine Augen glichen zwei leeren Spiegeln, welche die Unendlichkeit auffingen.“ Der Erzähler steht „im Bann“, wenn er von dem Wesen schreibt, das ihn in den Traumstaat lockte. Die ‚aufgefangene Unendlichkeit’ ist der Schauplatz, auf dem die Hauptstadt dieses Reichs untergeht, zerbröselt, sich entmenscht. Verschränkt mit diesem Prozess visioniert der Held alptraumhafte Bilderfluten: „In all diesen Gängen wohnte ein tausendarmiger Polyp, elastisch wie Kautschuk streckten sich seine Glieder unter alle Häuser.“ Alfred Kubin schrieb seinen einzigen Roman in der Frühzeit der expressionistischen Bewegung. Pathetisch, verschwommen, heute noch genießbar? – Sehr! Sehr leserlich. Der hehre Horror macht nur ein einzelnes Element im Showdown aus. Über weite Strecken ist der 250-Seiter komisch. – Trockene Nüchternheit kann im Hintergrund eines Texts wirken und das Unverstehbare schärfer hervortreten lassen. Eben dieser Handwerkstrick erscheint hier in genau gleichem Maße als Mittel wie als Zweck eingesetzt. Denn der erzählende Helden registriert die phantastische Welt derart leidenschaftslos, dass der Verdacht aufkeimt, der Zeichner Kubin habe die komischen Effekte dieser Traumreise schon arg gemocht. Die aventuire des biedren Wahlmünchners durch halb Asien nach Perle – so heißt die Stadt der großen Wirrnis –, sein Aufenthalt daselbst nebst Apokalypse zum Finale – all das zog Kubin als eine große Groteske auf. „Immer wieder sah ich das Bild und den Scheck an und verliebte mich in beide ein wenig“; „Wie orientalische Städte aussehen, setze ich als bekannt voraus. Es ist genau so wie bei uns, nur orientalisch“: solche Späße in der Exposition machen die Lektüre auch spannend, weil sie die Frage stellen, wann und wie denn wohl Schluss mit lustig sein wird. Nun, der Tod seiner Frau versetzt dem Berichterstatter zwar einen Dämpfer, doch dafür teilt er von nun an stets skurrilere Vorgänge aus der heterogenen Gesellschaft von Perle mit: Nach dem Ausbruch einer Seuche „liefen die Züge mit enormen Verspätungen ein, da bei jeder Station neues Personal eingestellt werden musste“, und eine Insektenplage lässt von notorischen Kaffeehausschachspielern nur noch zwei Ameisenhaufen übrig, zwischen denen das Spielbrett steht.

Hüte sich jeder vor dem Schlaf! Nun hält man bei einem Roman mehr noch als bei einer Oper die Handlung für wichtig. Also Folgendes: Ein Mann von gut 30 Jahren wird von seinem ehemaligen Schulfreund Claus Patera eingeladen, in das zentralasiatische Traumreich überzusiedeln, das sich der Multimilliardär errichtet hat. Angeblich herrscht dort keine Not, die Menschen „leben nur in Stimmungen“ und richten ihr Streben auf den Sinn und das Sein der Welt. Das Heldenpaar lebt sich zunächst wohlgemut ein. Wirklich ist der Zwang zum Erwerbsleben gelockert, dennoch spiegelt Perle eine verzerrte bürgerliche Gesellschaft – mit unverhältnismäßig großem Anteil an Kriminellen. Für ein labiles Gleichgewicht im Sozialgefüge sorgt, vermutlich, der unsichtbare, kafkaesk unerreichbare Patera in seiner Rolle als Schicksalsmacht. In dem Maße, wie dem Traumreich Feinde erwachsen – europäische Armeen von außen, das abstrakte Vernunftprinzip eines amerikanischen Gasts von innen – rutscht das Reich in seinen Untergang und wird schließlich als schlammige Wüstenei einer normalen Herrschaft übergeben. Dass das ‚wahrheitsgetreue’ Protokoll am Ende als Hirngespinst eines Wahnsinnigen dasteht, ist hier einmal kein lahmer Trick. Vielmehr wirft Kubin der ganzen Geschichte in wenigen Absätzen rasch nacheinander zwei, wenn nicht gar drei Deutungsmuster über. Um dann doch wieder ganz rätselhaft zu enden.

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INFO: Die Rowohlt-Taschenbuchausgabe ist zur Zeit vergriffen. Die nächste Auflage erscheint Anfang Dezember.

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Literatur |

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Wie war ich?

20. Oktober, Cairo Drei Nachwuchsautoren stellen sich dem Publikum ihrer Heimatstadt, das seinen Favoriten zum on3Lesefinale nach München schickt. Als Hauptgewinn winkt ein Schreibwochenende mit dem Autorendock, dem Schriftsteller wie Juli Zeh oder Clemens Mayer angehören. Das Hamburger Elektro-Duo Bratze („Beat Meets Poetry“) begleitet den Abend. | www.cairo.wue.de ++++++++++++++++++++++++

Lesen reloaded

25. Oktober, 16 Uhr, Unibibliothek, Informationszentrum Die Welt wird kleiner – ganze Bibliotheken lassen sich in die Tasche packen. Mit handlichen E-Readern, die Tausende von Büchern speichern können. Bei der bundesweiten Aktionswoche „Treffpunkt Bibliothek” stellt die UB aktuelle Geräte und ihre Einsatzmöglichkeiten vor und präsentiert ihr eigenes E-Book-Angebot. | www.bibliothek.uni-wuerzburg.de ++++++++++++++++++++++++

Law School Meets Literature 26. Oktober, 19.30 Uhr, Alte Universität, Teilbibliothek Recht

