MFG - Das Magazin / Ausgabe 75

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MFG Ausgabe 11/20

Warum wir über Pflege reden müssen.

HEILIGE ST. ANNA, BITTE FÜR UNS!

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Christbaummarkt St. Pölten VAZ – Freigelände 11.12. – 24.12.2020

Direkt vom Produzenten - Landwirt Nordmanntannen vom Naturpark Jauerling Größte Christbaumauswahl in St. Pölten Top Bedienung und Service Covid 19: riesiges Platzangebot im Freien Mondphasen geschlägert Verkaufszeiten Mo–So 8:00 bis 18:00 Uhr, am 24. Dezember bis 12:00 Uhr 8

Adresse: Kelsengasse 9, 3100 St. Pölten / Kontakt: 0664 477 62 83 oder 0676 844 088 100


JOHANNES REICHL

DIE WAHL IN DEN ZEITEN CORONAS

O

kay, okay, ich geb‘s zu: Natürlich ist der Titel von Gabriel García Márquez‘ Roman „Die Liebe in den Zeiten der Cholera“ abgekupfert. Dort verschafft sich eine Liebe über alle Hindernisse hinweg am Ende des Tages doch ihr Recht und das Paar tuckert auf einem Dampfschiff unter Quarantäne-Flagge selig in den ewigen Sonnenuntergang. Nun wollen wir uns eine ewige Fahrt in Bezug auf Corona gar nicht erst vorstellen (dem Virus schleudern wir eher das neue geflügelte Wort, verzeihen Sie den Ausdruck, „Schleich di, du Oaschloch“ entgegen), aber auch die Gemeinderatswahl im Jänner wird hoffentlich die ihr gebührende Aufmerksamkeit bekommen, denn merke: Es gibt ein Leben nach Corona! Die Welt, und somit die Stadt, drehen sich weiter, und wie man auf die vielen – durch die Pandemie nicht leichter gewordenen – Herausforderungen der Zukunft antwortet, wird auch am 24. Jänner mit entschieden. Für die Wahlwerbenden wird es diesmal ohnedies schwer, ihre Botschaften unters Volk zu bringen. Klassisches Klinkenputzen und Hausbesuche fallen aufgrund der Ansteckungsgefahr praktisch flach (außer man nimmt sein Desinfektionsmittel gleich selbst mit und weiß sich durch die Maske hindurch deutlich zu artikulieren, was manchem Mandatar aber bereits ohne bisweilen schwerfällt). Auch allzu exzessive Stadtguerilla-Aktionen, wo einem Luftballons bis Kulis aufgedrängt werden, scheinen kaum möglich zu sein. Ganz abgesehen davon, dass die eisigen Wintertemperaturen nicht gerade zum Verweilen und zu Diskussionen (auch wenn diese heiß hergehen mögen) einladen. Ja, selbst breit angelegte Plakatkampagnen fallen angesichts Lockdowns und verwaister Straßen eher in die Kategorie „Perlen vor die Säue werfen“. Hätte man den Wahltermin dann nicht später ansetzen können, nörglen manche. Vielleicht sind wir da aber (Gott behüte!) schon im dritten Lockdown – who knows? Den kleineren Parteien wärs natürlich recht gewesen – Namedropping wird ob des kurzen Wahlkampfes schwierig. Das

Lamentieren darüber ist allerdings wehleidig bis scheinheilig, denn dass Taktikfuchs Stadler diesen Joker ziehen würde, kam nun wahrlich nicht überraschend. Neos und Grüne, welche frei nach dem weihnachtlich passenden Motto „Alle Wahlen wieder“ mit einer komplett neuen Mannschaft antreten, haben die rechtzeitige Vorbereitung schlicht verschlafen. Und das augenrollend-moralintriefende Lamento „Aber wie kann man nur mitten in dieser Krise zu den Urnen rufen“ … nun gut, das haben bitte die Amis mit über 100 Millionen Wählern auch geschafft – also – äh, zumindest versucht ... Wie auch immer, Hand aufs Herz, liebe Politiker: Wer frei ist vom Ausnutzen taktischer Vorteile, werfe den ersten Stein. Na eben! Eines zeichnet sich freilich schon jetzt ab und ist als äußerst positiv zu bewerten: Der neue Gemeinderat dürfte frischer, bunter und vor allem weiblicher werden. Man mag jetzt von Symbolpolitik sprechen, wenn sowohl SPÖ als auch ÖVP auf Listenplatz zwei jeweils eine Frau nominieren (die Grünen gehen überhaupt gleich mit einer Spitzenkandidatin ins Rennen) – aber im Sinne eines Bekenntnisses ist das ein durchaus wichtiges Signal. Und man wünscht auch den Neos viel Glück, dass sie den Einzug schaffen – erstens im Sinne der Pluralität, und zweitens, weil der Spitzenkandidat Kabarettist und scharfsinnighumorvoller Beobachter ist. Böse Geister meinen ja, damit braucht er gar nicht erst die Bühne zu wechseln. Nun, eine Prise Humor anstelle von verbissener Rivalität und kleinkarierter Linientreue kann dem Gemeinderat gar nicht schaden. Gibt gerade eh nicht allzuviel zu lachen. In diesem Sinne: Gehen Sie zur Wahl! Bei einem mulmigen Gefühl nutzen Sie die Möglichkeit der Briefwahl. Es wird schon kein „Irrer“ noch während der Auszählung, wenn das Ergebnis für ihn passt, verlangen, selbige sofort einzustellen. Wobei … in Zeiten der „neuen“ Normalität scheint nichts mehr normal zu sein. Wie wusste schon Joachim Ringelnatz: „Sicher ist, dass nichts sicher ist. Selbst das nicht.“

Offenlegung nach §25 Medien-Gesetz: Medieninhaber (Verleger): NXP Veranstaltungsbetriebs GmbH, MFG - Das Magazin, Kelsengasse 9, 3100 St. Pölten. Unternehmensgegenstand: Freizeitwirtschaft, Tourismus und Veranstaltungen. Herausgeber/GF: Bernard und René Voak, in Kooperation mit dem Kulturverein MFG. Grundlegende Blattlinie: Das fast unabhängige Magazin zur Förderung der Urbankultur in Niederösterreich. Redaktionsanschrift: MFG – Das Magazin, Kelsengasse 9, 3100 St. Pölten; Telefon: 02742/71400-330, Fax: 02742/71400-305; Internet: www.dasmfg.at, Email: office@dasmfg.at Chefredakteur: Johannes Reichl Chefredakteur-Stv.: Michael Müllner Chefin vom Dienst: Anne-Sophie Müllner Redaktionsteam: Thomas Fröhlich, Sascha Harold, Johannes Mayerhofer, Michael Müllner, Andreas Reichebner, Thomas Schöpf, Beate Steiner, Thomas Winkelmüller Kolumnisten: Thomas Fröhlich, Michael Müllner, Tina Reichl, Roul Starka, Beate Steiner, Thomas Winkelmüller Kritiker: Helmuth Fahrngruber, Thomas Fröhlich, David Meixner, Michael Müllner, Clemens Schumacher, Manuel Pernsteiner, Michael Reibnagel, Johannes Reichl, Christoph Schipp, Robert Stefan Karikatur: Andreas Reichebner Bildredaktion: Elias Kaltenberger, Matthias Köstler Cover: Laurin Rinder/Adobe Stock Art Director & Layout: a.Kito Korrektur: Anne-Sophie Müllner Hersteller: Walstead NP Druck GmbH Herstellungs- und Verlagsort: St. Pölten Verlagspostamt: 3100 St. Pölten, P.b.b. Alle Rechte, auch die Übernahme von Beiträgen nach § 44 Abs. 1 und 2. Urheberrechtsgesetz, sind vorbehalten. Alle Angaben ohne Gewähr. Für den Inhalt bezahlter Beiträge ist der Medieninhaber nicht verantwortlich.


INHALT WEHRLOS IM PFLEGEHEIM – Seite 8

ST. PÖLTEN WÄHLT – Seite 24

WENN DIE LICHTER AUSGEHEN – Seite 40

DER FAHRRADKURIER – Seite 50

GENERATION MIT ABSTRICHEN – Seite 60

75 JAHRE UNION ST. PÖLTEN– Seite 68

3 Editorial 6 In was für einer Stadt leben wir

URBAN

7 Shortcut Urban 8 Die kranke Gulli-Gulli-Pflege von Sankt Anna 22 Ist St. Pölten (k)ein „gutes Pflaster“ für Dschihadisten? 24 BGM Matthias Stadler (SPÖ) 28 Matthias Adl (ÖVP) 32 Klaus Otzelberger (FPÖ)

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36 Engel-Unterberger (Die Grünen) 40 Wenn die Lichter ausgehen 49 TV-Pionier übergibt P3 50 Der Fahrradkurier

KULTUR

52 Shortcut Kultur 54 Freunde der Kultur St. Pölten 56 Florian Jakowitsch

SZENE

60 Generation mit Abstrichen

SPORT

68 75 Jahre Union St. Pölten 72 Der Voith-Platz ist Geschichte 74 Kritiken 75 Veranstaltungen 76 Außensicht 78 Karikatur

58 Shortcut Szene

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5. MÄRZ 2021

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Ihre Bestellungen für die geplanten Vorstellungen werden von unserem Kartenbüro vorerst nur reserviert. Der Ver­ sand der von Ihnen reservierten Karten und der Rechnung erfolgt zeitnah zu Ihrem ersten Vorstellungstermin. Sie gehen mit Ihrer Reservierung im Fall von Absagen oder Verschiebungen somit keine Verpflichtung ein und sichern sich trotzdem Plätze in den angebotenen Vorstellungen.

www.landestheater.net Landestheater Niederösterreich, Rathausplatz 11, 3100 St. Pölten karten@landestheater.net, T 02742 90 80 80 600


…  in der der altehrwürdige Domplatz nicht zur Ruhe kommt. Herrschte auf des St. Pöltners heißumstrittensten Areal seit 2008 (sie wissen schon, „Parkplatz oder nicht Parkplatz, das ist hier die Frage?“) zuletzt ob noch fehlender Bodenmarkierungen nach dem Schließen der archäologischen Grabungen das lustige LaissezFaire-Parking, so sorgte die Anbringung selbiger nun erst recht wieder für gemischte Reaktionen zwischen Amusement bis Kopfschütteln. Auslöser dafür war der neue Fahrradabstellplatz im Supersize-Format, von manch Indigenem bereits liebevoll als Fluglandebahn oder – in Anspielung auf DIE Radlerstadt schlechthin – „New Amsterdam“ bezeichnet. Die Opposition spricht weniger poetisch von einem „Schildbürgerstreich“, während die Stadt darin einen Testballon für das Provisorium (keine Angst, der Platz wird eh nächstes Jahr wieder aufgegraben … aber wir hoffen auf 2024!) erblickt, um damit den Fahrradwildwuchs in der Fußgängerzone (Räder in Rabatten, Räder an Wänden, Räder vor Schaufenstern) in den Griff zu bekommen. Ein hehres Ziel, aber vielleicht wäre in dem Fall weniger mehr gewesen, und ausreichend Fahrradständer, wo man die Räder anketten kann, wären wohl auch keine verkehrte Idee. Aber dafür sind Testballons ja gut … zum Fliegen oder Platzen, um daraus die richtigen Lehren zu ziehen. 6

… in der die heimischen Sportlerinnen aktuell mit Bestleistungen den Ton angeben. So wurde Ivona Dadic von der Union St. Pölten Leichtathletik zur österreichischen Sportlerin des Jahres gekürt! Insbesondere ihre Jahresweltbestleistung im 7-Kampf mit 6.419 Punkten wusste zu beeindrucken. Schon in den Vorjahren war Dadic mit grandiosen Leistungen knapp an der Auszeichnug mit dem „Niki“, so der Name der Trophäe, vorbei geschrammt. So errang sie Bronze bei der Freiluft-WM 2016, Silber bei der Hallen-EM 2017 und wurde 2018 bei der HallenWM Vizeweltmeisterin. In ihrer Dankesrede verwies die Ausgezeichnete auf die grandiosen Leistungen der Sportler insgesamt in diesem schwierigen Corona-Jahr und hofft auf eine Durchführung der Olympischen Spiele 2021, wo sie eine Medaille anstrebt. Angesprochen in diesem Sinne darf sich auch der SKN fühlen, freilich nicht die Herrentruppe, sondern die Damenmannschaft. So hat sich der österreichische Frauenfußball-Serienmeister unter seiner Trainierin Maria Wolf mit einem Sieg gegen ZSKA Moskau für die Champions League qualifiziert! Das Goldtor erzielte Jasmin Eder. Nun treffen die Wölfinnen auf den Schweizer Serienmeister FC Zürich. Das Hinspiel findet am 9. Dezember in der NV-Arena statt, das Rückspiel steigt eine Woche später in der Schweiz. Wir drücken die Daumen!

… in der einige Berufsgruppen, die berühmten Systemerhalter, Großartiges leisten. Eine davon, die da bisweilen übersehen wird, sind die Lehrer. Wie diese aktuell den ganzen Distance-LearningWahnsinn meistern, vom schnell improvisierten Erstellen von Lernmappen bei den Kleinen (weil man vom Schul-Lockdown aus den Medien erfährt) bis hin zur digitalen Orchestrierung des gesamten Unterrichts bei den Älteren, ist ein Husarenstück. Es ist nicht leicht die Kids via online-Strippe zu erreichen, bei Laune zu halten und ihnen ganz „nebenbei“ auch noch etwas beizubringen. Und es gehört viel Feingefühl, Geduld und Humor dazu, ihnen in den onlineStunden so etwas wie ein Gemeinschaftsgefühl und damit ein Stück Normalität zu vermitteln. Dass die Pädagogen obendrein bei laufend eintrudelnden, piepsenden Messages von bis zu 100 Schülern nicht den Verstand verlieren – respect! Und noch etwas. Pädagogen zählen zu einer besonders Corona-gefährdeten Berufsgruppe, denn, oja, es gibt Covid-Fälle in Schulen – gar nicht so wenige. Lehrer stehen da nicht im Auge, sondern mitten im Sturm – sprich in Klassenräumen mit 20 Schülern plus, auf relativ engem Raum, mehrere Stunden am Tag. Vielleicht wäre es also einmal an der Zeit Danke zu sagen. Per Mail, Daumenhoch im Hintergrund, wenn der Junior gerade online-Unterricht hat ... Die digitalen Verbindungen dazu gibt es ja jetzt!

FOTOS RENÉ VOAK, TOM SEISS, PARILOV - STOCK.ADOBE.COM

IN WAS FÜR EINER STADT LEBEN WIR EIGENTLICH ...


FOTOS: JENNY STURM - FOTOLIA.COM, GEORGERUDY - STOCK.ADOBE.COM, ZVG

SÜDSEE

KOLUMNE MICHAEL MÜLLNER

GEBRAUCHSANWEISUNG

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er an Themen bislang arme Wahlkampf ist um eines reicher, spätestens seitdem Bürgermeister Matthias Stadler die Schaffung eines Sees im Süden der Stadt ankündigte. Der „Südsee“ soll beim Altmannsdorfer Bogen in Folge des ohnedies notwendigen Hochwasserschutzes für das nahe Betriebsansiedlungsgebiet entstehen. Die ÖVP ortet einen billigen Wahlkampfgag und warnt vor einer Gefährdung des Trinkwassers. „Ich fordere von der SPÖ ein klares Bekenntnis zum Vorrang der Versor-

gungssicherheit“, so VP-Gemeinderat Josef Brader. Der Bürgermeister will von Wahlkampfgag nichts wissen. „Wer mich kennt, weiß, dass hinter unseren Projekten klare Planungen stecken.“ Eines ist dabei klar: Bevor das Projekt Realität wird, wird noch viel Wasser die Traisen hinunterfließen – der Planungshorizont wird mit fünf bis zehn Jahren veranschlagt. Und eine Frage drängt sich auf: Wird das „Seenerlebnis“ dann zur Nordsee? Hätte doch was … Nord- und Südsee in St. Pölten.

G R A TU L I E R E M FG

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iesmal dürfen wir ein bisschen Eigenlob betreiben. Um es in den Worten des seligen ehemaligen Bundespräsidenten Thomas Klestil zu sagen: „Mit grooooßer Freude“ geben wir bekannt, dass gleich drei unserer MFG-Redakteure beim erstmals vom Pressverein ausgeschriebenen „Hans Ströbitzer Preis“ ausgezeichnet wurden! So haben Sascha Harold, Jo-

hannes Mayerhofer und Thomas Winkelmüller (Bild v.l.n.r.) jeweils einen Förderpreis bekommen. Gut gemacht Jungs! Herzliche Gratulation auch an die Preisträger Verena Gleitsmann (ORF), Markus Glück (NÖN), Daniel Seper („Miteinander“) sowie Journalismus-„Übervater“ Hugo Portisch, der für sein Lebenswerk ausgezeichnet wurde.

Diese Ausgabe ist keine Selbstverständlichkeit. Als der erste Lockdown im Frühjahr unser Land unvorbereitet traf, mussten wir eine Ausgabe pausieren. Während des zweiten Lockdowns sind wir nun aber gewappnet und ziehen den Erscheinungstermin durch. Das ermöglichen jene Inserate, die Sie in diesem Heft hoffentlich wohlwollend wahrnehmen. Und ein überzeugtes Team, das mit Ihnen an einer besseren Welt arbeiten möchte. Denn wenn Sie aus unseren Reportagen und Geschichten, den Kolumnen und Kritiken etwas mitnehmen, dann ist dies unser Beitrag zu einer bunten, durchdachten, lebenswerten Welt. Wir geben an unsere Leserinnen das weiter, was wir selber geschenkt bekommen: Wir beobachten unsere Umwelt und sprechen mit den Menschen da draußen, daraus formen wir jene Geschichten, die Ihnen etwas vermitteln sollen, das Ihnen sonst womöglich verborgen geblieben wäre. Lesen Sie darum dieses Heft bitte von vorne bis hinten. Machen Sie sich ein Bild und lassen Sie uns wissen, was Sie von unserer Arbeit halten. Wir halten Kritik aus, vertragen zur Not aber auch Lob. Unlängst hat uns ein Kritiker als propagandistische, unverkäufliche Schülerzeitung bezeichnet. Das hat mich daran erinnert, wie kreativ, frech und mutig meine Klassenkollegen und ich waren, als wir damals vor zwanzig Jahren mit unserer Schülerzeitung die Lehrerinnen und Lehrer herausgefordert haben. Manche Kritik ist also in Wahrheit das schönste Lob. Weil wir nicht käuflich sind. Weil wir Hetze aufzeigen. Und weil wir wissen, dass es immer jemanden braucht, der lästig nachfragt.

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DIE KRANKE GULLI-GULLIPFLEGE VON SANKT ANNA Wehrlos im Pflegeheim, eine Horrorvorstellung. Angebliche Übergriffe im Clementinum in Kirchstetten haben Österreich geschockt. Nun soll am Landesgericht St. Pölten ein Strafprozess feststellen, ob die vier Angeklagten schuldig sind. Zudem liefert er Antworten auf heikle Fragen zum Zustand der Pflege in Österreich an sich.

DIE GESCHICHTE HINTER DIESER GESCHICHTE Im Mittelpunkt dieser Reportage steht ein monatelanger Strafprozess. Zum Redaktionsschluss war das Beweisverfahren nach acht Verhandlungstagen so gut wie abgeschlossen, jedoch noch kein Urteil gesprochen. Für die Angeklagten gilt die Unschuldsvermutung. Um eine identifizierende Berichterstattung auszuschließen, werden die Namen aller Beteilig­ten nicht genannt. Fest steht schon heute, das Gerichtsurteil wird nur die Frage nach der strafrechtlichen Schuld der Angeklagten beantworten. Daneben bleiben aber noch zahlreiche weitere Fragen, auf die uns das Gericht keine Antworten geben wird: Welchen Stellenwert hat Pflege in unserer Gesellschaft? Was brauchen Pflegekräfte, um menschenwürdig betreuen zu können? Und natürlich: Wie konnte es zu diesen unglaublichen Vorwürfen kommen?

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I

m St. Pöltner Landesgericht ist der Schwurgerichtssaal der größte Verhandlungssaal. Hier finden jene Prozesse statt, über die abends in den Nachrichten berichtet wird. Seit dem Prozess gegen Josef F. kennt ihn die ganze Welt. Auch für die acht ganztägigen Verhandlungstage des Kirchstetten-Prozesses ist der Saal fix gebucht, denn das Verfahren ist umfangreich und die Plätze sind gut gefüllt. Es geht um den Wahnsinn von Kirchstetten. Um die „Sadisten von St. Anna“, die für den „Horror im Haus der Barmherzigkeit“ verantwortlich sein sollen. Die beiden Zitate stammen von Florian Klenk, der mit diesen Überschriften in der Wiener Wochenzeitung „Falter“ seine Recherchen zusammenfasste. Vor Gericht stehen vier Menschen, denen ehemalige Kollegen vorwerfen, sie hätten in ihrer täglichen Arbeit im Kirchstettner Pflegeheim „Clementinum“ Wehrlose gefoltert, monatelang und aus purem Sadismus. Ob das stimmt, entscheidet sich am Ende des Strafprozesses. Doch abseits der straf-

rechtlichen Dimension erhofft sich die Gesellschaft, quasi als Nebeneffekt, auch Antworten auf weitere Fragen: Wenn es denn stimmt, wie konnte es dazu kommen? Und was können wir daraus lernen? Die Staatsanwältin trägt in ihrem Eröffnungsantrag detailliert vor. Minutenlang schildert sie die angeblichen Handlungen, welche strafrechtlichen Delikte damit verwirklicht wurden und warum sie diese Vorwürfe den Zeugen auch glaubt. Bewohner sollen vorsätzlich verletzt, gequält und sexuell misshandelt worden sein. Die Höchststrafe für die vier Unbescholtenen beträgt zehn Jahre. Auf Nebenschauplätzen geht es um Mobbing. Haben die Angeklagten unliebsamen Kollegen regelmäßig Abführmittel in Form von Guttalax-Tropfen in ihre Trinkflaschen gemischt? Ein Angeklagter


TEXT: MICHAEL MÜLLNER | FOTOS: MICHAEL MÜLLNER, MATTHIAS KÖSTLER, HIGHWAYSTARZ & PIXEL-SHOT (BEIDE STOCK.ADOBE.COM)

soll in seiner Selbstherrlichkeit sogar die Unterschrift einer Ärztin auf einer Medikamentenanordnung gefälscht haben. Die Bewohner der betroffenen Station, dem Wohnbereich „St. Anna“, waren alle Bewohner in schlechtem Zustand, Pflegestufe 5 aufwärts. Die Übergriffe sollen sich ganz bewusst nur bei hochdementen, teilweise völlig artikulationsunfähigen Opfern ereignet haben. Von diesen gibt es naturgemäß keine Aussagen. Den Fall brachten zwei Kolleginnen ins Rollen, die sich im Oktober 2016 zu einer Meldung an ihre Vorgesetzten durchrangen, wonach weitere Mitarbeiter folgten. Die Staatsanwältin berichtet von einem Arbeitsplatz mit ganz besonderer Atmosphäre: Die einen verüben, als täglicher Jux, unvorstellbare Übergriffe. Die anderen schauen aus Ohnmacht oder Naivität weg.

Eine besondere Rolle spielt dabei ein vom Angeklagten administrierter Gruppen-Chat bei WhatsApp. Darin tauschten sich mehrere St.Anna-Pflegekräfte über Berufliches aus. Gleich nach ihrer fristlosen Entlassung löschten die Angeklagten den Chat, ein IT-Sachverständiger konnte ihn aber vollständig rekonstruieren. Der Ton im Chat war rau, zynisch, menschenverachtend. Die Bewohner wurden entmenschlicht, es schien als wollten sich die Kollegen an Geschmacklosigkeit überbieten. Was dort geschrieben wurde, war aber privat. Es geht dabei nicht

um die strafrechtliche Relevanz des Chats. Er ist jedoch ein objektives Beweismittel und gibt Einblick, wie die Angeklagten dachten und sich artikulierten. Und wenn der Chat für sie „nur ein Spaß“ oder „Sarkasmus“ war, wie sie behaupten, so drängt sich die Frage auf, wie glaubwürdig ihre sonstigen Aussagen in diesem Verfahren sein werden. Der ehemalige Wohnbereichsleiter der vier Angeklagten hat sich als Privatbeteiligter angeschlossen. Monatelang hatte er ohne erkennbaren Grund Durchfall und Magenbeschwerden. Heute ist ihm klar, warum. Die Angeklagten hätten ihm Guttalax-Tropfen in sein ColaZero gemischt, ein Abführmittel, das die vier laut Zeugen regelmäßig einsetzten um unliebsame Kollegen und Bewohner zu sekkieren und zu misshandeln. Viele dieser Bewohner werden vom NÖ Landesverband für Erwachsenenvertretung vertreten, der gesetzlich die Interessen von Heimbewohnern wahrnimmt. Manche Kinder haben für ihre Eltern auch eigene Rechtsanwälte berufen. Ebenfalls vertreten ist der ehemalige Dienstgeber der Angeklagten, das Haus der Barmherzigkeit, eine Stiftung der Erzdiözese Wien, die das Pflegeheim in Kirchstetten betreibt. Die Anwältin spricht von „schädlicher Berichterstattung“ und will von den Angeklagten mindestens 10.000 Euro. Für das Clementinum war der Fall nicht nur ein PR-Desaster, auch innerbetrieblich musste einiges investiert werden, um Arbeits- und Betriebsklima wieder zu verbessern. Trotz mehrfacher Nachfrage ließ der Betreiber zahlreiche Fragen unbeantwortet. Das ist sein gutes Recht, nimmt uns aber im Rahmen der Berichterstattung die Möglichkeit, die Sichtweise des Hauses darzustellen, etwa wenn es um Anschuldigungen geht, die im

„Das ist unsere St. Anna-Pflege! Vergiss deine Gulli-Gulli-Pflege!“ DER ANGEKLAGTE ZUR BELASTUNGSZEUGIN MFG 11 20

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Laufe des Verfahrens erhoben wurden. So etwa vom Verteidiger der vier Angeklagten, der mehrfach auf die schlechten Arbeitsbedingungen seiner Mandanten hinweist. In seinem Eröffnungsvortrag kam er zu Beginn gleich auf die Medien zu sprechen. Er sei gefragt worden, was denn seine Strategie für das Verfahren sei. Die Antwort wäre: Es gäbe keine Strategie. Er wolle nur, dass alles aufgeklärt wird. Die Anklage sei dünn und seine Mandanten wären von der Staatsanwaltschaft nicht ausreichend einvernommen worden. Somit hätten sie nur schriftlich auf Widersprüche in den belastenden Aussagen hinweisen können. Auch an den kursierenden Mordvorwürfen sei nichts dran gewesen, wie Obduktionen ergäben hätten. Seine Mandanten seien unschuldig. In den insgesamt acht Verhandlungstagen werden die Angeklagten detailliert von der Vorsitzenden zu den Anklagepunkten vernommen. Alle vier betonen ihre Unschuld, sie hätten stets einwandfrei gepflegt und wären den Bewohnern nie unfreundlich begegnet, geschweige denn hätten sie diese misshandelt, gequält oder verletzt. Wieso die Belastungszeugen derartiges behaupten, können sie sich nicht erklären. Vielleicht sei ein psychiatrisches Gutachten angebracht, regt der Angeklagte an? Jener Angeklagte, der auch heute noch im Quartett den Ton angibt. Im Verfahren gewinnt man den Eindruck, dass er der Chef der Clique war, wahrscheinlich sogar der heimliche Chef im ganzen Clementinum. Zeugen beschreiben ihn als fachlich sehr gut, dynamisch und selbstbewusst, einer der immer eingesprungen ist, wenn mal wer krank war, der aber auch haufenweise private Medikamente mitgeführt und als einziger im Haus seine auffallende Privatkleidung getragen habe, anstatt der üblichen Dienstkleidung. Der junge Diplompfleger machte eine Bilderbuchkarriere. Vom Zivildiener zum Diplomierten und bald zum „Pflegeberater“, einer eigens für ihn geschaffenen Stelle als Qualitätsmanager, mit der er dem 10

AUS DER ANKLAGESCHRIFT Was wirft die Staatsanwaltschaft St. Pölten den Angeklagten vor? Zwischen März und 17. Oktober 2016 sollen der angeklagte Diplompfleger sowie die drei angeklagten Pflegehelferinnen im Pflegeheim Clementinum in Kirchstetten die folgenden Handlungen begangen haben. • Zwölf Bewohner sollen körperlich und seelisch gequält worden sein und zwar durch – (Faust-)Schläge gegen den Bauch, Nierenbereich, die Brust, das Gesicht, die Genitalien, – Ziehen an Haaren, Zwicken, gewaltvolles ins Bett Schleudern, – Sprühen bzw. Gießen von Rasierwasser, Deo oder Franzbranntwein in Augen und Mund, – Zwangsweise Ernährung mit einem Schnabelhäferl durch Zuhalten der Nase, Zurückdrücken der Zunge und Fixieren der Arme, – Schlagobers und Speiseöl verabreichen über Mund oder Magensonde, – Beschimpfungen, Stöße, Ohrenreißen, nackt im Bett liegen lassen, kalt und heiß abduschen, zur Belustigung schminken und ankleiden, – Abführmittel verabreichen ohne medizinische Notwendigkeit, – Mund zudrücken und eigenen Kot im Gesicht verteilen. • Sechs Bewohner sollen unter Ausnützung ihres wehrlosen Zustandes sexuell missbraucht worden sein und zwar durch – unangebrachtes Eincremen des Vaginal- und Analbereiches mit Mandelöl-Creme samt Eindringen mit Fingern und Faust, – Einreiben des Vaginalbereiches mit Franzbranntwein, – Verdrehen von Penis und Hoden und Einreiben des Intimbereichs mit Franzbranntwein. • Mehrere unliebsame Kollegen sollen Bauchkrämpfe und Durchfall erlitten haben, weil die Angeklagten ihnen in unbeobachteten Momenten Abführtropfen in ihre Getränke und Speisen gaben. • Der Angeklagte soll zudem mehrfach eigenmächtig die Anordnung von Medikamenten missachtet und in diesem Zusammenhang auch eine Unterschrift gefälscht haben. Laut Staatsanwaltschaft haben die Angeklagten dadurch folgende Delikte begangen: Körperverletzung, Quälen und Vernachlässigen wehrloser Personen, sexueller Missbrauch einer wehrlosen oder psychisch beeinträchtigten Person sowie Urkundenfälschung. Der Strafrahmen beträgt bis zu zehn Jahre Freiheitsstrafe. Die Angeklagten bekannten sich bis dato zu allen Punkten nicht schuldig.

