KulturGut05

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KulturGut

Ausgabe

05 April 2011

Magazin für die Kulturregion Würzburg

Aufforderung zum Tanz! Die Tanzszene bewegt sich | Süchtig nach Bühnenluft. Junge Laienschauspieler | Groß und rund. 90 Jahre Mozartfest

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LA CENERENTOLA (Aschenputtel) Oper von Gioachino Rossini Ab 26. März 2011 � Großes Haus Mainfranken Theater Würzburg

Aufnahmeort: Treppenhaus der ehemaligen Landeszentralbank Würzburg | Gestaltung / Konzeption: Uli Spitznagel | Foto: Falk von Traubenberg | www.theaterwuerzburg.de


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Editorial

Tanzen hat etwas mit Denken zu tun! Es ist etwas in Bewegung in Würzburg. Eine Idee gewinnt Gestalt, ein gemeinsames Ziel wird Wirklichkeit. Das Würzburger Tanzfestival wird uns im Juli an vielen Stellen der Stadt begegnen und uns mit nicht alltäglichen Eindrücken konfrontieren.

Das Tanzfestival ist also nicht der Endpunkt der Bemühungen, sondern nur das erste Resultat in einer fruchtbaren Kooperation, die sicherlich auch in Zukunft viele weitere Projekte erfolgreich auf den Weg bringt – wenn sie kontinuierlich weitergeführt wird.

Es ist ein ungewöhnliches Experiment und ein Projekt, das unerwartet viel Resonanz erzeugt. „Die Würzburger waren sich ihrer Kraft gar nicht bewusst – jetzt erst merkt man, wie viel Unterstützung es gibt“, formuliert Projektleiter Dirk Elwert. Mit ihm hat man sich einen Profi für die Organisation an Bord geholt, der die Ideen erdet und umsetzbar macht. „Ein bisschen Größenwahn gehört allerdings dazu, so etwas zu planen“ gibt er zu.

Wir freuen uns auf diese bereichernde Perspektive und fordern Sie auf, an diesen Tagen im Juli mit offenen Augen durch die Stadt zu gehen – Seien Sie neugierig!

Die Ausstrahlung des Projektes führt aber viel weiter. Es ist mehr als das Tanzfestival, das hier entsteht. Es ist die intensive Zusammenarbeit am Runden Tanztisch, welche die Position der Würzburger Tanzszene dauerhaft stärken kann.

Wenn Sie gerne weiter in den Diskurs mit uns eintreten möchten, dann laden wir Sie wie immer herzlich auf unsere Website www.kulturgut-wuerzburg.de ein. Wir sind dankbar für Ihre Anregungen und für einen geistreichen Dialog: Bleiben Sie uns gewogen! Iris Wrede Chefredakteurin

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Editorial

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Inhalt

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Thema | Größenwahnsinnig … und taff zugleich

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Thema | Bühne frei! Der Tanztisch gibt ein Fest

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Thema | Szenekult: Breaken vor dem Kloster

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Thema | Mercedes Sebald - eine Frau, zwei Festivals

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Thema | Da funken die Mariechen

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Thema | Jugendtanztage haben vorläufig ausgetanzt

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Theater | Gastregisseurin Eva-Maria Höckmayr

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Theater | Junge Laien, heimlicher Nachwuchs

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Theater | Termine

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Musik | Großes aus kleinem Kopf: Mozartfest wird 90

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Musik | Ton um Ton zum Komponisten Stahmer

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Musik | Termine

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Kunst | Intensives Sehen, unbekannter Maler Heinrich Barth

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Kunst | Termine

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Literatur | Leonhard Frank und die Würzburger Erinnerungskultur

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Literatur | Frank II: Der Dichter in der Schule

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Literatur | Creative Writing ist eine Kulturtechnik

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Literatur | Termine

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Film | Termine

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Film | Ein langes buntes Wochenende

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Stadt | Buchhandlungen liegen immer näher

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Stadt | Termine

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Stadt | Neuer Text im Grafeneckart

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Wissenschaft | Mozartfest-Gründer Zilcher: Ganz typisch

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Wissenschaft | Zilcher II: Aus der Perspektive des Rechtsanwalts

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Wissenschaft | Termine

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Interkultur | Termine

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Interkultur | Das Africa Festival singt in Zungen

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Interkultur | Jüdisches Dokumentationszentrum mit neuem Namen

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Größenwahnsinnig … und taff zugleich. Als Projektleiter des Tanzfestivals hat Dirk Elwert ein Ziel: den Ideen Nachhaltigkeit und Bodenhaftung zu geben. von Iris Wrede / Fotos: Gleb Polovnykov

+ „Die Idee ist eigentlich größenwahnsinnig“, sagt Dirk Elwert und lächelt verschmitzt. Und doch wird das Tanzfestival Realität. Der Mut, diese eigene Energie, aus dem Nichts heraus etwas Neues zu schaffen, – das ist es, was der Dramaturg und Produzent an diesem Projekt so faszinierend findet. Er, der Profi, der in Leipzig und Berlin arbeitet, weiß, wie hoch die Messlatte ist, die übersprungen werden soll. Und sieht seine Aufgabe darin, die Ideen zusammenzuführen, zu bündeln und umsetzbar zu machen. Mit seiner Hilfe bei der Organisation und der Struktur stellt er die Bodenhaftung her. Dazu gehört auch, aus einem Wunschbudget ein umsetzbares Zahlenwerk zu machen, bei der Sponsorengewin-

nung zu beraten - oder ganz banale Fragen zu stellen wie: Wo findet der Kartenvorverkauf statt und wie bespielt man so einen ungewöhnlichen Aufführungsort wie das Müllheizkraftwerk?

Nicht bremsen lassen Auftritte außerhalb des üblichen Rahmens, auf Straßen, Plätze, Behörden und Einkaufszentren gehören zum Konzept – sie sollen den Tanz unmittelbar zu den Menschen bringen. Vielleicht passiert dann im besten Fall das, was Elwert als Ziel formuliert: Dass die Bevölkerung nicht nur konsumiert, sondern auch selbst den Drang verspürt, sich zu

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unseriös – von diesem Phänomen möchte sich Elwert aber nicht bremsen lassen.

Wissen, was man tut „In Deutschland ist Tanz nicht so alltäglich und offen. Da den Mittelweg zu finden, interessiert mich. Das Publikum ist oft mutiger als die Veranstalter selbst, auch wenn es an das Thema herangeführt werden muss.“ Es hat sich viel entwickelt, sagt Elwert. Als er begann sich für Tanz zu interessieren, gab es noch das berühmte „Hupfdohlen-Ballett“. Elwert vergleicht es mit Kindertheater für Erwachsene. Schön anzusehen, aber ohne weitergehende Aussage. Dann entstand eine politisierte Welt, in der die Menschen hinterfragten: „Was hat das mit mir zu tun?“ „Ich meine jetzt nicht, dass jeder Tanz politisch sein muss“, betont er, „aber man muss sich fragen: Wo sind die Leute? Wo sind diejenigen, die sich für die Form interessieren in der ich das tue. Ich möchte, dass die Menschen die tanzen, wissen was sie tun.“ In Würzburg, sagt Elwert, hat man bisher das Potenzial der Menschen, die sich für den Tanz interessieren und ihn unterstützen nicht ausgeschöpft. Gerade deshalb ist es so wichtig, dass das Projekt die Zusammenarbeit in der Tanzszene stärkt, ihre Position festigt.

Das Projekt kann wachsen

bewegen. Zu tanzen. „Wir bringen zeitgenössischen Tanz dorthin, wo sich ansonsten die Hip Hopper tanzen, nämlich auf Straßen und Plätzen. Es wird interessant, auch wenn wir keine Headspins machen. Die einfache Aussage ist: Wir sind hier, schaut einfach mal hin!“ Die Entwicklung auf den Straßen ist konträr zur klassischen Tanzszene. Hier gibt es genau den Nachwuchs, der im klassischen Ballett fehlt: Die jungen Männer. Das Rollenverhalten im Tanz ändert sich – die Grenze zwischen zeitgenössisch und klassisch zerfließt. „Das ist eine ganz große Möglichkeit“ sagt Elwert, der mit seiner Jury-Teilnahme in der Sat 1 Show „You can dance“ einem breiten Publikum bekannt, aber auch in der zeitgenössischen Tanzszene hart kritisiert wurde. Zwar habe er in der Show damals viele Erfahrungen gesammelt und andere Tanzformen kennengelernt, er würde es allerdings in dieser Form nicht wieder machen. Nicht, weil ihn die Kritik abschrecken würde. Nein, das ursprüngliche Sendekonzept wurde unter dem Druck der Quote „Bohlenisiert“ und damit trivial. „Die Idee war auch eine ganz andere, als ich dort hinkam“, erklärt er: „Man suchte eigentlich einen Fachberater für das Projekt. Dann musste, wie das bei Fernsehsendern so ist, die Show raus, bevor Dieter Bohlen mit „Superstar“ rauskam. Also hat man die ganze Konzeptionsidee verworfen und auf das zurückgegriffen, was man kannte“. Auch wenn sie auf die niedersten Instinkte abzielen, sagt Elwert, können wir dennoch von diesen TV-Formaten lernen: In Amerika zum Beispiel scheuen sich auch Profi-Tänzer nicht, bei einem ähnlichen Sendekonzept mitzuwirken. Dort ist der Wechsel für Tänzer zwischen Disney und Broadway-Show möglich, es gelten andere Gesetze. Der neue Leiter des renommierten Nederlands Dans Theater hat früher für zwei Jahre Disney-Shows gemacht. Das machte ihn für Europa

Auch wenn es nicht einfach sein wird, Kontinuität zu bewirken schließlich haben die Beteiligten, die sich zum runden Tanztisch gefunden haben, alle eigene Projekte. Im Lauf der Zeit wird sich zeigen, wer hat welche Stärken und Schwächen, wer bleibt am Ball, bemerkt Elwert. Das wichtigste sei eigentlich ein gemeinsames Ziel, an dem gearbeitet wird – eine Wiederholung des Tanzfestivals müsse das nicht unbedingt werden: „Man sollte nicht das Festival zur zwangsläufigen Institution manchen, die im nächsten Jahr wieder stattfinden muss – auch wenn es sicherlich traumhaft schön wäre. Vielleicht ist es nächstes Jahr eine ganz andere Idee. Das wesentliche sei eigentlich, dass die Beteiligten vom runden Tanztisch wenigstens einmal im Jahr etwas zusammen auf die Beine stellen. Zum Beispiel mit einer gemeinsamen Choreographie, oder einem Tanzbüro, bei dem sich Freischaffende Hilfe holen können, einem internationales Tanzfest … das Projekt kann wachsen“, schließt Elwert den Ideenreigen und eilt zum Zug – voller Energie und Tatendrang.

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INFO: Dirk Elwert (* 1960 in Gelsenkirchen) ist Dramaturg und Produzent. Er studierte Theater-, Film- und Fernsehwissenschaften in Köln, absolvierte eine Schauspielausbildung in Zürich und München. Er war u.a. Regieassistent in Gelsenkirchen und Dramaturg bei der Ballettcompany Nürnberg, später administrativer Leiter. Ab 1998 war Dirk Elwert Manager der Tanzcompany am Theater Basel. Seit Herbst 2002 ist Dirk Elwert künstlerischer Projektleiter und freier Dramaturg bei The.Lab art & media in Berlin. Neben seiner Tätigkeit als Dramaturg (u. a. bei Giselle … about love and other difficulties … 2006 in Köln), arbeitet er als Moderator (beim Choreografiewettbewerb no ballet/+phat_skillz// dance 2007 in Ludwigshafen) und profilierte sich 2006/2007 als Jurymitglied bei You Can Dance.

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Tanzen am Tisch Die ganze Stadt ist Spielort für das Tanzfestival vom 18. bis 23. Juli von Joachim Fildhaut / Fotos: Gleb Polovnykov

+ Freischaffende Ausdruckstänzerinnen und beamtete Lehrer, Compagniemitglieder des großen Theaters und Folkfreunde haben Platz am Runden Tanztisch. Dort sitzen drei wesentliche Teilnehmergruppen. Das Ballettensemble des Mainfranken Theaters vertrat in unserem Round-Table-Gespräch dessen Direktorin, die Choreographin Anna Vita. Der Leiter von Tanzspeicher und Tanzwerkstatt, Thomas Kopp, repräsentierte die freien Gruppen, von denen sich mehrere auch in der Künstlervereinigung Salon 77 sammeln. Für die allgemeinbildenden Schulen sprach Johannes Wolf (auf den Fotos links), Musikpädagoge am tänzerisch stark engagierten Grünewald-Gymnasium. Seit circa 2 Jahren trifft sich die Tanz-Szene zu Gesprächen am runden Tisch. Auf die Kennlern-Phase folgt jetzt ein Festival. Drei Organisatoren blicken zurück und vor allem voraus. Anna Vita: Weil unser Ensemble an ein Haus und an den Spielplan gebunden ist, kommen wir gar nicht richtig aus dem Mainfranken Theater raus. Deshalb habe ich mir schon bald nach meinem Herzug nach Würzburg gewünscht, mal was mit anderen zu machen. Und dann hat Kulturreferent Muchtar Al Ghusain genau das angeregt: Macht doch mal was zusammen! So kam es zunächst zu dem Runden Tanztisch und in diesem Gesprächskreis bald zu der Idee, gemeinsam ein Festival zu veranstalten. Johannes Wolf: Ja, und zwar ganz pragmatisch. Es sollte nicht beim Reden bleiben, deswegen war jedem klar: Wir müssen uns jetzt ein Projekt vornehmen, weil ein solcher Plan auch etwas Disziplinierendes hat.

Thomas Kopp: Die Schwierigkeit ist natürlich, dass wir alle stark in unseren eigenen Arbeiten involviert sind. Darum kamen lange Zeit nur so wenige Begegnungen zustande. Aber dann hatten wir es geschafft, uns zusammenzusetzen, und dann war klar: Jetzt müssen wir auch etwas gemeinsam machen. Sonst fallen wir wieder auseinander und jeder kümmert sich wieder nur um sein Zeug. Das wollten wir vermeiden. Vita: …sondern uns gemeinsam in der Öffentlichkeit präsentieren. Wolf: Und dann kam von dir und vom Theater das Angebot, hier etwas auf die Beine zu stellen. Vita: Natürlich, denn ich wollte schon immer ein Tanzfestival mit anderen Theatern machen. Aber es war nie ein Termin frei, bis das Mainfranken Theater die Tage Ende Juli 2011 freigeschaufelt hat. Dann haben wir gleich zugepackt und gesagt: Dann mal richtig! Nun kommt das Tanzfestival nicht nur ins Theater, sondern in die ganze Stadt. Wolf: Am Schultanztag, dem 19. Juli, dürfen dann auch die „Schulprofis“ aus ganz Bayern, die ja ein entsprechendes Niveau haben, einen ganzen Tag lang im Mainfranken Theater proben und dort abends eine richtige klassische Aufführung geben. Vita: Außer dem Schul- gibt es auch einen Kirchentanztag. Das Bischöfliche Ordinariat und das Dompfarramt haben großes Interesse gezeigt. Wolf: Dass es ganz unterschiedliche Initiativen sind, das hat sich zur Qualität des Festivals entwickelt. Es soll auch nicht nur Tanz zum passiven Anschauen geben, sondern Tanz, der als soziales Projekt funktioniert. Da wird eine große Vielfalt in Würzburg programmatisch gezeigt.

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Kopp: Jeder von uns bedient ja auch eine andere Klientel. Ich habe viel mit Jugendlichen zu tun, wenn auch nicht so viel wie eine Schule. Ich habe mit zeitgenössischem Tanz mehr zu tun als die Anna, und deren Metier ist eher das Klassische und Neoklassische. Diese Facetten zusammenzubringen war gar nicht so leicht – aber spannend. Vita: Genau das wollen wir in der Eröffnungsgala gleich von Anfang an zeigen, dass nicht nur eine klassische Nummer nach der andern kommt, sondern auch Zeitgenössisches, aus der Schule, vielleicht etwas Folkloristisches. Nur die Ballettschulen mit ihrem ausgesprochenen Kinderballett haben wir nicht angesprochen. Wolf: Die arbeiten ja auch eher mit einer kommerziellen Zielsetzung und nicht unter künstlerischen Aspekten – im Gegensatz zu dem, was

wir auf dem Festival präsentieren: Da soll alles einen künstlerischen Ansatz haben. Vita: Und: Wir wollen keine Workshops geben und etwas lehren, sondern wir wollen etwas zeigen. Das wäre für die Ballettschulen noch zu früh. Kopp: Im meiner Tanzwerkstatt gibt es zwar auch tänzerische Vorausbildung, aber die habe ich bei den Festivalplanungen außen vor gelassen. Sonst verzetteln wir uns. Der Tanzspeicher ist als Institution schon sehr stark involviert, tauscht sich mit dem Mainfranken Theater aus und arbeitet schließlich auch beim Grande Finale viel mit. Das findet übrigens an einem sehr ungewöhnlichen Ort statt – im Müllheizkraftwerk.

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Vita: Im Infozentrum dort hatten wir schon unsere Gründungsveranstaltung. Der MHKW-Leiter Ferdinand Kleppmann ist ein ganz großer Tanzfan. Wolf: Eigentlich ist die Anlieferungshalle sehr groß, und wenn man die Außentüren öffnet, dann entsteht, vor allem im Sommer, ein ganz reizvoller Raum, der sich nicht andient, der sehr authentisch bleibt. Mit dem riesigen Platz davor ist das ein tolles Festivalgelände! Vita: Noch stricken wir an dem Programm. Es wird viel. Kopp: Es ist ein großes Vorhaben, es ist ein mutiges Vorhaben… Vita: …und auch ein teures Vorhaben. Wir sind noch auf Sponsorensuche. Anträge sind gestellt. Kopp: Der allererste Step war, sich zusammenzusetzen zu diesem runden Tisch. Daraus entstand die Festival-Idee, und dazu brauchte es schließlich Strukturen bis dahin, dass jemand die verwendungsmäßigen Nachweise für die Fördergelder bringt. Also brauchte es einen Verein als Träger und Veranstalter des Würzburger Tanzfestivals. Wolf: In der Phase des Kennenlernens war die größte Überraschung zu sehen: In Würzburg hat der Tanz nicht den Stellenwert, den er durch die Arbeit, die die Beteiligten reinstecken, längst verdient. Alleine kann man diesen Stellenwert in der Öffentlichkeit nicht bekommen – und nach einer Weile haben alle gemerkt: Gemeinsam kriegen wir etwas hin, was jeder einzelne für sich nicht schafft. Kopp: Die Zeit war einfach reif. Jetzt können wir’s angehen, jetzt passt’s. Es hätte ja auch gut sein können, dass man sich trifft und jeder sagt: Nö…, lass mal, wir haben selber zu viel um die Ohren. KulturGut 05 | Seite

Vita: Mein Aha-Erlebnis war zu sehen, wie viel alle arbeiten, die sich im Bereich Tanz engagieren, wie viel sie machen, wie viel sie versuchen, auf die Beine zu stellen, und wie hoch die Qualität auch ist. Mich hat es gefreut zu sehen, dass Würzburg so eine große Tanzszene hat.

INFOS: Vom 18. bis zum 23. Juli betanzen die Gruppen ne-

ben Mainfranken Theater und MHKW auch vier Gotteshäuser – am Kirchentanztag, den 20. Juli. In gut vier Stunden werden vier Würzburger Produktionen gezeigt. Gäste gestalten die Eröffnungsschau mit. Die heißt Burgen-Gala, mit Ballettensembles aus Coburg, Augsburg und Regensburg. Donnerstag und Freitag sind Public-Tanztage in Kaufhäusern, Fußgängerzone, Finanzamt, Gericht, Stabü und Rathaus. Am 21. Juli gibt das Theater in der Bibrastraße parallel dazu Uraufführungen Elektronischer Musik zu neuen Choreographien.

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Breaken vor dem Kloster B-Boying ist mehr als Tanzen, es ist wichtiger Bestandteil der Hip-Hop-Kultur – und auch in Würzburg zuhause Von Daniel Staffen-Quandt | Fotos: Jonathan F. Kromer

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+ Sobald es wieder wärmer wird, kann man sie samstags vor dem Augustinerkloster am Dominikanerplatz sehen: kleine und große Jungs in coolen Klamotten und weiten Hosen, die ziemlich gut tanzen können. Im Winter und unter der Woche, wenn sie im B-Hof-Gewölbe trainieren, ist die Aufmachung weniger stylisch, die Tanzschritte aber sind die gleichen. „Würzburg hat für seine Größe inzwischen wieder eine vitale Jugendtanzszene“, findet Sebastian Schick. Der 24-Jährige muss es wissen – er hat sie schließlich selbst mit aufgebaut. Pionier der Jugendtanzszene war in Würzburg aber ein anderer: Thomas Bagdas. Der heute 31-Jährige hat Mitte der 1990er Jahre, damals selbst noch Teenager, andere Kinder und Jugendliche im B-Hof trainiert. Breakdancen, oder B-Boying, wie es einst in New York bezeichnet wurde und wie es die Tänzer heute noch nennen, hat er sich selbst vor dem Fernseher beigebracht. Der deutsche Musikkanal Viva hatte damals die Sendung „Freestyle“ im Programm, die sich mit den drei Hip-Hop-Elementen – nämlich: Musik, Graffiti und Breakdance – beschäftigte. Thomas Bagdas hat damals Breakdance-Legende Niels „Storm“ Robitzky zugeschaut und alles ausprobiert. Auch Sebastian Schick hat von Thomas Bagdas eine Menge gelernt. Mit dem Tanzen hat Schick als 13-Jähriger auf dem flachen Land in Nordbaden angefangen, zuerst nur für sich, bald aber auch schon als Lehrer für jüngere Tanzwillige. 2003 kam er erstmals zum Tanzen nach Würzburg, im Jugendzentrum Bechtolsheimer Hof gab es damals ein Breakdance-Event. Von da an kam Sebastian Schick ein- bis zweimal im Monat extra an den Main, um dort mit anderen B-Boys zu trainieren, neue Elemente auszuprobieren, sich miteinander zu messen. Wer kann auf dem Kopf rotieren? Wer beherrscht einen neuen spektakulären Freeze? Darum ging’s. B-Boying und andere Tanzformen wie Streetdance, Locking oder New Style werden heute unter dem medialen Kunstbegriff Breakdance zusammengefasst, sind aber im Grunde alle verschieden. Sie haben sich selbstständig entwickelt und wurden zu eigenen Tanzszenen, die weltweit wachsen. Alle haben sie völlig eigene Klamotten- und Musikstile. B-Boying war jedoch der erste Tanzstil, der aus den USA nach Europa und Deutschland kam. Inzwischen ist B-Boying längst nicht mehr nur Teil der Jugendkultur – weil die Tänzer der ersten Stunde heute keine Jugendlichen mehr sind und weil „es bei Hip-Hop um mehr geht als sprayen, tanzen oder auflegen und rappen zu können“, sagt Thomas Bagdas. Das gehört zwar auch dazu, aber den echten B-Boyer mache nicht allein das Tanzen oder die Klamotten aus. „Das ist ein Lebensgefühl“, findet er: „Wer das nur macht, um cool zu wirken, der hat nicht begriffen, worum es geht.“

Aus der Geschichte der Gewaltprophylaxe Und schon ist man mittendrin in der jüngeren Geschichte der Vereinigten Staaten, mitten in den Ghettos und den Armenvierteln der späten 1960er Jahre, dort, wo täglich Bandenkriminalität tobte. Die ersten Fotos von B-Boying tauchten Anfang der 1980er Jahre auf, die Wurzeln reichen aber gute zehn Jahre weiter zurück, unter anderem zum Tanzstil von Soul-Legende James Brown. Vor allem das B-Boying, aber auch die anderen Hip-Hop-Elemente waren der Versuch, Konflikte zwischen rivalisierenden Gruppen gewaltfrei auszutragen, in so genannten Tanz-Battles, also kleinen Tanz-Wettkämpfen. Wer besser tanzt, der gewinnt. Um besseres Tanzen und Gewinnen geht es den B-Boys heute auch noch – aber alles gewaltfrei. „Da sind wir ganz rigoros“, sagt Schick, der mit Bagdas zweimal wöchentlich Nachwuchstänzer trainiert. Zusammen mit Dino de Marco und René Richter sind die beiden als KulturGut 05 | Seite

Dino de Marco, Thomas Bagdas, Renè Richter und Sebastian Schick wurden für das Fotoshooting von „Das Sü

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Formation Blickfunk europaweit unterwegs und organisieren – wie schon 2007 – beim diesjährigen Umsonst & Draußen auch wieder das „Funbreakable“. Damit haben die beiden Würzburg in der deutschen B-Boying-Szene bekannter gemacht. Dafür opfern sie viele Stunden ihrer Freizeit, und die ist ohnehin rar. Denn vom Nachwuchstraining profitieren Sebastian und Thomas tänzerisch nicht. Um ihr Können zu behalten und auszubauen, braucht es viel Training.