Genau zu lesen lernen sie im Studium. Was sie dazu bringt, bestimmte Texte besonders gerne zu lesen, berichten Professoren, Studierende und Alumni der rechtswissenschaftlichen Fakultät an diesem Abend. Der Jurist und sein Lieblingsbuch – für Zuhörer eine gute Gelegenheit, Texte neu zu entdecken. | www.juristen-alumni-wuerzburg.de ++++++++++++++++++++++++

Termine |

Mit spitzer Feder

27. Oktober bis 21. November, BBK-Werkstattgalerie Gut 50 Bücher hat sie illustriert, über 30 davon selbst geschrieben und daneben Drehbücher und Bildergeschichten fürs Fernsehen gemacht. Ihre Ideen fand die 1943 in Breslau geborene Sophie Brandes „eigentlich auf der Straße“, gesteht aber auch offen zu, Erlebnisse ihrer eigenen Kindheit über die Bücher verarbeitet zu haben. Eine Auswahl von Buchillustrationen der Grafikdesignerin, die in den vergangenen Jahren vorwiegend mit Objektkunst und Malerei in der Öffentlichkeit präsent war, zeigt die Werkstattgalerie. | www.bbk-unterfranken.de ++++++++++++++++++++++++

Am Anfang war die Nacht Musik

4. November, 20 Uhr, Stadtbücherei im Falkenhaus 20 Jahre nach ihrer ersten Veröffentlichung erschien der erste Roman von Alissa Walser. Die redliche Autorin betreibt keine Wortwirbeleien, bleibt bei einer schlichten Sprache, die immer höchst musikalisch klingt. Das passt zum Inhalt, erzählt sie doch von der Umnachtung eines Menschen, der in der Blindheit zum Hören findet. | www.stadtbuecherei-wuerzburg.de ++++++++++++++++++++++++

Entartete Musik

4. November, 20 Uhr, Künstlerkeller Bronnbach Die Literatur Lounge gehört dem Chansonduo Café Sehnsucht. Kontra-Alt Silvia Kirchhof und Achim Hofmann erinnern an Komponisten und KulturGut 03 | Seite

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Librettisten, deren Werke ab 1938 plötzlich als entartet galten. Vergessen sind meist gar nicht die Lieder. Aber wer weiß schon, dass die Schlager „Was machst du mit dem Knie lieber Hans“, „Ich hab mein Herz in Heidelberg verloren“ und „Ausgerechnet Bananen“ alle vom selben Texter stammen? Er wurde 1942 in Auschwitz erschlagen. | www.kuenstlerkeller-bronnbach.de ++++++++++++++++++++++++

Die paar leuchtenden Jahre ab 18. November, 20 Uhr, Theater am Neunerplatz

Mascha Kaléko ist 22 Jahre alt, als sie im Berlin der Weimarer Republik ihre ersten Gedichte vom Alltag veröffentlicht und sich mit mokantmelancholischer Stimme in die Herzen der Großstädter schreibt. Musikalisch begleitet von Maria Voigt rezitiert und erzählt Heike Mix aus dem bewegten Leben der Großstadtpflanze. | www.neunerplatz.de ++++++++++++++++++++++++

Das Beste aus aller Welt 14. Dezember, 20 Uhr, Saalbau Luisengarten

Viele SZ-Leser lebten elf Jahre lang mit der Familie von Axel Hacke, sahen Sohn Luis aufwachsen und lauschten den nächtlichen Tröstungen aus dem Bosch-Kühlschrank. Übrigens entspross auch der weiße Neger Wumbaba den Kolumnen, von denen der Autor meist alle 544 mit aufs Pult bringt, um nach DJ-Manier je nach Stimmung im Saal auszuwählen. | www.axelhacke.de; www.wuerzburg-deluxe.de ++++++++++++++++++++++++


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Film |

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Mammuth

bis 6. Oktober, Casablanca Ochsenfurt Serge geht in Rente – und so, wie Gérard Depardieu den bulligen Ex-Fleischhauer spielt, demonstriert er, dass es ihm in seinem nächsten Karrierekapitel auf eins garantiert nicht mehr ankommt, nämlich darauf, im herkömmlichen Sinn eine gute Figur zu machen. Wampert schwingt er sich aufs Bike, um einige Arbeitsnachweise nachträglich einzuholen, die die Pensionskasse von ihm braucht. | www.casa-kino.de ++++++++++++++++++++++++

Home

14. Oktober, 19.15 Uhr, Akademie Frankenwarte Auf einen Live-Kurzvortrag folgt ein 93-minütiger langer, aber nie langweiliger über die Entwicklung und Gefährdung des Lebens auf der Erde. Vulkane und Planktonfarben malen Leinwandbilder, die zum Malerischsten gehören, was je aus Flugzeugen gefilmt wurde. Leicht fassliche Texte erklären, wie so eine Erde im All funktioniert – die Musik spielt manchmal etwas arg pathetisch dazu. Trotzdem bekommt man hier Biodiversität auf den Begriff gebracht. Und anschaulich gemacht erst recht. | www.changetube.de ++++++++++++++++++++++++

Kinderkino

mittwochs, 15 Uhr, Cinemaxx Hier werden nicht nur Filme für die Kleinen aufgeführt, sondern in einem pädagogischen Rahmenprogramm Alltagsthemen kreativ und kindgerecht aufgearbeitet. Veranstalter ist der Stadtjugendring. Informationen Telefon 0931 / 56626. | www.sjr-wuerzburg.de

