SCHIESSWESEN.
Schocktod durch Schusseinwirkung VON Peter Pulver FOTOS Ch. Böck, P. Pulver
Unter Jägern wird immer wieder darüber diskutiert, ob das schlagartige Verenden mancher Stücke im Schuss auf Schock zurückzuführen sei. Der Schweizer Ballistiker Peter Pulver erörtert dieses Thema aus medizinischer sowie aus forensischer Sicht und führt Begründungen für seine Schlussfolgerungen an, dass es den „Schocktod durch Schusseinwirkung“ nicht gibt …
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eder Jäger kennt das Phänomen. Das Tier bricht auf den Schuss schlagartig und wie vom Blitz ge troffen zusammen. Also, es liegt im Feu er. Nach einer These von Dr. Langenbach der paariger Schockreflex (siehe Infobox auf Seite 59). In einer anderen Situation, gleiche Waffe, gleiche Entfernung, ähnliche Nebenum stände, springt das Wild ab, als wäre der Schuss daneben gegangen. Wo bleibt da der paarige Schock? Umfragen bei Jägern zeigen, dass das „im Feuer liegen“ in weit über 50% der Fälle nicht auftritt. Es gibt weder einen me dizinischen, noch einen physikalischen Grund, der das Auftreten eines schwel lenwertbedingten Phänomens begründen würde. Der paarige Schock wird ja ab ca. 800 m/s Auftreffgeschwindigkeit pro gnostiziert.
Gibt es den paarigen Schock? Einige Überlegungen: Der paarige Schock wird beschrieben, als Folge von möglichst schnell hinter einander einem Reiz ausgesetzter linker und rechter Körperhälfte. Wild wird in der Regel breitstehend geschossen. Zu erst werde die eine Körperhälfte erregt
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OÖ JÄGER
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und beim Ausschuss die gegenüberlie gende. Die hohe Geschossgeschwindig keit sei nötig, damit für den Durchschlag durch die Dicke des Wildes möglichst wenig Zeit gebraucht werde. Nach der Langenbach’schen These des paarigen Schocks, soll dieser umso eher auftreten, in je kürzerer Zeit die beiden Körperhälf ten erregt würden. Ein Schuss auf die Symmetrielinie, das Brustbein – beim Wild also senkrecht von unten – müsste beide Körperhälften gleichzeitig tangieren. Auf den Menschen übertragen, bei dem in dieser Beziehung leider weit mehr Erfahrungen vorliegen (Kriege, Schieße reien) als bei Wild, ist diese Erscheinung (der paarige Schock) durch Schuss auf die Symmetrieachse noch nie beobachtet worden. Der Schock müsste bei direktem, frontalem Schuss aufs Brustbein unab hängig von der Geschossgeschwindigkeit eintreten, da ja die exakt gleichzeitige Erregung beider Körperhälften gegeben ist. Wir stellen fest: Jeder kann Schock nach seinem Belieben definieren. Der medizinisch definierte Schock ist ein Prozess, der tendenziell langsam abläuft und tödlich endet, wenn
er nicht gestoppt wird. Der Jäger versteht unter Schock das blitz artige Zusammenbrechen und regungs lose Liegenbleiben des beschossenen Wildes. Tot sein muss es dadurch noch nicht. Diese Schusswirkung tritt bei Tref fern in den Kopf, den Hirnstamm und das Rückenmark ein. Paarig ist da nichts… Ein ins Rückenmark getroffenes Tier fällt – schockartig – um. Tot ist es dadurch in der Regel nicht. Sofort tödlich – quasi schockartig – wirkt ein Treffer im Hirn.
Warum kein Schocktod durch Schrot? Es gibt sehr viele belegbare Fälle von Schrotschüssen auf Menschen, auch auf kurze Distanzen. Die meiste überleben mit z.T. schweren Verletzungen. Ein Fall aus dem Institut für Rechtsmedizin IRM Bern – Schrotschuss in den Nacken auf kurze Distanz – wurde als Schocktod ver mutet, stellte sich aber auf zu starke Be schleunigung des Hirns heraus. Rehe, die in manchen Ländern mit Schrot geschossen werden, fliehen oft große Strecken, andere fallen bei gleichen Tref fern um. Schock oder kein Schock? Blitzartig fallende Tiere sind häufig nur paralysiert, durch Treffer ins Rückenmark