Kampf um Kondition „Im Gegensatz zu Streetdance oder anderen Breakdance-ähnlichen Tanzstilen gehört zum B-Boying eine Menge Akrobatik“, erklärt Bagdas. Man braucht also viele Muskeln. Das wiederum ist der Hauptgrund dafür, dass es vor allem B-Boys und eher wenige B-Girls gibt. „Für Frauen ist es schwieriger, ähnlich viel Muskelmasse aufzubauen“, sagen Schick und Bagdas. Doch in Würzburg gebe es in der Nachwuchsszene auch etliche Tänzerinnen, die gemeinsam mit den Jungs trainieren und sich in der Welt der kleinen Machoallüren durchaus zu behaupten wissen. Sie machen dann eben weniger Head-Spins und Ninety-Niners, sondern überzeugen mehr mit Rhythmusgefühl und Ausdruck. Nach ein paar dürren Jahren mit wenigen Tänzern blüht die Würzburger Szene jedenfalls derzeit regelrecht auf, finden die beiden B-Boying-Pioniere. Es gebe immer mehr junge Leute, die sich nicht bloß für die Tanzschritte interessieren – ein Punkt, der der ganzen Gruppe Blickfunk sehr wichtig ist. „Die können auch in der Tanzschule ein paar Streetdance-Figuren lernen“, findet Sebastian Schick. Das Interesse an der gesamten Hip-Hop-Kultur wächst wieder. „Es geht eben nicht nur ums Posen“, sagt Bagdas. Obwohl das natürlich auch ein bisschen dazugehört, räumt er ein. Wie sähe das denn aus, wenn sie im Sommer vor dem Augustinerkloster in 0815-Klamotten und ohne jede Attitüde tanzen würden? Langweilig… LINKS: www.blickfunk.com

Das Sündikat” eingekleidet. KulturGut 05 | Seite

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Präzision, Disziplin. Und Leidenschaft Eine Frau, zwei Festivals: Mercedes Sebald Arguisuelas, ihr Flamencofestival und die Internationalen Tanztage von Christine Weisner / Fotos: Gleb Polovnykov

+ Sprachen und Tanz haben sie von klein auf fasziniert und begleiten sie bis heute. Die Tänzerin und Romanistin Mercedes Sebald Arguisuelas unterrichtet spanische Folklore, arbeitet als Übersetzerin und Spanisch-Dozentin. Darüber hinaus organisiert sie alljährlich zwei Tanzfestivals, wofür sie im Jahr 2009 mit der Würzburger Kulturmedaille ausgezeichnet wurde. Geboren in Navarrés in der Provinz Valencia, wuchs Mercedes Sebald in Würzburg zweisprachig auf. Ihr Vater kam aus einer eingesessenen fränkischen Kunsthandwerkerfamilie, während ihre Mutter Lebenskultur aus Spanien mit an den Main brachte. Sie steckte die Tochter auch mit ihrer Begeisterung für den Tanz an. Mercedes hat schon als Kind viel getanzt: von Elvis über lateinamerikanische Tänze bis Twist, alles querbeet. Als sie dann ins Ballett gehen durfte, lernte sie mit ebenso großer Begeisterung den klassischen Tanz, wurde Mitglied im Kinder- und dann im Extraballett des Stadttheaters. Daneben besuchte KulturGut 05 | Seite

sie Workshops, etwa bei den Stuttgarter Tanztagen, wo sie mit 18 Jahren dem bekannten Tänzer, Choreographen und Kastagnettenvirtuosen José de Udaeta begegnete. Damit war ihr Interesse für die spanischen Folkloretänze geweckt.

In der Hauptstadt Bei der Wahl des Studienfachs schlug dann das Pendel in Richtung Sprachen aus: Sebald studierte Romanistik und Germanistik. Ein Auslandssemester verbrachte sie in Würzburgs Partnerstadt Salamanca. Von dort war der Weg nicht weit nach Madrid, wo eine lebendige Flamenco-Szene mit neuen Impulsen wartete. Schließlich fand der Flamenco Eingang in ihre Magisterarbeit: Sie untersuchte das Motiv des Duende im Werk des Schriftstellers Garcia Lorca. Der Duende verkörpert im Flamenco als positiver Dämon den intensiven, mystischen

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Niki de Saint Phalle Spiel mit mir Sammlung Würth und Leihgaben Kunsthalle Würth Schwäbisch Hall 17. April bis 16. Oktober 2011 täglich 11 bis 18 Uhr

Moment, wenn Musik, Tanz und Publikum vollkommen in Einklang stehen. Für Mercedes Sebald ist es wichtig, zu vermitteln, wie Flamenco – jenseits der Klischees von Rüschen, Kastagnetten und fröhlicher Unterhaltung – wirklich ist. Nicht zuletzt deshalb organisiert sie das Würzburger Flamencofestival. Hier kann man erleben, wie der Flamenco die ganze Palette der Gefühle ausdrückt, von Leidenschaft über Trauer bis hin zur Freude. Nicht immer wird dabei getanzt, denn auch Sologitarristen oder Duos mit Sänger können Flamenco darbieten. Diese Kunstform kommt in Deutschland gut an. Die hiesige Flamencoszene gilt nach der japanischen als die zweitgrößte außerhalb Spaniens. Mercedes Sebald vermutet, dass die flamencotypische Mischung aus Präzision, Disziplin und spanischer Leidenschaft der deutschen Mentalität besonders entgegenkommt.

Das erste Festival beginnt 2003. Sebald ist beim Salon 77 als Tanzdozentin tätig. Als die Künstlervereinigung nach neuen Projekten sucht, funktioniert sie kurzentschlossen einen eigenen Auftritt in ein Fest um. Der Abend im Bechtolsheimer Hof fand großen Anklang - mittlerweile wuchs das Festival auf vier Veranstaltungen an: in der Zehntscheune des Juliusspitals und im Großen (!) Haus des Mainfranken Theaters. Dabei wird Mercedes Sebald von ihrem Mann unterstützt, der das Programm der Instrumentalmusiker zusammenstellt und alles Technische organisiert. Während der Konzerte packen Freunde und Schüler tatkräftig mit an. Der Lohn für ihre Mühe stellt sich ein, „wenn das Publikum begeistert ist und sich glückliche Momente bei allen Beteiligten auf den Gesichtern spiegeln“. Genau so wichtig ist ihr das Vertrauen, das die Besucher Jahr für Jahr dem Festival und ihrer Programmzusammenstellung entgegenbringen. Als Vorsitzende des Salons 77 veranstaltet Mercedes Sebald auch die Internationalen Tanztage. In Zusammenarbeit mit der Tänzerin Lisa Kuttner und Christiana Wagner-Schneider, die am Matthias-Grünewald-Gymnasium unterrichtet, organisiert sie Workshops für Tanzstile aus aller Welt. Mitorganisator ist auch hier Sebalds Mann Robert Collomb. Der Gitarrist, der sich neuerdings auch als Fachbuchautor betätigt, stammt aus Kanada. Kennen gelernt haben sich beiden bei einem gemeinsamen musikalischen Projekt. Das Paar lebt in einer Gemeinde bei Würzburg und hat inzwischen eine zweieinhalbjährige Tochter, die ganz selbstverständlich mit drei Sprachen und in drei Kulturen aufwächst.

Zur Ausstellung erscheint ein Katalog im Swiridoff Verlag. Bitte beachten Sie auch unsere besonderen kulinarischen Angebote für Gruppen in Kooperation mit dem Sudhaus an der Kunsthalle Würth.

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Aerobic bis Akrobatik In Faschingsgarden qualifiziert sich ein großer Schwung junger Tänzerinnen von Joachim Fildhaut / Foto: Gleb Polovnykov

+ Rausch der Bewegung, optische Präsenz der Masse – oder schlicht – niiiiiiedlich! Neben den Spielmannszügen trumpfen die Tanzgarden bei jeder Faschingssitzung am effektivsten auf. Sie nutzen die Bühne in gesamter Deko-Breite, sie sind viele, und sie sind jung. Allein schon ihr massiver Eindruck genügt, um im Verlauf eines Ballabends kräftige KulturGut 05 | Seite

Zäsuren zu setzen. Garde- und Showtänze steuern erheblich zur inneren Dramaturgie dieser Sitzungen bei. Auch innerhalb der Tanzszene kann sich die Bewegung der schwingenden Stiefeletten sehen lassen, schon rein quantitativ. 20.000 Jugendliche sind frankenweit in Faschingsvereinen aktiv, weiß der un-

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terfränkische Bezirkspräsident des Fastnacht-Verbands Franken (FVV), Kurt Baumeister aus Waldbrunn bei Würzburg. Dabei konzentrieren sich 150 Clubs auf die Mainregion, maximal 120 kommen in Mittelund Oberfranken noch einmal dazu, sagt der oberste Präsident der weinseligen nordbayerischen Karnevalshochburg. Kurzum: In Unterfranken jedenfalls macht das Engagement junger Leute bei den Tanzgarden eine bedeutende Teilmenge aller sportlichen Betätigungen aus. Denn die genannten 20 Tausendschaften von Nachwuchsnärrinnen und -narren sind zu einem Löwenanteil eben Tänzerinnen. Büttenredner und Gesangssolisten bilden nur einen kleinen Prozentsatz der Vereinsmitglieder.

Scheine für das Ehrenamt Das lässt sich der Verband – wiederum konzentriert in Unterfranken – was kosten. Während in der Region Nürnberg viele Tanzschulen gegen entsprechenden Unkostenbeitrag ein Geschäft mit dem Fasnachtstanz machen, schwärmt Baumeister von der „hohen Förderung“, die der Verband in Unterfranken den ehrenamtlichen Trainern angedeihen lasse. Die würden „zu 99 Prozent“ die Ausbildung der Jugend bestreiten, wobei „die Vereine und der Verband die Übungsleiterscheine bezahlen“. Bei besonderem Coachingbedarf ziehen die Garden gern Sigrid Dotterweich zu Rate.

Keine Nachwuchsprobleme „Immer lächeln. Es muss die Freude rüberkommen, dass ihr tanzen dürft“, lautet ein Motto der FVV-Tanzturnierausschussvorsitzenden Dotterweich aus Gochsheim. Tatsächlich ist genau das nicht ganz selbstverständlich: dass jede mittanzen darf. Einige Vereine der Region haben nämlich einen Aufnahmestopp für die Mariechen verhängt. Wenn sie alle aufnähmen, könnten sie komplette Prunksitzungen allein mit Garde- und den weniger reglementierten Showtänzen bestreiten. „Wir bemühen uns, dass wir keinen wegschicken müssen“, sagt Kurt Baumeister und fasst den Status des Nachwuchses zusammen: „Super!“

Hochleistungs-Helau Schließlich gibt es ein gestaffeltes System, das den Eintritt ermöglicht. Die jüngsten Einsteiger sind die vier- bis fünfjährigen Purzel, die oft, gern und mit hohem Niedlichkeitsfaktor in Tierkostümen auf die Bühne – nunja: purzeln eben. Sie stehen noch unter keinem so strengen Punktedruck. Dann kommen die Minis, die Schulkinder aus den ersten Klassen, und darauf geht’s mit den Fortmarschierten weiter. Das Engagement aller hat sich in den letzten Jahrzehnten durchgreifend gewandelt. Früher war es den Faschingsmanagern nur wichtig, dass da ein paar auf ihrer Bühne herumtanzten. Heute beteiligt sich der überwiegende Teil der Garden an Wettbewerben. Und da gilt’s. Da achten die Juroren schon beim Einmarsch auf frohsinnige Ausstrahlung, gleichmäßigen Abstand von Vor- und Nebentänzerinnen, auf geputzte Schuhe und schöne Schminke. Die entsprechenden Vorbereitungen hinter der Bühne schaffen Betätigungsfelder auch für die Mädchen, die sich in den kurzen Röckchen nicht so gerne sehen lassen. Aber die fülligeren Frohsinnsgenossinnen punkten selbst oft beherzt selbst in der Disziplin Showtanz. Denn dabei können die Kostüme frei gewählt werden, es kommt auf Originalität an und man kann alternative Register der Choreographie ziehen: Der Übergang von Aerobic zu Akrobatik fließt.


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Vorläufig ausgetanzt Bayerische Jugendtanztage: Nach 18 Jahren Stillstand von Marcus Thume

+ Gehüllt in rotes Scheinwerferlicht gibt die 15-jährige Andrea noch einmal alles, als die letzten Takte von Michael Jacksons „Thriller” durch die s.Oliver-Arena hallen. Zusammen mit anderen Jugendlichen hat sie vier Tage lang neue Tanzschritte gelernt, in Choreographie-Kursen exakte Bewegungsabläufe einstudiert und sich geplagt, um jetzt dem Publikum eine eindrucksvolle Show im Jacko-Stil zu präsentieren. Jenes applaudiert begeistert und zaubert viel Lächeln in die verschwitzten Gesichter dieses in so kurzer Zeit geschaffenen Ensembles. Es ist der Abschluss-Abend der „Bayerischen Jugendtanztage 2009”. Der steht unter dem Motto „Yes, we dance”. Klar, dass in diesem Jahr der Tod des „King of Pop” viele Teilnehmer dazu bewegt hat, tänzerisch in dessen Fußstapfen zu treten - er hätte als Zuschauer sicher große Freude an dieser Performance gehabt. Doch auch andere Stile werden an diesem Abend getanzt: Hip-Hop steht in der Beliebtheit weit oben, andere widmen sich dem Jazz-Tanz oder eifern den Stars der großen Musicals nach. Sie sind vor einigen Tagen aus ihren Heimatstädten in Bayern, Hessen, Thüringen und weiteren Bundesländern angereist, um sich unter der Anleitung von international KulturGut 05 | Seite

anerkannten Dozenten alle möglichen Formen des zeitgenössischen Tanzes näher bringen zu lassen - sogar Bollywood-Dance kann hier gelernt werden. Für Lilo Lehmann, Vorsitzende des Vereins Jugendtanz Würzburg, und Thomas Kopp, Leiter von Tanzwerkstatt und Tanzspeicher, geht mit dieser Nacht eine sehr arbeitsreiche, aber auch erfüllende Zeit zu Ende - beide tragen seit Jahren die Hauptverantwortung bei dieser großen Veranstaltung. „Danach fällt man erstmal in ein Loch…”, sagt Lehmann mit Rückblick auf viele Wochen und Monate intensiver Vorbereitungszeit, die nun hinter ihr liegen.

Keine Alternative zur s.Oliver-Arena Da die Bayerischen Jugendtanztage seit 1993 immer in zweijährigem Rhythmus stattfinden, müssten sich Lehmann und Kopp nun im Frühjahr dieses Jahres eigentlich schon wieder wie in der Ruhe vor dem Sturm fühlen. Doch diesmal können sie sich mehr oder weniger gelassen zurücklehnen – die Veranstaltung wird 2011 nicht stattfinden. Viele Gründe hätten zu dieser Entscheidung geführt, erläutern die beiden,

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und Thomas Kopp benennt als Zünglein an der Waage die Entscheidung der Betreiber der s.Oliver-Arena, die Halle im angestrebten Zeitraum nicht zu vermieten. „Eine wirkliche Alternative gibt es nicht”, sagt Lehmann. „Die Teilnehmer haben bisher immer in den nahegelegenen Unterrichtsräumen des BBZ übernachtet, und die Turnhallen des TGW, in denen die Workshops stattfinden, liegen ebenfalls günstig.” Da sie mit anderen Vereinsmitgliedern auch die Aufsichtspflicht über rund 500 Jugendliche hätte, sollten die Wege zwischen den Orten möglichst kurz sein. Thomas Kopp, der das Festival 1993 mit der Grundidee ins Leben rief, Jugendlichen aus Süddeutschland mehrtägige Tanzworkshops nahezu kostenlos anzubieten, erklärt die Hauptursache des Ausfalls mit der schwierigen Finanzierung: „Lilo, ihr Verein und ich haben bisher immer aus dem eigenen Budget drauflegen müssen, damit das Ganze klappt. Es ist auch nicht einfach, geeignete Sponsoren zu finden. Es passt einfach nicht, wenn bei den Jugendtanztagen mit alkoholischen Getränken und Zigaretten Werbung gemacht wird.“

Man hätte sollen... Die bisherigen Veranstaltungen konnten nur durch finanzielle Unterstützung von Stadt, Bezirk, Land und vom Bayerischen Landesverband für zeitgenössischen Tanz umgesetzt werden. „Wir hätten auch für dieses Jahr Fördergelder von diesen Stellen erhalten“, so Kopp, „aber einfach zu wenig für so ein aufwändiges Event.“ Die Geldgeber von Ministerium und Bezirk hätten sich bisher immer an der kommunalen Fördersumme orientiert. Da die für 2011 nicht besonders groß ausgefallen sei, würden von den anderen beiden Institutionen eben auch zu wenig Gelder einfließen. Ein wenig betrübt fügt Kopp hinzu: „Ich hatte gehofft, dass die Stadt den Wert dieser Form von Jugendarbeit etwas deutlicher erkennt.“ Er und Lehmann räumen jedoch auch persönliche Versäumnisse ein, was die Außenwirkung ihrer Tanztage anbelangt. Beide hätten sich bisher eher mit dem Kursangebot, der Dozentenauswahl oder Mietangelegenheiten auseinandergesetzt als die Werbetrommel zu rühren. Ein größeres Renommee der Veranstaltung hätte vielleicht mehr Förderer angezogen. Allen Jugendlichen, die dem Event bereits entgegengefiebert haben, bleibt die Hoffnung, dass es vielleicht in zwei Jahren wieder aufgenommen wird. Ein passendes Motto für 2011 hätte Michael Jackson in seinem „Earth Song“: „What about us?“

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Rolleneinschreibung mit Musik Mainfranken-Theater-Premiere am 11. Juni: Eva-Maria Höckmayr bringt „Soliman“ ins Große Haus von Joachim Fildhaut

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der Mozartzeit, keine Kunstfigur, sondern ein historisch realer Fall von schräger Kulturbegegnung.

Das Naturwunder Der Afrikaner Soliman kann in der feudalen Gesellschaft durchaus arrivieren, heiratet gar eine angesehene Witwe, bleibt aber letztlich ausgegrenzt. Das Theater zeigt, wie viel Anteil daran verschiedene Projektionen seiner Mitmenschen haben, sechs Figuren, die Fels „in typenhafter Charakterisierung überzeichnet. Das sind fast schon Parodien“, evaluiert die Regisseurin. Und überhaupt sei die ganze Geschichte eine „bizarre Biographie“. Die endete damit, dass der schwarze Kammerdiener und Prinzenerzieher für das Naturhistorische Museum ausgestopft wurde. Die Handlung setzt zwei Jahre vor seinem Tod ein. Schon allein dies legt als musikalische Stimme das Requiem nahe – eine Totenmesse von Joseph Martin Kraus, geboren in Miltenberg, weit gereist und als „schwedischer Mozart“ apostrophiert. Von ihm stammt auch eine Komposition mit dem Titel „Soliman“. Einige Einsprengsel des österreichischen Mozart und von André Camprá werden ebenfalls gegeben. Arrangiert hat die Partituren Barbara Rucha, mit der Eva-Maria Höckmayr schon mehrfach ihre persönliche Theater-Musik-Technik erprobte. Ausführende sind das Kammerorchester Concerto Würzburg unter Leitung von Franz-Peter Fischer, sonst als Konzertmeister im Orchestergraben des Mainfranken Theaters, und vier Gesangssolisten. Und die junge Frau freut sich auf eine weitere Zusammenarbeit mit der Ausstatterin Angela Loewen.

Text und Musik Regie für Sprech- und Musiktheater: Höckmayr studierte beides an der Theaterakademie August Everding, war zu Ausbildungszeiten bereits Stipendiatin und Assistentin bei vier großen Festivals. 2006 engagierte sie das Theater Freiburg für zwei Jahre als Regieassistentin; da arbeitete sie unter anderem mit Markus Lobbes und Calixto Bieito. Freischaffend hatte sie im Herbst 2009 einen schönen Erfolg mit der Inszenierung von Claude Debussys „Pelléas et Mélisande“ am Theater Aachen, die ihr gleich zwei Preise, darunter die höchste Nachwuchsauszeichnung in ihrem Genre eintrug, den Götz-Friedrich-Preis. Die folgende überregionale Beachtung brachte vor allem Aufträge für Operninszenierungen – der Würzburger „Soliman“ ist für Höckmayr „endlich wieder“ eine Sprechtheater-Regiearbeit. Dass sie sich unlängst wieder in ihrer alten Heimat niedergelassen hat, ist nach der hektischen Reisetätigkeit ein echtes Zur-Ruhe-Kommen – wenn sie auch gleichzeitig als Gast-Regisseurin abermals in Freiburg arbeitet.

Große Szene: Preisgekrönte Aachener „Pelléas et Mélisande“.

+ Die Sommerhausenerin gibt ihr Regiedebüt in Würzburg. Allerdings führt sie nicht der direkteste Weg – über die B13 – ins Mainfranken Theater. Vielmehr liegen zwischen ihrem Wegzug aus dem Winzerdorf und der Inszenierung von Ludwig Fels’ Stück rund zehn Wanderjahre über die Bühnen des deutschen Sprachraums. Dabei entwickelte EvaMaria Höckmayr einen eigenen Zugriff auf Theatertexte, einen musikalischen. „Man versteht gesprochene Sprache anders, wenn sie dramatisch mit Musik verzahnt wird. Die Wahrnehmung intensiviert sich, wir sehen und hören anders hin und vielleicht genauer. Die Emotionen der Figuren können sehr vielfältig eingefangen werden, die Darstellungsmöglichkeiten auf der Bühne potenzieren sich“, sagt sie und erklärt’s mit einem Beispiel: „Wir werden auf ganz verschiedene Weise angesprochen, wenn jemand physisch oder wenn er ‚musikalisch’ schreit.“ Anlass zum Schreien hat Soliman, der „Hof-Mohr im Wien“ KulturGut 05 | Seite

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Heimlicher Nachwuchs Unbekannte Gesichter fielen in den letzten Jahren auf der Laien-Szene auf Text & Foto: Daniel Staffen

+ Sie lässt gerne mal die Sau raus. Sagt sie. Über sich. Wenn sie auf der Bühne steht. Und, dass ihr die komischen Rollen eher liegen. Wobei. Was Ernstes würde sie schon auch gerne mal ausprobieren. So als Experiment. Um es sich selbst zu beweisen. Irgendwie. Aber eigentlich geht es ihr ja vor allem um den Spaß an der Sache. Nicht weil man eine Rampensau ist, nein! Vom Publikum sieht man sowieso nix, bei den hellen Scheinwerfern und weil man sich so konzentriert. Andere Welt eben, Theater. KulturGut 05 | Seite

Nein, Lisa von Dörnberg redet nicht immer so. Aber wenn die Sprache auf ihr liebstes Steckenpferd kommt, kann das schon mal Bewusstseinsstromartiges hervorrufen. Die 22-Jährige aus dem Norden hat das Pädagogik-Studium von Schleswig-Holstein nach Würzburg verschlagen. Dort landete sie in Windeseile beim Theater-AK der Katholischen Hochschulgemeinde KHG. Keiner schlechte Adresse in Würzburg, wenn‘s um gutes Laienschauspiel geht. Lisa ist angefixt, vom ersten Moment abhängig.

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In zwei Jahren hat sie sich von einer kleinen, stummen Nebenrolle zur zweitgrößten Frauenrolle in Philipp Löhles „Genannt Gospodin“ emporgespielt. Sie hat Talent, keine Frage. Ein Rohdiamant vielleicht. Auf jeden Fall ein Glücksgriff für den Theater-AK. Den vertrottelten Bösewicht in Cornelia Funkes „Tintenherz“ spielte sie mit Hingabe. Komik liegt ihr, die Mimik ist ihr Kapital. An der Gestik arbeitet sie noch. Und die Theater-Zukunft? Liegt im Laienschauspiel. Sagt Lisa von Dörnberg. Wobei. Nein würde sie zur Anfrage eines Profitheaters oder einer ambitionierter Off-Bühnen nie sagen. „Mitnehmen was geht“, heißt Lisas Losung. Zum Glück fürs Würzburger Auditorium. So sie denn hier bleibt…

Mehr als ambitioniert Bei Wolfram Erben fing alles ganz klassisch an: Schultheatergruppe. Doch über einzelne Szenen kam das Ensemble nicht hinaus. „Ich hab‘ gemerkt, dass mir das Spaß macht“, erzählt der 27-Jährige. Und trotzdem hat er die Schauspielerei erst einmal nicht weiter verfolgt. Bis ihn das Studium an den Main verschlug. „Ja, ich weiß schon“, sagt er. Nein, originell ist sein Studium wirklich nicht. Geschichte und Deutsch für Lehramt am Gymnasium. „Dann kann ich selbst ‘ne Theater-AG leiten.“ Bitte nicht…

Im Prinzip hätte Wolfram Erben darauf wohl auch keine Lust. Ihm geht‘s beim Theaterspielen um den Spaß, nicht ums Textelernen, Büffeln, Arbeiten. Bauchgefühl, Extrovertiertheit, Authentizität sind die Charakteristika des Laiendarstellers. Und darin ist er nicht nur ambitioniert, sondern gut. Bereits seit fünf Jahren setzt er sein Talent für den Theater-AK der KHG ein, geht mitunter aber auch mal fremd. Dann mimt er bei anderen Würzburger Laienspielgruppen. Wolfram weiß, was er kann. Er liebt die Bühne, Hemmungen hat er dort nur äußerst selten. „Ich finde es spannend, jemand anders zu sein, andere Gefühle zu spielen, als man selbst von sich öffentlich zeigen würde“, sagt er. Wut, Verzweiflung, Angst. Mag er alles. Den Landstreicher in Samuel Becketts „Warten auf Godot“ hat er gespielt, den Diener Clov in Becketts „Endspiel“. Er ist wandelbar – und trotzdem drückt er den Charakteren seinen Stempel auf, ohne aufdringlich zu sein. Jetzt, wo das Staatsexamen immer näher kommt, endet vorerst wohl auch Wolfram Erbens Karriere auf der Bühne. Keine Zeit, keine Zeit mehr. Sagt’s und räumt dann gleich ein: „Wenn ein Profitheater kommen und mich fragen würde, ich würde nicht absagen…“ Warum auch, wenn man Talent hat?

