KulturGut Würzburg N°6

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KulturGut

Ausgabe

06 Juli 2011

Magazin f端r die Kulturregion W端rzburg

Stadt. Entwicklung. Kultur. Frankenhalle & Theatersanierung | Gibt es eine Szene? Songwriter & Comiczeichner | Ganz Privat. August Macke

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1. W端rzburger Tanzfestival

W端rzburg tanzt! Mit freundlicher Unterst端tzung von

18. bis 23. Juli 2011 www.grafikatelier.de

www.tanztisch-wuerzburg.de


KulturGut | Editorial | Inhalt | Titelthema | Musik | Bühne | Literatur | Kunst | Film | Stadt | Wissenschaft | Interkultur | Service

Editorial

Ein geheimer Schatz wird gehoben: Wie werden wir ihn nutzen? Als wir im Juni diesen Jahres die alte Viehauktionshalle mit unserem Fotografen betraten, eröffnete sich uns das Gebäude als in einem Dornröschenschlaf liegender Raum großer Möglichkeiten. Zwischen Schutt und Schmutz ließ sich der Charme des in die Jahre gekommenen Bauwerks mit etwas Phantasie durchaus spüren.

Was sagen die Stadträte zu dem geplanten Umbau? Und: Was haben andere in vergleichbaren Situationen gemacht - ging deren Konzept auf? Bildlich ergänzt wird die Artikelstrecke durch Fotomontagen des Architektenbüros Brückner & Brückner, in denen die mögliche Nutzung illustriert wird.

Mit einem schlüssigen Konzept bietet die denkmalgeschützte Frankenhalle die Chance auf einen neuen, außergewöhnlichen Veranstaltungsort und noch viel mehr: Die Auswirkungen können weit über eine „weitere Spielstätte“ hinausgehen. Sie können das Image der Stadt als Kulturstandort nachhaltig prägen - wenn das Konzept stimmt und konsequent durchdacht ist.

Wenn Sie weiterhin in den Diskurs mit uns eintreten möchten, laden wir Sie hiermit wie immer auf unsere Website www.kulturgut-wuerzburg.de ein.

In unserer aktuellen Ausgabe stellen wir Fragen: Was bedeutet die Theatersanierung? Mit welchem Konzept kann man die Frankenhalle langfristig nutzen? Wie wirkt sich das finanziell aus?

Wir sind dankbar für Ihre Anregungen und für einen geistreichen Dialog: Bleiben Sie uns weiterhin gewogen! Iris Wrede Chefredakteurin

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Editorial

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Inhalt

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Titelthema | Stadtentwicklung durch Kultur Zur Sanierung von Theater und Frankenhalle Thema | Hermann Schneider: Das Haus braucht Weite

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Thema | Der Stadtrat denkt mit

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Thema | Industriekultur authentisch: Besuch im Architektenbüro Brückner

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Thema | Das Bockenheimer Depot: Zeigen, was in einer alten Halle geht

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Musik | Sommerlicher Klangspeicher: der Hafensommer im fünften Jahr

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Musik | Songwriter: Dennis Schütze

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Musik | Weikersheim spielt freudigen Mozart

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Musik | Termine

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Tanz | Das Tanzfestival zeigt Bewegungskunst

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Theater | Termine

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Kunst | Von Schlafzimmerwänden: August Macke im Kulturspeicher

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Kunst | „Raum“: Andrea C. Hoffer auf der Arte Noah

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Kunst | Niki de Saint Phalle: farbige Spiele

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Kunst | Termine

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Literatur | Graphic Novel: Die Bücher mit den bunten Bildern

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Literatur | Termine

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Film | Termine

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Film | Bildschirmrequisiten für Matula

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Stadt | Termine

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Stadtbild | Argumente aus der Kommission

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Wissenschaft | Neuer Museologiestudiengang

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Wissenschaft | Termine

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Interkultur | Termine

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Interkultur | Neugier auf Neuguinea

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Zum Schluss | Impressum KulturGut 06 | Seite

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Nutzung der Frankenhalle als Orchestersaal: Fotomontage des Architektenbüros Brückner & Brückner.

Stadtentwicklung durch Kultur Zur Sanierung von Theater und Frankenhalle von Muchtar Al Ghusain

+ Würzburgs Stadtrat hat in seiner Sitzung im Mai 2011 die Sanierung von Mainfranken Theater und Frankenhalle auf den Weg gebracht und dieser Maßnahme dabei hohe Priorität eingeräumt. Mancher mag fragen: „Brauchen wir überhaupt ein Theater? Lohnt sich hier denn noch ein Besuch? Theater ist doch nur was für wenige…“ Aber: Es sind vor allem anderen die Theater und Orchester, die Deutschland zum Kulturstaat machen. Über 25 Mio. Besucher (Theaterstatistik 2008/2009 des Deutschen Bühnenvereins) jährlich sprechen für ein höchst lebendiges Kulturleben. Und: Theater ist mehr als eine Unterhaltungsmaschine, Theater darf herausfordern, hinterfragen, kritisieren, es soll aber auch ermutigen, begeistern und – es erfüllt nicht zuletzt einen Bildungsauftrag.

Wer in Kulturbauten investiert, hat Erwartungen: Lebensqualität und Attraktivität einer Stadt mögen steigen, die Stadt möge sich im Wettbewerb um bestqualifizierte Mitarbeiter behaupten, der Kanon unserer kulturellen Meisterwerke möge erhalten und gepflegt werden, Lebensfreude und Unterhaltung mögen den Menschen neue Kraft geben, Kultur möge als Forschungslabor der Gesellschaft Antworten geben auf drängende Fragen usw. Ohne solche Erwartungen gibt es keine Begründungen für Investitionen im Kulturbereich. Der Stadtrat hat mit seiner Priorisierung ein klares Zeichen gesetzt. Es ist nun Aufgabe von uns allen, diesen Auftrag mit Ernsthaftigkeit und großem Engagement umzusetzen. Ziel ist, zum Herbst 2013 in die sanierte Frankenhal-

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le zu ziehen und zum Herbst 2015 das sanierte Mainfranken Theater neu zu eröffnen. Wie ist der Befund? Das Gebäude des Würzburger Stadttheaters, das Mainfranken Theater, wird in diesem Jahr 45 Jahre alt. Teile der Fassade und der Bühnentechnik wurden im Laufe der Jahre zwar erneuert, wesentliche Teile sind mittlerweile aber von Grund auf sanierungsbedürftig. Will man nicht Gefahr laufen, dass das Theater eines Tages von heute auf morgen wegen akuter Sicherheitsmängel geschlossen wird (wie jüngst erst in Heidelberg und Rostock geschehen), dann muss man sanieren. Und zwar bald. Nun gibt es Stimmen, die zunächst einen Abriss und dann eine Verlegung an den Standort Mozartareal fordern. Dieser Vorschlag ist mutig, denn ein Neubau würde heute vermutlich nicht unter 50 Mio. Euro zu haben sein, eine gewaltige Summe für eine Stadt unserer Größenordnung. Eine Sanierung scheint da die weitaus realistischere Option zu sein. Erste Kostenschätzungen kommen auf ca. 18 Mio. Euro. Die Sanierung von Dach und Fassaden, dazu die erforderliche energetische Sanierung, die Umsetzung eines modernen Brandschutzes, die Sanierung der Haustechnik, die allgemeine Instandsetzung im Inneren sowie die komplette Erneuerung des Eingangsbereiches führen zu den veranschlagten Kosten. Bei den Vorüberlegungen zur Sanierung wurde auch deutlich, dass dem Theater ein Saal mittlerer Größe (bis ca. 300 Besucher) und ausreichend Probenräume fehlen. Höchste Zeit, im Zuge der Sanierung auch hier endlich Verbesserungen zu erreichen.

Wie saniert man ein Theater? Einfach den Betrieb einstellen und nach Sanierung wieder von vorn anfangen? Das scheidet wohl aus. Saniert man eine Schule, käme wohl auch niemand auf die Idee, den Unterricht für die Zeit der Sanierung einfach einzustellen. Damit ergeben sich zunächst zwei Möglichkeiten: Sanieren und nebenbei im Haus weiterspielen oder den Theaterbetrieb während der Sanierung an einen anderen Ort verlegen. Pragmatische Unternehmer und Ingenieure fragen: „Wo ist das Problem? Ich habe meine Firma auch im laufenden Betrieb umgebaut, das kann ein Theater doch auch schaffen.“ Hierzu folgendes: Für den Betrieb eines Veranstaltungsraumes wie dem Theater gelten zahlreiche Vorschriften: Brandschutz, Fluchtwege müssen gewährleistet sein; die Sicherheit der Mitarbeiter und Besucher, die Wasser- und Stromversorgung muss jederzeit gewährleistet sein. Das Theater ist auf die Hauptbühne ausgerichtet – ohne den großen Saal ist kein Theaterbetrieb möglich. Eine Sanierung wird aber erheblich in den großen Saal eingreifen müssen – Holzverkleidung, Beleuchtung, Bestuhlung und Bühnentechnik sowie Statik müssen erneuert werden. Das gesamte Foyer wird neu gebaut, d.h. alle Besuchereinrichtungen von Kasse über Garderobe, Toiletten und Pausengastronomie fallen über längere Zeiträume weg. Ein anderer Einwand lautet: Warum zwei Jahre schließen? Das muss doch auch in einem Jahr möglich sein, oder über mehrere Jahre verteilt auf die Sommerferien! Aber: Bei der Sanierung von Altbestand muss man behutsam vorgehen und auch auf Unvorhergesehenes eingestellt sein. Zu große Eile schafft neue Risiken für Sicherheit, Qualität und Kosten. Da das Theater, um planen zu können, langfristig verlässliche Zeitpläne einhalten muss, wäre es fahrlässig, hier mit zu ehrgeizigen Bauzeiten zu kalkulieren, weil das für den Fall, dass diese nicht eingehalten werden können, nicht zuletzt die Proben und Aufführungen ernsthaft gefährden würde. Bleibt also die Möglichkeit, den Spielbetrieb für die Dauer der Bauzeit an anderer Stelle unterzubringen. Entweder gibt es eine geeignete

Halle in günstiger Lage oder man schafft eigens eine Übergangsspielstätte. Bei dieser Entscheidung darf die Zumutbarkeit für die Besucher nicht außer Acht gelassen werden. Wer zu viele Nachteile in Kauf nehmen muss, wird vielleicht gar nicht mehr kommen. (So ist es erst kürzlich dem Theater in Mönchengladbach ergangen, dessen Übergangsspielstätte sich weit außerhalb des Stadtzentrums befand und das dadurch zahlreiche Besucher verloren hat.) Andere Städte nutzen die Möglichkeit eines Zirkuszeltes (Heidelberg, Kassel, Erfurt). Nachteil: Hohe Kosten (ca. 4 Mio. Euro) für eine Lösung, von der hinterher nichts mehr bleibt, sowie keine staatliche Förderung dafür. Für Würzburg erbrachte die Prüfung verschiedener Alternativen jeweils ein negatives Ergebnis. Weder das Bürgerbräuareal, die Faulenbergkaserne, die Konversionsflächen am Hubland noch vorhandene Kirchenräume konnten die Anforderungen erfüllen.

Eine Viehauktionshalle: Geniale Chance oder kostspielige Verführung? Vor diesem Hintergrund ergab sich für Würzburg die Möglichkeit, mit einer Maßnahme mehrere Probleme zu lösen: Mit der denkmalgeschützten Frankenhalle als Übergangsspielstätte erhält ein derzeit leer stehendes Gebäude eine neue Nutzung, die nicht nur vorübergehend ist – nach der Sanierung des Theaters steht dann ein neuer Veranstaltungsort in interessanter Lage dauerhaft zur Verfügung. Und das Theater kann die Frankenhalle auch auf lange Sicht maßgeblich nutzen und damit sein Raumproblem lösen. Für eine staatliche Förderfähigkeit ist es Bedingung, dass die Frankenhalle zu einem Theater- und Konzertsaalbau wird (gemäß der Richtlinien des Finanzausgleichsgesetzes). Nach kritischer Überprüfung der Kostenschätzungen für die Sanierung der Frankenhalle wurde mittlerweile durch den Stadtrat ein Kostendeckel von 10 Mio. Euro definiert. Kann diese Maßnahme, wie derzeit angenommen, mit ca. 3,8 Mio. Euro aus staatlichen Mitteln gefördert werden, beträgt der Mehraufwand gegenüber einer Zeltlösung für die Stadt nur noch ca. 2,2 Mio. Euro und wird somit zu einer sinnvollen und vertretbaren Investition, die die städtische Infrastruktur im Kulturbereich deutlich verbessert. Das Mainfranken Theater wird damit zum Bauherrn der Sanierung der Frankenhalle. Die sanierte Viehauktionshalle kann dann künftig für besondere Produktionen (Musical, Tanztheater, großes Schauspiel und Sinfoniekonzerte) genutzt werden, sie kann das Haupthaus entlasten und zugleich die angespannte Probenraumsituation wesentlich verbessern. Die Frankenhalle soll darüber hinaus aber auch anderen Veranstaltern (aus den Bereichen der Privatwirtschaft, der Kultur und der Bürgerschaft) zur Verfügung stehen, womit eine gute Auslastung und eine Senkung der Betriebskosten erreicht werden kann. Der Betrieb aus einer Hand reduziert gleichzeitig den Verwaltungsaufwand. Es benötigt keine eigenständige Organisation mit eigenem Personal, sondern die Mitarbeiter des Mainfranken Theaters werden je nach Bedarf eingesetzt. Natürlich geht das nicht mit dem bisherigen Personalstand, der ja erst vor einigen Jahren ganz erheblich reduziert wurde. Es müssen ca. 12 neue Stellen geschaffen werden, die dann aber beiden Häusern zur Verfügung stehen. Vom Mainfranken Theater können in der Frankenhalle pro Spielzeit zusätzlich ca. 40 Vorstellungen angeboten werden. Eine mittlere Auslastung von 60% vorausgesetzt, sollen so ca. 15.000 Besucher gewonnen werden, die zusätzliche Einnahmen von etwa 300.000 Euro ergeben. Durch weitere Einnahmen aus Vermietungen und ersparte Ausgaben für Anmietungen (z.B. Musik-

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hochschule) verbleibt nach Abzug der Kosten (ca. 700.000 Euro) ein zusätzlicher Aufwand für den städtischen Haushalt von geschätzt ca. 270.000 Euro. Dies erscheint manchem zu viel. Zugegeben, in Zeiten knapper Kassen (wann waren sie das nicht?) ist jede Ausgabe sorgfältig zu prüfen. Bei einem Theateretat von jährlich rund 15 Mio. Euro und einem städtischen Zuschuss von ca. 7 Mio. Euro erscheint der Aufwand aber vertretbar. Bleibt die Frage: Welcher Mehrwert ergibt sich für die Arbeitsbedingungen am Theater und für die Bürgerinnen und Bürger unserer Stadt? Das Theater erhält die bislang schmerzlich vermisste zweite Spielstätte und kann mit diesem besonderen Spielort auch neue Zielgruppen erreichen. Ein ähnliches Modell hat schon in vielen Städten zu einer Öffnung des Theaters in die Stadt hinein geführt (z.B. Bockenheimer Depot in Frankfurt, Velodrom in Regensburg). In Würzburg würde die neue Frankenhalle zudem die Entwicklung des gesamten Quartiers am Alten Hafen erheblich vorantreiben und zu einer weiteren Aufwertung beitragen. Denn die Stadtentwicklung ist dort mit Cinemaxx, ibis-Hotel, Kulturspeicher und Technischem Rathaus (ehemaliges Hauptzollamt) noch längst nicht abgeschlossen. Mit der ebenfalls geplanten Bebauung des Lindner-Grundstücks und der Frankenhalle würde auch die andere Seite der Veitshöchheimer Straße belebt und der trennende Charakter der Ausfallstraße gemildert. Die Frankenhalle ist dringend sanierungsbedürftig. Geschieht nicht bald etwas, ist sie nicht mehr zu halten. Worin liegt ihre besondere Qualität? Von außen ist sie unscheinbar, eher gesichtslos und sieht nicht unbedingt erhaltenswert aus. Ihre besondere Qualität zeigt die Frankenhalle erst, wenn man innen steht und das mächtige Holzge-

bälk und das arenaförmig angeordnete Holzgestühl erblickt. In dieser Form ist die Frankenhalle Zeugnis einer Viehauktionshalle aus den 1920er Jahren des letzten Jahrhunderts und ziemlich einmalig in Deutschland.

Stadtentwicklung braucht Mut Das galt für unsere Vorfahren, die aus Würzburg einst eine prächtige und heute wieder weltweit berühmte Stadt gemacht haben. Aber auch unsere Generation darf sich nicht mit dem Erhalt des Bestehenden zufrieden geben. Die Entscheidung aus den 1990er Jahren zur Entwicklung des Quartiers am Alten Hafen war mutig und wegweisend. Es ist unsere Aufgabe, diese Entwicklung nicht zu aufzugeben, bevor sie abgeschlossen ist, sondern vielmehr dieses Quartier noch stärker an die Innenstadt anzubinden. Die Entwicklung eines Skulpturenufers entlang des Mains, die dazu gehörige Fußwegverbindung sowie die Belebung der Hafentreppe im Sommer sind Bausteine zur Ergänzung dieser Entwicklungsmaßnahme. Halten wir also an dem Ziel fest und planen, besonnen und durchaus mit Bodenhaftung, aber doch geradlinig, die künftige Gestaltung unserer Stadt an diesem Ort!

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INFO: Zu unseren Illustrationen: Die Fotomontagen der Frankenhallen-Interieurs stellte das Architekturbüro Brückner & Brückner zur Verfügung. Beleuchtergalerie, Schnürboden etc. im Mainfranken Theater fotografierte Falk von Traubenberg.

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Die Frankenhalle als Opernhaus: Fotomontage des Architektenteams unter Projektleitung von Stephanie Sauer.

Das Haus braucht Weite Der Intendant des Mainfranken Theaters, Prof. Hermann Schneider, über Zweck und Mittel der geplanten Bühnenhaussanierung Interview: Joachim Fildhaut

+ Mit Büchertisch, Prospektauslagestellen im Foyer etc. öffnet sich das Mainfranken Theater ganz langsam auch auf einer innenarchitektonischen Möblierungs-Ebene. Doch hinter der Öffnung durch Kooperationen – Uni, Kirche, Privattheater, Tanzszene – hinkt diese Entwicklung noch stark hinterher. Wie lässt sich das Haus architektonisch aufbrechen, damit seine Wirklichkeit und das gebaute Image endlich wieder richtig zusammenpassen? Das fängt mit den schweren, tresorähnlichen Eingangstüren an, setzt sich an den Kassenräumen fort, geht über das Pflaster im unteren Foyer et cetera: Licht braucht das Haus! Öffnung, Transparenz, Weite – also Glastüren, ein Großraumbüro mit Flatscreen, auf dem Clips unserer Produktionen laufen, mit Espressobar, hell ausgeleuchtete Flächen wie in einer Galerie für Produktionsfotos und dergleichen.

Eigentlich ist das ein Fall für die Coop Himmelb(l)au. Was lässt sich mit kleinen Schritten erreichen? Kein schlechter Vorschlag, in die Gestaltung der Foyers einen bildenden Künstler oder eben eine Gruppe wie Coop Himmelb(l)au einzubinden... Materialien und Farben können hier durchaus Wunder bewirken und auch eine pfiffige Beleuchtung, die Räume in Räumen schafft als sinnliches oder festliches Erlebnis, mit immer wechselnden Farben je nach Veranstaltungscharakter. Wenn das Große Haus voll besetzt ist, ist das untere Foyer in den Pausen zu klein, das obere eher leer. Ließe sich der Raum mit einem zweiten Getränkeausschank nicht schon viel besser ausnutzen? Bestimmt. Unser neuer Caterer hat seit dieser Spielzeit in den Pausen in der Tat durch das Öffnen von zwei Bewirtungstheken und das Auf-

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stellen der Sekt-Stehtische an prominenter Stelle im Oberen Foyer zu einer Verteilung der Pausengäste gesorgt. Viel sinnvoller wäre aber ohnehin eine ansprechende Gastronomie, die permanent bewirtschaftet wird. So würde man das Haus tagsüber beleben, nach Vorstellungen eine längere Verweildauer haben für Gespräche, Dialoge zwischen Publikum und Künstlern und auch gezielt neue Veranstaltungsformen entwickeln oder alte wie etwa unsere Matinéen aufwerten. Das Mainfranken Theater benutzt die Hauptbühne als Probebühne. Hat Ihnen deswegen schon mal jemand Verschwendung vorgeworfen? Zunächst: Jedes Theater probt auf der Hauptbühne. Nur dort kann man unter Originalbedingungen optisch und akustisch einen Probenprozess optimieren. Dennoch proben wir vielleicht sogar unverhältnismäßig öfter dort, weil uns eine entsprechende Probebühne fehlt, also in Originalgröße und einer angemessenen Raumhöhe. Hätten wir diese, könnten wir die Bühne auch mehr für den Spielbetrieb nutzen; das hat der Oberste Rechnungshof in seinem Bericht moniert. Schauspieler beklagen sich, weil sie von der heutigen Probebühne bei schlechtem Wetter schräg über die Straße ins Haupthaus laufen müssen. Ist die Frankenhalle als Probebühne nicht viel zu weit weg? Noch ärger trifft es das Ballett, das in der Oeggstraße noch nicht einmal nach stundenlangem Training und Proben duschen kann und im Winter hin und her muss. – Die Frankenhalle soll ja nicht unsere Probebühne ersetzen, sondern übergangsweise das ganze Haus. So dass dann dort vor Ort Proben- und Spielbetrieb funktionieren sollen; übrigens auch nach der erfolgten Sanierung. Insofern entstünde dieses Problem nicht. Lässt sich die Probesituation entschärfen ohne Frankenhalle? KulturGut 06 | Seite

Durch den Bau einer großen Probebühne bzw. auch eines entsprechenden Orchesterproberaums, der qua Größe und seiner klimatischen Bedingungen mehr als unzureichend ist. Dies aber bedeutete ein entsprechend höheres Investitionsvolumen beim Haus selbst. Die Frankenhalle könnte das post festum zu einem Großteil schon leisten. Damit man sich mal eine Vorstellung der Baumasse macht: Wie viele Quadratmeter entfallen auf Publikumssäle und Bühnen, also das, was der Zuschauer als Ort des eigentlichen Theaterbetriebs wahrnimmt? Unsere große Bühne hat ca. 300 Quadratmeter sichtbare Spielfläche; die Kammerspiele lächerliche 45. Zuschauerräume und Foyers liegen ungefähr bei der dreifachen Menge: also rund 1000 Quadratmeter. Wieviel auf Werkstätten? Verwaltung? Sonstiges? Mit unserem Funktionsgebäude in der Oeggstraße und allen Büros, Werkstätten et cetera kommt man sicher auf rund 3000 Quadratmeter. Wie viel Prozent der Sanierungssumme wird für Substanzerhalt eingeplant, wie viel für neue Funktionen oder geänderte Strukturen? Hierzu kann ich beim besten Willen keine verbindlichen Zahlen nennen, da die bisherigen Untersuchungen einen Studiencharakter haben, von der so genannten Planungstiefe her keine belastbaren Zahlen liefern, die man seriöserweise nennen kann. Wenn die Sanierungskosten auch erst noch präzise errechnet werden: im Frühjahr ging man von acht Millionen Euro kommunalem Anteil an einer Generalsanierung aus, wohingegen allein im Jahr 2006 7,8 Millionen für Mängelbehebung anfielen. Waren solche Summen auch in anderen Jahren nötig? Vielleicht nicht ganz in dieser Größenordnung: aber tendenziell siebenstellig ist immer wieder investiert worden: bei unserem Theater

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handelt es sich um ein gut 45 Jahre altes Gebäude, das jährlich von über 130.000 Menschen frequentiert wird und rund 350 Veranstaltungen anbietet. Da ist ein permanenter Verschleiß, Materialermüdung selbstverständlich. Bestimmte Schwerpunkte in der Klimatechnik oder in der Veranstaltungstechnik – auch wir sind im digitalen Zeitalter angekommen – können dann solche Summen kosten. Das Beispiel 2006 wirkt so, als könne die Sanierung aus dem laufenden Haushalt bezahlt werden, ja, als würde das Mainfranken Theater vom Augenblick der Generalsanierung an bedeutende Summen für jährliche Mängelbehebung einsparen. Warum wird da noch lange diskutiert? Nein, so ist es nicht ganz. Es handelt sich um entsprechend eingeplante Maßnahmen sowie fix budgetierte Instandhaltungskosten, die man zum Erhalt und zur Bewirtschaftung eines derartigen Gebäudes als laufende Betriebskosten braucht. Eine Sanierung wird da sicher mittelfristig den Investitionsbedarf mildern, aber nur relativ. Auch der Besitzer eines neuen Eigenheims hat ja entsprechende Kosten. Was sind die drei größten Haushaltsposten bei der Generalsanierung? Unabhängig von der oben genannten Unverbindlichkeit der Studie – Stichwort Planungstiefe – liegen die Posten „Instandsetzung“, „Eingangsbereich“ und „Haustechniksanierung“ am höchsten. Dicht gefolgt vom gesetzmäßig geforderten Brandschutz. Lohnt sich eine edle Naturstein-Fassadenverkleidung, wenn in der engen Ludwigstraße sowieso niemand hinguckt? Was heißt schon „lohnen“? Zum einen war es der Stil der Zeit, den ich im Übrigen gar nicht geschmacklos finde, zum anderen gehört eine qualitätvolle Anmutung durchaus zum Gebäudezweck, das schon KulturGut 06 | Seite

charmant unrepräsentativ ist, wenn ich im Vergleich an die feudale Erscheinung von Banken und Kaufhäusern als die Tempel der Gegenwart denke… Lässt sich an anderen Stellen sparen, ohne dass jemand etwas vermisst? Definitiv nein. Schon jetzt müssen wir uns hüten, dass wir nicht aus Gründen der politischen Vermittelbarkeit das Projekt im Vorfeld wieder kaputt sparen. Warum lässt sich das Mainfranken Theater nicht bei laufendem Betrieb instand setzen? Das hat bautechnische Gründe und auch sicherheitstechnische. Unser Gebäude unterliegt der so genannten Versammlungsstättenverordnung, deren Zweck es ist, das Leben abertausender Besucher im Notfall zu schützen. Dies verlangt u. a. eine strikte Trennung in die drei Brandabschnitte „Vorderhaus“ (Eingang, Foyer), „Bühnenhaus“ (also die eigentliche Spielstätte) sowie den Backstage-Bereich (Werkstätten etc.). In der Sanierungs- und Umbauphase werden diese Brandabschnitte bautechnisch durchlässig sein müssen, durch Rohre, Leitungen, weil ein neues Raumprogramm geschaffen wird und durch die ganze Baustellenlogistik. Deshalb können und dürfen wir bei laufender Sanierung nicht spielen. Wären Theaterabende mitten auf einer Baustelle nicht eine gute Gelegenheit, das Würzburger Publikum, das Provisorien ablehnt, an Improvisiertes zu gewöhnen und damit ein bisschen umzuerziehen? Ich beneide Sie um Ihren Humor. Gegenfrage: Wie viele Gäste hat man eigentlich in den zurückliegenden Jahren im Hotelturm begrüßt?

