Der OÖ Jäger N°135 _ online

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Von Dipl.-Ing. Waldemar Stummer

Kleine Naturkunde. Wissenswertes über Fauna und Flora. Die Kreuzotter (Vipera berus)

Die Kreuzotter hat von allen Vipern das größte Verbreitungsgebiet in Europa und ist zudem die einzige Schlangenart, die auch nördlich des Polarkreises anzutreffen ist.

Merkmale und Aussehen Ausgewachsene Kreuzottern sind im Durchschnitt 60 bis 75 cm lang, wobei die Weibchen meist länger als die Männchen sind. Im Extremfall kann sie bis 90 cm lang werden; die längsten bekannten Exemplare stammen aus Nordeuropa. In ihrem Oberkiefer befindet sich beiderseits ein funktionierender röhrenförmiger Giftzahn, der mit einer Giftdrüse verbunden ist. Kreuzottern haben einen etwas gedrungenen Körperbau, wirken aber in ihrer Gesamterscheinung trotzdem relativ schlank. Der Kopf ist nach hinten verbreitert und nur wenig durch den schmäleren Hals vom Körper abgesetzt. Er weist häufig die Grundfarbe des Körpers auf. Die vom vorspringenden Oberaugenschild etwas überdachten Augen haben eine senkrechte Pupille, die von einer rötlichen Iris umgeben ist. Über die Augen zieht sich ein Schläfenband bis zum Hals. Die Schnauze ist gleichmäßig abgerundet. Der in einer harten Spitze endende Schwanz ist verhältnismäßig kurz und im letzten Drittel seiner Länge auffallend verdünnt. Die Grundfärbung bei den Kreuzottern variiert sehr stark. Bei den Männchen ist die Oberseite meist asch- oder braungrau, bei den Weibchen eher gelb- oder rotbraun. Das auffälligste Zeichnungsmerkmal ist ein dunkles Zick-Zackband auf dem Rücken, welches beim Männchen schwarz und beim Weibchen dunkelbraun gefärbt ist. Es reicht vom Nacken bis zur Schwanzspitze und ist beiderseits von einer Längsreihe dunkler Flecken begleitet. Auf dem Hinterkopf der Kreuzotter

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OÖ JÄGER

JUNI 2012

befinden sich zwei dunkle Längsstreifen in Form eines X oder nach vorne gerichteten V, die der Kreuzotter ihren Namen geben. Die Bauchseite ist meist dunkelgrau bis schwarz gefärbt, und weist oft an der Kehle helle Flecken auf, während die Unterseite der Schwanzspitze gelblich bis orange gefärbt ist. Gänzlich schwarz gefärbte Kreuzottern, bei denen aufgrund ihrer dunklen Farbe das ZickZackband nicht bemerkt wird, bezeichnet der Volksmund als Höllennattern. Auch Jungschlangen haben bereits bei der Geburt ein scharf gezeichnetes ZickZackband und vollfunktionsfähige Giftzähne.

Vorkommen und Lebensraum Das Verbreitungsgebiet der Kreuzotter erstreckt sich von Mittel- bis Nordeuropa über die baltischen Staaten und Osteuropa bis Russland und Sibirien. Auch in den Balkanländern kommt sie vor. In den Alpen steigt ihr Vorkommen bis in eine Seehöhe von ca. 2.500 m. So wie ihre Färbungsvarianten ist auch ihr Lebensraum sehr unterschiedlich und vielseitig. Die grundsätzlich sesshafte Kreuzotter bevorzugt Lebensräume mit starken TagNacht-Temperaturschwankungen und hoher Luftfeuchtigkeit. Deshalb besiedelt sie gerne Moore, Sümpfe und Bergwiesen im Bereich der Baumgrenze. In der Ebene kommt sie an Waldrändern, auf Waldlichtungen aber auch in Gebüschgruppen von Wiesen und Feldern vor. Im Gebirge liebt sie sonnige, mit Geröll und Krummholz bedeckte Hänge.

In alten Steinbrüchen, auf Bahndämmen sowie in Uferbereichen von Teichen, Seen und Bächen ist sie ebenfalls zu finden. Zu ihrem Wohlbefinden braucht die Kreuzotter jedenfalls Lebensräume, in denen sie nicht nur genügend Nahrung, sondern auch ausreichend Deckung findet. Zuflucht sucht sie bei Gefahr vor allem unter Baumstümpfen, Wurzeln, in Steinhaufen aber auch in verlassenen Mauslöchern und nicht selten unter Reisighaufen.

Lebensweise, Nahrung, Fortpflanzung Die Kreuzotter ist eine tagaktive Schlange und verlagert ihre Aktivität nur bei sehr großer Hitze in die Dämmerungszeit. Aktivitätshöhepunkte erreicht sie an schwülwarmen Tagen und nach längeren Regenperioden. Am Morgen sowie am späten Nachmittag sucht sie sonnige Plätze auf. Gegenüber Wind reagiert sie sehr empfindlich und bei Störung oder Bedrohung sucht die Kreuzotter sofort Schutz in der nächsten Deckung. Die Winterzeit überbrückt sie durch eine 4- bis 7-monatige, im äußersten Norden sogar bis 8 Monate dauernde Winterruhe. Mit Beginn des Frostes zieht sie sich 15 bis 50 cm tief in das Winterquartier (Felsspalten, Nagerhöhlen, Baumstümpfe etc.) zurück, um dort gesellig in großen Klumpen – zu ca. 15 bis 25 Stück – zusammengeknäuelt die Winterzeit zu verbringen. Meist im März verlassen sie ihren winterlichen Schlumpfwinkel, wobei zuerst die Männchen und dann


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