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Filmclub Würzburg

ab 19. Oktober, Max-Scheer-Hörsaal, Hubland-Uni Im großen Saal der Mathematiker laufen im Wintersemester wieder Streifen, die viel Erfolg und meist auch Anspruch hatten. Viele sind sogar noch ziemlich aktuell. Ein Querschnitt: „Armored“, „Das Kabinett des Dr. Parnassus“, „Der fantastische Mr. Fox“, „Inception”, “Jerry Cotton“, „Plastic Planet“, „Vincent will Meer” und „Vom Winde verweht” sowie die Double Feature „Nummer 9“ und „Alice im Wunderland“, „Sex and the City 1 + 2”, „Verdammnis” und „Vergebung”. Die Termine stehen noch nicht alle fest. Der Eintritt kostet 1,80 Euro zzgl. 20 Cent „Semesterbeitrag”, der Semesterpass macht diesmal 15 Euro für 15 Abende – darunter die drei Double Features. Gespielt wird immer dienstags, fast immer ab 19 Uhr. | www.filmclub-wuerzburg.de ++++++++++++++++++++++++

2. Italienische Filmtage Programmkino Central, 4. November, 19 Uhr

Um 19 Uhr wird das Programmkino im Ex-Moz (Maxstraße 2) eröffnet, anschließend beginnen die Tage mit Filmen in italienischer Originalfassung und deutschen Untertiteln. Acht Streifen vom Mafiathriller bis zur Doku wählte die KinoInitiative, Filme für alle Altersklassen. Das Programm wird Ende Oktober auf der Website veröffentlicht. Dort auch Reservierungen. | www.central-programmkino.de ++++++++++++++++++++++++

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Globale Filmwoche

31. Oktober bis 6. November, Werkstattbühne Die Uni-Hochschulgruppe Attac Campus schaffte es in fünf Jahren, immer mehr Publikum zu den globalisierungskritischen Spiel- und Dokumentarfilmen zu ziehen. Anfangs übernahm sie das Programm aus Berlin, letztes Jahr sorgten die Würzburger – übriggeblieben – erstmals allein für die Filmauswahl, die insgesamt 750 Leute ins Corso zog. Danach schloss dieses letzte Innenstadtkino, doch fanden die Ausrichter einen Sympathisanten im Theater an der Rüdigerstraße. Die Titel und Anfangszeiten werden kurzfristig bekanntgegeben. | www.werkstattbuehne.com ++++++++++++++++++++++++

Bright Star

20. Dezember, 18.30 Uhr, Cinemaxx Ein romantischer Film im wahren Wortsinn: Der Dichter John Keats liebt Fanny Browne, schreibt Gedichte und Briefe an sie. Dargestellt werden Sender und Empfängerin von Ben Wishaw und Abbie Cornish – ersterer gewöhnte sich vor den Dreharbeiten das flüssige Schreiben mit der Feder an. Die Briefe, die die Darstellerin seiner Geliebten in Händen hält, verfertigte Wishaw als sein eigener Requisiteur. Für atmosphärische Dichte und Authentizität sorgt an diesem frühen Winterabend zweierlei. Regie führte Jane Campion, die mit „Das Piano“ Weltruhm erlangte. Und der Film mit seinen vielen originalen Keatsschen Poetenworten läuft in englischer Originalfassung. Denn jeden dritten Montag im Monat hält die Deutsch-Britische Gesellschaft im Multiplex einen Filmabend ab, stets 18.30 Uhr. Am 18. Oktober läuft, ebenfalls hochromantisch, „An Education“, am 15. November „Five Minutes to Heaven“. | www.deutschbritische.de


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Mit dem Rolli eins: Stella Stocker in ihrer Rolle als Nicole bei den Dreharbeiten zu „Veil of Oblivion“ im Herbst 2009

Der Schleier fällt Drei Jahre Filmproduktion. Von der ersten Idee zur Kauf-DVD „Veil of Oblivion“ von Christine Weisner / Fotos: WTZ Filmproduktion

+ Ein Psychotriller soll es werden, darüber sind wir uns im Herbst 2007 schnell einig. Genretypischer Schauplatz der Handlung ein abgelegenes Haus, wo ein Wiedersehen von alten Freunden stattfindet. Ralph Wege will unser gemeinsames Drehbuch, Arbeitstitel „Reunion“, anschließend als Regisseur und Co-Produzent verfilmen. Nach ersten Entwürfen schlägt der Stoff plötzlich Funken, als wir herausfinden, welche dunkle Vorgeschichte die alten Freunde miteinander verbindet. Damit kommen Fragen von Schuld und Verdrängung ins Spiel, die der Geschichte eine neue Dimension verleihen. Schnell nimmt die Protagonistin Gestalt an. Wir nennen sie Nicole, geben ihr Charakterzüge und Eigenheiten mit auf den Weg. Obwohl Nicole im Rollstuhl sitzt, soll sie nicht nur innere Konflikte, sondern auch handfeste Kämpfe bestehen. Kann das gehen? Wir recherchieren. Wie immer prüfen wir auch, ob sich die Szenen mit vertretbarem Aufwand verfilmen lassen. Im Mai 2008 geht das Treatment an Hans-Georg Struck, unseren Script-Consulter. Mit seinem positivem Feedback und einigen Anregungen im Rücken beginnt die Arbeit am eigentlichen Drehbuch. In einem diskussionsintensiven Prozess arbeiten wir nun die einzelnen Szenen aus. KulturGut 03 | Seite

Im Herbst kommt Christan Hessdörfer als Creative Producer und Regieassistent hinzu. Er bringt einen neuen Blick ein und beschäftigt sich bereits mit der bildlichen Umsetzung. Wir sprechen das Buch zu dritt durch. Alles, was nicht restlos überzeugen kann, wird umgearbeitet. Ralph und Christian stoppen die Länge: Zu lang! Nun beginnt das berüchtigte „kill-your-darlings“, dem unter anderen eine komplett ausgearbeitete Szenenfolge und die Figur der Schreinerin Michaela zum Opfer fallen. Auch die schwarze Giftschlange, die ich so gerne als zusätzlichen Stressfaktor im Haus platziert hätte, wird gestrichen. Nach diesem Massaker an Lieblingsideen und -szenen ist das Drehbuch deutlich kompakter und – gerade wegen der Kürzungen – besser. Im Herbst fällt die Entscheidung, dass aus Gründen der Vermarktung auf Englisch gedreht werden soll. Unsere Heldin Nicole darf ihren Namen behalten. Aber aus Tanja wird nun Katie, aus Björn Oliver usw. Auch einen neuen Arbeitstitel bekommt das Projekt: „Veil of Oblivion“ – Schleier des Vergessens. Inzwischen sind Matthias Triebel und Jürgen Zull als Produzenten in das Projekt eingestiegen. Die Realisierung rückt in greifbare Nähe, sogar der aufwändige Auto-Stunt ist schon in Vorbereitung. Ralph und