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Pop und Rock in der Frankenhalle: Die Architektencollage illustriert einen der möglichen Zwecke.

Preis und Zeit MainFrankenHallenTheater: Vier Stadtratsfraktionsvorsitzende über Chancen und Risiken von Theatersanierung, zweiter Spielstätte und über weitere Umbaufragen

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Wir sollten jetzt anfangen

Die SPD-Stadtratsfraktion unterstützt die Pläne zur Sanierung der Frankenhalle und den Umbau zu einer mehrfach nutzbaren Stadthalle mit Theaterspielstätte. Es gibt nur zwei Alternativen: Die Frankenhalle – unbestritten ein Denkmal von originärem Rang – abreißen oder eine neue Nutzung herstellen. Ein kurzer Rückblick: Im Jahre 1977 wurde auf Betreiben des damaligen OB Weber das Erbpachtrecht der Frankenhallen GmbH sogar vorzeitig abgelöst, damit nach Abriss der Frankenhalle auf diesem städtischen Grundstück und zu erwerbenden Nachbarflächen die seit langem allseits und ständig geforderte große multifunktionale Stadthalle alsbald entstehen könne: Kosten 40 Millionen DM, staatl. Zuschuss: 16 Millionen DM. Das Vorhaben wurde unterstützt von CSU, KulturGut 06 | Seite

SPD, Würzburger Liste und FWG. Das Groß-Projekt scheitete am heftigen Widerstand der Bewohner in der äußeren Pleich und der sich verschlechternden städtischen Finanzlage. Die Frankenhalle blieb stehen und wurde – auf dem Immobilienmarkt jahrelang vergeblich angeboten – zum Leckerbissen für fränkische Holzwürmer. Es galt weiterhin und gilt auch jetzt: Ja oder Nein, Nutzung oder Abriss. Für ein neues Nutzungskonzept sprechen drei Gründe: 1.) die außergewöhnliche architektonische Hülle für jede neue Nutzung, 2.) der unstreitige Bedarf an einer städtischen Halle in größerem Zuschnitt, mit zeitgemäßer Technik und Bewirtschaftung im Vergleich zu den vorhandenen Angeboten im Radlersaal oder im FechenbachHaus.

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3.) Aktuell vordringlich ist die Notwendigkeit und hier gebotene Möglichkeit einer Ersatzspielstätte in der Zeit der Sanierung des städtischen Theaters, die man – ebenfalls unstreitig – nicht mehr lange aufschieben kann. Ob nach der Sanierung des Hauptgebäudes des Theaters die Frankenhalle dauerhaft als zweite Spielstätte in dieser Dimension erhalten wird, kann gegenwärtig offen bleiben. Allen Befürwortern und auch der SPD-Fraktion ist klar, dass der jetzt projektierte erste Bauabschnitt die Hallenarchitektur als Kernstück erhält und nutzbar macht, doch später noch einige Bausteine hinzugefügt werden müssen. Wenn die staatlichen Zuschüsse stimmen, kann der städtische Haushalt das Projekt auch stemmen. Hans Werner Loew, SPD

Es darf nicht teurer werden Gelegentlich sind zwar anderslautende Einzelstimmen zu vernehmen – trotzdem hat sich die CSU-Stadtratsfraktion mehrheitlich für den Ausbau der Frankenhalle ausgesprochen. Für diese politische Position sind vor allem zwei Gründe handlungsleitend: 1.) Die Bemühungen der Stadt bzw. der mit der Veräußerung der Immobilie beauftragten CTW blieben bislang erfolglos. 2.) Für die anstehende Sanierung des in die Jahre gekommenen Mainfranken Theaters bedarf es während der Bauzeit einer Ausweichspielstätte. Alternative Übergangslösungen – wie beispielsweise ein Zelt – lassen sich wirtschaftlich und damit finanziell nicht darstellen. KulturGut 06 | Seite

Unter dieser Prämisse macht es perspektivisch Sinn, die Frankenhalle behutsam zu sanieren und einer neuen – kulturellen – Nutzung zuzuführen. Dabei legt die CSU-Fraktion größten Wert auf die Einhaltung der Deckelung der Kosten bis zu max. zehn Millionen Euro. Diese Kosten-Obergrenze darf nicht gerissen werden! Den wenig aussichtsreichen Überlegungen der Kämmerei und des im Schlepptau befindlichen Kulturreferats, eine hochpreisige Gastronomie an der Veitshöchheimer Straße einzurichten, hat die CSU eine klare Absage erteilt. Es kann nicht sein, dass der Wurm, der im Gebälk der Frankenhalle hauste, nun ins Baukonzept umgesiedelt wird. Inzwischen hat sich die Stadtverwaltung auch von einer kostspieligen Technik und avantgardistischen Bemühungen der beauftragten Architekten hinsichtlich der Fassadengestaltung im Eingangsbereich verabschiedet. Das Geld ist einfach nicht da. Unter diesen Voraussetzungen ist es politisch vertretbar, die Frankenhalle auf die Prioritätenliste der Investitionen zu setzen, die der Stadtrat in den nächsten Jahren zu beschließen hat. – Es geht alles eine Nummer kleiner. Dies gilt auch und gerade angesichts der latent angespannten Haushaltslage der Stadt. Dieser triste Hintergrund bildet die Kulisse für das zu sanierende Mainfranken Theater. Auch am Kardinal-Faulhaber-Platz werden die Bäume nicht in den Himmel wachsen. Nicht alles, was wünschenswert ist, wird geliefert werden können. Das Theater wird auch nach der Sanierung auf lange Jahre subventioniert werden müssen. Wir zahlen für den vom Stadtrat mehrheitlich gewünschten Erhalt des Drei-Sparten-Hauses Haushaltsjahr um Haushaltsjahr einen hohen Preis. Es gilt mithin die alte Lehre aus der Betriebswirtschaft: Der

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nach oben offenen Skala der Bedürfnisse stehen beschränkte (Haushalts-)Mittel gegenüber. Im Delta definiert sich der Mangel. Wir sind demnach sehr ambitioniert unterwegs. Thomas Schmitt, CSU

Das muss die Stadt leisten Die Sanierung des Mainfranken Theaters ist aus technischen Gründen unerlässlich und auch zeitlich dringend, die Alternative, jeglichen Theaterbetrieb einzustellen, ist schlechthin undenkbar. Hier geht es also nur um den Umfang der Sanierung. In weiten Teilen wird lediglich getan, was z.B. aus Gründen des Brandschutzes erforderlich ist. Dazu wird vor allem der unzulängliche Zugangsbereich erneuert – Eingang, Kasse und Gastronomie werden auf den Stand der Zeit gehoben. Ein zusätzlicher Bühnenraum wird nicht geschaffen. Für diesen Umfang an Sanierung rechnet die Stadt mit einer Größenordnung von 18 Millionen Euro brutto – davon etwa acht Millionen direkt aus dem städtischen Haushalt. Das tut weh, aber da hilft kein Jammern: Die Stadt muss und kann es leisten. Die Sanierung des Mainfranken Theaters hat Folgen: Das Theatergebäude wird zwei Spielzeiten lang nicht nutzbar sein. But the show must go on. Ich sehe keine vorhandenen Gebäude in Würzburg, in denen auch nur provisorisch eine Überbrückung vorstellbar wäre. Wir haben die Wahl: Temporäre Zeltlösung – wo auch immer? – mit geschätzten Kosten von vier Millionen und ohne bleibenden Nutzen. Ich bevorzuge: Nach heutiger Schätzung „nur“ weitere zwei Millionen Euro städtische Kosten (also insgesamt sechs Millionen Euro), dafür: Erhalt und Nutzbarmachung des faszinierenden Denkmals Frankenhalle, zunächst als Übergangsspielstätte, aber auch dauerhaft als zusätzliche Spielstätte für das Mainfranken Theater und für weitere kulturelle und KulturGut 06 | Seite

gewerbliche Veranstaltungen – sprich: Mehr Angebote für Würzburger und Gäste. Ich weiß: Über die Investitionskosten hinaus wird es auch Mehrkosten für den laufenden Betrieb geben. Aber wir kennen unsere Grenzen: Bei der Planung der Frankenhalle hat der Stadtrat gezeigt, dass er kostenbewusst denkt, und hat ein überzogenes Raum- und Ausstattungsprogramm zusammengestrichen. Es wäre kurzsichtig und mutlos, die einmalige Gelegenheit auf den kulturellen Mehrwert durch den Umbau der Frankenhalle verstreichen zu lassen. Matthias Pilz, Bündnis 90 / Die Grünen

Es geht auch anders Das 1966 erbaute Mainfranken Theater ist ein wesentlicher Bestandteil des kulturellen Lebens der Region Würzburg und Mainfrankens. Für die FWG-Stadtratsfraktion steht die vordere Platzierung auf der Prioritätenliste und die daraus resultierende Notwendigkeit einer technischen und energetischen Sanierung oder auch eines kompletten Neubaus außer Frage. Falls die Frankenhalle in der Zukunft als zweite Spielstätte des Mainfranken Theaters genutzt werden sollte, betrachten wir unsere Forderung nach belastbaren und aussagekräftigen Zahlen als legitim und unerlässlich. Defizite bezüglich der Begutachtung des Zahlenwerks der Frankenhalle sehen wir in Modulen wie Interimsfoyer, Veranstaltungstechnik, den nach der Fertigstellung permanenten laufenden Unterhaltskosten sowie der mangelnden wirtschaftlichen Anordnung der Betriebswege. Die Kostenstrukturen der Frankenhalle und des Mainfranken Theaters sind ohne Wenn und Aber im Kontext zu sehen und auch zu diskutieren. Es erschließt sich uns nicht, warum erst jetzt das Vergabeordnungsverfahren vom Kulturreferat eingeleitet wurde, ist es doch die einzige Möglichkeit, eine realistische Kostenermittlung zur

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Sanierung des Mainfranken Theaters zu erlangen. Wir möchten im Vorfeld wissen, welche Summe auf unsere Stadt zukommt, und nicht gezwungen werden, im Nachgang jegliche Erhöhung kommentarlos zu akzeptieren. Vor diesem Hintergrund kann es nur von Vorteil sein, einen Neubau des Mainfranken Theaters auf dem Mozart-Areal seriös zu prüfen. Die Fläche von ca. 5600 Quadratmetern mit dem Erhalt der jetzigen Aula der Mozartschule, in der auch die Kammerspiele mit erhöhter Sitzplatzkapazität einer empfindlichen Verbesserung unterliegen, ist bei einer anspruchsvollen architektonischen Leistung geradezu prädestiniert, die kulturellen Ansprüche des Oberzentrums zu reformieren. Die neu belebten Hatzfeld’schen Gärten eröffnen eine einmalige Sichtbeziehung zum Weltkulturerbe Residenz, sie sind der Garant für Charme und Flair. Der Verkauf der jetzigen Theaterfläche (incl. Parkhaus) wäre städtebaulich neu zu erschließen, z. B. mit Tiefgarage, Einzelhandel, freiberuflichem Gewerbe, Hotel und Wohnungen. Dem Kardinal-Faulhaber-Platz würde neben der baulichen auch eine finanzielle Aufwertung widerfahren. Der Verkaufserlös besagter Grundstücke, die eingesparten Sanierungskosten der Frankenhalle und die bisher unüberschaubaren Instandsetzungskosten des Mainfranken Theaters wären mehr als der Start zu einer kulturellen Zeitwende. Josef Hofmann, FWG

INFO: Die Redaktion bat alle Fraktionsvorsitzende des Würzburger Stadtrats um Stellungnahmen. Wir danken den Autoren der vorstehenden Kommentare für ihre Mitarbeit.


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Die Frankenhalle als Ausstellungssaal. Fotomontage des Architektenbüros Brückner & Brückner

Industriekultur authentisch Es war einmal Ersatz für einen Baucontainer… Besuch im Architektenbüro Brückner & Brückner. Hier wird der Umbau der Frankenhalle geplant. von Joachim Fildhaut

+ Altes Zollamt Veitshöchheimer Straße. Hinter der Neorenaissancefassade herrscht unauffällige moderne Klarheit. Im zweiten Stock erstreckt sich hinter einer Stahltür ein Saal mit der Anmutung eines Seminarraums. Über ein Dutzend junger Leute schafft an großzügigen Tischen, je vier zueinander gekehrt. Hier und da unterbricht eine diagonal ragende Papierrolle die übersichtlich gestaffelte Ordnung. Einige Kleingruppen arbeiten sichtlich zusammen, manchmal durchschreitet wer die Saalflucht. Dennoch macht konzentrierte Ruhe den größten Eindruck. In Schweinfurt, Gerolzhofen und Bamberg, in Darmstadt und Nürnberg plant und baut das Architekturbüro Brückner & Brückner. Und in Würzburg, wo alles anfing. 1996 übernahmen die Brüder Peter und Christian Brückner aus Tirschenreuth als ersten gemeinsamen Auftrag den Umbau des Hafenspeichers in ein Museum. Christian, der jüngere KulturGut 06 | Seite

der beiden, heute 40 Jahre, blieb „aus privaten Gründen“ in der Stadt hängen, wie es so vielen Wahlwürzburgern geht, die beruflich an den Main geführt wurden. Heute beschäftigt das Büro der beiden jeweils 20 Mitarbeiter in Franken und in der Oberpfalz. Seit der Entkernung des alten Hafenspeichers sind die Brückners am Ort präsent. „Im Nachgang war es für uns eine schöne Fügung, dass wir unser Baustellenbüro nicht in einem Container aufschlagen mussten“, bedenkt Christian Brückner eigenartig differenziert: im Nachgang… Die ungetrübteste Freunde kann es schließlich nicht gewesen sein, dass die Architekten in den früheren Verwaltungsräumen der Frankenhalle unterkamen, wenn es auch – im Nachgang – kulturhistorisch wertvoll klingt: „Damals fanden noch alle paar Wochen Viehauktionen in der Halle statt. Wir haben live wahrgenommen, wie sie authentisch funktioniert hat.“

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Klinke in der Hand der Investoren Die Bilder der damaligen Zeit setzten sich bei dem Würzburger Bruder fest. Und sie bestimmen bis heute Christian Brückners Bild von der Frankenhalle. Deren Umnutzung in einen Theaterraum – und bei Bedarf zur Präsentationsfläche für abwechselnde, auch kommerzielle Zwecke – wäre für ihn „die Wiederbelebung eines unglaublich schönen Raumes. Würzburg bekäme einen Veranstaltungsraum von höchster Qualität.“ Die Verbundenheit wurzelt tief, blieben Brückner & Brückner doch in der Frankenhalle, als die in Dornröschenschlaf fiel. Statt der lebenden Verkaufsware Rind und Schwein wurden nun sporadisch ImmobilienKaufinteressenten durch die Räume geführt. Investoren besichtigten die Büros, doch ein Handel „kam – meiner persönlichen Meinung nach Gott sei Dank – nie zustande“, sagt Christian Brückner. Bis die Stadt als Besitzerin des betagten Baudenkmals vor drei Jahren ihre Mieter fragte, ob diese prüfen könnten, „ob es sich lohnt, über die Frankenhalle als Interims-Spielstätte während der Sanierung des Mainfranken Theaters nachzudenken“. Diese Machbarkeitsstudie erforschte den Brandschutz und mögliche Fluchtwege, Bausubstanz und Statik des Backsteingebäudes mit seinem hölzernen Tragwerk, untersuchte die Balken, ob sie durch Insektenschutzmittel vergiftet seien. – Außerdem dokumentierte das Büro die Umgebung unter Gesichtspunkten der Stadtentwicklung. Die ÄuDer historische Charakter von Würzburgs Viehauktionshalle soll bleiben. Denkmalschutz heißt für die Architekten Brückner & Brückner: „Ein Bauwerk möglichst authentisch wiederbeleben“.

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Dem Architektenpaar ist das Prinzip „Wurzeln und Flügel“ wichtig: deutschlandweit arbeiten, aber auch am eigenen Standort Projekte realisieren. Dass in Würzburg so viele Mitarbeiter von der hiesigen Fachhoc die Identifizierung stärker.“

ßere Pleich, umgeben von CCW, Hochschulinstituten, Kultur- und Freizeiteinrichtungen, bildet ein Dreieck, das mit einer neuen Frankenhalle fast geschlossene Formation annimmt, zeigt der Architekt auf einer Luftaufnahme: „Das ist eine Erfolgsgeschichte, wie eine Industriebrache in solch einer kurzen Zeitspanne von 15 Jahren kultiviert werden konnte. Wenn sich mit der Frankenhalle ein weiterer Baustein ergibt,

Würzburger Entscheidungsfindungen bekommt das Ganze eine sehr starke Abrundung.“ Also signalisierten die Architekten, es lohne sich, über eine Sanierung nachzudenken. Dieses Nachdenken schrieb die Stadt international aus. Dass die Brückners zum Zug kamen und einige namhafte Mitbewerber ausstachen, erklärt der jüngere Bruder: „Wir haben uns stark darauf spezi-

INFO: Frankenhalle in Stichworten „Die Gestaltung der Halle folgt den Ideen des Heimatstils und spielt mit den barockisierenden Elementen auf die große Barockbaukunst der Stadt an.” So formulierte Dr. Rembrand Fiedler vom Bayerischen Landesamt für Denkmalpflege 1999 in seinem Gutachten. Das erhob die Frankenhalle in den Rang eines Baudenkmals. Errichtet wurde sie 1927 mit einigen weiteren baulichen Besonderheiten. So ist das Dach eine offene Holzkonstruktion ohne Stützen, was dem Inneren der Frankenhalle etwas von der Anmutung eines Zirkuszelts verleiht. Ebenfalls hölzern ziehen sich höhengestaffelte Ränge rings um die Arena: sieben Stück an der Zahl. Je nach Nutzung und Größe von Bühneneinbauten fasst die Halle zusätzlich zu den KulturGut 06 | Seite

800 Sitzplätzen noch einmal maximal 600 Stehplätze. Die auffällige Inneneinrichtung wurde bereits auf Holzschädlinge untersucht und aufwändig chemisch konserviert. Die Frankenhalle war nie als reine Viehauktionshalle in Betrieb. Schon in ihrer Frühzeit diente sie als Kulisse für einen Auftritt Adolf Hitlers. Nach dem Zweiten Weltkrieg sprachen Konrad Adenauer und Franz Josef Strauß zu einem politisch interessierten Publikum, und 1970 ging die bundesweite rechtsextreme „Aktion Widerstand“ von der Frankenhalle aus, die zudem als Schauplatz für Boxkämpfe ins Bewusstsein der Bevölkerung einging. Rockkonzerte spielten hier unter anderem die Kämpen Ten Years After und die jüngeren AC/DC, aber auch die sanfteren Popper von Camel.

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achhochschule stammen, gefällt den Chefs: „Schön, wenn viele Mitarbeiter aus der Umgebung stammen. Da ist

alisiert, denkmalgeschützte Substanz für kulturelle Zwecke umzunutzen.“ Die gesamte architektonische Planung lag nun bei Brückner & Brückner, „wie das Gebäude aussehen wird und wie es funktioniert“. Die Aufgabenbereiche Statik und Haustechnik sollten andere Firmen übernehmen, für das Koordinieren dieser verschiedenen Fachdisziplinen wiederum ist das Architekturbüro gemeinsam mit der Projektleitung der Stadt verantwortlich. Im Frühjahr 2010 billigte der Stadtrat die Planungsmittel. Heraus kam die bekannte große Lösung zum Preis von 15 Millionen Euro, bald gefolgt von dem Auftrag, diese Planungen gemeinsam mit der Stadtverwaltung auf zehn Millionen zu vermindern. Ein halbes Jahr lang befasste sich das Team mit dem theoretischen Rückbau, nicht ohne Erkenntnisgewinn: „In den überarbeiteten Plänen steckt viel Know-How von uns“, überblickt Christian Brückner das „jetzt stimmige Konzept“, hinter dem er voll und ganz steht. Auch die etwas komplizierte Entscheidungsfindung mit „all den Höhen und Tiefen, die wir erlebt haben,“ stimmt die Brüder nicht verdrießlich: „Wir haben deutschlandweit genug Erfahrungen in unterschiedlichsten kommunalen Bauverfahren. Dieses Auf und Ab gibt es überall.“ Ihr Rat lautet: „Man darf nirgends den Glauben verlieren, dass man gemeinsam mit den Verantwortlichen einer Stadt für das kämpfen kann, was man als richtig erkannt hat: Und das ist in diesem Fall eine riesige Chance für Würzburg.“

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Und dann kam der Opernbrand Aus der Katastrophe geboren - und ein gelungenes Beispiel für eine neue Spielstätte unter der Regie eines städtischen Theaterbetriebes: Das Bockenheimer Depot in Frankfurt zeigt, was geht. von Iris Wrede

+ Es begann mit einem Inferno: Am 12. November 1987 brannte die Frankfurter Oper. Erst nach sechs Tagen Großeinsatz konnte das Feuer völlig gelöscht werden. Zurück blieben ein völlig zerstörtes Bühnenhaus und jede Menge Fragen. Wie weiter? Die Oper zog in die vom Brand unberührte Schauspielbühne, das Schauspiel wurde in das Bockenheimer Depot ausquartiert. 10 Millionen Mark kostete damals der Umbau des denkmalgeschützten Gebäudes. Die Folge der drei Jahre währenden, anstrengenden Improvisation: Aus der Interimslösung wurde eine neue Spielstätte. Eine, die sich sehen lassen kann - und die bei näherem Betrachten die Chancen für das Würzburger Projekt „Frankenhalle“ aufzeigt. Was dort der Großbrand. war, sind in Würzburg umfangreiche Sanierungsarbeiten: Die Sachzwänge ergeben hier wie dort eine Situation, die neue Möglichkeiten aufzeigt. Die geplante Organisationsstruktur der Frankenhalle und das Frankfurter Konzept weisen starke Parallelen auf. Auch das Depot wird von den Städtischen Bühnen betrieben, analog zum Betreiberkonzept der Frankenhalle. Und nicht zuletzt erschließt sich dem Betrachter beim Betreten des alten Depot-Gebäudes in Frankfurt eine unübersehbare Ähnlichkeit mit der räumlichen Situation der Frankenhalle. Das Gebälk, die Oberlichter, die große zentrale Fläche - im Vergleich kann das Bockenheimer Depot mit ein wenig Phantasie gut als Vision der Würzburger Viehauktionshalle herhalten. Es ist der Charme des Raumes, der die Besucher sofort in den Bann zieht. Im Bockenheimer Depot ist auf der Basis der denkmalgeschützten Architektur eine ungewöhnliche Spielstätte entstanden, die neben dem klassischen Theater- und Opernpublikum erfolgreich neue Zuschauerkreise erschließt - frei davon, die Hemmschwelle überwinden zu müssen, die ein Opern- oder Schauspielhaus vielleicht bedeutet. Das Raumkonzept ist ebenso simpel wie genial. Die Fläche kann durch flexible Wände geteilt werden, Bühne und Zuschauerplätze bestehen aus Modulen, die äußerst flexibel einsetzbar sind. So wird das klassiKulturGut 06 | Seite

sche Muster „Hier Bühne, dort Zuschauer“ komplett auflöst und eine auf das Stück bezogene oder auf die Intention des Regisseurs ausgerichtete Interpretation ermöglicht. Diese Form der variablen Nutzungsmöglichkeiten von Hallen was die Interpretation von kulturellem Angebot betrifft hält Bernd Fülle, Geschäftsführender Intendant der Städtischen Bühnen Frankfurt, für wichtig in der heutigen Zeit. Er ist überzeugt: Die Entscheidung, in Frankfurt aus der Übergangslösung eine feste Einrichtung zu machen, war inhaltlich sinnvoll und in der Konsequenz auch betriebswirtschaftlich richtig. „Wir haben hier im Bockenheimer Depot mit jährlich 120 Veranstaltungen von Oper und Schauspiel immer ein ausverkauftes Haus. Und auch wenn die Forsythe Companie für zwei Monate hier ist, ist das eine sehr aufsehenerregende, vom Publikum sehr akzeptierte Veranstaltung“. Ein Teil der Grundkosten des Gebäudes werden über Vermietungen hereingeholt, zum Beispiel zur internationalen Automobilausstellung, zur Genussmesse Culinart. Neben den eigenen Veranstaltungen nimmt man so zwischen 200.000 und 300.000 Euro ein. Fülle legt Wert darauf, dass sich nicht um eine „B-Spielstätte“, sondern um einen auf sehr hohen Niveau mit Qualität gefüllte und vom Publikum akzeptierten Spielort handelt. Er ist überzeugt: Ein Teil des Erfolges liegt neben einem erstklassigen Programm in der Attraktion und den vielen Möglichkeiten des Gebäudes selbst. Momentan beginnt man, einen Teil des Depots zu unterkellern, Für 3.2 Millionen wird auch eine Klimaanlage eingebaut, die zukünftig die Temperaturen im Bockenheimer Depot für das Publikum erträglich machen sollen.