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Theater |

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Becky Johnson

5. April, 20 Uhr, Jugendkulturhaus Cairo Ein kommender Weltstar des Improtheaters trifft die Würzburger Lokalmatadore Kaktussen. Becky Johnson stammt aus dem Heimatland des Theatersports, aus Toronto, Kanada. Beim letzten Festival in Würzburg war sie dabei und zeigte, was es heißt, einerseits sehr körperorientiert zu spielen, zugleich aber tiefgründige Charaktere zu entwickeln. | www. cairo.wue.de ++++++++++++++++++++++++

In Schrebers Garten

6., 13. und 16. April, 19.30 Uhr, Mainfranken Theater Mitte April, nach der letzten Vorstellung am Main, zieht die Aufführung weiter, denn das Würzburger und das Saarbrückener Theater koproduzierten die Uraufführung des biographischen Stücks von Klaas Huizing (der ebenfalls in beiden Städten arbeitet). Die Dramatisierung seines Romans bewegt sich in der ersten Hälfte etwas zu gerade am Leben des mythen-umschwirrten Paul Schreber entlang. Nach der Pause wird der Sohn des Garten-Erfinders dann aber mehr und mehr von paranoiden Ideen erfüllt – und die Phantasien greifen mächtig und bildreich in den Bühnenraum über. Der ist richtig großformatig gestaltet, das Stück und die Inszenierung von Schauspieldirektor Bernhard Stengele geben ein Beispiel für ein Theater, das Herz und Hirn seines Publikums erreichen kann, gerade weil es eine ziemlich moderne Bühnensprache spricht. Da können sich alle Beteiligten auf ein Betroffensein der Innenwelten verlassen und brauchen keine Knalleffekte, um auf sich aufmerksam zu machen. Foto: Falk von Traubenberg | www.theaterwuerzburg.de

Termine |

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16. April, 20 Uhr, Mainfranken Theater

Faltsch Wagoni

7. April, 20 Uhr, Theater am Neunerplatz Kabarett, Wortspielerei, Chansons und minimalistisches Musizieren stehen bei dem Duo in einem ebenso sensiblen wie transparentem Gleichgewicht. „Deutsch ist dada? Und obst!“ klingt eins ihrer Programme – das, das heuer seinen zehnten Geburtstag feiert. Oft auf großen Bühnen daheim, passen Der und Die Prosperi besonders gut in ein intimes Theaterchen. Zum Erklingen bringen sie Singende Säge und Nasenflöte, Theremin, Keyboards und diverse Gitarren. Foto: Jan Roeder | www.theater-am-neunerplatz.de ++++++++++++++++++++++++

Wer nicht kämpft, hat schon verloren 16. April bis 11. Juni, 20 Uhr, Werkstattbühne

Werkstattbühnenleiter Wolfgang Schulz will es wissen: Unter der Voraussetzung, dass sich die von Hartz IV geknechteten Massen hierzulande genauso notwendig gegen den „Herrn Kaputtal“ erheben werden wie die Armen in den früheren Kolonialstaaten – welche Stimme kann Theater ihnen geben? Die Antwort sieht stark nach einer Schulzschen Szenencollage aus, wie ein „wüstes, anarchistisches Traumbild“, bei dem Dichter den Freiheitshelden der Geschichte zur Seite stehen. | www.werkstattbuehne.com ++++++++++++++++++++++++

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Zwischen frechem Volke

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Das Stadttheater setzte Akzente und erstmals eine Improtheater-Langform auf den regulären Spielplan. An diesem Samstag kriegen drei Schauspieler (Anne Diemer, Robin Bohn, Philipp Reinheimer) zum Start vermutlich wieder sehr geringe Vorgaben aus dem Publikum und sollen einen dramatischen Bogen über mehr als eine Stunde ins Nichts voranbalancieren. Spannung wie bei einem konventionellen Stück kann dabei kaum aufkommen. Gelegentlich sind assoziative Abschweifungen zu erwarten, die aber hohen poetischen Reiz haben können. Spannend für das Publikum ist aber in jedem Fall zu verfolgen: Treffen sich alle Mitspieler auf derselben Zeitebene oder hat sich einer im Konstrukt verklettert? Ist diese Nebenfigur freiwillig oder durch ein Missverständnis entstanden? Spielt der Pianist passende Bühnenmusik? Spielt er vielleicht sogar etwas zuviel davon? Außerdem wirken noch zwei Beleuchter mit: Wie viel Geschlossenheit verdankt „Zwischen frechem Volke“ deren Timing! Weitere Aufführungen im Mai. Foto: Nico Manger | www.theaterwuerzburg.de ++++++++++++++++++++++++

Alle sieben Wellen ab 23. April, 20 Uhr, Theater Sommerhaus

Daniel Glattauers Mail-Dialog „Gut gegen Nordwind“ läuft noch in der Sommerhausener Kellerbühne (15.4., 19.6.), da kommt die Fortsetzung hinzu. Das offene Ende des Fremddenk-Bestsellers (denn richtig fremd gegangen wird ja nicht) schrie nach einer Abrundung, der Autor gestaltete sie höchst melodramatisch. Ob nun die Begegnung der beiden wirklich gespielt wird oder, wie im Roman, nur in der digitalen Liebesbrief-Rückschau stattfindet – egal.


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Brigitte Obermeier und Heiko Schnierer haben Bühnenpräsenz genug und können sich getrost auf die reduzierte Perspektive von der Computertastatur her beschränken. | www.theater-sommerhaus.de

ma „Moral“ verfassen soll. Das fröhliche Kammerspiel von Erfolgsautor Éric-Emmanuel Schmitt und das Ensemble überzeugen mit Leichtigkeit, Klarheit und Präzision. | www.theater-ensemble.net

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Erstes deutsches Zwangsensemble

Illusionen einer Ehe

„Die letzte Tour“ heißt das Programm des Trios aus den drei Solokabarettisten Mathias Tretter, Claus von Wagner und Philipp Weber. Der Programmtitel entfaltet seine innere Logik vor dem Hintergrund seines Themas, der Globalisierung. Das Zwangsensemble verlässt die Fernsehstuben („Unser Ziel ist nicht das TV, sondern die Schulbücher“) und bricht auf zu den neuralgischen Punkten der Zivilisation: „Wenn die Welt wirklich ein Dorf geworden ist, dann kommen hier drei junge Großstädter zum Schützenfest. Sie legen an auf alles, was sich noch bewegt.“ Denn: „Gewalt ist die Fortsetzung des Kabaretts mit anderen Mitteln.“ Aber noch stehen sie auf der Bühne. Und wie! Der Vorverkauf läuft! | www.bockshorn.de

Das Torturmtheater hat wieder ein Schnäppchen gemacht und sich fünf Monate nach der deutschen Erstaufführung den neuen Eric Assous gesichert. Der versierte französische Drehbuch- und Theaterautor landete unter anderem einen Erfolg mit „Achterbahn“, die vor sechs Jahren im Original mit Alain Delon lief. Sein jüngstes Werk war für fünf Molières nominiert, und als Autor strich Assous tatsächlich einen dieser französischen Bühnen-Oscars ein. Dramatische Kernsituation von „Illusionen einer Ehe“ ist das Verhör, besonders gut geeignet fürs Theater, weil hier Sprechen und Handeln eins sind. Statt findet es zwischen zwei männlichen Freunden, und seine Brisanz gewinnt es daraus, dass der eine von ihnen herausfinden will, ob der andere der Seitensprung seiner Frau gewesen ist. Er hat nämlich seiner Frau zwölf kurzlebige Untreuen gebeichtet und im Gegenzug erfahren, bei ihr sei es bloß einer gewesen – allerdings lange, lange… | www.torturmtheater.de

29. April, 20.15 Uhr, Bockshorn

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Der Freigeist

27. Mai bis 11. Juni, 20 Uhr, Theater Ensemble Es ist schon ein ziemlich anstrengender Tag für den armen Diderot. Was aber auch kein Wunder ist, wenn man einerseits in antiker Denkerpose, halbnackt mit Lorbeerkranz, einer Porträtistin Modell sitzt, die man mit geistreich-galantem Geplauder so ganz nebenbei und unbemerkt von der Ehefrau verführen möchte, und daneben mal eben einen Lexikonartikel zum The-

9. Juni bis 13. August, Torturmtheater Sommerhausen

zur Uraufführungs-Bühne. Zehn Stationen hat die Oper „Der Weg des Pilgers“ mit alter und neuer Musik, Tanz und Gesang, die am Spital beginnt und dort auch wieder endet. Die Berliner Musiktheaterregisseurin Anke Rauthmann konzipierte und inszenierte, von Jürgen Schmitt, Christoph Wünsch und Peter Fulda stammt die Musik. Mitwirkende sind Bariton Uwe SchenkerPrimus und Sopranistin Susanne Pfitschler-Schmitt, Markus Grimm, die Tänzerin Lisa Kuttner, vier Chöre und die Bands Hot and cool und Jazzensemble Peter Fulda. | www.ars-musica.de ++++++++++++++++++++++++

Ganz schön turbülent 20. Juni, 20 Uhr, CCW

12. Juni, 11 bis 16 Uhr, Spitalmuseum Aub

„Weil die Hall’ halt Scheise is, an sich“, so erklärte der Pfälzertürke Bülent Ceylan seinen Zuhörern im letzten Oktober vor laufenden Ohren die Akustik des Würzburger Kongresszentrums. Trotzdem liebten sie ihn, der außer dem Monnemer Gebabbel auch fließend Kanaksprak beherrscht. Thematisch hält er sich vorzugsweise bei den vorgeblichen Haupteigenschaften der beiden Völkerschaften auf, die an seiner Existenzwerdung beteiligt waren. Die entsprechenden Stichwörter lässt er wie Pingpongbälle springen, kennt aber auch die ruhigere Gangart. Die schlägt er vorzugsweise dann ein, wenn er Typen mimt, die selbst etwas langsam von Kapee sind – wie den türkischen Bodybuilder, der an der Wursttheke immer Markenware verlangt: Fleischwurst von Gucci. Vorverkauf in der Tourist Info im Falkenhaus, Telefon (0931) 372398.

20 Jahre wird der Verein Ars Musica Aub in diesem Jahr und macht am Pfingstsonntag den ganzen Ort

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Der Weg des Pilgers

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„In so einem kleinen Kopf so was grosses“ Wie das Mozartfest seinen 90. Geburtstag feiert Red. Thomas Williams / Fotos: Serge Derossi (Naïve) & Bill Phelps

+ Zunehmende Programmvielfalt und neue Wege zeichnen das Würzburger Traditions-Klassik-Festival aus, das längst kein reines Klassik-Event mehr ist. Freilich: Mozart bildet nach wie vor „den Hauptschwerpunkt und dominiert die Premium-Marke des Mozartfestes, die Kaisersaal-Konzerte“, sagt die Mozartfest-Geschäftsführerin Karin Rawe. Drumherum gibt es aber auch viel zu entdecken: Kammermusiken, außergewöhnliche Jazz-Events und ein Hip-Hop-Konzert in der Posthalle.

Die Helden von Hengelbrocks Würzburger Opernensemble Musikalische Glanzleistungen verspricht – und hält – die konzertante Aufführung von Mozarts Oper „Idomeneo“, die Thomas Hengelbrock mit einer Sängerriege ersten Ranges im VCC aufführen wird. Star des Ensembles ist die italienische Sopranistin Anna Caterina Antonacci (Foto oben), die als eine der vielseitigsten Interpretinnen ihres Genres KulturGut 05 | Seite

gilt und mit ihrem außergewöhnlichen Timbre und ihrer Darstellungskraft immer wieder begeistert. Sie sang bereits an der Mailänder Scala und bei den Salzburger Festspielen. Die „Carmen“-Produktion am Royal Opera House Covent Garden 2006 mit Anna Caterina Antonacci (sowie unter anderem Jonas Kaufmann und Ildebrando d’Arcangelo) unter der Leitung von Antonio Pappano wurde mit hervorragenden Kritiken gefeiert und auch auf DVD veröffentlicht. In Internetforen schwärmen Opernfreaks gern von der perfekten Carmen, die durch keine andere Sängerin besser dargestellt werden könne. In der Tat legt Antonacci auch sehr viel Wert auf die schauspielerische Seite ihres Berufes, was ihren Darstellungen der Charaktere noch größere Authentizität verleiht. In Interviews weist sie gern darauf hin, dass sie trotz ihres Erfolgs nie aufhört, an ihrer Stimme zu arbeiten und sich weiterzuentwickeln. „The Telegraph“ bezeichnete sie als „geborene Primadonna“ und resümierte: „Vergessen Sie den Rest – die Diva, die man sehen muss, ist Anna Caterina Antonacci“. Das gilt eben auch für eine konzertante Aufführung, in der die äußere Opernhandlung hinter differenzierte Klänge und eben auch die

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Auftraggeber, den pfalz-bayerischen Kurfürsten Karl Theodor, schon bei der ersten Orchesterprobe, der sich wunderte: „Man sollte nicht meynen, dass in einem so kleinen kopf, so was grosses stecke.“

Eine Violine jazzt Am selben Ort, an dem der „Idomeneo“ gegeben wird, dem Vogel Convention Center, tritt eine Woche später Regina Carter (Foto links) mit ihrer Band auf. Die charismatische Musikerin begann bereits mit vier Jahren, Geige zu spielen. Als sie älter wurde und sich für Jazz zu interessieren begann, verbot ihre Mutter ihr diese Musik, erzählt Regina Carter: „Sie dachte, dass alle Jazz-Musiker auf Drogen sind, kein Geld und keine Krankenversicherung haben. Sie wollte für mich ein geregeltes Einkommen und einen vernünftigen Lebensstil.“ Offiziell studierte und hörte sie klassische Musik, streifte aber heimlich durch die Viertel ihrer Heimatstadt Detroit, in denen der Jazz damals zu Hause war und deren Motown-Sound nach ihrer Wende zum Jazz in ihr Spiel einfloss. Diesen ganz eigenen Sound beschreibt das „Time Magazine” als Musik, „die wunderbar hörbar, intelligent und manchmal atemberaubend kühn ist”.

Kammermusik: die Skride-Schwestern

Mimik des Gesangs zurücktritt. Die Inszenierung arbeitet vor allem mit stimmungsvollem Licht. Gesungen wird italienisch, der deutsche Übersetzungstext wird eingeblendet. Ihre Partner in Mozarts Meisterwerk sind beim Würzburger Mozartfest Steve Davislim, Caterina Daletska und Camilla Tilling. Steve Davislim war Ensemblemitglied am Opernhaus Zürich und sang dort etliche Mozart-Partien. Den Don Ottavio interpretierte er beispielsweise unter Nikolaus Harnoncourt; Davislim weiß also, worum es geht, wenn eine Mozartoper von einem Verfechter der historischen Aufführungspraxis einstudiert wird, wie es ja auch in Würzburg der Fall sein wird. Gastspiele führten auch ihn nach Covent Garden, an die Scala und in die Dresdner Semperoper. Christina Daletska debütierte 2009 bei den Salzburger Festspielen und 2010 im Festspielhaus Baden-Baden. Madrid, London, Paris sind weitere Stationen auf dem Weg zu ihrer ersten Zusammenarbeit mit Thomas Hengelbrock in Würzburg. Camilla Tilling – ebenfalls bereits zu Gast in Covent Garden, an der Scala in Mailand sowie bei den Festivals in Aix-en-Provence, Salzburg und Glyndebourne – vervollständigt die Riege. Die Oper „Idomeneo“ beeindruckte den KulturGut 05 | Seite

„Eine allein“, schreibt ein Kritiker nach einem Dresdner Konzert von Baiba und Lauma Skride, „würde ja schon für feinsten Musikgenuss genügen“ – und zu zweit sind sie doppelt gut. Immer wieder wird das elegante und aufregende Spiel der beiden lettischen Schwestern, das sich aus dem Kontrast der beiden Charaktere ergibt, gelobt. Die ein Jahr ältere Baiba gibt dabei mit ihrer Violine temperamentvoll die musikalische Richtung vor, während Lauma am Klavier das Geschehen kontrolliert und beherrscht. Das sich daraus ergebende ungewöhnliche Zusammenspiel beschreibt die „Süddeutsche Zeitung“ als „raffiniert und unwiderstehlich“. 2004 trifft der Schlagwerker und Klassik-Fan Carl Amadeus Hiller auf Rapper Dero – zwei komplett verschiedene Welten. Und doch springt der Funke über: Der Gedanke, anspruchsvolle Musik, ausgefallene Musikinstrumente und intelligenten deutschen Rap live auf der Bühne zu vereinen, lässt die beiden nicht mehr los. In kürzester Zeit finden sich neun professionelle junge Musiker bei Einshoch6 zusammen. Nach diversen Auszeichnungen und Wettbewerbssiegen, nach über 250 Konzerten mit ihren Programmen „Jenseits der Norm“ und „Rettet Deutschland“, nach Konzerten beim Beethovenfest Bonn zusammen mit einem klassischen Streichquartett wird Einshoch6 beim diesjährigen Mozartfest gemeinsam mit Unterfrankens bekanntestem Rapper Dominik Straub alias MISTAA und DJ Quendolin Fender die Posthalle auf Betriebstemperatur bringen.

INFO: Vom 27. Mai bis 3. Juli finden Konzerte des Mozartfests an verschiedensten Orten Würzburgs statt. Der schriftliche Kartenvorverkauf ist bereits abgeschlossen. Aber auch für die begehrten Kaisersaal-Konzerte lohnt es sich täglich, wegen zurückgegebener Karten im Verkaufsbüro an der Rückermainstraße (vom großen Rathaushof am besten zu erreichen) vorbeizuschauen. Kartetelefon (0931) 372336. Hier kann man telefonisch Karten bestellen, sich in eine Warteliste für ausverkaufte Konzerte eintragen lassen und bestellte Karten direkt bezahlen und abholen. Das komplette Programm steht auch im Internet unter | www.mozartfest-wuerzburg.de

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Annäherung, Ton um Ton Zum 70. Geburtstag von Klaus Hinrich Stahmer am 25. Juni von Christian Neubert / Fotos: Gleb Polovnykov

+ Flächige Didgeridooklänge zeichnen eine musikalische Landschaft, die zum aktiven Verweilen einlädt. Dann verquickt sie sich mit einem Flötenspiel-Soundteppich. Nach und nach gesellen sich perkussive Elemente hinzu, und getragen wird das Ganze schließlich von Tonaufnahmen aus der lebendigen Natur, dem Flüstern des Windes. Auf seinem Album „Songlines“, das musikalisch auf den Spuren der australischen Aborigines wandelt, erschafft Klaus Hinrich Stahmer offene Soundcollagen, die sphärisch und zeitlos, unaufdringlich aber keineswegs beliebig daherkommen. Dass der Komponist sich musikalisch nie abgeschottet hat, lässt sich an seinem Oeuvre deutlich ablesen – es wirkt nach allen Seiten hin ofKulturGut 05 | Seite

fen. Der Einbezug des Fremden und Ungewohnten ist ihm dabei nicht nur künstlerisch von Bedeutung: Er verfolgt bei seiner Arbeit auch einen pazifistischen Ansatz. Seine Klänge, so Stahmer, spiegeln wieder, worum es ihm bei seinem gesellschaftspolitischen Engagement geht: „Um Versöhnung und Annäherung, um Verständigung und Mitgefühl für Unterprivilegierte.“ Eine Erweiterung unserer westlichen Tonsprache durch intensive Zusammenarbeit mit nichteuropäischen Musikern ist für ihn dabei selbstverständlich. Der Musikwissenschaftler Prof. Dr. Stahmer, der von 1969 bis zu seiner Emeritierung 2004 an der Würzburger Musikhochschule lehrte, engagiert sich auch auf einer weiteren Ebene für

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Stahmer-Graphik weist Perkussionisten Schläge an.

den Brückenschlag zu anderen Kulturen, nämlich als Gründer und Kurator des Festivals „Tage der neuen Musik“. Er präsentierte Werke von 30 lebenden israelischen Komponisten in Würzburg – „ein Zeichen der Versöhnung, lange bevor es das jüdische Zentrum Shalom Europa gab“, meint er. Daneben leistete er Pionierarbeit beim Etablieren afrikanischer Kompositionen in westlichen Konzertsälen.

Eine Doppel-LP für internationale Klangskulpturen Zahlreiche Rundfunkaufnahmen seiner Konzerte strahlten den Namen Würzburg im gesamten Bundesgebiet aus und fügten progressive Assoziationen zum Bild dieser Stadt hinzu. Immerhin gelten die multimedialen Arbeiten, die er nach der Übernahme des „Studios für neue Musik“ im Jahre 1989 verwirklichen konnte, als bahnbrechend. Ein markanter Höhepunkt dieser Zeit war eine von ihm kuratierte und organisierte Ausstellung „Klangskulpturen“, blickt Stahmer zurück: „Das war zum ersten Mal deutschlandweit, dass so etwas in dieser KulturGut 05 | Seite

Größenordnung gezeigt wurde.“ An der Exposition beteiligten sich rund 30 Künstler aus fünf europäischen Ländern, festgehalten auf einer Doppel-LP. Weitere Städte übernahmen „Klangskulpturen“. Frankfurt zeigte zudem Stahmers „Musikalische Grafiken“, die es zuerst in der Städtischen Galerie Würzburg zu bestaunen gab. „Das alles war Neuland und lange vor der großen Stuttgarter Ausstellung ‚Vom Klang der Bilder’“, bemerkt Stahmer sachlich, ohne übertriebene Zurückhaltung. Der Mann kann seine Verdienste ins rechte Licht rücken und dabei bescheiden bleiben. „Würzburg hatte eine Zeit lang die Nase vorn, was innovative Ansätze betrifft.“ Dafür bekam er schließlich, im Jahr 1994, den Kulturpreis der Stadt verliehen. Dabei wollte er doch, kommentiert er die Ehrung, einfach nur den Virus der musica nova streuen. Seit seiner Emeritierung widmet sich Stahmer wieder verstärkt dem Komponieren. Sein letztes Projekt ist eine Kooperation mit einem Dichter und einem Musiker aus dem Libanon. Das Stahmersche Werk ist also noch lange nicht abgeschlossen. Aber der Abschluss steht für ihn ohnehin nicht an erster Stelle – er weiß, dass es produktiver ist, Anschlüsse zu finden.

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Musik |

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Ponzol spielt Coltrane 12. April, 20 Uhr, Künstlerkeller Bronnbach

Termine |

Die sieben Worte Jesu am Kreuz

22. April, 18 Uhr, St. Stephan

„Peter Ponzol & Bob Degen Quartet plays the music of John Coltrane” heißt der Abend in voller Länge. Der Sinn des Programms: Coltrane erschloss dem Jazz völlig neue Freiheiten, Ponzol entwickelte ebenso innovative Saxophonmundstücke. Mit dem Pianist Degen arbeitet Ponzol seit Jahrzehnten zusammen. Friedrich Betz (Bass) und Uli Schiffelholz (Drums) begleiten die beiden US-Amerikaner. | www.kuenstlerkeller-bronnbach.de

„Vater, vergib ihnen, denn sie wissen nicht, was sie tun“, lautet das erste der „Sieben Worte“. Heinrich Schütz umrahmte das textliche Zentrum dieses Passionswerks mit zwei Orchestersätzen und zwei Chören. Die Zahl sieben spielt auch in Dietrich Buxtehudes „Membra Jesu nostri” eine Rolle, sind diese Kantaten doch sieben Gliedmaßen Jesu gewidmet. Christian Heidecker leitet Camerata und Schola St. Stephan.

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10 Jahre Musikerstammtisch

Junge Philharmonie Würzburg

16. April, 19 Uhr, s.Oliver-Arena

Was es wird, weiß man vorher meist nicht, wenn sich Musiker mit und ohne Namen am ersten Donnerstag im Monat zum Freikonzert auf die Omnibus-Bühne schwingen. Zur großen Geburtstags-Gala soll es aber nur das Beste sein aus Blues, Rock, Pop, Soul und A capella. | www.wuerzburger-musikerstammtisch.de ++++++++++++++++++++++++

Der Zauberer von Oz ab 16. April, 16 Uhr, Theater am Neunerplatz

Vor neun Jahren tanzte die Compagnie des Stadttheaters zu den Ballettkompositionen von Wolfgang Salomon. Jetzt ertönt die Musik an seiner angestammten Bühne. Die neue Choreographie dazu schuf Nachwuchstalent Anna Katharina Knödler gemeinsam mit jungen Tänzern. Gespielt wird in der Regel mittwochs, samstags und sonntags. | www.theater-am-neunerplatz.de

1. Mai, 18 Uhr, St. Johannis Wieder haben begabte und hoch motivierte junge Instrumentalisten auf erstaunlichem Niveau drei sinfonische Werke einstudiert. In Aaron Coplands „Fanfare for the Common Man“ kommen Blechbläser und Schlagwerker besonders zur Geltung. Originell wirkt das Akkordeon als Soloinstrument in Ole Schmidts „Symphonic Fantasy and Allegro“. Und die städtisch initiierte Junge Philharmonie spielt Antonin Dvoraks „Aus der Neuen Welt”. Der Eintritt ist frei! | www.junge-philharmonie-wuerzburg.de ++++++++++++++++++++++++

Carillon

ab 4. Mai, 17.30 Uhr, Alte Universität Musik liegt wieder in der Luft: Von diesem Tag an spielt das Glockenspiel jeden Mittwochnachmittag wöchentlich ein Kurzkonzert. Das ist im ganzen Stadtgebiet zu vernehmen – allein, die beste Akustik der halbstündigen Auftritte des Carilloneurs Jürgen Buchner hat man im Innenhof der Alten Universität. KulturGut 05 | Seite

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Giora Feidmann & Friends 6. Mai, 20 Uhr, St. Johannis

65 Jahre steht er auf der Bühne, 75 wird er 2011. Gefeiert wird mit einer Jubiläumstournee in großer Besetzung – sechs Solisten begleiten den König der Klezmer-Klarinette, der die Volksmusik der jüdischen Schtetl mit Klassik-, Jazz- und Tango-Elementen anreicherte und so in den 70ern zur Weltmusik machte. | www.argo-konzerte.de ++++++++++++++++++++++++

Musik zum Anfassen

9. Mai, 13 bis 16 Uhr, & 14. Mai Mozart-Schönborn-Gymnasium Die Sing- und Musikschule macht ihren Tag der offenen Tür am Frauenlandplatz. Ganze Familien sind eingeladen, so viele Instrumente wie möglich auszuprobieren, Fachlehrer beraten. Ihre ersten Eindrücke können Kinder fünf Tage später bei Schnupper-Workshops (so genannten „Instrumentensafaris“) am selben Ort intensivieren. Drei Stunden Unterricht kosten dann 15 Euro. Bei den Instrumentensafaris ist Anmeldung an der Singund Musikschule in der Burkarder Straße erbeten unter Tel. (0931) 42822 und 42855. | www.musikschule-wuerzburg.de ++++++++++++++++++++++++

Folk Up

14. Mai, 14.30 Uhr, Posthalle In jenen Tagen Mitte der 1970er Jahre, als die Popmusik bombastisch und der Rock als Punk arg schwer verdaulich wurde, da lag ein großes musikalisches Heil auf der Grünen Insel und an den schottischen Klippen... Maßstäbe setzte dabei die Band Clannad, und deren Ian Melrose (Foto) bestreitet gemeinsam mit Kerstin


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Musik |

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Blodig das schottisch-skandinavische Projekt Kelpie. Das ist einer der Top Acts bei der diesjährigen Benefiz-Show. Daneben – dies Wort auch im Sinne von gleichberechtigt – reisen Gráda aus Dublin an; zu ihrer Fusion-Show hat sich Aislinn Ryann gesellt, Tänzerin aus der Riverdance-Show. Als heimische Vertreter trumpfen Solid Ground mit ihrer modernen Lesart vertonter irischer Poesie auf. Und das mit internationalem Erfolg, wird Solid Ground die Headliner Gráda im Juni doch als Vorgruppe auf IrlandTour begleiten. Die Black Velvet Band fiedelt ein Best of Irish Folk, die Formation namens Folkomotive mischt Folk mit Alternative Sounds, und wer den Bandnamen wirwissenwarum hört, der ahnt bereits, dass diese Nachwuchsgruppe große Gefühle auf Deutsch an ihre Hörer bringt. Bei Klez’amore ist der Name ebenfalls Programm. Der Erlös des langen Konzerttags unterstützt das Zentrum für Körperbehinderte am Heuchelhof. Auf einem FolkBazaar in der Posthalle präsentieren sich Kulturschaffende, insgesamt laufen zwei Versteigerungen – eine ausschließlich für Gitarren. | www.posthalle.de ++++++++++++++++++++++++

