MANZ · INTERN]
Porträt des Monats:
Es gibt Bereiche, die Wachstumsmärkte sind, ohne dass jemand etwas dazu tut. Wer sich einen Augenblick mit der demografischen Entwicklung Österreichs beschäftigt, stellt schnell fest: Die Zahl der alten Menschen nimmt zu. Je älter, umso kränker: Das ist eine statistische Wahrheit. Durch diesen Trend wird Pflege ein Thema und damit auch das Pflegegeld. „Wenn es bei Gericht um Pension oder Pflegegeld geht, sind Menschen in schwierigen Situationen. Da geht es immer um die Existenz“, sagt Richter Martin Greifeneder, der genau in der Lösung solcher Probleme seine Lebensaufgabe sieht. Er arbeitet seit über 20 Jahren am Arbeits- und Sozialgericht in Wels. Als 1993 die gesetzlichen Grundlagen für das Pflegegeld geschaffen wurden, war er am Beginn seiner Karriere. „Pflegegeld war Neuland“, erinnert er sich. Martin Greifeneder ist ein praktischer Mensch. Weil es damals weder Kommentare noch OGH-Entscheidungen gab, an denen er sich orientieren konnte, erstellte er für sich selbst eine Arbeitsunterlage zur Orientierung und nutzte sie fortan bei diversen Vorträgen und Seminaren. Greifeneder ist ein freigiebiger Charakter. „Die Leute, die sich mein Skript kopieren wollten, durften das gerne“, erinnert er sich und schon bald kursierten diese Unterlagen in einschlägigen Kreisen in ganz Österreich. 2004 kam vom Richterkollegen Gunther Liebhart der Vorschlag, daraus ein Buch zu machen. Seit damals sind die beiden MANZAutoren und geben das Handbuch „Pflegegeld“ heraus. Seit 2010 ist Greifender zusammen mit Klaus Mayr auch Schriftleiter der Österreichischen Zeitschrift für Pflegerecht (ÖZPR). Wie gut er sich in diesem Bereich auskennt, zeigt sich am MANZ-Pflegerechtstag in Wien, wo all jene hinkommen, die mit diesem Bereich befasst sind. Eine kleine Schlange hat sich gebildet. Martin Greifeneder beantwortet jede Frage aus dem Effeff. „Das Pflegerecht ist an sich sehr simpel aufgebaut, aber auch flexibel genug, um für schwierige Fälle Lösungen zu finden“, sagt er und betrachtet jeden neuen Fall wie eine sportliche Herausforderung. Das entspricht seinem Naturell und seinem Leben, das er in Jugendzeiten vor allem dem Sport widmete. Geboren 1960 als Sohn eines kaufmännischen Angestellten wuchs er mit zwei älteren Brüdern in Wels auf. „Unbeschwert“, sagt er, Lernen habe ihn eigentlich am wenigsten interessiert. Der Grund: Jede freie Minute verbrachte er im Basketballtraining. In der Schule engagierte er sich vor allem in Sachen Ungerechtigkeit –
R E C H T A K T U E L L # 0 5 | M a i 2 016
als Klassen- und später als Schulsprecher. Dass er Richter werden will, war ihm schon als Teenager klar. 1979 inskribierte er in Linz Jus, war von der Systematik im Denken seines Lehrers Johannes Hengstschläger genauso begeistert wie von den Professorinnen Marianne Meinhard und Ursula Floßmann. „Von Gendergerechtigkeit hatten wir im Welser Gymnasium nie etwas gehört“, sagt er und sieht die Universität als Ort, an dem er kritisches Denken lernte. 1986 war er mit dem Studium fertig. Richterposten gab es keine. Greifeneder arbeitete zwei Jahre als Rechtspraktikant. „Das Gericht war und ist meine Welt“, sagt er im Brustton der Überzeugung. 1988 eröffnete sich ein Posten als Untersuchungsrichter, dann als Familienrichter. Gelandet ist er schließlich am Arbeitsund Sozialgericht. Österreichweit werden 200.000 Pflegegeldanträge pro Jahr gestellt, als Experte ist Greifender sehr gefragt, nimmt an Sitzungen im Sozialministerium in Wien teil und ist in der Weiterbildung für Ärzte, Pf legefachkräfte und Sozialarbeiter österreichweit engagiert. Da verwundert es auch nicht, dass Gesundbleiben sein vorrangiges Ziel ist. Bis heute ist Greifeneder mit dem Basketball verbunden. Nach Abschluss seiner aktiven Karriere („ich war einfach nicht groß genug“), wurde er Bundesligaschiedsrichter („als einer der Jüngsten, die es jemals gab, habe ich Spiele gepfiffen“). Heute ist er Vizepräsident des oberösterreichischen Basketballverbands.
© Mike Ranz
Pflege mit Pfiff Martin Greifeneder
MARTIN GREIFENEDER
ist Richter in Wels. Seit der Einführung des Pf legegeldrechts in Österreich, beschäftigt er sich damit. Für MANZ betreut er das T hema als Autor – in Handbuch, Ratgeber und Zeitschrift.
„Das Gericht war und ist meine Welt“ Richter, das will er bleiben. Seine beiden Kinder sind erwachsen, sein Sohn studiert Jus, seine Tochter ist Biotechnologin. Über seine Frau, eine Soziologin, sagt Greifeneder: „Sie hat mich durch ihren Zugang zu Problemen in den ersten Jahren meines Richterlebens stark geprägt.“ Was ihm bis heute wichtig ist: „Wenn Leute mit ihren Klagen nicht durchkommen, sollen sie verstehen, warum nicht“, sagt er und erlebt, dass Menschen dieses Bemühen, zu erklären, sehr schätzen. Was er selbst mag? „Guten Rotwein hier und da.“ Karin Pollack
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