Money fort value ist das Zeichen der Zeit Theater müssen schon seit geraumer Zeit neue Wege der Vermittlung suchen, sagt Fülle. Das Konkurrenzangebot, seine Zeit angenehm zu

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verbringen, wächst „Diesen Grundkonsens, dass es der kulturell angeregten Selbstreflexion bedarf, den gibt es nicht mehr. Der Mainstream ‚Ich habe Geld und jetzt schaue ich, was das verheißungsvollste Angebot zur Verbringung meiner Freizeit ist‘, nimmt immer mehr Raum ein. Das führt zu Entscheidungen - nicht das Wissen ‚Ich muss jetzt mal wieder etwas für meine Bildung tun, mich kulturell mit meiner Welt auseinandersetzen‘. ‚Money for value‘ ist das Zeichen der Zeit.“ Die Summe der Möglichkeiten, Freizeit zu gestalten ist enorm geworden, die Summe des Geldes dagegen ist gleichgeblieben. Wenn man für 9.99 Euro nach London fliegen kann, ist das ein Reizimpuls, gegen den der Kulturbetrieb sich behaupten muss. In diesem Sinne suchen Theater und Museen nach neuen Wegen. Sie stehen unter Druck, auch durch Außergewöhnlichkeit - nicht um ihrer selbst willen - aber mit Inhalt ausgefüllter Außergewöhnlichkeit auf sich aufmerksam zu machen. Das bieten Gebäude sie das Bockenheimer Depot aber auch die Frankenhalle auf ausgezeichnete Weise mit ihrer ungeheuren Gestaltbarkeit des Raumes. In Frankfurt hat man die Möglichkeit der Verbreiterung des Angebotsinhaltlich wie darstellerisch geschickt genutzt. Die Effekte gehen allerdings weit über den reinen Wert als Spielstätte hinaus, betont Fülle.

Imagebildung durch Kultur „Gerade die Stadt Frankfurt kämpft mit dem Image der ‚kalten Bankenstadt mit dem großen Flughafen‘, das kein sehr attraktives ist. Mit der Museumsmeile, der Entwicklung des Theaters und der Unterstützung des Balletts von Forsythe hat schon der große Kulturpolitiker Hilmar Hoffmann bewiesen, dass die Imagebildung im wesentlichen durch die Kultur getragen wird” Eine Region tue sich Gutes für ihr Image und ihre Lebensqualität, wenn sie ein breit gefächertes kulturelles Angebot vorhalte, das gelte sicherlich auch für Würzburg, fügt KulturGut 06 | Seite

Fülle hinzu. Theater, Museen, Kultur, all das sei für das Selbstwertgefühl der Menschen, die in einer Stadt leben, von großer Bedeutung. Allein die Option, ein kulturelles Angebot wahrzunehmen, sei Lebensqualität. man hat in der Mainmetropole früh erkannt, dass solche immateriellen, aber elementar wichtigen Vorteile nicht unter dem fiskalischen Gesichtspunkt zu betrachten sind, dass sie sich aber spürbar wirtschaftlich auswirken. Bernd Fülle ergänzt: „Ich weiss von Bankern, von großen Wirtschaftskanzleien, dass dieser Kulturstandort der Frankfurt ist, für sie eine große Rolle spielt. Vor allem, was Personalgewinnung betriff und was die Lebensqualität angeht“.

Weiterentwicklung zum Kulturcampus Rund um das Bockenheimer Depot ergeben sich aktuell durch die Umsiedelung der Universität Goethe-Universität in das Frankfurter Westend ganz neue Chancen. Das Land Hessen und die Stadt Frankfurt planen auf dem frei werdenden Universitätsgelände im Stadtteil Bockenheim einen Kulturcampus. Hier sollen künftig die Hochschule für Musik und Darstellende Kunst, die Senckenberg-Gesellschaft, das Ensemble Modern, das Frankfurt Lab, die Forsythe Company, die Hessische Theaterakademie, das Institut für Sozialforschung, die Hindemith-Stiftung und die Junge Deutsche Philharmonie in unmittelbarer räumlicher Nachbarschaft angesiedelt werden. Es entsteht ein ganz neues Kulturviertel. Mit etwas Phantasie kann man auch dieses Konzept vielleicht irgendwann als Denkmodell nach Würzburg übertragen - schließlich ist die Region Alter Hafen ebenfalls auf dem besten Weg in diese Richtung.

LINK: | www.bockenheimer-depot.de

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Klangspeicher Fünfter Hafensommer zwischen Heizkraftwerk und KulturSpeicher bietet wieder breites Musikspektrum von Daniel Staffen-Quandt

+ Für ein Freiluftfestival gibt es in Würzburg kaum einen besseren Ort. Er hat ein ziemlich eigenwilliges Flair, irgendwas zwischen Strandpromenade, Industrieanlage und – Hafenbecken eben. Nimmt man schließlich noch die bunte Programmmischung dazu, hat man den Würzburger Hafensommer. Und vielleicht auch die Erklärung, weshalb er in den vergangenen Jahren so erfolgreich war und daher auch sein Fünfjähriges feiern kann. Drei der beliebtesten Künstler aus den vergangenen vier Jahren spielen auch beim Mini-Jubiläum wieder. Vom 22. Juli bis 14. August wird die schwimmende Hafenbühne hinter dem Würzburger Heizkraftwerk wieder zu einer Erlebnisstätte für verschiedene kulturelle Strömungen sowie überraschende und lebendige Sounds aus aller Welt. Die musikalische Vielfalt reicht von regionalen bis zu internationalen Musikern, von renommiert bis unbekannt aber viel versprechend. Zu den Highlights gehören die drei Jubiläums-Wiederkehrer Beady Belle (mit Suzanne Vega!) am 22. Juli, Sophie Hunger am 31. Juli sowie Carolin No mit ihrem Konzert am 12. August. Suzanne Vega gehört seit mehr als zwei Jahrzehnten zu den einflussreichsten Songwritern der Welt – beim Hafensommer wird sie einen ihrer wenigen europäischen Auftritte in diesem Jahr geben. Die Bühne im Hafenbecken, die ein wenig im Kessel der Stufen und Dämme KulturGut 06 | Seite

liegt, verleiht der ganzen Szenerie etwas Intimes in der Weitläufigkeit des Alten Hafens. Genau das richtige für eine Künstlerin, die so authentisch Emotionen und Intimität mit ihrer Musik, ihren Texten und ihrer großartigen Stimme transportieren kann. Die Amerikanerin gibt zum Auftakt des Hafensommers ein Doppelkonzert mit Beady Belle aus Norwegen. Die Band mixt verschiedene Musikgenres spielerisch durcheinander und kreiert so seinen ganz eigenen Sound, der irgendwo zwischen Country, knackigem Soul und Funk im Stil der 1970er Jahre, Reggae und Pop liegt. Das neueste, inzwischen schon fünfte Album „At Welding Bridge“ bringt diese zahlreichen Einflüsse am besten auf den Punkt. Treibende Kraft der Norweger ist aber nach wie vor die Spitzenstimme ihrer Frontfrau Beate S. Als eins der ambitioniertesten und wohl auch beeindruckendsten Projekte beim diesjährigen Hafensommer darf schon vor seinem Beginn das Konzert der Düsseldorfer Phoneheads mit dem Philharmonischen Orchester Würzburg gelten. Die Drum & Bass-Pioniere haben das Projekt ursprünglich mit den Philharmonikern in ihrer Heimatstadt realisiert. Es ist der gelungene Versuch, die Gemeinsamkeiten musikalischer Welten aufzuzeigen. Neben dem Orchester sowie Philipp Maiburg und Michael Scheibenreiter tritt auch eine Live-Band mit auf.

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Die Schweizerin Sophie Hunger sorgt inzwischen als Songwriterin auch international für Aufsehen. Sie hat eine „beeindruckende Konzertpräsenz“ jubeln Kritiker – sie tourt unermüdlich quer durch Europa, die USA, Kanada. Ihre Stücke sind selten ausgefeilt, sie sind im Fluss, mit Ecken und Kanten, mit einem Gespür für kreative Wendungen. Mal wirkt sie fragil, mal fesselnd. Diese Ambivalenz hat den Hafensommer-Gästen das vergangene Mal jedoch gefallen. A-cappella-Bands sprießen ja schon seit einiger Zeit wie Pilze aus dem Boden – von mehr oder minder großer Qualität. The Magnets aus England sind hingehen die absolute Crème der A-capella-Bands. Sie traten mit Robbie Williams auf, tourten als Vorgruppe von Tom Jones, sangen bereits in der Royal Albert Hall und beim „Queens Jubilee Concert“. Dass die sechs Jungs aber nicht nur Hallen und Stadien begeistern können, werden sie sicher auch beim Hafensommer unter Beweis stellen. Spannend werden auch in diesem Jahr wieder die lokalen und regionalen Projekte und Künstler, die entweder schon überregionalen Erfolg haben, hatten oder kurz davor stehen dürften. Zu den bekannten Würzburgern im Musik-Business zählt sicher Norbert Dömling, der sich über die Jahre zu einem der gefragtesten Jazz-Bassisten Deutschlands und Europas hochgespielt hat – und mit einem Trio beim Hafensommer auftritt. Oder auch die Ein-Mann-Ein-Frau-Band Carolin No, die ihre neue minimalistisch-gute CD beim Hafensommer vorstellt.

Haupt- oder Neben-Act? Wendy McNeill aus Kanada gastiert mit den Heimkehrern Carolin No im Alten Hafen.

LINK: | www.hafensommer-wuerzburg.de


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Amerikanische Toleranzkultur… …und deutsches Singer/Songwriter-Wesen: Der Würzburger Musiker Dennis Schütze auf wissenschaftlicher Spurensuche von Gunther Schunk / Fotos: Gleb Polovnykov

+ Songwriter, Instrumentalpädagoge, Gitarrenriffforscher, Amerikanist, Talkmaster… Die äußerst vielfältigen Interessen von Dennis Schütze lassen sich so grade eben auf einen Nenner bringen: Sie wurzeln in der lokalen Szene und berühren dennoch oft die US-amerikanische Popularkultur. Dabei benimmt sich der Sänger und Gitarrist im Alltag und auf der Bühne ganz und gar unstilisiert, jedenfalls nicht ausgestellt amerikanophil. Falls es wirklich deutsch wäre, eine Sache um ihrer selbst Willen zu tun, so hätten wir hier einen geeigneten Ansatz. Vor allem hat die Musik das ganze Leben des 38-Jährigen geprägt, denn er ist Musiker, Musikpädagoge und Musikologe. Und er ist Würzburger Kulturförderpreisträger von 2007. Die Frankfurter Allgemeine Zeitung schrieb über ihn: „… um die Zukunft des Rock’n’Roll braucht man nicht zu bangen; es gibt hoffnungsvollen Nachwuchs.“ Als Musiker etablierte er sich in zahlreichen Formationen, allen voran mit seiner eigenen Band. Dabei steht er nicht nur in der Tradition der Fifties und der Singer/Songwriter. Dem ersten profilierten E-Solo-Gitarristen überhaupt, Charlie Christian aus Benny Goodmans Combo, widmete er ein Programm. Und er spielt improvisierte Ambient-Musik in künstlerischer Kooperation mit Tänzern und Dichtern. Von Musik handelt auch seine Talkshow „My Favourite Tracks“. Hierzu lädt Schütze Gäste in einen Club oder ein Theater, spielt deren zehn Lieblingssongs vor, lässt sie erzählen und diskutiert mit ihnen darüber. Als Diplom-Musiklehrer – er bevorzugt den Terminus Instrumentalpädagoge – unterrichtet er akustische und elektrische Gitarre, Mandoline, Banjo und Ukulele: Zupfinstrumentenmusik von Barock bis Rock, Liedbegleitung mit Gesang und Einführung in die Improvisation. Und dann ist Schütze auch gelernter Musikwissenschaftler, der sich in den letzten Jahren schwerpunktmäßig mit der E-Gitarre im frühen Rock’n’Roll beschäftigt. Seine Dissertation handelt genau von diesem Thema. Im vergangenen Jahr brachte Schütze drei große Projekte auf den Weg. Sein Studioalbum „B-Sides & Rarities“ erschien im Juni, den KulturGut 06 | Seite

schriftlichen Teil seiner Doktorarbeit schloss er im September ab. Die Veröffentlichung der Live-Aufnahme vom Würzburger Umsonst & Draußen-Festival 2010 beendete den Reigen im Dezember.

Was man aus USA lernen kann Eigene Musik schreibt und spielt er seit frühester Jugend. Aber „in den letzten zwei, drei Jahren hat sich die Dennis-Schütze-Band mit einem festen Kern von Musikern so richtig gut entwickelt“. Mit der Gruppe spielt er ausschließlich selbstverfasste Singer/SongwriterMusik, zuletzt dokumentiert auf der zu Jahresende erschienenen CD „live@u&d 2010“. Diese Stilrichtung ist für ihn „die Poesie des 20. Jahrhunderts, und zwar eine, die die Leute erreicht“. Was in Deutschland unterschätzt, in den USA dagegen ganz selbstverständlich anerkannt werde: „Dass das Songwriting ein Handwerk ist und im Idealfall zugleich ganz große Kunst.“ Mit den Country- und Rock’n’Roll-Platten seines Vaters wuchs er auf, fühlt sich in diesem Genre heute „sehr zu Hause“. Und schätzt die Toleranz der US-Amerikaner: „Dieser Grundsatz ‚live and let live’ schlägt sich in der amerikanischen Kultur intensiv nieder. Mir ist da nie diese kulturelle Hochnäsigkeit begegnet, wie man sie hier an allen Ecken findet.“ Amerikanische Gegenbeispiele studierte er in allen US-Musikzentren zwischen Kalifornien, Tennessee und New York City. Nur Chicago und New Orleans fehlen noch in der Sammlung seiner Bildungsreisen.

Klare Trennung zwischen den Projekten In der Dennis-Schütze-Band, deren Trio-Variante jeden ersten Montag im Monat im Monsieur Clochard in der Neubaustraße auftritt, konzentriert er sich mittlerweile auf das Song-Performing und die Rhythmusgitarre. Er genießt es, dass er sich ganz auf den routinierten Sologitarristen Jochen Volpert verlassen kann.

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Total lokal: Systematische Reisen zu den US-Musikzentren und monatliche Auftritte in einem winzigen W端rzburger Bistro. KulturGut 06 | Seite

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Von dem eigenen Repertoire trennt er scharf die Diner- und Tanzmusik-Formation Die Musikstudenten. Die ist ihm allerdings genauso wichtig: „Wir werden ja immer für schöne Anlässe gebucht, auf die ich mich selbst freue“, erzählt er mit warmer Stimme. „Ich musiziere gerne für ein tanzfreudiges Publikum.“ Auch für das Spektrum zwischen alten Swingnummern, Easy Listening und Rock’n’Roll gilt: „Gute Unterhaltung muss gut gemacht sein.“ Die Messlatte legt Schütze hoch, orientiert sich an Showkünstlern wie Dean Martin, Paul Anka und Bobby Darin. Deshalb sind Musikstudenten-CDs schon längst nicht mehr bloße Werbeplatten und Fetensouvenirs, sondern aufwändige Produktionen. Dass der Posaunen-Professor Richard Roblee zumindest im Studio dabei war, erfüllt den Musikanten auf bescheidene Weise mit Stolz. KulturGut 06 | Seite

Gibt es eine Würzburger „Szene“? Im Spätsommer 2011 erscheint die dritte Musikstudenten-Scheibe. Kurz danach beginnt auch die Talkshow-Reihe wieder. Das kostet einiges an Vorbereitungszeit, und manchmal sitzen nur zwei Handvoll Leute im Publikum. Für Dennis Schütze lohnt sich der Aufwand, weil ihn seine Gäste menschlich berühren, vor allem, wenn sie erzählen, wie sich Musikstücke mit ihrer Biographie verweben. Dabei hatte er anfangs durchaus kulturpolitische Ziele: „My Favourite Tracks“ sollte das Interesse derjenigen Würzburger aneinander wecken, die in der Kultur unterwegs sind. Schütze stellte sich vor, „dass wir gemeinsam die so genannte Szene erforschen“. Der Initiator steht heute freilich vor der Erkenntnis, dass „es in Würzburg wohl überhaupt keine

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Szene gibt. Das sind mehr so abgeschlossene Grüppchen.“ Zur Belebung der lokalen Geschehnisse trägt sein Talk-Engagement dennoch bei, war mit ein Grund für die Verleihung des Kulturförderpreises. Wobei Schütze - wenn er auch mitunter an den Würzburger Verhältnissen zweifeln, ja verzweifeln kann – sich empfindet „als lokalen Musiker. Ich muss nicht hoch hinaus. Es hat viele schöne Seiten, hier tätig zu sein.“ Eine solche Versöhnlichkeit wird auch dadurch begünstigt es, dass Dennis Schütze „sehr viele“ Berufe hat. Zu den Engagements als Unterhaltungsmusiker und dem Gitarrenstundengeben gesellten sich in den letzten Jahren Lehraufträge an der Uni und Gastvorträge auf Kongressen – bei denen er sich zum Erstaunen des professoralen Publikums gern die Gitarre umhängt und live einige Notenbeispiele einspielt.

Nichts Triviales dabei Und was hat es nun mit der Doktorarbeit über die Rock’n’Roll-Gitarre auf sich? „Es lohnt sich, Pop- und Rockmusik ernst zu nehmen und diese Musik einer Analyse zu unterziehen“, ist sich Schütze sicher. Der Titel seiner Dissertation lautet „Spieltraditionen, Personalstile und Signature-Licks der Rock and Roll-Gitarre. Auf der Suche nach den stilprägendsten und einflussreichsten Instrumentalparts einer Ära.“ Warum gerade dieses Thema? „Die große Geschichte der E-Gitarre hat ihren Zenit mittlerweile überschritten, sie hatte ihre Zeit in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Jetzt haben wir langsam die nötige Distanz zur Analyse“, begründet der Gitarrist seine Wahl, und: „Am amerikanischen Rock’n’Roll beeindruckt mich diese urgewaltige Kraft, Energie und Frische!“

Seine Arbeit ging dagegen sehr methodenbewusst vor. „Ganz viele Musikgeschichten drucken keine einzige Note ab, legen kein Hörbeispiel bei“, wundert Schütze sich kritisch. Auf drei längeren Recherchereisen in den USA (2004, 2007, 2011) führte er Interviews, besuchte Konzerte ebenso wie Bibliotheken. Vor allem transkribierte er 50 Musikbelege ganz genau – unter Einbeziehung von Sound und Equipment. Das Ergebnis macht Zusammenhänge, ein erklärbares Muster von musikalischen Motiven, sichtbar. Solche Analysen sind in Deutschland sehr selten. Die musikwissenschaftliche Beschäftigung mit Pop- und Rockmusik ist in musikakademischen Kreise als zu trivial nahezu verpönt, obwohl das offiziell natürlich niemand zugeben würde. Dabei hält Schütze immer wieder Vorträge auf musikwissenschaftlichen Foren und Kongressen. „In Deutschland fehlt zum Beispiel eine Professur zur Geschichte der populären Musik. Wie so vieles, was für die sogenannte klassische Musik als selbstverständlich gilt“, mahnt Schütze: „Als engagierter Musikforschender sollte man natürlich für alle Arten von Musik offen sein. Aber gerade die Beschäftigung mit der Rock- und Popmusik des 20. Jahrhunderts könnte aufgrund ihres hohen Bekanntheitsgrades der deutschen Musikwissenschaft wichtige neue Impulse geben und die Disziplin von ihrem belächelten Nischendasein befreien. Ich verstehe das als eine große Chance und möchte mit meiner Arbeit einen Beitrag dazu leisten, dass dieser Forschungsrichtung größeres Gewicht zugemessen wird.“ Und schließt mit den Worten: „Das 20. Jahrhundert ist vorbei, man kann es nun musikhistorisch aufbereiten. Es gibt viel zu entdecken!“


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2009 führten noch die „Lustigen Weiber von Windsor“ den Falstaff an der Nase herum. Das erforderte leichtfüßiges Hochleistungstraining in der Musikakademie Schloss Weikersheim.