Christus

14. Mai, 20 Uhr, und 15. Mai, 18 Uhr, Neubaukirche 20 Jahre lang komponierte Franz Liszt an seinem gigantischen Oratorium über das Leben Christi. Seine Klangsprache wechselt von gregorianischen bis hin zu expressiven, romantischen Passagen. Der Monteverdichor Würzburg hat sich unter Leitung von Matthias Beckert mit der Thüringen Philharmonie Gotha zusammengeschlossen. Als Solisten wirken Alexandra Steiner (Sopran), Barbara Bräckelmann (Alt), Robert Morvai (Tenor) und Johannes Weinhu-

Termine |

ber (Bariton). Anlass der doppelten Aufführung ist die gleichzeitig vollzogene Seligsprechung des Würzburger Priesters Georg Häfner, der im Konzentrationslager Dachau sein Leben für den Glauben und die Nächstenliebe gab. ++++++++++++++++++++++++

Die elf Tangos des Monsieur Arnault

22. und 23. Mai, 20 Uhr, Zehntscheune des Juliusspitals Das Quintett Las Sombras fügt sich einem fiktiven Tangomeister, der die klassische argentinische Musikliteratur ebenso gut kennt wie den Tango Nuevo, der bei ihm von Astor Piazzolla bis zum Filmkomponisten Yann Tiersen voranschreitet. Ebensogut wie der Meister berichtet, erzählen auch die Musiker auf 20 okzidentalen und orientalischen Instrumenten von einer Kultur voller Überraschungen. Vorverkauf: Telefon (0931) 3931406 ++++++++++++++++++++++++

Kyogen-Zauberflöte

27. Mai, 20 Uhr, Hochschule für Musik, Bibrastraße Das japanische Theaterensemble Shigeyama pflegt die heitere Variante des 600 Jahre alten, traditionalistischen Nô-Theaters. Das Kyogen-Genre entwickelte sich vor allem, indem es westliche Stoffe adaptierte. So geschehen mit Mozarts „Zauberflöte“. Die fernöstlichen Künstler erzählen (nicht: singen) die Handlung, die Bläsersolisten der Deutschen Kammerphilharmonie Bremen stellen die Musik vor. | www.kammerphilharmonie.com ++++++++++++++++++++++++

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Bronnbach Open

22. Juni, 20 Uhr, Künstlerkeller Bronnbach Bei dieser Jamsession treffen sich Amateure und Profis an jedem letzten Mittwoch im Monat – eine gute Gelegenheit für junge Künstler, in der unterfränkischen Musikszene Fuß zu fassen. Im Juni wird das Treffen um eine Woche vorgezogen, im August macht das Bronnbach Open Ferien. | www.bronnbach-wirtshaus.de | www.jazzini-wuerzburg.de ++++++++++++++++++++++++

Nachtmusik

26. Juni, 21 Uhr, Hofgarten der Residenz Bei allen Innovationen des Mozartfests blieb ein Traditionstermin erhalten – die Nachtmusik. Neben der beliebten Titelserenade und der Pariser Sinfonie spielt das Philharmonische Orchester Würzburg unter Leitung des niederländischen Gasts Josef Suilen das Hornkonzert Nr. 3 und Zoltán Kordálys „Tänze aus Galánta“. | www.mozartfest-wuerzburg.de ++++++++++++++++++++++++

Notturno di Basso

30. Juni, 19.30 Uhr, Kulturspeicher Neue Musik für ein seltenes Duo: Gitarre und Kontrabass. Der Gitarrist Hubert Steiner ist vielgefragter Gast namhafter Ensembles und Orchester. Seine größte Neigung hegt er für zeitgenössische Musik. Katrin Triquart steht ihm als zweite Solistin zur Seite und meistert das Rieseninstrument so, dass es ungemein leicht klingt. Ein Abend der neuen Erfahrungen! | www.kulturspeicher.de


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Intensität des Sehens Heinrich Barth – unbekannt? Ein Großer der Würzburger Kunst von Prof. Dr. Damian Dombrowski

+ In keinem Standardwerk zur Geschichte der Kunst in Würzburg fällt sein Name. Die Autoren konnten ihn auch gar nicht kennen, denn bis vor kurzem waren seine Werke so verborgen, dass nicht einmal die engsten Angehörigen etwas davon kannten. Ein einziges Mal hat er an einem kleinen Wettbewerb unterfränkischer Künstler teilgenommen und dabei sogar den zweiten Preis gewonnen; darüber hinaus wurden seine Bilder niemals in der Öffentlichkeit präsentiert. Doch Heinrich Barth war nicht irgendein Sonntagsmaler, sein Werk stellt eine bedeutende Facette der Würzburger Kunst zwischen den 1920er und 60er Jahren dar. Wie aus dem Nichts ist das nahezu komplette malerische und graphische Oeuvre aufgetaucht, als nach dem Tod seiner Witwe 2006 die Erben darangingen, das Barthsche Haus umzubauen. Dabei kamen, zum ersten Mal seit Jahrzehnten, Hunderte bemalter Leinwände ans Tageslicht. Jetzt harrt der Nachlass des 1967 verstorbenen Künstlers einer seriösen Aufarbeitung. Der Kunsthandel ist bereits auf die hohe Qualität der Gemälde aufmerksam geworden: Bei der Würzburger Fine Arts 2010 waren die angebotenen Werke sofort verkauft. Ohne dass es bisher zu einer kunsthistorischen Bestandsaufnahme gekommen wäre, zerstreut sich dieses außergewöhnliche Werk gerade in viele Hände. Am Anfang begegnet uns der Maler in zwei Selbstporträts aus dem Jahr 1929. Diese Werke erstaunen durch ihre Sicherheit, in der locker skizzierenden Technik ebenso wie in der durchdringenden Befragung des eigenen Ich. Scheu, reizbar, aber doch auch seiner Fähigkeiten gewiss schaut uns der Siebzehn- oder Achtzehnjährige an, mit neugierigem und etwas argwöhnischem Blick. Die nervöse Pinselführung scheint einer nur mühsam eingehaltenen Selbstbeherrschung zu entsprechen. Es ist das Psychogramm eines Künstlers auf der Schwelle. Der Ausdruck ähnelt auf frappierende Weise Jugendbildnissen eines Dürer, Rembrandt oder Bernini: Mangel an jugendlicher Unbeschwertheit, ausgeglichen durch den Glauben an die künstlerische Berufung.

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Ein Mensch, der mit sich und der Welt im Reinen ist, sieht anders aus. Als Heinrich Barth diese Bilder schuf, befand er sich in einer zwiespältigen Lage. Geboren am 5. Januar 1911 in Würzburg, musste er die Oberrealschule, das heutige Röntgengymnasium, vor dem Abitur verlassen – der Vater, wiewohl ein kunstsinniger Mensch, bestand auf einer kaufmännischen Lehre, denn Heinrich sollte einmal das elterliche Geschäft übernehmen. In den späten 1920er Jahren nahm er aber auch Zeichen- und Malunterricht bei Gertraud Rostosky. Zu einer Existenz als bildender Künstler konnte sich Barth jedoch nicht durchringen. Mit Agnes Beringer, die er 1938 heiratete, hatte er eine Frau an seiner Seite, die – so hat es sein Sohn ausgedrückt – „seine Malerei mehr duldete als förderte“. So unauffällig sein Leben verlief, so sehr hielten sich seine Themen im Rahmen des Gewohnten: Stillleben, Porträt, Landschaft. Mit den traditionellen Genera bekannte sich der Maler auch zur Gegenständlichkeit – in einer Epoche, in der die Abstraktion zeitweise zum einzigen Maßstab der Kunstkritik geworden war. In den Stillleben bleiben, ähnlich wie bei Max Beckmann, die einzelnen Dinge trotz der Anklänge kubistischer Raumzerlegung in ihrer Integrität gewahrt. Doch obwohl sie in ihren tastbaren Qualitäten sehr prägnant erfasst sind, geht es nicht um die ruhige Einzelform und schon gar nicht um deren korrekte Beschreibung: Die Darstellung dieser Dinge geschieht um der Beziehung zur Fläche willen, Verzerrungen und Verstärkungen sind nicht Ausdruck von Willkür, sondern von bildmäßiger Gesetzlichkeit. Flächen- und Farbkomposition erreichen in den Stillleben ein Niveau des Meisterlichen: Barths große Stärke ist ein klares Gespür dafür, wie die Dinge in der Fläche ‚sitzen’ müssen. Daraus ergibt sich eine zwingende Wirkung, die vom wohldisponierten, leuchtenden, aber nie grellen Kolorit kräftig unterstützt wird. Barth führt den Pinsel mit lapidarem Schwung; ständig verweist das Impasto auf den Malprozess zurück, die peinture stellt sich gewissermaßen selbst aus.

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Der Mensch als Oberfläche Bei vielen von Barth gemalten Köpfen zögert man, sie als Porträts einzustufen. In den meisten Fällen hat sich der Maler nicht Persönlichkeitsschilderung oder Psychologisierung zum Ziel gesetzt, sondern die koloristische Befragung der Formgelegenheit ‚Gesicht’. Die linke Hälfte in hellem Purpur, die rechte ockergelb, Augen und Haare grasgrün, durch schwarze oder flammrote Konturen abgeteilte Züge: Solche Stilisierungen erinnern an die Fauvisten um Henri Matisse, denen die deutschen Expressionisten entscheidende Anregungen verdankten. Eine Reihe von Köpfen ist allein aus den geometrischen Grundformen Kreis, Dreieck und Quadrat aufgebaut: wohlwollende Chiffren des Menschen, die manchmal unvermutet komisch wirken.

Verwandlungen von Stadt und Land Bisweilen kann derselbe Kopf auch zum Ausgangspunkt für veritable – dann freilich ganz und gar nicht witzige – Charakterstudien werden. Diese ‚echten’ Porträts hingegen lassen an Kokoschka denken, von dem vielleicht schon die frühen Selbstbildnisse inspiriert sind. Wie offen Barth sich gegenüber den künstlerischen Strömungen seiner Zeit verhielt, zeigt das Bildnis im Stil der Neuen Sachlichkeit, das er 1927 von seinem Cousin anfertigte. In den späteren Porträts ‚mauert’ er nicht selten wie Courbet, trägt die Farben teilweise mit dem Palettmesser auf, setzt Farbschicht auf Farbschicht. Vielleicht suchte er eine künstlerische Technik, mit der er der Eindrücklichkeit seines Gegenübers entsprechen konnte: der jeweiligen Persönlichkeit mit ihren Ecken und Kanten, die in den Höhen und Tälern des Oberflächenreliefs ihr anschauliches Äquivalent finden. Einige von Barths Porträts aus den 1950er Jahren bergen etwas verstörend Irrlichterndes, worin die düstere Zeitlage der NachkriegsjahKulturGut 05 | Seite

re anklingen mag. Als düster im eigentlichen Sinne möchte man diese Bilder dennoch nicht bezeichnen, dafür ist schon das Kolorit zu strahlend. Eher ist ihr Gesamtklang seltsam gleichmütig – wie in Barths Bildern auch sonst von politischen, gesellschaftlichen oder religiösen Bezügen nichts zu finden ist. Ob er nun aus den Zeitläuften flieht oder sie einfach nur ignoriert, sie haben in seiner Kunst keinen Platz. Als er sich 1946 zeichnerisch den Festungsberg vornimmt, wählt er eine Ansicht von der Neuen Welt – die verbrannte Stadt bleibt unsichtbar. Anklage oder Trauer sind seine Sache nicht, für ihn zählt allein die Form.

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Damit ist nicht gesagt, dass seine Landschaften in irgendeiner Weise formalistisch seien. Innerhalb dieser Gattung arbeitete Barth am häufigsten, und hier kam er als Künstler am meisten zu sich selbst. Die Fleckenstruktur Cézannes kann als Erbgut nicht ganz verleugnet werden, aber dies gehörte zur lingua franca moderner Landschaftsmalerei. Die zahlreichen Ansichten der Stadt Würzburg sind geprägt von wahren Farbexplosionen. Festgefügte Mauern geraten unter der Wucht des Kolorits ins Schwanken, ein urbanes Menuett wird in die absonderlichsten Farben getaucht, sekundiert von kubistischen Bre-

SÜDTHÜRINGISCHES SÜDTHÜRINGISCHESSTAATSTHEATER STAATSTHEATER SÜDTHÜRINGISCHES SÜDTHÜRINGISCHESSTAATSTHEATER STAATSTHEATER SÜDTHÜRINGISCHES SÜDTHÜRINGISCHESSTAATSTHEATER STAATSTHEATER

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chungen und dem reduktiven Potenzial der Abstraktion. Vermutlich gehören diese Stadtlandschaften zu den originellsten Schöpfungen, die Künstler der Physiognomie Würzburgs im 20. Jahrhundert abgewonnen haben. Barth erfindet nichts hinzu, aber er sieht die Stadt jedes Mal neu, und diese Intensität des Sehens führt dazu, dass sie sich auf der Leinwand verwandelt.

Der Teil für das Ganze 1943 wurde er im Krieg verwundet. Während des anschließenden Heimaturlaubs entstand eine Serie von Würzburger Veduten in Mischtechnik, die zu den spätesten künstlerischen Wiedergaben des Stadtbilds vor der Zerstörung gehören. Gerade in der Verwandlung durch die persönliche Vision erscheinen sie bis zu äußerster Eindringlichkeit gesteigert. Ahnte Barth, dass er womöglich zum letzten Mal in der Lage sein würde, das unversehrte Würzburg darzustellen? – Die Erfahrungen der Neuen Sachlichkeit halfen ihm, die expressive Subjektivierung des Gesehenen maßvoll zu begrenzen. So haben diese Bilder ebensoviel mit dem Künstler zu tun wie mit der Stadt, deren Weichbild er genauestens observierte, dann aber transformierte und transzendierte. Die Landschaftsbilder sind häufig völlig entleert. Der Maler zeigt sich immer wieder fasziniert von der geometrischen Felderung, die Äcker und Weinberge der ‚ungeordneten’ Natur eingeprägt haben. Wie bei den Stadtansichten wird dem Gesehenen nichts hinzugefügt; alles bleibt an seinem Platz und ist dennoch zu etwas ganz anderem geworden. Trotz unverwechselbarer Stimmungen will er keine topographischen Porträts anfertigen – dafür ist der Eigenanteil zu hoch. Er ist KulturGut 05 | Seite

nicht der Chronist der Natur, sondern ihr Verklärer. Daher wählt Barth seine landschaftlichen Motive auch nie nach touristischen Gesichtspunkten aus und vermeidet jeden Anflug von Heimatduselei – ähnlich wie Barth keine subjektivistischen Porträts schuf, aber auch nicht den Menschen ‚an sich’ zeigte. Vielmehr tendieren seine Bilder dazu, dass der Teil für das Ganze stehen kann. Dieser Zug ist seinen Bildnissen, Stadtansichten, Landschaften und Stillleben gemeinsam, ja der Hang zum pars pro toto könnte vielleicht als unbewusster Grundantrieb seiner Kunst bezeichnet werden. Trotz seines Hangs zu ornamentaler Flächenbehandlung war Barth empfänglich für die Reize der Natur. Insbesondere die Licht- und Farbenspiele des Himmels, die sich auf dem Main spiegeln, haben immer wieder seine Neugier erregt. Die Motive sind nicht sonderlich abwechslungsreich, doch die stilistische Variationsbreite gebietet Respekt. Mit traumwandlerischer Sicherheit verstand Barth die Manier zu wechseln. In „Lastkahn am Mainufer“ von 1958 ergänzen sich Duftigkeit und Solidität auf die denkbar reizvollste Weise, die Tiefe und Leuchtkraft des Pigments dient dem liebevollen Erspüren der Phänomene. Gleichzeitig entstehen Ansichten desselben Motivs in radikaler Verflächigung, bis hin zu einer extrem plakativen Art der Darstellung. Dieser Stilpluralismus ist unleugbar modern.

Graphische Experimente Zu seinen bevorzugten Motiven gehörte der Blick vom Nikolausberg. Nach dem Zweiten Weltkrieg richtete Barth eine ehemalige Gartenlaube am Maasweg als Wohnhaus für seine Familie her. Von hier aus, etwa auf der Höhe des Maschikuli-Turms, fertigte er zahlreiche An-

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Bronnbacher Klassik Fr. 6.5. 19:30 Uhr

Liederabend zum 100. Todestag von Gustav Mahler (1860-1911) Tobias Frank (Bariton) Hilko Dumno (Klavier)

21.5. bis 29.5.

Bronnbacher Musikfrühling Sa. 21.5. 18:30 Uhr

Eröffnungskonzert mit Musik von Rossini, Donizetti, Verdi u.a. Operngala mit den Nürnberger Symphonikern und Preisträgern des Gesangswettbewerbs Debut: Norma Nahoun (Sopran) und Hee-Saup Yoon (Bass) Mi. 25.5. 19:30 Uhr

Kammerkonzert (Quintett) u.a. mit Florian Glemser (Klavier) und Florian Schmidt-Bartha (Violoncello)

Sa. 28.5. 18:30 Uhr

Symphoniekonzert mit Musik von W.A.Mozart u. L.v.Beethoven mit dem Südwestdeutschen Kammerorchester Pforzheim

So. 29.5. 18:00 Uhr

Abschlusskonzert mit Anne Sofie von Otter, Bengt Forsberg u.a.

So. 5.6. 18:00 Uhr sichten der Festung Marienberg an. Besonders ansprechend sind die vielen kleinformatigen Radierungen, die er diesem Motiv widmete. Eins dieser Blätter, wohl aus den 1950er Jahren, entbreitet mit äußerster Sparsamkeit der Mittel eine in sich geschlossene Welt. Zu sehen sind der Gartenzaun, ein dahinter aufragender, unbelaubter Baum und die Festung mit ihren mächtigen Bastionen. Das Gesehene ist auf wenige, bis auf den Baum ausschließlich gerade Striche reduziert. Doch der Künstler hat entdeckt, dass die Geometrie des unscheinbaren Zaunes mit derjenigen der gewaltigen Festung in einem Entsprechungsverhältnis steht, das normalerweise unsichtbar bleibt; Grundformen wie Raute und Dreieck stimmen auf überraschende Weise überein. Aus Formbeziehungen dieser Art entsteht ein poetisches Kondensat der sichtbaren Wahrheit. Wer sich in die Radierung versenkt, dem geht auf, dass ihr Verfertiger vielleicht doch hartnäckiger dem Geheimnis der Welt auf der Spur war, als es sein unauffälliger Lebenswandel vermuten lässt. Barth verfolgte die Wandlungen der internationalen Avantgarden, griff aber nur das auf, was er als seinem Temperament adäquat empfand. So kommt es auch zu Anachronismen, von der die Qualität seiner Bilder jedoch unberührt bleibt. Wenn wir die Geschichte der Würzburger Malerei – jenseits des unbedingten Fortschrittsgedankens – als eine Geschichte der Werke begreifen, so hat Heinrich Barth darin seinen festen Platz. Seine Kunst verdient es, in Zukunft in einer Reihe mit den führenden Würzburger Künstlern der Moderne genannt zu werden. Über die Bescheidenheit, die er zu Lebzeiten an den Tag legte, wird sich die lokale Kunstgeschichtsschreibung in Zukunft wohl hinwegsetzen müssen.

Preisträgerkonzert Deutscher Musikrat mit dem Leibniz-Trio und Preisträgern der Jahre 2010 und 2011

zu Gast in Bronnbch: Sa. 25.6. 20:00 Uhr

Musikalisch-literarische Soiree Musik von Wolfgang Amadeus Mozart u.a. mit Herbert Feuerstein, Rezitation So. 26.6. 16:00 Uhr

Kinderkonzert: Mozarts Cosi fan tutte Kartenverkauf unter 0931 372336 www.mozartfest-wuerzburg.de

41. Bronnbacher Kreuzgangserenade Fr. 1.7. 20:00 Uhr

Antonio Vivaldi: Die vier Jahreszeiten – mit einer musikalischen Reise durch sein Leben Sa. 2.7. 20:00 Uhr

„Bones in Bronnbach“ mit Trombone Unit Hannover So. 3.7. 18:00 Uhr

Kinderkonzert: „American Dream“ Informationen und Kartenvorverkauf: Kloster Bronnbach · Verwaltung im Prälatenbau Bronnbach 97877 Wertheim · Tel. (0 93 42) 9 35 20 20 21 · www.kloster-bronnbach.de


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Kunst |

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Zeit Zeichen – Bild Räume bis 15. April, Rudolf-Alexander-Schröder-Haus

Die innere soll zur äußeren Bewegung und auf Papier oder Leinwand sichtbar werden – Kalligraphie und Malerei sind von daher nur unterschiedliche Aggregatzustände im Schaffen von Roswitha Vogtmann. Gelernt hat sie beides: die Schreibkunst bei dem japanischen Kalligraphiemeister Kokugyo Kuwahara, die Malerei an der Kunstakademie in München. | www.schroeder-haus.de ++++++++++++++++++++++++

Der heilige Augenblick bis 31. Juli, Museum am Dom

Den Auftakt zu einer regelmäßigen deutsch-italienischen Zusammenarbeit bildet die Ausstellung mit jeweils einer Arbeit von sechs deutschen und sechs italienischen Künstlern verschiedener Generationen und künstlerischer Ausdrucksformen. Repräsentativ sollen die Beispiele für die Beziehung zwischen zeitgenössischer Kunst und Spiritualität sein, egal ob von arrivierter oder jüngerer Hand. Große Namen überwiegen: Bruno Ceccobelli, Enzo Cucchi, Rainer Fetting, Jannis Kounellis, Thomas Lange, Markus Lüpertz, Jonathan Meese, Matteo Montani, Mimmo Paladino, Marco Tirelli, Wolf Vostell, Ben Willikens. | www.museum-am-dom.de ++++++++++++++++++++++++

Kulturstationen Kitzinger Land

8. bis 10. April, diverse Orte Reichlich Sehenswertes haben die Steigerwaldrandgemeinden Wiesentheid, Feuerbach, Kleinlangheim, Castell, Rüdenhausen und Abtswind ohnehin zu bieten. Dazu an diesem Wochenende Werke von über

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50 Künstlern an ungewohnten Orten. „Farbklang“ heißt das Motto und sagt es schon: Es soll nicht nur geschaut, sondern auch gehört, geschmeckt und gerochen werden. Am Samstagnachmittag von 14 bis 18 Uhr und am Sonntag von 11 bis 19 Uhr. Das vollständige Veranstaltungsprogramm gibt es gedruckt und zum Herunterladen. | www.kitzinger-land.de ++++++++++++++++++++++++

August Macke – ganz privat 10. April bis 17. Juli, Museum im Kulturspeicher

Als ganz besonderer Coup wurde die Ausstellung 2009 bei der Premiere in Stade gefeiert, für Würzburg ist es ein schöner Fang zum Hundertjahrjubiläum „Blauer Reiter“. Aber nicht die bekannten Bilder des Expressionisten August Macke sind hier zu sehen – ausschließlich aus Familienbesitz stammen die Gemälde und Zeichnungen, die mit ihren oft sehr persönlichen Motiven einen Blick in das Familienleben erlauben und bisher unbekannte Facetten und Stationen der künstlerischen Entwicklung zeigen. So gehören zu den gut 150 Exponaten auch kunstgewerbliche Arbeiten. Die „starke lebendige Empfindung zu gestalten“, die den Maler auf seinem Weg zur Vorherrschaft der Farbe vorantrieb, machte selbst vor der Garderobe der Gemahlin nicht Halt. | www.kulturspeicher.de ++++++++++++++++++++++++

Raum und Figur

13. April, 18.30 Uhr, IHK Würzburg Die in Rastatt lebende Malerin und Grafikdesignerin Gina Plunder, 1964 in Rumänien geboren, ist gefragt, und zwar von Peking bis New York. Was ihre Arbeiten so interessant macht? Als „meisterliches Spiel im KulturGut 05 | Seite

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Metadimensionalen“ beschreibt sie ein Biograph, sie selbst verwendet den doppeldeutigen Begriff „Reflected Rooms“. So zeigen die Zeichnungen Hausund Raumkonstruktionen, die bei genauerem Hinsehen aus architektonisch eher sinnfrei kombinierten Versatzstücken bestehen. Gebrochen, wie Glasscheiben oder Spiegel, wirken auch die Oberflächen der Gemälde. Räumliche Tiefe erzeugt die Malerin nicht mit den Mitteln der Perspektive, sondern mit Elementen aus Geometrie und Architektur. Zeichnungen von realen Räumen werden damit zur Grundlage für magische Szenerien, optische Täuschungen zum Rahmen für romantisch-surreale Inszenierungen. Eine Einführung zu den bis 27. Mai ausgestellten Arbeiten gibt es an diesem Abend. | www.ginaplunder.com ++++++++++++++++++++++++

Niki de Saint Phalle

17. April bis 16. Oktober, Kunsthalle Würth, Schwäbisch Hall Nach dem elegant reduzierten Stilisten Alex Katz kommt mit Niki de Saint Phalle eine andere Spielart der Pop Art nach Schwäbisch Hall – dezidiert weiblich und alles andere als leise und cool. Mit ihren Schießbildern eröffnete die Autodidaktin 1956 ihren Angriff auf die männliche Kunstwelt, 1966 ließ sie in Stockholm Museumsbesucher in eine riesige, auf dem Rücken liegende Frauenskulptur klettern – durch die Vagina. Provozierend unernst und prall waren in den 1960er Jahren auch ihre „Nanas“; Saint Phalle, die wirklich so hieß und mit 17 als Model die Titel von Vogue, Life und Harper’s Bazaar geziert hatte, präsentierte hier ihren Gegenentwurf. Dass der, heute bis zum Überdruss populär, nur winziger Teil eines vielseitigen und trotz aller Direktheit mythologisch unterfütterten Gesamtwerks ist, zeigt jetzt die Übersichtsschau. Guido Magnaguagno, früher