„Diese Bewohner hatten schwere Traumatisierungen erlitten. Auch ein Dementer vergisst das nicht, er fühlt es jeden Tag.“

PFLEGEKRAFT, STATION ST. ANNA


DIE KRANKE GULLI-GULLI-PFLEGE VON SANKT ANNA

offenbar völlig führungsunfähigen Hausleiter zur Seite stand und in allen Abteilungen des Hauses nach dem Rechten sehen konnte. Die zentrale Pflegedienstleitung in Wien war höchstens einmal die Woche im Haus und dürfte wenig von den tatsächlichen Zuständen mitbekommen haben. Der Hausleiter gibt in seiner Zeugenbefragung unumwunden zu, dass er den Job als Chef des Hauses nicht wollte. Unabhängig von der Frage nach seinen Qualitäten als Pfleger, scheint er in der Rolle der Führungskraft überfordert gewesen zu sein. Dazu kommt der Wohnbereichsleiter auf St. Anna, ein junger Mann, der wohl selbst etwas überrascht war, als er den ausgeschriebenen Job als „Stationsleitung“ bekam und der sich gegenüber dem Angeklagten wohl nicht behaupten konnte. Brisant ist zudem, dass viele Zeugen über Gerede im Haus berichten, dass zwischen

dem Angeklagten, dem Hausleiter und dem Wohnbereichsleiter eine intime Dreiecksbeziehung bestand. Von Eifersüchteleien ist die Rede, aber auch von Beobachtungen, bei denen man die Herren bei Intimitäten mit runtergelassener Hose überrascht hätte. Fragt man Zeugen, warum sie gewisse Beobachtungen nicht eher gemeldet haben, fragen diese zurück, wem man denn etwas hätte melden sollen, wenn so vieles ohnehin für alle, auch die Vorgesetzten, offensichtlich gewesen sei und der Angeklagte zur Chefität einen so guten Draht gehabt hätte? Der angesprochene Wohnbereichsleiter sagte vor Gericht, er hätte von körperlichen Übergriffen nie etwas mitbekommen. Seine Tätigkeit sei vorrangig administrativ gewesen, bei Bewohnern sei er kaum gewesen. Der Umgangston zwischen den Kollegen sei teilweise wirklich sehr rau gewesen. Den Hausleiter

habe er darauf angesprochen, um damit besser umgehen zu können. Die Antwort sei gewesen, dass „die das ja gar nicht so meinen.“ Konsequenzen habe es keine gegeben. Generell sind Konsequenzen ein eigenes Thema, bei diesen Erzählungen. Die Vorwürfe kamen nicht aus dem Nichts, das Arbeitsklima war Thema im Haus. Auch der Angeklagte selber soll bereits eine Verwarnung gehabt haben. Beim Kaffeetratsch soll er vor Kollegen geprahlt haben, dass er im Nachtdienst als Strafe gegen die Betten läs­ tiger Bewohner tritt, damit diese, so wie er, auch nicht schlafen können. Für wenige Wochen wurden ihm zwar Nachtdienste verboten, doch schon wenige Monate später wurde er zum Pflegeberater befördert, seitdem war er als Qualitätsmanager im ganzen Haus unterwegs. Die Hauptbelastungszeugin wechselte im März 2016 von einer MFG 11 20

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anderen Abteilung nach „St. Anna“, wo die vier Angeklagten ein eingespieltes Team waren. Nach einem Nachtdienst, indem zwei Bewohner eines natürlichen Todes starben, wurde sie in die besagte WhatsAppGruppe aufgenommen („Aufnahmeprüfung bestanden“). Schon in der ersten gemeinsamen Einschulungsnacht habe ihr der Angeklagte erklärt, in St. Anna gäbe es „Zucht und Ordnung“. Den „Drecksauen“ gehöre nämlich der Teufel ausgetrieben. Ein inkontinenter Bewohner wurde gewaltsam gewickelt und dabei geschlagen, sein Penis und die Hoden wurden zur Strafe für ein verschmutztes Bett verdreht und mit hochprozentigem Franzbranntwein eingerieben. Eine Patientin habe der Angeklagte beim Einschmieren mit Mandelöl-Creme mit drei Fingern vaginal und anal penetriert, dann habe sie den Blick schockiert abgewendet, während ihr der Angeklagte erklärte: „Das ist die St. Anna-Pflege. Deine Gulli-GulliPflege vom dritten Stock kannst du hier vergessen, die brauchst du uns da gar nicht reintragen.“ Die vier Angeklagten sollen mehrere Bewohner so „gepflegt“ haben, es sei ein Spiel, ein Wettstreit gewesen: „Einmal hat er sich gerühmt, dass er die ganze Faust reingebracht hätte.“ Es sind unfassbare Schilderungen wie diese, die sich durch zahl- und detailreiche Zeugenaussagen ziehen. Stets kommt es zu verlegenen Momenten. Wenn die Putzfrau von den Watschen erzählt, die sie beobachtet hat – und sie sich im nächsten Moment fragen lassen muss, ob sie denn während der Pflegehandlung überhaupt im Raum hätte sein dürfen? Wenn die Pflegehelferinnen mit sich ringen, was sie denn nun bemerkt und nicht bemerkt hatten – um im Anschluss das Gefühl der Hilflosigkeit zu beschreiben, weil ja jedem bekannt war, dass etwas nicht passe, aber keiner etwas unternommen hat, zumal der Angeklagte mit der Chefetage „mehr als eine berufliche Beziehung“ hatte. „Ich war ja nur eine Pflegehelferin! Ich habe den Job doch gebraucht!“ Bei vielen Zeu12

genaussagen hat man den Eindruck, es fällt ihnen schwer unumwunden zu sprechen. Vielleicht aus Scham vor dem, was neben ihnen geschehen sein soll? Vielleicht aus Sorge davor, sich selber am Ende doch noch in Probleme reinzureden? Vielleicht auch weil für manche der alte und noch immer aktuelle Dienstgeber zwei Meter Luftlinie entfernt sitzt und aufmerksam zuhört? Es ist die Hauptbelastungszeugin, die ihren Konflikt am detailliertesten schildert. Schon nach kurzer Zeit habe sie bemerkt, dass einiges völlig aus dem Ruder gelaufen war. Aber wer war aller involviert? Wem

konnte sie sich anvertrauen? Vorerst nur ihrem Ehemann, der sie aufforderte, das Ganze zu melden. „Aber wer hätte mir denn bitte geglaubt? Ich hatte ja keine Beweise!“ Also entschloss sie sich, mitzuspielen. „Ich habe den vier dann schöngetan, habe im Chat mitgeschrieben und so getan, als sei ich eine von ihnen. Sie haben mir dann bis zu einem gewissen Grad vertraut.“ Als sie am 9. Oktober nachhause fährt und auf einer Autobahntoilette Durchfall bekommt, realisiert sie, dass sie nun auch ein Guttalax-Opfer geworden ist. Sie fasst den Entschluss, alles der Heimleitung zu melden: „Hoffent-

„Aber wer hätte mir denn bitte geglaubt? Ich hatte ja keine Beweise.“ PFLEGEKRAFT, STATION ST. ANNA


DIE KRANKE GULLI-GULLI-PFLEGE VON SANKT ANNA

FORTGESETZTE HAUPTVERHANDLUNG. Acht ganze Tage wurde bisher verhandelt, im Jänner soll ein Urteil fallen.

lich reicht dieser WhatsApp-Chat, dachte ich mir.“ Die Vorgesetzen reagieren rasch, sichten den Chat, protokollieren die Vorwürfe, entlassen die Beschuldigten und verständigen die Polizei. Die Ermittlungen nehmen ihren Lauf. Was sagen die Angeklagten zu alldem? Sie hatten vier Jahre Zeit, sich auf den Prozess vorzubereiten und kennen die Aussagen der Zeugen Wort für Wort. Ihre Verantwortung ist simpel: „Wir waren das nicht, wir sind Opfer einer Intrige.“ Sie hätten keine Erklärung dafür, wieso sich die Exkollegen verschworen hätten und noch dazu derartige Geschichten erfinden würden. Außerhalb des Gerichtssaales sinniert der Angeklagte, vielleicht habe es alten Pflegehelferinnen nicht gepasst, dass er mit neuen Ideen vieles umdrehen wollte? Vielleicht hätten die Anschuldigungen nur zu Entlassungen

führen sollen, doch als die Polizei ins Spiel kam, geriet der Plan außer Kontrolle und jetzt müssten alle bei ihren erfundenen Geschichten bleiben? Eine Würdigung dieser Theorie steht nur dem Gericht zu. Das bisherige Beweisverfahren lieferte keine Hinweise auf Verleumdungen. Hingegen stecken viele Details und Gemeinsamkeiten in den Aussagen so vieler. Doch der Angeklagte bleibt dabei, es gäbe Widersprüche, Details variieren von Aussage zu Aussage. Mal seien behauptete Mitarbeiter am genannten Tag gar nicht im Dienst gewesen, mal passen Aussagen nicht zum Bettenplan, welcher Bewohner in welchem Zimmer lag. Das Aufzeigen dieser vermeintlichen Widersprüche vermisst man in den Hauptverhandlungen bisher. Das Fragerecht des Verteidigers wird nicht dazu genutzt, die Belastungszeugen auf vermeintliche Unstimmigkeiten in Details festzunageln. Eher diskutiert er mit der Richterin die Strafprozessordnung. Der Versuch, die Glaubwürdigkeit der Zeugenaussage in Zweifel zu ziehen, Widersprüche aufzuzeigen, bleibt schriftlichen Eingaben vorbehalten, welche der Öffentlichkeit nicht zugänglich sind. Der Angeklagte sieht in seinem Verteidiger dennoch den „Fels in der Brandung“, der in zahlreichen Beweisanträgen versucht, dem Gericht Sachverständigengutachten der Altenpflege abzuringen. Diese sollen die Pflegedokumentation analysieren. Aus den Auszeichnungen würde sich ergeben, dass die Angeklagten die behaupteten Übergriffe nicht verübt hätten, da in den Pflegeberichten keine Hämatome oder Wunden verzeichnet seien. Bei den Prozessbeobachtern sorgte das für Kopfschütteln. Das Gutachten könnte wohl nur die Schlüssigkeit der Pflegedokumentation prüfen, aber nicht feststellen, ob Übergriffe passiert sind, zumal im Verfahren deutlich wurde, dass die Dokumen-

tationen nicht immer vollständig geführt wurden. „Papier ist geduldig“, hieß es auf die Frage, ob immer alles eingetragen wurde. Zudem sollen die Angeklagten alle Misshandlungen so gesetzt haben, dass eben keine sichtbaren Spuren zurückgeblieben sind. Auch die Staatsanwältin hat auf ein Gutachten aus der Altenpflege bewusst verzichtet. Es gehe ihr nicht um den Vorwurf, dass schlecht gepflegt wurde, sondern dass im Rahmen der Pflege strafrechtlich relevante Übergriffe verübt wurden. Es wäre nicht lebensnah zu erwarten, dass man Spuren der Übergriffe dann in der Pflegedokumentation festgehalten hätte. Für die Angeklagten stehen zehn Jahre Freiheitsstrafe auf dem Spiel. „Es geht um mein Leben“, bricht es aus einer mehrfachen Mutter heraus. Der wichtigste Strafmilderungsgrund wäre ein reumütiges Geständnis. „Wir wären doch verrückt, etwas zuzugeben, was wir nicht getan haben“, erklärt der Angeklagte. Ob in Anbetracht des Beweisverfahrens und der Glaubwürdigkeit der Beteiligten das Gericht tatsächlich einen Freispruch spricht, wird sich im Jänner 2021 zeigen, wenn weiterverhandelt wird. Die Verteidigung pokert jedenfalls hoch. Gar nichts wird zugestanden. Die Angeklagten sehen sich vor Gericht als perfekte Pflegekräfte, die Opfer einer Intrige wurden und deren einziger Fehler es war, in einem WhatsApp-Chat Dampf abzulassen – im Sinne von beruflicher „Psychohygiene“, wie sie es nennen. Zahlreiche Fachleute weisen diese Sichtweise hingegen zurück und sprechen von keiner normalen Form der Stressbewältigung. Strittig ist zudem, wie stark die Arbeitsbelastung überhaupt war. Der Tenor: Ja, die Arbeit sei oft stressig. Aber mehrfach hört man, es habe keine Beschwerden der Angeklagten oder anderer Mitarbeiter gegeben, die Arbeitsbelastung sei durchschnittlich gewesen. „In der Pflege gibt es nie genug Personal, aber wir hatten glücklicherweise immer ausreichend Springer. Die Angeklagten waren nicht überfordert, für MFG 11 20

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sie dienten die Übergriffe einfach ihrer eigenen Belustigung“, fasst es eine Zeugin zusammen. Bald nachdem die Angeklagten entlassen wurden, tauschte der Träger nach dem Hausleiter auch den Wohnbereichsleiter aus. Seine Nachfolgerin berichtete ebenso wie weitere Pflegekräfte von der Zeit danach. Nach einigen Wochen hätten sich die Bewohner deutlich verändert. Menschen, die sich zuvor nicht waschen lassen wollten, die immer schützend den Arm über den Kopf gehoben haben, wenn man sich angenähert hat, die nichts essen und trinken wollten, sie alle seien ruhiger und entspannter geworden: „Rückblickend ist mir klar, diese Bewohner hatten alle schwere Traumatisierungen erlitten. Auch ein Dementer vergisst das nicht, er fühlt es jeden Tag.“ Die NÖ Patienten- und Pflegeanwaltschaft ist ein weisungsfreies und unabhängiges Organ des Landes NÖ. Nach den Vorfällen in Kirchstetten wurde der Bereich der Pflegeanwaltschaft ausgebaut, seither versucht das von Lisa Haderer geleitete Team, die zwischenmenschlichen Ebenen in Pflegeeinrichtungen zu durchleuchten – und ergänzt dabei den Auftrag

der behördlichen Pflegeaufsicht, die in der Landesverwaltung angesiedelt und sich eher mehr um formelle Anforderungen kümmert. Auch Haderer ist eine Expertin für das Clementinum. Wenige Wochen nach den Vorfällen erhielt sie den Auftrag rauszufinden, was dort los sei. Vor Gericht berichtete sie von unübersichtlichen Pflegedokumentationen, großem Konkurrenzdenken zwischen den Wohnbereichen und einer Sprache zwischen Kollegen, die „signifikant nicht in Ordnung war.“ Insbesondere die Rolle des Angeklagten beschäftigte das Heim noch lange nach seiner Entlassung, als Führungskraft sei er ob seines arroganten Auftretens nicht akzeptiert gewesen. Im Rahmen ihrer Recherchen habe sie die Fachbereichsarbeit des Angeklagten in die Hände bekommen, ihr Titel: „Sexuelle Orientierung im Pflegebereich.“ Während seiner schulischen Ausbildung habe er sich also intensiv mit Ethik und der Würde der Alten auseinandergesetzt, das stehe massiv im Widerspruch zu den Chatverläufen und erinnere sie an zwei verschiedene Persönlichkeiten. Auch eine andere Zeugin meinte, der Angeklagte hatte zwei Gesichter: Mit Angehörigen

SCHRECKLICHE KLISCHEES. Imagebilder zur Altenpflege zeigen stets realitätsfremde Hochglanz-Wohlfühlwelten. Selbst, wenn man Aggression darstellen will, wie hier. 14

und Vorgesetzten war er liebenswürdig und kompetent, sobald er im Zimmer mit den Bewohnern allein war: ein völlig anderer Mensch. In einer Prozesspause steht die pensionierte Gesundheitsmanagerin Regina Ertl vor dem Verhandlungssaal. Sie atmet tief ein und versucht das Gehörte mit ihrer jahrzehntelangen Berufserfahrung unter einen Hut zu bringen. „Die Pflege dementer Bewohner ist eine sehr fordernde Arbeit. Bei einem Lehrer würden wir nie auf die Idee kommen, dass er diesen Job zwölf Stunden am Stück ausüben kann. Jedem ist klar, dass es nach ein paar Stunden genug ist und man wieder Abstand braucht. Aber der Pflegekraft glauben wir, dass sie den Zwölf-Stunden-Tag gerne macht? Ich glaube, die meisten drücken lange Dienste nur deswegen durch, weil sie dann eben weniger Arbeitstage in der Woche mit Arbeit ‚angepatzt‘ haben. Für die Qualität der Pflege ist das nicht hilfreich.“ Auch wenn in diesem Strafprozess noch kein Urteil gesprochen ist, steht manches fest: Das Arbeits- und Betriebsklima, die Fehlerkultur und die Möglichkeit, vertrauensvoll Missstände melden zu können, ist auch im Bereich der Langzeitpflege eine absolute Notwendigkeit. Das aktive Hinsehen von verantwortlichen Führungskräften wird erschwert, da diese mit administrativen Tätigkeiten ausgelastet sind. So führt etwa Hellfried Blamauer, Pflegedienstleiter in einem anderen Pflegeheim und NÖ-Geschäftsstellenleiter des Österreichischen Gesundheits- und Krankenpflegeverbands (ÖGKV) ins Treffen, dass heute noch mit einem Personalschlüssel aus den 80er-Jahren gepflegt werde, obwohl die Anforderungen an das Personal seitdem um mindestens 30% gestiegen sind. Viele setzen Hoffnung in die angekündigte Pflegereform. Ob von diesen Zukunftsplänen auch die Angeklagten profitieren, wird der Ausgang des Strafprozesses zeigen. Für sie gilt die Unschuldsvermutung.


FOTO: FLORIAN SCHULTE

DAS HAUS WAR AU CH JAHRE S PÄTER NOCH IMM ER ERSCHÜ TTERT. Lisa Haderer leitet seit 2017 das Team der Pflegeanwaltschaft in NÖ. Unmittelbar nach Bekanntwerden der Vorfälle im Pflegeheim Kirchstetten wurde sie mit einer Prüfung beauftragt, seitdem begleitet sie die Einrichtung laufend. Haderer ist diplomierte Gesundheits- und Krankenpflegerin und hat mehr als 20 Jahre Erfahrung in der Pflege, zudem ist sie Mediatorin und Gesundheitsmanagerin.

Welches Bild konnten sie sich wenige Wochen nach Bekanntwerden der Vorwürfe vor Ort machen und was ist ihre Aufgabe als Pflegeanwaltschaft?

Ich erinnere mich genau an meinen ersten Tag im Clementinum. Es war ein grauer Novembertag und die Stimmung im Wohnbereich war genauso trüb und gedrückt. Unser Ziel war es mit allen Personen dort ins Gespräch zu kommen. Wir wollten rausfinden, was vorgefallen war und wie wir helfen können, die Dinge zu verbessern. Generell ist für unsere Arbeit entscheidend, dass wir aus dem Fachbereich der Pflege kommen, also genau wissen, worum es geht und wo der Schuh drückt. Das schafft Vertrauen und es redet sich leichter. Unser Auftrag ergänzt sich dahingehend zu dem der Pflegeaufsicht, wir schauen auf die zwischenmenschliche Ebene, wie es den Menschen in den Einrichtungen geht.

Während die Angeklagten die strafrechtlichen Vorwürfe abstreiten, sind die Formulierungen der WhatsApp-Gruppe unbestritten. Die Angeklagten sprechen von beruflichem Stress und Überforderung, diese Gruppe sei ein Mittel zur Psychohygiene gewesen.

Ich bin seit 21 Jahren in der Pflege. Was in diesen Nachrichten zum Ausdruck kam, war keine gängige Form der Psychohygiene, egal was uns die Angeklagten einreden wollen. Die Formulierungen signalisieren eine Entmenschlichung der Bewohner, die Grenzverluste sind evident. Nein, das ist sicher kein probates Mittel, um Dampf abzulassen. Es kann ausnahmsweise vorkommen, dass jemand mal die Türe zuknallt oder seinen Stress an einem Boxsack abbaut. Wenn wir den Chat nun auf das Bild des Boxsackes übertragen, dann haben die Angeklagten nicht ausnahmsweise mal reingehauen, sondern sie haben vielmehr nonstop wild reingedroschen. Relevant ist dabei auch, dass sich ihre Menschenverachtung laufend gesteigert hat – von Reflexion ist nichts bemerkbar. Fest steht auch, dass der Angeklagte als Pflegeberater eine Vorbildfunktion für das ganze Haus hatte. Zumindest die hätte er aufgeben müssen, wenn er sich reflektiert hätte. Und zum Argument der Arbeitsüberlastung:

„Die Formulierungen signalisieren eine Entmenschlichung der Bewohner, die Grenzverluste sind evident.“ LISA HADERER, PFLEGEANWÄLTIN

SPURENSUCHE. Laut Pflegeanwältin Lisa Haderer landen Teamkonflikte immer auch bei den Schwächsten in diesem System, den Bewohnern.

Wissenschaftlich ist nachgewiesen, dass Gewalt an Pflegebedürftigen sowohl an Orten mit hoher Arbeitsbelastung als auch an Orten mit normaler Arbeitslast anzutreffen ist. Um negative Gefühle und Grenzverluste hintanzuhalten ist vielmehr das Arbeitsklima relevant. Gerade Teamkonflikte landen letztlich immer auch bei den Schwächsten in diesem System: den Bewohnern. Vor diesem Hintergrund ist es auch völlig unrealistisch, wenn die Angeklagten behaupten, sie hätten zwar einerseits in besagtem Chat eine derartige Sprache verwendet, wären aber andererseits gleichzeitig im Umgang mit den Bewohnern zugewandt und empathisch gewesen.

Die Angeklagten bestreiten die strafrechtlich relevanten Übergriffe und Misshandlungen. Sie sehen sich vielmehr als Opfer einer Intrige.

Das Haus war auch Jahre nach den Entlassungen der Angeklagten noch immer erschüttert. Der Träger musste sich wirklich reinknien und viel Geld investieren in Traumabewältigung und Coachings damit es bergauf geht. Wenn sich ein paar Leute eine Intrige ausgedacht hätten, hätte es nicht eine so lange spürbare Erschütterung der ganzen Organisation gegeben. Nein, wegen ein bisschen Psychohygiene hätte keine Organisation so viel Geld investiert. Und man muss auch sagen, die allermeisten Mitarbeiter haben ja bei diesen Missständen nicht mitgemacht, sondern sind auch auf gewisse Art zu Opfern geworden.

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FOLGE-ERSCHEINUNGEN Die massiven Vorwürfe machten den Pflegeskandal in Kirchstetten österreichweit zum Thema. Neben Ursachenforschung und Reformplänen stand auch die Frage im Raum, ob die Beschuldigten weiterhin im Pflegeberuf arbeiten dürfen.

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ls 2017 das Ermittlungsverfahren lief, ging es neben anderen Vorwürfen auch um schweren sexuellen Missbrauch an wehrlosen Heimbewohnern. Dennoch fanden zwei der vier Beschuldigten schon kurz nach ihrer fristlosen Entlassung aus dem Kirchstettner Pflegeheim einen neuen Job. Zuerst war es der heutige Angeklagte, der bei einem früheren Arbeitgeber in Wien neuerlich anheuerte. Da dort Personalmangel herrschte, holte er nach kurzem eine der drei Ex-Kolleginnen von St. Anna nach. Jeder habe gewusst, dass sie „die aus Kirchstetten“ waren. Das sei beim Bewerbungsgespräch ein Thema gewesen, aber auch bei einem Team-Meeting, in welchem er seinen neuen Kollegen Rede und Antwort gestanden habe. Er sei nur ein Opfer einer Intrige, habe er dort erklärt. Und er betont, trotz dieser Vorbelastung habe man nichts an seiner Arbeitsweise auszusetzen gehabt. Erst nach einem Bericht der Wiener Wochenzeitung „Falter“ habe sich die Heimleitung entschlossen die beiden freizustellen. Der Fonds Soziales Wien, ein wichtiger Fördergeber des Heimes, soll Druck gemacht haben. Gekündigt wurden sie erst wesentlich später, als neue Eigentümer des Heimes offenbar einen Schlussstrich zogen. Als die Staatsanwaltschaft St. Pölten vom Wien-Kapitel erfuhr, ließ sie die beiden kurzerhand wegen Tatbegehungsgefahr festnehmen. Der Aufenthalt in der Justizanstalt St. Pölten war kurz, die Enthaftung erfolgte rasch. Jedoch nur unter der richterlichen Auflage, vorerst nicht im Pflegeberuf zu arbeiten. Um diese Frage entspann sich dann eine heftige Kontroverse. Hätte die zuständige Bezirksverwaltungsbehörde

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nicht von Amts wegen die Berufsberechtigung wegen mangelnder Vertrauenswürdigkeit entziehen müssen? Zumindest vorübergehend, bis die Ermittlungen geklärt sind und man sicher ist, dass hier nicht abartige Sadisten weiterhin auf wehrlose Menschen losgelassen werden? Die zuständige Abteilungsleiterin im Amt der NÖ Landesregierung, Elisabeth Kapral, verteidigt das Vorgehen ihrer Behörde. Es seien nur „Aussagen“ vorgelegen, aber keine gerichtlichen Entscheidungen. Die Bestimmung im Gesundheits- und Krankenpflegegesetz hätte eine Berufsuntersagung nicht hergegeben.

Tatsächlich hätte die Behörde entziehen müssen, wenn die Pflegeperson ihre „Vertrauenswürdigkeit“ verliert. Das ist laut Gesetz jedenfalls ab gewissen Verurteilungen in Verbindung mit einer negativen Zukunftsprognose der Fall. Ob schon ein Ermittlungsverfahren reicht, ist strittig. Das zuständige Gesundheitsministerium vertrat nach Bekanntwerden der Thematik die Meinung, man hätte im Anlassfall die Berufsberechtigung entziehen können. In Folge sprachen sich sowohl der NÖ Landtag als auch der Österreichische Nationalrat für eine Gesetzesreform aus, um Suspen-


FOTO: AKE1150 - STOCK.ADOBE.COM, BKA/CHRISTOPHER DUNKER

dierungen der Berufsberechtigung präziser zu regeln. Die umstrittene Bestimmung ist aber bis heute noch unverändert in Kraft. Und auch die beiden anderen Pflegehelferinnen wurden bis dato von der Behörde nicht mit einem Berufsverbot belegt. Zukunftsfit? Obwohl die Coronavirus-Pandemie das Gesundheitsressort von Bundesminister Rudolf Anschober (Grüne) im Jahr 2020 fest im Griff hat, wird im Ministerium das Projekt der Pflegereform vorangetrieben. Für das Frühjahr 2021 hat der Minister die ersten Schritte der Umsetzung angekündigt, nachdem heuer bei einer großangelegten Fragebogenaktion die Vorstellung von über 3300 Organisationen und Einzelbetroffenen erhoben wurde. Dass der Staat künftig mehr Geld

für den Pflegebereich in die Hand nehmen müsse, sei klar, wurde Anschober in diversen Medien zitiert, immerhin liege Österreich bei den Ausgaben in diesem Sektor im Europavergleich im unteren Drittel. Eine Neuordnung der Finanzflüsse sei nötig. Gemeinsam mit Gemeinden und Ländern will er auch einheitliche Standards definieren. Das wesentliche Erfolgskriterium sei, dass in Österreich bis 2030 rund 100.000 zusätzliche Beschäftigte im Pflegebereich nötig sein werden – der heute schon eklatante Personalmangel wird sich in Zukunft verschärfen, wenn nicht entsprechend ausgebildeter Nachwuchs in den Arbeitsmarkt kommt. Vielleicht erweist sich dahingehend die Corona-Krise als Glück im Unglück, als eine Chance die Aufmerksamkeit und den Fokus auf eine

REFORMBEDARF. Die Pflegereform ist, trotz Corona-Krise, im Gesundheitsressort vorangetrieben worden.

Berufswelt zu lenken, die sonst oft zu wenig beachtet wird. Und das, obwohl es sogar recht wahrscheinlich ist, dass unser Lebensglück und unsere Würde eines Tages in den Händen von Menschen liegt, die hoffentlich glücklich in ihre Arbeit fahren.

H ABEN WIR ÜBERHAU PT DI E RI CHTI G EN LEUTE IN DER AU SBI LDU N G SI TZEN ? Regina Ertl ist diplomierte Gesundheits- und Krankenpflegeperson, sie schreibt Fachbücher und arbeitete als Pflege- und Sozialmanagerin. Ihre Pflegepraxis ergänzte sie durch Lehre, Training und Beratung in Gesundheitsund Pflegeeinrichtungen sowie deren einschlägigen Bildungseinrichtungen. Durch ihre jahrelange Tätigkeit in leitenden Funktionen bei unterschiedlichen Organisationen (unter anderem Österreichisches Rotes Kreuz, Dachverband Wiener Sozialeinrichtungen, Caritas Wien, Bundesverband der Alten- und Pflegeheime Österreichs) gelang ihr ein besonderer Einblick in „die Welt von Macht und Ohnmacht“ dieses Berufsfeldes. Die Verhandlungstage des Strafprozesses, über den hier berichtet wird, hat sie aufmerksam verfolgt.

Welche Schlüsse ziehen Sie aus dem bisherigen Prozessverlauf und wie verhindern wir generell Pflegemissstände in Zukunft? Es fließt viel Geld in das System, aber mein Eindruck ist, dass man damit oft nur „Strukturqualität“ finanziert. Aufgeblasene Dokumentationen, schöne Dienstkleidungen und Zweibettzimmer sind nicht das Alleinrezept. Keine Frage, in den letzten zwanzig Jahren hat sich vieles zum Positiven entwickelt, aber das ist nur die eine Geschichte. Die andere ist, dass man auch die Ausbildungseinrichtungen in die Verantwortung ziehen muss, wenn man aus Vorfällen lernen will. Man muss sich die Dienstleistung des Pflegens an sich anschauen und die Frage stellen: ‚Haben wir überhaupt

„Was in Kirchstetten passiert ist, kann in jedem Haus passieren.“ REGINA ERTL, PFLEGEMANAGERIN

die richtigen Leute in der Ausbildung sitzen?‘ Egal, ob der Job dann Pflegeassistenz heißt, oder anders. Eine Ausbildung für so sensible Dienstleistungen an Menschen muss mit Ethik und Haltung, sowie der persönlichen Einstellung und Reflexionsfähigkeit beginnen. Aber nicht mit der Frage, wohin können wir Schüler als erstes ins Praktikum schicken, damit sie dort als billige Arbeitskräfte eingesetzt werden. Die Ausbildung muss klären, ob die Personen wirklich die nötige Empathie und Reflexionsfähigkeit für diesen Job haben. Das ist genauso wichtig, wie die Frage, ob sie ein Leintuch spannen können oder wie es um ihre Anatomiekenntnisse bestellt ist. Bei der Ausbildung in Pflegeberufen kann man Handfertigkeiten und theoretisches Wissen mit der Zeit lernen. Aber der springende Punkt ist, wie bewegt sich der Mensch unter anderen Menschen, wie kommuniziert er, wie achtsam und senibel ist er mit anderen und hat er die nötige Reflexionsfähigkeit zu sagen, dass es nicht mehr geht.

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Die Angeklagten schildern einen sehr belastenden, überfordernden Berufsalltag. Müsste da nicht der Dienstgeber schützend eingreifen? Natürlich muss eine Organisation hinschauen, wenn ein Mitarbeiter überfordert ist. Aber das ist eine Hol- und Bringschuld. Auch Mitarbeitern muss man zutrauen können, dass sie sagen: ‚Ich schaffe es nicht, es ist mir zu viel.‘ In der Langzeitpflege, gerade mit schwierigen Demenzpatienten, ist es ganz normal, dass mal ein Mitarbeiter rechtzeitig sagt: „Zu diesem Bewohner kann ich nicht gehen.“ Das muss auch möglich sein, das darf man sagen. Das liegt in der Natur dieses Jobs. Es gibt auch seriöse Methoden, um mit belastenden Situationen umzugehen.

Blenden wir die strafrechtlichen Vorwürfe vorerst aus und bleiben wir bei den Inhalten dieses Chats, die ja unbestritten sind…

Wenn ich eine Whats-App-Gruppe brauche, um mich dort auf diese Art und Weise gegenseitig zu bestärken oder um mit dieser menschenverachtenden Wortwahl Dampf abzulassen, dann muss man sich bewusst sein, dass man versagt hat und seine Eignung für den Job hinterfragen. Aber auch den Führungskräften hätte ein derart rauer Ton auffallen müssen, an dem hätten sie arbeiten müssen. Wenn dieser Chat, wie von den Angeklagten behauptet, eine gruppendynamische Handlungsstrategie war, dann war zweifelsohne Gefahr im Verzug. Das bringt mich wieder zum Anfang, zu den Prioritäten, die in der Ausbildung gesetzt werden. Zugleich muss man aber auch sehen, dass viele Ausbildungseinrichtungen unter moralischem Druck stehen, möglichst viele Absolventen hervorzubringen, weil wir ja einen massiven Fachkräftemangel haben. Das birgt immer die Gefahr, dass man das Niveau nach unten nivelliert, dass man die Erwartungshaltungen beim Lernen, bei der Sprachkenntnis nach unten schraubt und sinngemäß sagt: ‚Egal, das lernst du dann später schon noch im Praktikum.‘ Ganz schwierig sind auch die Ausbildungen, die vom AMS gefördert werden. Da sitzen oft Leute in der Schule, die man praktisch gar nicht rausschmeißen kann, auch wenn sie noch so ungeeignet sind. Oder denken wir an etwas

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„Der Pflegeberuf ist ein sehr geschützter Bereich. Man kommt kaum drauf, wenn Fehler passieren.“ REGINA ERTL, PFLEGEMANAGERIN

typisch Österreichisches, wenn etwa ein Gemeinderat anruft und diese Person dann ziemlich fix ihren Abschluss macht… Man kann nur an die Ausbildungseinrichtungen appellieren, dass sie allein es sind, die entscheiden, wer einen Abschluss bekommt und welche Inhalte Priorität haben.

Welchen Stellenwert hat die Praxis im Rahmen der Ausbildung?

Die duale Ausbildung beinhaltet sowohl theoretische als auch praktische Teile. Die Leute gehen also schon während ihrer Ausbildung im Rahmen von Praktika in verschiedene Einrichtungen. Dabei muss man sich diese hohe Bildungsverantwortung der Praktikumsstellen bewusst machen. Diplomierte Pflegekräfte wie der Angeklagte bilden dann die nächste Generation der Praktikanten aus. Jemand der in seinem Berufsalltag womöglich ohnehin schon überfordert ist, der soll dann Praktikanten beurteilen. Vor diesem Hintergrund zweifle ich auch an der Aussagekraft vieler Praktikumsbeurteilungen. Viele Mitarbeiter in den

Einrichtungen sind nicht unbedingt state-of-the-art und haben wenig Zeit für Begleitung und Anleitung der Praktikanten. Für viele Einrichtungen sind diese einfach billige Arbeitskräfte. Als Praktikumsstelle laufe ich auch Gefahr von der Schule in Zukunft keine Praktikanten mehr zu bekommen, wenn ich zu kritisch bzw. schlecht beurteile.

Ist die Zukunft der Pflegeberufe eine große Baustelle?

Würde man konsequenter an dieses Thema herangehen, würde sich auch Attraktivität und Image des Berufsfeldes verbessern. Aber wie soll das gelingen, wenn man aus dem letzten Loch pfeift, weil man so großen Personalbedarf hat? Es reicht jedenfalls nicht, dass man Prospekte auf den Markt schmeißt von wegen: „Den Mensch in den Mittelpunkt“ und die Würdefrage großschreiben, aber dann stimmt es so gar nicht mit der Realität zusammen. Ich kann mir bei den heute Angeklagten nicht vorstellen, dass diese im Rahmen ihrer Ausbildung nicht aufgefallen sind. Auch hier haben


FOTO: DACHVERBAND HOSPIZ ÖSTERREICH/APA FOTOSERVICE/HÖRMANDINGER, ZI3000 - STOCK.ADOBE.COM

Ausbildungseinrichtungen eine große Verantwortung. Wenn man nicht gut begleitet wird, ist man als Pflegekraft schnell in der Position des Mächtigen. Da ist es wichtig genau hinzuschauen, wieso jemand in die Position will, einem anderen zu helfen. Denn das muss nicht immer bedeuten, dass der Pfleger seine Tätigkeit auf Augenhöhe machen will. Vergessen wir nicht: In der Pflege hat eine einzelne Person ein unfassbares Machtreservoir.

Ist es nicht so, dass viele Angst haben im Job Fehler zu machen und Probleme zu bekommen?