Mozart in bester Spiellaune Junge Oper Schloss Weikersheim: Wie internationale Nachwuchssänger ins Taubertal finden von Thomas Williams / Fotos: Jeunesses Musicales Deutschland

+ Einschüchternd, gigantomanisch und vor allem: viel zu weit weg liegt die Bregenzer Opernbühne auf dem See. Über -zig Stuhlreihen hinweg bleibt der Spielwitz des Ensembles auf der Strecke. Dabei müssen Opernfans Leidenschaft für Farben und engagierte Regiekonzepte gar nicht in der Ferne suchen. Weikersheim kann es an Qualität und Stimmung leicht mit dem internationalen Reiseziel im Vorarlberg aufnehmen. Vom 21. bis zum 31. Juli spielt die Junge Oper Schloss Weikersheim „Così fan tutte“ von Wolfgang Amadeus Mozart. Die Open-Air-Vorstellungen sind das Finale des Internationalen Opernkurses der Jeunesses Musicales, eines der renommiertesten Förderprojekte des Opernnachwuchses auf europäischer Ebene – glänzender Höhepunkt im Jubiläumsjahr des musikalischen Jugendverbands, der in diesem Jahr sein 60-jähriges Bestehen feiert. Mehr als 10.000 Zuschauer begeistert alle zwei Jahre die Verbindung von hoher künstlerischer Qualität und jugendlicher Energie, die die Produktionen der Jungen Oper Schloss KulturGut 06 | Seite

Weikersheim auszeichnet. Und längst zieht das Projekt auch die Aufmerksamkeit renommierter Dirigenten und Regisseure auf sich. Mit Bruno Weil steht in diesem Jahr eine weltweit anerkannte Kapazität der Mozart-Interpretation am Dirigentenpult. Die Regie in der „Schule der Liebenden“, so der Untertitel der Mozartoper, führt Beverly Blankenship. Bereits Anfang Mai hatte sich das internationale Sängerensemble während einer ersten Arbeitsphase in Weikersheim aufeinander eingestimmt. 15 Solisten aus neun Nationen formten ein Ensemble. „Wenn es ein junges Stück gibt, dann ist es ‚Così fan tutte’!“, zeigte sich Bruno Weil inspiriert. Leicht und beschwingt ist folglich seine musikalische Interpretation, bei der in jedem Ton der Humor von Wolfgang Amadé klingt. Um sich auf der Bühne frei und mit spielerischer Leichtigkeit bewegen zu können, bedarf es neben eines Gesangstalents auch der Körperbeherrschung. Auf dem Tagesplan des Solistenensembles steht deshalb auch ein vielseitiges kreatives Training. Richtig gestützt

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lässt sich auch in schwierigen Passagen die nötige Stimmkraft mobilisieren und abrufen. In den Vorstellungen im Weikersheimer Schlosshof im Juli können die Nachwuchsstars ihr individuelles musikalisches und darstellerisches Talent voll entfalten. Die Titelpartien in Mozarts „Così fan tutte“ bieten reichlich Möglichkeiten für ausgelassene Spiellaune. Etwa die Rolle der Despina. Die Kammerzofe möchte einmal selbst die heiße Schokolade, die sie zubereitet, probieren und ihren adeligen Herrschaften so richtig eins einschenken. Gänzlich unbekümmert hingegen schlagen die feschen Offiziere Ferrando und Guglielmo schlagen auf ein unmoralisches Wettangebot ein, ihre Herzdamen auf eine Liebesprobe zu stellen. – Triumph der Tugend? In einer Oper mit dem Titel „So machen’s alle“ sollten die Herren nicht allzu sicher sein, wer sich mit wem in die Büsche schlägt! Das Publikum kann sich auf herzerfrischendes Musiktheater und eine temperamentvolle Inszenierung freuen. Für die jungen Sängerinnen und Sänger bedeutet das Engagement der Jungen Oper Schloss Weikersheim ein Sprungbrett zu einer internationalen Karriere. Ihr weiterer Weg führt an die großen Opernbühne der Welt – nach Verona oder an die Met in New York. Oder eben auch nach Bregenz…

INFOS: Junge Oper Schloss Weikersheim 2011:

Mozart, „Così fan tutte“. Premiere: 21. Juli, weitere Vorstellungen am 22. bis 24., 26., 27., 29. bis 31. Juli. Kartenbestellungen: Jeunesses Musicales Deutschland, Telefon (07934) 993636. | www.oper-weikersheim.de

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 weitere Informationen: www.kulturgut.wuerzburg.de

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Italienische Nacht

8. und 9. Juli, 19.30 Uhr, Residenz Sein Abschiedskonzert im eigenen Hause hat der scheidende Generalmusikdirektor des Mainfranken Theaters schon gegeben. Nun dirigiert er die Würzburger Philharmoniker noch einmal im Kaisersaal. Er hat einen lieben Gast dabei, Carmen Fuggis, die als Sopranistin mit dem Tenor Svetislav Stojanovic ein Duett aus Donizettis „Lucia di Lammermoor“ singt. Von Barock bis Spätromantik erstreckt sich der thematische Bogen. Mit zum Programm gehört leckeres Essen. Karten beim Mainfranken Theater und im Falkenhaus. | wwww.theaterwuerzburg.de ++++++++++++++++++++++++

Parzival

10., 17., 24. Juli, 16 Uhr, Mainfranken Theater In Würzburg war das Bühnenweihfestspiel von Richard Wagner bisher nie zu erleben. An diesen Sonntagen wird die Kooperationsinszenierung mit dem kroatischen Nationaltheater Zagreb letztmals am Mainfranken Theater aufgeführt – große Schlussvorstellung von GMD Jonathan Seers. Um 15.30 Uhr sind Einführungen, Schluss jeweils etwa 21 Uhr. | www.theaterwuerzburg.de ++++++++++++++++++++++++

6. Deutsches Chorfestival

13. bis 17. Juli, verschiedene Orte „Singen von Gottes Wegen“ wollen 3000 Kinder und Jugendliche beim Festival des katholischen Verbands Pueri Cantores. Dessen deutscher Präsident Matthias Balzer erläutert einen wesentlichen Sinn der Begegnung: „Da können auch Kinderchöre aus kleinen Gemeinden die Verkündigung in einem ganz

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anderen Rahmen als gewohnt erleben.“ Hingegen komme nicht drauf an, „wie die Fischer-Chöre einen möglichst bombastischen Klang“ zustande zu bringen. Öffentliche Auftritte gibt es am Eröffnungstag ab 17.30 Uhr mit einer Prozession von der Festung Marienberg zum Dom. Donnerstag, 14. Juli, und Samstag, 16. Juli, sind die Tage der stündlichen Friedensgebete – ein traditionelles gemeinsames Singen aus der deutsch-französischen Völkerverständigung nach dem Zweiten Weltkrieg – und der Begegnungskonzerte in den drei katholischen Kirchen St. Michael, Stift Haug und Neumünster. „In ökumenischer Verbundenheit“ hat sich dem Festival die evangelische Kirche St. Stephan angeschlossen. Der Abschlussgottesdienst wird ab 10 Uhr eineinhalb Stunden lang vom Bayerischen Rundfunk live übertragen. | wwww.chorfestival2011.de ++++++++++++++++++++++++

Hoffest am Stein

13. bis 25. Juli, 19.30 Uhr, Weingut am Stein Das einzigartige Weinfest beginnt mit einem BalkanTusch: Die Band 17 Hippies (Foto: Ma’ayan Plaut) eröffnet den Reigen täglicher Konzerte ab 19.30 Uhr für zehn Euro Eintritt. Das Betriebsgelände des Weinguts Knoll am Stein wird Party-Zone, ist aber natürlich nicht darauf zugeschnitten, dass Hunderte von Besuchern einen idealen Zublick auf die Bühne haben. Toleranz, Cool- und Openmindedness sowie Geduld sind die weichen Qualifikationen, die man mitbringen sollte. Oder schon um 17 Uhr einen Sitzplatz vorm Bühnenzelt einnehmen. Inhaber eines Festivalpasses zu 25 Euro kommen jederzeit ohne zu Warten auf den Hof. Für die Stilrichtungen des zweiwöchigen Festivals stehen die Namen der Dauergäste Salsamania (17.7.) und Soulsista (20.7.), aber auch Jazz und Funk setzen punktierte rhythmische KulturGut 06 | Seite

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Akzente. Gespielt wird bei jedem Wetter, aber bei Regen kann nicht das ganze Publikum mit einem trockenen Platz unter Dachplanen rechnen. Das Hoffest ging aus einer Fete des Jungwinzers Ludwig Knoll mit Band hervor. Heute macht er Frankenweine für die Spitzengastronomie in der ganzen Republik. www.weingut-am-stein.de ++++++++++++++++++++++++

Grande Messe des Morts

15. und 16. Juli, 20 Uhr Neubaukirche Matthias Beckerts Monteverdichor Würzburg tat sich mit den Thüringer Symphonikern Saalfeld-Rudolstadt zusammen, um Hector Berlioz’ chorsinfonisches Konzert einzustudieren. Der französische Komponist war 1837 von ausgeprägter Gigantomanie befallen. Gedacht hat er die Große Totenmesse für 210 SängerInnen und ein riesiges Orchester mit vier zusätzlichen Bläserensembles, die in verschiedenen Raumecken platziert apokalyptische Quadrophonie entfalten sollten. | wwww.hochschulchor.uni-wuerzburg.de ++++++++++++++++++++++++

Erdmöbel

5. August, 20.30 Uhr, Alter Hafen Der Hafensommer auf der Freitreppe des Fernheizkraftwerks im Rücken des Kulturspeichers – ein einzigartiges Umfeld für zeitgemäße Musik. Auf Seite 22 stellt KulturGut bereits einige Acts vor. Beispielhaft für das Gesamtprogramm sind auch Erdmöbel. Vor 15 Jahren gegründet, musikalisch höchst versiert, führt der Bandname mit seiner Schwere in die Irre. Das Leichte und Beschwingte sind vielmehr Markenzeichen des Quartetts um Sänger-Texter (und Romanautor) Markus Berger, Symboltitel könnten sein: „Krokus“, „Der blaue Himmel“ und „Das Ende der Diät“. | www.hafensommer-wuerzburg.de


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Musik |

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Dvorák, der böhmische Musiker

14. August, 17 Uhr, Schloss Langenburg Seinen 25. Geburtstag feiert heuer der Hohenloher Kultursommer. Aktive der ersten Stunde gestalten immer noch einige der mittlerweile rund 70 Konzerte, etwa der Mitgründer Prof. Petru Munteanu. Anfangs suchte der Violinist Räume für seinen Instrumentalworkshop und Wettbewerb und wurde in unserer Nachbarregion fündig. Die entwickelte gleichzeitig mit dem Schleswig Holstein Musikfestival die Idee von dezentralen Konzerten in der Provinz. Munteanus Concertino Ensemble eröffnete den Reigen damals. Schloss Langenburg kam als einer der bekanntesten Säle später mit ins Programm. Böhmische Romantik in einem Barocksaal- das erfüllt allerdings nicht ganz das Konzept des Hohenloher Sommers, Kompositionen an historisch entsprechenden Orten zu interpretieren. Beim Concertino Ensemble sind das das Klavierquartett op. 47 und das Klavierquintett A-Dur als Eckpfeiler. Die Künstler zielen darauf, Dvoráks Volksnähe und musikalische Lebensfreude neu zu vermitteln. Informationen Telefon (07940) 18348. | www.hohenloher-kultursommer.de ++++++++++++++++++++++++

Ensemble Resonanzen

20. August, 19.30 Uhr, Kreuzgang der Augustinerkirche Auf Musik der Renaissance hat sich das regional verortete Ensemble spezialisiert und beweist, dass man auch dem Krummhorn gerade Töne entlocken kann – nach Noten von Tielmann Susato, Giovanni Pietragrua, Pierre Phalèse, Michael Praetorius, Heinrich Isaak, Pierre Attaignant und anderen. ++++++++++++++++++++++++

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Tito & Tarantula

31. August, 21 Uhr, Posthalle Der Mexikaner Tito Larriva wuchs in Alaska auf, verbrachte seine Schulzeit in El Paso und hat gleich drei künstlerische Genres in den Adern: Schauspielerei, Filmkomposition, Rock’n’Roll. Mit bodenständigem Südstaatenrock und einer Prise Mexiko spielte er sich seit Ende der 90er Jahre in die Herzen der Rockfans. Auf die energiegeladene Musik der Kultmusiker aus dem Tarantino-Streifen „From Dusk til Dawn“ bereiten den Saal The Ghost Rockets aus Schweinfurt vor. | wwww.posthalle.de ++++++++++++++++++++++++

Straßenmusikfestival 10. und 11. September, 12 Uhr, Innenstadt

Das 8. Internationale Stramu ist das größte europäische Straßenkünstlerfestival ohne Bühnen. Über 300 Künstler machen die City zur Open-Air-Bühne. Auf den mindestens 20 Plätzen wollen vor allem Musiker, doch dazu auch Artisten, Jongleure und Zauberer gute Stimmung verbreiten. Erstmals dabei und weit her gereist ist das New Yorker Straßentheater-Duo The Acrobuffos, deren globale Komik bis nach Afghanistan wirkt. Die Clowns Seth Bloom und Christina Gelson wissen, wie sie ihr Publikum packen: Slapsticks bahnen den sicheren Weg zur Schadenfreude. Aber die beiden würzen das jahrhundertealte Rezept mit neuen Einfällen und Techniken, die witzig zum alten Stil passen. Auf dem Marktplatz wird an beiden Abenden die Sparda-Open-Air-Gala ausgerichtet, am Sonntag mit Vergabe des Nachwuchspreises für regionale Künstler unter 27 Jahre. Wer sich vorab akribisch auf das Festival vorbereiten will, findet dazu die besten Werkzeuge: Ab August KulturGut 06 | Seite

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veröffentlicht das Stramu einen Stadtplan, der die Künstler an ihren Lokalitäten verzeichnet. Ein Programmheft stellt jedes Ensemble in Wort und Bild vor. Die hingegebensten Besucher teilen ihren Lieblingsmusikern bereits vorab die Münzen zu, die sie ihnen dann am Tatort in den Hut werfen wollen. | www.stramu-wuerzburg.de ++++++++++++++++++++++++

Hawklord

12. September, 20.30 Uhr, Cairo Hawkwind hieß die krautrockigste aller Psychedelic-Kapellen des britischen Empire. 42 Jahre bewegter Bandgeschichte brachten nicht nur Herren wie Lemmy Kilmister hervor, sondern auch zahlreiche Seitenprojekte. Eins davon, Hawklord, stieg vor zwei Jahren noch mit den Originalkulissen aus den frühen 1970er Jahren auf Festivalbühnen. Ein kleiner Club wie das Cairo ist aber in gleicher Weise höchst geeignet, hypgnosisch-dampfende Atmo zuzulassen. | www.cairo.wue.de ++++++++++++++++++++++++

Viva Voce

30. September und 1. Oktober, 20.15 Uhr, Bockshorn „Es wird kaum noch Ensemble-Kabarett gespielt, weil in diesem Genre nur wenige Theaterleute Regie führen können“, sagt Bockshorn-Chef Mathias Repiscus. Der inszenierte nun „Kommando a capella“, die neue Show der Ex-Windsbacher Chorknaben, die Lieder witzig singen. Mit 150 Auftritten jährlich ist das Quintett eins der eingespieltesten auf deutschen Bühnen. Würzburg kommt in den Vorzug der Premierenaufführungen. | www.bockshorn.de


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Glieder in Räumen Die Bewegungskunst erobert beim Tanzfestival eine ganze Riesenhalle - wenn das Publikum mitspringt von Joachim Fildhaut / Fotos: Gleb Polovnykov

+ Vom 18. bis 23. Juli wird die Stadt Schauplatz des 1. Würzburger Tanzfestivals. Die Eröffnungsgala steigt im Großen Haus des Mainfranken Theaters, das Abschlussfest in einer wirklich großen Immobilie – in der Anlieferungshalle des Müllheizkraftwerks. Choreographien zum Wegwerfen? Weit gefehlt! Für Ballett begeistert sich der Geschäftsleiter des MHKW, Ferdinand Kleppmann, geradezu. Der kunstsinnige Entsorger steht seit langem im Gespräch mit etlichen Tanzmachern, und die haben sich bekanntlich – siehe KulturGut April 2011 – zu einem Runden Tanztisch zusammengeschlossen. Sie organisieren nun als erste gemeinsame Tat das Festival mit dem Abtanz vor der thermischen Resteverwertung. Fünfundfünfzig auf einunddreißig Meter misst der Saal. Nun ist der Sinn des Würzburgers für Industrieromantik nicht allzu blühend entwickelt, so dass die Müllwagenpassage als Kulturtempel auf Akzeptanzschwierigkeiten stoßen könnte. Aber: „Wir werden die Anlieferungshalle nicht zum Theater umbauen“, erklärt Projektleiter Dirk Elwert. Und wie nehmen die Würzburger Körperkünstler die Herausforderung des massigen umbauten Raumes an? Elwert verweist auf die „sehr, sehr kurze Vorbereitungszeit“ der Festspiele zum Spielzeitende des Mainfranken Theaters. Deren Ballettchefin Anna Vita räumt denn auch ein, der dichte Festivalkalender habe es nicht erlaubt, den Mitgestaltern der MHKW-Tanzballs die Aufgabe zu stellen: Entwerft eine neue Choreographie, die mit der Größe des Raums spielt!

Hintergrund ausgrenzen. Dirk Elwert winkt ab: „Wir brauchen eine erhöhte Plattform nur, um Sichtverhältnisse zu schaffen.“ Und das nicht nur zum passiven Tänzerbeinegucken. „Komm, tanz mit mir“ heißt der Abend nämlich. Vom Podium aus regen Tänzer und Musiker die Gäste auf der weiten Fläche zum Mitmachen an. Tanzspeicher-Chef Thomas Kopp erläutert: „Die Leute bekommen von den Künstlern eine Idee von dem Tanzstil, und dann können sie einsteigen.“ Den Namen „Bal moderne“ führt das Programm im Untertitel. Da soll den Besuchern das Hiphoppen nahegebracht werden, Calinhos Bata will zu Salsa animieren, und die Trommelgruppe Tadoriki, die den Ball um 17 Uhr eröffnet, wünscht sich mitpercussionierende Frankenhände. Dass die Würzburger mitmachen, davon geht Kulturamtsleiter Johannes Engels aus. Er berichtet von Anrufern, die sich in seinem Büro erkundigen, wo man denn mal bei Tanztheateraufführungen als Laie mitmachen könne. Thomas Kopp sekundiert, es gebe sogar einen Fachbegriff für solches bürgerschaftliches choreographisches Engagement: community dance. Für die Kunstform Tanz gebe es „in Würzburg nur bedingt Aufführungsmöglichkeiten“, bedauert Kulturreferent Muchtar Al Ghusain: „Eigentlich ist das Große Haus des Mainfranken Theaters der einzige Ort.“ Das wird an diesem Abend anders sein.

INFOS: An der Abschlussveranstaltung

„Komm, tanz mit mir“ am Samstag, 23. Juli, 17 bis 23 Uhr in der Anlieferungshalle des Müllheizkraftwerks sind alle Institutionen beteiligt, die das Festival „Würzburg tanzt“ miteinander ausrichten. Sechs Stunden dauert das Begängnis, auch „bal furioso“ genannt. Fünf Mark Eintritt kostet’s, und zwischen Residenz und Gattinger Straße verkehren bis 23 Uhr Shuttle-Busse. Weitere Hinweise auf der Seite „Service Theater“. Das Gesamtprogramm verzeichnet

Eine kam durch Auch ohne Auftrag: Christiana Wagner-Schneider lässt ihr zwölfköpfiges Nana-Tanzensemble den „Jumping Place“ tanzen. Sehr bewusst hat die Choreographin die Chance genutzt, die schräg anlaufende Rampe mit in ihr Spiel einzubeziehen. Und Anna Vita stellt ein weiteres Medium in Aussicht, um den Raum in seinen beeindruckenden Dimensionen auszunutzen: „Es wird starke Lichteffekte geben.“ Konzentrationspunkt der Darbietungen wird allerdings ein Podest sein. Das soll jedoch keine kleinere, überschaubare Bühne aus dem breiten KulturGut 06 | Seite

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Die Anlieferungshalle des Müllheizkraftwerks steht für die Abschlussgala bereit: Rampensäue sind hochwillkommen!

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Soliman

1., 6., 7. Juli, 19.30 Uhr, Mainfranken Theater Hautfarbe, Geschlecht, Nation, Klasse – die Bedeutung dieser Elemente wird dem Menschen von der Gesellschaft künstlich eingeschrieben, so die zeitgemäße Botschaft der Ludwig-Fels-Adaption, die an dem Abend Premiere hatte, als die Jury der Bayerischen Theatertage die Würzburger Stadtbühne für das mutigste Programm auszeichnete. Die Inszenierung der vielgefragten Opernregisseurin Eva-Maria Höckmayr kombiniert sehr einfache und höchst diffizile Formen und Bewegungen miteinander – stilistisch neu und immer stimmig. Sie schafft Bilder, die bleiben. Den recht banalen Plot fängt sie mit einer Flucht nach vorn auf, indem sie das Karikierte der Figuren zum Holzschnittigen weitertreibt. Dabei wechseln die Schauspieler permanent die Masken und damit die Figuren – und schaffen damit in einigen Einzelfällen wirklich berührende Theatermomente. Trotz vorzüglicher Musik fällt das Ergebnis nicht unter kulinarisches Theater, „Soliman“ unterhält auch nicht, sondern skizziert ein Thema für künftige Fragestellungen. Der Theatertage-Preis wurde gleich noch einmal verdient. | www.theaterwuerzburg.de ++++++++++++++++++++++++

Der Glöckner vom Käppele 7. Juli bis 15. August, 20.30 Uhr, Schützenhof

Eine Zeitreise ins Jahr 1750 unternimmt die Eigenproduktion wichtiger Würzburger KabarettistInnen mit Wurzeln in TBC und Neunerplatztheater: Birgit Süß, Heike Mix, Georg Koeniger und Florian Hoffmann. Das Erfolgsrezept der Sommertheatermacher: Man nehme sich zwei Jahre Zeit und zweierlei Bekanntes, nämlich unterfränkische Regionalia, um

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Seitenhiebe drauf zu landen, und große Songs, um sie originell neu zu betexten. Häufig gelingt es dem Team, die Lieddarbietungen in den Handlungsablauf einzuflechten. Das ist umso erfreulicher, als die Vielzwecktalente auf der Bühne musikalisch ein recht hohes Niveau vorlegen. Heuer wagen sie sich zum ersten Mal an einen fast durchgehend historischen Stoff – den sie naturgemäß wenig originalgetreu behandeln. ++++++++++++++++++++++++

Feuergesicht

9. bis 30. Juli, 20 Uhr, Werkstattbühne Marius von Mayenburg entwickelt in seinem KleistFörderpreis-gekrönten Stück unerbittlich eine Konsequenz: Kinder lehnen die Erwachsenenwelt ab und würden eher töten, als selbst erwachsen zu werden. Dabei sind die Eltern von Kurt und Olga ausgesprochen liberale Vertreter ihrer Gattung. Thomas Lazarus richtete das Stück für die Kellerbühne in der Rüdigerstraße ein. | www.werkstattbuehne.com ++++++++++++++++++++++++

Würzburg Ballade

9. bis 30. Juli, 20 Uhr, Plastisches Theater Hobbit Zum Stadtjubiläum 2004 schrieb P. K. Steinmann – Lehrer von Hobbit-Chefin Jutta Schmitt – sein letztes Stück, eine atmosphärisch aufgeladene Liebesgeschichte vor dem Hintergrund des Baus der Alten Mainbrücke. Das Mittelalter wird durch geschnitzte Spielfiguren eingefangen, deren Bewegungsmechanismus teilweise offen sichtbar ist. Was man mit ein bisschen Phantasie aber rasch vergisst… | www.theater-hobbit.de

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Lulu

12. bis 16. Juli, 20.30 Uhr, KHG Frank Wedekind brachte 1895 / 1904 in zwei Teilen sein Skandalstück über die Gesellschaft heraus, die sich eine schöne Frau „hält“, so dass es mit jedem und schließlich mit jeder den Bach runtergeht. In Würzburg zeichnete das Mainfranken Theater vor einigen Jahren die Zentralfigur als Projektionsfläche von Männerphantasien. In der Regieauffassung der Laienbühne ist Lulu „ein aktuelles, zeitgemäßes Geschöpf, das sich in den neu entstehenden Konstellationen geschickt zurechtzufinden weiß“. | www.khg-theater.de ++++++++++++++++++++++++

Würzburg tanzt!