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www.takenet.de Christian casten in verschiedenen Städten Schauspieler und stellen die Crew zusammen. Während diese Maschinerie anläuft, läuft mein Part als Autorin aus. Ich wechsle auf die Zuschauerbank. TN_AZ_Kultur_93x133_RZ.indd 1 Oktober 2009, Beginn der Dreharbeiten. Beim Warm-up sind Produzenten, Crew und Schauspieler erstmals an einem Ort versammelt. Keiner der Darsteller sieht so aus, wie ich mir ihn bzw. sie beim Schreiben vorgestellt habe. Das ist an sich logisch, ruft aber trotzdem eine kurze Irritation hervor. Hoffentlich merkt keiner was! Ein paar Tage später Setbesuch im alten Patriziergelände zusammen mit Michael Dees, der die Filmmusik komponieren wird. Wieder sieht alles ganz anders aus als vorher im Kopfkino, obwohl Kulisse, Kostüme, Schauspiel und Inszenierung sehr genau den Vorgaben im Drehbuch entsprechen. Doch dann erweist sich das Kopfkino als erstaunlich anpassungsfähig und schnell überwiegt die Faszination. Zum zweiten Setbesuch kommt es erst gegen Ende der Dreharbeiten. Schauspieler und Crew sind nach einem Monat harter Arbeit nahtlos aufeinander eingespielt. Als Stella Stocker in einer Drehpause aus dem Rollstuhl aufsteht und umherläuft, bin ich irritiert, so verschmolzen ist sie für mich inzwischen mit Nicole. Auf die Rückfahrt spielt mir Michael erste kleine Passagen der FilmCarina Weis musik vor. Wieder so ein Augenblick zum Luftanhalten, und wieder Geschäftsführerin passt es. Seitdem ist fast ein Jahr vergangen, in dem vornehmlich Cutter und Sounddesigner das Material bearbeitet haben. Es gab Rohschnittfassungen und ein Testscreening. Mein bisheriges Fazit fällt sehr positiv aus, wobei ich natürlich eine gewisse Befangenheit nicht ausschließen kann. Es gibt erstaunlich wenige Stellen, an denen ich tatsächlich etJetzt NEU was aus dem Drehbuch vermisse. Auf der anderen Seite entfalten viele Szenen ungeahnte Wirkungen, wie sie nur durch das Zusammenin Würzburg spiel von Bildgestaltung, Musik, Inszenierung, Schnitt und Schauspiel entstehen können. In wenigen Monaten wird – erstmals nach drei Jahren – der fertige Film zu sehen sein. KulturGut 03 | Seite

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Straßenschilder zu Pflugscharen? 17,5 x 64 Zentimeter Erinnerungskultur: Militaristische Straßennamen regen zum Nachdenken an. Oder gleich zum Umtaufen? von Christine Weisner

+ Übernächstes Jahr können Würzburg und Caen ein rundes Jubiläum feiern: 50 Jahre Städtepartnerschaft. Die 1962 begründete „Jumelage“ bildete den Auftakt zu einer Reihe von kommunalen Partnerschaften. Wie in vielen anderen Städten standen dabei die freundschaftlichen Beziehungen zu Frankreich ganz oben auf der Agenda. Nach zwei verheerenden Weltkriegen sollte mit der sogenannten Erbfeindschaft nun ein für alle Mal Schluss sein. Als wenig später der neue Stadtteil Heuchelhof entstand, bot sich die Gelegenheit, den Gedanken der Völkerverständigung auch im Stadtplan zu verewigen. Folglich bildet der Place de Caen das Zentrum des ersten Bauabschnitts. Er ist umringt von Straßen, die allesamt nach europäischen Städten benannt sind.

zug gezwungen. Aus diesem Anlass erhielt das Schlösschen der Freiherrn von Groß zu Trockau, in dem sich das erste Ausflugslokal Würzburgs befand, den Namen Talavera. Ein ganz in der Nähe gelegenes Gut, zu dem ebenfalls eine Restauration gehörte, wurde von seinem Besitzer auf den Namen Moskau getauft. Die Orte von Napoleons Niederlagen hatten offensichtlich einen guten Klang, obwohl das Großherzogtum Würzburg als Verbündeter Frankreichs selbst Truppen für die Feldzüge in Russland und in Spanien stellte. Als 1870 die Festungseigenschaft Würzburgs auch linksmainisch aufgehoben wurde, entstand auf der grünen Wiese vor den Mauern der Stadtteil Zellerau.