Wenn die Frisörin beim Haare färben den Ton nicht genau erwischt, ist der Fehler sofort offensichtlich und sie muss dafür einstehen. Der Pflegeberuf ist dahingegen meiner Meinung nach ein sehr geschützter Bereich. Man kommt kaum drauf, wenn Fehler passieren. Die meiste Zeit ist man mit den Bewohnern allein, ist unbeobachtet und kann ungestört arbeiten. Auch die Angehörigen sind oft machtlos und artikulieren ihren Unmut in der Sorge nicht, dadurch die Situation für den Bewohner weiter zu verschlechtern. Im Prozess war oft von Pflegedokumentation die Rede, vom Kontrollieren, ob jedes Kasterl abgehakt wurde. Aber wie wir auch gehört haben: Papier ist geduldig. Es gibt jedenfalls keine verlässliche Auskunft über die unmittelbare Leistungsqualität der Arbeit am Bewohner. Die Kontrolle war dann auch oft nur eine Analyse der Dokumentation, aber keine echte Pflegevisite im Sinne davon, dass ein Dritter die Bewohner pflegt und schaut, ob alles so ist, wie es sein soll. Eine wirkliche Verbesserung wäre duales Arbeiten, wenn man also die oft auch körperlich und psychisch schwierige Arbeit zu zweit meistert. Das schafft automatisch mehr Achtsamkeit für den Bewohner und stärkt die Mitarbeiter, ist aber natürlich teurer und in Anbetracht des Personalmangels oft nicht realistisch. Vielleicht könnte man so auch Praktikanten besser ausbilden. Zudem würde das Machtpotential des Einzelnen schrumpfen.

Könnte ein österreichweit verpflichtender Leitfaden für den Umgang mit Aggression und Gewalt derartige Vorfälle verhindern?

Ich glaube am effizientesten ist es, wenn man bei der Ausbildung beginnt. Die angesprochenen Richtlinien zum Umgang mit Gewalt sind ohnehin in allen Einrichtungen gelebte Praxis. Ich glaube es gibt Angebote ohne Ende für einschlägige Trainings und Weiterbildungen. Nur der Punkt ist, das passiert alles auf Papier. Entscheidend ist, was vor Ort gelebt wird. Ein Problem ist sicher, dass die Wohnbereichsleiter viele administrative Aufgaben haben und so keine Zeit bleibt, um ihr Personal und die Bewohner im Alltag zu begleiten. Bei Stress und Arbeitsüberlastung denkt man dann oft nur mehr in standardisierten Arbeitsabläufen wie Blutdruckmessen oder Medikamentenausgabe und verliert den Blick auf den Bewohner. Wird dann jemand beim Waschen aggressiv, wird diese Pflegesituation als normal hingenommen, man findet sich mit diesem erschwerenden Verhaltensmuster ab, anstatt die Ursache zu eruieren. Bei der Pflegekraft bleibt über: Damit musst du jetzt halt fertig werden. Anstatt dass man sich fragt, was man tun kann, um das Leben des Bewohners zu verbessern und seine Würde zu wahren.

Sind in Kirchstetten zu viele unglückliche Umstände zusammengekommen: individuelles Fehlverhalten und überforderte Führungskräfte?

Kirchstetten war kein Ausnahmesetting. Die im Prozess beschriebenen Strukturen sind vergleichbar mit vielen anderen Häusern. Was in Kirchstetten passiert ist, kann in jedem Haus passieren. Das ist das eigentlich Beunruhigende. Viele Häuser werden sagen: „Na Gott sei Dank ist das nicht bei uns passiert!“ Weil sie wissen, es kann auch bei ihnen passieren. Für mich ist an diesem Fall aber bemerkenswert, dass ihn eine „einfache“ Pflegehelferin ins Rollen gebracht hat. Weil sie aufgestanden ist, gegen einen Diplomierten und die übergeordneten Führungskräfte, die ja alle nichts mitbekommen haben wollen. Sie wusste auch nicht, wie der Dienstgeber reagieren würde. Das ist schon ein Wunder! Diesen Mut muss man mal haben, in einem Berufsumfeld, wo selbst zentrale Pflegedienstleitungen in großen Häusern sich nicht trauen öffentlich ihre Meinung zu sagen.

KOLUMNE BEATE STEINER

ABSTINENZ Einsam hält die Silberfichte die Weihnachts-Stellung. Keine weihnachtlich geschmückten Standl verdecken die Pestsäule, keine Weihnachtsmusik erklingt in Dauerschleife, kein Punschduft liegt in der Luft. Am Rathausplatz ist Lockdown-Weihnacht angesagt. Nein, nicht ganz. Eine unbeugsame Wirtin trotzt dem punschlosen Unglück, lockt mit wärmenden Getränken zum coronagerechten Verweilen auf dem Rathausplatz. Schön. Wer mit einem warmen Getränk in der Hand auf einer Schafwolldecke in der Kälte sitzt und plaudert, fällt nicht in dumpfe Depression, wenn er daheim liest und hört, was DIE alles mit uns vorhaben. Die Echsen nämlich, die in Gestalt von Angela Merkel die Welt regieren. Gruselig dunkle Kräfte werden die Herrschaft an sich reißen, weitere Viren werden aus Labors von chinesischen Frankensteins entspringen, Chips werden bei Impfungen in unsere Blutbahn implantiert – was hat Bill Gates da eigentlich davon? Wurscht, Logik ist überbewertet, was zählt ist das Feeling, das angenehme Kribbeln im Bauch, aus Neugierde, aus Schadenfreude, und dann das Gefühl: Ich weiß mehr, ich kenn‘ das Geheimnis. Diese verkehrte Welt macht allerdings einen Dialog unmöglich, die kluge Regel „Hör‘ Dir den anderen an“ (audiatur altera pars) gilt nicht mehr. Was dagegen hilft, wenn deshalb Verzweiflung hochkriecht? Abstinenz von Plattformen, in denen alternative Nachrichten verbreitet werden, abdrehen, wenn Politiker Fake News verbreiten – und Punschtrinken mit Elefantenabstand auf dem Rathausplatz. Prost!

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HEAVYSTUDIOS | FOTOS: FOTODIAZ

WERBUNG IN CORONA-ZEITEN

EMOTIONALE GESCHICHTEN STATT ABGENUTZTER PHRASEN Die Pandemie läutet eine neue Konsum-Ära ein: Die Märkte der Zukunft sind Sinnmärkte. Im Wettbewerb überzeugt man dann nicht mehr nur durch Fakten, sondern vielmehr durch Emotionen. Die Werbeagentur Heavystudios hat den Lockdown genutzt und ein eigenes Programm für zukünftige Markentreue entwickelt: die Pop-Up Story. Lockdown, Wertewandel und Österreichurlaub: Konsumenten lernen, sich neue Verhaltensweisen anzueignen. Und wer sich anders als bisher verhält, vertritt bald auch andere Wertebilder. Pandemiebedingt entsteht eine neue Vernetzung, weil Menschen ihre Sozialität aufrecht erhalten wollen. Man sucht Emotion, Nähe und Sinnhaftigkeit, nicht nur zwischenmenschlich, sondern genauso in der Wirtschaft. In dieser Sinnsuche müssen auch Marken Flagge zeigen und entsprechende wie glaubwürdige Werte zum Ausdruck bringen. Welche Auswirkung haben diese aktuellen Ereignisse auf krisengebeutelte Unternehmen? Die ewig gleichen Werbesprücherln vom „Top-Service“ oder von „maßgeschneiderten Lösungen“ sind passé.

Marketing 2021 braucht mehr emotionale Welten statt x-beliebiger Produktversprechen Überzeugendes Storytelling, also das Erzählen von besonderen Geschichten, ist in dieser neuen Marktsituation ein unschlagbares Werkzeug. Damit können Unternehmen

Kunden legen nicht nur das Produkt, sondern auch die mitgelieferte Emotionalität in den Warenkorb, ist Helmut Niessl überzeugt.

von sich erzählen – was sie antreibt, was sie bezüglich Wertewandel in der Gesellschaft beitragen. Kreativität dient hier nicht der marktschreierischen Aufmerksamkeit, sondern dem Kernfinden. Dort liegen die besten Geschichten, um Konsumenten für neue Wertangebote zu mobilisieren. Es lohnt sich also, Prinzipien zu hinterfragen. Genau das passiert beim Programm „Pop-Up Story“. Gespickt mit spielerischen Workshops und außergewöhnlichen Designs im Ergebnis.

Das Agenturprogramm: strategisches Storytelling für buchstäblich „wert-volle“ Angebote Die Crew rund um Helmut Niessl hat sich vom Konzept der Pop-Up Stores inspirieren lassen. Solche Geschäfte sind schnell, kombinieren Altbewährtes mit Neuartigem und finden an ungewöhnlichen Schauplätzen statt. Und sie schaffen neue Erlebnisse: Diesen Anspruch haben auch die St. Pöltner Kreativen für ihre Kunden. Sie haben einen eigenen Prozess entwickelt, damit Firmen „über ihre Produkte hinaus“ auf dem Markt aufschlagen. Jeder erarbeitete Baustein wird für den Medieneinsatz in einem Handbook abgelegt. Im Prozess lernen die Teilnehmer wie man Emotionen und Kaufmotive einzelner Konsumenten unterscheidet. So wird Werbung zukunftsfit gemacht: Sie wird schneller, prägnanter und vor allem relevanter. Denn Phrasendreschen war gestern. INFOS & KONTAKT Tel 02742/310509 www.popupstory.at „Innovation by Design“ gilt bei Heavystudios: Mit dem neuen 90-Tage-Programm „Pop-up Story“ erreichen Unternehmen neue Kundensegmente.

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IST ST. PÖLTEN (K)EIN „GUTES PFLASTER“ FÜR DSCHIHADISTEN? Zwei Festnahmen in Folge des Wiener Terroranschlages und weitere islamistische Vorfälle der vergangenen Jahre werfen eine Frage auf: Hat St. Pölten ein Islamismus-Problem? MFG fragte bei Stadt, Polizei und Islamvertretern nach.

A

m Morgen des 3. November, wenige Stunden nach dem islamistischen Terroranschlag des Vorabends in Wien, klicken in der St. Pöltner Fuhrmannsgasse und Probst-Führer-Straße die Handschellen. Polizeikommandos verhaften zwei junge Männer, mutmaßliche Radikalislamisten und Kontaktpersonen des Wiener Attentäters. Zumindest einer von ihnen sitzt wegen des Verdachts der Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung in U-Haft. Wenn es um islamistische Umtriebe in Österreich geht, stehen vor allem Wien und Graz im Fokus der Behörden. In Niederösterreich spielt neben Wiener Neustadt und Neunkirchen auch St. Pölten diesbezüglich eine gewisse Rolle.

15 Terror-Fälle in 10 Jahren Genaue Zahlen für St. Pölten und das Umland liefert die Landespolizeidirektion NÖ. „In den vergangenen zehn Jahren hatten wir hier 15 Fälle, in denen wir wegen Straftaten mit Terrorbezug ermitteln mussten“, erklärt LPD-Pressesprecher Johann Baumschlager. Es ging um die Tatbestände „Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung“, „Terrorfinanzierung“ und „Gutheißen terroristischer Straftaten“. Feste Strukturen konnten die Ermittler jedoch nicht ausmachen. Es gebe keine Hinweise über Netzwerke, wie etwa der Muslimbrüder. Baumschlager spricht daher von „vereinzelten Tendenzen einer latenten islamistischen Szene“ in der Stadt. Von einer kon22

SCHOCK. Ein Lichtermeer erinnert der Opfer des Wiener Terroranschlages vom 2. November. Am nächsten Tag gab es in Folge dessen in St. Pölten zwei Verhaftungen.

kreten Terrorgefährdung werde jedenfalls nicht ausgegangen. Junge Männer als Dschihadisten „Bei diesen Verdächtigen und Tätern der letzten zehn Jahre handelte es sich durchgehend um junge Männer“, konkretisiert Baumschlager. Bundesweite Schlagzeilen machte der mit Abstand Jüngste unter ihnen: Anfang 2015 wurde ein 14-Jähriger St. Pöltner Alevit wegen „Terroristischer Vereinigung“ und „Anleitung

zur Begehung einer terroristischen Straftat“ zu zwei Jahren Haft, davon acht Monate unbedingt, inklusive verpflichtender Psychotherapie verurteilt. Er hatte sich über IS-InternetPropaganda radikalisiert und über den Bau einer Bombe, mittels derer er den Wiener Westbahnhof sprengen wollte, informiert. Weitere islamistische Vorfälle ereigneten sich im islamischen Gebetsraum des Uniklinikums St. Pölten. Hier hatten vier Männer im Alter zwischen 17 und


TEXT: JOHANNES MAYERHOFER | FOTO: MARKO - STOCK.ADOBE.COM

23 potentielle IS-Kämpfer zu missionieren und rekrutieren versucht, Anfang 2017 wurden diese vom Staatsschutz gestoppt. Bei einem von ihnen und einem fünften jungen Mann handelt es sich übrigens um die beiden jüngst Festgenommenen. Gefahr auch von Konvertiten Gibt es bestimmte nationale oder ethnische Gruppen, die für islamistische Radikalisierung besonders anfällig sind? „Eingrenzungen auf bestimmte Nationalitäten sind nicht möglich“, hält Baumschlager fest. „Auch Österreicher können zum Islam konvertieren und sich radikalisieren.“ Wer jedoch die Gerichtsberichterstattung aufmerksam studiert, merkt, wie häufig von tschetschenischen und nordmazedonischen Verdächtigen und Verurteilten zu lesen ist. So handelte es sich beim Wiener Attentäter, den beiden jüngst festgenommenen St. Pöltnern sowie den Gebetsraum-Missionierern fast durchgehend um Angehörige der beiden Gruppen. Im Rahmen einer Reportage zu Aktivitäten der rechtsextremen „Identitären Bewegung“ in St. Pölten (siehe MFG Nr. 72) konnte das MFG-Magazin im August 2019 auch Gespräche mit einem Afghanen führen, welcher nach eigenen Angaben von Tsche­ tschenen bedroht wurde, weil er den Islam abgelegt hatte. Er suchte um Polizeischutz an. BMI und BVT halten sich bedeckt Wenig Konkretes ergab eine Anfrage beim Innenministerium und dem Bundesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung. Man werde „keine Einschätzungen zu einzelnen Städten oder Regionen“ abgeben. Man wolle jedoch betonen, dass die „überwiegende Mehrheit der in Österreich lebenden Muslime ein friedliches Zusammenleben sucht“ und ein „Generalverdacht gegen Muslime unzulässig“ sei. Aus der LPD NÖ heißt es, dass die Situation gerade „angespannt und heikel“ sei, weshalb nur wenige Informationen nach Außen gegeben werden können.

Stadt setzt auf Präventionsarbeit Die Stadt St. Pölten setzt beim Thema Radikalisierung und Terrorismus vor allem auf Präventionsarbeit. Dazu muss erst einmal Verständnis darüber bestehen, wie Radikalisierung funktioniert. „Menschen radikalisieren sich meist nicht alleine, sondern in einer Bezugsgruppe. Studien zeigen, dass Peer Groups und persönliche Kontakte oft mehr Einfluss haben, als das Internet oder Kontakte zu Imamen“, erklärt Martina Eigelsreiter, Diversitätsbeauftragte der Stadt. Oft stammten radikalisierte Personen „aus einer sozial schwächeren Schicht, was als zusätzlicher Faktor in den Diskriminierungserfahrungen und Radikalisierungsprozessen eine Rolle spielt.“ Neben dem interreligiösen Dialog unterstütze die Stadt Projekte, die sich kritisch mit demokratischer Teilhabe und gesellschaftlicher Vielfalt, mit Islam und Islamfeindlichkeit, mit Antisemitismus und Propaganda auseinandersetzen. St. Pölten sei Heimat mehrerer stark muslimisch geprägter nationaler Gruppen, darunter etwa 1.300 Türken, 800 Syrer, 700 Personen aus Bosnien und Herzegowina, 600 Afghanen. Tschetschenen sind Teil der rund 800 St. Pöltner mit russischer Staatsbürgerschaft. Hinsichtlich der herausragenden Stellung, welche Vereinen und Verbänden im Rahmen der Integrationspolitik zugeschrieben wird, warnt Eigelsreiter vor einer Fehlannahme: „Diese werden oft als Ansprechpartner angesehen, um ‚die Zielgruppe‘ zu erreichen. Das ist problematisch, da viele Personen der ‚Zielgruppe‘ eben nicht in Vereinen organisiert sind.“ Angebote müssten auch auf diese große Zahl der NichtOrganisierten abzielen. Wenig auskunftsfreudig Die hiesigen islamischen Einrichtungen zeigten sich wenig auskunftsfreudig zum Thema „Islamismus/ Dschihadismus“. Weder gab es ein Statement von der St. Pöltner As Salam-Moschee, noch wollte sich Isik Mehmet vom Islamischen Kulturund Wohltätigkeitsverein St. Pölten

und Ex-Vorsitzender der Islamischen Glaubensgemeinschaft NÖ äußern. Antwort kam schließlich von der IGGÖ-Pressestelle, welche auf ihre Bemühungen verwies: „Wir haben eine Präventionsstelle gegen Extremismus eingerichtet, von der aus Moscheenpersonal und Imame geschult werden. Ein wichtiges Mittel ist aus unserer Sicht auch ein inhaltlich qualitätsvoller Islamunterricht.“ Aziz Pek, aktueller IGGÖ-Vertreter für Niederösterreich, sei in engem Austausch mit Sicherheitsbehörden, Bürgermeistern, anderen Religionsgemeinschaften, um diverse Projekte auszubauen, u. a. im Feld der Jugend- und Sozialarbeit und Extremismusprävention. Die IGGÖ verteidigt sich auch gegen die regelmäßige Kritik, von Gruppierungen gelenkt zu werden, die selbst dem Islamismus, türkischen Nationalismus und Antisemitismus nahestehen. Die IGGÖ spricht diesbezüglich von „kultureller und religiöser Heterogenität“. Zahlreiche Recherchen, wie jüngst vom „Standard“, verweisen jedoch darauf, dass Erdogan-Anhänger vom „Atib“-Verband, Vereine mit Nähe zu den „Grauen Wölfen“ und die Milli Görüs-Bewegung großen Einfluss ausüben. Daneben existiert noch die zweitgrößte Fraktion der Bosnier – Albaner, Araber und asiatische Gemeinden hätten hingegen „nichts zu melden“. Der Vorwurf: Die IGGÖ sei daher keine Organisation der „muslimischen Mitte“ Österreichs, sondern in großen Teilen das ausländisch finanzierte Sprachrohr des streng konservativen bis weit rechten Flügels der türkischen Bevölkerung. „Das sind Organisationen, die zwar physisch hier sind, ihre geistigen Wurzeln aber im Ausland haben. Dementsprechend bekommen sie ihre Anweisungen auch von dort“, so Islamwissenschafter Ednan Aslan gegenüber dem Kurier. Nun sind Islamismus und Dschihadismus nicht deckungsgleich. Es stellt sich aber die Frage, ob die IGGÖ ein echter Partner im Kampf gegen Radikalisierung sein kann. Jetzt ist die Stunde, dies zu beweisen. MFG 11 20

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ST. PÖLTEN WÄHLT Auch wenn sich aktuell alles um Corona dreht – es wird auch eine Zeit danach geben. Für diese werden bei den St. Pöltner Gemeinderatswahlen am 24. Jänner die Weichen gestellt. Wir baten die Spitzenkandidaten der bislang im Gemeinderat vertretenen Parteien zum Gespräch.

SPÖ

MATTHIAS STADLER Die SPÖ – von vielen totgesagt – hat zuletzt in Wien leicht zugelegt. Stimmt Sie das positiv, oder bereitet Ihnen eher die Tatsache Kopfzerbrechen, dass die ÖVP bei den Nationalratswahlen 2019 in St. Pölten erstmals seit 1945 vor der SPÖ gelegen ist? Natürlich kommt es mitunter vor, dass gewisse Trends auch auf die Lokalebene durchfärben, aber prinzipiell wissen die Leute schon ganz gut zwischen den verschiedenen Wahlgängen zu unterscheiden. Das Wahlverhalten ist heute viel flexibler als früher. Ich bin jedenfalls guter Dinge: Wir haben uns trotz aller Schwierigkeiten in den letzten Jahren wie Finanzkrise, Asylkrise, aktuell Coronakrise gut geschlagen, zahlreiche Großprojekte wurden wie versprochen umgesetzt – sogar mehr als geplant. Zugleich liegt bereits ein ambitionierter Plan für die nächsten Jahre vor, den ich mit einem breit aufgestellten Team, das die Bevölkerungsstruktur unserer Stadt widerspiegelt, umsetzen möchte. Überrascht Sie eigentlich die Debatte rund um den Wohnbau bzw. dass St. Pölten in den Augen manch Bürger zu schnell wächst? Können Sie diese Bedenkekn nachvollziehen, zumal bis vor einigen Jahren das Gegenteil gefordert wurde? Ich kann es sehr gut nachvollziehen. Wir sind einfach eine Stadt im Wandel, das merkt man an allen Ecken und Enden, und das verunsichert manche. Ich möchte es aber positiv 24

beurteilen: Vor ein paar Jahren waren wir noch uninteressant für Investoren. Durch die neue Westbahn, die rasche Verbindung zum Flughafen und weil die Stadt – nicht zuletzt dank guter Politik – immer lebenswerter wird, hat sich dies gewandelt: Mittlerweile sind wir selbst am Radar internationaler Investoren, und es ziehen Menschen – viele aus dem Wiener Raum – zu, weil sich die großartige Wohnqualität St. Pöltens herumgesprochen hat. Das ist in Wahrheit eine große Anerkennung. Wobei ja die Befürchtung der Kritiker jene ist, dass es durch den Zuzug mit der Lebensqualität

irgendwann vorbei sein könnte. Wir wachsen aber nicht unkontrolliert, sondern langsam und gesund, was der Stadt insgesamt zugutekommt. Pro Jahr ziehen etwa 600700 Personen zu. Und es wird auch nicht wild gebaut, sondern – das möchte ich vielleicht einmal bewusst machen – auf Grundstücken, die großteils schon seit Jahren, ja seit Jahrzehnten als Bauland gewidmet sind. Das ist vielen nur nicht aufgefallen, weil die benachbarte brachliegende Wiese eben kein Interesse weckte. Das hat sich mit der nunmehrigen Dynamik, die wir uns immer für die Hauptstadt gewünscht haben, geändert.


TEXT: JOHANNES REICHL, BEATE STEINER | FOTOS: MATTHIAS KÖSTLER, ELIAS KALTENBERGER, NEOS NÖ/KARL STADLER

Und die Dynamik ist im Griff? Unser Ansatz ist primär Verdichtung, was vor allem den innerstädtischen Bereich betrifft: Das heißt, wo bereits Infrastruktur vorhanden ist, die damit besser und wirtschaftlicher ausgelastet werden kann, wo als Bauland gewidmete Baulücken bestehen, dort halten wir die Verwertung für sinnvoll. Bauen auf der grünen Wiese oder in den Randgebieten wäre hingegen widersinnig. Diesbezüglich, auch im Hinblick auf die Art des Bauens, haben wir zuletzt etwa Schutzzonen definiert und einen Baubeirat installiert, wobei ich eines offen einräume: Natürlich gefällt mir auch nicht alles, was gebaut wird, aber wenn es im Rahmen der Gesetze abläuft, kann ich da als Bürgermeister wenig ausrichten. Wir leben in einem Rechtsstaat und der Bürgermeister ist ja kein Diktator – zum Glück! Aufhorchen ließen Sie zuletzt mit einem Grünraumprojekt, dem „Südsee“. Wahlkampfgag oder Substanz? Wer mich kennt, weiß, dass hinter unseren Projekten klare Planungen stecken, die auch über die Kurzfristigkeit hinausgehen – wenn ich etwa an die Sicherung des Truppenübungsplatzes in Völtendorf für die kommenden Generationen denke, oder den Sturm 19 Park, den wir jetzt in Umsetzung bringen. Auch der „Südsee“ – wir kaufen in dem Bereich seit geraumer Zeit Grundstücke zu – soll realisiert werden. Das geht zwar nicht von einem Tag auf den anderen, weil wir mit einer Umweltverträglichkeitsprüfung rechnen, andererseits bin ich guter Dinge, dass sich diese nicht ewig hinziehen wird, weil ich mit wenigen Einsprüchen rechne. Die Resonanz ist eher: eine geile Idee! Kann man die genannten Projekte auch ein bisschen als Charmeoffensive bzw. Ablenkungsmanöver zur AltoonaPark-Diskussion sehen? Eine Bürgerplattform befürchtet ja aufgrund der dort geplanten Er-

richtung des KiKuLa eine Vernichtung von Grünraum. Unterschriften zur Erhaltung des Parks werden gesammelt. Der, das schicke ich jetzt gleich voraus, auch erhalten bleibt, ja im Gegenteil sogar eine Aufwertung erfährt! Wir haben für die Standortsuche eigens ein Expertengremium beauftragt, das 27 Liegenschaften auf ihre Eignung im Hinblick auf die wichtigsten Projektkriterien abgeklopft hat: Fußläufigkeit zum Bahnhof, weil viele Schulen kommen werden; Stärkung der Verbindung zwischen Innenstadt und Regierungsviertel; Park- und Freizeitflächen, damit die Kinder sich auch outdoor kreativ betätigen können. Letztlich ist aus allen 27 Optionen der Altoona-Park als die mit großem Abstand geeignetste hervorgegangen – das werde ich jetzt nicht einfach vom Tisch wischen und eine schlechtere Variante wählen. Zumal es, wie gesagt, einfach nicht stimmt, dass der Park wegkommt und auch der viel diskutierte Mammutbaum bleibt erhalten. Ganz im Gegenteil wird dort ein richtiger öffentlicher Park entstehen, der diesen Namen auch verdient, weil man dort gern verweilt. Das ist heute nicht der Fall, schauen Sie einmal vorbei – egal wann. Beim KiKuLa gab es Partizipationsprojekte. Trügt der Schein, oder tut sich die SPÖ leichter Bürgerversammlungen abzuhalten, als einen kollegialen Umgang mit der Opposition zu pflegen? Letztere hat etwa in Bezug auf den Domplatz beklagt, dass man nicht eingebunden wird, Dinge aus den Medien erfährt, dann aber mitstimmen soll. Prinzipiell haben wir mit allen Parteien eine Gesprächsbasis. Aber wenn behauptet wird, man weiß

BÜRGERMEISTER. Matthias Stadler schlägt seine 4. Gemeinderatswahl. nichts, dann stimmt das schlicht nicht – der Vizebürgermeister selbst war bei diversen Partizipationssitzungen dabei, auch bei Besprechungen im Rathaus. Der Domplatz als Teil des Landeskulturhauptstadprojektes ist zudem mit dem Land akkordiert, wohin man sicher auch einen guten Draht hin hat. Vielleicht ist die ÖVP eher im Dilemma, dass man zu spät die Kurve gekratzt hat. So wie man ja jetzt auch zu viel Wohnbau beklagt, obwohl man bei der letzten Wahl noch eine Wohnbauoffensive eingefordert hat! Diese 180 Grad Wendungen, wenn man nur der Tagespolitik nachhetzt und auf die Vergesslichkeit der Bürger hofft, das ist nicht meine Politik, und ich glaube am Ende des Tages kommt das auch beim Wähler nicht gut an. Parken und Domplatz: Die Tiefgarage unterm Bischofsgarten als Ersatzparkfläche kommt? Meines Wissens ist die Diözese in den Endverhandlungen mit potentiellen Parkgaragen-Betreibern. Es dürfte also alles auf Schiene sein. Um beim Domplatz zu bleiben: Da hat der neue, überdimensio-

„Wir bauen nicht wild, sondern auf Grundstücken, die großteils seit Jahrzehnten dafür gewidmet sind.“ BGM. MATTHIAS STADLER MFG 11 20

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nale Fahrradabstellplatz für Kopfschütteln gesorgt. Denkt man sich da als Bürgermeister manchmal: „Alter, welcher Beamte hat mir dieses Ei wieder gelegt“, wo der Domplatz in Sachen Parkplatz doch ohendies ein so heikles Thema ist? Nein, überhaupt nicht. Die Frage war schlicht, welche Übergangslösung wir umsetzen – im nächsten Jahr wird ja wieder aufgegraben. Neben Parkplätzen und Ladezone wollten wir auch ganz bewusst – und das ist sozusagen ein Testballon, der dann evaluiert wird – einen großzügigen Fahrradparkplatz schaffen. Fahrrad und Innenstadt ist nämlich ein leidiges Thema. Viele Geschäftstreibende wollen keine Fahrradständer vor ihren Schaufenstern, beklagen, dass Räder an Blumenrabatten lehnen oder Hausfassaden zerkratzen. Daher die Idee zu einer großzügigen Lösung, wo man zentral sein Fahrrad in der Nähe der Geschäfte abstellt, ohne Unmut zu produzieren. Schauen wir mal, wie das Angebot angenommen wird. Letztlich wollen wir damit, wie etwa auch mit der neuen Fahrradgarage samt

Schließfächern in der Schreinergasse, den Servicecharakter der City erhöhen. Ich kann jedenfalls nur appellieren: Nutzen Sie, so möglich, diese neue Möglichkeit und kommen Sie mit dem Rad. Das führt uns zum Verkehr. Ich möchte jetzt nicht auf das schon oft abgehandelte Thema S34 eingehen, sondern mich würde viel mehr eine Nebenfront interessieren, die zwar immer wieder aufpoppt, aber doch nie über leere Worthülsen hinauszukommen scheint: eine Schnellbahn in der Nord-Süd-Achse zwischen Herzogenburg bis Wilhelmsburg. Ich glaube, ich trommle dieses Thema, wie überhaupt die Verdichtung des öffentlichen Verkehrs im NÖ Zentralraum, bereits den dritten Wahlkampf hindurch – und ich werde diesbezüglich auch nicht lockerlassen. Und es tut sich ja auch etwas: So ist etwa die Elektrifizierung der Traisentalbahn im neuen Rahmenplan der ÖBB fixiert. Und auch wenn ich mir eine andere Prioritätensetzung gewünscht hätte, so ist dies sehr positiv. Zuletzt wurde auch in die Bahnstrecke nach Süden investiert, dort fährt man teilweise sogar schon im Halbstundentakt, wobei es auch Investitionen in Wagenmaterial, weitere Taktverdichtung und Haltestellen bedarf. Wichtig ist freilich, den Verkehr gesamtheitlich zu betrachten, weshalb es zugleich eines Ausbaus des überregionalen Busnetzes bedarf, um Bus und Schiene im Zentralraum ideal zu verknüpfen. Mit dem LUP haben wir vorexerziert, wie man das gut aufsetzen kann, viele Nachbargemeinden sind interessiert. Wenn wir es schaffen, da eine starke Marke zu kreieren bis hin zum gemeinsamen Ticketing & Co., das wäre ein Meilenstein! Ich denke, das hat mittlerweile auch das

Land erkannt, dass man sich nicht nur auf den Wiener Speckgürtel konzentrieren darf, wohin die meisten Gelder fließen, sondern dass die verkehrstechnische Verdichtung der Hauptstadtregion nicht minder von Bedeutung ist! Völlig erlahmt scheint der groß, ja gar als „Revolution“ angekündigte Jugendentwicklungsplan „Limelight“ zu sein. Trügt der Schein – auch wenn man jetzt zeitgerecht vor der Wahl zwei neue Proberäume eröffnet hat – dass man auf die Jugend mitunter vergisst? Ja, der Eindruck täuscht gewaltig. Limelight wurde 2005 präsentiert, das war noch eine andere Zeit, als quasi Jugendkonzepte aufgestülpt wurden. Mittlerweile haben wir ganz andere, unterschwellige Kommunikationskanäle – das Jugendzentrum, Streetworker, Vereine. Die Stadt steht dadurch in direktem Kontakt mit der Jugend, die ihrerseits immer öfter Eigeninitiative ergreift – wenn ich etwa an den Calisthenics Park beim Ratzersdorfer See denke – wo wir bei einer gemeinsamen Realisierung helfen, oder aktuell an das Jugendprojekt in Harland, das wir gemeinsam mit den Jugendlichen vorort umsetzen. St. Pölten ist heute jedenfalls viel attraktiver für Jugendliche als früher. Zu meiner Zeit sind wir am Wochenende noch nach Krems gefahren, heute hat St. Pölten eine eigene Szene. Die Bildungs- und Freizeitmöglichkeiten sind gestiegen, und vom Mehr an Veranstaltungen, von Frequency & Co. spreche ich noch gar nicht – das war für uns Science Fiction! Für Science Fiction hielt man bis vor einem Jahr auch noch eine Pandemie wie Covid-19. Vor drei Monaten führten wir diesbezüg-

„Der Altoona-Park ist aus 27 Optionen mit großem Abstand als die geeignetste für das KiKuLa hervorgegangen.“ BGM. MATTHIAS STADLER 26


ST. PÖLTEN WÄHLT

dem St. Pölten 20er zum Kauf bei heimischen Bertrieben zu animieren! Bleiben die gesamtwirtschaftlichen Folgen: Arbeitslosigkeit, Firmenpleiten, klaffende Löcher in den öffentlichen Haushalten. Da kommen viele Herausforderungen auf uns zu.