18. bis 23. Juli, verschiedene Orte Die letzten Tage vor der Sommerpause nutzt das Mainfranken Theater, um hier zwei Abende des neuen Tanzfestivals zu geben: die Eröffnung mit drei bayerischen Gastcompagnien und tags drauf den Schultanztag, bei dem ebenfalls Truppen aus dem ganzen Bundesland anreisen – die weiteste von Bad Tölz. Ganz offene Darstellungsformen mit unangekündigten Tänzern in Geschäften und auf den Plätzen hat’s, einmal werden von spätnachmittags bis abends Kirchen bespielt, und sogar mit den strengen Sicherheitsauflagen des Gerichts konnten die Macher vom Runden Tanztisch umgehen, damit der „Behördentanztag“ eine illustre Örtlichkeit aufweise. Über die Veranstaltungen im – vielerorts ausliegenden - Flyer hinaus erklingt am 21. Juli ab 19 Uhr im Theater in der Bibrastraße (Musikhochschule) der „Tanz der Sirenen“, ein Performance-Konzert mit Live-Elektronik über „Imaginationen und Psychogramme“ nach der Odyssee. Die Bereicherung ist vielseitig. Siehe Seite 32. | www.tanztisch-wuerzburg.de


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Bockshorn-Festival

26. bis 31. Juli, 20.15 Uhr, Spitalgarten Aub Die ersten zwei Abende gehören dem Dreggsagg Michl Müller, ein schwadronierender Franke, der seine Welteinsichten mit Liedern auflockert. Ihm folgt Günter Grünwald mit einem Best Of früherer und neuer Nummern. „Fragil“ heißt das aktuelle Programm von Django Asül (29. Juli), der sich trotz seiner Niederbayerischkeit einen reservierten, gleichwie türkischen Blick auf die bundesrepublikanische Wirklichkeit erhalten hat. Sein Motto „Leicht ist das Leben nicht, aber lustig“ trifft auch auf die folgende Künstlerin zu, Lizzy Aumeier (17 Uhr!). In ihrem „Divenrausch“ performt die Lizzy mit dim Kintribiss „musikalische Körpercomedy“ zum Thema Frau und Mann. Das Festival endet mit einem A-CapellaKonzert. | www.bockshorn.de ++++++++++++++++++++++++

Der Keil

28. bis 31. Juli, 3. bis 6. August, 17 und 20 Uhr, Sommerbühne des Theater Ensemble Der Keil kommt für Kinder und kindische Menschen nach Würzburg zurück. Die emigrierten Dilettantismusvirtuosen scharten in ihrer Wahlheimat Leipzig dortige Theaterkräfte mit ähnlich aufgeschlossenen Ideen um sich. Für Zuschauer ab acht Jahren gibt es „Lille Holzbein und das mit den Knöpfen“. Homer Berndl schrieb das Piratenstück über die kleine Lille, die „etwas hat, das viele Piratenkapitäne vor Neid erblassen lässt: ein Holzbein“, so Berndl. Aber damit ist Lille nicht glücklich. Die Abende nutzt Keil, der selbsternannte „Zirkus der sieben Sensationen“, um seine eigene Lesart des „Don Juan“ vorzustellen. Wer Sinn für Bizarrerie und

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vielleicht gar die Abschiedsvorstellung des Keil mit „Leonce und Lena“ gesehen hat, weiß, dass er sich an einem Abend mit wärmender Kniedecke versehen und den Weg in die Frankfurter Straße finden muss. | www.derkeil.com ++++++++++++++++++++++++

Räuberbande-Schulszenen 29. Juli bis 28. August, 20 Uhr, Theater am Neunerplatz

Zum 50. Todestag des Würzburger Schriftstellers Leonhard Frank klopfte Autor und Regisseur Frido Müller das Schulthema in dem Jugendroman auf seine Aktualität ab. Angst vor dem überstrengen Lehrer scheucht die Boys aus der Hood auf die Festung, in die Gänge… Müller sagt über das Gegenwärtige in dem fast 100-jährigen Roman: „Die Bande will gemeinsam Grenzen überschreiten, sich profilieren und produzieren, und am Ende steht die Ungewissheit, wie weit die Freundschaft trägt.“ Die Partnerschaft zwischen den alten Knaben Sven Höhnke (Bühnenbild) und Wolfgang Salomon (Musik) bewährt sich jedenfalls auch in dieser Produktion. | www.neunerplatz.de ++++++++++++++++++++++++

Illusionen einer Ehe

bis 13. August, Torturmtheater Sommerhausen Können wirklich nur Franzosen derart präzise Boulevardkomödien bauen? Eric Assous gelang das wieder hervorragend. Und die Sommerhausener Besetzung entließ drei Schauspieler in ihr Element: Philipp Weiche gab den treibend getriebenen VerlegenheitsDon-Juan, Irene Rovan die geheimnisumwehte Gattin und Uwe Kosubek den handwerkerhaften Dritten und besten Freund. Die Aufführung lässt sich auch KulturGut 06 | Seite

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mit großem Gewinn hören, so gut arbeitete Regisseur Oliver Zimmer mit den Stimmen. Requisite und Bühnenbild sind wieder einmal so spartanisch wie selten zuvor. „Illusionen einer Ehe“ ist nicht nur beim ersten Sehen spannend, nämlich in dem Sinn, ob sich das Ehepaar am Ende „kriegt“. Es ist auch anregend, nachzuverfolgen, wie sich der zusehends vielfältige Plot aus einem einzigen Motivpunkt heraus speist. Und dabei nebenbei ganz sachte an philosophische Grundfragen kratzt… | www.torturmtheater.de ++++++++++++++++++++++++

8. Internationale Tanztage 3. bis 18. September, verschiedene Orte

Eine Weltkarte des Tanzes rollt die Tanztage-Macherin Mercedes Arguisuelas auf und pickt sich Dozenten für ethnisch geprägte Stile heraus. Aber auch zeitgenössischer Tanz ist ein Schwerpunkt dieser Workshop-Reihe. Anmeldung erforderlich: | www.salon77.de ++++++++++++++++++++++++

Theaterfest

17. September, 11 Uhr, Mainfranken Theater Ausschnitte aus künftigen Auf- und Rundführungen durch die Werkstätten bringen das Mainfranken Theater und eine interessierte Bürgerschaft einander näher. Bei Besuchen hinter den Kulissen wird anschaulich, was mit Sanierungsbedarf gemeint ist. Siehe unser Titelthema! | www.theaterwuerzburg.de ++++++++++++++++++++++++


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Von Schlafzimmerwänden „August Macke ganz privat“ im Kulturspeicher von Joachim Fildhaut

+ Richtig große Ausstellungssäle lassen den Besucher wissen: Derartige Räume gehören zum Erlebnis einer Metropole. Wer dagegen durch den Würzburger Kulturspeicher wandelt, mag sich zwar gelegentlich ein echt gewaltiges Format als Leihgabe wünschen, sieht jedoch das Unpassende seines Ansinnens rasch ein. Vor allem wird er sich nicht erinnern, in den Sonderausstellungssälen der städtischen Galerie jemals Exponate gesehen zu haben, die den Rahmen des Gegebenen sprengten. Die gegenwärtige Schau „August Macke ganz privat“ sähe man nun sogar ungern in größeren Sälen als den beiden hiesigen. Die spielen ihre Reize kabinettmäßig aus und umfangen den Betrachter gemeinsam mit den Bildern, die entweder das Familienleben der Mackes festhalten und aus Familienbesitz stammen oder aber durch ihre Beiläufigkeit und Skizzenhaftigkeit zeigen, dass sie (noch) nicht im Gedanken an eine größere Öffentlichkeit entstanden sind – oder alles drei. Viertens spielt das Wohndesign eine Rolle. Auch die Landschaften, die man sich am ehesten auf dem zeitgenössischen Kunstmarkt vorstellen könnte, sind eher in intimem Rahmen gehalten – und geben naheliegenderweise Impressionen von Reisen des Künstlers wieder. Kurz: Die Bilder halten treu, was der Titel verspricht. Und die architektonischen Voraussetzungen der Präsentation in Würzburg stimmen eben auch aufs berückendste. „Sehr, sehr glücklich“ ist denn auch Museumschefin Dr. Marlene Lauter mit der Sonderausstellung, die 2009 erstmals in Stade hing: Davor waren die Exponate weitgehend unbekannt. 17 Jahre ist es mitlerweile her, dass die Kunsthistorikerin Ina Ewers-Schultz über den rheinischen Expressionismus promovierte. Feldforschungen führten sie in die Häuser der Macke-Nachkommen, und die Wissenschaftlerin hinterließ einen guten Eindruck. Denn als sie im neuen Jahrtausend die Bilder zu „Macke privat“ zusammenstellte, ließen die Enkel EwersSchultz „in die Schlafzimmer und in die Besenkammern. Ich durfte mir für die Ausstellung von den Wänden nehmen, was ich wollte“. Einen der vier Enkel gewann sie als Mitautor des Katalogs. KulturGut 06 | Seite

Gesamtkunstwerk mit Verzierung „Schule mochte er nicht. Ihn hat nur Kunst interessiert.“ Die radikale Haltung ihres Helden spiegelt sich in den kantigen Wörtern der Ausstellungsmacherin bei einem Würzburgbesuch. Schon mit 16 Jahren, 1903, war Macke künstlerisch ziemlich auf der Höhe seiner Zeit. Aber, so Ewers-Schultz: „Man sieht in der Ausstellung, dass er mit Ideen wie der, nur mit Farbe zu arbeiten, bei seinen Versuchen immer wieder an seine Grenzen stieß.“ Beim Wandern zwischen den Bilderwänden teilt die Kunstgeschichtlerin etwas von der Gewalt des Umbruchs um 1900 mit – und über die Medienlandschaft. So hätten August Macke und Franz Marc die französischen Impressionisten zunächst nur von Schwarzweißfotos gekannt, aber „gefühlt, dass alles, was 500 Jahre lang zählte, plötzlich nicht mehr galt.“ Um beim Neuen mitzuwirken, brachen die Künstlerfreunde nach Paris auf. Die Abfolge der Gemälde zeigt, wie sich Macke in und nach Paris von der Form befreite, aber der Familie zuliebe wieder ins Figurative zurückfiel, Frau, Kind, Freunde privat skizzierte, souvenirtaugliche Ansichten schuf. Und sogar Rokokoverzierungen im Auftrag einer Porzellanmanufaktur?! Ina Ewers-Schultz nimmt Macke vor dem Vorwurf in Schutz, er sei dem Reiz des Dekorativen erlegen: „Er hatte die Idee von der Kunst im Leben, vom Gesamtkunstwerk. Es war ihm wichtig zu zeigen, dass er keinen Unterschied zwischen Kunst und Kunsthandwerk macht. Es ging ihm um die Gestaltung der Lebenswelt.“

INFOS: bis 17. Juli, Führungen sonntags 11.15 Uhr.

Wegen der großen Nachfrage hält KulturGut-Autorin Liane Thau am 17. Juli um 15 Uhr eine zusätzliche Führung. Öffnungszeiten: Di., 13-18 Uhr, Mi., Fr.-So. 11-18 Uhr, Do. 11-19 Uhr.

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Mauern verbinden Das Würzburger Kunstschiff Arte Noah stellt Andrea C. Hoffer aus von Joachim Fildhaut

+ Wer mag in solch einem Zimmer wohnen? fragt sich vierzehnmal, wer die neuen Bilder (14) im Kunstschiff am Alten Hafen abschreitet. Dargestellt findet er die Bewohner nicht, oder eben nur indirekt, durch die Dinge, mit denen sie sich umgeben. Über die könnten sich unsere imaginären Gastgeber gut austauschen. Denn Andrea C. Hoffers Interieurausstatter lieben gemusterte Heimtextilien, Bilder und Statuen, Kristalllüster und teilen vor allem eine Neigung zu Pflanzlichem. In dem Maß, wie der Betrachter die Arrangeure persönlich näher kennen lernt, verwandeln sich die Räume in Seelenlandschaften, in die Ichs dieser Menschen, die dem alten romantischen Topos folgend durch Fenster in die reale Welt draußen blickten. Heute wird ihnen das allerdings durch die wahre Schöpferin Andrea C. Hoffer verwehrt. Denn: Ist das Fenster oder Fototapete, was man da sieht? Dem Leser hilft es nur scheinbar weiter, dass eine Steckdose auf der fraglichen Fläche signalisiert: Es ist Wand! Denn wer sollte sich solch eine grobe Landschaftszeichnung bis zur Zimmerdecke ins Wohnzimmer kleben? Außerdem traut man dem ersten Augenschein sowieso längst nicht mehr: Zu flächendeckend hat es Hoffer darauf abgesehen, die Unterschiede zwischen den Dimensionen zu verwischen. Draußen ist so wenig draußen, wie unser Alltagsbewusstsein es im Normalzustand wahrnimmt. Nur dass der Museumsbesuch eben nicht Alltag ist…

Eine Bühne für Pigmente Die zuletzt skizzierte Blickachsenkonstruktion ist nur eins der Gegensatzpaare, die Hoffers Werk umspannen. Spießig versus exotisch lässt sich ebenso in Anschlag bringen wie Kultur gegen Natur. Die erwähnten Pflanzen wuchern auf allen denkbaren Ebenen, als Dekor, Vorder-, Hintergrund, aus Vasen ebenso wie als völlig ortloses Ornament. Das Gezweig in dem Werk „Durchgang“ (Foto links unten) hat die Künstlerin souverän willkürlich gesetzt. Andere Ranken ziehen ein abstraktes Muster über die Leinwand. Und Übergänge sind zahlreich, als erobere sich die Natur verlassene menschliche Innenräume zurück. Aber, fragt sich dann: Wie kommt „die Natur“ in den Menschen? „Das Zimmer der Reiterin“ (großes Foto) hat eine Konturkontrastlinie, die sich unmotiviert in den Raum hinein fortsetzt. Das GittermusKulturGut 06 | Seite

ter des Deckchens in „Die Heilige Familie im Wohnzimmer“ knarzt vor Steifheit. Gerade solche scheinbaren Fehler lassen sich jedoch immer ins Bildganze einordnen. Und da weisen sie auf das gekonnt Kalkulierte hin. Die gebürtige Bottroperin absolvierte die Düsseldorfer Kunstakademie, zuletzt als Meisterschülerin von A. R. Penck. Wichtiger als das Renommee dieser Anstalt: An eben derselben studierte Andrea C. Hoffer zunächst einmal Bühnenbild, was sie Anfang der 1990er Jahre schon am Theater gelernt hatte – und davor Schneiderin. Ihre Motive sammelt sie denn auch bis heute im Theater, im Kino und bei Freunden. Mit diesen Vorbildern im Kopf malt sie ohne Vorzeichnung, organisch lässt sie ihre Bilder wachsen und verwischt und verwäscht dabei gern Inventar, das eben noch eindeutig schien. Auf saugendem Nessel mischt sie Tempera, Öl und Acryl: Damit muss man erstmal umgehen können! Auf keinem der Resultate verkommt Hoffers Hantieren mit textilen bis gläsernen Versatzstücken jemals zur Masche. Immer wieder treibt sie auch ein Forschungsinteresse, wie sich Bildfläche mit diesen – nun plötzlich inhaltlich unbedeutenden – Motiven autonom gestalten lässt. So dominieren jedes Gemälde andere Elemente: der Lichtraum, das zeichnerische Gerüst, Farbkontraste, die Fläche als solche und in „La Fortune’s Place“, wo die sonst so transparenten Farben außergewöhnlich opak auftreten: das Pigment. In Düsseldorf hat Andrea C. Hoffer immer noch ein Atelier, in ihrer karibischen Wahlheimat auf Tobago noch eins – mit zwei offenen Wänden.

INFO: Die Ausstellung „Raum“ von Andrea C. Hoffer ist bis 3. August mittwochs bis samstags von 15 bis 18 Uhr, sonntags von 11 bis 18 Uhr geöffnet. Eine Führung findet am 31. Juli um 11 Uhr, die Finissage am 3. August um 19 Uhr statt.

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Erwarte Spiele Niki de Saint Phalle in der Kunstsammlung W端rth von Liane Thau / Fotos: Niki Charitable Art Foundation

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+ Wer sich dieser Tage der Kunsthalle Würth nähert , den begrüßen schon im Vorfeld von allen Seiten die farbenfrohen und glitzernden Vorboten der Ausstellung „Spiel mit mir”. Da balanciert eine weibliche Gestalt, leuchtend blau mit goldener Schärpe, auf einem verspiegelten Ei, um das sich eine farbenfrohe Schlange windet. Die Plastik aus Polyester mit dem Titel „Le Monde” macht, um die eigene Achse tanzend, dem ehrwürdigen Turm der Katharinenkirche Konkurrenz. Ein riesiger bunter Bär mit Löchern zum Durchgucken - in erster Version für einen Spielplatz in Jerusalem geschaffen – schaut hinüber zu einem Säulenportal mit Goldschmuck. Den verglasten Hof der Kunsthalle schließlich hüten zwei riesige liegende „Löwenwächter”, ganz mit farbigem Mosaik und Kieselsteinen gefasst, eine witzige Mischung aus Antonio Gaudìs Güellpark und antiken Löwendarstellungen. Aus dem gleichen Fundus stammt der grüne Nikigator: ein Mosaikkrokodil, an dem man vorbei muss, bevor man die Kunsthalle betreten darf! Man fühlt sich passend zum Titel der Ausstellung wie auf einem besonders artifiziellen Spielplatz oder zwischen Relikten eines Volksfestes. Diese Objekte, die alle aus ihrem letzten Lebensjahrzehnt stammen, bilden einen heiteren und viel versprechenden Auftakt für die umfangreiche Darstellung des Lebenswerkes der französischen Künstlerin Niki de Saint Phalle.

Dunkle Seiten einer Farbenfröhlichen Den Kunstsachverständigen um den Industriellen und Kunstmäzen Reinhold Würth ist es gelungen, eine große Retrospektive mit Gemälden, Assemblagen, Schießbildern, Plastiken und Installationen zusammenzustellen. Die von Guido Magnaguagno, dem ehemaligen Direktor des Museum Tinguely in Basel, in Zusammenarbeit mit Bloum Cárdenas, der Enkelin der Künstlerin, kuratierte Schau mit ca. 150 Werken wird ergänzt durch exemplarische Werke ihres Lebensgefährten Jean Tinguely und Bilder ihres ersten Lehrers Hugh Weiss. Sie reicht von ihrem malerischen Frühwerk bis zu den späten Skulpturen und schließt auch ihre Filme ein. „Spiel mit mir” ist nicht nur der Titel eines frühen Gemäldes, in dessen bunte Fröhlichkeit von allen Seiten bedrohliche Schatten eindringen, sondern eine Aufforderung an den Homo ludens in uns, denn wie schon Schiller wusste – ist der Mensch „nur da ganz Mensch, wo er spielt”. Tatsächlich tut man gut daran, seine vielleicht verschütteten kindlich-kreativen Seiten zu aktivieren, wenn man das Werk von Niki de Saint Phalle begreifen will, wobei die Nachtseiten von Kindheit, die Ängste und das Grauen, das das Ausgeliefertsein an eine unbegreiflichen Welt auslöst, überall aufscheint. Als Ende der 60er Jahre die ersten „Nanas” ans Licht der Öffentlichkeit traten, diese archaischen Muttergottheiten ähnlichen knochenund wirbellosen Wesen, waren sie in ihrer unbekümmerten, fülligen Weiblichkeit und ihren fröhlichen Farben geradezu Zeitzeichen für viele Bestrebungen jener Jahre. Die Nanas wurden zur Ikone der Frauenbewegung, ja zum Symbol menschlicher Emanzipation überhaupt – sie taugten als Fanal zur Selbstverwirklichung ebenso wie als Vorboten eines neuen Matriarchats und als Gegenentwurf zu den vermufften Talarträgern der letzten 1000 Jahre. Jung, bunt, scheinbar leicht verständlich und unkompliziert vertraten die Nanas eine Kunstauffassung, die sich wohltuend von der ach so abstrusen und wilden Kunst jener Tage, von Abstraktion und Konkretion, von Happening und Installation unterschied. Auch Leute, die mit Kunst wenig am Hut hatten, kannten die Künstlerin mit dem eigenartigen Namen und ihre fröhlich-anarchischen Geschöpfe.


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Nikis Motive: Auf Seite 41 ein „Family Portrait“ (1956), oben eine Nana von 1999, rechts das titelgebende Ölbild aus dem Jahr 1954, „Spiel mit mir“.

Dabei begann alles ganz anders! „Mit der Malerei fing ich an, als ich wegen eines Nervenzusammenbruchs im Alter von 22 Jahren in der Klapsmühle war. Dort entdeckte ich das schwarze Land des Wahnsinns und seine Heilung, durch Übersetzung meiner Gefühle, Ängste und Hoffnungen in meine Arbeit”, erzählt die Künstlerin in ihrer Autobiografie. Geboren wird Catherine Marie-Agnès Fal de Saint Phalle auf einem Schloss in Neuillysur-Seine bei Paris. Die Kindheit ist geprägt vom Wechsel der Erzieher, der Schulen und der Wohnorte und von einem schwierigen Verhältnis zum Vater. Rasch aufeinander folgen der Beginn einer vielversprechende Karriere als Mannequin, eine frühe Heirat mit dem Schriftsteller Harry Mathews und die Geburt einer Tochter. 1953 erleidet Niki de Saint Phalle einen schweren Nervenzusammenbruch und entdeckt die Malerei als Weg zur Heilung – nicht anarchische Fröhlichkeit oder der Eros zur Kunst standen am Anfang ihres Schaffens, sondern Kunst als Therapie.

Männer der Vergangenheit Die Ölbilder der nächsten Jahre enthalten bereits alle Motive ihres Lebenswerks: Gärten, Schlösser und Kathedralen, Fabelwesen, Kinder, ja schon die Nanas sind zu erkennen. Nur auf den ersten Blick naivkindliche Bilder enthüllen das Innenleben einer junge Frau, die sich ihre Verletzungen und Obsessionen von der Seele malt und um Lebensfreude ringt: spielende Kinder sind von Ungeheuern und Gespenstern umzingelt, selbst der Mond wird zum Monstrum, zerbrochene Teller, Messer und Rasierklingen, in Gips gebettet, verweisen auf den Scherbenhaufen des eigenen Lebens. Vorbilder sind die Vertreter der Art brut, vor allem der von ihr bewunderte Willem de Kooning, und die Nouveau Réalistes mit ihren aus Alltagsgegenständen zusammengesetzten Assemblagen. Deutlich zu erkennen ist der Einfluss von Robert Rauschenbergs surrealen Objekten und Jackson Pollocks Action KulturGut 06 | Seite

Painting, aber auch der Belgier James Ensor mit seiner Welt der Masken und Dämonen dürfte ihr bekannt gewesen sein, wie das zwiespältige Gemälde „Das Fest” zeigt. Leichthändig hat sie aus der Kunstgeschichte das ihr Gemäße gepflückt und zu einem eigenen Kosmos geformt. Als in den 60er Jahren Jean Tinguely in ihr Leben tritt, nimmt er Einfluss auf ihr Schaffen. Es entstehen mehrere gemeinsame Werke, darunter wie der Strawinsky-Brunnen in Paris. Schwäbisch-Hall zeigt einen gemeinsam konstruierten Maschinenmenschen. Die Schießbildern– mit Farbbeuteln präparierte Reliefs, auf die sie mit Gewehren schießt – sind gleichzeitig Befreiungsakt und Protest gegen gesellschaftliche und politische Zustände der 60er Jahre. Mit ihnen schießt sie sich auch in das Bewusstsein der auf Spektakuläres begierigen Kunstszene und Öffentlichkeit. Den Assemblagen und Reliefs folgen erste plastische Arbeiten, die sich auf mehrdeutige Weise mit der weiblichen Existenz beschäftigen. Morbide und fragile Bräute, Herzen und Köpfe, aus einem Sammelsurium von Haushaltswaren, Spielzeug und tierischen Objekten zusammengesetzt, erzählen von den Zweifeln und Ängsten, die die gesellschaftliche Rolle der Frau in ihr auslösen. Es sind Chiffren ihrer selbst, doppelbödige, symbolische Bildwelten, in denen sich Poesie und Schönheit ebenso finden wie Schmerz und Trauer.

Dann kam Nana Nach ersten Nanas aus Stoff und Wolle, die Frauen wie Ungeheuer erscheinen lassen, entwickelt Niki de Saint Phalle ihre zuerst immer noch monströsen, jetzt aber bunten Polyesterfiguren, die erst im Laufe der Jahre eine Versöhnung mit der eigenen Weiblichkeit zeigen und beweglicher, graziöser und fröhlicher werden. Nun darf Frau tanzen und spielen, zur Freiheitsstatue und Göttin werden. Eine der schönsten, die schwarze Mosaik-Nana, ist im Besitz der Sammlung Würth. In einem weiteren Schritt entmaterialisiert Saint Phalle ihre weiblichen Wesen, zeichnet sie mit Polyester in die Luft. Ab und zu taucht nun

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Innen und Außen spielen in die Inszenierung herein.

auch ein Mann in ihrem Werk auf, zwar meist in undankbaren Rollen als Gehängter oder Narr, so doch auch als Neuer Mann, der aber dort, wo weiland ein Feigenblatt saß, einen mit spitzen Zähnen bewehrten Rachen öffnet. Phallische Obelisken in allen Größen sind ebenso bunt mit Mosaiken und Spiegelscherben verziert wie indianische Totems, die mit Vögel- und Stierköpfen und magischen Augen den Betrachter halb beschwören und halb belustigen. Zeichnungen und Grafik begleiten das gesamte Werk. Auch sie sind in der Kunsthalle zu sehen, in reichem Maße – vielleicht ein bisschen des Guten zu viel. Manches leidet unter der Wiederholung. Was vereinzelt originell und kostbar wirken mag, verliert so bisweilen seine surreale Magie.