Frankreich in der Zellerau

Grombühl den Eisenbahnern, die Sanderau den Privatiers und die Zellerau dem Militär

Wœrth, Wissembourg und Sedan sind französische Orte. Die ersten beiden liegen im nördlichen Elsass, Sedan in den Ardennen. Dennoch haben Wörth-, Weißenburg- und Sedanstraße in der Zellerau mit Völkerverständigung nichts zu tun. Im Gegenteil. Die Straßen wurden nach drei Schlachten im Deutsch-Französischen Krieg von 1870/71 benannt, die jeweils mit einem deutschen Sieg über Frankreich endeten. Der Feldzug hatte mit der Schlacht bei Wörth begonnen. Die Schlacht von Sedan, bei der der französische Kaiser Napoléon III. zusammen mit 100.000 Soldaten gefangen genommen worden war, wurde in Deutschland als kriegsentscheidend bejubelt und bis 1918 in Form des Sedantags gefeiert. Aus Würzburger Sicht besonders interessant war jedoch die Schlacht bei Wörth, in der bayerische Truppen und mit ihnen die Würzburger Garnison eine wichtige Rolle gespielt hatten. Aber auch eine weiter zurückliegende Schlacht hat in der Zellerau navi-taugliche Spuren hinterlassen: 1809 wurde Napoleon Bonaparte bei Talavera de la Reina in Spanien von den Briten zum RückKulturGut 03 | Seite

Nördlich der Friedrichstraße wuchs nun ein regelrechtes Militärviertel empor mit Infanteriekaserne, Korps-Bekleidungsamt, Militärbäckerei und verschiedenen, noch erhaltenen Verwaltungsbauten entlang der Georg-Eydel- bzw. Wörthstraße. Ebenfalls noch erhalten ist das ehemalige Offizierskasino des 9. Infanterieregiments, in dem heute das Fraunhofer-Institut für Silicatforschung residiert. Um 1900 wurde circa die Hälfte der bebauten Fläche der Zellerau militärisch genutzt, ein Areal, das während der NS-Zeit durch den Bau der Hindenburgkaserne noch weiter vergrößert wurde. Neue Straßen brauchen neue Straßennamen. Im Umfeld von Universitätsinstituten bedient man sich gerne bei Forschern und Nobelpreisträgern. In Industriegebieten machen viele Gemeinden wichtigen Ge-

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werbesteuerzahlern eine Freude, indem sie deren Firmennamen auf dem Straßenschild vorm Betriebsgelände prangen lassen. In der Zellerau vergab man, derselben Logik gehorchend, freigiebig militärische Benennungen. So verdankt sich die Eiseneckstraße Johann Jakob Baur von Eiseneck, der im Dreißigjährigen Krieg die würzburgischen Truppen – erfolgreich versteht sich – in die Schlacht führte. Sebastian von Rotenhan war Humanist und fertigte die erste bekannte Landkarte von Franken an. Im Bauernkrieg 1525 befehligte er zusammen mit Friedrich von Brandenburg die Truppen auf der Festung Marienberg. Er verteidigte die Burg erfolgreich und verhinderte so, dass sich Bauern und Bürger von der fürstbischöflichen Herrschaft freimachten und womöglich etwas demokratischer organisierten.

Heute stark gekürzt: Die Wredestraße Die fürstbischöfliche Herrschaft beendete dann Georg August Graf von Ysenburg. Er befehligte die Truppen, die Würzburg 1802 besetzten und zu einer bayerischen Provinzstadt machten. Interessant ist, dass auch nach Carl Philipp Joseph von Wrede eine Straße benannt ist. Immerhin ließ der bayerische Generalfeldmarschall 1813 die Stadt Würzburg, die von abrückenden Franzosen besetzt war, ohne zwingende militärische Notwendigkeit beschießen. Vermutlich bekam er trotzdem „seine“ Straße, weil er später Inhaber – so sagte man damals – des 9. Königlich Bayerischen Infanterie-Regiments in Würzburg wurde. Damit ist die Zellerauer Liste der bellizistischen Straßenbezeichnungen noch keineswegs ausgeschöpft. Auch Fasbender-, Hartmann-, Maillinger-, Moltke- und Scharnhorststraße sind kriegserprobten Militärs gewidmet. Zudem hatten die Nazis vier neue Straßennamen aus den Namen von mehreren besonders mörderischen Schlachtfeldern des Ersten Weltkriegs abgleitet. Nach 1945 war das offensichtlich zuviel der Kriegsverehrung. Die Sträßchen wurden schlicht in 1. bis 4. Siedlungsweg umbenannt. Und noch eine weitere Umbenennung gab es damals: Die Luitpoldbrücke ging aus dem Wiederaufbau als Friedensbrücke hervor.

tenkarten, Briefpapier, neue Werbematerialien für Firmen und vieles mehr. Rettungsdienste müssten zuverlässig informiert, Navigationssysteme und Stadtpläne geändert werden. Darüber hinaus verbinden sich mit Straßennamen für die Bewohner vertraute Gewohnheiten und Identitätsgefühle.

Talavera revisited Keine Frage, dass es, gerade im Zusammenhang mit der NS-Vergangenheit, richtig war, Straßen umzubenennen, und dass das im Licht neuer Erkenntnisse vielleicht auch künftig nötig sein wird. Aber wie sieht es auf der anderen Seite bei weiter zurückliegenden und noch dazu weniger eindeutigen Bezügen aus? Beispielsweise haben inzwischen fast alle die Brücke der Deutschen Einheit in Talaverabrücke umgetauft. Sehr unwahrscheinlich, dass jemand damit Napoleon heute noch eins auswischen will. Nach rund 200 Jahren steht Talavera in der Regel für eine spanische Stadt am Tajo oder einen kostenlosen Großparkplatz. Alles andere wäre im Alltag auch verwunderlich. Aber vielleicht können diese kriegerischen Straßennamen in der Zellerau dazu anregen, sich in einem stillen Moment etwas eingehender mit der Geschichte zu beschäftigen, etwa damit, wie diese unkritische Begeisterung über den schnellen, leichten Sieg im Deutsch-Französischen Krieg in das großes Menschenschlachten des Ersten Weltkriegs mündete. In diesem Fall könnten all die Namen von Schlachtfeldern und Generälen als Mahnung dienen – als Mahnung vor leichtfertig vergebenen Straßennamen und vor allen Dingen als Mahnung vor einem Zeitgeist, der den Krieg allmählich wieder zur denkbaren Alternative macht.