ABSOLUTE. Die SPÖ St. Pölten ist eine der letzten roten Hochburgen.

lich ein Gespräch – da waren gerade 16 Personen infiziert. Mittlerweile sind es über 400. Was heißt das für die Zukunft? Das ist noch kaum absehbar. Corona wird uns jedenfalls noch lange beschäftigen, auf vielen Ebenen. Wenn ich etwa alleine an die enorme psychische Belastung denke, die durch – auch von der Regierung – geschürte Ängste mitverursacht wird. Das hätte ich anders gemacht, weil man in einer Krise wie dieser eher Perspektiven geben muss. Ein großes Problem sehe ich aufgrund der Lockdowns auch auf den stationären Handel zukommen, weil sich vieles ins Internet verlagert – ob diese Kunden alle wieder zurückkommen, da hege ich meine Zweifel. Deshalb versuchen wir, auch wenn es vor allem symbolischen Charakter hat, ganz bewusst mit Aktionen wie

Bereits heuer muss man ja ein coronabedingtes Minus von über zehn Millionen Euro verkraften, im kommenden Jahr wird es noch höher ausfallen. Wie kratzen wir da auf Sicht die Kurve? Aktuell haben wir noch etwas Spielraum, können auf Rücklagen in der Höhe von 58 Millionen Euro zurückgreifen. Aber jetzt ist ganz klar die Bundesregierung gefordert. Diesbezüglich fordere ich – auch in meiner Funktion als Städtebundobmann – dass diese die Kommunen ebenso unterstützt wie diverse Branchen. Ein Investitionszuschuss alleine reicht da bei weitem nicht aus, wir brauchen mittlerweile eine Unterstützung für den laufenden Betrieb. Andernfalls sehe ich drastische Sparprogramme und ein gefährliches Durchschlagen auf Wirtschaft und Beschäftigung auf uns zu kommen – immerhin sind die Gemeinden die größten Investoren der Republik! Wenn die ausfallen, wird es wirklich düster. Das Rezept der Regierung frei nach dem Motto „Verschuldet euch halt!“ ist jedenfalls kein Zukunftskonzept, sondern eher eine Drohung.

Bedrohlich wirkten im Nachhall des Wiener Terroranschlages auch die Verhaftungen von zwei mutmaßlichen Islamisten in St. Pölten. Schon 2015 wollte ein St. Pöltner einen Terroranschlag am Westbahnhof verüben – haben wir ein Islamismusproblem in der Stadt? Jede Stadt ab einer gewissen Größe beherbergt verschiedenste Szenen, leider auch extremistische – egal aus welcher Ecke die kommen. Seitens der Stadt versuchen wir über verschiedene Strategien, wie etwa den von mir initiierten interkulturellen Austausch, mit den Communitys Kontakt zu halten, ein Gefühl füreinander zu entwickeln, Informationen auszutauschen. Ich habe mich etwa unmittelbar nach dem Anschlag mit dem Vertreter der Islamischen Glaubensgemeinschaft getroffen, die so schockiert ist wie wir. Wahrscheinlich kann man solche Wahnsinnstaten nur schwer verhindern, aber man kann sich bemühen, die Ohren offenzuhalten. Was mich als Bürgermeister deshalb am meisten schockiert hat, ist der Umstand, dass wir als Stadt keinerlei Informationen von übergeordneter Stelle zu Hintergründen oder etwaigen Netzwerken der Festgenommenen bekommen. Das ist in Wahrheit unhaltbar und fahrlässig. Das ungekürzte Interview finden Sie auf www.dasmfg.at

T F A H C WIRTS BRINGT . T F N U ZUK WKO.AT/NOE MFG 11 20

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ÖVP

MATTHIAS ADL

Die ÖVP hat zuletzt in Wien dazugewonnen. Auf Bundesebene läufts ebenso – erhofft man sich davon einen Schub für die Gemeinderatswahl? Auf Makroebene ist zumindest kein Gegenwind zu spüren, wie wir es bei Wahlen in der Vergangenheit mitunter erlebt haben – das ist schon einmal gut. Wobei Gemeinderat Gemeinderat ist – da spielen aktuelle Themen auf der Kommunalebene eine Rolle. Die Stimmung ist jedenfalls äußerst positiv, wir erleben einen extremen Zulauf: Für die Kandidatur haben sich über 130 Interessierte gemeldet! Die Listenplätze werden ja parteiintern heuer nicht mehr über die Vorzugsstimmen ausgeschnapst, sondern schon vorab fixiert. Wer wird auf den wählbaren Plätzen zu finden sein, gibt’s Überraschungen? Wir haben eine bunte Liste, die Anfang Dezember präsentiert wird. Neben bewährten Mandataren werden wir auch einige interessante neue Gesichter präsentieren: Platz 2 hat mit Romy Windl etwa eine Neueinsteigerin. Auf der Liste finden sich 28

test oder aufgrund eines erhöhten Sicherheitsbedürfnisses gewählt haben, jedenfalls ein Angebot machen. Noch wichtiger wird aber sein, jene ÖVP-Wähler, die beim letzten Mal zuhause geblieben sind, zur Urne bzw. zur Briefwahl zu bringen.

auch andere Persönlichkeiten wie Unternehmer Werner Bachler, der bei den Landtagswahlen 2018 noch für die NEOS kandidierte. Zudem finden sich auf den ersten zwölf Listenplätzen mehr Damen. Insgesamt wollen wir einen Frauenanteil von rund 40% – das heißt unser Gemeinderatsteam wird weiblicher, was das alte Vorzugsstimmenmodell verhindert hatte. Die letzten Wahlen haben gezeigt, dass die FPÖ in Nachfolge von Ibiza auch auf Kommunalebene vom Wähler bestraft wird – wird die ÖVP in diesem Teich fischen? Man weiß mittlerweile, wofür die ÖVP sicherheitspolitisch steht und dass sie diesbezüglich mitte-rechts klare Kante zeigt. Die FPÖ korreliert mit Bundestrends stärker als andere Parteien – wir werden daher jenen Bürgern, welche die FPÖ aus Pro-

Sicherheit ist aktuell nicht zuletzt aufgrund des Terroranschlages in Wien ein großes Thema, wobei zusätzlich der Umstand schockierte, dass auch zwei mutmaßliche Komplizen in St. Pölten verhaftet wurden. Was heißt das für die Stadt ? Zunächst sieht man, dass Terrorismus wie etwa islamistischer – und es gibt ja mehrere – kein Großstadtphänom ist, sondern auch vor der vermeintlichen Idylle einer kleineren Stadt nicht Halt macht. Heute erfolgt die Vernetzung großteils online – überall kann eine Zelle entstehen. Es ist daher Gebot der Stunde, dass man schleunigst den laxen Umgang mit Informationen, wie er offensichtlich passiert ist, ausräumt. Und wir müssen aufpassen, dass es zu keiner Verlagerung von Gefährdern kommt, die vielleicht in kleineren Städten, wo weniger Ermittlungsdruck herrscht, aktiv werden. Man müsste daher im Wohnbereich, zumindest dem öffentlichen, die Mieter stärker durchleuchten können. Diesbezüglich spielt durchaus auch das von uns immer wieder kritisierte überbordende Wachstum eine Rolle. St. Pölten hat es jedenfalls nicht verdient, in solche Terrornetzwerke hineingezogen zu werden. Sie meinen tatsächlich, dass Terrorismus mit Wachstum und Wohnbau zu tun hat? Inwiefern?

„Wir sind nicht gegen Wachstum, aber unserer Maxime war immer Qualität vor Quantität.“ MATTHIAS ADL


ST. PÖLTEN WÄHLT

Weil größere Strukturen einfach größere Anonymität schaffen, wo derlei Extremismus leichter gedeihen und auch leichter untertauchen kann. Um beim Wachstum und Wohnbauboom zu bleiben, den ihre Partei zuletzt kritisiert hat. Ist das kein Widerspruch zu Forderungen in der Vergangenheit – da haben Sie genau umgekehrt noch eine Wohnbauoffensive und mehr Dynamik eingefordert? Wir sind nicht gegen Wachstum, aber unsere Maxime war immer – auch schon vor fünf Jahren – dass dieses behutsam erfolgen muss. Qualität vor Quantität, indem man etwa alte Flächen verdichtet, ohne das Stadtbild zu zerstören. Die aktuell wuchernde Bautätigkeit bereitet den Menschen hingegen Unbehagen, weil sie befürchten, dass das, was unsere Stadt so liebenswert macht, verloren geht. Sie wollen sicher nicht, dass sich ein Betonklotz an den nächsten reiht und wir in Anonymität versinken. Die Stadt muss da steuernd eingreifen. Etwa über einen Gestaltungsbeirat, den Ihre Partei ja jahrelang vergeblich eingefordert hatte. Mittlerweile wurde er doch aufgesetzt, glücklich hat Sie das aber trotzdem nicht gemacht. Warum? Weil es einmal mehr diese Chuzpe der SPÖ veranschaulicht, die den Bürgern etwas verspricht, was sie dann aber nicht einhält. Beim Gestaltungsbeirat war etwa die Empfehlung von Experten, auch die Bürger aktiv mit einzubinden. Das sei anfangs zwar mühsam, weil manche Leute glauben, alles mitbestimmen zu können bis hin zu den Fliesen in Gebäuden, auf Sicht führe die Transparenz aber dazu, dass die Projekte breit mitgetragen werden. Was macht die SPÖ: einen Gestaltungsbeirat, der geheim tagt. Sie beklagen ja generell, dass die Opposition seitens der SPÖ zu wenig eingebunden wird, keine Informationen erhält. Wie

würden Sie die Zusammenarbeit beschreiben? Sagen wir so: Es gibt keine Zusammenarbeit auf Augenhöhe. Keine Ahnung, vielleicht liegt das an der absoluten Macht der SPÖ, dass sie uns nur einbindet, wenn sie uns sozusagen für eine zwei Drittel Mehrheit braucht oder etwas heikel ist. Von einer transparenten, demokratiewürdigen Stadtpolitik kann man in St. Pölten jedenfalls nicht reden. Wir versuchen mittels Abänderungsanträgen, Zusatzanträgen, dringlichen Anfragen so gut es geht dagegenzuhalten, frei nach dem Motto „steter Tropfen höhlt den Stein“, und manchmal gelingt auch etwas. Aber es ist sehr mühsam, und ich denke, die Bevölkerung sollte wissen, wie abgehoben die SPÖ mit ihrer Mehrheit umgeht. Beim letzten Beschluss zum Domplatz sind sie deshalb – Stichwort zu wenig Information – nicht mitgegangen. Wie ist die aktuelle Linie der ÖVP in der Domplatz-Causa, auch im Hinblick, dass eine Tiefgarage unterm Bischofsgarten kommen soll? Die hat sich seit dem Uralt-Gemeinderatsbeschluss nicht geändert, wo ganz klar festgehalten wurde, dass es einen „autofreien“ Domplatz nur dann geben kann, wenn in nächster Umgebung dementsprechend Ersatzflächen geschaffen werden. Das ist noch nicht der Fall. Erst wenn mit dem Bau der Garage unter dem Bischofsgarten begonnen wird, können wir über alles Weitere reden. Unser Daueragitieren diesbezüglich ist auch kein Selbstzweck, sondern uns geht es schlicht um die Interessen der Wirtschaftstreibenden in der Innenstadt. Die quält man stattdessen mit seltsamen Parkplatzmarkierungen, das ist ein Schildbürgerstreich allerersten Ranges. Thema Verkehr – der wird wohl auch eine der Zukunftsherausforderungen für die Stadt. Welche Ansätze verfolgt diesbezüglich die ÖVP?

Den zunehmenden Verkehr könnte man als direkte Wachstumsschmerzen der größer werdenden Stadt bezeichnen. Zunächst wäre es wichtig, dass der LUP ins Umland gezogen wird – da ist der Bürgermeister gefordert, in Gespräche mit den Umlandgemeinden zu treten. Auch ein billiges LUP Jahresticket halten wir nach wie vor für essentiell, weil ich für die Gäste einen Anreiz schaffen muss, damit sie dauerhaft auf den Bus umsteigen – Geld kann so eine Motivation sein. Und hier wäre es sicher nachhaltiger eingesetzt, als für effektheischende 20 Euro Startgeld. Schließlich muss man auch die Bahn auf der Nord-Süd-Achse attraktivieren, mehr Haltestellen, kürzere Takte etc. schaffen. Auch da appelliere ich an den Bürgermeister, sich endlich mit ÖBB und Regierung in Verbindung zu setzen. Wie ist es eigentlich um die Position der ÖVP hinsichtlich der S34 bestellt, da ist es ja zuletzt ruhiger geworden? Da läuft die UVP. Wichtig ist, dass wir den von der S34 betroffenen Landwirten landwirtschaftliche Ersatzflächen zu fairen Preisen zur Verfügung stellen. Dazu sollten auch Flächen des von der Stadt erworbenen Truppenübungsplatzes in Völtendorf dienen. Unsere Betriebe brauchen Ersatz-Grundstücke in der Nähe. Findet man die nicht, kann es für einige kleinere Landwirtschaften rasch existenzbedrohend werden. Da

VIZEBÜRGERMEISTER. Seit 2011 ist Matthias Adl die Nummer 1 der ÖVP. MFG 11 20

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ein Beispiel zu bringen, das mich maßlos ärgert: Warum bringt es die Stadt bei öffentlichen Gebäuden, wo etwa Flachdächer saniert werden oder gar neu entstehen, nicht zustande, diese mit PhotovoltaikAnlagen auszustatten? Dies wäre so einfach umzuseten und enorm nachhaltig, zumal dies oft Schulgebäude betrifft, wo den ganzen Tag der Strom auch verbraucht wird. Was hindert die SPÖ daran? Stattdessen brüstet man sich immer noch mit der Windkraft. Da ginge aber so viel mehr – und daran, an Taten, muss man die SPÖ messen, nicht an salbungsvollen Worten.

MITTENDRIN STATT NUR DABEI. Ein starker Land-Bezirk braucht auch eine starke Landeshauptststadt und diese wiederum, wie Adl überzeugt ist, eine starke ÖVP.

bräuchte es endlich ein Bekenntnis der Stadt, weil diese Unsicherheit zermürbt die Betroffenen! Und vom verkehrstechnischen Standpunkt aus – macht die S34 Sinn? Da müsste ich bei Adam und Eva beginnen – das Projekt begleitet uns ja seit 40 Jahren. Sinnvoller wäre die Ostvariante gewesen. Prinzipiell zäumt man das Pferd von hinten auf – meiner Meinung nach hätte man zuerst die Verbindung ins Traisental ausbauen müssen, und dann – wenn nötig – die S34 nachziehen. So hat man umgekehrt ein riesiges Autobahnkreuz mit enormem Flächenverbrauch, das erst recht wieder bei Wilhelmsburg endet – ob uns das die gewünschten Effekte bringt, wage ich zu bezweifeln. Klingt jetzt nicht gerade nach einer Liebeserklärung – ginge es ohne auch? Ich denke, wir könnten gut ohne S34 leben, wenn man für die betroffene Bevölkerung in St. Georgen und Spratzern Alternativen fände – denn eines muss uns schon klar sein: Die Mobilität ist in einem enormen Wandel, schon heute nehmen Wasserstoff- und Elektrofahrzeuge zu. 30

Spinnen wir das 30 Jahre weiter – wird da eine S34 noch zeitgemäß und sinnvoll sein? Ich hege meine Zweifel. Vielleicht täten wir gut daran, noch einmal über den Tellerrand hinauszublicken, bevor man wirklich zu bauen beginnt. Das würden Umweltaktivisten wohl blind unterschreiben. Wie beurteilen Sie diesbezüglich Aktivitäten wie etwa die vor allem von der Jugend getragene „Fridays For Future“-Bewegung? Was wäre für St. Pölten in Sachen Umwelt notwendig? Zunächst glaube ich nicht, dass dieses jugendliche Engagement so neu ist – ich kann mich gut erinnern, dass auch wir anno dazumal in der JVP Aureinigungsaktionen durchgeführt haben, gegen die rosa Schaumkronen auf der damals verschmutzten Traisen protestiert haben etc. Es ist wichtig, dieses Engagement der Jugendlichen ernst zu nehmen. Als Stadt gäbe es zig Möglichkeiten. Um

Wie ist die Position der ÖVP zum Thema KiKuLa bzw. zum Standort Altoona-Park? Die beste Möglichkeit oder teilen Sie die Bedenken einer Bürgerplattform, dass dort Grünraum vernichtet wird? Wir haben uns immer zum Projekt bekannt. Das Land hat gesagt, wir übernehmen quasi den Inhalt, die Stadt muss einen passenden Standort finden, der die Kriterien erfüllt. Die SPÖ hat letztlich den AltoonaPark ausgewählt. Ob er tatsächlich der ideale ist, kann ich nicht beurteilen – wir waren in die Suche nicht miteingebunden. Faktum ist, dass der Standort-Zug abgefahren ist. Jetzt ist es wichtig, dass die Diskussion darüber nicht das Projekt an sich gefährdet und dass umgekehrt, wie versprochen, das Beste aus dem Projekt und dem Standort herausgeholt wird, bis hin zu einer Aufwertung des Parks! Um noch auf das größte Thema, und zugleich die größte Herausforderung für die Stadt in den kommenden Jahre zu kommen: Welche Folgen wird die CoronaPandemie zeitigen?

„Die SPÖ agiert nach dem Motto ‚Hauptsache wir fahren, auch wenn wir nicht wissen wohin‘.“ MATTHIAS ADL


ST. PÖLTEN WÄHLT

Zunächst zeigt uns die Krise – und das betrifft alle Ebenen bis hinunter zur Familie – dass unsere Ressourcen nicht unendlich sind. Das stellt unser bisheriges Konsumverhalten in Frage: Brauche ich wirklich alles, um glücklich zu sein? Und woher kommen unsere Waren? Diesbezüglich orte ich ein klares Bedürfnis und auch die Notwendigkeit, dass wieder mehr regional erzeugt wird. Dafür müssen wir aber faire Bedingungen für Wirtschaft und Landwirtschaft schaffen. Das wird mitunter auch teurer werden, weshalb sich Konsumenten, ebenso wie Kommunen – noch dazu aufgrund der Pandemie sinkender Mittel – mit der Frage beschäftigen müssen: Wofür gebe ich das Geld wirklich aus. Um bei der Stadt zu bleiben: Brauche ich wirklich an jeder Ecke eine teure Pflasterung? Brauchen wir wirklich so viele Mittel für Repräsentation – da könnte der Bürgermeister mit gutem Beispiel vorangehen, dass er sagt, ich spare in meinem Umfeld als erstes

ein. Am dringlichsten aktuell ist das Abrufen der Co-Finanzierungsmittel aus dem Investitionszuschuss – St. Pölten stehen da rund 6,9 Millionen Euro zu – zumal die Stadt in Sachen Infrastruktur ohnedies hinterherhinkt. Inwiefern? Es fehlt eine langfristige Planung. Nehmen wir Kindergärten und Schulen. Es ist ja schön, wenn man argumentiert „wir haben für alle Kinder einen Platz“, wenn zugleich Eltern, etwa aus Pottenbrunn, ein Kind im Ort in die Volksschule schicken können, das zweite aber vielleicht nach Wagram in den Kindergarten gehen muss, weil in Pottenbrunn kein Platz mehr frei war. Oder denken wir an die leidige Kinderarzt-Diskussion. Da ist es bitte schon Aufgabe einer regierenden Partei, rechtzeitig aktiv zu werden, weil wann ein Arzt – und das betrifft im Übrigen auch die praktischen Ärzte, da droht uns eine ähnliche Situation – in Pension geht,

ZUVERSICHT. Der gute Bundestrend lässt auch die St. Pöltner ÖVP hoffen. kann man schon zirka voraussagen. Die SPÖ verschläft aber vieles – und da bin ich wieder beim zu schnellen Wachstum: Dieses wird dann problematisch, wenn die Infrastruktur nicht nachkommt. Die SPÖ agiert da oft nach dem Motto „Hauptsache wir fahren, auch wenn wir nicht wissen wohin“.

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Markus Wieser

AK Niederösterreich-Präsident ÖGB NÖ-Vorsitzender

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© Klaus Vyhnalek

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MIT DER AK NIEDERÖSTERREICH BESTENS BERATEN.

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FPÖ

KLAUS OTZELBERGER

Die FPÖ hat bei den letzten Wahlgängen – nicht zuletzt aufgrund des IBIZA-Skandals – stark verloren. Fürchten Sie, dass sich der Trend auch in St. Pölten fortsetzen könnte? Die FPÖ St. Pölten hatte mit Ibiza nichts zu tun. Das betraf zwei Personen, die nicht mehr Parteimitglieder sind. Aber lustig ist die Situation natürlich nicht, wenn zwei schwarze Schafe den Ruf einer ganzen Partei beschädigen. Andererseits wissen die St. Pöltner, dass wir hier seit Jahrzehnten ehrliche Politik machen und wofür ich stehe – ich hatte bei der letzten Wahl immerhin ein Direktmandat allein aufgrund der Vorzugsstimmen, das haben sonst nur noch der Bürgermeister und Ali Firat geschafft. Gemeinsam mit Martin Antauer und einem starken Team werden wir auch unter weniger guten Rahmenbedingungen versuchen das Beste rauszuholen. Wer weiß, vielleicht läuten wir für die FPÖ eine Trendwende ein. FPÖPolitik ist jedenfalls wichtiger denn je – für St. Pölten und für Österreich. Sie spielen damit wohl auf das FPÖ-Kernthema schlechthin an – 32

Sicherheit. Ja. Sicherheit ist wichtiger denn je zuvor. Und ich predige das seit langem. Das Sicherheitsthema wird in St. Pölten stiefmütterlich behandelt. Unsere Polizisten müssen im Jahr 30.000 Überstunden leisten, das ist ja kein Zustand, weshalb wir 15 bis 20 zusätzliche Posten fordern. Das subjektive Sicherheitsgefühl der Bürger ist im Keller, und der Terroranschlag in Wien mit anschließend vielen Hausdurchsuchungen und zwei Verhaftungen in St. Pölten hat gezeigt, dass St. Pölten keine Insel der Seligen ist. Waren Sie von der Verbindung des Attentäters nach St. Pölten schockiert? Wir haben immer wieder Probleme mit IS-Sympathisanten, was die FPÖ auch immer wieder aufgezeigt hat. Schon 2017 gab es einen Cobraeinsatz im islamischen Gebetsraum des Landesklinikums mit der Verhaftung von sechs IS-Sympathisanten, 2015 war der spätere Paris-Attentäter zuvor in St. Pölten gewesen, zuletzt gab es ein Messerattentat und der 14-Jährige, der einen Anschlag am Westbahnhof plante, kam auch aus

St. Pölten. Ich kenne viele Moslems, viele davon unterstützen die FPÖ, die mir sagen, ich bin aus meiner Heimat geflohen vor gefährlichen Leuten, und genau diese begegnen mir heute wieder in St. Pölten. Da muss man ganz klar dagegen vorgehen. St. Pölten darf keine IS-Hochburg werden! Was stellen Sie sich da vor? Es braucht ein Verbotsgesetz für den radikalen, politischen Islam, mehr Polizei, harte Strafen und die Möglichkeit rascher Abschiebungen straffällig gewordener Ausländer. Es kann nicht sein, dass bei uns eine importierte Drogenszene entsteht, es hier Bandenkriege zwischen Afghanen und Tschetschenen gibt oder, wie uns passiert, Brandanschläge auf eine Partei verübt werden – das sind ja Zustände wie in den Bronx, wie in einer Großstadt. Da nimmt St. Pölten keine gute Entwicklung. Weil sie von großstädtischen Entwicklungen gesprochen haben – die ÖVP hat im Hinblick auf Wohnbau von ungesundem Wachstum gesprochen. Wie sieht das die FPÖ? Dass die ÖVP diesbezüglich völlig scheinheilig ist. Denn es sind ja vor allem schwarze Genossenschaften, die hier am Markt tätig sind und die Preise in die Höhe treiben. Und das ist das eigentliche Kernproblem – nicht, dass zu viele Wohnungen gebaut werden, sondern zu teure, die dann leer stehen. Viele können sich diese einfach nicht leisten – denken Sie an Alleinerzieherinnen, Mindestpensionisten, einkommensschwache Österreicher. Ich mache seit 20 Jahren Hausbesuche, was glauben Sie, wie viele arme Menschen mir da begegnen, mit Tränen in den Augen, weil sie sich das Wohnen einfach nicht mehr leisten können. Da ist die Stadtregierung gefordert! Wie konkret? Es gibt zwar Ge-


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meindewohnungen, vom klassischen Gemeindewohnungsbau hat sich die Stadt aber schon vor Jahrzehnten verabschiedet. Trotzdem muss die Stadt dafür Sorge tragen, dass zumindest die bestehenden Gemeindewohnungen billiger werden – die sind nämlich ebenfalls viel zu teuer, zudem werden bis zu sechs Monatsmieten Kaution verlangt – das ist für viele schlicht nicht leistbar. Und wer sagt, dass die städtische Immobiliengesellschaft marktorientiert wirtschaften muss? Da müssten wir ihr eine andere Agenda einschreiben, nämlich vordergründig leistbaren Wohnraum für sozial Schwache zu gewährleisten. Das sage ich auch ganz bewusst als Aufsichtsrat der Gesellschaft – da vertrete ich klar die Interessen der Wähler, nicht jene des Profits. Das klingt jetzt sehr nach klassischem SPÖ-Sprech. Sind die Wähler aus diesem Spektrum eine Zielgruppe? Wir haben schon viele ehemalige SPÖ-Wähler gewonnen, einfach weil wir eine gesunde, links anmutende Sozialpolitik machen. Zugleich ist unsere Gesellschaftspolitik rechts, und das geht sehr gut zusammen. Es gibt so viele Österreicher, die an der Armutsgrenze leben. Denen müssen wir helfen, dass sie mit ihrem Gehalt über die Runden kommen – und das mehr denn je, denn Corona hat die Situation, wenn wir nur an Kurzarbeit und Arbeitslosigkeit denken, noch einmal beträchtlich verschärft.

TRENDWENDE. Otzelberger hofft nach „Ibiza“ auf eine FPÖ-Trendwende.

„Die Stadt muss dafür Sorge tragen, dass die bestehenden Gemeindewohnungen billiger werden.“ KLAUS OTZELBERGER

Womit wir bei DEM alles überstrahlenden Thema sind, das auch die Kommune wohl auf Jahre hinaus beschäftigen wird. Wie kann man da als Stadt gegensteuern? Indem man die Bürger direkt unterstützt, um den Konsum und damit auch die heimische Wirtschaft anzukurbeln. Wir fordern deshalb einen Corona 1.000er für jeden erwachsenen St. Pöltner, in Form eines Gutscheins, den man innerhalb eines halben Jahres für Einkäufe bei heimischen Betrieben einlösen kann. Der Bürgermeister 20er ist ja ganz nett, aber in dieser Krise muss man klotzen statt kleckern. Aber wie soll das finanziert werden – die Stadt hängt ja jetzt schon schwer in den Seilen, allein heuer gibt’s einen coronabedingten Abgang von über zehn Millionen Euro, und das dürfte erst der Anfang sein. Wir rechnen, dass diese Förderaktion rund 40 Millionen Euro kosten würde. Das können wir uns leisten, indem wir zum Beispiel manche Prestigeprojekte nach hinten verschieben. Allein die Domplatzneugestaltung und das KiKuLa zusammen würden in etwa diese Summe ergeben. Beide Projekte sind positiv, aber ich glaube, in der aktuellen Situation muss man einfach die Prioritäten anpassen und schauen, wie man den Menschen direkt helfen kann. Jetzt ist Austro-Keynesianismus gefragt, die Stadt muss Geld investieren, Schulden aufnehmen, um die Wirtschaft am Leben zu halten, und nachher – wenn die Krise überwunden ist und die Einnahmen hoffentlich wieder steigen – sparen. Wir haben es hier immerhin mit der größten Wirtschaftskrise nach dem 2. Weltkrieg zu tun. Da kann sich der Bürgermeister im

Übrigen ruhig auch Inspiration bei Parteikollegen wie etwa Michael Ludwig holen – Wien unterstützt zum Beispiel Unternehmer beim Changemanagement mit 404 Millionen Euro, fördert den Aufbau von Webshops, die jetzt wichtiger denn je sind, leistet Hilfe bei der Digitalisierung. Das sichert langfristig Jobs! Die haben erkannt: „Du musst mit der Zeit gehen, sonst gehst du mit der Zeit.“ Weil Sie vorhin den Domplatz erwähnt haben, und wenn wir davon ausgehen, dass die Neugestaltung doch in absehbarer Zeit in Angriff genommen wird – wie ist da die aktuelle Position der FPÖ? An der hat sich nichts geändert. Wir bleiben dabei: Man kann Schritt 2, autofrei, nicht vor Schritt 1, nämlich dementsprechende Ersatzparkflächen, setzen. Solange Schritt 1 nicht erfüllt ist, werden wir das Projekt nicht unterstützen. Wobei es ja mit dem Garagenprojekt unter dem Bischofsgarten – und damit den von Ihnen geforderten Ersatzflächen – ganz gut aussieht? Es könnte sich aber auch als großes Ablenkungsmanöver herausstellen, denn wenn man dort hineinsticht, blüht uns im Hinblick auf archäologische Grabungen wohl dasselbe wie am Domplatz – und jahrelange Grabungen können wir uns nicht noch einmal leisten. Bis zu wirklichem Ersatz ist der Domplatz daher als Parkplatz nicht wegzudenken. Und ich verstehe ja nicht, warum man seitens der Stadt nicht einmal mit den Wirtschaftstreibenden direkt spricht, um zu begreifen, wie essentiell wichtig für diese Autoabstellplätze sind. Wir sollten nicht in dieselbe Falle tappen wie andere Städte, dass man an MFG 11 20

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„Angesichts Corona frage ich mich, ob jetzt der richtige Zeitpunkt für millionenschwere Projekte ist.“ KLAUS OTZELBERGER

den Rändern Einkaufszentren mit Gratis­ parkplätzen hat, und die autofreie City stirbt in Schönheit, weil dort keiner einkaufen geht. Genügend Parkplätze sind Teil des Service einer Innenstadt, ebenso wie dazu spannende Angebote, zum Beispiel ein Eislaufplatz im Winter oder auch ein Indoorspielplatz. Der könnte ja, wie kolportiert wurde, vielleicht ins KiKuLa integriert werden. Wie ist da Ihre Position im Hinblick auf den umstrittenen Standort Altoona-Park? Prinzipiell haben wir beim KiKuLa mitgestimmt – immerhin zahlen Bund und Land mit, da wäre es politisch fahrlässig, diese Unterstützung 34

nicht anzunehmen. Im Hinblick auf den Standort, der ja vor allem von der Landes ÖVP gefordert wird, muss man schon festhalten, dass es sich beim Altoona-Park um eine der letzten großen Grünflächen in der City handelt. Angesichts stetig heißer werdender Innenstädte darf man diesen Umstand nicht unterschätzen im Hinblick aufs Mikroklima. Andererseits heißt es, dass nur 12% der Grünfläche verbaut werden und für die wegfallende Ersatz geschaffen wird, so betrachtet wäre das verkraftbar. Was ich halt generell in Frage stelle ist, ob angesichts der Corona-Pandemie jetzt der richtige Zeitpunkt für die Realisierung eines solchen millionenschweren Projektes ist.

Flächen verbrauchen auch diverse Verkehrsprojekte, die immer wieder kontrovers diskutiert werden. Wo würden Sie in Sachen Verkehr Prioritäten setzen? Angesichts des steten Wachstums muss natürlich auch das Verkehrskonzept angepasst werden. Staus auf der Mariazellerstraße in Wagram gehören mittlerweile zur Tagesordnung, weshalb eine Umfahrung wie die S34 in jedem Fall notwendig ist. Zugleich ist aber auch ein Ausbau des Radwegenetzes in die Katastralgemeinden wichtig – da liegt noch einiges im Argen, wie wir bei einer Ausfahrt mit der Radlobby gesehen haben. Und natürlich muss man beim LUP nachbessern. Wir haben fünf Millionen Gäste, das ist schön, aber es könnten viel mehr sein. Wir haben etwa zu wenig Linien, zugleich sind bestimmte Strecken halbleer, wo man auch mit kleineren Bussen das Auslangen fände. Das ganze Flottensystem gehörte nachjustiert, wobei auch Apps helfen könnten, welche die Fahrgastströme dokumentieren und einarbeiten. Zudem wären diese als Service für die Kunden wichtig, weil die Passagiere Anschlüsse von der Bahn zum Bus abrufen könnten, das System mit Carsharing verknüpft sein könnte etc. Ich denke, in dieser Hinsicht haben wir Riesen-Nachholbedarf. Und ob Diesel – den man vor ein paar Jahren nach gasbetriebenen Bussen wieder klammheimlich eingeführt hat – noch zeitgemäß ist, wage ich auch zu bezweifeln. Da müssten wir auf Wasserstoff oder auf Elektroantriebe umstellen, um nachhaltiger zu werden! Last but not least gehören die Busse auch gescheit kontrolliert – wir haben viel zu viele Schwarzfahrer, das schadet dem System, weil dadurch Geld dafür verloren geht. Wir haben mit dem KiKuLa schon kurz über ein Kinderangebot gesprochen, wie ist es mit jenem für Jugendliche bestellt – gibts da genug? Ich glaube schon, dass das Angebot ganz gut ist, dass es aber vielfach zu wenig kommuniziert wird. Diesbe-


ST. PÖLTEN WÄHLT

züglich würde etwa eine App Sinn machen, um die Jugendlichen über ihr Hauptmedium zu erreichen, dort kompakt Informationen zusammenzustellen, die sie vielleicht auch in ihrer jeweiligen Lebenswelt abholen. Außerdem würde ich vor allem Institutionen, die Jugendliche fördern, unterstützen – allen voran die Sportvereine der Stadt. Die bekommen oft gerade einmal ein paar 100 Euro, ihre Arbeit ist aber gesamtgesellschaftlich immens wichtig. Zum einen, weil sie die jungen Menschen rausholen aus ihren digitalen Blasen, aus der Isolation hin zur Gemeinschaft, zum anderen insbesondere aufgrund ihrer immensen Kraft für die Integration. Schauen wir uns etwa die Fußballvereine an, wo Kinder mit Migrationshintergrund hinkommen, vielleicht noch nicht einmal ordentlich Deutsch können, und nach drei, vier Jahren sind sie super Österreicher. Das kann man gar nicht genug schätzen, deswegen wäre es gescheiter, anstatt Geld in

einen Sturm19 Park zu stecken, eher dafür zu sorgen, dass unsere Vereine nicht zusperren müssen! So betrachtet finde ich auch Träume des Bürgermeisters wie die „Südsee“ aktuell fehl am Platz. Aber es ist ja auch Hauptaufgabe der Opposition, auf solche Irrwege hinzuweisen, die Regierung dazu zu bringen, die Prioritäten immer wieder nachzuschärfen. Gelingt das oder rennt man eher gegen eine Mauer? Oft beklagt die Opposition ja, von den Roten links liegen gelassen zu werden. Wie würden Sie die Zusammenarbeit mit der SPÖ beschreiben? Ich bin jetzt seit 15 Jahren in der Politik tätig, und ich denke, der Bürgermeister weiß mittlerweile, dass ich Sachpolitiker bin – wir haben ein gutes Einvernehmen. Und die SPÖ hört durchaus immer wieder mal auf uns, wenn wir etwa an das Wachzimmer am Bahnhofsplatz denken, oder an den bereits erwähnten Eislaufplatz am Rathausplatz zur Be-

lebung der City in den Wintermonaten – das fordere ich seit Jahren. Umgekehrt muss man zur Kenntnis nehmen, dass die SPÖ eine absolute Mehrheit hat – es bringt also nichts, sozusagen gegen den Wind zu pinkeln wie die ÖVP, die nur auf Streiten aus ist. Unsere Idee von Opposition ist eine konstruktive. Das klingt jetzt aber sehr milde im Vergleich zu früheren Jahren. Ist das Resultat dieser Appeasement-Politik, dass man zuletzt den Kontrollausschuss mit den Stimmen der SPÖ zugesprochen bekommen hat? Wir waren dort schon immer über Kollegen Hell sehr aktiv, haben gute Ideen eingebracht – und zwar ohne Polemik im Gegensatz zur ÖVP, einfach weil wir das für die Stadt tun. In diesem Sinne werden wir die Aufgabe auch weiterhin sehr ernst nehmen, werden der SPÖ auf die Finger schauen, als starke Oppositionskraft alles kritisch hinterfragen.