Todesschwester Polyester Die rebellische und emanzipatorische Wirkung der Nanas ist heute nur noch Erinnerung – spätestens seit Niki de Saint Phalle auch Nana-Vasen entworfen hat. Noch heute wird sie in der breiten Öffentlichkeit mit ihnen gleichgesetzt. Gerade diese Nanas und der Wunsch, sie möglichst groß darzustellen, haben Niki de Saint Phalle das Leben gekostet. Als sie anfing, mit Polyester zu arbeiten, wusste man noch wenig über die Gefahr der ausströmenden Dämpfe. Schon 1968 musste sie erstmals wegen Atembeschwerden behandelt werden. 1974, in dem Jahr, als sie in Hannover drei gigantische Nanas installierte, ist das Lungenleiden schon manifest, an dem sie im Jahr 2002 sterben wird. Ihr letztes großes Projekt, La Grotte, eine glitzernd und bunt ausgestattete Grotte in den barocken Herrenhäuser Gärten bei Hannover, wird nach den Plänen der Künstlerin nach ihrem Tod vollendet. INFOS: Öffnungszeiten: tägl. 11-18 Uhr, Eintritt frei!

Die Ausstellung ist bis 16. Oktober zu besichtigen. | www.kunst.wuerth.com

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Kunst |

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Exemplum virtutis

1. Juli bis 2. Oktober, Martin von Wagner-Museum In der Gemäldesammlung kuratierten Kunstgeschichtsstudenten eine Ausstellung um zwei Historienbilder Giambattista Tiepolos. Weitere Graphiken und Gemälde haben Bezug zur Entstehung der beiden Werke sowie zum Leben Tiepolos in Würzburg. Die kollektive Seminararbeit kann sich auch als Ausstellungsarchitektur sehen lassen! Dazu erschien ein wissenschaftlicher Katalog. Entgegen dem theoriebasierten Studium forderte das Seminar viel Eigeninitiative, z.B. für das Einwerben von Sponsorengeldern. „Im Fokus“ nennt sich die Ausstellungsreihe, die künftig weitere Künstler thematisieren soll, um auch anderen Studierenden die Möglichkeit zu bieten, in einem der wichtigsten Universitätsmuseen Europas den Alltag eines Kurators praktisch zu erkunden. | www.fokus-kunstgeschichte.de ++++++++++++++++++++++++

Tage des offenen Ateliers 2. bis 3. Juli, 14 bis 19 Uhr, verschiedene Orte

Schauen, Staunen, Kennenlernen - mehr als 50 bildende KünstlerInnen in und um Würzburg herum öffnen wieder für zwei Tage ihre Werkstätten und Ateliers dem Publikum. | www.wuerzburg.de ++++++++++++++++++++++++

Innocence

9. Juli, 17 Uhr, Spitäle Tanz-, Wort- und Musik-Performances sind für die in Schweinfurt lebende Konzeptkünstlerin Petra Blume Bestandteil ihrer Kunstwerke. An ihrer aktuellen

Termine |

multimedialen Installation arbeiteten 18 KünstlerkollegInnen mit. An diesem letzten Abend beteiligen sich am Werk „Innocence“ die Tänzerin Lisa Kuttner und die dichtende Philosophin Bettina Schmitz mit ihrer Tanz-Text-Performance „hinten runter gefallen – für lilith“, einer Unheiligen-Litanei für alle verleumdeten, verfemten und verfolgten Frauen dieser Erde. | www.blume-art.de ++++++++++++++++++++++++

Manga-do

10. Juli bis 4. September, Siebold-Museum Manga und Anime sind heute fester Bestandteil der westlichen Jugendkultur. Dass die gezeichneten Bildgeschichten auf Papier und Film, die seit den 1950er Jahren in Japan unter dem Einfluss amerikanischer und europäischer Comics entstanden, dabei auf eigene Bildtraditionen zurück greifen können, zeigt die Sonderausstellung im Siebold-Museum. Sie zieht mit Blättern, Büchern und Anime-cells die Linie zu den als Ukiyo-e bezeichneten Farbholzschnitten der EdoZeit (17. bis Mitte des 19. Jahrhunderts.). Die waren zur Erheiterung des breiten Publikums gedacht und sparten nicht mit Drama, Mystik, Spott und Erotik. Ihre klare Linienführung, die Farbgebung und die gewagten Perspektiven begeisterten das westliche Publikum, als sie nach der Öffnung Japans im 19. Jahrhundert nach Europa gelangten. Und während sie hier zur Inspiration für Im- und Expressionisten wurden, galten sie, wie später die modernen Ableger, in Japan lange nicht als Kunst, sondern nur als Futter für die Massen. | www.siebold-museum.de ++++++++++++++++++++++++

Kunst geht fremd

ab 14. Juli, Fürstenbau-Museum Auf den vorigen Seiten dieses Hefts (38/39) ist es großes Thema: Mainfränkisches und Fürstenbau-Museum auf der Festung brauchen neue Anziehungskräfte. Bevor das erste Leuchtturm-Objekt aus eigenen Beständen inszeniert wird, kommt es zu einem Seitensprung aus Schweinfurt: In Würzburg gastiert ein Tisch des Fürstbischofs Julius Echter von 1610 aus den Städtischen Sammlungen. Solche Leihgaben entfachen künftig systematisch die Neugier der Einheimischen. Zur neuen Veranstaltungsreihe wird am 17. Juli ab 14.30 Uhr ein Expertengespräch stattfinden. | www.mainfraenkisches-museum.de ++++++++++++++++++++++++

Amazonen II

bis 17. Juli, BBK-Galerie Seine „Krieger des Lichts“ bestanden aus Stahl, Blattgold und Plexiglas, nun kommt mit den „Amazonen“ die weibliche Variante: Stahl, Gold und weißer Lack sind die Materialien, aus denen der Volkacher Arno Hey die filigranen, hell glänzenden Skulpturen dieses Kunstprojekts formte. Die tollkühnen Reiterinnen der archaischen Sagenwelt, die mit Bogen und Eisen ehren- und heldenhaft wie die Männer kämpften, sind auch für Hey strahlendes Beispiel für mutige Selbstbehauptung und Autonomie. Das Düstere, Schattige einer solchen Existenz zeigen eher die Gemälde und Skizzen der Kriegerinnengestalten, die bei Arno Hey im Singular stets „Amazon“ heißen. Die Gemälde lassen den Einfluss der Workshops erkennen, die Hey bei dem Wiener Aktionisten Hermann Nitsch belegte. | www.bbk-unterfranken.de ++++++++++++++++++++++++

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Weit Weg

Termine | nungen, Tuschen und Pastellen aus dem Besitz des Künstlers. Und die können sich recht selbstbewusst im Werk des ZERO-Mitbegründers und Licht-Bildhauers behaupten, sind sie doch, wie er immer wieder selbst betont, das Fundament seiner Bildhauerkunst, die Grammatik seiner künstlerischen Arbeit und “die Sprache seiner Hand”. | www.kulturspeicher.de

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zeuge. Und mehrere KünstlerInnen laden dazu ein, in ihre gegenstandslosen Kompositionen figurative Elemente hineinzulegen. Das verbindende Gruppenmerkmal erlaubt hier schon eine ganze Menge Varianten. Am wenigsten trifft es auf die Maschinen des Magnus P. Kuhn zu. Jedenfalls: Die Mitglieder der Gruppe Transform müssen sich recht gut verstehen. Konflikte könnten sonst die sehr ungleichen Lichtverhältnisse in der IHK auslösen. Der Betrachter sollte hier und dort das Flurlicht anknipsen. Das funktioniert ebenso gut wie die kinetischen Objekte. | www.wuerzburg.ihk.de

Transform

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Gleich zwei Fotoausstellungen beschäftigen sich im Herbst anlässlich des 50. Todestags mit dem Würzburger Schriftsteller. Eine fotografische Gegenüberstellung seiner Schauplätze im Mainviertel, Petererviertel und in der Pleich heute und damals, also vor rund hundert Jahren, zeigt die Volkshochschule in Kooperation mit dem Fotoclub Würzburg ab 12. September. „Auf den Spuren Leonhard Franks“ lautet der Titel. Weiter weg führt die Dokumentation „Ohne zu zögern“, die ab 19. September im Oberen Foyer des Rathauses zu sehen ist. Sie informiert mit rund 30 großformatigen Tafeln, Kästen und einer Hörstation über das Exil deutschsprachiger Künstler, Politiker und Feuilletonisten während der NS-Diktatur und konzentriert sich dabei auf die Aktivitäten des amerikanischen Journalisten Varian Fry. Der kam 1940, im Auftrag der New Yorker Hilfsorganisation Emergency Rescue Committee (ERC), nach Marseille und ermöglichte mehr als 2000 Menschen, darunter auch Frank, die lebensrettende Flucht aus Europa. Für die Akademie der Künste, der Frank bis 1933 angehörte, organisierte der Berliner Verein Aktives Museum 2007 diese Ausstellung. | www.leonhard-frank-gesellschaft.de

bis 29. Juli, Rudolf-AlexanderSchröder-Haus Recht realistisch gezeichnete Frauengestalten, die oft aus Mythen und Sagen stammen, stellt die gelernte Sozialpädagogin Petra Söder in ihren Öl- und Acrylbildern in abstrakte Farb- und Licht-Landschaften. Licht und Dunkelheit, Vergänglichkeit und Erneuerung, innere und äußere Welt – das Verbinden der Gegensätze ist das Thema der Autodidaktin. | www.schroeder-haus.de

bis 29. Juli, IHK, Mainaustraße „Trans-Form“ hieß eine deutsch-italienische Gemeinschaftsausstellung in der BBK-Galerie 2007, bei der Werke von sechs italienischen und sechs unterfränkischen Künstlern um eine raumhohe Stahlskulptur von Giancarlo Lepore gruppiert waren. Von den damals beteiligten Unterfranken sind mit Irmtraud Klug-Berninger, Werner Kiesel, Cornelia Krug-Stührenberg, Magnus-P. Kuhn und Roland Schaller fünf geblieben, statt Kathrin Feser kam Dorette Jansen (aka Riedel) dazu. Gleich geblieben ist auch das Ziel: Der Kontakt und künstlerische Dialog mit ausländischen Künstlergruppen. Die 74 (!) Exponate sollte man nicht auf einen gemeinsamen Nenner zwingen, der Bogen reicht von hintersinnigen Gag-Skulpturen über pastellfarbige Spachtel-Abstrakta bis zu ambitioniert codierten Gliederpuppen. Viele Werke teilen trotzdem ein gemeinsames Spannungsfeld zweier Elemente: Sehr offene Spuren von Werkzeuggebrauch schufen Zeichensysteme von mehr oder weniger scheinbarem Abbildcharakter. Jansens grob geschnitzte Holzpuppen schreien danach, interpretiert zu werden, sind sie doch offenbar alles andere als harmlose Spiel-

Andrea C. Hoffer

bis 3. August, Kunstschiff Arte Noah Die Penck-Schülerin mit Zweitwohnsitz in der Karibik bewegt sich auf ihren Tempera-Gemälden zwischen den Genres Interieur und Landschaft – mit Überschneidungen: Räumliche und zeitliche Ebenen stellt Hoffer mit Licht und Schatten, Reflektionen, Farbtransparenzen und Überlagerungen dar. Das wirkt traumhaft irreal. | www.kunstverein-wuerzburg.de ++++++++++++++++++++++++

Die Sprache meiner Hand ab 6. August, Museum im Kulturspeicher

Erst Macke, jetzt Mack: Mit dem 1931 geborenen Heinz Mack kommt im August gleich der nächste Absolvent der Düsseldorfer Kunstakademie in den Kulturspeicher. Die Vielseitigkeit seines zeichnerischen Schaffens von 1950 bis heute dokumentiert die vom Museum Kunstpalast Düsseldorf kuratierte Sonderausstellung mit zumeist unveröffentlichten ZeichKulturGut 06 | Seite

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Zwei mal Frank

ab 12. September, VHS, und ab 19. September, Rathaus


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Wer Würzburger Christian Krank blättert gern in den Comics, die er für den internationalen Branchenstar Rufus Dayglo kolorierte, begeistert sich aber auch… KulturGut 06 | Seite

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Die mit den bunten Bildern Seit sich der Begriff graphic novel etablieren konnte, sind Comics in aller Munde. Auch in Würzburg wird für sie und an ihnen gearbeitet. von Christian Neubert / Fotos: Gleb Polovnykov

+ „Das einzige, was ich in meinem Leben bedauere, ist, keine Comics gezeichnet zu haben.“ Pablo Picasso erstaunte so manchen. Doch in seiner spanischen Heimat wusste man schon zu seinen Lebzeiten, dass Comics relevante Inhalte kunstvoll und geistreich transportieren können. In Europa genießen Comic-Schaffende vor allem in Frankreich eine Aufmerksamkeit, von der deutsche Zeichner und Autoren nur träumen können. Immerhin haben es Comics mittlerweile auch in Deutschland – wohl aufgrund der Etablierung des Begriffs graphic novel, der dem Medium das Image des Seichten und Trivialen nimmt – in die großen Feuilletons geschafft. So erkämpften sie sich ihren Platz in den Buchhandlungen, wo sie, wenn auch nur auf kleinem Raum, gleichberechtigt neben „normalen“ Büchern stehen. Die Tendenz, dass Comics langsam dort ankommen, wo sie hingehören, zeigt sich in der Comic-Edition der Süddeutschen Zeitung ebenso wie an einschlägigen Aktivitäten des Suhrkamp-Verlags.

Mit diesem Zeichner teilt er auch seine Vorliebe für düstere Endzeitszenarien. Um seine Bildergeschichte „Destroy Dystopia“ einem Publikum zugänglich zu machen, veröffentlichte er sie auf dem Online-Portal webcomicsnation. Das machte den britischen Comiczeichner Rufus Dayglo auf das Talent des Würzburger Künstlers aufmerksam. Prompt fragte Dayglo bei Krank an, ob der nicht das Coloring seiner Arbeiten, die über internationale Verlage vertrieben werden, übernehmen möchte. Ein Angebot, dass er dankend annahm. Außerdem brachte der kreative Würzburger Tausendsassa in Eigenregie den Comic „Tales of Dead Earth“ heraus. Momentan arbeitet er an einer Fortsetzung dieser Erzählung, wenn er nicht gerade diverse CD- oder Buchcover gestaltet – u.a. illustrierte er die Kurzgeschichte „Die Anzeige“ seines Freundes Christian Endres. Möglicherweise erscheinen seine Comics bald bei einem Verlag. Erste Gespräche in diese Richtung gab es schon.

Besuch beim Redakteur Von zunehmenden Branchenumsätzen weiß Comic-Insider Christian Endres zu berichten. Der 25-jährige Würzburger ist freier Autor für diverse Magazine und Zeitungen und kann zudem bereits auf zahlreiche Publikationen phantastischer Prosastücke zurückblicken, für die er schon mehrfach den Deutschen Phantastik Preis gewann. Daneben betreut er als Redakteur allerhand Serien für Comic-Verlage wie Cross Cult oder Panini. Und er schreibt die Editorials und Klappentexte, u. a. für „Spider-Man“. Die steigenden Absätze machen sich vor allem bei abgeschlossenen, eigenständigen Comicbänden bemerkbar, erzählt der Autor. Bei Werken also, die aufgrund ihrer Form am ehesten dem recht schwammig gebrauchten Begriff der graphic novel entsprechen. „Das ist natürlich eine schöne Entwicklung, von der junge Comic-Schaffende profitieren.“ Aktuell finden sich unter deutschen Comicveröffentlichungen einige Debüts, die ursprünglich als Abschlussarbeiten diverser Hochschulen entstanden. Diese Künstler haben inzwischen eine Zielgruppe, die sich nicht auf ein kleines Nischenpublikum beschränkt.

Sequenzielle Kunst Mit Christian Krank hat auch Würzburg einen Autor und Zeichner von Comics vorzuweisen. Der gelernte Heilerziehungspfleger und Sänger einer lokalen Band war seit jeher ein begeisterter Anhänger der „sequenziellen Kunst“ – von Comics eben. Eine Leidenschaft, die ihm seine Gestaltungslehrer an der Fachoberschule noch auszutreiben versuchten. Vor allem die staubig wirkenden Zeichnungen des australischen Comic-Künstlers Ashley Wood haben es ihm angetan. „Die Art und Weise, wie er seine Bilder koloriert, haben mich bei meinen Arbeiten stark inspiriert. Mir gefällt dieses Knittrige, abgegriffen Wirkende.“ … für sein eigenes Werk. KulturGut 06 | Seite

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Brunch und Bücher

3. Juli, 11.30 Uhr, Café Poppular In entspannter Atmosphäre präsentieren die KnodtBuchhändler in der Textorstraße 17 ihre aktuellen Favoriten, um Orientierungshilfe im Dschungel der Buch-Neuerscheinungen zu bieten. Neben einer kurzen Vorstellung des Inhalts erwartet die Zuhörer eine charakteristische Leseprobe - und ein reichliches Frühstücksbuffet. ++++++++++++++++++++++++

Die Ferne so nah

8. Juli, 16.30 Uhr, Universitätsbibliothek

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und im Magazin die Frank-Sammlung mit allen Erst- schickt - mittlerweile Frührentner, aber ansonsten ausgaben und vielen späteren. immer noch hart am Ball, wenn es darum geht, sich Einmal einfach nur genießen darf man den 1961 ver- den daseinserhaltenden Anforderungen des Lebens storbenen Würzburger Autor der kleinen Leute an zu entziehen. diesem Sonntagnachmittag: Prominente Würzburger | www.posthalle.de lesen aus seinen Texten. Das Prinzip der Veranstaltung ist so einfach wie bewährt: Vor vier Jahren ++++++++++++++++++++++++ wurde es bereits in Würzburg erprobt – und die Leseprominenz wie auch die Zuhörer waren in großer Wladimir Kaminer Zahl angetan davon. Auch und gerade von dem Über- 25. September, 20 Uhr, Saalbau Luisengarten raschungsmoment: Wer liest? Und was denn wohl? Diese sommerliche zweite Auflage verbannt bei gu- Mit Wladimir Kaminer (Foto: Doris Poklekowski) tem Wetter niemanden in geschlossene Räume: Das kommt im September gleich noch ein Kultautor nach Lesecafé öffnet sich ja auf einen der schönsten Ge- Würzburg. Lesen wird der Mann, der von sich sagt, heimtippplätze der Stadt, den Innenhof des Falken- privat ein Russe und beruflich ein deutscher Schriftsteller zu sein, aus seinen 2010 in Buchform erschiehauses. In seiner Einführung erläutert Dr. Hans Steidle den nenen Eindrücken vom Besuch bei der kaukasischen Begriff des Literarischen Cafés. Der Referent – zu- Schwiegermutter. Ziemlich sicher wird aber auch etdem als Stadtheimatpfleger im (Ehren)Amt - forscht was aus den „Liebesgrüßen aus Deutschland“ zu höseit Jahrzehnten über Leben und Werk des Schrift- ren sein, die sein Verlag für August angekündigt hat. stellers Leonhard Frank. Begleitet wird der Dich- Und, wer weiß - Kommunalwahl, wie bei Kaminers tungsnachmittag von zwei Musikern, die sich auf Lesung 2008, ist zwar derzeit nicht, aber vielleicht diese gemischte Darbietungsform spezialisiert ha- erscheint auch diesmal danach noch Heiteres zum ben, vom Duo Goltz-Schwander. Kaffee und Kuchen Thema Würzburg. gibt es, der Eintritt von fünf Euro fließt einem guten | www.wuerzburg-deluxe.de Zweck zu. | www.leonhard-frank-gesellschaft.de

Wer vor der Erfindung der Verbrennungsmotoren in fremde Fernen reiste, schrieb danach meist ein Buch – für seine weniger privilegierten Zeitgenossen. Die waren in der Mehrzahl und mussten sich auf das verlassen, was andere über Reisen auf unsicheren Wegen und Expeditionen ins Ungewisse berichteten. Kosmographien, Atlanten, Pilgerberichte und exotisch anmutende (und nicht immer authentische) Reiseschilderungen des 15.-19. Jahrhunderts stellt diese Führung vor, von der Schedelschen Weltchronik bis zum imaginierten Wilden Westen Karl Mays. Wer danach noch weiter blättern will: Seit Mai ist die UB wochentags bis Mitternacht geöffnet - die Studi++++++++++++++++++++++++ enbeiträge machen’s möglich. | www.bibliothek.uni-wuerzburg.de ++++++++++++++++++++++++

Literarisches Café

24. Juli, 15 Uhr, Stadtbücherei Vorbei kommt man an Leonhard Frank fünfzig Jahre nach seinem Tod in der Stadtbücherei ohnehin nicht mehr – seit 2002 ist der Saal unterm Dach nach ihm benannt, im ersten Stock steht eine Porträtbüste

Rocko Schamoni

17. August, 21 Uhr, Posthalle / Jugendkulturhaus Cairo Wo er liest, wird das Wetter entscheiden, nämlich in den Posthallen bei schlechtem und im Cairo-Hof bei gutem. Was er liest, ist dagegen klar: Aus seinem neuen Roman „Tag der geschlossenen Tür“, in dem der Dorfpunk seinen Helden Michael Sonntag durch weitere Sternstunden der Bedeutungslosigkeit KulturGut 06 | Seite

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Literarischer Herbst

ab 15. September, Stadtbücherei im Falkenhaus Wie in jedem Jahr werden auch in diesem Literaturherbst namhafte Autoren ihre Neuerscheinungen in der Stadtbücherei vorstellen. Die Verhandlungen laufen, der Vorverkauf beginnt Mitte und das Programm wohl Ende September - aber noch steht kein Termin ganz fest. | www.stadtbuecherei-wuerzburg.de


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Festungsflimmern

bis 11. Juli, Schlossberg, Neutorwiese

Termine |

Patty Moon

27. Juli, 20 Uhr, Alter Hafen

Workshop Animationsfilm

1. bis 5. August, jeweils 9 Das hat tatsächlich noch gefehlt: Elf Tage verwandelt „Träumerische Melodien von trauriger Schönheit“ bis 13 Uhr, Milchhof

das Festival die Neutorwiese unterhalb der Festung für 1000 Gäste in ein Autokino für Fußgänger mit aufblasbarer, sechzehn mal acht Meter großer Leinwand, die auch bei unbeständigem Wetter bespielt wird. Es gibt Schnabulat und ab 1. Juli in täglichem Wechsel „Almanya“, „The King’s Speech“, „Der Name der Leute“ (Foto oben links), „Scott Pilgrim“ (Mitte), „Wasser für die Elefanten“, „The Social Network“, „Romeo + Julia“ und „Hangover 2“. Als Vorprogramm tritt meist ein Schauspieler mit einer Erklärung zum Film auf, in der Rollenwechsel-Pause werden Kopfhörer ausgeteilt, damit Mainviertler nicht beschallt werden. Decken mitbringen, Speisen und Getränke nicht. Einlass ist 20 Uhr, die Filme laufen ab 21.45 oder 22 Uhr. | www.festungsflimmern.de

verspricht das Hafensommer-Konzert von Patty In der Bergmeistergasse zwischen Sander- und Moon, und melodramatisch bis hart an die Grenze Peterstraße haben die freischaffenden Kunsterziezur Sentimentalität ist auch der Film „In der Welt her von der JuKu Karawane Ateliers. Im Fotostudio habt ihr Angst“ (Foto oben rechts) von Hans W. Gei- findet zum Auftakt der Sommerferien ein Kurs über ßendörfer, der im Anschluss daran gezeigt wird und Knetfiguren-Filmen statt. In dieser Technik entstanzu dessen Soundtrack das badische Elektronika-Duo den beispielsweise die „Wallace & Gromit“-Filme. drei Songs beisteuerte. In Bamberg und Umgebung Die Teilnehmer sollten zwischen zwölf und 18 Jahdrehte der „Lindenstraße“-Produzent seine Ge- re jung sein. Der Kurs kostet inklusive Material 80 schichte vom heroinsüchtigen Liebespaar Eva und Jo Euro. Anmelden kann man sich beim Künstler direkt: und von seinem eigentlich sehr vernünftigen, in der Benjamin Brückner, Telefon 0176/64629754 oder Praxis aber eher irrwitzigen Versuch, vom Heroin info@benjaminbrueckner.com und deshalb aus der fränkischen Musteridylle weg | www.juku-wuerzburg.de zu kommen. Hervorragend und mit Anna Maria Mühe und Axel Prahl wohltuend gegensätzlich besetzt, ist ++++++++++++++++++++++++ der Streifen über die vielen Arten der Liebe auch eine Ode an die Musik. The Three Musketeers | www.hafensommer-wuerzburg.de 5. September, 18.30 Uhr, Cinemaxx ++++++++++++++++++++++++ Die ganze Stadt fieberte mit, als Hollywood für die ++++++++++++++++++++++++ Neuverfilmung des Mantel- und Degen-Klassikers Der Wunschfilm von Alexandre Dumas im letzten Jahr nach Würzburg Der Aufstieg der Titanic 27. Juli, 15 Uhr, Cinemaxx kam. Eindrücke von den Dreharbeiten gibt es auf Vom Urmel aus dem Eis bis zu den Wilden Hühnern 10., 17., 24. und 31. Juli, 20.30 youtube.com schon länger, jetzt ist das 3D-Abenteuer war heuer alles dabei – für Kinder von drei bis zehn Uhr, Sommerbühne im Efeuhof ganz zu sehen, und zwar in der englischen OriginalJahre spielt der Stadtjugendring in der Schulzeit an Musiker heilt man mit Musik, und wenn Musik fassung im Montagskino der Deutsch-Britischen Gejedem Mittwochnachmittag unterhaltsames Kintopp Therapie ist, dann ist Filmmusik Tiefentherapie. So sellschaft. mit einem pädagogischen Rahmenprogramm. Mit jedenfalls der Psycho-Spezialist für abgespielte | www.deutschbritische.de einem Wunschfilm geht das Kinderkino in die Som- Combos, Dr. Appel, der seinen vier Patienten zur merferienpause. Zur Auswahl stehen der Klassiker Reanimation die ganz großen Gefühle verordnet. ++++++++++++++++++++++++ „Kalle Blomquist - sein schwerster Fall“ (1957), „Der Sternstunden der Fernseh- und Filmmusik der Fuchs und das Mädchen“ von Tierdokumentarfilmer letzten fünfzig Jahre, von „Flipper“ bis „James Luc Jacquet (2007) und der estnische Animationsfilm Bond“ und zur „Titanic“, lassen Rainer Appel und das Bailando Groove Orchestra wieder aufleben. „Lotte im Dorf der Erfinder“ (2006). | www.theater-ensemble.net | www.sjr-wuerzburg.de ++++++++++++++++++++++++