Neue Stempel kaufen! Aber reicht das? Sollte man nicht die Zellerau namenstechnisch weiter abrüsten? Wie würde das vonstatten gehen? Straßennamen sind Sache der Kommune. Sie werden im Ältestenrat beraten und im Hauptausschuss des Stadtrats beschlossen. Es gibt eine Vorschlagsliste, auf der neue Namen gesammelt werden. Diese wird in Würzburg unter Verschluss gehalten, aber man kann getrost davon ausgehen, dass es an Alternativen nicht mangelte. Allerdings liegt, schon allein aus praktischen Gründen, die Latte für eine Straßenumbenennung sehr hoch. Schließlich würde sich damit für alle Anwohner ihre Adresse ändern. Das hieße: neue Ausweise, VisiKulturGut 03 | Seite

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Stadt |

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Kommunikation im Zisterzienserorden

7. Oktober, 19.30 Uhr, Kloster Bronnbach, Bernhardsaal Zwei Tage lang tagen Forscher interdisziplinär über Bau- und Ausstattungsgeschichte des Klosters, dem damit die gleiche Aufmerksamkeit gilt wie der Festung Marienberg. Der Würzburger Historiker Prof. Helmut Flachenecker leitet das Treffen ein. Er untersucht die Anordnung der Zisterzienserniederlassungen in Europa im Hinblick auf ihre Kommunikationsfunktion. | www.kloster-bronnbach.de ++++++++++++++++++++++++

Die Schreie drangen bis in die Stadt 17. Oktober, 11 Uhr, Mainfränkisches Museum

Im Herbst 1631 steht das Schwedenheer Gustav Adolfs vor Würzburg. Die Stadt ergibt sich, aber die Festung verweigert die Kapitulation. Blutige Folge: die Burg wird gestürmt und die Besatzung massakriert. Dem Bericht eines Augenzeugen folgt die eineinhalbstündige Spurensuche mit Helge Zöller. | www.endspiel2010.de ++++++++++++++++++++++++

Öko-Apokalyptik oder nachhaltige Umweltpolitik? 20. Oktober, 19.30 Uhr, Matthias-Ehrenfried-Haus

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konkrete Umsetzungsvorschläge einer nachhaltigen Wachstumspolitik zur Diskussion stellt. | www.me-haus.de ++++++++++++++++++++++++

Bürgerwerkstatt Würzburger Erinnerungskultur 30. Oktober, Stadtbereich Würzburg

Das Kulturreferat möchte die Vermittlung von Stadtgeschichte kritisch reflektieren, auf breiter Basis. Deshalb ist jeder Interessierte zu dieser Projektvorstellung, zu Diskussionsrunden und Stadtexkursionen eingeladen. Programme und Anmeldung im Kulturamt, Telefon 0931 / 372-210. | kulturamt@stadt.wuerzburg.de ++++++++++++++++++++++++

Mit angezogener Handbremse?

20. November, 15 Uhr, Museum im Kulturspeicher Positionen und Potenzial des Würzburger Kulturschaffens der 1950er Jahre untersucht die Ausstellung „Figuration und Abstraktion”. Die Frage, wie weit der Fortschritt in die Moderne im Bereich der Würzburger Architektur tatsächlich ging, stellt Stadtheimatpfleger Hans Steidle im Anschluss an eine Ausstellungsführung beim Stadtrundgang (Anmeldung erforderlich). | www.vhs-wuerzburg.de ++++++++++++++++++++++++

Die Halbierung des Naturverbrauchs schulden wir unseren eigenen Enkeln und die Verdoppelung des Wohlstands den Nationen, die im Elend leben. So Ernst Ulrich von Weizsäcker, der

Wegmarke II

12. Dezember, 10.30 Uhr, Mainfranken Theater Haus für Haus und Straße für Straße wurde die 1945 fast völlig zerstörte Stadt wieder aufgebaut. Als Abschluss gilt das Jahr 1970. Dieser historischen Wegmarke widmet sich das Zeitzeugenprojekt unter Leitung von Alexander Jansen. | www.theaterwuerzburg.de ++++++++++++++++++++++++

Mobile Kinderwelten 12. Dezember, 14.30 Uhr, Mainfränkisches Museum

Letztendlich sind Gameboy und Playmobil nur ein karger Ersatz – Kindheit war früher um einiges mobiler und wurde meist draußen verbracht. Das belegen Fahrräder, Roller, Tretautos und Schlitten aus dem 19. und 20. Jahrhundert. Museumspädagogin Petra Maidt stellt sie angemeldeten Familien mit Kindern ab sechs Jahren vor (Telefon 0931 / 2059439). | www.frankenbund-wuerzburg.de ++++++++++++++++++++++++

Tropen bei Nacht 12. Dezember, 17 Uhr, Botanischer Garten

Nacht im Urwald gefällig? Bekanntlich wird es da um diese Zeit erst richtig munter. Mit Fackel und Cocktail geht es bei der letzten Sonntagsführung 2010 am Dallenberg in die Tropen – Gärtnermeister Friedrich Thiele führt durch seine Gewächshäuser. Anmeldung unter Telefon 0931 / 3186241. | www.bgw.uni-wuerzburg.de ++++++++++++++++++++++++

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Wissenschaft |

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Rundum Energie

5. bis 7. Oktober, Alter Hafen 5. bis 7. Oktober, Alter Hafen 105 Meter misst die MS Wissenschaft. Das umgebaute Binnenfrachtschiff transportiert die Ausstellung „Planet Energie“ und demonstriert an rund 40 Exponaten Probleme und Lösungen der Energieversorgung. Im Kulturspeicher stellen sich Energie-Firmen und -Institutionen vor. Am 5. Oktober auch Führungen im Heizkraftwerk. | www.ms-wissenschaft.de; www.wuerzburg.de/wirtschaft-wissenschaft ++++++++++++++++++++++++