Frohe Weihnachten und ein glückliches neues Jahr!

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DIE GRÜNEN CHRISTINA ENGEL-UNTERBERGER

Die St. Pöltner Grünen haben sich neu aufgestellt. Zeichen des Neustarts ist auch das Grüne Büro hier in der Wiener Straße. Ja, unser Büro soll künftig Treffpunkt für Interessierte sein. Wir laden aber jetzt schon jeden ersten Freitag im Monat um 18 Uhr zum Grünen Café, einer Diskussionsrunde mit Expertinnen und Experten zu einem konkreten Thema. Am 4. Dezember geht es um Transparenz und lebendige Demokratie. Und jeden Samstag um 10 Uhr gibt es eine Sprechstunde. Alle Veranstaltungen finden derzeit klarerweise online statt. Wer kandidiert mit Ihnen? Wir haben ein vielfältiges Team. Ich bin 38 Jahre alt, Sozialarbeiterin, Supervisorin und FH-Dozentin und stehe für Nachhaltigkeit, Beteiligung und ein gutes Leben für alle. Paul Purgina, 30 Jahre, Politikwissen-

schaftler und Unternehmer, ist als Listen-Zweiter eine starke Stimme für ein junges, modernes und nachhaltiges St. Pölten. Auf Platz 3 folgt Sozialarbeiterin Natascha Hausmann mit den Schwerpunkten Soziale Gerechtigkeit und Bildung, gefolgt vom 62-jährigen gelernten Feinmechaniker, bekannten Kellner und Wanderexperten Walter Heimerl-Lesnik auf Platz 4, der sich schon lange in und um St. Pölten für klimafreundliche Mobilität einsetzt. Rebecca Pöck auf Platz 5 ist Physiotherapeutin und 27 Jahre alt. Wie viele Mandate erwarten Sie? Mein Ziel ist, dass wir unsere Stimmen verdoppeln, damit wir wieder als Team in den Gemeinderat einziehen können. Wie stellen Sie sich die Zusammenarbeit mit den anderen Parteien im Gemeinderat vor?

„Mein Ziel ist, dass wir unsere Stimmen verdoppeln und als Team in den Gemeinderat einziehen.“ CHRISTINA ENGEL-UNTERBERGERT 36

Es braucht in den nächsten zehn Jahren eine systematische Transformation hin zu einer nachhaltigen Stadt. Diesen Weg kann man nicht alleine gehen, da muss man alle einbeziehen. Sowohl im Gemeinderat als auch im Magistrat und in allen anderen Bereichen der Stadt. Wir werden Ideen, Entscheidungen und Entwicklungen feiern, wenn sie uns dem Ziel einer nachhaltigen Stadt näherbringen – ganz egal, ob die Idee von uns kam oder von anderen Personen oder Parteien. Gleichzeitig werden wir Konflikte nicht meiden, sondern ansprechen, wenn wir zu gewissen Fragen unterschiedliche Auffassungen haben. Wir freuen uns auf diese inhaltlichen Debatten und werden Unterschiede auch öffentlich thematisieren. Diese Öffentlichkeit ist meines Erachtens ein ganz wichtiger Aspekt einer lebendigen Demokratie und da braucht es auch unabhängige Medien wie das MFG, die Lust am Gespräch und an der Recherche haben.

Fehlende Transparenz und Bürgerbeteiligung – Kernthemen der Grünen? Ja, das zeigt sich zum Beispiel deutlich an der derzeitigen Entscheidung fürs KiKuLa: Das Endergebnis wurde präsentiert, ohne auf die Vielzahl von Ideen einzugehen, die eingebracht wurden und ohne transparent zu machen, welche Beurteilung für oder gegen andere Standorte spricht. Uns ist wichtig: Kein Ausspielen von Klimaschutz und Kultur, innerstädtische Nachverdichtung, Transparenz und Bürger*innen-Beteiligung, attraktive, öffentlich zugängliche Grünflächen, CO2-neutrales Bauen, Neubauten, die sich harmonisch in ihr Umfeld einfügen, Raum für die freie Kunst- und Kulturszene. Bauen und öffentlicher Raum – heftig diskutierte Themen in der Stadt. Wie soll, zum Beispiel, der Domplatz in drei Jahren


ST. PÖLTEN WÄHLT

Werden in der Stadt eigentlich zu viele oder zu wenige Wohnungen gebaut, und vor allem die richtigen? Welche Wohnmöglichkeiten fehlen? Wir Grüne sagen: Der Wohnbau der Zukunft muss sowohl sozial als auch ökologisch nachhaltig sein. Derzeit wird durch verschwenderische Versiegelung wertvoller Boden in Anspruch genommen, Grünflächen werden an den Stadtrand gedrängt oder verbaut und müssen oftmals teuren Wohnungen privater Investoren weichen. Unser Weg ist es, kompakte Wohnformen zu forcieren und auf Nachverdichtung zu setzen statt immer neues Grünland

TREFFPUNKT GRÜNES BÜRO. Die Grünen laden Interessierte ein.

umzuwidmen. Aktive Klimaschutzmaßnahmen wie etwa Dach- und Fassadenbegrünung, der Erhalt und Schutz von Grün- und Naherholungsflächen und die Nutzung von Leerstand sind für uns wesentliche Forderungen.

KOLUMNE ROUL STARKA

Ein Leuchtturm-Thema der Grünen ist natürlich der Verkehr. Wo gibt’s da Verbesserungspotenzial in St. Pölten? Der Öffentliche Verkehr ist einer der wichtigsten Hebel, um die Klimakrise zu bekämpfen. Unsere Vision für die Umwelt und die Gesundheit der Menschen lautet, dass im Jahr 2030 in St. Pölten vom Einkauf bis zum Behördenweg alle Strecken ohne Auto zurückgelegt werden können.

ICH KOLUMNIST KANN WÄHLEN

Gäbe es Alternativen zu LUP und Auto? Ja, wir sehen hier zwei wichtige Hebelpunkte: das Radnetz und das Schienennetz. St. Pölten braucht mindestens zwei großzügig ausgebaute Radrouten. Sie müssen durch die Siedlungsgebiete führen und vom Autoverkehr baulich getrennt sein. Und das Verbesserungspotenzial auf dem Regionalbahnnetz riesig. Wir setzen uns also für einen Ausbau der bestehenden Bahnverbindungen ein. Auch als Alternative zur geplanten S34? Die S34 geht mit unserer Vision einer zukunftsfähigen Verkehrspolitik nicht zusammen. Nicht nur verkehrspolitisch, sondern auch aus der Perspektive des Bodenschutzes sowie der Agrar- und Klimapolitik ist dieses Vorhaben ziemlich „gestrig“. Die Entscheidung wurde vor vielen Jahren getroffen und die der Planung zugrundeliegenden Untersuchungen sind an die zwanzig Jahre alt. Unsere Vision ist, dass Bund, Land und Stadt dieses Vorhaben schnellstmöglich mit vereinten Kräften stoppen und das Geld, das für den Bau der S34 reserviert war, in Folge in den Ausbau klimaschonender Mobilität investiert wird.

FOTO PHOTOSCHMIDT - STOCK.ADOBE.COM

ausschauen? Alles, was bisher in der Öffentlichkeit über die geplante Neugestaltung des Domplatzes bekannt ist, weist in eine sehr begrüßenswerte Richtung – dass der Domplatz nur mehr zeitlich begrenzt für Zu- und Ablieferung befahrbar sein wird, dass es gestalterisch anregenden konsumfreien Raum zum Verweilen gibt, dass der Platz auch gastronomisch etwas zu bieten hat und zahlreiche Open AirVeranstaltungen durchgeführt werden. In unserem Zukunftsbild ist der Platz ein Aufenthalts- und Dialogort für alle Generationen mit Spielmöglichkeiten für Kinder.

Corona-Lockdown, Terror in Wien, Wahlen in Amerika. Jö fein. Es weihnachtet sehr. Die schöne und kluge Vizepräsidentin Kamala Harris macht mich jedoch sehr glücklich. In meinem Bauch brennen aber auch Kerzerl der Traurigkeit. Habe 20 Jahre in Wien gelebt und kenne im ersten Bezirk jeden Stein. Die Welt ist auf Schleuderkurs, man weiß nicht mehr, was schädlicher oder sogar tödlicher ist. Die Trumpis glauben nicht, dass sie verloren haben. Die gleichen Trumpeln glauben bei uns nicht, dass es Corona gibt. Ja, ich vergleiche Trumpwähler mit Coronaleugnern, sie sind so kindlich stolz auf ihre Trotzigkeit. In Amerika sind sie bewaffnet mit Schießgewehr und einem dummen Gesicht. Bei uns mit einem dummen Gesicht und schlechter Grammatik, Einkaufszentrum Traisenpark statt Rechtschreibkenntnissen. Coronaleugner fühlen sich sofort eingesperrt und für jeden Schwachsinn haben sie einen Schwachsinnigen auf YouTube. Jetzt haben wir harten Lockdown. Mit zwei entzückenden Schreibfehlern auf Facebook möchte ich darstellen, warum: Eine schrieb „Lookdown“, ein anderer „Locktown“. Uizwick. Und haben wir die höchste Infektionsrate weltweit. Weil wir einfach keine Angst haben vor Corona, pah! Die gleichen I-waaßois-i-kenn-mi-aus brauchten in den 70ern „sicher keinen Sicherheitsgurt“, weil sie sich „nicht einsperren und bevormunden lassen“, weil sie sich „bei einem Unfall eh abstützen können“, so mit den Händen am Lenkrad. Physik war ein Fach in der Schule, ansonsten nicht präsent. Viel frische Luft und Geduld, das wünsch ich uns.

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ST. PÖLTEN WÄHLT

„Der Bau der S34 geht mit einer zukunftsfähigen Verkehrspolitik nicht zusammen.“ CHRISTINA ENGEL-UNTERBERGERT

Wie sieht eine Smart City durch die Grüne Brille aus? Eine Smart City orientiert sich an definierten Nachhaltigkeitszielen, schont bestmöglich Ressourcen und steigert mittels Innovation Lebensqualität aller Bürgerinnen und Bürger der Stadt. Visionen der Grünen St. Pölten wie jene zu klimaschonender Mobilität oder CO2-neutralem Bau lassen sich prinzipiell gut mit dem Konzept einer Smart City vereinbaren. Dabei ist jedenfalls einiges zu beachten: Der Einsatz von Technologie darf nicht dazu führen, dass Menschen in der Konzeption der Städte abwesend werden. Im Gegenteil: Informations-technologische Errungenschaften müssen in diesem

Konzept dazu dienen, menschengerechtere Städte zu entwerfen. Partizipation von Bürgerinnen und Bürgern muss das Kernelement sein. Funktioniert eigentlich das Zusammenleben von Menschen unterschiedlicher Kulturen und Religionen in der Stadt? Zusammenleben spielt sich oft innerhalb spezifischer „Blasen“ ab. Wir sehen es nicht nur als private, sondern auch als öffentliche Aufgabe, Räume zu schaffen für Dialog und Miteinander über diese „Blasen“ hinweg. Das ungekürzte Interview finden Sie auf www.dasmfg.at

NEOS

KLARE VORSTELLUNGEN. Engel-Unterberger erklärt die Grünen Vorhaben.

PUNSCHKRAPFERL FÜRS ROSAROTE RATHAUS

Bei der letzten Gemeinderatswahl 2016 scheiterten die Neos mit 448 Stimmen oder 1,57 Prozentpunkten am Einzug. Seitdem sitzen sie aber mit drei Mandataren im Landtag und sind seit der niederösterreichischen Gemeinderatswahl 2020 in 33 Gemeinden mit 58 Gemeinderä38

ten vertreten. Hoffnungsvoll blicken sie angesichts dieser Erfahrungen und verbesserter Strukturen auf den St. Pöltner Wahlgang. Der Spitzenkandidat verspricht einen neuen Zugang zur Politik. Nach 28 Jahren als Redenschreiber und PR-Berater sei es für Niko Formanek nun an der Zeit, selber Verantwortung zu übernehmen. Nach einem Journalismus-Studium blieb er in den USA und arbeitete für hochrangige Politiker. Wenn er in den kommenden Wochen in der St. Pöltner Innenstadt nach Unterstützungserklärungen fragt, ist er wieder am Anfang seiner politischen Tätigkeit angelangt: als er damals für Heide Schmidt und ihr Liberales Forum gelaufen ist. Dazwischen machte er als Satiriker auf sich aufmerksam, mit einer Parodie auf die Krone schuf er quasi die geistigen Vorläufer der heutigen „Tagespresse“. Zu-

letzt arbeitete er als Kabarettist und Komiker. Bühnenerfahrung soll für Politiker ja kein Nachteil sein. Sein Beitrag zur Politik soll das Einbringen von guten Ideen sein. „Gerade die Gemeindepolitik könnte ein Leuchtturm sein, der bis zur Bundesregierung strahlt.“ Die Menschen seien angefressen auf gegenseitige Anfeindungen im politischen Alltag. Eine gute Idee bleibe eine gute Idee, egal von wem sie kommt. Inhaltlich wollen die Neos Schwerpunkte bei Zukunftschancen für Kinder setzen, etwa dem leidigen Thema der mangelnden Kinderärzte. Ein transparenter Baubeirat soll planlose Bautätigkeit verhindern, ein modernes Betriebsansiedelungskonzept Zukunftsbranchen nach St. Pölten locken. Die städtischen Finanzen müssten absolut transparent werden, ebenso die Vergabe von Gemeindewohnungen.


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WENN DIE LICHTER AUSGEHEN

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TEXT: JOHANNES REICHL | FOTOS: MATTHIAS KÖSTLER, RENÉ GROHS, MEGAPLEX

Die Corona-Pandemie hat nicht nur die bedrohlichste Gesundheitskrise seit Ausbruch der Spanischen Grippe 1918 ausgelöst, sondern ist auch für die größte Wirtschaftskrise seit Ende des Zweiten Weltkriegs verantwortlich. Praktisch keine Branche, die nicht davon betroffen wäre, wobei es einige besonders schlimm erwischt hat. Wir besuchten fünf von ihnen.

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s ist frisch in den Hallen des VAZ dieser Tage, die Heizung ist heruntergedrosselt, die Fluchten der Hallen verschwinden irgendwo im Finstern. Nur die Notbeleuchtung brennt noch und weist – so auch die metaphorische Hoffnung – einen Weg nach draußen, raus aus dieser Situation. Zwischen Bühnenpodesten, Boxen und Lichtanlagen steht fast der gesamte Fuhrpark der Betreiberfirma NXP – die Kennzeichen sind abmontiert, die Autos von der Versicherung abgemeldet. Gespart wird, wo nur irgendwie möglich. Klarerweise auch beim Personal, die Mitarbeiter sind großteils in Kurzarbeit, entlassen wurde noch niemand. Dementsprechend ruhig, ja fast gespenstisch still ist es in den riesigen Hallen, wo sich sonst übers Jahr gut 550.000 Besucher tummeln. Geschäftsführer René Voak sitzt einsam in einer der Reihen und blickt auf die „tote“ Bühne, die

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noch von der letzten Veranstaltung steht. Abgebaut wurde noch nicht – wozu könnte man fragen, weitere Events stehen nicht an, Personal ist nicht vorhanden … und so geht es dem VAZ mit wenigen Ausnahmen seit März. „Mittlerweile gehen die Verschiebungen und Absagen in die Hunderte!“, konstatiert der Kulturmanager nüchtern. Ein Blick auf die VAZ-Homepage illustriert das „schön“ – ein bisschen fühlt man sich an diverse Katastrophenfilme erinnert, wo am Flughafen auf der Anzeigentafel ein Flug nach dem anderen auf „cancelled“ hüpft, nur dass es auf der VAZ Homepage „verschoben auf“ oder „abgesagt!“ heißt. Eine Situation, mit der VAZBetreiber NXP als österreichweiter Konzertveranstalter im Übrigen überall konfrontiert ist. Nicht nur die Veranstaltungen im VAZ fallen aus, auch die Österreich-Tournee der Shaolin-Mönche wurde „bereits

„Jeder Mensch ist systemrelevant!“ RENÉ VOAK

zum dritten Mal“ verschoben, selbiges gilt für die Deutschland-Tournee von Thommy Ten & Amélie van Tass oder die Österreich-Termine des Kindermusicals Bibi Blocksberg „das wir zumindest vorm Lockdown noch in St. Pölten und Linz spielen konnten.“ Freilich mit angesagtem Minus, denn praktisch alle Veranstaltungen, die unter den coronabedingten Auflagen durchgeführt werden müssen, sind unrentabel. Ist ein Event auf mindestens 1.000 Personen ausgelegt und wird, wie z. B. in Niederösterreich bei Ampel Orange, auf 250 heruntergedrosselt (vom „Supergau“ 0 beim Lockdown reden wir noch gar nicht), geht sich


WENN DIE LICHTER AUSGEHEN

die Rechnung schlicht nicht mehr aus. Dass Voak trotzdem mit Biegen und Brechen versucht, alles, was irgendwie möglich ist, umzusetzen, hat mit seinem Berufsethos zu tun und zugleich dem, was er „als das Salz des Lebens, die Momente des Glücks in einem Veranstalterleben“ bezeichnet. Einen diesbezüglichen Lichtblick bescherte ihm Bibi Blocksberg am Tag vor dem Lockdown. „Wenn du in die strahlenden Gesichter der Kinder schaust, die sich seit Monaten darauf gefreut haben, aufgeregt sind und sich extra verkleidet haben – da geht dir das Herz auf. Für die Kinder ginge eine Welt unter, wenn du von einem Tag auf den anderen absagst.“ Kunst und Kultur seien in diesem Sinne – man merkt Voaks Aversion gegen die diesbezügliche Begrifflichkeit und Diskussion – „natürlich ‚systemrelevant‘! Gerade in Krisenzeiten hat Kultur eine enorm wichtige Funktion als Katalysator und für die Psychohygiene“,

ist er überzeugt. Im wirtschaftlichen Sinne treffe das nicht minder zu, wenn man an all die Künstler, Mitarbeiter und Zulieferbetriebe denke. „Und dann sagst du den Leuten: ‚Du bist nicht systemrelevant!‘ Das ist ja Irrsin, jeder ist systemrelevant, weil jeder ist ein Mensch!“ Die Politik – dies hält ihr Voak zugute – hat dies durchaus erkannt. Und auch wenn er, wie viele, unter manch bürokratischer Ehrenrunde stöhnt, nicht jeder salbungsvollen Ankündigung traut und ein Kommunikationstohuwabohu aus Ankündigungen, Verordnungen, Erlässen etc. ortet „welches die Menschen schlicht überfordert – wir sind ja keine Computer“, so ortet er doch „ein redliches Bemühen. Unsere Branche würde ohne die diversen Module längst darniederliegen.“ Das nähme auch Druck, „weil man weiß , dass man nicht allein ist und wir die Folgen vielleicht solange hinauszögern können, dass wir am

Ende des Tages die Gesundheitskrise auch wirtschaftlich überleben.“ Ausgemacht ist das freilich nicht, auch wenn man auf eine solide „28-jährige Unternehmenssubstanz bauen könne, die jetzt halt vernichtet wird.“ Von der öffentlichen Hand nimmt man mögliche Förderungen und Zuschüsse in Anspruch, aber ewig wird man das nicht durchhalten, zumal „all diese Module jetzt einmal bis längstens März laufen – aber was ist dann?“ Hier wünscht sich Voak wie seine Kollegen „von der Politik vor allem Planbarkeit, dass man sich schon jetzt überlegt, wie es im März konkret weitergehen könnte. Denn es ist ja nicht so, dass du in der Kulturbranche einfach den Schalter wieder anmachst und alles läuft sofort wie zuvor.“ Just in dem Moment geht ein Licht im VAZ-Foyer an und ergießt sich in die düstere Halle herein – ein Fingerzeig? Noch gibt es ein Licht am Ende des Tunnels!

OHNE KUNST & KULTUR WIRD’S STILL

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ein markantes Lachen hat Bluesman Mika Stokkinen noch nicht verloren „Ich bin einfach ein optimistischer Mensch“, meint der Strahlemann zur Begrüßung, auch wenn er im Rückblick auf das, was seit März so abgegangen ist, einräumt: „Das war schon eine richtige Watschen!“ Mika legt seine Gitarre auf den roten Teppich des spartanisch eingerichteten Proberaums. Von den Wänden lacht er sich, als Teil der legendären Rock’n’Roll Formation „The Ridin Dudes“ sozusagen selbst entgegen – Bilder aus rosigeren Tagen, als man mit Corona noch vorwiegend mexikanisches Bier und Lebensfreude assoziierte. Seitdem ist es für die Künstler dieses Landes steil bergab gegangen, akute Existenzbedrohung inklusive. „Anfangs war uns ja noch gar nicht so bewusst, was das jetzt wirklich heißt“, erinnert sich Mika zurück, der 2016 seinen „Brotberuf“

zugunsten seiner Profi-Musiker-Karriere endgültig an den Nagel gehängt hatte. Erst als nach drei vier Wochen immer mehr Absagen und Verschiebungen eintrudelten, „darunter auch wirklich große Sachen“, wurde dem Künstler wie vielen hierzulande flau im Magen. Von den damals rund 100 fixierten Gigs waren plötzlich nur mehr 20 übrig geblieben „und zwar jene, die wir schon vor dem Lockdown gespielt hatten.“ Die Einnahmen rasselten um gut 80% nach unten. Und die Aussichten für den Rest des Jahres sehen nicht besser aus, im Gegenteil: Aktuell sind von 25 fixierten Gigs nur mehr drei übrig geblieben. „Da beginnst du natürlich schon, wie’s mir Ende März ergangen ist, irgendwann zum – sorry für den Ausdruck – Hirnwichsen, wenn du allein zuhause hockst: Was mach ich jetzt, wenn das so bleibt?“ Mika kennt einige Kollegen, die mittlerweile auf Job-

THE STANDING DUDE. Mika Stokkinen kann wie die meisten Künstler aktuell nicht live auftreten und Geld verdienen. MFG 11 20

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„Das war schon eine richtige Watschen!“ MIKA STOKKINEN

suche sind – von der Kunst können sie nicht mehr leben, Reserven gibt es nicht: „Als Musiker bist du an sich eh gewohnt, mit weniger auszukommen, aber – so wie es damals anfangs aussah – mit gar nix, da ist deine Existenz schnell im Orsch.“ Heute ist er froh, dass er kein Einzelkämpfer ist, sondern mit René Grohs gemeinsam eine eigene Firma hat „was manches erleichtert“, insbesondere wohl diverse Förderungen anzuzapfen. So bekommt man etwa einen Fixkostenzuschuss, die Verwertungsgesellschaften LSG und AKM haben eine Überbrückungsfinanzierung ermöglicht, Sozialversicherung & Co. sind bis auf weiteres gestundet. Kurzum, Mika hängt wie viele andere am Tropf. Dass dieser überhaupt erst zum Fließen begann, dafür musste Manager René einen bürokratischen „Spieß-

rutenlauf“ auf sich nehmen. „Ich habe zig Stunden mit Anträgen verbracht, viele musste ich wieder kübeln“, bläst er durch und fügt kopfschüttelnd hinzu „Du kommst dir halt schon ein bissl nach dem Motto vor: Wenn du dich auf den Staat verlassen musst, bist du verlassen.“ Soll heißen, dass die versprochenen und groß angekündigten Hilfestellungen erst mit reichlich Verspätung eintrudelten. „Für viele sicher zu spät. Finanz- und Wirtschaftskammer sind ja sofort zur Stelle, wenn es darum geht, etwas einzuzahlen. Da wirst du auch sofort als Künstler anerkannt. Sobald es aber in die umgekehrte Richtung geht, sie also dir etwas auszahlen sollen, musst du plötzlich ganz genau nachweisen, ob du wirklich Künstler bist.“ Letztendlich hat aber alles geklappt. Nach aktuellem Stand kommt man wenigstens „einmal bis März über die Runden“, schätzt Mika, der sich auch nicht hängen lässt. „Im ersten Moment hat man natürlich die Anwandlung: ‚Ah, jetzt hab ich wenigstens Zeit zum Durchschnaufen.‘ Aber in Wahrheit willst du ja

produktiv sein.“ Am allerliebsten auf der Bühne, wie der Musiker gesteht, was aktuell aber nicht möglich ist. Deshalb hat man die Auftritte kurzerhand via Livestream online verlegt, durchaus erfolgreich: „Wir hatten bis zu 12.000 Aufrufe! Man beackert jetzt halt Kanäle, die man vorher vielleicht eh zu sehr vernachlässigt hat.“ Parallel dazu basteln die Dudes außerdem an einem Austropop-Album „wo jeder zuhause an den Songs feilt.“ Ob ich eine Kostprobe haben kann? Mika lässt sich nicht zweimal bitten, hebt die Gitarre vom Boden auf und schlägt ein paar Akkorde an. Dann gibt es doch ein paar positive Seiten der Pandemie – wann bekomme ich sonst schon ein Privatkonzert? Aber keine Frage, Vollblutkünstler wie Mika gehören so schnell wie möglich wieder auf die Bühne „weil dir diese Energie zum Publikum unglaublich abgeht!“ Und den Fans ergeht‘s umgekehrt nicht anders, weshalb der Slogan einer aktuellen Künstlerkampagne 100%ig zutrifft, den auch Mika zum Abschluss zitiert: „Ohne Kunst und Kultur wird’s still.“

ABSTURZ ODER ABFLUG?

D

er Besuch eines Reisebüros kann in Tagen wie diesen durchaus für ein bisschen Feelgood sorgen. Als ich „Gärtner Reisen“ in der Brunngasse betrete, lachen mir von den Wänden malerische Urlaubsbilder im SupersizeFormat entgegen – ein Tempel in Myanmar, ein weißer Südseestrand, New York City. Ein leises Ziehen in der Brust macht sich bemerkbar, Reisesehnsucht, die aktuell freilich nur sehr eingeschränkt gestillt werden kann. Die Reisebüros wissen ein Trauerlied davon zu singen. Die Buchungen sind eingebrochen, die diversen Einschränkungen machen Reisen zu einer komplizierten Angelegenheit. Wie zur Bestätigung hängt Geschäftsführer Niclas Wright gerade am Telefon, als

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ich in sein Büro trete, und betreibt Troubleshooting. Es gilt Flüge für einen Kunden zu checken, der über Dubai anreist, in Italien einen Zwischenstopp einlegt, wo seine Kinder bleiben möchten, während er selbst weiter zurück nach Österreich reist. Drei Länder, drei unterschiedliche Reise- und Coronabestimmungen. „Zum Glück haben wir überall gute und direkte Ansprechpartner“, meint Wright, nachdem er aufgelegt hat, „das macht die Problemlösung einfacher.“ Ich stelle mir jene Gäste vor, die Flug und Hotel privat gecheckt haben und jetzt am Rande des Nervenzusammenbruchs in ewigen Telefonwarteschleifen gefangen sind, weil ein Flug gestrichen oder irgendwo eine neue Reisewarnung aufgepoppt ist. Wer weiß – um et-

was Zweckoptimismus für die Reisebüro-Branche zu versprühen – vielleicht bleibt ja als positiver Nebeneffekt der Pandemie, dass wieder mehr Leute übers Reisebüro buchen, um sich diese Nervenschlachten zu ersparen. Wright selbst kann sich in diesem Sinne, wie er meint, ohnedies nicht beklagen „weil wir zu 90% Stammkunden haben.“ Diese halten ihm auch während der Krise die Treue. Stornierungen – wofür ohnedies die Reiseveranstalter einstünden – gebe es kaum, viele hätten ihre Reise einfach auf 2021 umgebucht oder Kreuzfahrten für 2022 fixiert, „wenn hoffentlich wieder alles vorbei ist.“ Geschäftsreisen, die zu einem Kernsegment zählen, hätten zwischenzeitig sogar wieder „ganz gut angezogen.“ Von Norma-


WENN DIE LICHTER AUSGEHEN

lisierung im eigentlichen Sinne kann freilich keine Rede sein. „Wenn pro Tag eine Person ins Geschäft kommt, ist das schon viel!“, stellt Wright nüchtern fest, weshalb alle 22 Mitarbeiter in Kurzarbeit sind. An diesem Tag sind im Großraumbüro gerade einmal zwei Arbeitsplätze besetzt, die Öffnungszeiten hat man auf drei Stunden pro Tag eingedampft. „Die meisten arbeiten im Homeoffice, was sehr gut funktioniert.“ Jetzt bliebe mehr Zeit für Sachen wie Weiterbildung oder der Entwicklung neuer Geschäftsideen. Ein Kollege etwa tüftelt gerade an einem – „und da sind wir Vorreiter in Österreich“ – neuen direct connecting Tool von Geschäftskunden zu Airlines „so dass diese bessere Konditionen bekommen.“ Auch die Implementierung CO2 neutralen Reisens – indem man im Gegenzug Zertifikate für nachhaltige In-

vestitionen erwirbt – ist ein Ziel, „um diesen Trend unseren Kunden zu ermöglichen.“ Überspitzt formuliert könnte man sagen, man versucht sich bei Laune zu halten, auch wenn die Gesamtsituation aktuell alles andere denn zum Lachen ist. „Im Privatkundenbereich haben wir sicher 85% gegenüber dem Vorjahresgeschäft eingebüßt“, so Wright „bei den Geschäftsreisenden ist es nicht so schlimm, da sind wir in etwa beim Umsatz von 25% gegenüber 2019.“ Also „nur“ minus 75% – werden Österreichs Unternehmer in der Krise demütig? Wright formuliert es stoisch: „Gärtner Reisen gibt es seit 60 Jahren. Wir bauen auf eine gute Grundsubstanz auf. Es gibt halt gute und schlechte Zeiten – jetzt sind wir leider gerade in einer schlechten, aber auch die werden wir überstehen!“ Wozu auch die diversen Programme des Staates

beitragen. „Da dürfen wir uns wirklich nicht beschweren in Österreich. In Deutschland etwa gibt’s zwar auch ‚Unterstützung‘, nur da reden wir von Krediten, die zurückgezahlt werden müssen!“ Weniger nachvollziehbar sind ihm dahingegen manch Reisewarnungen. Im sommerlichen Kroatien-Bashing ortet er, wenn man es richtig heraushört, ebenso ein möglicherweise bewusstes Kalkül, wie im Fall „einer komischerweise just drei Wochen vor den Herbstferien aufpoppenden Reisewarnung für die Malediven. Da gibt es aber nur eine betroffene Hauptinsel, wohin du als Tourist gar nicht kommst, weil es direkt vom Flughafen per Boot oder Wasserflugzeug auf eine der 120-150 Nebeninseln geht.“ Ein Manöver, um die Bürger zum Österreich-Urlaub zu bewegen, frage ich suggestiv. „Oder man kennt sich einfach nicht aus. Jedenfalls völlig sinnbefreit – das haut das Geschäft zusammen“, zieht Wright die Stirn in Falten und erzählt aus eigener Erfahrung von einem ApulienAufenthalt „wo ich drei Formulare akribisch auszufüllen hatte – die hat mir bis heute niemand abgenommen. Die allgemeine Unsicherheit ist klarerweise wenig einladend, wenngleich Reisen aktuell durchaus seine Reize hat „weil es nicht nur billig ist – die Hotels freuen sich ja über jeden Gast – sondern auch besonders attraktiv: Wann erlebt man schon Venedig mit so wenig Touristen?“ Ach Venedig ... Meine Reisesehnsucht meldet sich wieder. Als ich das Reisebüro verlasse, fällt mein Blick noch einmal auf den schönen Südseestrand. Keine Frage, es wird endlich Zeit für einen Abflug – und zwar zuallerst jenen des Virus in die ewigen Jagdgründe!