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 weitere Informationen: www.kulturgut.wuerzburg.de

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Direktor des Museum Tinguely in Basel, hat sie kuratiert und Saint Phalles Werk klug ergänzt – durch exemplarische Arbeiten des langjährigen Begleiters Jean Tinguely und Bilder ihres ersten Lehrers Hugh Weiss. Vorgestellt wird auch das Filmschaffen der Künstlerin. | www.kunst.wuerth.com ++++++++++++++++++++++++

Künstlergespräch: Anna Tretter

5. Mai, 19.30 Uhr, Museum im Kulturspeicher In Stuttgart und Amorbach lebt und arbeitet die 1956 geborene Bildhauerin und Multimediakünstlerin Anna Tretter, wenn sie nicht Studenten an der slowakischen Universität Košice betreut. In der Städtischen Galerie Würzburg war sie schon 1999 mit ihrer konkreten Farblicht-Installation „Faraway Nearby“ zu sehen, bei der Ausstellung „Heimspiel“ im Kulturspeicher mit Video, Zeichnungen und Fotografien. Das Künstlergespräch an diesem Donnerstagabend stellt die vielseitige Künstlerin persönlich vor. | www.kulturspeicher.de | www.freundeskreis-kulturspeicher.de ++++++++++++++++++++++++

Open Art 2011

13. Mai, 18 Uhr, Siebold-Museum u. a. m. Wer die üblichen Museumspreise kennt, der weiß: das ist ein echtes Angebot. Neun Euro kostet das Sammelticket, mit dem man an diesem Abend bis Mitternacht Eintritt in fast alle Würzburger Galerien und Museen und freie Fahrt mit Shuttle-Bussen und WVV bekommt. Auch für die sechste Würzburger Open Art ließen sich das städtische Kunstreferat

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und die beteiligten Häuser einiges an Sonderveranstaltungen einfallen. Eröffnet wird die lange Museumsnacht im Siebold-Museum, das an diesem Abend seine neue, bis 3. Juli laufende Ausstellung „Lenz3“ mit Arbeiten der Würzburger Künstlerfamilie Lenz vorstellt. Die zeigt, was der phantastische Realist Wolfgang Lenz, die Hinterglasmalerin Hella Lenz und die Objektkünstlerin Barbara Lenz an höchst individuellen Ein- und Ausdrücken von ihren Aufenthalten in Würzburgs japanischer Partnerstadt Otsu mitbrachten. Karten für die Open Art gibt es ab 2. Mai in den teilnehmenden Häusern, das Übersichtsprogramm erscheint Mitte April als Flyer und im Internet. | www.wuerzburg.de ++++++++++++++++++++++++

Die Parkanlage von Pratolino 14. bis 29. Mai, Gartenpavillon des Juliusspitals

Die Malerin Erne Nitsche stellte diese Ausstellung zusammen aus ihren Arbeiten über Planfragmente des Parks der Villa Medici in Pratolino (Toskana) aus dem 16. Jahrhundert. Die Befreiung aus dem kleinen historischen Plan, hin zum großen Format, zeigt die Experimentierfreude und Lust an der Weiterentwicklung zu einer individuellen Ausdrucksfähigkeit. Die Ausstellung ist, außer montags, täglich bei freiem Eintritt geöffnet. ++++++++++++++++++++++++

10 Jahre Freunde des Museums am Dom

25. Juni, 20 Uhr, Neumünsterkirche Sie rühren die Werbetrommel, helfen bei Veranstaltungen und beim Ankauf von Kunstwerken. Als das Museum am Dom im März 2003 seine Türen öffnete, hatten sie sich schon längst gegründet. Zu den derKulturGut 05 | Seite

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zeit 785 Mitgliedern kommt beim Festakt ein Ehrenmitglied hinzu: Altbischof Paul-Werner Scheele, ohne den es das Museum so sicher nicht gäbe. www.museum-am-dom.de/freunde ++++++++++++++++++++++++

World in Passion

bis 5. Juni, Oberammergau Museum Eine „zeitgenössische künstlerische Kommentierung der Passionsspiele 2010” wünschte sich die Gemeinde Oberammergau. Das Konzept von Verena Rempel (Würzburg / Zell) und Heike Schäfer (Wien) überzeugte die Fachjury: sie interpretierten die seit der Barockzeit als Lebende Bilder eingestreuten Szenendarstellungen aus dem Alten Testament, die den Handlungsstrang der Passionsgeschichte immer wieder unterbrechen, als aktuelle und brisante Problemstellungen. Und gaben elf weiteren KünstlerInnen den Auftrag, jeweils eins dieser Bilder eigenständig zu inszenieren und zu fotografieren. Die so unterschiedlichen wie beeindruckenden Ergebnisse sind bis 5. Juni zu sehen. | www.worldinpassion2010.de | www.oberammergaumuseum.de ++++++++++++++++++++++++

Vive Reiser!

bis 26. Juni, Caricatura Museum, Frankfurt In den 1970er Jahren erschienen seine ersten Sammelbände, in den 1980er Jahren war er ein Star mit Millionenauflagen: Zum 70 Geburtstag des 1983 verstorbenen Cartoonisten Jean-Marc Reiser zeigt das Frankfurter Museum für Komische Kunst die weltweit erste repräsentative Werkschau mit rund 240 Originalarbeiten des „Schweinepriesters“. | www.caricatura-museum.de


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Frank und die Würzburger Erinnerungskultur Fünfzig Jahre nach seinem Tod hat uns der Schriftsteller so viel zu sagen wie seit je von Dr. Hans Steidle

+ Am 18. August 1961 starb Leonhard Frank in München. Frank, am 5. September 1882 in Würzburg geboren und der namhafte moderne Romancier dieser Stadt, urteilt als 78-jähriger Autor: „Die kontrollierte Wirkung meines gesamten Lebenswerkes ist gleich Null.“ Dieser Satz gilt ein halbes Jahrhundert später mehr denn je. Vielleicht trägt Frank an seiner zunehmenden Isolierung im Westdeutschland der 50er Jahre selbst die Schuld. Er behauptet als Motto seines literarischen Schaffens: „Die Wahrheit kann nie direkt genug sein.“ Soll man den Schriftsteller erinnern, der in den Zwanzigerjahren einer der erfolgreichsten modernen deutschen Autoren war? Zum Beispiel an den wirren Werdegang: Der Sohn eines Schreinergesellen besucht eine Volksschule, macht eine Lehre, entschließt sich zum Malerstudium, hungert in Schwabing und saugt Wissen und Bildung in der Bohème auf. Er experimentiert in neuen Lebensformen erkennt sein begrenztes malerisches Talent, zieht 1911 nach Berlin und schreibt seinen Debütroman über die Jugend in Würzburg, das Scheitern der Jugendträume in der wilhelminischen Obrigkeitsgesellschaft – „Die Räuberbande“. 1955 vergleicht Frank diese Arbeit mit dem „Überqueren des Atlantischen Ozeans mit dem Ruderboot“. In dem Roman lebt das 1945 zerstörte alte Würzburg fort, seine Enge, Kleinbürgerlichkeit, Grausamkeit, seine Vitalität, Gemächlichkeit, beschauliche Provinzialität. Keinem Würzburger Autor gelang eine vergleichbare Poetisierung der Stadt. Das expressionistische Frühwerk Franks ist in seiner schonungslosen und extremen Sprache, der heftigen Anklage gegen Gesellschaftsunterdrückung und Krieg, dem utopischen Appell an eine Revolution der Liebe packende und provokante Literatur. Sie geht unter die Haut. Frank, prophetischer Rebell, experimentiert mit Sprache und KulturGut 05 | Seite

Weltanschauung, schreibt und schreit gegen die innere und äußere Verhärtung der Menschen, die das Massenmorden des Ersten Weltkriegs dumpf durchführen. Nach dem relativen Scheitern der Revolution 1918/19 schreibt Frank in den 20er Jahren sachlicher, realistischer, zunehmend über die Unbedingtheit und die Wirkung der Liebe – nicht frei von Kitsch, als ob der politischen Desillusionierung die private Utopie der „Traumgefährtenschaft“ folgen müsste. Er ist auch als Theater- und Drehbuchautor erfolgreich. Man kennt ihn, er genießt das Leben in der Metropole Berlin.

Mehr als eine Räuberbande Kurz zum literarisierten Würzburg: „Das Ochsenfurter Männerquartett“ von 1928 enthält eine romantische Liebesgeschichte im Würzburger Stadtteil Zellerau. In Würzburg nimmt der Arbeitslosenroman „Von drei Millionen drei“ seinen Ausgang, endet mit der Rückkehr der Arbeitslosen ratlos, mit einer Beschwörung der Stadt, denn einen Ausweg aus der großen Weltwirtschaftskrise sieht Frank nicht. Ihm bleibt 1933 nur die Flucht, um das nackte Leben zu retten, in die Schweiz, Frankreich und quer durch das von der Wehrmacht besetzte Land unter Lebensgefahr in die USA, in den Sonnenstaat Kalifornien. Wie dem Mitteleuropäer Brecht behagen Frank weder Wetter noch amerikanische Lebensart. Der Rückkehrer bringt 1950 seine junge, charmante dritte Frau Charlott und einen weiteren Würzburgroman, „Die Jünger Jesu“ mit. In dem Roman setzt er sich mit NS-Deutschland und Nachkriegsdeutschland auseinander. Dummerweise siedelt er die Handlung in Würzburg an. Das gefällt vielen Würzburgern gar nicht. Schnell ist er für die konservative und katholische Hälfte der Stadt ein

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Nestbeschmutzer. Nach seinem Tod dauert es mehr als ein Vierteljahrhundert, bis sich das offizielle Würzburg an den Dichter erinnert. Der Abstand wächst.

Stimmen zum Tode

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2011, ein halbes Jahrhundert nach Franks Tod, diskutiert das offizielle Würzburg über Erinnerungskultur. Leonhard Franks Bücher sind geschriebene Erinnerungskultur: „In Würzburg schien man nicht zur Kenntnis nehmen zu wollen, daß durch die entsetzlichste Schandtat der Menschheitsgeschichte, verübt durch das Naziregime, sechs Millionen Menschen das Leben in Gaskammern und Öfen verloren hatten (...) Jeder Leser in Würzburg konnte nach der Lektüre des ‚Jünger Jesu’ wissen, wenn er guten Willens war, daß in diesem Roman nicht Würzburg und die Würzburger gebrandmarkt sind, sondern die bluttriefenden Untiere des Naziregimes.“ Die Würzburger 1952 besaßen nach Franks Version keine „Erinnerungskultur“. Im Jahre 2011 wird wieder an Frank erinnert. „So sterben sie hin“, schreibt W. E. Süskind, der Vater des Patrick Süskind, am 19. August 1961 in seinem klugen und einfühlsamen Nachruf in der SZ. Und weiter über Franks Literatur über Würzburg: „Doch das war das Wunder: daß weder sentimental-idealisierte Eindrücke einer wohlumsorgten Kindheit, noch die Elendstöne seiner proletarischen Herkunft den Klang bestimmten, vielmehr eine ebenso drastische wie dennoch schwungvolle Lebensvertrautheit, die wir vorhin als skeptisch-realistisch zu bezeichnen versuchten.“ Praktizierte Erinnerungskultur heißt: Lesen wir in Würzburg Frank und entdecken wir einen Teil unserer kulturellen und humanen Identität in Franks Werk. KulturGut 05 | Seite

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Frank in der Schule Aktuell, anschaulich, ein Autor für interdisziplinären Unterricht, sagt Michael Henke, Vorsitzender der Leonhard-Frank-Gesellschaft Interview: Joachim Fildhaut

+ Was macht für Sie den größten Reiz an der Frank-Lektüre aus? Ich muss vorausschicken, dass ich Leonhard Frank als Autor erst seit etwa vier, fünf Jahren kenne. Ich habe Frank zunächst unterschätzt, als leichte Lektüre abgetan. Wenn ich heute einen Text von ihm in die Hand nehme, finde ich dagegen immer etwas Neues. Was Frank geschrieben hat, wirkt oft sehr einfach, selbst wenn er poetische Bilder entwirft. Und es ist faszinierend, wie es ihm in wenigen, prägnanten Sätzen gelingt, eine Situation, eine Atmosphäre, einen Charakter entstehen zu lassen. Er lässt dabei jedem Leser, der zugleich ein Betrachter ist, die Freiheit eines eigenen Bildes. Die aktivsten Mitglieder der Leonhard-Frank-Gesellschaft sind insbesondere als Historiker engagiert. Ist diese Perspektive eine gute Zugangsweise auf den Schriftsteller? Man sollte das nicht verabsolutieren. Geschichte ist dann ein guter Zugang, wenn er sich mit einer sozialen und humanitären Perspektive paart. Ich unterrichte Deutsch als Zweitsprache an einer Volkshochschule und stelle an die erwachsenen Zuwanderer regelmäßig die Frage, warum man sich mit Geschichte beschäftigen soll. Und, warum soll man? Die mehrheitliche Antwort bei meinen Kursteilnehmern klingt zunächst wie Überanpassung oder wie auswendig gelernt. Aber wenn es konkreter wird, dann merkt man das Interesse am Vergleich zwischen früher und heute. Das bezieht sich auf das Alltagsleben, auf die Ansprüche ans Leben, auf Fragen von Gut und Böse und von Krieg und Frieden. Sind das nicht Kriterien, die auch unsere Literaturaufnahme prägen? Ich bin der Überzeugung, dass jeder Leonhard Frank mit Genuss lesen kann, auch ohne historische oder literaturwissenschaftliche Vorkenntnisse. Speziell der historische Zugang ist aber in der Lage, Franks Werk in einen Gesamtkontext einzuordnen. Und manche beiläufig erscheinende Textstelle kann erst durch historisches Hintergrundwissen erschlossen werden. Inwieweit ist das Werk Franks Engagierte Literatur? Zunächst einmal, weil Leidenschaft und Engagement zentrale Elemente seiner Literatur sind. Ich kenne kaum einen Text von Frank, der nicht Position bezieht, und zwar in einem gesellschaftlichen Sinne. Lange bevor die 68er – und hier insbesondere die feministische Frauenbewegung – den Slogan „Das Private ist politisch!” prägten, hat Frank genau dies in seinen Werken realisiert: „Die Räuberbande” wendet sich gegen gewalttätige, hierarchische und militaristische Strukturen, „Die Ursache” gegen Demütigungen, Ungleichheit und Todesstrafe. „Der Mensch ist gut” war für viele Zeitgenossen das erste und wesentlichste Werk gegen den Krieg. Auch „Karl und Anna” ist nicht einfach nur eine leidenschaftliche Liebesgeschichte, die sich allerdings massiv gegen gesellschaftliche Konventionen wendet. Es thematisiert auf fast

nebensächliche Weise, wie sich der Krieg auch fernab der Fronten ins Alltägliche hineindrängt. Ich könnte noch weitere Beispiele anführen. Sind die Romane aktuell geblieben, weil sie Lektionen an die Hand geben, um aus der Geschichte zu lernen? Literatur ist keine Gebrauchsanweisung. Sie kann Anregungen geben, bedarf aber immer der Empathie und des Engagements der Leserinnen und Leser. Franks Werk bietet auch heute genügend Anknüpfungspunkte. Natürlich haben sich die Bedingungen seit der „Räuberbande” ganz entscheidend verändert. Der menschliche Umgang mit Kindern und Heranwachsenden, den Frank hier einfordert, ist längst zum Standard geworden, ein Standard allerdings, der nicht immer eingehalten wird. Aber ist die „Räuberbande” nicht auch die latente Forderung nach einem Recht auf Bildung gerade für Kinder aus den unteren sozialen Schichten? Und müssen wir nicht regelmäßig lesen, dass heute die Chancen eines Arbeiterkindes zu studieren immer noch eklatant niedrig sind? Eine Besserung kann hier natürlich nicht über Literatur erfolgen, aber man muss es unumwunden feststellen: Die „Räuberbande” des 21. Jahrhunderts ist noch nicht geschrieben worden. Wie ließe sich Frank besser in den Schulunterricht einbinden? Vielleicht sollte man hier die Praktiker fragen – und eventuell wird die Leonhard-Frank-Gesellschaft das tun. Ich könnte mir jedenfalls vorstellen, dass man in einer Reihe von Workshops erörtert, für welche Unterrichtsfächer Texte von Frank herangezogen werden könnten. Konsequenterweise müssten sich daraus dann auch didaktisierte Unterrichtsvorschläge ergeben. Die Lehrerinnen und Lehrer von heute müssen aber darauf nicht warten: Warum muss das Liebes-Thema immer anhand von „Romeo und Julia“ oder „Kabale und Liebe” behandelt werden – es gibt schließlich „Karl und Anna” sowohl als Novelle wie auch als Drama. Welche Fächer kommen außer Deutsch in Frage? Meiner Meinung nach ist das eine oder andere als atmosphärische Einstimmung auch im Geschichts- bzw. Sozialkundeunterricht geeignet, weniger aber als Vorentlastung für kognitiv zu erfassende Lerninhalte. Noch besser wäre es allerdings, wenn künftiger Schulunterricht in weit stärkerem Maße die Grenzen der Unterrichtsfächer durchbrechen könnte und Spielräume für interdisziplinären Projektunterricht hätte. Da kann ich mir Frank-Texte wunderbar vorstellen. Warum gerade dort? Nicht nur für den Geschichtsunterricht ist Anschaulichkeit wichtig. Ein Begriff, ein Ereignis, eine statistische Zahl muss nachvollziehbar werden. Bei lange zurückliegenden Ereignissen besteht diese Erfordernis nicht nur für Schülerinnen und Schüler, sondern auch für das Lehrpersonal. Ein Beispiel aus meiner früheren Tätigkeit als Stadtführer in

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Intelligenter Service Informationen rund um den Nahverkehr

Berlin und Potsdam, wo ich viel mit Schulklassen zu tun hatte: Etwa zu Beginn des Ersten Weltkriegs hatte eine durchschnittliche Arbeiterwohnung in Berlin eine Größe von etwa 40 Quadratmetern, bewohnt von sieben Personen. Das erzählte ich bei meinen Führungen auf einem Hinterhof - und sah gelangweilte bzw. verständnislose Gesichter. Dann änderte ich die Perspektive und fragte die Schüler, wie viel eigentlich 40 Quadratmeter seien und bekam, wenn ich Glück hatte, mathematische Antworten. Irgendwann ließ ich die Kids diese Größe einfach mit ihrer Beinlänge vermessen, stellte vier Schüler als “Eckfahnen” auf und platzierte sieben Schüler im Viereck. Jetzt war die Statistik nachvollziehbar - und die Schüler fingen an, darüber zu sprechen.

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Einfach einsteigen. Und dabei sein.

Welcher Text Franks ist für Sie besonders anschaulich? Frank-Texte eignen sich wie gesagt besonders für das Atmosphärische. Da ist etwa die Erzählung „Absturz” mit einem erkennbar prototypischen Personal. Manche repräsentieren bestimmte soziale Schichten, andere soziale Charaktere. Die wesentliche Handlung spielt sich in einem Eisenbahnwaggon ab, der sich wegen alkoholbedingter Unachtsamkeit eines Bahnarbeiters vom Rest des Zuges löst und zu Tal rast. Damit wird brennglasartig eine Gesellschaft im Normalzustand und im Zustand wachsender Panik präsentiert. Das ist eingängig und dramatisch, eine spannende Geschichte. Und all das ist auch für den heutigen Leser vollkommen nachvollziehbar. Welcher Text Franks hat Sie besonders überrascht? Frank erwähnt in „Links wo das Herz ist“, er habe sich an amerikanischen Kurzgeschichten versucht, aber nichts zu Stande gebracht. Insofern hat mich die „New Yorker Liebesgeschichte“ überrascht, die ich für äußerst gelungen halte.

INFO: Michael Henke ist Erster Vorsitzender der Leonhard-Frank-Gesellschaft. 1957 in Hessen unweit von Aschaffenburg geboren, zog er 1964 mit der Familie nach Berlin, wo er heute noch lebt. Er befasst sich mit Exilliteratur und biographischen Recherchen zu Leonhard Frank. 2006 und 2007 war er Mitarbeiter des Aktiven Museum Faschismus und Widerstand e.V. in Berlin und beteiligt an dem Ausstellungsprojekt „Ohne zu zögern. Varian Fry: Berlin – Marseille – New York“. Diese Ausstellung wird vom 20. September bis zum 8. Oktober im Rathaus Würzburg zu sehen sein. KulturGut 05 | Seite

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Creative Writing ist eine Kulturtechnik Pl辰doyer f端r fiktionales Schreiben in der Schule von Krystyna Kuhn / Fotos: Gleb Polovnykov

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+ Was ist eigentlich Creative Writing? Nun, das sogenannte Kreative Schreiben ist eine äußerst vielseitige Methode, die das Verfassen literarischer Texte trainiert. Der Begriff kommt aus den USA, wo an Schulen und Hochschulen entsprechende Kurse angeboten werden und teilweise sogar verpflichtend sind. An deutschen Schulen und Universitäten wird dagegen Schreiben im Sinne von Creative Writing kaum gefördert. Im Gegenteil wird im Deutschunterricht das Verfassen von Textsorten wie z.B. Erlebniserzählung, Bericht, Erörterung nach strengen Mustern gelehrt. Dabei zählen weniger die sprachliche Ausdruckskraft und das kreative Potential eines Schülers als vielmehr das Einhalten von Regeln. Schreiben jedoch ist eine Kulturtechnik und der Wunsch nach Fiktion ein urmenschliches Bedürfnis. Beides sind wesentliche Bestandteile unserer Kommunikation. Es wäre daher wünschenswert, dass die methodischen Übungen des Kreativen Schreibens auch an deutschen Schulen angewandt werden. Natürlich hängt das literarische Ergebnis der Texte davon ab, wie trainiert und erfahren jemand im Umgang mit Sprache und Textformen ist. Und sicher ist die Qualität auch mit dem Bildungsgrad verknüpft. Gerade im dreigliedrigen Schulsystem Deutschlands, wo diese Unterschiede quasi institutionalisiert werden. Doch das literarische oder sagen wir lieber kreative Schreiben erfordert eben nicht nur Fähigkeiten wie Sprachkompetenz, Kenntnis von Textarten oder literarischen Vorbildern, sondern auch ein hohes Potenzial an Phantasie und Kreativität. Wortschatz, Grammatik, Satzbau können an der Schule gelehrt werden. Aber gilt das auch für das Erfinden von Geschichten? Und Kinder bzw. Jugendliche, die die Hauptschule besuchen, besitzen doch wohl in gleichem Maße wie Schüler des Gymnasiums oder der Realschule eine sprühende Phantasie, Kreativität und ein ausgeprägtes Interesse an Fiktion. Denn selbst wenn sie nicht lesen, sind sie dennoch süchtig nach Geschichten. Sie nutzen jedoch weitgehend das Medium Film, um dieses Bedürfnis zu erfüllen. Eigene Geschichten zu erfinden – das bietet die Chance, Schüler zum Lesen und Schreiben zu animieren. Und deshalb sind gerade an Haupt- bzw. Mittelschulen Übungen zum Creative Writing geeignet, Jugendliche dazu zu bringen, den Stift in die Hand zu nehmen und etwas aufs Papier zu bringen. Denn dabei zählt zunächst nicht so sehr KulturGut 05 | Seite

das literarische Ergebnis. Im Mittelpunkt stehen vielmehr der kreative Vorgang und der Gestaltungsprozess. Die Freude ist groß, wenn auf dem weißen Papier eine eigene fiktive Welt entsteht. Wir sollten also mehr Vertrauen in die Macht der Phantasie haben und das kreative Potential von Schülern nutzen. Kinder und Jugendliche können in Creative-Writing-Kursen erfahren, welche Möglichkeiten sie haben und welche Fähigkeiten sie besitzen. Und nebenbei lernen sie auch Sprache zu trainieren. Aber nicht indem sie Regeln auswendig lernen oder vorgegebene Muster erfüllen, sondern einfach indem sie schreiben, schreiben, schreiben. Nur so gelingt es, mit jedem Satz die Angst vor dem weißen Blatt zu überwinden. Creative Writing bedeutet nicht Einzelcoaching, sondern das Arbeiten in der Gruppe. Und das ist auch gut so. Denn es darf nicht unterschätzt werden, welchen Einfluss die Geschichten der anderen haben. Und wie sich allein durch das Hören fremder Texte die eigenen Möglichkeiten erweitern. Eigentlich klar – oder? Seit Menschen um das Feuer saßen, um Geschichten zu hören, hat sich nicht viel verändert. Das Bedürfnis ist geblieben. Wenn wir nicht wollen, dass Kinder und Jugendliche verstummen oder sich nur noch in SMS, Kurzmitteilungen und Emails mitteilen, sollten wir ihnen einen Raum geben zu schreiben – was sie wollen. Es muss auch Bereiche geben, in denen sie eine wichtige Erfahrung machen können. Manchmal zählt nicht richtig oder falsch – sondern einfach es zu tun.