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Der Bildschirm auf dem Bildschirm Alexander Deß programmiert digitale Requisiten für Fernsehserien von Joachim Fildhaut

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+ Sein Arbeitsplatz ist der Computerbildschirm. Dein Arbeitsplatz ist der Computerbildschirm. Die Guten arbeiten am Computer und die Bösen hinterlassen zumindest Spuren, die der Computer erfassen kann. Deshalb huschen zur Krimistunde immer häufiger Computer-ScreenVorgänge über den Fernsehschirm. Dabei kommt es oft auf sekundenschnelles Reagieren an. Der Zuschauer findet das spannend. Daher stand im Drehbuch der „Ein Fall für zwei“-Folge die präzise Angabe: „Er blickt auf sein Smartphone. Das Symbol ‚Akku leer’ erscheint.“ Einem guten Requisiteur fällt so etwas bei der Drehbuchlektüre auf. Vor seinem Auge entsteht die Szene: Regisseur wendet sich in einer kleinen Ansprache an den Stab und bittet, jetzt möchten einmal alle auf ihr Handy blicken, ob da wohl demnächst die Warnung „Akku leer“ erscheine. Und dass der Kameramann sich für diesen Augenblick zur Verfügung… KulturGut 06 | Seite

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Nein, so entstehen keine Filme, so entsteht ein weiterer Fall für Alexander Deß, Webdesigner und Programmierer in Würzburg. Vor drei Jahren meldete sich bei ihm ein Bekannter, Requisiteur bei einer TVProduktionsgesellschaft. Privatdetektiv Matula, eine ihrer besten Figuren, bediente sich seit einer Formatänderung – mit deutlicher Erhöhung der Schnitt-Zahl - zusehends elektronischer Werkzeuge: Matula sollte mailen, Dokumente runterladen, Daten kopieren. Jeder Zuschauer kennt nun die einschlägigen Symbolbalken der marktführenden Programme. Und viele würde es stören, wenn diese Markenzeichen auch auf dem Fernseher erschienen. „Das wäre ja auch Product Placement“, gibt Deß zu bedenken. So entwarf er die beweglichen Status-Anzeigen von Phantasiefirmen – kleiner Programme und Trickfilmchen, hinter denen ein gerüttelt Maß Arbeit steckt und die die Produktionskosten pro Sendeminute plausibilisieren.

In der Rolle des Kameramanns „Ich bekomme keinen höheren Stundensatz als bei anderen Auftraggebern“, versichert der Freiberufler, „aber es macht viel Spaß, obwohl es oft ziemlich stressig werden kann.“ Der Grund: Beim Dreh einer Folge enden die vorbereitenden Gespräche meist am Montag, am Mittwoch beginnen dann die Aufnahmen, und zwar zunächst an erprobten Schauplätzen. Dummerweise gibt sich der Detektiv in seinem bekannten Loft also gleich am ersten Drehtag der Internetrecherche hin, und sein Zulieferer hat nur zwei Tage Zeit, um die Optik dafür zu liefern. Das Spektrum umfasst alles, von der Homepage eines verdächtigen Konzerns bis zur Fingerabdruck-Datenbank. Wobei der Würzburger Digitalrequisiteur mitdenkt und gern variable Arbeitsoberflächen anbietet. Da kann man Symbole dorthin verschieben, wo sie für die Kamera KulturGut 06 | Seite

am besten wirken. Statusanzeigen lassen sich von Hand schnell vorwärtsrücken, damit die Crew bei Take-Wiederholungen nicht warten muss, bis der Balken lang genug gewachsen ist. Oder Deß programmiert verschiedene Kontrasteinstellungen, so dass sie auf Matulas Laptop auch im veränderten Licht von Außenaufnahmen wirken. Derart komfortable Bedienung ist beliebt. In Frankfurter Requisiteurskreisen hat sich der Service aus der Würzburger Bürogemeinschaft „Frankfurter Fünf“ herumgesprochen. Für vier Ausstatter arbeitet Deß inzwischen. Außer einem HR-Spielfilm und bisher vier „Der Staatsanwalt“-Folgen bestritt er knapp zwei Dutzend ‚Fälle für zwei’ mit. Und das nicht immer rein virtuell. Deß kramt ein schwarzes Leinenheftchen mit Goldaufdruck aus einer Schublade: „Einmal brauchten die einen irakischen Pass...“ Im Internet fand der Designer brauchbare Anhaltspunkte zur Gestaltung. Der hinzugezogene Buchbinder empfahl eine Stempelfirma in München, die den Prägestempel machen könne, der den Goldaufdruck vorbereitet. Deß zieht eine Metallplatte aus dem Regal: „Die Stempelfirma hat mir gesagt, das wäre eine gute Vorlage, sie müssten das wissen, sie hätten schließlich schon den Originalstempel für die irakische Regierung gemacht.“ Natürlich guckt Familie Deß die Matula-Krimis dann auch: „Ich hatte mich schon seit Jahren gefragt: Wer macht solche Computerbildschirme? Jetzt weiß ich’s.“

LINKS: | www.softwarefakes.de

www.impulsion.de

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Bildungsallianz

4. Juli, 19 Uhr, Falkenhaus, Dauthendeysaal An diesem Abend wird eine neue Initiative für Schulund Hochschulbildung aus der Taufe gehoben. Denn für Chancengleichheit in der Schule, faire Beschäftigungsverhältnisse in Bildungseinrichtungen und sozial gerechte Studienbedingungen wollen sich Würzburger Gewerkschaften und Hochschulgruppen stark machen. Zur Gründungsversammlung der so genannten Bildungsallianz haben Simone Tolle (Grüne) und Karin Pranghofer (SPD) ihr Kommen zugesagt. | www.gew-unterfranken.de ++++++++++++++++++++++++

Baustelle Augustinerkirche 13. Juli, 20 Uhr, Augustinerkirche

Die Kirchentüren am Dominikanerplatz sind bis Dezember noch zu, denn die Augustiner bauen um. In ihrer Kirche sollen künftig Menschen, die trauern und traurig sind, einen eigenen Platz bekommen, an dem sie mit ihren Sorgen nicht allein sein müssen. Eine Baustellenbegehung in Form einer musikalischgeistlichen Raumerkundung bieten an diesem Mittwochabend Bruder Peter Reinel, Christine BörschSupan (Gesang) und Philipp Staffa (Jazz-Gitarre) in der Veranstaltungsreihe Baukörper – Raum – Klang. | www.akademikerseelsorge-wuerzburg.de ++++++++++++++++++++++++

Bürgerkultur

31. Juli (Bewerbungsende) Seit Beginn des Jahrtausends verleiht der Bayerische Landtag am Tag des Ehrenamts im Dezember seinen Bürgerkulturpreis, derzeit dotiert mit 30.000 Euro, um bürgerschaftliches Engagement zu fördern und zu honorieren. Die Würzburger Arbeitsgemeinschaft

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Familien, die am 23. Juli von 11 bis 15 Uhr mit einer Familienmeile am Unteren Markt ihr zwanzigjähriges Bestehen feiert, räumte gleich im ersten Jahr den Hauptpreis ab. 10.000 Euro erhielt das Internetcafé „Von Senioren für Senioren“ 2002 als Zweitplazierter. Seitdem war es nix mehr mit Würzburg. Aber vielleicht 2011. „Selbst ist die Region“ lautet das diesjährige Leitthema, gesucht werden Projekte und Netzwerke, in denen Menschen seit mindestens einem Jahr etwas für die nachhaltige materielle oder immaterielle Entwicklung und Stärkung ihrer Region unternehmen. Im europäischen Jahr der Freiwilligentätigkeit kommt es den Ausrichtern ganz besonders auf die Ehrenamtlichkeit der Initiativen an. Auf der Landtags-Website steht ein Formular mit acht Stichpunkten, die den Bewerbern bei der Projektbeschreibung helfen. Angenommen werden Eigenbewerbungen oder Vorschläge von Dritten bis 31. Juli. | www.bayern.landtag.de | www.wuerzburg.de ++++++++++++++++++++++++

Menü unter Sternen 4. August, 18.30 Uhr, Felix-Freudenberger-Platz

Sieben Würzburger Gastronomen, die sich im vorletzten Jahr zum Verein „Wir Franken“ zusammengeschlossen haben, wollen gemeinsam Farbe in das kulinarische Angebot der Stadt bringen und mit ihren Events auch überregional Aufmerksamkeit gewinnen. Zum Beispiel mit einer 350 Meter langen, festlichen Tafel am Mainkai, an der 1000 Gäste ein fränkisches Gourmet-Menü mit Blick auf Festung und Main genießen. Hoffentlich klappt es diesmal mit dem Wetter… | www.wir-franken.de

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Festungsfest

3. und 4. September, 10 bis 19 Uhr, Festung Marienberg Nur, wer mitmacht, kommt an diesem Wochenende in die Festung. „Zurück in die Geschichte“ lautet das Motto. Die beiden Museen – das Mainfränkische und das Fürstenbaumuseum – mit ihren Sammlungen und Schauräumen und das Sonderprogramm mit Musik, Mitmachstationen für die ganze Familie, Schausteller- und Handwerkervorführungen wollen vergnüglich und informativ die wechselvolle Geschichte und das Leben auf der Burg lebendig werden lassen. Für den kostenlosen Transfer sorgen Busse ab Talavera / Versorgungsamt. | www.mainfraenkisches-museum.de ++++++++++++++++++++++++

Das Spiegelkabinett 21. September, 19.30 Uhr, Handwerkskammer

Im großen Saal des Hauses am Rennweger Ring 3 gastiert der Frankenbund. Dr. Verena Friedrich hat sich in den letzten Jahren intensivst mit dem Würzburger Rokoko befasst. Daher kann sie ein profundes Urteil über das Spiegelkabinett der Würzburger Residenz abgeben, das Mitte des 18. Jahrhunderts kurz nach seiner Fertigstellung als „das herrlichste Zimmer von dieser Art“ gerühmt wurde. In der überreichen Verzierung werden Dekorationselemente zahlreicher anderer Schönbornscher Prunkkabinette zitiert. Um diese Quellen geht es in dem Vortrag, zu dem der Frankenbund einlädt. ++++++++++++++++++++++++


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Argumente zum Stadtbild Eine Kommission berät moderne Bauherren und Politiker von Christine Weisner

+ Die Liste der Würzburger Streitobjekte ist lang: Bebauung des Schwanengeländes an der Alten Mainbrücke für das Kaufhaus Hertie, jetzt Wöhrl; Abriss des alten Schlachthofs, heute Standort von CCW und Maritimhotel; Abriss des Pleicher Schulhauses, Juliuspromenade; Abriss der Bohnesmühle und, ebenfalls in der Pleich, Abriss der Landelektra, wo neben den schon bekannten Mauerresten des St. Markusklosters auch zuvor unbekannte jüdische Grabsteine zutage traten; Umbau des Kilianshauses zum Museum am Dom; Hochwasserschutz am rechten Mainufer; der glücklose Hotelturm; die verhinderten Arkaden am Bahnhof; der Forumsbau auf dem Marktplatz. Diese unvollständige Aufzählung zeigt, dass in der Mainmetropole Auseinandersetzungen um Bauprojekte eine zentrale Rolle in Öffentlichkeit und Kommunalpolitik spielen. Ums Stadtbild wird oft mit harten Bandagen gestritten. Da bezichtigen dann die einen ihre Kontrahenten, Würzburg nach dem 16. März 1945 ein zweites Mal zerstören zu wollen, während die anderen bei ihren Gegnern ein schweres Kriegszerstörungstrauma diagnostizieren, welches zur krampfartigen Ablehnung jeglicher moderner Architektur und damit jeder Weiterentwicklung der Stadt führe. Vor einigen Jahren wurde bei diesen Streitigkeiten der Baukunstbeirat zerrieben, der dem Stadtrat mit fachkundigen Ratschlägen zur Seite stehen sollte. Das Gremium verschwand ersatzlos, der Verdruss in Bauangelegenheiten blieb. Dann gab es einen neuen Anlauf: Im März 2009, knapp ein Jahr nach dem Amtsantritt von OB Georg Rosenthal, verabschiedete der Stadtrat die Satzung für eine „Kommission für Stadtbild und Architektur“. Vor gut einem Jahr nahm die KoSA ihre Arbeit auf. Mitglieder des Gremiums vermelden angesichts der verbreiteten StadtbildStreitunkultur Erstaunliches: So bezeichnet Karin Miethaner-Vent von KulturGut 06 | Seite

den Grünen die Diskussionen dort als „herzerfrischend“ und stellt fest: „Das hat Niveau und gibt Würzburg das Niveau, das es als Kulturstadt braucht.“ Thomas Schmitt (CSU) konstatiert: „Eins der wenigen Gremien in Würzburg, wo ich nie den Eindruck habe, Zeit zu vertun.“ Immer wieder gelobt wird der engagierte und gleichwohl sachliche Stil der Diskussion.

Externe Experten Neu ist, dass die Stadtbild-Kommission, abgesehen von wenigen Ausnahmen, grundsätzlich öffentlich tagt. Neu ist auch, dass fünf feste Sitze an überregional anerkannte Fachleute für Architektur und Städtebau vergeben werden. Diese müssen von außerhalb kommen und dürfen während ihrer Amtszeit keine Projekte in Würzburg betreiben. Welche externen Fachleute hat der Stadtrat in die KoSA berufen? Prof. Christiane Thalgott ist eine von ihnen. Sie leitete von 1992 bis 2007 als Stadtbaurätin die Münchner Planungsbehörde. In ihre Amtszeit fielen Stadtentwicklungsprojekte wie der Umbau des Hauptbahnhofs, die Messestadt Riem oder die Fünf Höfe an der Theatinerstraße. Oberbürgermeister Christian Ude bezeichnete sie bei ihrer Verabschiedung in den Ruhestand als seine „Baumeisterin der neuen Gründerzeit“. Die ehemalige Präsidentin der Deutschen Akademie für Städtebau und Landesplanung (DASL) betätigt sich heute als Honorarprofessorin an der TU München und ist als Vortragsrednerin und Jurymitglied in ganz Deutschland unterwegs. Der Architekt Bernhard Winking realisierte neben seiner langjährigen Tätigkeit als Professor an der Hamburger Hochschule für bildende Künste über 100 Bauten im In- und Ausland, darunter der Channel-Tower am Harburger Binnenhafen, das Palais am Pariser Platz in Berlin,

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aber auch Brückenbauten wie das Wasserstraßenkreuz Magdeburg. Er erhielt zahlreiche Auszeichnungen und wurde im Jahr 2008 aufgrund seiner Aktivitäten in China als Gastprofessor an die Zhejiang University in Hangzhou berufen. Prof. Ferdinand Stracke war Ordinarius für Städtebau und Regionalplanung an der TU München und arbeitete zudem als freier Architekt und Stadtplaner. Der angesehene Experte für Städtebau, der auch bei zahlreichen Wettbewerben als Vorsitzender oder in der Jury mitwirkt, wurde unter anderem durch die Münchner Hochhausstudie bekannt. KulturGut 06 | Seite

Die Architektin und Professorin Rebecca Chestnutt betreibt zusammen mit ihrem Mann das Büro Chestnutt-Niess, das in Berlin unter anderem mit der Bibliothek am Luisenplatz Aufmerksamkeit erregte. „Die Zeit“ bezeichnete den Neubau, der Reste des alten Luisenbades mit einbezieht, als „das treffliche Beispiel einer neu und selbstbewusst, auch mit einer gewissen Härte interpretierten Moderne“. Von 1991 bis 1995 war Chestnutt Mitglied des viel beachteten Stadtforums Berlin, in dem über die Stadtentwicklung nach der Wiedervereinigung diskutiert wurde.

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Zu den Externen in der Würzburger Stadtbild-Kommission zählen zudem der Münchner Architekt Andreas Hild bzw. seine Stellvertreterin, die Hamburger Professorin Petra Kahlfeldt, hinzu kommen als weitere ständige Mitglieder der in Eichstätt tätige Architekt Norbert Diezinger, der Professor für Kunst im öffentlichen Raum Ovis Wende und der Denkmalschützer Dr. Thomas Gunzelmann.

Wirkung im Vorfeld Die Stadtbildkommission hat keine Entscheidungskompetenz. Sie soll den Stadtrat beraten, dem allein es obliegt, über Bauanträge zu entscheiden. Ihre Wirkung entfaltet sich aber bereits im Vorfeld. Denn die Ablehnung von Entwürfen durch die Kommission führt dazu, dass die geplanten Projekte überarbeitet werden, bevor der Bauantrag überhaupt gestellt wird. So wurde beispielsweise das Atrium-Dienstleistungszentrum an der Schweinfurter Straße anfangs als ein kompakter, abgeschlossener Baukörper geplant. Der neue Entwurf wirkt weniger massig und eröffnet einen Zugang zum Bachgrund der Pleichach, womit ein neuer Stadtraum erschlossen wird. Dr. Hans Steidle, in seiner Funktion als Stadtheimatpfleger selbst Mitglied der Kommission, freut sich über die deutlichen Verbesserung bei vielen Entwürfen, obwohl er nicht mit jedem der gefundenen Kompromisse komplett einverstanden ist. Er schätzt das hohe fachliche Niveau in der Kommission, das offensichtlich auch Bauherrn und Architekten beeindruckt. Nicht nur Stadtrat Jüstel (SPD) hat beobachtet, dass diese die KoSA ernst nehmen und sich immer mehr Mühe bei der Präsentation ihrer Bauvorhaben geben. Kam mancher am Anfang noch recht hemdsärmelig daher, so sind jetzt 3-D-Modelle, die auch das städtebauliche Umfeld zeigen, fast schon die Regel.

Wer berät wen? Als die Kommission für Stadtbild und Architektur ihre Arbeit aufnahm, wurde das Übergewicht der „Würzburger Bank“ kritisiert, die mit dem Oberbürgermeister, dem Bau- und dem Kulturreferenten, dem Stadtheimatpfleger sowie acht Stadträten stark besetzt ist. Es wurde befürchtet, Stadträte und Verwaltung könnten das Gremium majorisieren und sich im Ergebnis quasi selbst beraten. Das erste Jahr hat allerdings gezeigt, dass die externen Experten mit ihrer Fachkompetenz die Diskussionen in der Kommission entscheidend prägen. Die befragten Stadträte fühlen sich mit ihren Bedenken und Anregungen ernst genommen, hören aber auch viel zu. Auch Stadtheimatpfleger Hans Steidle verfolgt mit Interesse die Art und Weise, wie die Fachleute diskutieren und argumentieren. Er sieht in ihren oft kontroversen Diskussionen eine gute Möglichkeit, die eigenen Kriterien zu schärfen. Oberbürgermeister Georg Rosenthal, der Kommissions-Vorsitzende, zieht insgesamt ein positives Fazit und stellt fest: „Die KoSA ist auch nicht zu einem ‚zweiten Stadtrat’ geworden, sondern vielmehr zu einem konstruktiven Workshop, bei dem die gewählten Vertreter von den Praktikern jedes Mal neu profitieren. Das erlernte Know-how dürfte also weitaus mehr Projekten zu Gute kommen als den fünf oder sechs, die in einer Sitzung behandelt werden können.” Gebaute Ergebnisse gibt es gegenwärtig noch nicht zu besichtigen, denn Gebäude brauchen naturgemäß Zeit. Die aktuellen, mehr oder weniger heißen Eisen stammen noch aus der Zeit vor der Kommission. Dagegen kann sich jeder selbst ein Bild von ihrer Arbeit machen. Schließlich werden Öffentlichkeit und Transparenz ausdrücklich angestrebt. Die ganztätigen Sitzungen finden viermal im Jahr statt. Sie werden in der Presse und ca. 14 Tage im Voraus auf der Homepage der Stadt angekündigt. Nächster Termin ist voraussichtlich der 22. Juli.

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Theater am Neunerplatz Tel.: 0931- 415 443 www.neunerplatz.de

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Ort der Unterhaltung Der neue Studiengang Museologie an der Würzburger Universität lehrt, wie man mit Publikumstrends umgehen kann von Susanne Hoffmann / Foto: Gleb Polovnykov

+ Museologie und materielle Kultur heißt ein neuer Studiengang an der Julius-Maximilians Universität Würzburg. Auf dem Campus Nord am Oswald-Külpe-Weg wird den Studierenden Theorie und Praxis der Museumsarbeit vermittelt: Sammeln, Bewahren, Ausstellen und Forschen. Hinzu kommen Museumsgeschichte und Kulturmanagement, während der Studienschwerpunkt „materielle Kultur“ die Funktion, Bedeutung und Materialkenntnis von Gegenständen beleuchtet. Das Studium einer museumsrelevanten Universitätsdisziplin im Nebenfach unterstreicht die Querschnittsdimension dieser Ausbildung, die grundlegend zum Museumspraktiker und Museumswissenschaftler qualifiziert. „In den letzten Jahren haben sich die Museen rapide verändert“, erklärt Professor Guido Fackler, der seit dem 1. April für das Fach zuständig ist, „die Besucher erwarten vom Museum neben der Wissensvermittlung einen Ort der Begegnung und Unterhaltung.“ Um den gestiegenen Ansprüchen gerecht zu werden, muss sich das Museum den neuen Gegebenheiten anpassen. War früher der forschende Spezialist gefragt, ist er jetzt zusätzlich Manager eines Kulturbetriebs mit vielfältigen Aufgaben.

ne ähnliche Situation besteht für Fackler in Würzburg am Alten Hafen mit dem Kulturspeicher, dem Cinemaxx und den Veranstaltungen des Hafensommers. Am Badischen Landesmuseum in Karlsruhe hat sich Volkskundler Fackler mehrere Jahre lang eingehend mit Ausstellungen beschäftigt. Am Anfang einer jeden Präsentation stehen die Fragen: Was soll gezeigt werden? Wie werden die Objekte platziert? Welches Publikum soll angesprochen werden? „Heute genügt es nicht mehr, ein Exponat auf einen Sockel zu stellen. Die Vermittlung der Präsentation ist komplizierter geworden“, sagt Fackler. Das liegt einerseits an unseren veränderten Sehgewohnheiten, andererseits am vermehrten Wissen der Besucher, die oftmals gut informiert ins Museum kommen. Anhand von Mitarbeiten wie bei der Landesausstellung des Hauses der Bayerischen Geschichte zum Thema „Main und Meer“ im Jahr 2013 lernen die Studenten schon frühzeitig, „einen analytischen Blick“ für die unterschiedlichen Bedürfnisse des Publikums zu entwickeln. Für die konkrete Museumspraxis stehen in Würzburg zudem universitätseigene Museen und Sammlungsbestände wie das Martin von WagnerMuseum oder das Mineralogische Museum zur Verfügung.