„Wenn pro Tag eine Person ins Geschäft kommt, ist das schon viel!“ NICLAS WRIGHT MFG 11 20

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KEINE ZEIT ZU STERBEN

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eschäftsführer Mario Hueber führt uns durchs geschlossene Hollywood MegaplexKino im Norden der Stadt. Tausende Quadratmeter gähnende Leere, so als wäre die Katastrophe, Leitmotiv zahlreicher Filme, von der Leinwand ins reale Leben gesprungen. Wir marschieren vorbei an veralteten Filmplakaten und Pappaufstellern, und es fällt einem just das auf, was gar nicht da ist: der Geruch frisch gerösteten Popcorns, die Schlange vor den Kassen, das aufgeregte Gezappel der Kinder. An „Film ab“ ist während des zweiten Lockdowns nicht zu denken, Kinos müssen – wie im Frühling – geschlossen bleiben, eher schießt einem der mulmige Gedanke „The End“ durch den Kopf. Wir machen Fotos im neuen 4D-Kinosaal. Eine knappe Million Euro hat das Unternehmen erst im Vorjahr dafür locker gemacht – wie die je hereingespielt werden sollen bei geschlossenem Haus? Bislang komme man über die Runden, so Hueber. Keiner der rund 180 Mitarbeiter der Hollywood MegaplexGruppe in Österreich musste ent-

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FILM-RISS. Im 4D-Kinosaal wird gerade niemand durchgebeutelt, dafür schleudert es die Branche.

lassen werden, die Belegschaft ist in Kurzarbeit. „Einige haben uns aber von sich aus verlassen, weil das geringere Einkommen während der Kurzarbeit für manche schlicht zu wenig ist, um über die Runden zu kommen“, zeigt er Verständnis. Die Abgänge hat man nicht nachbesetzt, so wie es generelle Strategie ist, alles, so weit wie möglich, runterzufahren. Selbst als man wieder öffnen durfte, hat man unter der Woche die Öffnungszeiten reduziert und ist nur am Wochenende Vollbetrieb gefahren. Der war aber ohnedies seit dem Frühling nur in Wellen möglich. „Als etwa im März der erste Lockdown kam, dachten wir ja noch, dass der Spuk nach zwei, drei Wochen erledigt sein wird.“ Ein Trugschluss, wie sich herausstellen sollte: Öffnen durften die Kinos erst wieder per 29. Mai, was in der Branche allerdings im ersten Moment auch nicht für Jubel, sondern vor allem Kopfschütteln sorgte, „weil wir daraus aus den Medien erfahren haben, 24 Stunden

vor Inkrafttreten! Aber du kannst ja nicht ohne Vorlauf einfach wieder so aufsperren.“ Bis heute hat Hueber den Eindruck, dass die Regierung oftmals eher auf Verdacht, denn faktenbasiert agiert. Eine klare Strategie kann er nicht erkennen. „Die bräuchten wir aber, um planen zu können. Ganz ehrlich. Mir ist lieber, man sagt gleich, bis März müsst ihr geschlossen halten, wir helfen euch – was ja auch geschieht – dass ihr irgendwie über die Runden kommt, anstatt dass es zunächst noch kalmierend heißt, ein Lockdown ist die allerallerletzte Option, und eine Woche später ist er plötzlich doch da. So kannst du nicht wirtschaften.“ Im Frühjahr improvisierte man, indem man der in Vergessenheit geratenen Idee des Autokinos neues Leben einhauchte, in St. Pölten gemeinsam mit NXP etwa das AutoKunstKino auf die Beine stellte. „Das war schon wichtig – für uns und die Kinofans.“ Und es war ein Erfolg. „Medial hatten wir die größte Resonanz überhaupt in der Geschichte unseres Betriebes, und das Feedback der Besucher war zu 99,9% positiv“, zieht Hueber zufrieden Bilanz. Die prekäre Gesamtsituation der Kinos konnte die Initiative freilich nur teilweise lindern, und spätestens seit der Global Player Cineworld per Oktober seine 600 Spielstätten in den USA und Großbritannien bis auf weiteres geschlossen hat, ist offensichtlich, wie schlimm die Situation wirklich ist – mit weitreichenden Auswirkungen auch auf Österreich. „Cineworld hat in den jeweiligen Ländern einen Markt-

„Ohne die Blockbuster, ohne neue Filme können wir auf lange Sicht nicht überleben.“ MARIO HUEBER


WENN DIE LICHTER AUSGEHEN

anteil von 25% bis 30%. Wenn so ein Player ausfällt, macht es auch für die Studios keinen Sinn, neue Filme zu lancieren“, beschreibt Hueber das Dilemma „zumal die Studiobosse in den Corona Hotspots New York und L.A. sitzen. Wenn dort sozusagen die Welt untergeht, wird das für die ganze Welt angenommen.“ Selbst als sich also in Europa die Lage im Sommer zwischenzeitig entspannte, kam man kaum an neue Filmware heran – die Starts der potentiellen Kassenschlager wurden

immer wieder verschoben. „Wir versuchen uns derweil mit älteren und vorwiegend europäischen Produktionen über Wasser zu halten, aber Tatsache ist: Ohne die Blockbuster, ohne neue Filme können wir auf lange Sicht nicht überleben“, umreißt Hueber die Situation. Was fatale Folgen auf die Gesamtgesellschaft hätte, wie er überzeugt ist, „denn Kunst und Kultur in all ihren Facetten ist genauso lebensnotwendig wie etwa der Supermarkt! Und eines muss uns schon klar sein“, fügt er ernst hinzu:

„Alles, was schließt, schließt für immer!“ Noch ist es aber nicht so weit. Aktuell ruhen alle Hoffnungen der Branche auf dem Start des neuen James Bond Streifens Ende März. Der berühmteste Agent der Welt mit der Lizenz zum Töten muss jetzt also auch noch die Kinobranche an sich retten – seine vielleicht schwierigste Mission bislang. Aber wie lautet der Filmtitel so schön, was wir einmal als positives Omen interpretieren: „Keine Zeit zu sterben“.

BLOOD ON THE DANCEFLOOR

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as machten im Frühling nicht für Gerüchte die Runde: Das La Boom sei in Konkurs. Es sei verkauft worden. Geschäftsführer Andreas Brandstetter verlege sein Fischereigeschäft dorthin etc. „Die skurrilste Geschichte war, dass ich das Excalibur gekauft hätte – diesbezüglich hat mich sogar eine Redakteurin der Ybbser NÖN angerufen“, muss der Gastronom noch heute lachen, auch wenn manches wohl eher zum Weinen ist. Denn geschlossen hat das La Boom natürlich, wie ein Schild auf der Eingangstür verrät, wenngleich man auch Mut macht: „Wir kommen zurück!“ Drinnen wird’s noch trister. Wo sonst Schweiß und Endorphine in der Luft liegen, fette Sounds aus den Boxen wabern und hunderte Tanz- und Kontaktwütige das Leben feiern, „brüllen“ einem Stille und Leere entgegen. Bars und Dancefloor liegen verwaist im Dämmerlicht, alles wirkt – wenn schon nicht tot – so doch wie eingefroren. Anfang März war die La Boom Welt noch heil. Das St. Pöltner Kultlokal war gesteckt voll gewesen, ebenso wie Brandstetters zweite Disco, das Till in Neulengbach. „Bei der Nachbesprechung am Mittwoch darauf waren wir richtig euphorisch“, erinnert sich Brandstetter, bis die Meldung von der „maximal 100 Leute indoor-

LA BOOM OHNE FETE. Die Nachtgastronomie hat es wohl am allerschlimmsten getroffen. Das LaBoom hat seit März die Pforten geschlossen.

Regelung“ ins Meeting platzte und die Feierlaune verdarb. „Seitdem, also acht Monaten, haben wir geschlossen“, rechnet der Gastronom vor und gibt sich auch keiner Illusion hin, dass sich daran so schnell etwas ändern könnte. „In Wahrheit – so die Hoffnung – gehen wir von einer Wiederöffnung frühestens im Frühling/Sommer nächsten Jahres aus.“ Dazwischen liegt, doppelt bitter, die „Highseason. Es war heuer schon eigenartig, zu Halloween zu-

hause zu sitzen im Wissen, dass das LaBoom jetzt voll wäre.“ Tatsächlich hat von den am schlimmsten betroffenen Branchen die Nachtgastronomie die ultimative „Arschkarte“ gezogen. Denn als nach dem ersten Lockdown allmählich wieder gelockert und geöffnet wurde, die Infektionszahlen gegen null gingen, blieb die Sperrstunde dennoch unverändert bei ein Uhr. „Bei uns geht es aber erst so ab halb eins richtig los und es wird dann bis MFG 11 20

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WENN DIE LICHTER AUSGEHEN

in die frühen Morgenstunden gefeiert“, erläutert Brandstetter das Dilemma „ein Konzept mit Sitzplätzen und anderen Öffnungszeiten wäre daher widersinnig gewesen, weil das La Boom nunmal vom Spaßfaktor und der Party lebt, ein Nachtlokal ist.“ Trotzdem wollte er gegen Ende des Sommers seinen Gästen zumindest so etwas wie eine La BoomSlim-Version kredenzen und kündigte unter dem Motto „halbtags feiern“ ein Revival an – ausgeklügeltes Sicherheitskonzept inklusive. Alles war angerichtet, die Reservierungstelefone liefen heiß „so dass wir nach nur zwei Tagen komplett ausgebucht waren“, als eine neue Verordnung die Ausschank an Bars untersagte und damit auch diesen Hoffnungsschimmer verblassen ließ. „Schau dir unser Lokal an“, zeigt der Wirt ringsum „das besteht zu 80% aus Bars!“ Schweren Herzens musste er die Veranstaltungsreihe wieder absagen, für die Gäste eine bittere Pille. „Vor allem für die jüngsten Gäste ist der Lockdown

eine riesige, auch psychische Belastung. Mit 16 Jahren ist normalerweise die Zeit, wann du erstmals fortgehen darfst, neue Erfahrungen sammelst. Das ist ein wichtiger Entwicklungsprozess. Das fällt jetzt komplett flach – die Jugend verliert ein ganzes Jahr“, ist er überzeugt. Eine Analogie der Teenager ortet er diesbezüglich übrigens mit der quasi gegenüberliegenden Alterskohorte, den Senioren. „Wir betreiben ja auch das ‚Punschkrapferl‘, das während der Lockdowns ebenfalls schließen muss. Dort sind viele ältere Personen Stammgäste, die kommen täglich zu uns, unterhalten sich, haben eine Ansprache – fällt das weg, ist das für viele wirklich schlimm!“ Senioren wie Junge gleichermaßen hätten mit der Isolation und Langeweile besonders zu kämpfen. Nicht minder gilt dies für die Gastronomie, in der es überhaupt ums Überleben geht: „Natürlich ist die Situation existenzgefährdend, aber wir werden es überstehen“, gibt sich Brandstetter zweckoptimistisch. Nicht nur die solide Grund-

„Corona stiehlt der Jugend ein ganzes Jahr!“ ANDREAS BRANDSTETTER

substanz des Unternehmens lässt ihn hoffen, sondern auch die staatlichen Hilfen wie Kurzarbeit und Fixkostenzuschuss. Zudem könne er mit seinem Fischereigeschäft „Monster Fish“ sowie dem „Punschkrapferl“ noch auf weitere Betriebe bauen, „wo wir wenigstens ein bisschen beschäftigt sind.“ Denn das gehe ihm und seinem Team am meisten ab „das gemeinsame Arbeiten.“ Und natürlich die Gäste, denen er Mut zuspricht. „Wir werden es schaffen und hoffentlich 2021 wieder gemeinsam Party feiern!“ Dieses Feiern wird sich dann nach der langen Durststrecke nicht nur süßer und wichtiger denn je anfühlen, sondern es auch tatsächlich sein, weil es eine große Hoffnung zum Ausdruck bringt: Die Krise ist vorüber! Es gibt ein Leben nach Corona!

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TEXT: ANDREAS REICHEBNER | FOTO: MATTHIAS KÖSTLER

TV-PIONIER ÜBERGIBT P3 Standbilder hat Rudolf Vajda beweglich und seinen Sender P3tv zu einem wichtigen Medien-Player gemacht. Aber nach 25 Jahren an der Spitze ist genug, ab November ist nun Oswald Hicker für Budget und Programm des Lokalsenders zuständig.

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ch habe keine Wehmut, mir taugt das total“, so der St. Pöltner P3tv-Fernsehpionier Rudolf Vajda über die Übergabe der Sendeleitung an Oswald Hicker. Nachdem er seinen Sender vor zwei Jahren um 200.000 Euro an den Agrarverlag verkauft hatte, für Vajda nun die logische Konsequenz. „Ich bin seit meinem 21. Lebensjahr selbstständig, nächstes Jahr werde ich 70 Jahre, möchte endlich das tun, was mir Freude macht, Bergsteigen, Rad fahren, reisen. Ich werde aber die Kamera nicht weglegen.“ Geplant ist ein Film über die Sherpas in Nepal, aber auch in den Senegal wird es gehen, um über ein Lepraprojekt zu drehen. „Meine Philosophie war es immer, junge Menschen auszubilden, so nach dem Motto, wenn die dich dann übertreffen, dann hast du etwas gut gemacht.“ So ist es für Vajda, der am 12. Dezember 1995 mit dem Senden startete, kein Problem, die Programmatik dem ehemaligen Bezirksblätter Chefredakteur Hicker, „den ich schon lange kenne und schätze“ in die Hand zu legen. Auch Hicker streut Rosen: „Das muss man sich vorstellen, der Rudi hat vor 25 Jahren nur Standbilder senden dürfen, hat in unglaublicher Pionierleistung P3tv zu einem Lokalsender, der von den Menschen angenommen wird, entwickelt.“ An dieser Philosophie will Hicker anschließen, noch mehr hin zu den Leuten gehen, auch räumlich. Ein Stadtstudio in der Rathausgasse ist im Entstehen.

STAFFELÜBERGABE. Oder genauer eigentlich Kamera-Übergabe. Nach 25 Jahren wendet sich Rudi Vajda neuen Abenteuern zu, Ossi Hicker folgt als Programmchef.

„Dank einer Kooperation mit der NV können wir ab Dezember einmal als Pop-Up unser Studio hier einrichten.“ Dort will man in der Auslage spielen, um den Leuten das Gefühl zu geben, „das ist unser Sender!“ Neue Formate entstehen Neue Formate sollen entwickelt werden, nächster großer Schwerpunkt wird die Gemeinderatswahl sein. „Dabei wollen wir aber nicht nur die Spitzenkandidaten zu Wort kommen lassen, wir machen auch einen City-Check zu großen Themenkomplexen.“ Experten werden mit ins Boot geholt, „die St. Pölten auf Herz und Nieren durchchecken.“ Hicker denkt am Wahlabend auch an

„Regionales Fernsehen muss darüber berichten, was vor der Haustüre passiert.“ RUDOLF VAJDA

eine Live-Berichterstattung aus dem Rathaus, mit Analysen und Talks. Hickers Philosophie eines Lokalsenders deckt sich dabei mit der seines Vorgängers: „Lokal-TV muss die großen Themen auf die lokale Ebene herunterbrechen. Wir wollen nicht über den Terroranschlag in Wien berichten, aber die Aufgabe unserer gut funktionierenden Redaktion wird sein, die Auswirkungen und Verbindungen zum Leben der Leute hier zu durchleuchten. Wir wollen uns auch in Zukunft aktiver einbringen, Themen setzen, die das Leben in der Stadt bereichern, nicht nur kritisieren, auch Wege aufzeigen oder Leute fragen, die Wege wissen.“ Hicker denkt ebenso an ein neues Kulturformat, „das durchkonzipiert ist, nicht nur Talk, das dem reichen Kulturleben der Stadt Platz bietet.“ Ob er da für seine Hobbys Angeln und alte Commodore-Computer sammeln Zeit bleiben wird? Rudolf Vajda weiß dazu sicher mehr. MFG 11 20

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DER FAHRRADKURIER Ich muss ein Geständnis ablegen. Immer wenn ich den „Fahrradkurier“ Andy Grubner auf seinem Drahtesel durch die City flitzen sehe, muss ich – ganz Pawlowscher Hund – unvermittelt Queens Klassiker „Bicycle Race“ anstimmen. Dabei sind Andys Passion nicht Rennen, sondern Rad-Botendienste – und das seit mittlerweile fünf Jahren.

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ngefangen hat alles 2015, als ihn der Gründer des „Räderwerk“, Peter Kaiser, mit an Bord, oder richtiger, auf den Sattel holte. Kaiser führte damals schon die Speisen des „Supperiör“ aus, außerdem bestückte er die Kulturaufsteller in diversen Lokalen, Gastronomiebetrieben und Ärztepraxen. Andys erste große Feuertaufe als Kurier betraf den „Blätterwirbel“. „Danach rief mich Peter an und meinte ernst: ‚Wir müssen reden!‘“ Ich dachte schon ‚Verdammt, was hab ich falsch gemacht?‘“, erinnert er sich zurück. Das Gegenteil war der Fall – Kaiser war so angetan vom Neuen, dass er ihn – selbst radmüde – aufforderte, sein Geschäft zu übernehmen. Der damals 25-Jährige, der nach der 2. England-Tour seiner Band „She and the Junkies“ ohnedies blank war, packte die Chance beim Schopf. „‚Jo mei, dann mach ich mich halt selbständig!‘, war mein erster Gedanke.“ Der ursprüngliche Plan A, Profimusiker zu werden, wurde durch Plan B, „Der Fahrradkurier.“, wie er sein Unternehmen taufte, ersetzt. Bereut hat er den Schritt nicht. „Ich wusste ja gar nicht, dass das in mir schlummert, aber es hat mich noch nie etwas so ‚zaht‘ wie das Radfahren – diese Mischung aus Radfahren und Job, die Bewegung im Freien, der Kontakt mit den Auftraggebern, das ist einfach genial“, schwärmt er. Und so hegt und pflegt er seinen Fuhrpark

– der zuletzt um ein aus Deutschland importiertes und ebendort inspiziertes Lastenrad erweitert wurde – mit größter Liebe und Sorgfalt, während die E-Bässe und Verstärker daheim im Keller verstauben. Kurierdienste jeder Art Das Portefeuille von „Der Fahrradkurier.“ ist dabei in seiner fünfjährigen Unternehmensgeschichte kontinuierlich gewachsen. Zu klassischen Botendiensten, die er etwa für die Marketing St. Pölten

DER FAHRRADKURIER. Andy Grubner ist aus dem Stadtbild nicht mehr wegzudenken. Seit fünf Jahren bietet er seine Botendienste an. 50

GmbH, die Stadt St. Pölten, diverse Kulturbetriebe abwickelt, sind immer mehr Unternehmen und Betriebe sowie auch Ärzte und Rechtsanwälte hinzugekommen, die auf die Kompetenz, Verlässlichkeit und vor allem Geschwindigkeit von Andys Mann- & Frauschaft setzen. „In der Regel schaffen wir die Zustellung innerhalb einer Stunde!“ Und was führt er so aus? „Das reicht von Werbemitteln über Schriftstücke, die man nur persönlich zustellen kann – also zum Beispiel Mietverträge und Schlüssel für eine neue Wohnung – bis hin zu Abstrichen, die wir von Ärzten ins Labor bringen.“ Letztlich gibt es fast nichts, was nicht möglich wäre – mit dem Lastenrad kann er sogar bis 250 kg transportieren, da werden dann nicht nur die MFGs in der Innenstadt unters Volk gebracht, sondern


TEXT: JOHANNES REICHL | FOTOS: DOMINIK BORIA, JONAS - STOCK.ADOBE.COM

etwa auch große „Trümmer“ wie Sofas herumkutschiert. Auch Speisen führt „Der Fahrradkurier.“ nach wie vor aus, freilich nur für spezielle, wenn man so möchte, befreundete Betriebe wie das Supperiör. Ein prinzipielles Geschäftsfeld sieht Andy darin aktuell nicht „weil es ohnedies Dienste wie Mjam und andere gibt und mir auch das Thema ökologische Verpackung ein großes Anliegen ist.“ Anders sieht es dahingegen mit einem Paketdienst für die Innenstadt aus. Diesbezüglich ist Andy bereits in der Testphase mit einem der Big Gambler der Branche, der auf die Wendigkeit und Schnelligkeit des Botendienstes in der City aufmerksam geworden ist und die Nachhaltigkeit des Konzeptes schätzt. „Das ist ganz gut angelaufen und taugt mir voll“, freut sich Andy über die Herausforderung und hofft auf eine langfristige Kooperation. Gerüstet dafür ist er allemal. So ist das Fahrradkurier-Lager mittlerweile in die alten Garagen der ehemaligen Rot-Kreuz Stelle in der Julius Raab

Promenade gewandert, und aus der One-Man-Show ist ein Quartett, „meine zweite Familie“, wie er es formuliert, geworden. Dazu zählen die beiden Mitarbeiterinnen Shirin und Georgina sowie „Constantin, die erste Teilzeitkraft des Betriebes.“ „Hallo Fahrradkurier!“ Über die Auslastung kann sich Andy aktuell nicht beklagen – trotz, oder vielleicht sogar wegen Corona. Zwar mussten anfangs der Pandemie manche Institutionen ihre Aufträge zurückschrauben, dafür sind jene privater Personen stark angestiegen. Was er für diese so erledigt – kann man sich das wie bei „Hallo Dienstmann“ vorstellen à la „nehmen Sie hier diese Dahlie, gehen Sie damit zur Amalie?“ „Wenn das gewünscht wird“, lacht er. Häufiger stünden aber etwa Einkäufe für ältere Bürger sowie diverse Besorgungen und Botengänge auf der To-Do-Liste „etwa auch Erlagscheine aufgeben, Meldebestätigungen abholen, Kleidung in die Putzerei bringen und so Sachen.“ Dies alles CO2-neutral und nachhaltig, weshalb sich Andy auch keine Sorgen um die Zukunft seiner Branche macht, „wir liegen sozusagen voll im Trend!“ Einen Trend, den er in St. Pölten selbst mitschreibt und mit Inhalt füllt „weil’s mir einfach voll taugt.“ So hat er etwa eine elegante Rikscha besorgt „die man für Hochzeiten und ähnliches mieten kann – was heuer halt leider ein bisserl ins Wasser gefallen ist.“ Die Feuertaufe hat man aber schon beim Höfefest mit Bravour bestanden. „Ursprünglich wollten wir so zwei Stunden fahren – letztlich waren wir durchgehend von 15 bis 21 Uhr im Einsatz!“, freut er sich über das positive Echo. Und auch ein neues, einspuriges Lastenrad möchte sich „Der Fahrradkurier.“ alsbald zulegen, „für kleinere Pakete, weil wir damit noch wendiger und schneller unterwegs sein können.“ Und dann werde ich Andy wieder durch die City flitzen sehen, und unbewusst „Bicycle, Bicycle … I want to ride my Bicyle“ anstimmen und mir denken – cooler Typ, coole Idee!

KOLUMNE TINA REICHL

KEINEN BOCK Es hat sich ausgepuzzlet. Das Kind im Distance Learning home office hat „keinen Bock“ auf Looping Louie, lustige Bastelaktionen oder Facetime Telefonie mit der ganzen Familie. Beim 1. Lockdown, in der Volksschule, hat das Kind noch einen schriftlichen Wochenplan abgearbeitet, gemalt und gewerkt. Jetzt braucht er einen Laptop, ist durchgehend online und checkt stündlich seine messenger und eduvidual Mitteilungen auf neue Lernaufgaben. Unterricht findet oft online statt und mir kommt vor, der Sohn hat sich den Computer als Bezugsperson auserwählt. Aber auch bei den Erwachsenen hat ein Wandel stattgefunden. Kein Mensch hat mehr Lust auf Putzen, Ausmisten oder Workouts vorm Fernseher. Und mit kein Mensch mein ich natürlich mich! Ich hätt auch keine Zeit dafür! Arbeit, Homeoffice, pädagogische Betreuung für meinen Sohn und meinen Mann neben Haushalt und Weihnachtsdekoration brauchen eben Zeit. Na gut. Ich hab erst eine Lichterkette aufgehängt, aber ich hab auch keinen Bock. Das einzig positive Ereignis in letzter Zeit war das Covid-19-Testergebnis eines Freundes meines Sohnes. Ansonsten nur negative Nachrichten. Selbst unsere Nespressomaschine hat sich downgelockt. Es war zu viel für sie. Werde gleich mal den Nachwuchs auf Google Recherche schicken – Nespresso Maschine brummt, was tun? Max kommt widerwillig aus seinem Zimmer, schlendert dann zielgerichtet zum Klavier, das er seit 5 Jahren nicht angesehen hat, und meint aufgeregt: „Mama, gibt’s du mir bitte eine Klavierstunde?“ Ich muss jetzt mal schnell mit ihm testen fahren!!!!!!!!!

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FOTOS: TIERNEY - STOCK.ADOBE.COM, VPANTEON - STOCK.ADOBE.COM, MIKULITSCH

AND THE WINNER IS

KOLUMNE THOMAS FRÖHLICH

WALDGANG Da zumindest das Spazierengehen während des Lockdowns erlaubt ist, beschloss ich also, mir wieder einmal den Kaiserwald zu ergehen. Inspiriert von Ernst Jüngers „Waldgänger“ drehte ich meine Runden. Ein pittoresker Nebel hüllte die Wege aufs Geheimnisvollste ein, im Gegenzug lüftete das Hirn aus, die Gedanken wurden zahlreich, klar und leicht bis … bis mir jemand entgegenkam, von Kopf bis Fuß mit High-End-Virtual-Reality-Tools angetan. Eine körperlose Stimme machte ihn soeben lautstark darauf aufmerksam, dass seine „Cherzfchequenz chunderchtundzwo“ betrage. Aha, dachte ich, der geht nicht zum Spaß spazieren. Dann entschwand er samt cherzlicher Notfallmedizinerin im Nebel, um daraufhin im Minutentakt von humanoiden Gestalten verfolgt zu werden, die laufend auf ihre Smartmegaphone starrten, um den lebensnotwendigen Anweisungen zur Durchmessung des Terrains nachzukommen. So manche lauschte auch hingebungsvoll der wohltönenden und nebelspaltenden Stimme ihres virtuellen Trainers, während sie sich gleichsam bocksprunghaft vorwärtsbewegte, freilich nicht ohne nebenbei unsagbar wichtige sozialmediale Einträge abzusetzen. Die einzige Ausnahme in dieser seltsamen Kavalkade bot ein Hundehalter mit frei laufendem, analogem Mondkalb, für welches der Wald in erster Linie ein Hundeklo darstellte. Immerhin. Ich erkannte: Gehen um des Gehens und um des Natur-Erlebens willen interessiert kein Schwein. Reumütig schlich ich mich nach Hause. Ohne Bildschirm oder Hund werde ich selbiges auch nimmer verlassen, versprochen!

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uch wenn die St. Pöltner Kulturszene aktuell – nach außen hin zumindest – sozusagen auf Eis gelegt ist. Nach innen hin, in den Schreibstuben, den Proberäumen, vorm heimischen Laptop brodelt es wie eh und je. Die Szene ist vielseitig und hochkarätig, was einmal mehr auch die Nominierungen für diverse Kulturpreise der Stadt zum Ausdruck bringen. So geht der Jakob Prand-

tauer Preis an den St. Pöltner Autor und Ehrenobmann der Literarischen Gesellschaft Wolfgang Mayer-König. Mit Förderungspreisen für Wissenschaft und Kunst werden Schriftstellerin Milena Michiko Flašar und Dom­organist Ludwig Lusser bedacht. Beim Künstlernachwuchs stauben Sinikka Monte, Felix Schnabl (Salami Recorder) und das Benigna Quartett die Youngsters Of Arts ab.

W EIC HENS T ELLUNGEN

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ie Europäische Kulturhauptstadt St. Pölten 2024 ist tot, es lebe die Landeskulturhauptstadt 2024. Lang steckte die letztjährige Bewerbungsniederlage der Stadt in den Knochen, mittlerweile ist man aber wieder in die Gänge gekommen und hat auch das Team für 2024 neu aufgestellt. Nachdem im Oktober mit der Kulturmanagerin Angelika Schopper bereits die neue operative Geschäftsführerin präsentiert worden war, wurde nun auch das Geheimnis um die künstlerische Leitung gelüftet: Aus rund 40 Bewerbern setzte sich Kurator und Dramaturg Christoph Gurk durch. Er überzeugte die Jury, wie es heißt, „mit klar und hellsichtig formulierten künstlerischen Konzepten, strategischer Intelligenz, einem

gesellschaftskritischen Ansatz sowie mit einer langjährigen und spartenübergreifenden Erfahrung in den Bereichen Theater und Performance, Musik und Bildender Kunst.“ Noch eine Kultur-Personalie wurde auf Schiene gebracht: Kulturmanagerin Bettina Masuch wird ab der Saison 2022/2023 künsterlische Leiterin des Festspielhauses.


FESTSPIELHAUS ST. PÖLTEN / BÜHNE IM HOF

SCHLAG(ER)

SICHER/ FESTLICH/ GLAENZEND/ SCHENKEN

Mit dem Wort „Schlag“ kann man ja so einiges anstellen: Der Schlag kann einen treffen, Pointen können wie ein Schlag wirken, oder – praktisch das Gegenteil (wobei für manche auch wiederum nicht) – durch das Anhängen des Suffix -er ist man beim Schlager, und damit der meist heilen (Parallel) Welt angekommen. Kabarettist Martin Frank, der am 16. Jänner mit seinem Programm „Einer für alle – alle für keinen“ gastiert, würden wir wohl eher zur Kategorie „Schläger“ einreihen – bei seinen bisweilen bitterbösen, frechen und hintersinnigen Pointen geht es nämlich Schlag auf Schlag. Wobei – man höre und staune – auch die Liebe nicht zu kurz kommt, immerhin wusste schon Franks Oma: „Ohne Liab, is no koana oid woan!“

Jetzt Gutscheine sichern und festlich glänzend schenken! Schenken Sie Vorfreude auf mitreißende Konzerte und bewegende Tanzabende im Festspielhaus St. Pölten. Jetzt Gutscheine buchen unter www.festpielhaus.at. Foto: Dobet Gnahoré, die Königin des Afropop, bringt die Lebensfreude der Elfenbeinküste am 28/04 ins Festspielhaus St. Pölten © Thomas Skiffington

Dem Schlager an sich mit seinen seicht- bis tiefgründigen Texten, verpackt in Melodien, die sofort ins Ohr gehen (und manchmal gar nicht mehr raus), hat sich wiederum Thomas Gansch verschrieben. Schlüssigerweise lädt er am 31. Jänner deshalb zur „Schlagertherapie“. Musikalisch kommt diese beim begnadeten Trompeter, der mit eigener Kombo anrückt, in teils neuem Anstrich daher. Der Inhalt hingegen bleibt sozusagen gleich und baut auf dem ewigen Liedgut von Wanda Jackson, Hildegard Knef, Bill Ramsey, Robert Stolz bis hin zu Schlager-Godfather Udo Jürgens auf.

www.buehneimhof.at Infos: www.festspielhaus.at | Tickets: www.festspielhaus.at

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FREUNDE DER KULTUR ST. PÖLTEN

LIEBE FREUND*INNEN! In der letzten Ausgabe an dieser Stelle im September waren wir noch guter Dinge und hofften auf einen „stabilen“ Herbst sowie die „Wiederöffnung“ unserer Häuser. Die Programme waren fixiert, die Proben hatten begonnen, die Mitarbeiter*innen und Künstler*innen strotzten vor Tatendrang. Und tatsächlich gab es sozusagen ein kurzes Aufatmen und unsere Kulturinstitutionen starteten nach einer unfreiwillig längeren Pause in die neue Saison … bis … ja bis die Besucherzahlen aufgrund wieder steigender Corona-Zahlen so stark limitiert wurden, dass zahlreiche Veranstaltungen abgesagt werden mussten. Mittlerweile befinden wir uns im zweiten Lockdown – Kunst- & Kulturgenuss ist also weiterhin nur sehr eingeschränkt bis gar nicht möglich. Aber wir werden diese Durststrecke meistern, gemeinsam mit den Künstler*innen, das sind wir Ihnen und uns schuldig!

Weichenstellungen bei Jahreshauptversammlung

Erfreulicher gestaltete sich dahingegen unsere Jahreshauptversammlung, die wir Anfang November abhielten. Zwar musste ich auch dort über manch abgesagte Veranstaltung im heurigen Jahr berichten, zugleich durfte ich aber die freudige Mitteilung machen, dass der Verein erstmals die 550 Mitglieder-Zahl überschritten hat! Zudem wählten wir unsere geschätzte Olivia Khalil, ihres Zeichens kaufmännische Leiterin des Landestheaters Niederösterreich, zur neuen Kassierin des Vereins. Insgesamt engagieren sich in diesem inklusive den zwei Rechnungsprüfern elf – und dies meine ich positiv – „Kulturverrückte“, um die Geschicke des größten Kulturvereins der Landeshauptstadt.

Die Hoffnung stirbt zuletzt!