INFO: Seit Beginn des Jahres lief an Würzburger Hauptund Realschulen der Schreibwettbewerb „Jungsein in Würzburg”. Das große Finale mit der Präsentation von Texten und Preisverleihung findet am 4. Juli bei der Eröffnung der Schultheatertage im Mainfranken Theater satt. Krystyna Kuhn, geboren in Würzburg, arbeitet als freie Schriftstellerin. Sie gibt selbst Kurse in Creative Writing für Schüler. | www.krystyna-kuhn.de

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Wo Google aufhört, fangen wir erst an

8. April, 16.30 Uhr, Universitätsbliothek am Hubland Seit Februar sind die Bestände der Unibibliothek in WorldCat verzeichnet, der größten globalen Katalogdatenbank mit rund 1,5 Milliarden Bestandsnachweisen von mehr als 10.000 Bibliotheken. Da WorldCat Partnerschaften mit den führenden Suchmaschinen pflegt, die auf WorldCat-Einträge verweisen, ist die UB auch für Internetnutzer präsent, die nicht die lokale Katalogrecherche als Einstieg wählen. Aber: damit fängt das Online-Angebot der UB ja erst an. Christina Barth stellt den Teilnehmern der Führung in 90 Minuten vor, was die Bibliothek an elektronischen Katalogen, Datenbanken und Medien zu bieten hat. | www.bibliothek.uni-wuerzburg.de ++++++++++++++++++++++++

Arno Geiger

12. April, 20 Uhr, Stadtbücherei im Falkenhaus Der österreichische Schriftsteller verfasste seine literaturwissenschaftliche Diplomarbeit zwar über „Die Bewältigung der Fremde in den deutschsprachigen Fernreisetexten des Spätmittelalters“, aber die nahen Verhältnisse von Familienbeziehungen beschäftigen ihn mehr. Nach dem wunderbaren Roman „Alles über Sally“ legte er nun die Geschichte eines an Alzheimer erkrankten Vaters nieder: Mit dem Roman beziehungsweise Erfahrungsbericht „Der alte König in seinem Exil“ gelang dem zu Recht gefeierten Autor ein berührender Gesang auf das Leben. | www.stadtbuecherei-wuerzburg.de ++++++++++++++++++++++++

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Leo Weismantel

Familienbande

Weismantel, geboren 1888, war ein religiöser Pazifist und unbequemer konservativer Schriftsteller in Würzburg. Der Historiker Johannes Schellakowsky berichtet von ihm, wie er den Ersten Weltkrieg als tiefe persönliche Zäsur erfuhr: Seine politischen und religiösen Grundüberzeugungen seien erst vor diesem Hintergrund verständlich zu machen. Seit 1915 Handelsrealschullehrer, freier Schriftsteller seit 1936, 1939 erstmals verhaftet, blieb Weismantel auch nach dem Zweiten Weltkrieg ein Mahner – ihn peinigten Gesichte einer atomaren Apokalypse; den Frieden zu bewahren erschien ihm als religiöse Aufgabe. Kein Unaufgeregterer als Bernward Vesper schrieb 1964 in einem „Zeit“-Nachruf, vielleicht werde von Weismantels schriftstellerischem Werk und von seinen pädagogischen Erkenntnissen nichts bleiben – bestehen werde „das Vorbild des Menschen Leo Weismantel, der sein Leben zum Zeugnis einer tätigen, furchtlosen Humanität machte“. | www.frankenbund-wuerzburg.de

Seine eigenen Erinnerungen an die Zeit als verstecktes jüdisches Kind im Berliner Untergrund waren für den Schauspieler Michael Degen der Beginn einer zweiten Karriere als Schriftsteller. Sein ergreifender neuer Roman mit dem Untertitel „Ein Leben im Schatten des Zauberers“ erzählt von Michael, dem jüngsten Sohn des Schriftstellers Thomas Mann – die Geschichte eines Daseins, das im Bann allzu großer Talente und Einflüsse zerstört wurde. | www.wuerzburg-deluxe.de

6. Mai, 19.30 Uhr, St. Burkardus-Haus

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Dickicht

12. Mai, 20 Uhr, Stadtbücherei im Falkenhaus „Songpoetry für Freunde der Popmusik“, so kündigen Stabü und Jugendkulturhaus Cairo ihre gemeinsame Veranstaltung an. Ulrike Almut Sandig rezitiert ihre sachlichen Gedichte über Alltagsemotionen aus ihrem neuesten Band „Dickicht“ mit hörspielgeschulter Stimme und mit Marlen Pelny, die ebenfalls lyrische Texte verfasst, die singt und ein sauberes Fingerpicking an der Gitarre beherrscht. | ww.stadtbuecherei-wuerzburg.de ++++++++++++++++++++++++ KulturGut 05 | Seite

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12. Mai, 20 Uhr, Saalbau Luisengarten

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Fengxia Xu und Root Leeb 21. Mai, 20 Uhr, Bücherei im Bahnhof, Veitshöchheim

Fengxia Xu aus Shanghai musiziert auf der Guzheng einfühlsam und ekstatisch improvisierte Jazzmusik. Root Leeb trägt dazu aus ihrer Textsammlung „So stark“ vor. Die Autorin und Malerin ist nicht zuletzt als Illustratorin der Werke von Rafik Schami bekannt, der die einführenden Worte sprechen wird. | www.wuerzburg-deluxe.de ++++++++++++++++++++++++

Cocteau in Pratolino

29. Mai, 17 Uhr, Gartenpavillon des Juliusspitals Josef Tratnik bringt das Flair vom Paris der 1920er mit „Kinder der Nacht“: ausgewählte Texte des Experimentators Jean Cocteau. Dazu spielt das Duo Bozza Flöte und Gitarre auf dieser Finissage von Erne Nitsches Ausstellung „Die Parkanlage von Pratolino“. Kartenreservierung Telefon (0931) 3931406.


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Biutiful

1. bis 6. April, 20.15 Uhr, Programmkino Central Der mexikanische Regisseur Alejandro González Inárritu („Babel“) drehte den doppelt Oscarnominierten Charakterkrimi im modernen Barcelona. Ein kleiner Markenfälschungs-Straßenmanager (Javier Bardem – fast bester Schauspieler!) versucht angesichts seines rasend drohenden Krebstods, seine Verhältnisse inklusive der Reste seiner gescheiterten Ehe zu retten. Zweieinviertel Stunden Schauspielerkino bis in die Nebenrollen hinein erwarten den Zuschauer. Am 4. April schon um 18 Uhr! | www.central-programmkino.de ++++++++++++++++++++++++

Internationales Filmwochenende

7. bis 10. April, Cinemaxx & Programmkino Central „Ein bisschen viel“ betitelte der Kulturservice Steiermark sein Porträt über „die auffallendste Nachwuchsbegabung der österreichischen Filmszene“, die Regisseurin Marie Kreutzer. Die zeigt ihren Debüt-Spielfilm „Die Vaterlosen“ als einen der rund 60 Beiträge des Festivals in Würzburg. Der Streifen ist nur einer von ‚ein bisschen vielen’, aber herausgegriffen sei er, weil die Autorin auf der Berlinale drei Statements abgab, die den Blick nicht nur auf diesen Film schärfen. Der Plot, kurz angerissen: Geschwister treffen sich am offenen Grab ihres Vaters, wobei eine Frau feststellen muss, dass ihre Existenz ihrer Halbschwester konsequent verheimlicht wurde. Da die Hinterbliebenen selbst ein bisschen viele sind, könnte der Zuschauer verlangen, möglichst schnell Klarheit über die Personen zu bekommen, und ange-

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sichts des Films an seiner eigenen Auffassungsgabe zweifeln. Aber, so Kreutzer: „Ich finde es gut, dass man nicht schon nach zehn Minuten weiß, wer zu wem gehört und wie die Verwandtschaftsverhältnisse liegen.“ Sodann, zur Schauspielerführung und zugleich zur Anlage einer Szene, frage sie sich, worum es jeder Figur in jeder einzelnen Szene gehe, und suche jeweils „möglichst einfache Lösungen“. Die gibt Marie Kreutzer ihren Spielern mit und lässt ihnen dann große Freiheiten. Und schließlich ging die Filmemacherin auf das Familienbild ein, das für sie hinter den „Vaterlosen“ steht. Da nimmt sie nichts selbstverständlich, deutet ihre Sentenz über das menschliche Paarverhalten an: „Man kriegt nicht Kinder und geht dann sofort auseinander.“ Sondern zum Filmwochenende. Weitere Hinweise zum Programm auf der folgenden Seite. | www.filmwochenende.de ++++++++++++++++++++++++

Hundreds & TWURKMC 9. April, 20.30 Uhr, Posthalle

Zum Internationalen Filmwochenende treten zwei Bands mit heimischem Ursprung in der großen bestuhlten Halle auf. Hundreds, einige Leute um das Geschwisterpaar Eva und Philipp Milner aus Lohr, stellten ihre stark visualisierte Show schon auf der mehrfach ausverkauften Berliner Volksbühne vor. Internationale Erfolge schlossen sich an. Noch schwerer als ihr Elektropop, wenn auch nicht ganz so prominent, kommt der Postrock der Würzburger Band The Wind-Up Robots Killed My Cat daher. Über ein halbes Dutzend Freunde des Quartetts ließen sich von dessen Stücken inspirieren und schufen Videos, die exklusiv zu diesem Konzert laufen. | www.cairo.wue.de

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Die Walküre

14. Mai, 18 Uhr, Cineworld Dettelbach Live-Übertragungen von der New Yorker Metropolitan Opera wecken hohe Ansprüche, denen die Musiker (Dirigent James Levine und Bryn Terfel als Wotan aus der „Rheingold“-Inszenierung, dazu jetzt Jonas Kaufmann und Deborah Voigt) voll genügen. Wer hinter den Erwartungen zurückbleibt, die die Zuhörerschaft von seiner Regie hegen könnte, ist der Produzent Robert Lepage, den das Theaterpublikum der Welt an sich als Bühnenzauberer schätzt. Im Vorspiel der Wagnerschen Tetralogie setzte er sehr stark auf eine futuristische Kulissentechnik, zwischen der die recht konventionell ritterlich kostümierten Sänger agierten. So sehr in Großaufnahme wie bei dieser Kino-Gelegenheit sieht man sie selten. | www.cineworld-main.de ++++++++++++++++++++++++

Mama Africa

3. Juni, 22 Uhr, Arte-Kinozelt Mainwiesen Das Rahmenprogramm des Africa Festivals bringt insgesamt acht Film- bzw. TV-Beiträge, von denen das Spätprogramm am Freitag am cineastischsten ausfällt. Denn als Gast steht nach der Projektion der finnische Regisseur Mika Kaurismäki Rede und Antwort, begleitet von seinem südafrikanischen Co-Produzenten Don Edkins. Thema das Bio-Pics ist natürlich die vor drei Jahren gestorbene Sängerin Miriam Makeba, der das Würzburger Africa Festival 2009 eine Hommage brachte. Kaurismäki wertete die musikalische Widmung dokumentarisch aus, so dass das Festival an diesem Abend zu sich selbst zurückkehrt. Doch der Film erzählt auch von der jungen Afrikanerin Makeba, die sich bei den Vereinten Nationen für die Rechte der Schwarzen stark machte. | www.africa-festival.org


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Verlängertes Wochenende Die Filminitiative Würzburg zeigt zum ungewohnten Termin Kino auf bekannt hohem Niveau von Christian Neubert

+ Viel hat sich getan beim Internationalen Filmwochenende, das dieses Jahr zum 37. Mal stattfinden wird. Nach einer Terminänderung und einer neuen Location bleibt eins glücklicherweise erhalten – sein vielfältiges Programm. Nachdem es eine Zeit lang gar nicht gut um den Fortbestand des Internationalen Filmwochenendes bestellt war, konnte die Würzburger Filminitiative die Querelen um Gedeih und Verderb des Festivals erfolgreich beenden. Es kann nun – und zum Glück – doch wieder stattfinden: Vom 7. bis zum 10. April, also zwei Wochen vor Ostern. Nach dieser Verlegung ins Frühjahr und mit dem CentralKino (neben dem Cinemaxx) als neuem Austragungsort bekommt der Zuschauer also wieder eine umfangreiche, breitgefächerte Auswahl internationaler Filme abseits des Blockbuster-Kinos geboten. Natürlich dürfen wir zu diesem Anlass wieder mit einigen Stargästen rechnen – immerhin is there no business like showbusiness. Einen positiven Bescheid für einen Besuch hat die Filminitiative e.V. frühzeitig vom vielfach prämierten Autorenfilmer Rudolf Thome erhalten, den man in Würzburg wohl einen Stammgast nennen kann. Er wird seinen neuen Spielfilm „Das rote Zimmer“ vorstellen. Aus England kommt Ben Wheatley angereist, ein junger Regisseur, der sein Spielfilmdebüt „Down Terrace“ präsentieren wird, für das er bereits auf Festivals wie KulturGut 05 | Seite

dem Raindance oder dem IFF in Boston ausgezeichnet wurde – und bei dem, so die Jury des Raindance Film Festival, Ken Loach auf die Sopranos trifft.

Die Regisseurin mit dem koreanischen Frauenfußball Mit „Missing Man“ von Anna Fenchenko bekommen die Gäste ein weiteres Spielfilmdebüt vorgelegt. Die russische Regisseurin ist dennoch kein Neuling mehr, kann sie doch auf einige Trophäen für ihre Kurzfilme und Dokumentationen zurückblicken. Die aus Wien stammende Brigitte Weich wird „Hana, dul, sed ...“ vorstellen. Ihr Dokumentarfilm, dessen Premiere auf dem 62. Filmfestival in Locarno gefeiert wurde, zeichnet anhand von vier Spielerinnen ein persönliches Portrait vom kometenhaften Aufstieg und abrupten Fall des Frauenfußballs in Nordkorea. Des Weiteren darf man sich auf Dana Linkiewicz freuen. Die Regisseurin, die für ihren Kurzfilm „Doppelmord“ für den Max-Ophüls-Preis nominiert war, präsentiert die Abschlussarbeit ihres Regiestudiums

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Stills von links: „Down Terrace“, „Upper Dog“ und „Das rote Zimmer“.

an der Kunsthochschule für Medien in Köln – „Anne Perry: Interiors“, eine intime Dokumentation über die britische Erfolgsautorin Perry. Außerdem wird die Grafikerin und Filmstudentin Sonja Dürscheid ihren Kurzfilm „Wasserhärtengrade“ präsentieren, der als Abschlussprojekt eines Filmseminars von Wim Wenders entstanden – und von dem aktuell eine Langfilm-Version geplant ist. Mehr als 60 Titel umfasst der Spielplan des Festivals, wobei der Fokus in diesem Jahr verstärkt auf skandinavische Produktionen gerichtet wird – der europäische Norden ist mit acht Filmen vertreten. Darunter befinden sich Sarah Johnsens „Upperdog“, der auf dem norwegischen Filmfestival mehrere Preise abgeräumt hat, sowie „Beyond“ von der gefeierten schwedischen Schauspielerin Pernilla August, die für die Hauptrolle ihres Spielfilmdebüts Noomi Rapace, die Heldin der Stieg-Larsson-Verfilmungen, gewinnen konnte. Sämtliche Gattungen deckt das Programm ab. Bemerkenswert ist darunter sicher die Horrorkomödie „Hare and Burke“ – immerhin die erste Spielfilmproduktion des „Blues Brothers“-Regisseurs John Landis seit zwölf Jahren. Und natürlich die von Musikern live vertonte Aufführung des Stummfilmklassikers „Ich möchte kein Mann sein“ von Ernst Lubitsch.


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Extrem nah und unglaublich bunt Für Schöne Literatur entwickelte sich in den vergangenen zehn Jahren eine geistige Nahversorgung: Dichter in die Stadtteile! von Susanne Hoffmann / Fotos: Gleb Polovnykov

+ „Unser Kopf ist rund, damit das Denken die Richtung ändern kann“: Ihrem Motto ist die Buchhandlung Neuer Weg bis heute treu geblieben. Ende 1973 gründete ein Buchgeschäft aus Schweinfurt seine Zweitniederlassung in Würzburg, zuerst in der Peter-, dann in der Sanderstraße. Der politisch linke Laden bot Fachbücher und Literatur aus der DDR an und traf damit den Zeitgeist der Nach-68er-Generation. „Es war damals schwer, hier, wo jedes dritte Haus der Kirche gehörte, ein Ladenlokal zu finden“, erinnert sich die Buchhändlerin Ursula Drescher. Heute verfügt der Neue Weg über ein breitgefächertes Spektrum der literarischen Richtungen und besitzt zwei Geschäfte in Würzburg, eins davon eine Fachbuchhandlung. Im Hauptgeschäft sind neben Belletristik allgemeine Sachbücher, sowie Kinder- und Jugendliteratur vertreten. Am besten geht die Literatur des 20. und 21. Jahrhunderts. Ebenfalls gibt es einen Platz für weniger bekannte Literatur aus Asien, Afrika und Lateinamerika. Die Büchergilde Gutenberg wurde Ende der 70er Jahre mit aufgenommen. „Der Buchclub hat eine gute Auswahl und eine sehr gute Buchgestaltung“, meint Drescher. Autorenlesungen und Vorträge gehören zum Programm, ebenso werden die Räume für politische Veranstaltungen, z. B. für Ökopax, zur Verfügung gestellt. Und wie steht es mit der Konkurrenz durch die Buchhandelsketten? „Dadurch, dass die meisten Bücher eine Preisbindung haben, ist die Gefahr geringer als beispielsweise bei CDs, und es gibt Hoffnung für kleinere Buchhandlungen zu überleben“, spricht Drescher für die Branche. Sie und ihre Kollegen sorgen sich eher um die Konkurrenz des Internetgiganten Amazon bei dem immer mehr Leser ihre Bücher bestellen.

Die reine Literatur Im Jahr 2005 öffnete die Buchhandlung dreizehneinhalb ihre Pforten in der Eichhornstraße. Hier präsentieren sich die Bücher in einem stilvolKulturGut 05 | Seite

len Ambiente. „Bei der Gestaltung versuchten wir uns an die ehemalige Bücherstube Hübner anzulehnen“, erläutert Ulla Rottmann, eine der drei Inhaberinnen. Helle, großzügige Räume mit dunklem Mobiliar schaffen eine gediegene Atmosphäre. Den Kunden stehen ein Fauteuil und ein grünes Plüschsofa im Stil Louis XVI. zur Verfügung, wo sie in aller Ruhe schmökern können. Das Regal mit der Kriminalliteratur ziert ein selbstgestickter Spruch: „Liegt ein Toter in der Gülle, ist es aus mit der Idylle.“ Spruchzettel der Kunden picken an einer Designerlampe. Belletristik bildet die Hauptsache in der Buchhandlung, obwohl jede Art von Literatur verkauft wird. „Am besten gehen Taschenbücher“, meint Rottmann, „einige Hörbücher haben wir ebenfalls im Sortiment, aber das gedruckte Buch ist immer noch weitaus beliebter.“ Ihre eigene Vorliebe gilt der englischen und amerikanischen Literatur. Sie und ihre beiden Kolleginnen waren vorher Fachkräfte bei Schöningh, Knodt und Hübner. „Von dorther sind uns viele Kunden treu geblieben“, sagt sie. „Schwer ist es, neue Kunden von außerhalb zu gewinnen. Vielleicht liegt es daran, dass die Buchhandlung in einer Nebenstraße liegt.“ Werbung macht dreizehneinhalb mit Lesungen, eigenen Bestsellerlisten und einem ständigen Büchertisch im Foyer des Mainfranken Theaters.

Sie lesen Das gute Buch steht auch für Petra Pohl von der Buchhandlung erLesen in Grombühl im Vordergrund. Die gelernte Kauffrau und Mutter von vier Kindern machte sich vor über zehn Jahren selbständig. Heute hat sie einen treuen Kundenstamm. „Mittlerweile weiß man schon, wer was gerne liest“, sagt sie. „Zu meinen Kunden zählen viele Frauen ab 40, die hochwertige Literatur schätzen. Ebenso gehen Krimis gut.“ Privat liest Petra Pohl alles querbeet, darunter auch Autoren, deren Meinung sie nicht unbedingt teilt: „Nur wer ein möglichst breites Spektrum hat, kann auch seine eigenen Ansichten gut vertreten.“

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Selbstverständlich werden die eigenen literarischen Favoriten an die Kundschaft weiterempfohlen, aber auch umgekehrt Empfehlungen der Kunden in das Sortiment aufgenommen. In der rustikalen Sitzecke serviert Pohl ihren Kunden schon mal einen Cappuccino. Zusätzlich zum Bücherverkauf bietet sie ein kleines Sortiment kunsthandwerklicher Erzeugnisse, bei denen sie auf Qualität und individuelle Gestaltung setzt. Sommerfeste, Bastelabende und Schulklassenbesuche gehören zu den Sonderveranstaltungen. Allerdings bedauert Pohl, dass bei den Lesungen die Leute nur zu bekannten Autoren kommen. Buch KulturGut 05 | Seite

und Kunst gehören für Petra Pohl zusammen. Daher veranstaltet sie Vernissagen mit lokalen Künstlern. Aus Platzgründen stehen die Bilder oben auf den Bücherregalen, doch werden sie dort am ehesten wahrgenommen. Die Anfrage ist groß, denn bis 2012 ist sie mit den Vernissagen ausgebucht. „Bücher im Frauenland“ verkündet das kunstvoll gestaltete Schild am Wittelsbacherplatz. Wie Petra Pohl ist auch Andrea Steenpaß eine Quereinsteigerin. Die diplomierte Pädagogin fand nach ihrem Studium keine geeignete Berufsperspektive und entschloss sich kurzerhand

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zum Neuanfang mit einer Buchhandelslehre. Seit über 22 Jahren besteht nun ihr eigenes Geschäft im Frauenland. Die Uni Würzburg bestellt hier gern ihre Fachbücher, aber die Belletristik bildet die größte Sparte des Sortiments.

Im Papierdschungel Wer den Laden das erste Mal betritt, glaubt in einen Bücherdschungel zu geraten, um dort auf schmalen Pfaden zwischen meterhohen Bücherstapeln durch das Geschäft zu wandeln. Handgeschriebene Zettel an den Regalen verweisen auf die einzelnen Gattungen und die Namen der Autoren. Auswahl und Umfang des vorhandenen Sortiments lassen das Herz eines jeden Bibliophilen höher schlagen. Doch sollte man viel Zeit mitbringen, um hier in aller Ruhe stöbern zu können. „Ich habe keinen Titel zweimal im Geschäft“, sagt Andrea Steenpaß. „Doch wird der Platzmangel manchmal zum Problem, etwa dann, wenn Schulklassen zu Besuch kommen.“ Eigene Veranstaltungen macht sie deshalb nur außerhalb und auf Anfrage, wie vor ein paar Monaten, als sie von Rafik Schami gebeten wurde, einen Büchertisch zu seiner Lesung in Veitshöchheim zu gestalten. Die Kundschaft kommt in erster Linie aus dem eigenen Stadtteil, darunter sind viele Schüler und Studenten.

Der jüngste Neuzugang „Es kommt nicht darauf an, dass Du viele, sondern nur, dass Du gute Bücher hast.“ Dieser Ausspruch des Seneca ist das Motto der Hätzfelder Bücherstube, die Friederike Kühn zusammen mit ihrer Mitarbeiterin Corina Kölln seit 2008 betreibt. Die gelernte Buchhändlerin erfüllte sich damit im wahrsten Sinn des Wortes einen Kindheitstraum. „Ich wollte schon mit acht Jahren einen eigenen Buchhandel haben“, sagt die agile junge Frau, die selber am liebsten Krimis und die Klassiker KulturGut 05 | Seite

liest, aber auch gern in Kinderbüchern schmökert. Die Kinder- und Jugendliteratur nimmt ein breites Spektrum in ihrem 60 Quadratmeter großen Laden ein, wo sie schon bei den ganz jungen Lesern auf qualitätvolle Literatur setzt. Zwei orangefarbige Plastikstühle, Teddybär und Schaukelpferd laden die Kinder zum Verweilen ein. Freundlich ist der Empfang in den hellen Räumen. Die Konkurrenz aus der Würzburger City braucht Friederike Kühn nicht zu fürchten, ganz im Gegenteil: „Die Hätzfelder sind froh, dass eine Buchhandlung in ihrer Nähe ist“, meint sie. Und der Erfolg gibt ihr Recht: „Wir haben ein großes Feedback von unseren Kunden, wenn ihnen ein Buch besonders gut gefallen hat.“ Nebenher gestaltet Kühn Büchertische für Geburtstage und in Kindergärten. Für die Kunden stehen persönliche Buchempfehlungen und regelmäßige Leseabende auf dem Programm. Zusätzlich gab es im vergangenen Oktober eine Fahrt zur Frankfurter Buchmesse, und für die Veranstaltung „Schokolade und Wein“ im Salmannsturm lieferte die Bücherstube die literarische Umrahmung.

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 weitere Informationen: www.kulturgut.wuerzburg.de

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Stadt |

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Bemalte Fassaden

8. April, 15 Uhr, Treff: Dominikanerplatz Die Würzburger Malerin Renate Jung gestaltete seit den 1970er Jahren zahlreiche Fassaden und Wände in der Stadt mit ihren eigenwilligen Figuren. Zu einer Ortsbesichtigung mit der Künstlerin lädt der Frankenbund ein. Begonnen wird im Innenhof des Augustinerklosters, dann geht es über Inneren Graben, Marienplatz und die Brücke bis in die Elstergasse des Mainviertel. | www.frankenbund-wuerzburg.de ++++++++++++++++++++++++

Roma in Würzburg

14. April, 20 Uhr, Mainfranken Theater, Kammerspiele Sinti und Roma leben seit über 600 Jahren in Europa. Aber noch immer ist die Abneigung ihnen gegenüber groß und ihre Ausgrenzung und Stigmatisierung häufig. Einen Dialog bietet dieser Abend an: In Würzburg lebende Roma berichten über ihre Kultur, Geschichte, Religion und Lebensweise. | www.theaterwuerzburg.de ++++++++++++++++++++++++

Würzburger Friedenspreis 8. Mai, Vorschlagsschluss

Die mit 1500 Euro dotierte Auszeichnung geht jährlich an Initiativen oder Einzelpersonen in der Region, die sich „von unten“ besonders für „Frieden, zivile Konfliktbewältigung und Bewahrung der natürlichen Lebensgrundlagen“ einsetzen. Asylhelfer, Rehabilitationsarbeiter und Demokratieförderer gehören zu den bisherigen elf Preisträgern. Vorschläge sollten bis zu diesem Datum eingehen bei Dr. Thomas Schmelter, Oberer Burgweg 1a, 97082 Würzburg, thomasschmelter@web.de.