Gut vorgebildete Kunden

Nicht nur Kulturkooperationen

„Der Beruf des Museumswissenschaftlers ist vergleichbar mit dem eines Archiv- oder Bibliothekswissenschaftlers“, meint Fackler. Die Ausrichtung des sechssemestrigen Studiums mit dem Bachelor-Abschluss gibt sich daher sehr praxisorientiert. Im Verlauf des Studiums sollen umfassende Kenntnisse aus allen Bereichen eines Museums erworben werden. Dazu zählen beispielsweise Aufgaben der Organisation und Verwaltung, die verschiedenen Möglichkeiten der Reklame, die Werbung um Sponsoren und die Methoden der Museumspädagogik. Große Bedeutung wird der wissenschaftlichen Erfassung und Dokumentation der Objekte beigemessen, denn die Museen gelten seit jeher als Stätten der Forschung. Ebenfalls stehen Exkursionen auf dem Studienplan - in diesem Semester nach Bremerhaven, wo das ehemalige Hafengelände kulturtouristisch revitalisiert wurde, mit mehreren musealen Einrichtungen, Sehenswürdigkeiten und Freizeitstätten. Ei-

Um den Studenten den Einstieg in das Berufsleben zu erleichtern, strebt die Würzburger Museologie überdies eine Vernetzung mit Museen in ganz Deutschland an. Noch überwiegen die Kontakte zu kunstund kulturgeschichtlichen Einrichtungen, aber auch Häuser, die technische und naturwissenschaftliche Sammlungen besitzen, sollen bald stärker eingebunden werden. Bisher fällt die Resonanz auf den neuen Studiengang – im ersten Semester haben sich bereits 19 Studierende immatrikuliert – sehr positiv aus; die nächsten Einschreibungen sind zum Wintersemester möglich. Für Absolventen stehen die Chancen nicht schlecht, denn vielen Museen fehlt die Zeit, neues Personal anzulernen. Weitere berufliche Perspektiven für Museologen eröffnen sich in der Bildung, in den Medien oder im Tourismus. In Deutschland ist die Museologie noch eine weitgehend unbekannte Wissenschaft, deren Zukunft Fackler aber optimistisch einschätzt.

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Prof. Guido Fackler und die Feierabendziegel, die bei einer museumsp채dagogischen Aktion mit Studierenden im Freilandmuseum Bad Windsheim entstanden. KulturGut 06 | Seite

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Wissenschaft |

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Giorgio Vasari

9. Juli, 20 Uhr, Toscanasaal der Residenz Er erfand die Begriffe Gotik und Renaissance, und seine Schriften über das Leben und Werk italienischer Maler, Bildhauer und Architekten bis 1567 machten ihn zum Vater aller Kunsthistoriker – eine neue deutsche Gesamtausgabe seiner Lebensbeschreibungen hat gerade den 33. von geplanten 44 Bänden erreicht. Der Würzburger Kunsthistoriker Josef Kern würdigt den 1511 in Arezzo geborenen Architekten und Medici-Hofmaler Giorgio Vasari zum 500. Geburtstag mit seinem Vortrag für die Würzburger Dante Alighieri-Gesellschaft. ++++++++++++++++++++++++

Bionik

bis 10. Juli, Botanischer Garten Was der Mensch von Pflanzen lernen kann, wenn er denn genau hinschaut, zeigt diese Ausstellung im Foyer der Tropenschauhäuser. Sie stellt technische Entwicklungen und Produkte vor, bei denen Pflanzen die eigentlichen Erfinder sind. Meistzitiertes Beispiel: das Lotosblatt als Vorbild für selbstreinigende weil nano-strukturierte Oberflächen, gesucht und gefunden von Vertretern der relativ jungen Wissenschaftsdisziplin Bionik, die an der Schnittstelle zwischen Natur- und Ingenieurwissenschaften arbeitet. Begleitet wird die in Freiburg konzipierte Ausstellung in Würzburg von einer Aktionswoche des Projekts LehrLerngarten (4. bis 8. Juli). Lehramtsstudierende testen hier die von ihnen entwickelten Unterrichtseinheiten zum Ausstellungsthema und demonstrieren ausgewählten Schulklassen praxisnah an Pflanzenbeispielen und mit Experimenten, was sich hinter Lotoseffekt und Co. verbirgt. | www.bgw.uni-wuerzburg.de www.llg.uni-wuerzburg.de

Termine |

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29. September, 18.30 Uhr, Rathaus, Ratssaal

Thomas Manns Künstlerfiguren

12. Juli, 19 Uhr, Neue Universität Seit ihrer 1993 erschienenen Biografie über Erika Mann weiß man auch einiges mehr über den Vater Thomas. Das ist kein Wunder, denn das eigentliche Anliegen der Berliner Germanistin Irmela von der Lühe war es bei ihrer Habil-Schrift, herauszufinden, wie es der Tochter gelang, als Künstlerin eigenständig gegenüber dem berühmten Vater und dem gefragten Bruder zu bleiben. Für Thomas Mann selbst war die Existenz als Künstler lebenslanger Widerspruch – zum schlichten Dasein als Bürger und Mensch, zu Natur, Leben und Unbefangenheit. Seinen Tonio Kröger lässt er 1903 sagen, „dass man gestorben sein muss, um ganz ein Schaffender zu sein”. Von der Lühe wählte dieses Zitat als Titel ihres Vortrags für die vom Institut für deutsche Philologie organisierte Ringvorlesung “Der Tod und die Künste”. | www.uni-wuerzburg.de ++++++++++++++++++++++++

19. FED-Konferenz

15. bis 17. September, CCW Der Fachverband Elektronik-Design e.V. (FED) versteht seine Jahrestagung als technisch-wissenschaftliches Forum für Elektronik-Design, Leiterplatten- und Baugruppenproduktion, bei dem sich Vertreter der Branche und Besucher über aktuelle Themen aus den Bereichen Entwicklung, Design, Fertigung, Qualitätssicherung, Markttrends und Management informieren können. | www.fed.de ++++++++++++++++++++++++

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Medizin von morgen

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Neueste Entwicklungen aus der Gesundheitsforschung stellte bereits die Bordausstellung der MS Wissenschaft vor, die im Juni in Würzburg andockte. Nun legt die Wirtschaftsförderung der Stadt von Juni bis Oktober mit einer Vortragsreihe nach, bei der lokale Experten aus erster Hand informieren und Würzburg als wichtigen Forschungsstandort bei der medizinischen Diagnostik und Therapie präsentieren. An diesem Donnerstag referieren Universitätsprofessorin Heike Walles und Jörn Probst vom Fraunhofer-Institut für Silicatforschung ISC über neue Therapieformen, die in der regenerativen Medizin durch den Einsatz neu entwickelter Werkstoffe als Stimulanz bei der Heilung von oder als Ersatz für Körpergewebe möglich sind. | www.wuerzburg.de; www.uk-wuerzburg.de ++++++++++++++++++++++++

17. Würzburger Werkzeugtage

21. und 22. September, Festung Das Süddeutsche Kunststoffzentrum ist Materialprüfungsinstitution, Weiterbilder und ein bisschen auch Lobbyist aller Plastic People. Bei diesem Fachtreffen tauschen sich die „spritzgießenden Unternehmen“ über ihre Strategien aus, im Wettbewerb obenzubleiben, indem sie hohe Qualitätsansprüche und Wirtschaftlichkeit miteinander in Einklang bringen. Der Kongresstitel verrät es schon: Hier macht man sich Gedanken, wie besonders gute Maschinen den Ausschuss senken, wenig Wartung benötigen, lange halten etc. Ein Themenblock stellt Simulationstechniken vor, die bei der Werkzeugentwicklung „die spätere Umsetzung im Spritzgießprozess mit berücksichtigen“, blicken die Veranstalter voraus.


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Interkultur |

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Eröffnung der Euro-Indischen Woche

1. Juli, 17.30 Uhr, Neue Universität Das Alumni-Büro rief, und 24 ehemalige Studenten und Dozenten der Universität kommen aus ihren Heimatländern nach Würzburg, um sich bis zum 8. Juli in Vorträgen, Workshops und Round-Table-Gesprächen über die Beziehungen zwischen der Europäischen Union und dem Boom-Land Indien auszutauschen. Wirtschaft, Recht und Geschichte sind die Hauptthemen neben Kultur und Religion. Was die Würzburger Universität mit Indien verbindet? Neben dem Lehrstuhl für Indologie sind dies vier Partneruniversitäten und zahlreiche Kontakte auf Fakultäts- und Institutsebene. Die werden nun institutionell gebündelt, in einem mit Bundesmitteln finanzierten Zentrum für Indien-Studien, das bei der Auftaktveranstaltung am 1. Juli offiziell eröffnet wird. Das Würzburger Zentrum ist neben Göttingen und Köln eins von dreien in Deutschland und soll durch Tagungen, Gastdozenturen und Stipendien die Kenntnisse über das moderne Indien und die deutsch-indischen Wissenschaftskontakte vertiefen. Mittelfristiges Ziel ist es, einen interdisziplinären Master-Studiengang „Modernes Indien“ zu entwickeln. Ihren Abschluss findet die Euro-Indische Woche am 8. Juli beim Sommerfest in der Alten Universität. | www.alumni.uni-wuerzburg.de ++++++++++++++++++++++++

Kulturelle Vielfalt leben 11. bis 13. Juli, Akademie Frankenwarte

Geht man einmal davon aus, dass Deutschland ein Einwanderungsland ist, dann ist der gekonnte Umgang mit kultureller Vielfalt und unterschiedlichen Lebensrealitäten ein gesellschaftliches Muss. Welche Kompetenzen in einer Migrationsgesellschaft

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gefordert sind und wo deren Grenzen liegen, können die Teilnehmer dieses Trainingsseminars unter pädagogisch-wissenschaftlicher Anleitung ergründen. | www.frankenwarte.de ++++++++++++++++++++++++

Schwarzer Schwanz

14. Juli, 20 Uhr, Mainfranken Theater Der Schwarze Mann steht in der europäischen Literaturtradition für das ungezügelt Wilde und gefährlich Andere und deshalb auch gerne als Synonym für Sexualität. Das änderte sich nicht, als die zivilisationskritischen 1920er Jahre den bösen zum guten Wilden umwerteten. Übernommen wurde die Gleichsetzung von Hautfarbe und Geschlechtlichkeit sogar, als in den 1960er Jahren die Autoren der Black Power Bewegung Einzug in den Literaturmarkt hielten. Anne Diemer und Rainer Appel spüren dem Thema in einer Performance Lecture in der Kammer nach. | www.theaterwuerzburg.de ++++++++++++++++++++++++

Würzburger Friedenspreis 17. Juli, 11 Uhr, Mainfranken Theater

Zum siebzehnten Mal verleiht das FriedenspreisKomitee, ein Zusammenschluss aus Engagierten der Friedens-, Ökologie-, Eine-Welt- und Menschenrechtsarbeit, an diesem Sonntag seinen mit 1500 Euro dotierten Preis an eine Gruppe oder Einzelperson aus der Region Unterfranken, die sich in besonderer Weise für Frieden, Völkerverständigung und gewaltfreie Konfliktlösung eingesetzt hat. | www.wuerzburger-friedenspreis.de ++++++++++++++++++++++++

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Weltbewusst

6. August, 14 Uhr, Barbarossaplatz (Treffpunkt) Warum das T-Shirt aus Pakistan billiger ist als eine Fahrkarte in die nächste Stadt, und was ein Steak aus dem Supermarkt mit der Rodung des Regenwalds zu tun hat, erklärt eine von Mitgliedern der Naturschutz-Jugend erarbeitete konsumkritische Stadtführung. Denn Einblicke in die Mechanismen der weltweiten Handels- und Produktionsbedingungen lassen sich in knapp 90 Minuten auch bei einem Gang durch die Würzburger Innenstadt gewinnen. Um Globalisierung und nachhaltigen Konsum geht es dabei, und darum, wie das eigene Einkaufsverhalten mit ökologischen und sozialen Missständen in anderen Teilen der Erde zusammenhängt. | www.weltbewusst.org www.wuerzburg.bund-naturschutz.de ++++++++++++++++++++++++

Interkulturelle Woche

25. September bis 1. Oktober, verschiedene Orte „Zusammenhalten – Zukunft gewinnen“ heißt das Motto der diesjährigen Begegnungs-, Teilhabe- und Integrations-Aktionen, zu denen die Kirchen bundesweit aufrufen. Sie verfassten eine Erklärung, die das Gemeinsame und Verbindende betont: „Über alle Differenzen hinweg steht die in Gott gegründete Gleichheit und Verbundenheit im Vordergrund.“ Das christliche Weltund Menschenbild widerspreche allen Theorien, die unversöhnliche Gegensätze zwischen den Kulturen konstruieren: „Insbesondere verbietet es jegliche Einteilung der Menschheit in Gruppen oder Rassen, denen unterschiedliche und kaum veränderliche Eigenschaften zugesprochen werden.“ | www.wuerzburg.de


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Neugier auf Neuguinea Ein Würzburger fürs „Kristen Radio“ von Papua-Neuguinea, sechs Kitzinger bereit für Extremerfahrungen von Joachim Fildhaut / Fotos: Jan Peter Hanstein & Joachim Fildhaut

+ Johann Flierl, Missionar aus Neuendettelsau, betrat am 12. Juli vor 125 Jahren den Boden der – kaum auch nur an den Küsten kartographierten – Insel. Seither datieren viele Verbindungen von Franken in den drittgrößten Inselstaat der Welt. So zog der Würzburger Thorsten Krafft vor wenigen Wochen auf die andere Seite der Welt, d. h. in den Staat Papua-Neuguinea im Osten der Insel Neuguinea, deren Westen zu Indonesien gehört. Im Pazifik nördlich von Australien soll er die evangelischen Medien unterstützen. Er nähert sich dieser Aufgabe mit großer Offenheit. Beim Würzburger Lokalfernsehen lernte Thorsten Krafft Mediengestalter. In den letzten elf Jahren produzierte er in seiner eigenen Firma hauptsächlich Filme für kommerzielle Kunden – teils auch Live-Sendungen. Technisch fühlt sich der 40-Jährige seiner neuen Herausforderung also gewachsen: das Informationszentrum der Lutherischen Kirche in Lae beraten, einer wichtigen Küstenstadt von Papua-Neuguinea. „Ich bin gut vorbereitet“, sagt er. Dass er damit recht hat, geht aus seiner Einschränkung hervor: „Es kann aber auch ganz anders kommen!“

Touristisches Motto: „Expect the unexpected!” Die Anforderungen in Kraffts Stellenangebot waren äußerst umfangreich. Internet, Radio, Zeitung – für alle Medien sollte die gesuchte neue Kraft einsatzbereit sein, die die Mission EineWelt aus Neuendettelsau entsendet. „Informationsvernetzung für die gesamte Evangelisch-Lutherische Landeskirche von Papua-Neuguinea mit über einer Million Angehörigen“ lautet seine Aufgabe. Eins ist ihm schon vor der Abreise klar: Radio ist eminent wichtig. Das lutherische Informationszentrum dort produziert Beiträge für kirchliche Sendefenster diverser Stationen. Aber: „Welche Programme laufen dort? Welche Themen KulturGut 06 | Seite

versucht das ‚Kristen Radio’ zu kommunizieren? Passt das zusammen mit den Bedürfnissen der Hörer?“, fragt sich Thorsten Krafft, der „studieren, genau hinschauen und lernen“ will, was in der ihm fremden Lebenswelt vor sich geht. Sein Blick von außen soll auch helfen, dieses Radio-Programm weiterzuentwickeln. Und eine weitere Aufgabe steht dazu fest: Er soll Strukturen schaffen, damit die Innovationen auch in Zukunft weiter entwickelt werden können und die einmalige Änderung nicht verpufft. „Nachhaltigkeit“ ist auch hier das Stichwort.

Besuch aus der alten Heimat Und er freut sich darauf, sein Englisch mit Händen und Füßen zu modifizieren: In Papua-Neuguinea spricht man Tok Pisin, Pidgin-Englisch. Der Franke weiß: „Das ist eine schöne, bildreiche Sprache, in der viel umschrieben wird.“ Dabei findet er es „sehr spannend, das Christentum neu zu entdecken“. Denn die dortige Religionspraxis habe „auch Wurzeln aus dem Animismus heraus – so wie sich in unseren Weihnachtbräuchen alte heidnische Kulte erhalten haben“. Wie bei ihm alles angefangen hat? Nun, schon in den 1980er Jahren war Krafft in der Karlstadter Eine-Welt-Gruppe aktiv. Dort baute er den Weltladen mit auf, fasziniert von Projekten in Übersee. Medienarbeit und Engagement für die evangelische Kirche sind zwei weitere zentrale Elemente seines Lebens. Jetzt ist er glücklich, alle drei zusammenzubringen. Für drei Jahre hat er sich verpflichtet, zunächst. Dass harte Herausforderungen auf den Medienarbeiter zukommen, weiß Jan Peter Hanstein. Der Missionspfarrer des Dekanats Kitzingen verbrachte schon einmal einige Zeit drüben. Und waren es auch nur vier Wochen – dennoch kehrte Hanstein um fünf Kilo leichter zurück. Derzeit bereitet er sechs junge Leute auf einen interkontinentalen Jugendaustausch vor. Sie werden den August auf Papua-Neuguinea verbringen.

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Die letzten Tage im heimischen W端rzburger Gr端n: Thorsten Krafft im Ringpark. KulturGut 06 | Seite

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Schülertreffen: Alexander Hurtz, Lars Hein, Thorsten Reiners, Lisa Kummer und Maria Wurdinger. Zur Reisegruppe gehört als „Teamerin“ die frischgebackene Religionspädagogin Eva-Maria Larisch. Rechts Studentinnentreffen: Banz-Kollegiatinnen nach der täglichen Ernte für den Eigenbedarf.

Ein College namens Banz Die wichtigste Anlaufstation in der früheren deutschen Kolonie ist das Lutheran Church College Banz (LCCB) im Hochland der tropischen Hauptinsel. 120 Neuguineas studieren hier Fächer, die in etwa der bayerischen Diakonenausbildung entsprechen. Die Deutschen werden eine Zeit lang mit ihnen leben. Denn Lars Hein zum Beispiel möchte „Extremerfahrungen machen“ und freut sich auf die Besteigung des 4503 Meter hohen Mount Wilhelm. Dabei weiß er, dass die Gastgeber kein bisschen daran interessiert sind, die Natur sportlich zu bezwingen. Sie bewirtschaften ihre Gärten für den dringenden Eigenbedarf. Die College-Studenten von Banz müssen den Betrieb ihrer Schule mit einfachen Hacken in ihren Händen unterstützen. Heins Freund Alexander Burtz stellt sich denn auch auf ein anderes Extrem ein: „Ich möchte erfahren, wie wenig man zum Leben eigentlich braucht“, nennt er als seine Motivation fürs Mitreisen. Das wird er mit eigenen Augen sehen, angesichts der dürftigen Versorgung im Land aber auch am ganzen Leib spüren. Mitfinanziert wird der Austausch durch die Gemeinden, denen die Jugendlichen angehören: Rödelsee, Iphofen, Wiesentheid interessieren sich lebhaft für die Reise der Gruppe, die über ihr kirchliches Engagement und private Freundschaften zusammenfand: „Als wir das Projekt in den Gemeinden vorgestellt haben, wollten die gleich wissen, wann wir nach unserer Rückkehr wieder für sie berichten können“, sagt Lars Hein. Jan Peter Hanstein schlussfolgert: „Das zeigt, dass die Gemeinden uns schicken.“

20 Jahre Partnerschaft

geht. Wir behalten uns die Skepsis vor, dass wir vielleicht selbst ein Teil des Problems sind. Allein wenn man in Papua-Neuguinea vor Augen geführt bekommt, wie wir Europäer mit unseren Ressourcen umgehen, ist das sehr schmerzhaft.“ Mit solchen Worten im Ohr fühlt sich Hansteins Reiseteam gut gecoacht. Es kommt den Jugendlichen nicht nur auf eine Kulturbegegnung an, sondern darauf, „den Gesamtzusammenhang zu verstehen, in dem wir leben“. Im August 2011 werden die Kitzinger einen differenzierten Einblick in die Verhältnisse des früheren Kaiser-WilhelmLands nehmen. Denn die sechs LCCB-Austauschschüler, die den Franken heuer ihr Land zeigen, stammen alle aus verschiedenen Provinzen von „PNG“.

Erwartbare Schwierigkeiten, sich auf gleicher Augenhöhe zu treffen Europäer und Melanesier werden heuer in der kleinen College-Siedlung Banz und 2012 im Iphofener Jugendtagungshaus des Dekanats zusammen wohnen. Bergwanderer Lars Hein hofft, „dass wir die Erwartungen erfüllen: Die Neuguineas haben hohe Ansprüche, auch die christliche Seite ihrer Gäste zu erleben – weil ihre Religion schließlich von uns kommt.“ Und Hanstein ergänzt: „Ja, die sind viel frommer als wir.“ In Finschhafen, nahe dem heutigen Sitz der Evangelischen Landeskirche von Papua-Neuguinea in Lae, kommen die Reisenden heuer gerade recht: Denn da wird der Ankunft des evangelischen bayerischen Missionars Johann Flierl vor 125 Jahren gedacht. Für Jan Peter Hanstein ist das in erster Linie ein Anlass, „den Nachwirkungen des Kolonialismus’ nachzuspüren“.

2012 besteht die Partnerschaft zwischen dem LCCB und dem Dekanat Kitzingen seit 20 Jahren. Hanstein grenzt ab: „Das ist kein typisches Projekt, bei dem man ein paar Tausend Euro in der Annahme spendet, man habe die Probleme ein bisschen gelöst, und dann wieder wegKulturGut 06 | Seite

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Naturreligionen halten sich in den entlegenen Hocht채lern ebenso wie auf den 1000 Meilen entfernten Inseln des Riesenreichs.

Niedlich, aber: Die Lebenserwartung der Pazifikinsel liegt bei 50 Jahren. KulturGut 06 | Seite

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Redaktionsbeirat: Anja Flicker, Muchtar Al Ghusain, Hans-Georg Mennig, Dr. Rotraud Ries, Hermann Schneider, Dr. Gunther Schunk, Prof. Ulrich Sinn Fotos: Gleb Polovnykov, Falk von Traubenberg, Gabriela Knoch, Iris Wrede, Bildarchiv der Stadt Würzburg, KulturGut Bildarchiv, Veranstalter, Titelfoto: Gleb Polovnykov Art Direktion Melanie Probst Produktion & Distribution: MorgenWelt Würzburg GmbH, Gerberstraße 7, 97070 Würzburg

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KulturGut erscheint viermal jährlich in Würzburg.

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THEATER SOMMER

Theater & Kulinarisches vom 13. – 24. Juli 2011 Mainfranken Theater Würzburg Karten: Tel. 0931 / 3908 -124 | www.theaterwuerzburg.de


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Suzanne Vega (USA) & Beady Belle (Norwegen) - 22.07. Jazzanova Live feat. Paul Randolph & Feindrehstar (Deutschland) - 23.07. 1K Systems & Kellerkommando (Deutschland) - 24.07. Sparda-Bank Classic Night - Clubsounds treffen Klassikwelten: Phoneheads & Philharmonisches Orchester Würzburg (Deutschland) - 26.07. Patty Moon + Strings (Deutschland) plus Film - 27.07. Klaus Doldinger‘s Passport Today feat. Classic Passport (Deutschland) - 28.07. Quadro Nuevo (Deutschland) - 29.07.

Sophie Hunger (Schweiz) & Mari Krien Brunvoll (Norwegen) - 31.07. The Magnets (Großbritannien) - 03.08. Rusconi (Schweiz) & Trio Elf (Deutschland) - 04.08. Erdmöbel (Deutschland) - 05.08. Blue King Brown (Australien) - 06.08.

Fift y Fingers & Benz/Dömling/Schmidl (Deutschland) - 07.08. Staff Benda Bilili (Kongo) plus Film (Deutschland) - 10.08. Danças Ocultas (Portugal) & Kyrie Kristmanson (Kanada) - 11.08. Carolin No & Wendy McNeill (Kanada) - 12.08. Marcos Valle (Brasilien) - 13.08.

u. a. Festival am Alten Hafen Würzburg

22.7.–14.8.2011


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