Einig waren wir uns alle darin, dass wir uns trotz all der aktuell widrigen Umstände nicht entmutigen lassen. Die Häuser haben teilweise wieder ihr attraktives Digitalprogramm „ausgerollt“, und auch wir vom Verein sind schon am Planen für eine „bessere“ Zukunft. Nach dem Motto „die Hoffnung stirbt zuletzt“, werden wir möglicherweise noch im Dezember nach dem Lockdown – so möglich – eine Outdoor-Führung zu den spannenden Interventionen der Gegenwartskunst-Initiative „art hoc“, die sich mit dem Thema „25 Jahre Österreich in der EU“ auseinandergesetzt hat, organisieren. Dieses Kunst im Öffentlichen Raum-Projekt mit dem Namen IN THIS TOGETHER empfehlen wir seitens der Freunde der Kultur. Zudem ist ein Gespräch mit der neuen künstlerischen Leiterin des Festspielhauses, Bettina Masuch, welche die Geschicke des Hauses ab der Saison 2022 übernehmen wird, angedacht. Dieses wollen wir physisch und nicht digital abwickeln, wann es möglich sein wird, darüber informieren wir Sie noch rechtzeitig, vermutlich wird es aber nicht mehr heuer stattfinden können. Aber wie heißt es so schön: „Aufgeschoben ist nicht aufgehoben!“ Dann eben – seien wir guter

Die Freunde der Kultur St. Pölten blicken auf ein turbulentes Jahr zurück. Corona hielt auf Trab, erstmals zählte der Verein über 550 Mitglieder.

Dinge – jedenfalls im Laufe des kommenden Jahres, wenn die Pandemie in Griff gebracht worden ist. Dann werden wir wieder gemeinsam – und wohl intensiver denn je – nach Monaten der Absenz bzw. des improvisierten digitalen Genusses den wirklichen Theaterbesuch, das Lauschen im Konzertsaal, das Staunen in den Museen und all die wunderbaren Facetten der Kunst und Kultur genießen! Ihr

Lothar Fiedler

(Präsident Freunde der Kultur St. Pölten)

MITGLIED WERDEN und die zahlreichen Vereinsvorteile (Exklusivveranstaltungen, Previews, Künstlertreffen, Exkursionen, Ermäßigungen uvm.) genießen. Anmeldung und Infos unter T +43 2742 90 80 90-941, F +43 2742 90 80 94, freunde@kultur-stp.at

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INFORMATIONEN

www.freundederkultur-stp.at, Tel.: 0 2742 90 80 90-941


& Ich

TEXT: JOHANNES REICHL | FOTOS: HELMUT LACKINGER, PRIVATARCHIV NASKO

Ausstellung bis  7.3.2021

museumnoe.at

in Kooperation mit

WACHAU DIE ENTDECKUNG EINES WELTERBES

01. 07. 2020 – 06. 03. 2022

lgnoe.at MFG 09 20

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Anton Hlavacek, Panorama des Donautals mit der Burgruine Dürnstein (Ausschnitt), um 1905, © Landessammlungen Niederösterreich

Sujet: Perndl&Co / Bezahlte Anzeige

Klima


FLORIAN JAKOWITSCH (1923 – 2020) Anfang Juli diesen Jahres verstarb, hochbetagt im 98. Lebensjahr, in Wr. Neustadt der Maler Florian Jakowitsch. Er gehörte mit Sicherheit zur Künstlerelite Niederösterreichs. Das Land verlor mit ihm einen aus der Kunstlandschaft herausragenden Menschen.

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Mit dem NÖ Kulturforum war Florian Jakowitsch über lange Strecken seines Weges verbunden, das mit ihm immer wieder Ausstellungen durchführte und ihn auch bereits in den 1970er-Jahren in einem von Gotthard Fellerer redigierten Katalog würdigte. Wir haben ihn gemocht. Er war einfach, natürlich, liebenswert, deftig, klug, schlagfertig. Aussagekräftige Kommentare waren sein Markenzeichen. „Diplomat im Nadelstreif hätte er wohl nie werden können“, sagt sein langjähriger Freund und Wegbegleiter Gotthard Fellerer über ihn. „Seine Frisur war nie windschlüpfrig, sondern wild zerzaust. Er war ein Kämpfer des Ausdrückens, der nie auf der Stelle trat, ein Bildermaler, der auch die Stimmung einfing, und er braute eine herzhaft dicke und kräftige Kunstgrütze, in der ein Löffel stecken bleiben konnte – keinesfalls dünne Süppchen …“

DIE ANFÄNGE Florian Jakowitsch kam aus einfachen Verhältnissen, 1923 in Wr. Neustadt als jüngstes Kind einer Arbeiterfamilie in die triste Zeit nach dem Ersten Weltkrieg hineingeboren. Sein Vater, Maschinenschlosser, wie Tausende damals arbeitslos, die Familie 56

mehrfach delogiert – dennoch kann Florian den ersten Klassenzug der Hauptschule besuchen, wo sein Zeichentalent auffällt. 1939 wird er Lehrling in den Flugzeugwerken und besucht nebenbei Maler- und Bildhauerkurse an der Volkshochschule. Dort entdecken der Maler Franz Erntl und der Bildhauer Hans Vonmetz sein Talent und raten ihm zur Aufnahmsprüfung in der Wiener Akademie, die er besteht. Herbert Boeckl wird zu seinem Lehrer, bei dem er die Abend-Aktkurse besucht und dem er bis zu dessen Tod im Jahr 1966 eng verbunden bleibt. Er begegnet Anton Kolig, dem er auch Modell steht, und beginnt an der Württembergischen Akademie der Bildenden Künste zu studieren. Einberufungen zum Kriegsdienst, Genesungsaufenthalte

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an verschiedenen Orten und Fortsetzung seiner Studien wechseln mit Tätigkeiten als Fabriksarbeiter ab, um sich seinen Lebensunterhalt zu verdienen. Die Umstände treiben ihn quer durch Europa.

KÜNSTLERLAUFBAHN Nach dem Krieg wieder in Wien gelandet, setzt er seine Studien fort. 1946 nimmt er erstmals an einer Ausstellung in seiner Heimatstadt Wr. Neustadt teil. Er unterrichtet einige Jahre als Zeichenlehrer in Wr. Neustadt, ebenso seine Gattin, die Malerin Rose Schüle. 1949 schließt Jakowitsch sein Kunststudium mit dem Diplom ab. Seine einzigartige Künstlerlaufbahn nimmt ihren erfolgreichen Verlauf. Studienaufenthalte in vielen Teilen Europas, insbesondere in Paris,


KULTUR VOR DER HAUSTÜR – NÖ KULTURFORUM

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erweitern seinen künstlerischen Horizont ungemein. Österreichische und internationale Künstlerinnen und Künstler werden zu Kollegen und Freunden, Herbert Boeckl, Anton Kolig, Albert Paris Gütersloh, Eduard Bäumer, internationale Künstler wie die Schweden Gösta Adrian-Nilsson, Bror Hjorth und viele andere.

SCHAFFENSKRAFT Seine Vielseitigkeit lässt ihn ein ungeheuer umfangreiches Oeuvre schaffen: Aktzeichnung, Grafik, Aquarell, Ölbild, sakrale Kunst (Glasfenster in Kirchen, u. a. im Dom von Wr. Neustadt) – seine große Schaffenskraft zeichnet ihn aus und geht über die Region, über Niederösterreich, über Österreich hinaus. Bereits im Alter von 96 Jahren gestaltete er 2019 noch eine Flagge – so wie weitere namhafte zeitgenössische Künstler­ Innen – anlässlich des von Gotthard Fellerer initiierten Fahnenprojekts im Zuge der NÖ Landesausstellung „Welt in Bewegung“ in Wr. Neustadt. Für seine künstlerischen Verdienste erhielt er im Laufe seines Lebens zahlreiche Auszeichnungen und Anerkennungen. Jakowitsch engagierte sich auch in Künstlervereinigungen, so z. B. im Kunstverein SüdOst, als Obmann des Landesverbands der nö. Kunstvereine, als Ausstellungskurator, Juror, Kunstpädagoge, durchaus oft auch als streitbarer Geist, der nicht nach einer fremden Pfeife tanzt. EIN LEBEN FÜR DIE KUNST Als solchen lernte ich Florian Jakowitsch kennen, traf ihn öfter bei Veranstaltungen in seiner Heimatstadt, die er trotz seines hohen Alters gerne besuchte und bei denen er

sich offensichtlich sehr wohl, weil anerkannt und geschätzt, fühlte. Sofort empfanden wir gegenseitig Sympathie, er, der Betagte, genoss es sichtlich, mit mir, dem Jüngeren zu diskutieren – über Politik & Gesellschaft, Sozialismus & christlichen Glauben, Kunst & Kultur; über die schwierige materielle Situation der Künstlerinnen und Künstler in unserem reichen Land. Er lobte unseren Einsatz für die Kulturschaffenden, als Obmann des NÖ Kulturforums empfand ich das als Auszeichnung, und noch mehr, von ihm eingeladen zu werden, ihn in seinem Haus in der Föhrenwaldgasse zu besuchen. Ich war überrascht von der Bescheidenheit seines Zuhauses; von der offensichtlichen Genügsamkeit, die er gemeinsam mit seiner Lebenspartnerin Ulla Bresnig genoss, die ihn seine letzten Jahrzehnte begleitete, und der spürbaren materiell beschränkten Lage, in der sich viele Kulturschaffende, vor allem im Alter, befinden. Auch als anerkannter Künstler und trotz seiner Aufträge, um die er immer kämpfen musste, hat er diese Situation wohl sein Leben lang meistern müssen. Jakowitsch führte mich in sein Atelier, das mir wie ein übervoller Schuppen vorkam, eine Vorratskammer voller Kunst von höchster Qualität, in dem Stöße von Bildern, Zeichnungen, Grafiken, Akten, Aquarellen lagerten. Lange Zeit blätterte er mit mir die Mappen durch, und zu jedem Stück wusste er einen Kommentar abzugeben. Ich erwarb einige Bilder von ihm, wobei mir in Erinnerung bleibt, wie er sagte „Du hast an guten Geschmack, weil´st du dir grad das aussuchst“ (als Draufgabe verehrte er mir verschmitzt noch eine Aktzeichnung). Ja, er vermittelte auf seine Weise seine Philosophie, das Wissen, die Erfahrung und die Weisheit eines Menschen, der sein Leben der Kunst verschrieben hatte, seine Begeisterung für das Schöne und das Wesentliche im Leben, von dem er sagte, dass „es kurz ist, vor allem dann, wenn man scheinbar nicht mehr unbegrenzt Zeit hat und den

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Rest seines Lebens doch noch mit Sinn erfüllen möchte“ (Zitat Gotthard Fellerer).

UNVERGESSLICH Im Juli ist dieses lange – und doch zu kurze – Künstlerleben zu Ende gegangen. Bleiben wird das Lebenswerk von Florian Jakowitsch, einem ganz großen Künstler unseres Landes. Prof. Ewald Sacher, Obmann des NÖ Kulturforums

Akt (Federzeichnung) Gasteinertal (Aquarell) Glasfenster im Wr. Neustädter Dom Selbstbildnis Florian Jakowitsch MFG 11 20

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FOTOS: MIRKO VITALI - STOCK.ADOBE.COM, OMIDO/ZVG, FREIRAUM

SCHON VERRÜCK T

KOLUMNE THOMAS WINKELMÜLLER

PRÄVENTION Stellen Sie sich vor: eine Freundesgruppe aus Burschen und Mädels. Wir stangeln den Unterricht und rauchen hinter der Schule Zigaretten. Manche haben einen Hang zur Kriminalität und zu dummen Ideen, andere weniger. Ein paar Jahre lang entdecken wir zusammen, was die Welt so zu bieten hat. Man schmust miteinander und erlebt die erste Beziehung. Dann zerbröselt das Fundament der Gruppe und ein paar gehen ihrer Wege. Zwei Jahre später swipe ich durch meinen Newsfeed und der Kurier titelt IS-Rekrutierungen in St. Pölten. Berechtigter Clickbait. Eine Gruppe junger Männer wollte ein Waffengeschäft überfallen und in den Dschihad ziehen. Das Namenskürzel von einem der Verdächtigen kommt mir traurig bekannt vor und bald darauf vibriert mein Telefon. „Oida hast schon ghört?“ Wie verliert jemand so dermaßen den Halt? Ich frage mich bis heute, ob wir etwas daran hätten ändern können. Schuld tragen wir nicht, aber in St. Pölten kann niemand so tun, als ob er nichts gemerkt hätten. Was ich damit sagen möchte? Wir dürfen nicht vergessen, mit wem wir die erste Zigarette geraucht haben. Wer uns damals schlechte „Aufrisstipps“ gegeben hat. Mit wem wir aufgewachsen sind. Wir müssen diesen Leuten zeigen, dass sie uns nicht egal sind. Dass sie nicht alleine sind. Dass wir sie einfach ihretwegen gernhaben. Schon wegen dem, was wir gemeinsam erlebt haben. Für mich kommt diese Einsicht leider zu spät. Vielleicht macht es jemand anders besser. Es würde uns viele Debatten über Gesetzespakete und Deradikalisierung ersparen.

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in St. Pöltner wird auf YouTube millionenfach geklickt und keiner bekommt es mit. So ist das eben mit dem Internet. Wer genug Glück, Talent und ein Gespür für Marketing hat, kann sowas schaffen. OMIDO heißt eigentlich Jan Engelmaier und hatte sich schon als SCVLPTURE einen Namen gemacht. Damals im Drum & Bass mit schrillem Jump Up. Als OMIDO hat der Musikproduzent die Blechdose zur Seite gelegt. Der

elektronischen Musik bleibt er dabei treu, diesmal rattern aber die Hi-Hats und bluesige Riffs schmücken seine Drops. Alles in allem klingt die Musik melodiöser, massentauglicher und erinnert stark an den amerikanischen Singer und Produzenten Two Feet. Und warum weiß hier keiner von seinem Ruhm? „Noch sind meine Fans sehr über die Welt verteilt, aber langsam gewinne ich auch in Österreich an Reichweite“, so OMIDO.

MUS IK .S T P

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t. Pölten ist mit musik.stp um eine auf youtube, facebook und Instagram bespielte Plattform reicher – und man ist geneigt zu sagen: was für eine! Man mag über Corona und seine Folgen schimpfen, aber die Krise zwingt aufgrund der damit einhergehenden Einschränkungen auch zu Kreativität mit tollem Output. „Mit dem Lockdown im Frühjahr und der längerfristigen Aussicht auf weitere Einschränkungen des Veranstaltungsbetriebs haben wir uns überlegt, wie das Live-MusikVakuum in der Stadt gefüllt werden könnte“, verrät Mastermind Martin Rotheneder vom Freiraum die

Idee hinter dem Projekt. Herausgekommen ist mit musik.stp eine neue Dachmarke für die St. Pöltner Musikszene, auf der sich Interviews, Live-Sessions und Videos mit den local heroes finden. Genial! Man ist immer wieder verblüfft, wie vielfältig die St. Pöltner Musikszene ist!


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GENERATION MIT ABSTRICHEN Ausgehverbot, Fernlehre und Perspektivenlosigkeit. Kinder und Jugendliche verlieren seit dem März dieses Jahres Stück für Stück an Gegenwart und Zukunft. Was macht das mit ihnen und wie erleben sie die Krise? Das MFG hat sie gefragt und ihre Antworten gesammelt.

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Laura, Studentin aus St. Pölten Während Corona habe ich die meiste Zeit bei meiner Mama in St. Pölten gewohnt. Die ersten Wochen waren ganz okay, aber es hat mich belastet, meinen Job verloren zu haben. In dieser Zeit habe ich die Großstadt und meine Unabhängigkeit jede einzelne Sekunde vermisst. Ich habe fast zeitgleich mit dem ersten Lockdown eine Beziehung begonnen. Mit ihm war ich gemeinsam in Quarantäne. Leider hat uns das Eingesperrt-Sein psychisch ziemlich belastet. Der Sommer war schön, aber trotzdem war es nicht so, wie wir es uns vorgestellt hatten. Im Endeffekt hat uns Corona ein Stück weit die Beziehung gekostet.


TEXT: THOMAS WINKELMÜLLER | FOTOS: ALESSANDRO BIASCIOLI - STOCK.ADOBE.COM, DEAGREEZ - STOCK.ADOBE.COM

Mittlerweile habe ich meine eigene kleine Wohnung in Wien. Diesmal bin ich ganz allein. Ich hinterfrage jeden Tag, wie die Beziehung wohl gewesen wäre, wenn sie im normalen Leben stattgefunden hätte. In einer Welt ohne Corona. Paula, Schülerin aus einer NMS Am Beginn des ersten Lockdowns waren die Lehrer noch eher schlecht vorbereitet. Wir waren nur kurz im Computerraum und haben das Nötigste besprochen, aber nicht viel gemacht. Später hat mir dann eine Freundin nochmals alles genau erklärt. Also am Anfang war die Kommunikation nicht gut. Mittlerweile funktioniert es besser. Wir bekommen verständliche Angaben und die Lehrer nehmen sich die nötige Zeit für uns. Ich denke, dass ich nicht allzu viel verpasse, wenn ich brav mitlerne. Emma, Schülerin in einer HLW Ich will ehrlich sein. Einerseits finde ich Online-Unterricht nicht schlimm, aber Freunde, Klassenkollegen und das Schulfeeling gehen einem mit der Zeit ab. Die Freude am Lernen schwindet von Tag zu Tag, denn meiner Mei-

nung nach sind Klassenkollegen ein wichtiger Ansporn dafür. Abendliche Feiern, Fortgehen und Partys. All das sind Dinge, die in meinem Alter langsam eine größere Rolle für mich spielen würden. Wegen Corona geht das alles nicht, denn von Woche zu Woche werden die Maßnahmen verschärft. Jemand hat mal zu mir gesagt, ein wichtiger Teil unserer Jugend werde uns gerade weggenommen und ich stimme dieser Aussage zu. Felix, Schüler im BIGS Zuhause war es eigentlich sehr gemütlich. Ich konnte endlich meinen Schlaf aufholen, nahm ein paar Lieder auf und saß fast die ganze Zeit nur vorm Computer. Das funktionierte auch die ersten zwei Wochen sehr gut – nur irgendwann konnte ich nicht mehr einschlafen und habe ungewollt durchgemacht. Morgens begleitete ich meine Mutter in die Arbeit und fuhr dann alleine mit dem Rad wieder nach Hause – in der Hoffnung müder zu werden. Auch das wochenausklingende Fortgehen musste ich mir abschminken. Ich habe dann mit meinen Freunden via Skype ein paar Bierchen gezwitschert. War zwar nicht das Gleiche, hat aber funktioniert.

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GETEILTES LEI D… …ist halbes Leid. Mit dem Fernunterricht sind die Schülerinnen und Schüler nicht ganz alleine gelassen. Lehrkräfte unterstützen Kinder und Jugendliche, während auf ihnen die Last liegt, den Lernerfolg zu gewährleisten. Leichter gesagt als getan, erzählt eine St. Pöltner AHS-Lehrerin, die lieber anonym bleiben möchte.

Corona verändert seit dem März dieses Jahres den Schulalltag. Wie ist die Lehrerschaft in St. Pölten mit der neuen Situation umgegangen? Es war zunächst schwierig, weil kaum eine Schule auf solche Herausforderungen vorbereitet war, aber wider Erwarten hat es bei uns gut geklappt. Die Direktion hat gemeinsam mit der IT-Abteilung und unserer Administration den Unterricht an unserer Schule online fit gemacht. Damit das funktioniert, haben die Kollegen viel Arbeit reingesteckt.

Für den aktuellen Lockdown sind Sie gut vorbereitet? Ja. Herausfordernd für uns Lehrer ist aber, dass wir unsere Unterlagen eins zu eins auf die Plattformen bringen sollten, was so nicht geht. Unsere Unterlagen sind nicht dafür gedacht. Das ist ein irrer Aufwand.

Abseits vom Digitalisieren der Unterlagen: Wie groß ist die Mehr-Belastung durch Corona?

Man muss zwischen den Fächern unterscheiden. Anglisten, Mathematiker und Germanisten sind am Anschlag und das ist nicht übertrieben. Ich bin niemand der gern jammert, aber Lehrer müssen etwa technisch enorm aufrüsten.

Kann eine solche Umstellung und Belastung dauerhaft gut gehen?

Naja, der generelle Tenor ist, dass einfach enorm viel Stoff verloren geht. Ich sag selbst immer, dass man sich auf die Hauptfächer konzentrieren soll, damit man nicht so stark

nachhinkt, aber auf Dauer geht das nicht. Die Kinder lernen nicht zum Spaß Physik oder Geografie.

Und machen die Kinder und Jugendlichen mit?

Die Jüngeren sind dabei und schalten auch brav ein, obwohl wir sie ja nicht einmal mit Video zu sehen bekommen. Die haben – so kommt es mir vor – noch nicht herausgefunden, dass sie sich hinter der Kamera verstecken können. In der Oberstufe schaut das anders aus. Ich kann die Leute im Unterricht zwar ab und an drannehmen und kontrollieren, ob sie da sind und aufpassen, aber bei unseren 30er-Klassen kann man sich vorstellen, wie gut das geht.

Apropos „auf der Strecke bleiben“. Wie sieht die Hilfe der Schulen für benachteiligte Kinder aus?

Über unsere Online-Tools konnten wir mit den meisten schnell in Kontakt treten und fragen, welche technischen Geräte zuhause vorhanden sind und ob sie geteilt werden müssen. Auch wie es mit dem Internet im Haus ausschaut, wollten wir wissen. Die Frage, ob man am Land oder in der Stadt wohnt, ist ausschlaggebend. Es gibt schlichtweg Gegenden, in denen das Internet nicht gut genug ausgebaut ist, ob man es glaubt oder nicht. Ich habe eine Kollegin vom Land, die verzweifelt. Sie rüstet auf was geht und arbeitet viel in der Nacht, damit ihre Kinder und ihr Mann im HomeOffice sein können und manchmal schafft sie es dann trotzdem nicht, dass sie ihre Stunde abhält.

Wie sieht das Feedback der Schülerschaft aus?

Ich habe meistens das Gefühl, dass das Schulische überwiegend passt und ihnen in erster Linie der Kontakt zu Freunden stark abgeht. Meine größte Sorge ist aber, dass die sozial benachteiligten oder leistungsschwachen Schüler links der sozialen Schere zurückbleiben. Sowohl bei uns in der Schule als auch im Privaten.

„DE P RESSIONEN, A N G ST U N D BELASTU N G “ Irene Kautsch leitet das Kinderschutzzentrum MÖWE. Als Psychotherapeutin arbeitet sie und ihr Team vor allem mit Jugendlichen und Kindern, die von Gewalt aller Art betroffen sind. Die Corona-Maßnahmen erschweren ihr Angebot.

Was hat sich seit dem Ankommen von Corona in Österreich in Ihrer Arbeit mit Kindern und Jugendlichen geändert?

Grundsätzlich bemerken wir in der Arbeit mit Jugendlichen, die schon eine Problemstellung in Bezug auf Gewalt haben, dass sie die Situation rund um Corona weiter belastet. Es verstärkt eine depressive Symptomatik. Die Jugendlichen erleben eine starke Einschränkung von positiven Erfahrungen und Erlebnismöglichkeiten. Das wirkt negativ auf Kinder und Jugendliche und mündet in depressives Verhalten, Ängste und eine höhere Belastung. Bei manchen führt es dazu, dass sie ihre Pflichten ganz lassen, weil ihnen ihre Situation nicht mehr bewältigbar erscheint.

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Haben Sie ein bezeichnendes Beispiel?

Ja. Mir fällt da ein Jugendlicher ein, der stark unter dem Übergriff eines Nachbarn leidet und in der Zeit des CoronaLockdowns einfach nicht mitmachen konnte. Der hat es schlichtweg nicht mehr geschafft selbstständig zu arbeiten.

Wenn es bereits Gewalt gegeben hat, und Kinder und Jugendliche jetzt vermehrt in ihren vier Wänden bleiben müssen – verschärft dies die Situation?

Also wenn es schon Gewalt im Haushalt vor Ort gibt, ist das jetzt sicher eine ernstzunehmende Bedrohung. Enge und Unausweichlichkeit verstärkt solche Phänomene tendenziell.

Wie bleiben Sie denn jetzt mit den Jugendlichen in Kontakt?

Grundsätzlich gelten wir jetzt im Lockdown Nr. 2 als versorgungsrelevant und versorgungskritisch eingestufte Einrichtung. Das heißt, dass wir weiter da sind und im Krisenfall


GENERATION MIT ABSTRICHEN

weiter zum Gespräch persönlich zur Verfügung stehen. Was wir bei Lockdown Nr. 1 festgestellt haben, ist, dass Jugendliche gern mit uns über WhatsApp in Kontakt treten und über solche Wege gut erreichbar sind. Das ist die einzige Gruppe, bei der das Ausweichen auf Videoanrufe auch positiven Beigeschmack hat.

Welche Probleme abseits von Missbrauch etc. beschäftigt die jungen Menschen nach ihrem Empfinden am meisten?

Die größte Belastung ist sicher der ausbleibende soziale Kontakt.

Und wie kann man jungen Menschen da helfen?

In erster Linie einmal dadurch, dass wir die Belastung anerkennen. Wenn man die aktuellen Regeln einhält, verliert man Kontakt zu anderen Menschen. Jugendliche belastet das besonders. Da braucht es viel Arbeit. Mir ist es da wichtig anzumerken, wie toll die meisten Kinder und Jugendlichen mittun.

Haben Sie selbst Probleme, dass Sie den Kontakt zu den Jugendlichen verlieren?

Ja. Wenn Leute den Jugendschutz nicht wollen, entkommen sie ihm mit der COVID-Situation leichter. Wenn sie ihre Familien vor Corona schützen möchten, weil es eine gefährdete Person gibt, können sie sich durch solche Geschichten schneller unseren Programmen entziehen. Das passiert wirklich, wenn auch nicht in großem Umfang.

Zum Schluss: Was wäre für Sie entscheidend, um einen besseren Schutz für Kinder und Jugendliche zu gewähren?

Kinderschutzzentren wie die MÖWE sind noch immer von Spenden abhängig und nicht völlig durchfinanziert. Es geht weniger darum, insgesamt mehr Gelder zu bekommen, sondern wir brauchen eine sichere Struktur, in der wir nicht immer wieder auf Suche nach Geldern gehen müssen. In Niederösterreich sind die Zentren zu 30 Prozent auf Spenden angewiesen. In Oberösterreich sind sie hingegen ausfinanziert.

HEL FE N DE HÄN DE Michael „Hogi“ Hogl leitet als Sozialarbeiter das Jugendzentrum Steppenwolf. Vor allem Jugendliche, die nicht wissen, an wen sie sich mit der Angst und Perspektivenlosigkeit wenden sollen, kommen in die Einrichtung. Niederschwellige Sozialarbeit während Corona stößt naturgemäß an ihre Grenzen – und die versucht Hogl zu überwinden ...

Ja, wir sind weiterhin auch vor Ort für die Jugendlichen da. Seit dem zweiten Lockdown haben wir uns in zwei Teams gesplittet und bleiben von Dienstag bis Samstag von 14 bis 19 Uhr für Gespräche sowie Unterstützung geöffnet.

Sie sind Sozialarbeiter. Ihr Beruf ist es Zeit mit Jugendlichen zu verbringen und ihnen zu helfen. Wie geht das während eines kontaktlosen Lockdowns?

Im Frühjahr war die Strafthematik bezüglich Treffen mit Gleichaltrigen außerhalb der eigenen vier Wände ein großes Thema. Das ist in diesem Alter unglaublich wichtig, wie in keiner anderen Lebensphase. Für viele war es besonders schwierig, über viele Wochen zu Hause zu bleiben und die Freunde nicht zu treffen. Prekäre Wohnverhältnisse, wenig Platz oder viele Geschwister. Die Liste ist lange. Vor allem Jugendliche aus problembelasteten Familien haben es am meisten riskiert rauszugehen und in unserer Wahrnehmung deswegen die meisten Strafen kassiert. Ein Bursche hat es viermal geschafft 450 Euro zahlen zu müssen. Dann waren wir bei 1.800 insgesamt. 900 konnte er zahlen und den Rest musste er absitzen. Er hatte noch nie Probleme mit der Polizei und das war eine Erfahrung für ihn, die nicht so leiwand war. Er wurde ins kriminelle Eck gestellt, obwohl er nicht das Bewusstsein hatte, sonderlich viel falsch gemacht zu haben.

Unsere Arbeit lebt von Beziehungen und als die im Frühjahr unterbrochen worden sind, war das weder für die Kids noch für uns einfach. Für viele war diese Andockstelle Steppenwolf einfach ein fixer Teil ihres Lebens und der ist weggefallen. Wir sind alle mit den technischen Voraussetzungen in der glücklichen Lage eine Art Krücke mit Social Media zu haben, um ein niederschwelliges Informations- und Beratungsangebot bereitzustellen.

Wie sieht dieses Online-Angebot aus?

Es gibt nicht dieses allgemein gültige Konzept, wie ein virtuelles Jugendzentrum funktioniert, sondern wir müssen schauen, was unsere Kids in St. Pölten am meisten nutzen. Daher haben wir unseren Auftritt auf Instagram genutzt und bauen ihn seitdem weiter aus. Mit den meisten haben wir den Kontakt gehalten, ein paar sind weggefallen. Gleichzeitig haben wir viele Neue dazugewonnen, die wir im Jugendzentrum nicht so bald gesehen hätten. Wir schauen auch laufend, welche Informations- und Beratungsangebote gerade relevant sind und bespielen unsere Kanäle mit diesen Infos.

Können Sie die Jugendlichen jetzt während des zweiten Lockdowns vor Ort besuchen?

Und mit welchen Problemen kommen die Jugendlichen jetzt während Corona zu Ihnen?

Was macht Corona mit den Jugendlichen?

Die langfristigen psychologischen Auswirkungen sind aktuell nicht abzusehen. Worüber wir uns einig sind, ist, dass wir uns noch länger mit dem Thema Corona und den Auswirkungen beschäftigen werden müssen. Ich denke da an den Arbeitsmarkt. Gerade für Jugendliche, die am Rande der Gesellschaft stehen, wie arbeitslose oder obdachlose Kids in der Stadt, schwinden corona-bedingt die Perspektiven auf eine bessere Zukunft.

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„Ich zeig, was ich ka n n. Als Lehrling bei SPA R!“

GENERATION MIT ABSTRICHEN

GESAMMELTE TEXTE EINER 4. KLASSE VOLKSSCHULE AUS ST. PÖLTEN LAND In der Zeit mit Corona können wir nicht Reiten gehen, uns mit Freunden treffen und mehr. Ich habe Angst um meine Uromas und Uropas. Sich darüber ärgern bringt genau gar nichts und wir müssen es einfach auf uns zukommen lassen. Leonie Ich hatte beim ersten Lockdown für eine kurze Zeit auch Angst. Für mich wäre das Schönste, wenn alles wieder normal wäre. Gabriel und Hayda

LEHRLINGE GESUCHT!*

Während Corona ist es langweilig die Masken zu tragen. Ich wünsche mir, dass die Zeit mit den Masken vorbei ist. Ich wünschte, dass Covid-19 weggehen würde, weil ich schlauer werden möchte. Kerem und Daniel Beim ersten Lockdown bin ich gar nicht richtig mitgekommen. Es war sehr schwierig in dieser Zeit. Ich bin ein bisschen wütend, weil der Spielplatz geschlossen hatte und wir vermissen die Normalität, falls es überhaupt noch eine gibt. Wir wünschen uns, dass Corona bald vorbei ist, auch wenn wir zu Weihnachten keine Geschenke bekommen. Krawery und Johannes Wir vermissen die Lesenacht und mit der ganzen Klasse zu singen oder Ball zu spielen. Wir wünschen uns wieder mit der Schule einen Ausflug machen zu können. Manches ist sehr schwierig in dieser Zeit, weil wir Abstand halten und die Masken tragen müssen. Laura und Damien

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LOST GENERATION? Kinder und Jugendliche leiden vor allem unter fehlenden sozialen Kontakten mit Freunden.


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KLENK & MEDER | FOTOS: K&M/ZVG

Eine Lehre bei Klenk & Meder zu machen, ist eine geniale Idee“, so Simoncic über die vielen tollen Möglichkeiten im Unternehmen. Außerdem wird eine coole Lehrlings-App verwendet, mit der man mit seinen Lehrlingen auch im digitalen Kontakt bleibt.

Innovatives Traineeprogramm Besonders stolz ist man auch auf ein innovatives und einzigartiges Programm für junge Elektrotechniker. „Wir bieten ein 12-monatiges Traineeprogramm an, in dem unsere Jungtechniker verschiedene Abteilungen kennenlernen, Obermonteure auf Baustellen begleiten dürfen und so viele spezielle Einblicke bekommen“, erläutert Simoncic. Wie wickelt man eine Baustelle erfolgreich ab? Wie kommuniziere ich mit Monteuren, wie mit Kunden und Auftraggebern?

