25 Jahre BVG

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BVG kompakt!

Berufliche Vorsorge von 1985 bis heute

Am 1. Januar 1985 trat das BVG in Kraft. Seither haben sich die Pensionskassen zu einem stabilen und funktionsf채higen Teil unserer auf drei S채ulen basierenden Alters-/Hinterlassenen- und Invalidenvorsorge entwickelt. Auf dieser CD finden Sie zum Jubil채um 25 Beitr채ge namhafter Autorinnen und Autoren, die sich mit den Errungenschaften und Herausforderungen der beruflichen Vorsorge befassen.

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Beilage Jahresbericht 2009


Inhalt Sicht der ASIP Präsidenten

1 2 3

Christoph Ryter:

Die berufliche Vorsorge – eine Erfolgsgeschichte

Hans Ender:

Back to the basics

Hermann Walser:

Umhüllende Pensionskassen

Sicht des Bundesamtes für Sozialversicherungen (BSV)

4

Anton Streit:

Rückblick – Ausblick / Chancen-Risiken

Sicht der Sozialpartner

5 6

Thomas Daum:

Modell mit starken Wurzeln

Colette Nova:

Die Systemlücken schliessen

Sicht der Aufsicht

7

Christina Ruggli:

Sicht der Vorstandsmitglieder ASIP

Die Aufsicht im BVG

8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24

Jean Pfitzmann:

Befürchtungen und Träume

Brigitte Schmid:

Eine Entschlackung ist nötig

Martin Beyeler:

Versicherte und Verantwortliche

Urs Stadelmann:

Stellenwert der Transparenz

Urs Bracher:

Die Führung grosser Kassen

Dieter Stohler:

Öffentlich-rechtliche Kassen

Beatrice Fluri:

Stellenwert/Entwicklung der Gemeinschaftseinrichtungen

Sicht des Direktors

25

Hanspeter Konrad:

Martin Leuenberger: PK Lösungen im Gesamtrahmen Birgit Moreillon:

Die Zweite Säule – eine duale Welt

Jacques Hoffmann: Ein Sozialwerk in Gefahr? Thomas Hohl:

Der Sicherheitsfonds

Vera Kupper Staub: Die Quadratur des Kreises (Vermögensanlagen) Daniel Dürr:

Die Ausbildung der Stiftungsräte

Markus Moser:

Baustelle Rechtsentwicklung

Blaise Matthey:

Zweite Säule und Arbeitgeber

Christian Cuénoud: Unter internationalem Einfluss Daniel Thomann:

Wie kann es weitergehen? Kommunikation schafft Vertrauen

Impressum:

Herausgeber: ASIP, Schweizerischer Pensionskassenverband, Kreuzstrasse 26, 8008 Zürich  Redaktion: Hanspeter Konrad, Direktor ASIP, info@asip.ch Fotos: Renate Wernli, Gilbert Projer, Rolf Siegenthaler, Luzern, ZVG Illustrationen: Bobi Hajas, Zürich Konzept/Gestaltung: clauderotti layout & grafik, Unterägeri Typografie und Satz: Jarmila Erne Produktion: Nigg Regli, Zürich Französische Übersetzung: Translation Probst, Winterthur Lektorat: Nicole Viaud, Horgen Lithos: Daniela Juon, Oberägeri CD-Produktion: Markus Schmid www.tnt-graphics.ch, Kloten

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Als Jubiläumsbeilage eine CD! 25 Texte zur Entwicklung der beruflichen Vorsorge

