MANZ · INTERN]
Porträt des Monats:
Der runde Tisch im Zimmer 201 ist Auseinandersetzungen gewohnt. Hier nehmen Paare Platz, die nicht mehr miteinander können, um es salopp zu formulieren, so sehr nämlich, dass sie ein Gericht für familiäre Entscheidungen brauchen. Für viele Streitparteien im 18. und 19. Wiener Gemeindebezirk ist Familienrichterin Susanne Beck dann zuständig. Das Moderieren zwischen verfeindeten Ehe- und Lebenspartnern ist für sie Alltag. „Wenn sich zwei Erwachsene streiten, ist das deren Beziehungsproblem. Doch wenn Kinder im Spiel sind, ist alles anders. Meine Rolle ist es dann, die für das konkrete Kind bestmögliche Lösung zu finden“, sagt die burschikose Mittvierzigerin. Sie ist seit fast 20 Jahren Familienrichterin. „Wir haben viel zu tun“, sagt sie lakonisch. Meist ist es ihre Hündin, ein Border-Collie-Mischling namens Flocke, die sie zum Verlassen des Amtshauses in der Obersteinergasse drängt. Nachdenken könne man aber auch beim Spazierengehen im Wienerwald oder auf der Donauinsel, sagt Beck. Kindschaftsrecht in Praxis und Theorie ist seit vielen Jahren ihr Spezialgebiet, aktuell erschien ihr Kommentar bei MANZ in der zweiten Auflage. Was es heißt, mit nur einem Elternteil aufzuwachsen, weiß Susanne Beck aus eigener Erfahrung. Geboren 1967 in Dornbirn, verbrachte sie ihre Kindheit nach der Trennung der Eltern bei ihrer Mutter in Rankweil. „Im engen und konservativen Vorarlberg war diese Lebensform ungewöhnlich“, erinnert sie sich. Ihre Kindheit und Jugend bezeichnet sie als reglementiert. „Ich hatte früh ein eigenes Leben“, sagt sie und meint ihre Selbständigkeit. „Die Schule lief gut, solange es nicht um Mathematik, Physik und Chemie ging“, erzählt sie; ihre Freizeit verbrachte sie mit Sport aller Art. „Der Bruder meiner Mutter hat mir die Leidenschaft fürs Wandern vermittelt.“ Nach der Matura legte sie sämtliche berufliche Schwärmereien, wie etwa den Wunsch, Archäologin oder Sportreporterin zu werden, ad acta und entschied sich für etwas sehr Realistisches. Sie inskribierte Rechtswissenschaften an der Universität Wien und übersiedelte zu ihrem Onkel, der in der Bundeshauptstadt wohnte. Rückblickend war es die richtige Wahl. Sie mochte Wien, das so viel offener als Rankweil war, und auch die Juristerei machte ihr Spaß. Ihr Onkel, selbst Wirtschaftsprüfer, versuchte sie immer wieder einmal zur Steuerberatung zu verführen, aber „das Spiel mit den Zahlen war eben nie meins“, sagt sie. Sie entschied sich für die Richterlauf bahn, absolvierte die Prüfung 1994 und landete sofort im Familienrecht, zuerst im R E C H T A K T U E L L # 1 0 | Ok t o b e r 2 013
Bezirksgericht Liesing, seit 1997 ist sie in Döbling. „Dass Kinder vor Gericht eine Stimme bekommen haben, war eine der wichtigsten Veränderungen im Familienrecht“, sagt Beck im Brustton der Überzeugung. Froh ist sie, dass über den Umweg des Europäischen Gerichtshofes und des Verfassungsgerichts veraltete Gesetze auch in Österreich adaptiert werden mussten. Kindschaftsrecht sei auch deshalb so spannend, weil es in diesem Rechtsbereich keinen Stillstand geben könne. Der Gesetzgeber und die Gerichte seien mit gesellschaftlichen Entwicklungen konfrontiert und müssten adäquat reagieren. Dabei bräuchten vor allem die Gerichte die Weiterentwicklung der Gesetze, um ihre Fälle besser zu einem Abschluss zu bringen. Besonders wichtig ist ihr Familienautonomie. Im Zimmer 201 bei Richterin Beck sind immer wieder auch Kinder zu Besuch. Beck hält sich an die Expertisen von Kinderpsychologen: Ab dem sechsten Lebensjahr können Mädchen und Buben, deren Eltern miteinander in Konflikt geraten, befragt werden. Ab dem zwölften Lebensjahr können sie die Tragweite von Entscheidungen in Obsorgeangelegenheiten erkennen und verstehen. Von Pauschallösungen hält Susanne Beck nichts, von individuellen Entscheidungen und einer Berücksichtigung der Wünsche von Kindern jedoch viel. Belastend sei, wenn Fälle nicht gut laufen, umso befriedigender hingegen, wenn sie tragfähige Lösungen für Eltern und Kinder findet.
Foto: privat
Kind und Hund Susanne Beck
SUSANNE BECK
ist Familienrichterin am Bezirksgericht Döbling. Als Richterin und Fachbuchautorin ist sie auf Kindschaftsrecht spezialisiert. Eine sehr emotionale Materie.
„Dass Kinder vor Gericht eine Stimme bekommen haben, war eine der wichtigsten Veränderungen im Familienrecht“ „Ich mag Menschen, deshalb habe ich diesen Beruf gewählt“, sagt sie. Dafür, dass sie die täglichen Dramen nicht zu sehr absorbieren, sorgt ihre schwarzweiße, bewegungssüchtige Hündin. „Vier Mal am Tag will sie raus, sonst ist sie mit Recht lästig“, sagt Beck und ist froh, dass an besonders anstrengenden Tagen eine Freundin auf sie aufpassen kann. Bei ihr war „die Flocke“ auch, als sie diesen Sommer auf einem Forschungsschiff durch Spitzbergen unterwegs war. Wenn Susanne Beck von Walrössern, den kargen Weiten der Landschaft und vor allem der unendlichen Stille dort erzählt, kommt sie ins Schwärmen. „Nur das Eis ist laut“, sagt sie und will bald wieder hin. Karin Pollack
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