Termine |

Vom Erinnern zum Bewusstsein

9. bis 11. Mai, Akademie Frankenwarte Hat Erinnerungsarbeit Folgen für den Alltag?, fragt ein dreitägiges Seminar auf dem Nikolausberg. Das sei besonders interessant für Würzburger, die sich beim „Dialog Erinnerungskultur“ engagieren, lädt das Erwachsenenbildungswerk ein. Es geht dabei um die Selbsteinschätzung des eigenen Tuns, um Aktionen für Gedenkstätten, Stolpersteine oder Projekte lokaler Initiativen. Denn viele BürgerInnen engagieren sich, damit die Vergangenheit nicht vergessen wird. Doch hat dies praktische Konsequenzen für die Gegenwart? | www.frankenwarte.de ++++++++++++++++++++++++

Erinnerungsweg

10. Mai, 15 Uhr, Start Rottendorfer-/Martin-Luther-Straße In Kooperation mit einem breiten Bündnis von Würzburger Initiativen gedenken Bürgerinnen und Bürger in einem Erinnerungszug der Deportationen jüdischer Menschen, die von Würzburg aus in den Tod geschickt wurden. Sie folgen dem Weg der dritten Deportation am 25. April 1942 von der Sammelstelle am damaligen Platzschen Garten über den Ring und die Nürnberger Straße bis zur Aumühle, wo die Züge nach Krasniczyn und Izbica warteten. ++++++++++++++++++++++++

Die Würzburger Lügensteine 13. Mai, 16.30 Uhr, Unibibliothek

Johann Beringer ist eine unserer großen historischen Legendenfiguren: Erst viel zu spät bemerkte der Medizinprofessor, dass er einem Schwindel aufgesessen war, als er 1725 angeblich bei EibelKulturGut 05 | Seite

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stadt gefundene Figurensteine als Versteinerungen früherer Lebewesen identifizierte. Da war seine „Lithographia Wirceburgensis“ längst gedruckt und die wissenschaftliche Sensation geriet zur Blamage. Wilhelm Hörner zeigt einige der Steine und erläutert, was es zu den beteiligten Personen und den Hintergründen zu wissen gibt. | www.bibliothek.uni-wuerzburg.de ++++++++++++++++++++++++

Frühling international

22. Mai, 12 bis 18 Uhr, Landesgarten Die internationalen Vereine und deutsch-ausländischen Gesellschaften in der Stadt präsentieren Folklore und Schmankerl aus den teils überseeischen Partnerregionen. Vor allem für Kinder gibt es dabei viel zu staunen. Und falls den Kleinen das bloße Zugucken nicht genügt, findet sich sicher schon hinter der nächsten Wegbiegung eine Gelegenheit zum Mitmachen oder ein Programmpunkt, der extra für den Nachwuchs ausgeheckt wurde. | www.wuerzburg.de ++++++++++++++++++++++++

Das Franziskanerkloster stellt sich vor

7. Juni, 17 Uhr, Franziskanerkloster Zu einem Besuch der 1221 in Würzburg gegründeten Ordensniederlassung lädt der Main-Franken-Kreis in Kooperation mit dem Frankenbund ein. Die Führung macht mit dem Leben und den Aufgaben der Patres bekannt und legt anlässlich des 480. Todestages von Tilman Riemenschneider besonderes Augenmerk auf die von ihm geschaffene Pietà. | www.main-franken-kreis.de ++++++++++++++++++++++++


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Neuer Text im Grafeneckart Was ein Gedenkraum leisten soll von Dr. Hans-Peter Baum / Foto: Gleb Polovnykov

+ Die geplante Neugestaltung des Gedenkraums für die Zerstörung Würzburgs am 16. März 1945 im Grafeneckart beschäftigte eine Ausschuss- und eine Plenumssitzung des Stadtrats. Das zeigt, welch hohen Stellenwert diese Frage für die Würzburger Öffentlichkeit und den Stadtrat hat. Es gab formale und inhaltliche Gründe, die eine Neugestaltung des Raums angeraten erscheinen ließen: Die alten Tafeln waren nach mehreren Jahren stellenweise beschädigt und unansehnlich geworden, so dass Ersatz geboten war. Bei der Neugestaltung sollte die räumliche Wirkung der spätmittelalterlichen Architektur wieder besser zur Geltung kommen, denn die alten, auf ein Gerüst montierten Tafeln hatten das Raumgefüge fast vollständig verdeckt.

Eine Aufgabe und ihre Gründe Es schien sinnvoll, die auf den Tafeln angebotene Textmenge zu verringern, weil die meisten Besucher in geführten Gruppen dorthin kommen, dabei mündliche Erläuterungen hören und kaum die Zeit haben, zusätzlich lange Lesetexte aufzunehmen. Die neuen Tafeln enthalten auch tatsächlich weniger Text als die alten, nicht zuletzt deswegen, KulturGut 05 | Seite

weil auf das Zitieren von Zeitzeugen verzichtet wurde. Andererseits werden mehr Themen angesprochen als früher, so dass das Erstellen von hinreichend genauen Texten ganz erhebliche Probleme bot. Kritik Würzburger Bürger hatte sich dagegen gerichtet, dass die umfangreichste Zeitzeugen-Aussage der alten Tafeln ausgerechnet vom ehemaligen „Zigeunerreferenten“ der Würzburger Polizei in den 1940er Jahren stammte, der u. a. für die reibungslose Durchführung der Deportation der Würzburger Sinti seit 1943 verantwortlich war. Manche Formulierungen der alten Tafeln waren als zu emotionsbeladen empfunden worden, etwa „Der Tod steigt in den Himmel auf“ für den Start des Bombergeschwaders u. ä. Die Zerstörung Würzburgs schien nur unzureichend eingebettet in die größeren Zusammenhänge der Jahre 1933 bis 1945, speziell aber auch der Kriegsjahre. Schließlich fehlte auf den alten Tafeln gänzlich die Eroberung Würzburgs durch die Amerikaner Anfang April 1945, die noch einmal um die tausend Tote forderte; erst danach war der Krieg für Würzburg beendet. Aufgenommen wurde weiterhin eine kurze Darstellung der unmittelbaren Nachkriegszeit mit ihrer extremen Wohnungsnot, die ja v. a. durch die Bombardierung hervorgerufen worden war, mit ihren heute kaum vorstellbaren Lebensumständen. Die Tatsache, dass trotz

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der fast völligen Zerstörung der Innenstadt der 16. März 1945 nicht das Ende der Würzburger Stadtgeschichte war, sondern dass noch im Frühjahr 1945 unter härtesten Bedingungen mit den Aufräumarbeiten begonnen wurde, sollte stärker herausgestellt werden, ebenso die Aussöhnung mit den Kriegsgegnern, die in den Tagen unmittelbar nach Kriegsende kaum vorstellbar war. Unbestritten bleibt bei allem, dass die letztlich sinnlose Zerstörung Würzburgs am 16. März 1945 das schlimmste Ereignis, der schwärzeste Tag in der Würzburger Stadtgeschichte war; dies wird unverändert deutlich gemacht.

Sprache ist nicht alles Die neuen Bild- und Texttafeln stellen – wie zuvor – nur einen Teil der Präsentation im Gedenkraum dar. Im Mittelpunkt steht weiterhin das Modell der zerstörten Würzburger Kernstadt, des sogenannten Bischofshuts, das das Ausmaß der Zerstörung noch plastischer vor Augen führt als die Tafeln; diese sind jedoch für die Illustration der Ereignisse und Abläufe in einem größeren historischen Rahmen unerlässlich. Schließlich werden auch im neu gestalteten Gedenkraum Brandbomben gezeigt, die das Inferno des 16. März 1945 auslösten; den Abschluss bildet ein Nagelkreuz aus dem von der deutschen Luftwaffe im November 1940 fast völlig zerstörten Coventry als Zeichen der Versöhnung zwischen den ehemaligen Kriegsgegnern. Die Folge der Bilder und Texte ist in acht thematisch gegliederte Tafeln aufgeteilt; die neunte Tafel trägt die Bomben und das Nagelkreuz. Die erste Tafel, betitelt „Nationalsozialismus in Würzburg“, zeigt, wie auch die Stadt Würzburg sich praktisch reibungslos in den NS-Staat einfügte, dass es kaum nennenswerten Widerstand gab. Die zweite Tafel „Im Krieg – Sichere Stadt“ beschäftigt sich mit der Frage, warum die Würzburger sich bis fast an das Kriegsende weniger „luftgefährdet“ fühlten als andere Städte. Die dritte Tafel „Krieg aus der Luft“ versucht einige wesentliche Entwicklungen der Luftkriegsführung während des 2. Weltkriegs wiederzugeben. Die vierte Tafel beschreibt den Luftangriff vom 16. März 1945 und seine verheerenden Wirkungen. Die fünfte Tafel, „Das Ergebnis der Bombardierung“, konzentriert sich auf die bildliche Darstellung der Zerstörungen und auf die Frage, warum die Stadt trotzdem wieder an alter Stelle aufgebaut wurde. Es folgen die Tafeln über die Eroberung durch die Amerikaner, die unmittelbaren Nachkriegsjahre und die Aussöhnung mit den Kriegsgegnern. Unsere Hoffnung ist es, dass mit den neuen Texten und Bildern eine sachlich unanfechtbare, zugleich würdige und angemessene Form der städtischen Gedenkkultur gefunden werden konnte.

Theater am Neunerplatz Tel.: 0931- 415 443 www.neunerplatz.de

INFOS: Der Verfasser dieses Beitrags und der künftigen In-

formationstafeln im Gedenkraum, Dr. phil. habil. Hans-Peter Baum, ist Privatdozent im Fach Landesgeschichte sowie Wirtschafts- und Sozialgeschichte des Mittelalters an der Uni Würzburg, war bis 2009 wissenschaftlicher Mitarbeiter am Stadtarchiv Würzburg und Leiter des Jüdischen Dokumentationszentrums, seitdem freier wissenschaftlicher Mitarbeiter beim Stadtarchiv. KulturGut 05 | Seite

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Untypisches Festival, typischer Gründer Zum kleinen Mozartfest-Jubiläum erkunden Musikforscher die Person seines Erfinders Hermann Zilcher von Joachim Fildhaut

+ Ein Jahr lang war Hermann Zilcher Direktor des Staatlichen Musikkonservatoriums, da lud er 1921 zur Würzburger Musik- und Theaterwoche. Die enthielt schon wesentliche Elemente des künftigen Mozartfests. Im Jahr darauf hieß sie dann bereits Mozartwoche. Dabei war der Kult um den heiteren Klassiker seinerzeit nicht ganz so selbstverständlich. Er stand im Gegensatz zur Programmatik des Heroischen, zur Wagner-Nachfolge. Eben für diese Richtung geben auch Kompositionen Hermann Zilchers Musterbeispiele. Trotz seiner Neigung zur großen Ausdrucksmusik der Spätromantik vertrat der Konservatoriumsdirektor auf dem Dirigentenpult mit Mozart aber auch „ein Ideal von Leichtigkeit und Unbeschwertheit“, wie es Prof. Ulrich Konrad umreißt. Der Würzburger Musikwissenschaftler ist stellvertretender Vorsitzender der Hermann-Zilcher-Gesellschaft, die anlässlich von 90 Jahren Mozartfest versucht, die ganze Person des Gründers in den Blick zu bekommen. Die „HZG“ möchte möglichst viele Informationen über ihn sammeln. Der Gesellschafts-Vorsitzende, Prof. Friedhelm Brusniak, arbeitet Tür an Tür mit seinem Stellvertreter im Würzburger Institut für Musikforschung gegenüber der Alten Universität. Die beiden sind sich einig, dass das Leben Hermann Zilchers nicht auf sein Verhalten während der NS-Zeit reduziert werden sollte, wenn sie auch gerade hier ein lohnenswertes Forschungsobjekt sehen – gerade weil er so typisch für seine Zeit war. „Er hat sich in dieses System nahtlos eingepasst“, sieht Konrad „eine ganz typische Musikerkarriere. Wir könnten an ihm manches lernen über dieses Typische. Er war weder Widerstandskämpfer noch extremer Nazi; sondern einer, der sich in der Mitte durchlaviert hat.“

„Zwischen den Zeilen“ Für den Musikpädagogik-Lehrstuhlinhaber Brusniak erinnert das 90jährige Mozartfest „zu Recht wieder an Zilcher“. Ungewöhnlich früh, nämlich schon als 19-Jähriger, erhielt der Frankfurter 1900 den Mozart-Preis seiner Geburtsstadt und damit ein vierjähriges Komponistenstipendium: „Diese Förderung hat sein Leben stark geprägt.“ So sind sich die beiden Forscher sicher, dass Zilcher mit dem Mozartfest einem eigenen Konzept folgte, wenn es heute auch noch weitgehend im Dunkeln liegt, wie die Festivals in den 1930er Jahren genau abliefen. Konrad: „Die werden sicher nicht regimekritisch gewesen sein; das war kein Musikfest in diesen zwölf Jahren.“ Schließlich habe sich das NSDAP-Mitglied Zilcher „mit dem System arrangiert“. Andererseits – 1941...?: Anlässlich von Mozarts 150. Todestag liefen die reichsweiten Aktivitäten auf ein Riesen-Mozartfest in Wien hinaus. Auf der lokalen Würzburger Ebene finden es die beiden Forscher KulturGut 05 | Seite

wichtig zu erfahren, „ob Zilcher versucht hat, auf seinem Konzept zu beharren“, so Brusniak: „Immerhin konnte Zilcher auf eine eigene Tradition zurückblicken, die er sicher nicht aufgeben wollte.“ Deshalb interessiert es ihn, „welche Akzente damals aus welchen Gründen gesetzt wurden“. Daher sollen alle verfügbaren Quellen noch einmal überprüft werden. Und neue aufgetan, etwa aus Städten, in denen Zilcher-Kompositionen aufgeführt wurden. Studierende, Mitglieder und Freunde der „HZG“ arbeiten daran, seit der Nachlass im vergangenen Jahr nach Würzburg kam. Friedhelm Brusniak ist sich der Herausforderung bewusst: „Wir müssen lernen, zwischen den Zeilen noch deutlicher zu lesen, warum welche Formulierungen gewählt wurden, um beispielsweise den Forderungen des Amts zu entsprechen. Diese Arbeit hat erst gerade begonnen.“

Die Kompositionen des Komponisten Ebenfalls Erkenntnis – und nicht allein Kunstgenuss – versprechen sich die Wissenschaftler künftig von der vermehrten Aufführung Zilcherscher Werke. Die bloße Lektüre einer Partitur gibt nämlich nicht alles her – nur wer sie hört, bekomme „eine Vorstellung, was Hermann Zilcher musikalisch wirklich bewegte“, so Brusniak, und sein Kollege pflichtet ihm bei: „Was ein Werk bedeutet, muss man ein-studieren. Und man muss es in der Situation hören, für die es vorgesehen war. Kammermusik gehört in einen anderen Rahmen als eine Sinfonie.“ Für die Realisierung sieht Konrad derzeit durchaus Chancen, herrsche doch eine „Ausgräberstimmung – Künstler können fast nur noch mit Ersteinspielungen von unbekannten Werken Aufmerksamkeit erregen.“ Die Zilcher-Gesellschaft, versichert sein Büronachbar, bekommt mit steigender Tendenz Anfragen aus Deutschland und vor allem aus dem Ausland – nach Partituren, Konzertterminen, Einspielungen. Den Lehrstuhlinhaber für Musikpädagogik und Didaktik der Musik Brusniak interessiert Zilcher besonders als Pädagoge. Ein sehr beliebter Lehrer soll er gewesen sein. Und: Laut seinen berühmten Schülern Norbert Glanzberg und Winfried Zillig ließ er dem Nachwuchs durchaus Freiräume. Brusniak erzählt, wie Komponieren und Lehren bei Zilcher zusammenfallen konnte: „Er hat feinfühlig und ideenreich aufgegriffen und umgesetzt, was viele seiner Zeitgenossen bewegte: So hat er auch im Volkston komponiert und in einer Richtung gearbeitet, die etwa Orff und Hindemith sehr beflügelt hat: an die Kinder und die Jugend zu denken und für sie Musik zu schaffen.“ An den Veranstaltungen, die das Mozartfest in den letzten Jahren vermehrt für die kleinsten Musikfreunde einrichtete, hätte der Gründer also wohl selbst Vergnügen.

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Ein Erbe des Staatskonservatoriums Im Gespräch: Christoph Henzel, Prof. für Historische Musikwissenschaft an der Würzburger Hochschule für Musik Welche Fragen stellt sich die Hermann-Zilcher-Forschung zu Leben und Werk heute insbesondere? Gibt es eine Hermann-Zilcher-Forschung? Mein Interesse richtet sich auf eine bestimmte Epoche seines Lebens, nämlich die Zeit ab 1933. Was brachte Sie dazu? Auf meinem Weg zum Gebäude der Musikhochschule in der Bibrastraße komme ich immer am Stolperstein für Fred Joseph vorbei. Dieser mutige Pfadfinder widersetzte sich dem Regime und wurde deshalb ermordet. Sein Schicksal brachte mich auf die Frage: Was war eigentlich damals am Staatskonservatorium los? Und was haben Sie gefunden? Ich habe nach Literatur gesucht und nur wenig gefunden. Dieses Wenige handelte fast ausschließlich von Hermann Zilcher, wobei kaum etwas über die NS-Zeit darin zu finden war. Außerdem habe ich mich gewundert, dass durchweg ein apologetischer Tonfall angeschlagen wird. Daraufhin habe ich eine ganze Menge an Quellenmaterial studiert und festgestellt, dass dieser Abschnitt in seinem Leben bisher nur lückenhaft, teilweise auch verzerrt dargestellt wird. Welche Quellen standen Ihnen zur Verfügung? Hauptsächlich handelt es sich um die Personalakten im Münchner Hauptstaatsarchiv, Unterlagen der Spruchkammern, Gestapo- und Polizeiakten, Material im Stadtarchiv Würzburg sowie Bestände des Zilcher-Archivs. Welcher Widerspruch ergab sich zu den bisherigen Veröffentlichungen? In den Mainfränkischen Jahrbüchern von 1997 findet man einen längeren Aufsatz zu meinem Thema, der in der nachfolgenden journalistischen und wissenschaftlichen Literatur ausgiebig verwendet wurde. KulturGut 05 | Seite

Der Autor neigt dazu, Zilcher zum Opfer des Regimes zu stilisieren: So soll etwa die Postüberwachung durch die Gestapo 1936 bis 1938 eine Folge seines Kontakts zu Regimegegnern gewesen sein. In Wirklichkeit wollte die Gestapo Informationen über den Münchener Christlichen Wissenschaftler und ‚Gesundbeter‘ Eugen Vinnai gewinnen, der in engem Kontakt mit Zilchers Frau stand. Zilcher hat Vinnai aus familiären Gründen 1940 bei der Gestapo wegen „unheilvollen Einflusses“ angezeigt. Im Übrigen schreibt der Autor des Aufsatzes ganz aus der Perspektive des Rechtsanwalts von Zilcher, der 1948 die Einstellung des ausstehenden Entnazifizierungsverfahrens seines verstorbenen Mandanten beantragte, um die Rechte der Witwe an der Pension zu sichern. Er hat gar nicht gefragt: Stimmt denn die Argumentation, die dieses Vorhaben stützen sollte? Ist z. B. das „Gebet der Jugend“, 1935 uraufgeführt, wirklich nur ein Stück Musik oder nicht doch eine nationalsozialistische Komposition? Die gleiche Frage muss man bei den Aussagen in den Spruchkammerverfahren der anderen Professoren stellen. Da, wo wir das Material haben, die Aussagen zu überprüfen, kommt man manchmal zu erstaunlichen Ergebnissen. Können Sie die zusammenfassen? Vieles wurde geschönt. Alle standen natürlich in innerer, wenn nicht sogar in äußerer Distanz zum Regime: Man ging nicht zu Parteiversammlungen, äußerte sich mal kritisch zu seinen Schülern, machte Witze und behandelte Juden gut. Man war ja eigentlich völlig unpolitisch, hat sich nur um die Kunst gekümmert. Man hat nur unter Druck mitgemacht – und so weiter. Dabei gehörte ein Entschluss dazu, in die NSDAP und eine ihrer Organisationen einzutreten. Natürlich kann es sein, dass Druck ausgeübt wurde, aber wenn es zum Beispiel heißt, ohne den Parteieintritt der Professoren wäre das Staatskonservatorium geschlossen worden, dann ist das Unsinn. Das gilt auch für die Behauptung, dass man entlassen worden wäre, hätte man sich verweigert. Vielleicht hätte die Weigerung Folgen für die Karriere als Musiker

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gehabt, aber niemand hat es darauf ankommen lassen. In Würzburg zeigt sich in der Gesamtschau der Zeugnisse die klare Bereitschaft, auf das Regime zuzugehen und das Beste für sich selbst und das Staatskonservatorium herauszuholen, teilweise geschah dies wenigstens anfangs auch aus Überzeugung. Damals gab es ja den Plan, das Konservatorium zur Musikhochschule aufzuwerten, Würzburg zur Musikstadt, ja überhaupt die Gauhauptstadt zu einer regionalen Kulturmetropole zu machen. In diesem Zusammenhang ist wohl der weitgehend geschlossene Beitritt der Professoren in die NSDAP zu sehen. Sind Ihre Forschungen damit abgeschlossen? Nein, überhaupt nicht. Was ich bisher skizziert habe, ist nur eine grobe Charakterisierung. Das muss man im Hinblick auf jeden Einzelfall differenzieren, und dazu suche ich weiterhin Material. Über die Studienprofessoren neben Zilcher ist ja praktisch nichts bekannt. Und ich schaue, inwieweit das kulturelle Geschehen in der Presse reflektiert wurde. Das war zwar eine gelenkte Presse, aber auf der Faktenebene gibt es manche Informationen dort – und nur dort. Zum Beispiel wurde nach dem Krieg behauptet, dass Zilcher nach einer Auseinandersetzung mit Oberbürgermeister Memmel die Leitung der Mozartfestspiele entzogen worden wäre. Stimmt gar nicht. In der Zeitung steht, dass er noch beim letzten Mozartfest 1944 die künstlerische Leitung innehatte. Im Übrigen sind die Zusammenhänge mit der lokalen und regionalen Kulturpolitik noch genauer zu erforschen. Würden Sie aus dieser Kenntnis praktische Konsequenzen für den Umgang mit Zilcher vorschlagen? Sie meinen: Soll man Zilcher aufführen? Da kann man Parallelfälle anführen: Richard Strauss als Präsident der Reichsmusikkammer hat auf einer höheren Ebene am Anfang auch kooperiert – und wird nach wie vor aufgeführt, genauso wie der große Antisemit Richard Wagner. Es ist nicht meine Aufgabe, hier etwas vorzuschlagen. Das muss sich jeKulturGut 05 | Seite

der Künstler, Kulturpolitiker und Programmmacher selbst überlegen. Die Frage steht in Würzburg im Zusammenhang mit dem Thema der Gedenkkultur: Wie gehe ich mit dem Erbe um? Da passiert ja derzeit eine ganze Menge im Dialog Würzburger Erinnerungskultur. Da wird vieles durchdacht, was sich seit Jahrzehnten eingeschliffen hat. Als Zugezogenen erstaunt mich, dass man sich jetzt erst damit beschäftigt. Haben Sie eine Erklärung dafür? Das Folgende möchte ich ganz subjektiv und persönlich verstanden wissen, damit es nicht wie die Arroganz eines ehemaligen Großstädters wirkt: Ich habe den Eindruck, dass man in Würzburg sehr dankbar für jeden Heroen ist, für jeden Namen, den man in der Geschichte findet, und das kann dazu führen, dass man ihn auf ein Podest setzt und sich mit einem differenzierteren Bild mit Licht- und Schattenseiten schwertut. Wie können Sie Ihre Forschungsergebnisse in die laufende Diskussion einbringen? Einmal bin ich am Dialog Würzburger Erinnerungskultur beteiligt. Zum 100-jährigen Jubiläum des Tonkünstlerverbands Würzburg wird im Herbst eine Festschrift mit zwei Beiträgen von mir über diese Zeit erscheinen, und umfassender werden alle diese Aspekte in einem größeren Buchprojekt zur Geschichte des Staatskonservatoriums 1930 bis 1950 behandelt werden. Lohnt sich die künstlerische Auseinandersetzung mit Zilcher? Sicher, auch wenn man mit einem großen Gefälle konfrontiert wird und es Problematisches wie z.B. das „Gebet der Jugend“ gibt. Meine Aufgabe sehe ich aber darin, die Kontexte der Werke zu beleuchten.