Kreativität Struktur und Emotion 7. bis 10. Oktober, Hochschule für Musik

Weil es in Deutschland in den letzten Jahrzehnten wenig Berührungspunkte zwischen Musiktheorie und -psychologie gegeben hat, tagen die organisierten Fachvertreter jetzt einfach gemeinsam: Die 26. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Musikpsychologie (DGM) findet zeitgleich mit dem 10. Jahreskongress der Gesellschaft für Musiktheorie (GMTh) statt. Das Thema fokussiert den Schaffensprozess als Regelkreis, in dem sich musikalische Ästhetik, Theorie und Rezeption bewegen. | www.music-psychology.de; www.gmth.de ++++++++++++++++++++++++

MenschMikrobe

ab 5. November, Rudolf-VirchowZentrum, Uni-Klinik Grombühl Die meisten Mikroben sind für den Menschen harmlos, viele nützlich und einige machen krank. Und dann kann es gefährlich werden. Die Le-

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bens- und Arbeitsweise eines Krankheitserregers dokumentierte Robert Koch 1876 als erster lückenlos. Anlässlich seines 100. Todestags zieht die Ausstellung Bilanz: Viele der zu Kochs Zeiten gefundenen Antworten sind heute noch gültig. Die Wanderausstellung richtet sich auf erstaunlich hohem Niveau an ein breites Laienpublikum. | www.menschmikrobe.de

ihrer unterschiedlichen fachlichen Kompetenz, aber auch ganz persönlich als Menschen. | www.domschule-wuerzburg.de

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Am Vorläufer der heutigen Musikhochschule war von 1920 bis 1945 Hermann Zilcher Direktor. Im April 2010 wurden Dokumente und Zeitzeugen gesucht, die zu führenden Persönlichkeiten, zur Organisation und zum Studienalltag in der NS-Zeit Auskunft geben konnten. Die Ergebnisse stellen Studierende an diesem Abend in der Bibrastraße vor. | www.hfm-wuerzburg.de

Bundesfachschaftentagungen, kurz BuFaTas, sind die offiziellen Vertretungen der Studierenden eines oder mehrerer Fachgebiete an Fachhochschulen und Universitäten. Bedeutung gewonnen haben sie seit der Einführung des Bologna-Prozesses – sie gelten als demokratisch legitimiert und werden beim Akkreditierungsverfahren als entsendende Organisationen anerkannt. Im November treffen sich auf Einladung der hiesigen Fachschaftsinitiative Pädagogik Fachschaftsräte, -vertretungen und -initiativen der Pädagogik, der Sozialpädagogik und Sozialen Arbeit sowie der Sonder- und Heilpädagogik aus dem gesamten Bundesgebiet in Würzburg. | www.paedini.de

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Im Fokus: der Mensch

Unordentliche Collectanea

Ein neues Forum für den Dialog von und mit Wissenschaftlern der drei Würzburger Hochschulen bieten Domschule und katholische Akademikerseelsorge an. Trocken wird es dabei sicher nicht zugehen: Bei Rotwein und mit Jazzbegleitung unterhalten sich in der Auftaktveranstaltung die Professoren Michael Schmidt (Medizin), Walter Müller (Schulpädagogik) und Ulrich Konrad (Musikwissenschaft) untereinander und mit dem Publikum über zentrale Fragen des Menschseins heute – vor dem Hintergrund

1766 erschien Lessings Schrift über die Grenzen von Malerei und Poesie, in der er die Verschiedenheit der Darstellung eines Stoffes in der bildenden Kunst und in der Dichtkunst untersuchte. Der fragmentarische Charakter seiner Laokoon-Schrift war ihm bewusst – „Es sind also mehr unordentliche Collectanea zu einem Buche, als ein Buch“, meinte er in der Vorrede. Germanisten, Philosophen und Altertumskundler beschäftigt er damit bis heute – im November im Rahmen einer interdisziplinären Tagung.

Das Staatskonservatorium der Musik 1933-1945 3. November, 18.15 Uhr, Hochschule für Musik

16. November, 20 Uhr, Rotweinkeller der Residenz

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BuFaTa Pädagogik 25. bis 28. November, Universität Würzburg

11. bis 13. November, Kloster Bronnbach


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Interkultur |

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Der Weg zur Einheit 1. bis 15. Oktober, VHS

20 Jahre ist es mittlerweile her, dass mit dem Beitritt der DDR zum Geltungsbereich des Grundgesetzes die deutsche Zweistaatlichkeit endete. Die Stationen des Weges zur Einheit markiert die Ausstellung in der Flurgalerie. Sie zeigt aber auch, welche soziokulturellen Gräben die politische Einigung offen ließ. | www.vhs-wuerzburg.info ++++++++++++++++++++++++

Die Geschichte vom Prinzen Genji

ab 9. Oktober, Siebold-Museum Vor rund 1000 Jahren schrieb die Hofdame Murasaki Shikibu die Geschichte vom Prinzen Genji. Das Werk gilt, wenn auch nicht unumstritten, als ältester Roman der Weltliteratur und wurde anlässlich des Millenniums 2008 in Japan gebührend gewürdigt. Unter anderem mit einer Ausstellung von 54 in Oshi-e-Technik gefertigten Seidenreliefbildern aus der Werkstatt von Yoko Nakamura. Diese sind nun in Würzburg zu sehen – würdiger Hintergrund für das 25-jährige Jubiläum, das die Siebold-Gesellschaft am 14. Oktober im Museum und am 16. Oktober im Rathaus feiert. | www.uploader.wuerzburg.de/siebold-museum ++++++++++++++++++++++++

Blickrichtungen

10. Oktober, 11 Uhr, Atelier KoppART Der Förderung und Pflege interkultureller Kunst und Kultur widmet sich der 2005 gegründete Verein Brückenbogen. Zugewanderte und einheimische Autoren blicken bei der Sonntagsmatinee mit Bildern und Worten vor und zurück. Die vom Verein