SICHER, COOL UND TOP

DEIN ARBEITSPLATZ BEI KLENK & MEDER Trotz Corona wurden heuer 35 Lehrlinge aufgenommen, in 52 Jahren Firmengeschichte macht das über 1.000 junge Menschen, die bei Klenk & Meder eine fundierte Ausbildung erhielten. So präsentiert sich das größte österreichische Familienunternehmen im Bereich der Elektro- und Haustechnik nicht nur als verlässlicher, sondern auch als moderner Top-Arbeitgeber. Jungen Mitarbeitern das Gefühl geben, angekommen zu sein und sie bestens auszubilden, das ist das Programm von Klenk & Meder – nicht nur für Lehrlinge, auch für HTL-Absolventen. Dafür gibt es mehrere professionelle Tools, auf die man bei Klenk & Meder besonders stolz ist: die hausinterne Lehrlingsakademie, den Lehrlingscoach und ein besonderes Traineeprogramm für Jungtechniker. Karriere mit Lehre ist beim familiären St. Pöltner Elektrotechnikunternehmen also bei weitem keine leere Worthülse. Um sich als Lehrling weiter zu bilden, besser zu werden und dadurch auch mehr Geld zu verdienen, gibt es nicht nur die Arbeit auf der Baustelle und die Ausbildung in der Berufsschule. „Wir bei Klenk & Meder lehren unsere jungen Elektro- und Gebäudetechniker 66

zusätzlich in der hausinternen Lehrlingsakademie“, erzählt die Leiterin der Personalentwicklung, Mag. Martina Simoncic, „dort werden spezielle Themen genau erklärt und durchgemacht, mit Rat und Tat theoretisches und praktisches Wissen gefördert.“ Aber das ist noch nicht alles, Klenk & Meder unterstützt seine Lehrlinge auch beim Führerschein mit einem Zuschuss von 150 Euro und führt jedes Jahr coole Lehrlingsevents – ob Klettern, Raften, Go-Cart-Fahren, Zielschießen – durch. Und fürs Frequency – ja, es wird wieder stattfinden – gibt es auch 50 Euro dazu. „Damit Arbeit auch Spaß und Freude macht.

Daneben gibt es noch einzelne Schulungsmodelle, bei denen es etwa um Projektmanagement, um Verkauf oder um Kommunikation geht. Natürlich fehlt auch Werkzeug- und Materialkunde nicht. „Dabei können sich unsere jungen Techniker ein Netzwerk im Unternehmen aufbauen, interne Abläufe viel besser kennenlernen“, so Simoncic über das ambitionierte Traineeprogramm, das hilft, anfängliche Barrieren zu überwinden, „so wird Klenk & Meder noch attraktiver für Elektrotechnikabsolventen.“ Zurzeit genießen fünf junge Techniker diese Ausbildung. Für nächstes Jahr sind auch schon weibliche Technikerinnen vorgemerkt. So zeigt sich Klenk & Meder auch für junge Mitarbeiter als ein cooler, sicherer und genialer Arbeitgeber in einer stabilen Wirtschaftsbranche. Und wer weiß, vielleicht sitzt du schon nächstes Jahr in einem der 250 gelben Klenk & Meder Firmenautos, die in ganz Österreich im Einsatz sind und die Mitarbeiter überall dorthin bringen, wo TopArbeit gefragt ist.

Mag. Martina Simoncic: „Auf professionelle Personalentwicklung legen wir großen Wert, speziell bei der Förderung von Lehrlingen, Jungtechnikern und Nachwuchsführungskräften.“


t! f u ä l n w o td n u o C r e D Nach dem Winter ist vor dem SUNDECK! Nur mehr wenige Monate, dann steht einem ausgelassenen Sommer am SUNDECK nichts mehr im Wege.

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DIE 75-JÄHRIGE UNION ST. PÖLTEN ERSCHÜTTERT SO SCHNELL NICHTS Von „Aqua Gym“, „Bauch Beine Po“ über „Tanz ab der Lebensmitte“, „UGOTCHI Pop Dance“ bis hin zu „Sesselgymnastik für Senioren“ oder „Zumba®Fitness“ bietet die UNION St. Pölten ein reichhaltiges Programm. Im November wurden viele Einheiten über ZOOM geführt. Von Corona lässt sich der 75-jährige Verein aber noch lange nicht unterkriegen.

SEELE DES VEREINS. Präsident Karl Preiss lenkt seit fast zwei Jahrzehnten die Geschicke der UNION St. Pölten, aktuell auch umsichtig durch die Corona-Wirrnisse.

Ü

ber 20.000 Menschen haben sich schon bei der UNION St. Pölten sportlich betätigt. Der 1945 im Domcafe (wo heute der „Tchibo“ ist) gegründete Verein hätte am 28. November mit großem Trara seinen 75-jährigen Geburtstag feiern wollen. Mit einer Sport68

show in der HTL mit Einlagen von allen elf Sektionen und zwei Zweigvereinen (Leichtathletik, HandballMänner). „Das haben wir schon vor dem ersten Lockdown abgehakt“, sagt Präsident Karl Preiss. Auch von einer „abgespeckten Version“ haben sich Preiss und Co. dann recht bald

verabschiedet, nicht zuletzt wegen der vielen „vulnerablen“ Mitglieder in ihren Reihen. Die Übungseinheiten wurden bis November, in welcher Form auch immer, gewährleistet. „Mit einer einzigen Ausnahme“, sagt Preiss, „die Kinder, die beim allgemeinen Turnen angemeldet waren, konnten wir leider nicht bedienen. Das war einfach nicht mehr durchführbar.“ Die Mehrheit hat der UNION die Treue gehalten: Von den über 3.500 Mitgliedern im Sommer haben sich rund 700 verabschiedet. Über 100 davon haben die gemeinsamen Bande als „Förderer“ nicht ganz reißen lassen. Die Sponsoren sind alle geblieben, mit den Gemeinde-Schulen und Bundes-Schulen wurden neue Verträge und auf die jeweiligen Sportarten zugeschnittene Präventionskonzepte ausgehandelt. Lediglich in die Turnsäle der Mary Ward Schulen darf sowieso kein Auswärtiger hinein.


TEXT: THOMAS SCHÖPF | FOTOS: MATTHIAS KÖSTLER, INGOLF WÖLL

„Den Treue-Geist gibt es nicht mehr. Das war einmal “, sieht Preiss die aktuelle Situation nüchtern. Im Vorstand und bei den Übungsleitern sei „man nach wie vor guter Dinge.“ Nur eine bessere Kommunikation nach ganz oben wäre manchmal wünschenswert. Preiss bezog seine gesicherten Infos von „Sport Austria“, der Interessenvertretung und Serviceorganisation des organisierten Sports in Österreich, und vom „stets gut informierten“ Österreichischen Fachverband Turnen „aber ich habe auch viel googlen müssen.“ Oft sei etwas verkündet worden, ohne dass es schon eine entsprechende Verordnung gegeben habe. Dazu ereigneten sich viele Kuriositäten: Just nachdem Preiss seinen UNION-Tischtennisspielern den Eintritt in den Turnsaal mit zwei Tischen verwehrt hatte („Trotz verschieden färbiger Bälle und den alleine durch die Platten ja schon gewährten Abstand“), sah er dann am Abend live im TV die „Top of Austria Challenge“ – zu der hatte der ORF mit dem Verband unter dem Titel „Kampf der Geschlechter“ die besten Tischtennis-SpielerInnen Österreichs am Küniglberg zusammengetrommelt. „Vom Fußball will ich gar nicht erst reden“, kneift Preiss die Lippen zusammen, „obwohl ich selbst Rapid-Fan bin.“ Kein Cluster Bei der UNION kam es bis zum zweiten Lockdown zu keiner einzigen Cluster-Bildung. Lediglich zwei Einzelfälle (ein Volleyballer und ein Handballer, die sofort isoliert wurden) traten auf, aber keine bei der Sportausübung nachgewiesene Ansteckung. „Bei den Handballern drängte sogar der Gegner darauf die Begegnung, gleich am ersten Tag nach der Quarantäne nachzuholen.“ SPORTTAGE. Viele Jahre zählten die Union Sporttage zu einem Fixpunkt im Jahresprogramm. Heute begeistert man mit dem Kinderball im VAZ.

IKONEN 1963. Die Union brachte Stars hervor wie Inge Weichhart (Aigner), Ingrid Kment, Eva Egger (Janko), Edd Lutz, Maria und Liese Sykora (Prokop) (v.l.n.r.). Freuzeit Die Festschrift „Freuzeitsport mit der Sportunion St. Pölten“ ist zum 75er mit einer Auflage von 300 Stück erschienen. Autor Ingolf Wöll unternimmt darin mit Susanne und Karl Preiss eine Zeitreise durch die Vereinsgeschichte. „Freuzeit, weil die sportliche Aktivität bei uns in erster Linie Freude bereiten soll“, sagt Wöll, der selbst seit 1949 UNION-Mitglied ist und Preiss (seit 2003 Präsident) als „Seele des Vereins“ bezeichnet. Am erfolgreichsten waren und sind die Leichtathleten mit Olympioniken wie Liese Prokop, Inge Aigner (in den 60ern „Schnellste Frau Österreichs“), Eva Janko, Thomas Futterknecht, Beate Schrott oder Ivona Dadic. Bei den Handballern wuchs Viktor Szilágyi zu einem Spitzenspieler heran und avancierte

später zum erfolgreichsten Spieler der österreichischen Geschichte. Wesentlich die heimische Szene präg(t) en auch Klaus und Andreas Stachelberger, Werner „Faxe“ Lint, Max Wagesreiter, Ibish Thaqi, Damir Djukic, Gerhard Sulzbacher und Roland Masching. 15.000 bei den Sporttagen In den 80ern und 90ern erfreuten sich die „UNION Sporttage“ großer Beliebtheit und wurden als Drei-Tages-Fest von bis zu 15.000 Menschen von Jung bis Alt besucht. Neben Wandertagen und Radwandertagen avancierte vor allem der UNION Ball zur zugkräftigen Marke, der UNION Kinderball ist es nach wie vor. 2020 kamen knapp vor dem ersten Lockdown 2.000 Besucher ins VAZ, für 2021 wurde er abgesagt. „Dort sehen die ‚kleinen Hasen’ etwas und kommen dann beispielsweise zum Turnen, Judo, oder zum Volleyball zu uns ... Werbung machen wir ja schon lange keine mehr. Es ist nach wie vor so, dass wir aufgrund der Infrastruktur kaum mehr welche aufnehmen könnten“, so Preiss. Die Abtrünnigen würde er dennoch wieder mit offenen Armen empfangen. MFG 11 20

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FOTOS: SCHWARZ-KÖNIG, LEIMINGER, KAISER, BAUMANN

ANNABERG Das Familienparadies

GEMEINDEALPE Der Action-Berg

Das Familienskigebiet Annaberg punktet mit Abwechslung: FIStaugliche Hänge und breite Carvingpisten für Ski-Virtuosen und tollkühne Snowboarder wechseln mit schwungvoll angelegten Hängen für Hobby-Skifahrer, Kinder kommen im aufregenden „Anna-Land“ auf ihre Kosten. www.annabergerlifte.at

Auf der Gemeindealpe Mitterbach können sich Skifahrer und Snowboarder so richtig austoben. Tiefschneeprofis fühlen sich in den Freeride Areas pudelwohl. Ambitionierte Skifahrer stellen sich der steilsten Piste Niederösterreichs. Und Freestyler shredden im coolsten Snowpark des Landes. www.gemeindealpe.at

SCHIFOAN DAHOAM Warum in die Ferne schweifen, wenn das Gute so nah ist? Für Pistenzauber muss man schon lange nicht mehr stundenlang verreisen, die Mostviertler Skigebiete liegen direkt vor der Haustür und versprechen herrlichen Pistenzauber. In Zeiten wie diesen ein doppelter Bonus!

Hochkar und Ötscher sind gerade einmal eine Autostunde von St. Pölten entfernt, auf die Gemeindealpe oder nach Annaberg geht’s sogar kommod per Bahn mit genialen All-In-One-Tickets (siehe Nebenseite). Als ob dies noch nicht genug wäre, punkten die Skigebiete durch ein faires PreisLeistungsverhältnis, und zwar für die ganze Familie: Auf Ötscher und Hochkar fahren die kleinsten Gäste bereits ab vier Euro!

Darfs ein bisserl mehr sein? Unbedingt! Zwischen Lackenhof und Mitter-

bach darf man sich zudem auf panoramareiche Loipen, attraktive Skitouren sowie idyllische Schneeschuhstrecken freuen! Warum also nicht gleich über Nacht bleiben, um alle Angebote zu nutzen! Die Gastgeber bieten nicht nur Vielfalt vom 4-Sterne Hotel bis zum Bio-Bauernhof, sondern unter dem Motto „100% Vorfreude, 0% Risiko“ auch kulante Stornobedingungen. „Schifoan dahoam“ steht also nichts mehr im Wege, denn wie singen wir? „Schiiiiifoan, Schiiiifoan ... im Mostviertel is des Leiwandste, wos ma sie nur vorstellen kann!“

HOCHKAR Das Schnee-Reich

ÖTSCHER Die Ski-Arena

Das Hochkar gilt dank der Lage auf 1.380 bis 1.800 m als besonders schneesicher. Die 19 Pistenkilometer garantieren bis April feinstes Skivergnügen auf kinderfreundlichem bis anspruchsvollem Niveau. Zudem haben auch Freerider das Hochkar ins Herz geschlossen. www.hochkar.com

Weltcuperprobte und herausfordernde Pisten erwarten Wintersportler in Lackenhof am Ötscher. Die Distelpiste und die Pisten des Großen Ötschers sind eine Herausforderung für ambitionierte Skifahrer. Familien dagegen sind auf der Eibenkoglpiste und im „Sunny Kids Park“ ideal aufgehoben. www.oetscher.at

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TEXT: THOMAS SCHÖPF | FOTOS: MATTHIAS KÖSTLER

DER VOITH-PLATZ IST GESCHICHTE Fast 70 Jahre lang rollte beim Spratzerner Kirchenweg am Voith-Platz der Ball. Nun wird dort eine Wohnhausanlage gebaut. In der sportlichen Hochblüte der Voith Schwarze Elf (VSE) St. Pölten Ende der 80er- und Anfang der 90er-Jahre pilgerten regelmäßig tausende Fans zur Kultstätte.

LA COMEDIA É FINITA. Der legendäre Voith-Platz im Süden der Stadt erlebte große Fußball-Heldentaten und Tragödien. Nun ist der Vorhang endgültig gefallen.

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eiratsanträge im Mittelkreis, ein Gspusi im Sekretariat, das ein U21-Spieler aufdeckt. Der Wagramer Fan „Öli“, der als Parkplatzeinweiser Lajos Detari zeigt, wo auf der Gstätten er seinen Ferrari hinstellen soll und später als VIP-Ordner Erwin Pröll klar macht, dass er hier das Sagen hat. Gemurmel und Gekichere bei einer Trauerminute für einen angeblich verstorbenen SPÖ-Stadtradt, der gerade putzmunter auf der Tribüne Platz genommen hat. Kult-Sprecher Fritz Dibidanzl, der stets auf das „Aller-, Aller-Herzlichste“ vor allem die „liebe, liebe Jugend“ begrüßt. Die Fans, die ihre Verehrung zum Aufstiegs-Trainer mit Chorälen bekunden: „Everybody loves Thommy Parits, Thommy Parits, du bist ja unser Held!“ Das ist Kult! Oleg Suslov, der nach einer Gehirnerschütterung halbnackt aufs

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Feld zurück wankt, weil er weiter spielen mag. Präsidenten und Manager, die ihr ganzes Herzblut und teilweise viel eigenes Geld in den Verein stecken. VSE-Macher Helmut Meder, der sogar selbst eifrig mitschaufelt beim legendären Graben: „Die Fans hier sollen ja nicht wie die Affen am Zaun hängen müssen.“ SKNFunktionäre, die in der Regionalliga auswärts den Schiri schimpfen, ein und dieselbe Pfeife dann daheim vor den Bierbecherwürfen aufgebrachter Anhänger schützen, um „ihren“ Verein vor empfindlichen Geldstrafen zu bewahren. Das ist Leidenschaft! Das Who is Who der Spieler war da Auf dem Feld haute sich der blutjunge Matthias Sammer für Dynamo Dresden rein, Lothar Matthäus führte die DFB-U21-Auswahl an, Paul Breitner war als Vienna-

Sportdirektor da und kündigte bald danach. Scherzkeks Roberto Carlos (Fenerbahce) schnitt Kebab. Hans Krankl flüchtete nach einer RapidNiederlage durchs Fenster, Gustl Starek schaute nachher mit einem VSE-Anhänger und (Austria-Fan!) in dessen Wohnung die TV-Zusammenfassungen an. 13.000 kamen zur Flutlichtpremiere gegen Austria 1988. Spieler wie Mario Kempes, Antonin Panenka, Lajos Detari, Bruno Ferretti, Poldi Rotter, HansPeter Frühwirth, Rudi Steinbauer, Didi Ramusch oder Frenkie Schinkels trugen die VSE-Dress. Den legendärsten Sturm bildeten wohl Slobodan Brankovic, Franz Zach (Volley-Fersler-Kreuzeck-Treffer beim 8:3-Heimsieg gegen VfB Mödling!) und Ernst Ogris. Das letzte Profi-Tor schoss Daniel Lucas Segovia nach Zuspiel von Arbeitsbiene Peter Brandl mit der Ferse für den SKN (2012). Bei der anschließenden Abschiedsfeier war irgendwann keiner mehr für irgendwas zuständig, fast jede Tür blieb unverschlossen, die letzten karrten um 6 Uhr Früh alles Mögliche heim, vornehmlich Fan-Utensilien und Alkohol, besonders die handlichen „Klopfer“. Schön (arg) leiwand war’s am VoithPlatz. Danke!


TEXT: THOMAS SCHÖPF | FOTOS: XXXXXXXXXXXXXXXX

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ZUM HÖREN Manshee | mikeSnare | Thomas Fröhlich | Dr. Schramek | Rob.STP | Dr. Ray B. (von links nach rechts)

NICK CAVE

Nick Cave allein am Kla­ vier: Ein Solo-Konzert, aufgenommen am Ende des ersten Lockdowns im Alexandra Palace in London. Es han­ delt sich um eine sorgfältig konzipierte und unter den besten technischen Bedingungen realisierte Werkschau von 1986 bis 2020. Cave lenkt den Blick bei seiner Performance auf die emotionalen Nuancen seines dunk­ len und virtuos pathosgetragenen Baritons. It’s the Soundtrack of the season.

LETTER TO YOU

BRUCE SPRINGSTEEN

MP PRODUCTIONS EP1 MARK PRITCHARD

Seines Zeichens Hans­ dampf-in-allen-Gassen Mark Pritchard zeigt auch mit seiner neuen clubtauglichen 6-Track-EP, warum er die­ sem Titel mehr als gerecht wird – hier gibt‘s aus allen Regalen etwas zu naschen: Man hört Detroit, London und Berlin, es fiepst, groovt, treibt vorwärts, schlurft sich schluss­endlich ein. Für Genrepuristen ist es die vertonte Identitätskrise, und für alle an­ deren: Candyland.

LASER RAPTOR DISASZT & MANTA

MUSIC FOR CERTAIN RITUALS AIMA & THE ILLUSION OF SILENCE

Dass die italienische Foto­ grafin, Schriftstellerin und Sängerin AimA einiges für die hellenische Antike übrig hat, ist ja nichts Neues. Nun also die Vertonung Orphischer Hymnen (plus zweier Gedichte von ihr selbst): Meditative Klänge (die durchaus auch einmal schroffer daherkommen dür­ fen) zwischen Elektronik und archaischem Instrumentarium laden zu nebelumflorten Waldspaziergängen ein.

RELUCTANT HERO KILLER BE KILLED

Bruce Springsteen schickt uns in „Letter to you“ ei­ nen Brief und erzählt von glory days, von Freunden, die gegangen sind, Plätzen seiner Jugend, von Liebe. Es ist ein nachdenklicher Bruce, ein nostalgischer, ein typischer. Die Songs könnten auch aus den 80ern stammen – und tun dies auch teils – opulent eingespielt mit der E-Streetband, worüber auch eine Apple-Doku berichet, die den alten Säcken beim Aufnehmen über die Schulter blickte.

Völlig unbeeindruckt von der größten Krise aller Zeiten für die Clubkul­ tur haut Mainframe Boss Daniel Disaszt gefühlt im Wochentakt einen neuen Tune nach dem anderen heraus. Neu­ lich auf dem von Andy C gegründeten UK Label Ram Records, jetzt mit dem öster­ reichischen Newcomer Manta gemeinsam auf seinem eigenen Label: „Laser Raptor“ erscheint im November, der Name ist Pro­ gramm.

ZUM SCHAUEN

ZUM SPIELEN

ZUM LESEN

Manshee | JR Ewing

Christoph Schipp

H. Fahrngruber | M. Müllner

COME TO DADDY

CALL OF DUTY – BLACK OPS COLD WAR

HUNDERT JAHRE REVOLUTION

Hipster-DJ Norval aus L.A. besucht seinen entfremdeten Vater nach langer Zeit in ei­ ner abgeschiedenen Küsten­ stadt. Das erste Gespräch zwischen dem Großstädter und seinem hartgesottenen Erzeuger mündet in einer Kaskade wüster Beschimpfungen. Schon bald werden die Komplexe von Vater und Sohn immer ge­ walttätiger ausgetragen, mit Konsequenzen.

Beim aktuellen Ableger von „Call of Duty“ trifft knall­ harte und schnelle Action auf eine solide Kampagne, die et­ was zu kurz geraten ist. Der Multiplayer dagegen glänzt leider nicht – dafür gibt es zu wenig Neuerungen oder Verbesserungen. Vor allem die geringe Mapauswahl zum Re­ lease enttäuscht noch. Der Zombie-Modus macht aber richtig Laune!

Die Geschichte der Sowjet­ union als permanente Revo­ lution über die Dauer beinahe eines Jahrhunderts: Millionen von Hungertoten durch zen­ trale Planwirtschaft und der barbarische Furor des Großen Terrors unter Stalin zeugen von der Brutalität eines Staates, der über Jahrzehnte das Ge­ genmodell zur sogenannten kapitalistischen westlichen Welt darstellte.

MODERN FAMILY

SACKBOY: A BIG ADVENTURE SUMO DIGITAL

PETRA RAMSAUER

Ja, okay – die Kinos sind aktuell zu. Daher an dieser Stelle ausnahmsweise zwi­ schendurch ein Netflix-Tipp. Keine neue Serie, sondern ein Klassiker: Modern Fa­ mily. Warum gerade die? Weil in Zeiten von social distancing und Lockdowns es herrlich wohl tut, einer ver­ rückten bunten Familie bei ihren zwischen­ menschlichen Verstrickungen zuzuschauen.

Das Spiel sprießt nur so von Kreativität und bietet eine sehr stimmige Mischung aus Action plus Geschicklich­ keit einerseits und Knobeln und Entdecken andererseits. Jump-‘n‘-Run-Fans werden hier prima unterhalten und kommen voll auf ihre Kosten. Es fällt schwer, Sackboy nicht zu mögen und noch schwerer, den Controller beiseite zu legen.

Wer mehr als zwanzig Jahre als Kriegs- und Krisenre­ porterin gearbeitet hat, der blickt auf einen reichen Er­ fahrungsschatz zurück, wenn es um das so lebenswichtige Gefühl der Angst geht. Er­ gänzt um ihre Erfahrung als Tumorpatien­ tin, erforscht Ramsauer in diesem Buch die richtige Balance von so viel Angst wie nötig, soviel Mut wie möglich.

ANT TIMPSON

NETFLIX

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TREYARCH, RAVEN SOFTWARE

Wenn man die Namen Max Cavalera und Troy Sanders hört, erwartet man eigentlich nur eines: Musik der härteren Gangart auf höchstem Niveau. Das ist auch beim zweiten Album „Reluctant Hero“ dieser Supergroup nicht anders. Die Stimmen von Cavalera und San­ ders ergänzen sich dabei perfekt und fügen sich optimal in die Musik ein. Ein moder­ nes Metal-Meisterwerk, bei dem Aggression und Melodie ein stimmiges Ganzes ergeben.

ORLANDO FIGES

ANGST

FOTOS ZVG

IDIOT PRAYER


HIGHLIGHT VAZ St. Pölten

DIE FÄASCHTBÄNKLER

Foto: Severin Schweiger

24. APRIL Sie spielen auf den größten Festivals in Deutschland, Österreich, Schweiz und Italien. Sie enterten mit ihrer letzten CD in all diesen Ländern die Charts. Sie sind begnadete Musiker, coole Hitschreiber und stimmungsvolle Entertainer. Und sie sind gleichzeitig bodenständig, hilfsbereit und die Jungs vom Dorf ne­ benan. Beliebt bei Jung und Alt spielen sie mit ihrer ungewöhn­ lich volksmusikanmutenden Instrumentierung einen unvergleich­ lichen Popsound, den sie in den letzten Jahren im Studio und auf hunderten Livebühnen entwickelt haben. Fäaschtbänkler-Hits im Fäaschtbänkler-Sound.

KLIMA & ICH

STADTGESCHICHTE UVM.

DAUERAUSSTELLUNG

KLASSIK ZUM LACHEN

BIS 29. AUGUST Der Klima­ wandel ist eine bereits spürbare Tatsache. Um die Erderwär­ mung auf unter 2 Grad Celsius zu begrenzen, sind technolo­ gische und politische Maßnah­ men sowie die Anpassung un­ seres Lebensstils notwendig. Die Ausstellung will informieren und inspirieren, im eigenen Wir­ kungsbereich zum Schutz des Klimas tätig zu werden.

LAUFEND Erstmals wurde ein geschlossener Rundgang zu den Themen Archäologie, Stadtge­ schichte und Jugendstil geschaf­ fen und die Geschichte St. Pöl­ tens kann mit ihren wichtigsten Ereignissen, beginnend in der Urgeschichte, gezeigt werden. Die Highlights der bedeutenden Sammlungen des Hauses wer­ den modern, aber repräsentativ dargeboten.

LAUFEND Die Bestände des Diözesanmuseums umfassen ar­ chäologische Funde, historische Dokumente, Münzen und Me­ daillen, Objekte der Malerei so­ wie Plastik und Kleinkunst aus allen Epochen. Schwerpunkt der Sammlung ist die sakrale Kunst, die in ihrer gesamten Vielfalt – von Skulpturen, Gemälden, Al­ tären, liturgischen Geräten und Kleidern – präsentiert wird.

17. JÄNNER Erstmals wird Ro­ bert Lehrbaumer als Pianist und Conférencier selbst das traditio­ nelle Faschingskonzert bestrei­ ten und erklärt dabei, wie Cho­ pin „Praktisches für den Alltag“ komponiert hat oder wie das Klavier zu seinen schwarzen Tasten gekommen ist. Musika­ lische Blödeleien von Bach über Klassik und Romantik bis zur Titelmusik von „James Bond“.

| AUSSTELLUNG

DIÖZESANMUSEUM | AUSSTELLUNG

STADTSAAL

MUSEUM NÖ

| AUSSTELLUNG

STADTMUSUEM

WANTED

PLÖTZLICH SHAKESPEARE

20. FEBRUAR Nicole Fen­ desack und ihr Ensemble lesen aus Isma Forghanis Schauspiel über die Begegnung zweier fas­ zinierender Frauen – Nena Eig­ ner als Marianne Hainisch, der Begründerin und Führerin der Frauenbewegung in Österreich, und Elsa Schwaiger als Sarah Bernhardt, der berühmtesten Darstellerin ihrer Zeit und einem der ersten Weltstars.

25. FEBRUAR Adele Neuhauser und Christian Dolezal lesen mit musikalischer Begleitung den Roman „Plötzlich Shakespeare“ von Bestsellerautor David Sa­ fier. Die aberwitzige Geschichte: Die liebeskranke Rosa wird per Hypnose in ein früheres Leben versetzt. In den Körper eines Mannes, der sich gerade duel­ liert: William Shakespeare. Das Chaos ist perfekt.

FREIRAUM

| THEATER

CINEMA PARADISO

COMEDY HIRTEN

26. FEBRUAR Cameron Car­ penter revolutionierte die Spiel­ weise der Pfeifenorgel sowie das Instrument selbst: Die in seinem Auftrag erschaffene „Internatio­ nal Touring Organ“ ist digitales Kontrollzentrum, futuristischer Klangkörper und Wunderwerk moderner Soundtechnik. In sei­ nen mitreißenden Performances spielt sich Carpenter durch Klassik wie Moderne.

6. MÄRZ Die Comedy Hirten sind zurück aus dem HomeOffice. Und zwar dort, wo sie am besten sind. Live! Mit vielen Gesichtern, aber ohne Maske. Mit neuen Parodien, aber auch mit allen Lieblingsfiguren, die den Fans der Comedy Hirten seit Jahren eine Freude bereiten. Eine schöne Mischung zwischen brandaktueller Show und einem „Best Of bis zum Impfstoff“.

| KONZERT

VAZ ST. PÖLTEN

TOURNEE 2021

| LESUNG

CAMERON CARPENTER

FESTSPIELHAUS

| KONZERT

| COMEDY

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© Sebastian KonoPIX

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FOTOS: LUIZA PUIU, SEBASTIAN REICH

AUSSENSICHT

WAHL-GAG ODER SUBSTANZ – KOMMT DER SÜDSEE? GEORG RENNER

Aufgewachsen in St. Pölten, emigriert nach Wien, Redakteur beim „profil“.

„Ein Hauch Paris für Süd-St. Pölten kann nicht schaden.“

„Das Credo im St. Pötner Rathaus lautet: Beton und Begrünung.“

Die soeben wiedergewählte Bürgermeisterin von Paris, Anne Hidalgo, hatte im Wahlkampf mit einer charmanten Idee geworben: der „15-Minuten-Stadt“. Vereinfacht gesagt: Binnen 15 Minuten sollen die Bürger der Metropole zu Fuß oder per Rad alles erreichen können, was sie in ihrem Alltag so brauchen – Arbeitsplätze, Einkaufsmöglichkeiten, Gesundheitsversorgung, aber natürlich auch Gelegenheiten zur Freizeitgestaltung. Jetzt ist St. Pölten nicht Paris, offensichtlich (sorry) – aber ein bisschen darf man sich stadtplanerisch schon an solchen Ideen orientieren. Und wenn man die Idee vom neuen „Süd-See“ (kann er bitte wirklich so heißen, danke sehr) anschaut, dann passt sie ganz gut in dieses Schema: Der Norden der Stadt hat die Viehofner/ Ratzersdorfer Seen, was Badegelegenheiten angeht. Das Zentrum der Stadt hat das Freibad; im Süden gibt es zwischen dem Ebersdorfer See (praktisch nur per Auto zu erreichen) in Obergrafendorf und dem Wilhelmsburger Freibad nichts dergleichen. (Nebenbei: Von der Aqua City zum Ratzersdorfer See ist es weniger weit – 3,6 Kilometer Luftlinie – als von der Aqua City zum geplanten Standort des neuen Sees, viereinhalb Kilometer). Wenn man sich anschaut, wie St. Pölten und seine Dörfer entlang der Traisen (looking at you, Harland und Stattersdorf) in den vergangenen Jahren gewachsen sind, ist die Idee mit dem neuen Teich plötzlich gar nicht mehr so visionär – sondern, will man noch mehr Autoverkehr im Norden verhindern, sogar recht vernünftig. Natürlich sind da noch viele Fragezeichen: Was kostet das Projekt, ist es umweltverträglich? Und: Wie wird der Süd-See öffentlich mit dem Rest der Stadt und den Nachbargemeinden verbunden? Die Fahrrad-Anbindung ist da, aber wie gedenkt die Stadt zu verhindern, dass Sonnenanbeter aus Pyhra, Wilhelmsburg, Obergrafendorf usw. per Auto an den See strömen? Die Vorlaufzeit jetzt sollte gleich mit genutzt werden, das zu bedenken. Aber grundsätzlich eine schöne Sache, würde zwischen Hart und Altmannsdorf ein Freizeit-Cluster entstehen. Das sollte in 15 Minuten für viele zu packen sein. 76

JAKOB WINTER

Der Wilhelmsburger arbeitet als Journalist bei der „Kleinen Zeitung“.

Es gibt derzeit einen amüsanten Widerspruch in der Wahrnehmung St. Pöltens: Außerhalb der Stadtgrenze gilt die Kommune als verschlafenes Nest, in dem sich nichts tut. In der Stadt selbst haben einige genau den gegenteiligen Eindruck. Sie finden, die Stadt wächst zu schnell, es wird zu viel gebaut und zu viele Menschen ziehen zu. Sie fürchten, dass St. Pölten genau das verliert, wofür Wiener die niederösterreichische Landeshauptstadt belächeln: den beschaulichen Charme einer Kleinstadt. Ein Wiener müsste vermutlich schmunzeln, bekäme er die heißeste politische Debatte St. Pöltens mit – die Wachstumsfrage. Weniger lustig dürfte die anhaltende Kritik am Baumboom der rote Bürgermeister finden. Er hat offenbar erkannt, dass all die Wohnungsprojekte in der Stadt eine seiner wenigen offenen Flanken sind, die er den Oppositionsparteien ÖVP, FPÖ und Grünen im Vorfeld der Gemeinderatswahlen bietet. Direkt geht der Bürgermeister auf die Kritik an der Betonwalze zwar nicht ein – aber indirekt. Er kündigte neue Parks an (etwa am ehemaligen Sturm-19-Platz) und präsentierte jüngst ein zentrales Wahlkampfversprechen, das ebenfalls ziemlich grün ist: einen neuen Badesee im Süden der Stadt. Es wirkt so, als wollten die Stadtverantwortlichen ein Signal aussenden: Auch wenn St. Pölten immer weiter wächst – die Erholungsgebiete wachsen mit. Das Credo im Rathaus lautet also: Beton und Begrünung. Das Badeprojekt ist jedenfalls mehr als eine Beruhigungspille für Wachstumskritiker. Wer die Viehofner Seen an sonnigen Sommertagen kennt, der weiß, dass dort nicht nur bei den Parkplätzen dichtes Gedränge herrscht. Die Liegewiesen sind voll wie der Strand von Jesolo. Es spricht also wenig dagegen, auch im Süden einen See zu graben – zumal das Gewässer im Überschwemmungsgebiet liegen soll und dort ohnehin ein neuer Hochwasserschutz benötigt wird. Als Bumerang könnte sich die See-Idee dann erweisen, wenn die Umweltverträglichkeitsprüfung negativ ausfällt. Glück für den Bürgermeister: Vor der Wahl geht sich das garantiert nicht mehr aus.


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