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Eine Erfolgsgeschichte Freizügigkeitsgesetz und Finanzierung von Wohneigentum, Unterdeckung und Deckungsgrad, Mindestzins und Umwandlungssatz: Der Präsident des ASIP blickt aus persönlicher Sicht auf 25 Jahre BVG zurück. Von Christoph Ryter Bei der historischen Volksabstimmung 1972 zur Ein- 1990 genauer kennen. Das Gebiet begann mich zu fasziführung des 3-Säulensystems in der Schweiz wusste ich nieren und so wechselte ich von der Lebensversicherung von Altersvorsorge noch nichts – wirklich nichts. Ich war zu einer Beratungsgesellschaft für Vorsorgeeinrichtungen. gerade 5 Jahre alt und hatte das Gefühl, dass die Erwach- Der Beginn der 90er-Jahre war auch im Anlagebereich senenwelt noch Lichtjahre entfernt sei. Meine Grossväter eine sehr spannende Zeit. Der Bundesrat hat damals zum mussten damals bereits nicht mehr arbeiten, sondern wa- Beispiel mit einem dringlichen Bundesbeschluss kurzzeiren pensioniert. Dass einer von ihnen einen wesentlichen tig den Zuwachs von Anlagen in Liegenschaften bei PenTeil seines Einkommens nicht nur von der AHV oder den sionskassen begrenzt (Bundesbeschluss vom 6. Oktober Ersparnissen, sondern aus einer Pensionskasse bekam, 1989, wieder aufgehoben im Jahr 2001). Es gab nämlich realisierte ich aber natürlich nicht. auch bei den in den letzten 10 Jahren immer sehr positiv Die parlamentarischen Beratungen im Anschluss an die erwähnten Liegenschaften in der Schweiz spekulative Botschaft des Bundesrates aus dem Jahre 1975, die Dis- Tendenzen. Es wird leider häufig vergessen, dass ein ankussionen um das Primat für das BVG (Leistungs- oder sprechender Ertrag (wie bei den schweizerischen LiegenBeitragsprimat) und das Inkrafttreten des eigentlichen schaften) immer mit dem Eingehen von gewissen Risiken Gesetzes am 1.1.1985 gingen ebenfalls von mir weitge- verbunden ist. Nicht wenige Vorsorgeeinrichtungen musshend unbeachtet über die Bühne. Mit der beruflichen ten in der ersten Hälfte der 90er Jahre beim Marktwert Vorsorge kam ich erst 1988 in Berührung, als ich zuerst ihrer Liegenschaften substanzielle Einbussen in Kauf nehals temporär Angestellter, später dann (nach Absolvie- men. Aufgrund der damals noch weniger transparenten rung der Rekrutenschule) als Festangestellter bei der Bewertung und Rechnungslegung schlug dies aber weniSchweizerischen Lebensversicherungs- und Rentenanstalt ger offensichtlich auf die ausgewiesene finanzielle Lage mein Erwerbsleben startete. Ich war damals in einer klei- der Vorsorgeeinrichtungen durch. nen Gruppe der Abteilung Mathematik tätig. Für internaMitte der 90er-Jahre – damals war ich frischgebackener tionale Konzerne erstellte diese mit Pensionsversicherungsexperte – beeiner sog. Einnahmen-Ausgabenschäftigte mich die Umsetzung des Rechnung ein länderübergreifendes Freizügigkeitsgesetzes bei unseren «Pooling» von VersicherungsverträKunden. Etliche Vorsorgepläne gen, um einen Teil der Risikomarge mussten überarbeitet werden. Es bei einem guten Schadenverlauf zugab damals z. B. Leistungsprimatsätzlich zu den lokalen Überschusspläne, welche eine sog. Sockelleibeteiligungen ausschütten zu könstung vorsahen und somit nicht nen. Schon beim ersten Kontakt mit über die vom Gesetz geforderte lider kollektiven Vorsorge ging es also neare Skala verfügten. Zudem war um eine Optimierung von Vorsorge- 1985 auch die Einführung der MöglichMärz, 11. Michail Gorbatschow kosten durch die Bildung von gröskeit, Vorsorgegeld für die Finanziewird vom Zentralkomitee der seren Risikogemeinschaften. Dieses KPdSU zum neuen Generalsekretär rung von selbstgenutztem Wohneigrundsätzliche Thema sollte mich seit- der Partei gewählt. gentum zu beziehen, zu Beginn mit her nie mehr ganz loslassen. vielen Unsicherheiten und Fragen verbunden, welche erst im Laufe der Zeit durch die PraImmobilien und IT xis oder auch durch die Rechtsprechung geklärt wurden. Die kollektive berufliche Vorsorge in der Schweiz lernte Diese Gesetze hatten zur Folge, dass die EDV-Systeme ich im Zusammenhang mit meiner berufsbegleitenden für die Verwaltung von Vorsorgeeinrichtungen erweitert Ausbildung zum dipl. Pensionsversicherungsexperten ab und angepasst werden mussten, um die neuen gesetz- ➔