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zusammengestellte Ausstellung „Brücken“ ist noch bis 9. Oktober im oberen Rathausfoyer zu sehen. | www.brueckenbogen.de

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7. November, 20.30 Uhr, Posthalle

Los Dos Y Compañeros mit Luis Frank Arias

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Salsa mit oberpfälzischem Dialekt? Ja wunderbar. Gegründet wurde die mittlerweile zwölfköpfige Truppe 1996 – zwei Musiker aus Amberg beschlossen, es den Zündfunk-Oberbayern zu zeigen. Die Texte also oberpfälzisch, die Musik kubanisch und die Künstlernamen wie bei der Guerilla. Aber die Vereinigung von Hüftschwung und Hefeweizen funktioniert. Los Dos Y Compañeros interpretieren mit Selbstironie und musikalischer Fingerfertigkeit und überzeugen auch bei den eigenen Titeln („Ziax dai Quando!“ oder so ähnlich ließe sich die Zeile „Ziah dein Gwand o“ verschriftlichen). Luis Frank Arias, Musiker der zweiten Generation des Buena Vista Social Club und Komponist oder Original-Interpret vieler Los-Dos-Stücke, wurde sogar persönlich überzeugt. Ihn konnten sie für ihre Herbsttournee 2010 gewinnen. | www.losdos-online.de; www.posthalle.de

Tag der Religionen

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Kultur in Bewegung 14. Oktober, 20 Uhr, Theater am Neunerplatz

Tango, Pampa und Rotwein? Richtig. Und eine der lebendigsten Kulturszenen Südamerikas. Mit dem Slogan „cultura en movimiento“ präsentiert sich Argentinien zum 200. Jahrestag seiner Unabhängigkeitserklärung als Gastland der Buchmesse 2010. Grund genug, das Land nicht nur literarisch vorzustellen. Auf dem Lesezettel stehen Klassiker wie Jose Hernándéz und Jorge Luis Borges, aber auch zeitgenössische Autoren. Umrahmt wird der Abend mit Tango (Pedro Mazzarini u.a.), Pampa (Dr. Joachim Raftopoulo), Rotwein und Snacks. | www.neunerplatz.de

27. Oktober, 17 Uhr, Rathaus Die Stadt Würzburg ist in diesem Jahr Gastgeberin für den bundesweiten Tag der Religionen, den der Runde Tisch der Religionen als Vertretungsgremium der verschiedenen Religionsgemeinschaften und Kirchen alljährlich veranstaltet. Rund um den Festakt im Rathaus mit Referat und Podiumsdiskussion hat der Interreligiöse Gesprächskreis Würzburg ein vielfältiges Programm organisiert. Vom 3. Oktober bis zum 20. Dezember reichen die Veranstaltungen, zu denen Würzburger Religionsgemeinschaften, Kultureinrichtungen, Bildungsstätten und persönliche Initiativen einladen. | www.dagmar-fuegmann.de KulturGut 03 | Seite

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Vertrauen lernen

9. November, 19.30 Uhr, Matthias-Ehrenfried-Haus Nach Santiago gehen mittlerweile viele. Sie aber machten sich auf die ganz große Pilgerreise: Im Herbst 2009 brachen Wolfgang und Brigitte Zecher in Würzburg auf, durchquerten Österreich, Ungarn, Rumänien, Bulgarien, Türkei, Syrien und Jordanien und erreichten im Frühjahr 2010 Jerusalem. Über ihre Erlebnisse und Erfahrungen auf der gut 5000 Kilometer langen Fußreise berichten die beiden katholischen Theologen in einem Bildvortrag. | www.me-haus.de


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Herausgeber und V.i.S.d.P.: MorgenWelt Würzburg GmbH Gerberstraße 7, 97070 Würzburg Telefon 09 31 32 999 0 und Kulturreferat der Stadt Würzburg Rückermainstraße 2 97070 Würzburg Redaktionsadresse MorgenWelt Würzburg GmbH: KulturGut Gerberstraße 7, 97070 Würzburg Telefon (09 31) 32 999 0 Internet: www.kulturgut-wuerzburg.de Chefredaktion: Iris Wrede C. v. D.: Joachim Fildhaut

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Redaktionelle Mitarbeit: Thomas Williams, Johannes Engels, Christine Weisner, Dr. Bettina Keß, Daniel Staffen-Quandt, Manfred Kunz, Susanne Hoffmann, Dr. Matthias Wagner, Nina Dees, Marcus Thume

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Sonstiges: Alle Veranstaltungsangaben ohne Gewähr. Veranstalter, die Fotos an den Verlag senden, haben eventuelle Honorarkosten zu tragen. Urheberrechte für Anzeigenentwürfe, Vorlagen, redaktionelle Beiträge sowie für die gesamte Gestaltung bleiben beim Herausgeber. Der Nachdruck von Fotos, Zeichnungen, Artikeln und Anzeigen, auch auszugsweise, bedarf der ausdrücklichen Zustimmung des Herausgebers. Für unaufgefordert eingesandte Manuskripte/Leserbriefe und Fotos kann keine Haftung übernommen werden. Bearbeitung und Abdruck behalten sich Verlag und Redaktion vor. Namentlich gekennzeichnete Beiträge geben nicht unbedingt die Meinung des Verlags und der Redaktion wieder. Dank: Wir danken ausdrücklich den Unterstützern und beteiligten Kulturinstitutionen und Kulturschaffenden, ohne die die Herausgabe dieses Mediums nicht möglich wäre.

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„EUROPAS MEISTBEWUNDERTER CIRCUS.“ Herald Hera He rald ra ld Tribune TTri ribu ri bune bu ne Washington W Was ashi as hing hi ngto ng tonn to

„ZIRKUS ZUM STAUNEN.“ Frankfurter Allgemeine Zeitung

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„LACHENDE HERZEN.“ Thee Ne Th New w Yo York rk TTim Times imes es

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