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Wissenschaft |

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Faszination Universum

ab 8. April, Deutschordensmuseum, Bad Mergentheim Atemberaubende Bilder von Planeten, Sternen und Galaxien zeigt und erklärt die Sonderausstellung. Zu den 30 Großfotos, meist durch das Hubble-Weltraumteleskop entstanden, kommen per Monitor Filme und Bilder, die bei Forschungsmissionen aufgenommen wurden. Der Tübinger Astronom und Astrophysiker Hanns Ruder und die Astronomische Vereinigung Weikersheim wollen so Kindern und Erwachsenen die Faszination vermitteln, die sie selbst zur Beschäftigung mit dem Kosmos verführte. | www.deutschordensmuseum.de ++++++++++++++++++++++++

Athen mit den Augen von Menander und Aristophanes 10. April bis 26. Juni, Martin von Wagner-Museum

Tagespolitik und Alltagsleben Athens im fünften und vierten vorchristlichen Jahrhundert beleuchten zwei antike Komödien, die das Mainfranken Theater im April in den Spielplan nimmt: das Schauspiel „Die Vögel“ von Aristophanes (in einer Neuübertragung von Ulrich Sinn) und die Ballettproduktion „Dyskolos / Der Menschenfeind“ nach Menander. Die Ausstellung in der Antikenabteilung des Unimuseums erläutert die mentalitätsgeschichtlichen Hintergründe mit ihren erstaunlichen Parallelen zur Gegenwart. | www.museum.uni-wuerzburg.de ++++++++++++++++++++++++

Termine |

Kunsthistoriker, Literatur- und Kulturwissenschaftler in der Katholischen Akademie Domschule. Den Eröffnungsvortrag am Freitagabend, der auch unabhängig von der Tagung besucht werden kann, hält der Gießener Kultursoziologe York Kautt. Er fragt, wie der nackte Körper in den heutigen Massenmedien inszeniert wird und was dies über Normen und kulturelle Bedingungen der Gegenwartsgesellschaft aussagt. | www.domschule-wuerzburg.de

sität. Bischof Friedhelm Hofmann eröffnet die Veranstaltung am Vorabend des kleinen, aber bedeutenden Kongresses mit seinem Vortrag über Theologie und Ästhetik. | www.studientage.augustinus.de

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Mit Unterstützung der Deutschen Gesellschaft für Volkskunde haben Würzburger Studierende die diesjährige dgv-Tagung für Kommilitonen aus dem ganzen deutschen Sprachraum organisiert. Zum Kennenlernen, zu fachlichem und persönlichem Austausch, zur Vernetzung und Zusammenarbeit über die Grenzen der Institute hinaus. Das Thema „Geh raus“ soll dabei auch ganz konkret verstanden werden. Gegenstand aktiver Feldforschungen wird deshalb das an diesem Wochenende stattfindende Umsonst&Draußen-Festival sein – als Beispiel für urbane Versionen des derzeit boomenden Outdoor-Trends in der Ausgeh- und Freizeit-Kultur. Das Fest wird live erforscht. | www.wuerzburg2011.wordpress.com

Topographie von Auschwitz 9. Mai, 20 Uhr, Stadtbücherei im Falkenhaus

Der israelische Historiker Gideon Greif hat seit 1991 das Museum des Konzentrationslagers AuschwitzBirkenau beraten, an der International School for Holocaust Studies Yad Vashem Fortbildungsseminare für Pädagogen und Museumsmitarbeiter entwickelt und ist seit 1999 auch im Beirat der Auschwitz Jewish Center Foundation in New York City/Oswiecim. Gemeinsam mit dem Kölner Peter Siebers hat er das Konzentrationslager erstmalig komplett visuell rekonstruiert. Persönliche Testamente der Opfer, ergänzt um ausgewertete Quellen, dokumentieren, was wirklich geschah. Die Autoren stellen in der Lesung ihr Buchprojekt vor. | www.frankenwarte.de | www.stadtbuecherei-wuerzburg.de ++++++++++++++++++++++++

Redi ad pulchrum

Nackte Medien

16. Juni, 19.30 Uhr, Residenz, Toscanasaal

„Weniger ist mehr“ – Mit dem Thema der Nacktheit in Kunst und Literatur beschäftigen sich am Samstag

Das Schöne in Theologie, Philosophie und Musik ist Thema des neunten Würzburger Studientags des Zentrums für Augustinus-Forschung an der Univer-

8. April, 19.30 Uhr, St. Burkardus-Haus

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Geh raus

23. bis 26. Juni, Universität Würzburg

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Achat – ein Kunstwerk der Natur bis 26. Juni, Mineralogisches Museum der Universität

Die ganze Vielfalt der Achate zeigt die Sonderausstellung am Hubland. Der Schwerpunkt der Schau liegt bei den heimischen Vorkommen. So hat der Sammler Karl Schneider eine Auswahl seiner schönsten mainfränkischen Funde als Leihgaben zur Verfügung gestellt. | www.mineralogisches-museum.uni-wuerzburg.de


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Interkultur |

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Termine |

Philipp Franz von Siebold und Konflikttransformation die Wiederöffnung Japans und Mystik 4. April bis 8. Mai, Sparkasse Mainfranken, Hofstraße

Der preußisch-japanische Freundschaftsvertrag vom Januar 1861 gilt als offizieller Beginn der deutsch-japanischen Beziehungen. Vorbereitet wurde er durch Männer wie Philipp Franz von Siebold, der sich als Arzt und wissenschaftlicher Entdecker des Landes das Vertrauen und den Respekt der Japaner erwarb. Aus Anlass des Jubiläums zeigt die Siebold-Gesellschaft Dokumente zu seiner politischen Tätigkeit und zur Ostasienexpedition des preußischen Diplomaten zu Eulenburg, die den Vertragsabschluss anbahnte. Die botanische Seite von Siebolds Wirken beleuchtet noch bis 30. April im Siebold-Museum die Wanderschau „Siebolds Blumengarten“ mit Zeichnungen und Proben der von ihm heimgebrachten Pflanzen. | www.bgw.uni-wuerzburg.de | www.wuerzburg.de/siebold-museum / ++++++++++++++++++++++++

Fünfzig Quadratmeter

29. April, 19 Uhr, BBK-Galerie im Kulturspeicher Bat People, Fledermausleute, heißen die Slumbewohner Manilas, weil sie ihre Verschläge sogar unter Straßenbrücken aufhängen. Nun hat ihnen die Regierung ein Siedlungsareal zugewiesen. 50 Quadratmeter groß sind die Grundstücke, die sie dort für ein menschenwürdiges Leben erwerben können. Nur: wie sollen sie das bezahlen? Die Künstlerin Gerda Enk will mit Texten und Bildern den Blick freigeben auf diese so völlig andere Welt. Die Ausstellung, die bis 22. Mai zu sehen ist, eröffnen Enk und Clara Oppel mit der Musikperformance „Manila Trigger“. | www.bbk-unterfranken.de | www.batpeople.de

29. April bis 1. Mai, Congress Centrum Mit der Frage, wie mystische Praxis die Wandlung von scheinbar unlösbaren Konflikten fördern kann, beschäftigt sich die Tagung in Großgruppenprozessen und Workshops. Als Referenten gewann das Institut für Systemaufstellungen u. a. die spirituellen Lehrer A. H. Almaas und Willigis Jäger. | www.konflikt-mystik.de ++++++++++++++++++++++++

Das Fayum in Hellenismus und Kaiserzeit 4. bis 7. Mai, Kloster Bronnbach

Rund um die ägyptische Oasenstadt Fayum siedelten Makedonen, Perser, Juden oder Kleinasiaten – heutigen Wissenschaftlern eine gute Gelegenheit, die Entwicklung einer multikulturellen Gesellschaft über mehrere Jahrhunderte zu verfolgen. Altertumswissenschaftler aus acht Ländern geben bei dieser Tagung Einblick in die neuesten Forschungsergebnisse und versprechen eine intensive Auseinandersetzung über Fächergrenzen hinweg. Konferenzgäste sind willkommen, werden aber um Anmeldung gebeten. | www.aegyptologie.uni-wuerzburg.de ++++++++++++++++++++++++

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Internationales Musik-Festival

11. bis 15. Mai, diverse Orte Ein Gospelchor aus Boston, ein Männerchor aus St. Petersburg, das Trio Ir Shalem aus Israel und andere Gäste gestalten mit Würzburger Schülern fünf Konzerte. Ihre Gemeinsamkeit erklärt die Initiatorin dieses neuen Festivals, Tatjana Masurova vom Verein „Cantate“, folgendermaßen: „Alle Teilnehmer kommen aus Ländern, die in jüngster Geschichte kriegerische Konflikte ausgetragen haben.“ Musiziert wird im jüdischen Gemeindezentrum Shalom Europa an der Valentin-Becker-Straße, in der Gethsemanekirche am Heuchelhof und in St. Johannis, in der Musikhochschule und an der Waldorfschule im Stadtteil Keesburg. | www.cantate-ev.de ++++++++++++++++++++++++

Tschechische Woche

22. bis 29. Mai, diverse Orte

1. GSiK-Tag

6. Mai, 12 bis 20 Uhr, Neue Universität An der Uni werden viele Kurse gegeben, die Studierende in interkultureller Kommunikation trainieren. Zu einem Kennlerntag mit Workshops, Diskussionen und einem Vortrag lädt das fakultätsübergreifende Projekt „Globale Systeme und interkulturelle Kompetenz“ Interessierte aus Universität, Wirtschaft, Wissenschaft, Bildung und Verwaltung ein. Den TaKulturGut 05 | Seite

gungsvortrag hält Heiner Bielefeldt, UN-Sonderberichterstatter für Religionsfreiheit. Informationen und die Möglichkeit zur Anmeldung finden Interessierte auf der Website des GSiK-Initiators: | www.jura.uni-wuerzburg.de

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Vorwiegend junge Gäste aus Würzburgs Partnerstadt Trutnov gestalten in dieser Woche viele Kulturereignisse mit. Offiziell wird es am 27. Mai um 11 Uhr, wenn Oberbürgermeister Georg Rosenthal mit seinem tschechischen Kollegen Adamec im Rathaus-Foyer die Ausstellung „Das Ende als Beginn“ eröffnet. SchülerInnen zeigen hier, was ihre Spurensuche zur Lebenssituation von Sudetendeutschen und Tschechen in beiden Städten nach 1945 ergab.


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„Modern, urban und international konkurrenzfähig“ soll die Schwarze Musik sei

Singen in Zungen Politik und Atmo auf dem Africa Festival: 2. bis 5. Juni auf den Mainwiesen von Joachim Fildhaut / Fotos: Niculai Constantinescu & Lisa Roze

+ Pfingsten ist für ein internationales Musikfest kein übler Termin, kann der Konzertfreund den arbeitsfreien Montag doch gleich mitnehmen. Dem Würzburger Africa Festival liegt der christliche Feiertag auch inhaltlich nahe. Denn so wie das apostolische „Reden in Zungen“ am biblischen Pfingsttag die Trennung verschiedener Sprachräume überwand, so heute die Musik. Die Flammen über den Häuptern der Jünger fänden, so gesehen, ihre Fortsetzung in der Lichtanlage des Konzertzelts. Alternativ bespielt das veranstaltende Afro Project auch einen der christlichen Frühlings-Feiertage gern mit. Dazu dient heuer wieder KulturGut 05 | Seite

einmal Christi Himmelfahrt. Der Donnerstag macht den Freitag zum Brückentag, und so gewinnt man Zeit zum Feiern. Denn das ist die Bedingung für das Groß-Event: Der Aufbau all der Anlagen in den Mainwiesen lohnt sich nur, wenn er vier Tage lang benutzt wird.

Schuld war auch der Bossa Nova Kommunikationswunder und interkontinentale Verständigung – so glatt der Vergleich aufgehen mag, so sehr erstaunt es, dass das Africa Festival selbst jahrzehntelang missverstanden wurde. Schuld dar-

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Brainfood und Superstimmung Bislang schien es oft, als ließe das Afro Project diese Kritik einfach von sich abprallen. Dennoch gingen die Projektanten auf die Einwände ein. Nicht jedoch, indem sie ihr Festival vom Rap- und Reggae-Event zu einer Pflegestation musikalischen Brauchtums gemacht hätten. Die Verständigung mit der Position der Kritiker vollzog sich bei den Hintergrundaktivitäten, auf außermusikalischem Gelände, in Afrika selbst. So steigerte der Afro Project e. V. seine Verbundenheit mit einzelnen afrikanischen Regionen durch Entwicklungs-Hilfen, die sich mehr und mehr mit den Organisationen vor Ort vernetzten und der Bevölkerung immer sinnvollere Unterstützung zukommen lassen konnten. Somit gewann das Würzburger Engagement eine Bodenhaftung, wie sie auf musikalischer Ebene vielleicht von der vielmals eingeforderten Volksmusik repräsentiert würde. Der gleiche Trend lässt sich auch am Main selbst beobachten, wiederum abseits der Konzerte mit den Weltstars afrikanisch geprägter moderner Musik. Das Rahmenprogramm des Africa Festivals brachte im vergangenen Jahr gleich an drei aufeinander folgenden Tagen Podiumsdiskussionen, die sich mit der sozialen und politischen Wirklichkeit im Süden des Kontinents befassten. Angesichts der hochkarätig besetzten heißen Stühle und der brisanten Themenauswahl können wirklich nur böse oder gänzlich unerleuchtete Zungen behaupten, diese Diskussionen seien Feigenblätter zur Bemäntelung einer Kommerzveranstaltung. Sie sind ein Herzstück des Festivals, sind es schon seit einigen Jahren. Und dazu spielt die Musik.

usik sein, die die vier-, fünfköpfige Programmgruppe auswählt. In diesem Fall Jaqee und David Walters.

INFO: Eine Frage der Sicherheit An den Festivaltagen mobilisiert das rund zwölfköpfige „Große Team“ des Afro Projects an die 300 Mitarbeiter plus Fremdfirmen für Zeltbau, Restauration und Basar. Die sichtbare Präsenz von Security-Leuten ist für Project-Sprecher Christian Raith „ein wichtiges Signal: Es kümmert sich jemand um Ordnung.“ Der hauptberufliche Gymnasiallehrer beobachtet: „Wenn es heiß und sehr voll auf dem Gelände ist, reagieren die Menschen dünnhäutiger. Bei uns geht es trotzdem entspannt und offen zu. Es gab keine Gewalt – nie!“ Andere Festivals mit über 100.000 Besuchern klagen hingegen darüber, dass sich die Sicherheitsleute dort nicht einmal selbst auf den Campingplatz wagen. An der freundlichen Stimmung auf den Mainwiesen liest Raith ab, dass die Grundidee des Festivals aufgeht: „Wir wollen die Leute über Musik miteinander in Kontakt bringen. Und Musik erreicht sie umfassender als auf der bloßen Verstandesebene.“ Programm und Informationen | www.africafestival.org

an war nicht nur, aber auch der Bossa Nova! Immer wieder, wenn in den letzten Jahren auch mit nachlassender Energie, hielten Würzburger Afrika-Freunde den Festausrichtern vor, ihr Programm sei wenig repräsentativ für die Musikkultur, die auf dem Schwarzen Kontinent zu hören sei: Denn Straßenumzüge mit Samba-Truppen gehörten doch wohl eher nach Brasilien als nach Brazzaville. Diesem Einwand halten die Veranstalter geduldig entgegen, dass ihre Künstlerauswahl sich nicht danach richtet, ob der Pass eines Menschen in Afrika ausgestellt wurde oder anderswo. Vielmehr ging und geht es ihnen darum, den Weg der Schwarzen Musik um die Welt, und das heißt auch und gerade auf den Spuren des Sklavenhandels zu verfolgen. Die Macher – hauptsächlich ein Dutzend ehrenamtlicher Musikfreunde – handelten sich damit allerdings gleich die nächste Disharmonie ein, setzten sie mit ihrer globalen Ausrichtung doch den Begriff Weltmusik auf die Tagesordnung. Und der bedeutet für manchen Hörer dasselbe wie Folklore. Also gab’s gleich wieder vielerlei am Klanggeschehen auf den Talaveraauen herumzumäkeln. Schließlich hatte das Afro Project es seit je versäumt, von der Zivilisation weitgehend unbeleckte Musiker in Savannendörfern zu entdecken oder die berühmten Pygmäenchöre einzufliegen. Kurzum, ein Popfestival wurde dafür kritisiert, dass es keine Folkveranstaltung sei. KulturGut 05 | Seite

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Wer war Henny? Die Namensstifterin des Johanna-Stahl-Zentrums für jüdische Geschichte und Kultur in Unterfranken von Christine Weisner / Foto: Staatsarchiv Würzburg

+ 1987 wurde es gegründet, das Dokumentationszentrum für Geschichte und Kultur der Juden in Unterfranken. Es liegt im jüdischen Gemeindezentrum Shalom Europa an der Valentin-Becker-Straße, unweit des Museums der jüdischen Gemeinde. Künftig heißt es Johanna-Stahl-Zentrum für jüdische Geschichte und Kultur in Unterfranken. Es präsentiert eine Dauerausstellung zur Geschichte der Juden in Unterfranken, verfügt über eine Fachbibliothek und mehrere Sammlungen. Es berät Einzelpersonen und Initiativen, die sich mit der jüdischen Geschichte beschäftigen, und ist selbst an vielen derartigen Initiativen beteiligt. Dr. Rotraud Ries, die Leiterin und zurzeit einzige Mitarbeiterin des Zentrums, legt großen Wert darauf, dass von hier aus auch neue Impulse an die Forschung ausgehen. Ein wichtiges Anliegen ist beispielsweise die noch ausstehende Dokumentation der Grabsteine auf den zahlreichen jüdischen Friedhöfen in Unterfranken, die akut vom Verfall bedroht sind. Träger des Zentrums sind der Bezirk Unterfranken und die Stadt Würzburg, die die Einrichtung in Zusammenarbeit mit der jüdischen Gemeinde betreiben. Ein Grund für die Umbenennung waren Kurzfassungen des alten Namens, mit denen man nicht so recht glücklich war. Einen weiteren Anstoß gab die Namensähnlichkeit mit Einrichtungen wie dem Nürnberger Dokumentationszentrum Reichsparteitagsgelände. Anders als die Würzburger Einrichtung beschäftigen sich viele der Dokumentationszentren ausschließlich mit der NS-Zeit, was immer wieder zu Missverständnissen führte. Im Vorfeld der Namensfindung hatte Dr. Ries zwei mögliche Namensgeberinnen vorgeschlagen: Die Dichterin Marianne Rein und die Journalistin Dr. Johanna Stahl, für die sich der Beirat des Zentrums dann entschied.

Progressive Bildungschancen Johanna Stahl, die zu den ersten akademisch gebildeten Frauen gehörte, ist in Würzburg keine Unbekannte. Sie war in der jüdischen Gemeinde aktiv und engagierte sich in Politik und Gesellschaft für ein demokratisches und soziales Gemeinwesen. Im Industrie- und Gewerbegebiet Heuchelhof-Rottenbauer trägt eine Straße ihren Namen und in der Konradstraße 9 wurde zur Erinnerung an sie ein Stolperstein KulturGut 05 | Seite

verlegt, für den Rosa Grimm, die Geschäftsführerin der Gesellschaft für christlich-jüdische Zusammenarbeit in Würzburg und Unterfranken, die Patenschaft übernahm. Johanna Stahl wurde am 16. März 1895 geboren. Sie entstammte dem jüdischen Bürgertum. Ihr Vater war Strumpfwarenfabrikant und besaß zudem eine Kurz- und Strumpfwarenhandlung. Indes, öffentliche Gymnasien für Mädchen gab es damals in Würzburg nicht, die Schulen der Ursulinen und der Englischen Fräulein waren katholische Einrichtungen. So kam für Henny Stahl als weiterführende Schule nur die Sophienschule in Frage, welche liberale, protestantische und jüdische Eltern im Jahr 1900 für ihre Töchter gegründet hatten. Sie besuchte die Schule in der Sieboldstraße bis zu ihrem Abitur 1914. Danach ging sie nach Frankfurt, um dort Volkswirtschaft zu studieren.

Ein politischer Versuch Sie hatte sich damit für eine der modernsten und dynamischsten Universitäten der damaligen Zeit entschieden. Die 1914 gegründete Uni war Deutschlands erste Stiftungsuniversität. Sie wurde durch Zuwendungen aus dem Bürgertum, nicht zuletzt auch aus dem jüdischen Bürgertum finanziert. Hier wurde Deutschlands erste Wirtschafts- und Sozialwissenschaftliche Fakultät eingerichtet (und 1924 das bekannte Institut für Sozialforschung gegründet). Johanna Stahl promovierte hier Mitte der 1920er Jahre mit einer Doktorarbeit über Möbelabzahlungsgeschäfte, die von der Themenstellung her soziale und wirtschaftliche Fragen verband. Zwischen ihrem Abitur und der Promotion liegen rund zehn Jahre, so dass es gut möglich ist, dass sie vor ihrem Abschluss in Frankfurt eine zeitlang berufstätig war. Ende der 1920er Jahre war sie wieder in Würzburg und trat hier mit Vorträgen zu frauen- und sozialpolitischen Themen in Erscheinung. Sie arbeitete als Journalistin, unter anderem für die renommierte Frankfurter Zeitung, und sie engagierte sich in der jüdischen Gemeinde dafür, dass Frauen in Gemeindeämter gewählt werden durften. In der Politik, wo es das Frauenwahlrecht seit der Revolution 1918 gab, wurde Johanna Stahl 1929 aktiv. Sie kandidierte, allerdings er-

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folglos, auf der Liste der Deutschen Demokratischen Partei (DDP) für den Würzburger Stadtrat. Die linksliberale DDP, der auch der langjährige Würzburger Bürgermeister Hans Löffler angehörte, trat als eine der wenigen Parteien entschieden für die demokratische Weimarer Verfassung ein. Als 1933 nach der Machtübernahme durch die Nationalsozialisten die Entrechtung der Juden begann, reagierte die jüdische Gemeinde sofort mit dem Ausbau ihrer Selbsthilfeaktivitäten. Eine wichtige Rolle spielt dabei die Arbeitsgemeinschaft für Beratung und Wirtschaftshilfe, bei der Johanna Stahl seit 1934 arbeitete. In dem Büro in der Domerschulstraße 19 beriet sie Menschen, die von Boykottaktionen und Berufsverboten betroffen waren, und stand Auswanderungswilligen mit rechtlichen und beruflichen Informationen zur Seite. Zudem hielt sie Kontakt zu in- und ausländischen Organisationen, die bei ihrer Arbeit behilflich sein konnten.

in der Domerschulstraße wurden zweckentfremdet. Die Juden mussten ihre Wohnungen verlassen und wurden in den verbliebenen Gebäuden der Gemeinde oder in sogenannten Judenwohnungen zusammenpfercht. Die Deportationen begannen. Im Februar 1943 kam Gertrud Luckner nach Würzburg. Die mutige Katholikin trat für die verfolgten Juden ein und unterstützte sie mit Geld und Sachmitteln wie beispielsweise Lebensmittelmarken. Als Luckner, geleitet von zwei Kirchenmitarbeiterinnen, ihren Weg durch Würzburg nahm, war ihr die Gestapo bereits auf den Fersen. Im Observationsbericht ist jeder ihrer Schritte festgehalten. Verzeichnet ist auch ein längerer Aufenthalt in der jüdischen Geschäftsstelle, wo Johanna Stahl arbeitete. Luckner wurde direkt nach ihrer Abreise aus Würzburg verhaftet. Die Verhaftung von Iwan Schwab und Johanna Stahl, den letzten beiden Repräsentanten der jüdischen Gemeinde, erfolgte eine Woche später. Die Zeit bis zu ihrer Deportation am 17. Juni 1943 mussten beide in Gestapohaft verbringen. In diesem letzten Deportationszug befanden sich auch Johanna Stahls Geschwister Jenny und Eugen. Bei der Ankunft in Auschwitz wurden die Verschleppten gar nicht erst registriert, so dass davon auszugehen ist, dass man sie sofort in die Gaskammern schickte.

Letzte Repräsentantin der jüdischen Gemeinde

INFO: Der Festakt Die öffentliche Umbenennung des Johanna-StahlZentrums für jüdische Geschichte und Kultur in Unterfranken beginnt am 10. April um 19 Uhr im David-Schuster-Saal des Hauses Shalom Europa in der Valentin-Becker-Str. 11. Nach der Unterzeichnung der öffentlich-rechtlichen Vereinbarung zwischen der Stadt Würzburg, dem Bezirk Unterfranken und der Israelitischen Gemeinde über das Zentrum hält Leiterin Dr. Rotraud Ries den Vortrag: Stark und unsichtbar? Jüdische Frauen von Channa bis zu Johanna Stahl. Ausklang wird bei einem Glas Wein gefeiert.

Im Jahr 1938 hätte sie selbst die Möglichkeit gehabt, Deutschland zu verlassen. Eine Reise nach Paris, wo ihr Bruder Leo als Zeitungskorrespondent arbeitete, war bereits genehmigt. Sie aber blieb. Möglicherweise deshalb, weil sie ihre kranke Mutter und die beiden Geschwister Jenny und Eugen nicht in Nazi-Deutschland zurücklassen wollte. Mit Kriegsbeginn zog sich der Ring um die Juden immer enger. Henny Stahl musste sich jetzt jede Bahnfahrt zu einem Beratungsgespräch in der Umgebung einzeln von der Gestapo genehmigen lassen. Gemeindeeinrichtungen wie die bei dem Pogrom 1938 verwüstete Synagoge KulturGut 05 | Seite

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Impressum |

Herausgeber und V.i.S.d.P.: MorgenWelt Würzburg GmbH Gerberstraße 7, 97070 Würzburg Telefon 09 31 32 999 0 und Kulturreferat der Stadt Würzburg Rückermainstraße 2 97070 Würzburg Redaktionsadresse MorgenWelt Würzburg GmbH: KulturGut Gerberstraße 7, 97070 Würzburg Telefon (09 31) 32 999 0 Anzeigen: MorgenWelt Würzburg GmbH, Gerberstraße 7, 97070 Würzburg Stefan Luz, Telefon (0931) 32999 11 Matthias Meyer, Telefon (0931) 32999 14 Angela Hofmann, Telefon (0931) 32999 13

Internet: www.kulturgut-wuerzburg.de Chefredaktion: Iris Wrede C. v. D.: Joachim Fildhaut

Druck: Schleunungdruck GmbH, Marktheidenfeld Auflage: 10.000 Exemplare ISSN 2191-9666

Mitarbeiter: Thomas Williams, Johannes Engels, Christine Weisner, Daniel Staffen-Quandt, Susanne Hoffmann, Gabriele Polster, Christian Neubert, Prof. Dr. Damian Dombrowski, Dr. Hans Steidle, Marcus Thume, Krystyna Kuhn, Dr. Hans-Peter Baum

Sonstiges: Alle Veranstaltungsangaben ohne Gewähr. Veranstalter, die Fotos an den Verlag senden, haben eventuelle Honorarkosten zu tragen. Urheberrechte für Anzeigenentwürfe, Vorlagen, redaktionelle Beiträge sowie für die gesamte Gestaltung bleiben beim Herausgeber. Der Nachdruck von Fotos, Zeichnungen, Artikeln und Anzeigen, auch auszugsweise, bedarf der ausdrücklichen Zustimmung des Herausgebers. Für unaufgefordert eingesandte Manuskripte/Leserbriefe und Fotos kann keine Haftung übernommen werden. Bearbeitung und Abdruck behalten sich Verlag und Redaktion vor. Namentlich gekennzeichnete Beiträge geben nicht unbedingt die Meinung des Verlags und der Redaktion wieder.

Redaktionsbeirat: Anja Flicker, Muchtar Al Ghusain, Hans-Georg Mennig, Dr. Rotraud Ries, Hermann Schneider, Dr. Gunther Schunk, Prof. Ulrich Sinn Fotos: Gleb Polovnykov, Falk von Traubenberg, Gabriela Knoch, Iris Wrede, Bildarchiv der Stadt Würzburg, KulturGut Bildarchiv, Veranstalter, Titelfoto: Gleb Polovnykov Art Direktion Melanie Probst, MorgenWelt Würzburg GmbH Produktion & Distribution: MorgenWelt Würzburg GmbH, Gerberstraße 7, 97070 Würzburg

Dank: Wir danken ausdrücklich den Unterstützern und beteiligten Kulturinstitutionen und Kulturschaffenden, ohne die die Herausgabe dieses Mediums nicht möglich wäre.

Kostenlose Auslage in Kulturzentren, Kinos, Veranstaltungshäusern, städtischen Einrichtungen, Gastronomie und ausgewählten Ladengeschäften

KulturGut erscheint viermal jährlich in Würzburg.

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KulturGut 06 ab Juli 2011 |

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www.himmelspforten.net

Tagen

hinter Klostermauern Historische Klostermauern, verbunden mit moderner Kunst, bieten am Stadtrand von Würzburg ein hochmodernes Tagungsflair. Das klösterliche Ambiente vermittelt Ruhe und Gelassenheit und ist für eine Auszeit für die Seele ebenso geeignet wie für Tagungen und Fortbildungen. Himmelspforten ist ein Haus der katholischen Kirche. Deshalb ist eine christliche Einstellung die Grundlage für unser Miteinander und den Umgang mit den Gästen.

Das Haus verfügt über 84 Zimmer jeweils mit Dusche und WC, Telefonund Internetanschluss. Die Gäste erhalten in Himmelspforten Vollverpflegung. Der Schwerpunkt liegt auf regionalen und saisonalen Gerichten.


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