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lichen Vorgaben einhalten zu können. Es mussten neue Daten festgehalten und bei Austritt eines Versicherten der neuen Vorsorgeeinrichtung zur Verfügung gestellt werden. Kaum waren die Auswirkungen des FZG/WEFG einigermassen verdaut, kam die nächste Revision der EDVSysteme im Zusammenhang mit dem befürchteten Supergau beim Jahrtausendwechsel. Die Frage war, ob die Systeme am 1. Januar 2000 überhaupt noch laufen würden. Zum guten Glück haben sich die Befürchtungen nicht bewahrheitet. Oder dann waren die Vorbereitungsmassnahmen so gut geplant und umgesetzt worden, dass es keine nennenswerten Vorfälle gab.

Zusammenschluss zum ASIP Noch rechtzeitig vor dem Jahrtausendwechsel haben sich 1997 fünf unabhängige Pensionskassenverbände zusammengeschlossen. Es handelte sich um den Schweizerischen Verband für privatwirtschaftliche Personalvorsorge, die Vereinigung für eine freiheitliche 2. Säule, die Vereinigung der verbandlich organisierten Vorsorgeeinrichtungen, den Interkantonalen Verband für Personalvorsorge und die Konferenz der Geschäftsführer von Personalvorsorgeeinrichtungen. Ab diesem Datum hatten die Vorsorgeeinrichtungen in der Schweiz mit dem ASIP eine gemeinsame Organisation und mit dem Präsidenten, Dr. Hermann Walser, sowie dem Geschäftsführer, Gregor Ruh, eine Crew, welche die Anliegen der Branche mit zunehmender Dauer immer wirkungsvoller vertraten. Hart getroffen wurden die Vorsorgeeinrichtungen zum ersten Mal im neuen Jahrtausend in den Jahren 2001 und 2002, als die Vermögenserträge wegbrachen und einige Vorsorgeeinrichtungen in eine Unterdeckung gerieten. Allerdings war damals noch gar nicht so klar, wie der Deckungsgrad einer Vorsorgeeinrichtung zu ermitteln war. Der heute allseits anerkannte Deckungsgrad gemäss Art. 44 BVV2 wurde erst 2003 nach Vorschlägen der Aufsichtsbehörde des Kantons Zürich landesweit verbindlich definiert. Auch die zulässigen Sanierungsmassnahmen bei einer Unterdeckung mussten durch den Gesetzgeber erst erarbeitet und dann durch die einzelnen Vorsorgeeinrichtungen in ihren Reglementen konkretisiert werden. Ich hatte 1999 vom Beratungsbereich in die Geschäftsführung der Vorsorgeeinrichtungen der damaligen Alusuisse gewechselt und war somit selber sehr direkt mit den Auswirkungen dieser ersten Krise konfrontiert.

Mindestzins und Umwandlungssatz 2003 war das Jahr, in welchem zum ersten Mal in der Geschichte des BVG der ominöse Mindestzinssatz von

den vermeintlich in Stein gemeisselten 4 % wegkam und gesenkt wurde. In den folgenden Jahren wurde (und wird immer noch) heftig und emotional darüber diskutiert, auf welchem Niveau die beiden Eckwerte Mindestzins (auf jährlicher Basis) und Mindest-Umwandlungssatz (auf mittelfristiger Basis) liegen sollen. Es scheint mir keine allzu gewagte Prognose zu sein, wenn ich behaupte, dass diese Themen auch in den nächsten paar Jahren noch hochaktuell sein werden. Ab dem Mai 2007, zehn Jahre nach der Gründung, durfte ich das Präsidium des ASIP von meinem Vorgänger, Hans Ender, übernehmen. Zusammen mit meinen Vorstandskollegen und dem Direktor, Hanspeter Konrad, versuchen wir, mit dem ASIP die Anliegen der Vorsorgeeinrichtungen bei den verschiedensten Stellen – der Politik, der Verwaltung, der Aufsicht, den kantonalen Steuerbehörden, Versicherungsexperten, Kontrollstellen, Wissenschaft usw. – einzubringen. Gleichzeitig möchten wir unseren Verbandsmitgliedern auch Unterstützung bieten bei der täglichen Arbeit und der ständigen Aus- sowie Weiterbildung der Führungsorgane und Mitarbeitenden von Vorsorgeeinrichtungen. Die Wahrnehmung der Interessen der Mitglieder ist natürlich immer eine Gratwanderung, denn die Interessen sind bei einem so heterogen zusammengesetzten Verband vielfältig und es ist nicht immer einfach, einen gemeinsamen Nenner zu finden.

Vertrauen muss gestärkt werden Nach der wuchtigen Ablehnung der zweiten Senkung des BVG-Mindestumwandlungssatzes vom Volk am 7. März 2010 sind alle Akteure der beruflichen Vorsorge, primär die Sozialpartner, aufgerufen, durch gemeinsame Anstrengungen Lösungen für die nach wie vor bestehenden grossen Herausforderungen zu suchen: Aufgrund der demografischen Entwicklung und der markant gesunkenen Ertragserwartungen auf den Vermögen sind wir seit dem Beginn dieses Jahrtausends in einer Konsolidierungsphase bei der Entwicklung unseres Sozialversicherungssystems. Das Ziel ist dabei primär eine nachhaltige Neudefinition des Gleichgewichts zwischen den gewünschten Leistungen auf der einen und den zumutbaren Beiträgen und realistischerweise erzielbaren Vermögenserträgen auf der anderen Seite. Das Vertrauen der Bevölkerung in die Wirtschaft scheint arg in Mitleidenschaft gezogen worden zu sein. Es gilt nun sicherzustellen, dass das Vertrauen der Versicherten in ihre sozialpartnerschaftlich geführte Vorsorgeeinrichtung nicht gestört wird, damit die Erfolgsgeschichte des BVG auch in den nächsten 25 Jahren auf eine nachhaltige Art und Weise weitergeht. n

Christoph Ryter, Präsident des ASIP seit 2007, Geschäftsleiter Migros-Pensionskasse

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Back to the basics Von der betrieblichen Vorsorge bis zum BVG von 1985. Und vom damaligen Rahmengesetz mit Mindestvorschriften bis zur heute alles regulierenden Flut von Gesetzesvorschriften – die Entwicklung der 2. Säule ist an einem Wendepunkt angelangt. Von Hans Ender In meiner Tätigkeit in der beruflichen Vorsorge habe torium führte dazu, dass alle Arbeitnehmer von der in der ich als Experte, Dozent und Mitglied verschiedener Gre- Bundesverfassung verankerten 2. Säule profitieren konnmien erlebt, dass der geschichtliche Hintergrund unserer ten. Die Einführung war nicht unumstritten. Nach langen Sozialversicherung nur noch beschränkt bekannt ist. Dies Diskussionen über den Inhalt ist das Gesetz vermutlich könnte ein Grund sein, warum gewisse Entwicklungen in nur deshalb zustande gekommen, weil man eine Regeder Gesetzgebung nicht mehr verstanden und mangels lung im Sinne einer Volkspension verhindern wollte. Mut zum Widerstand akzeptiert werden. Gemäss Pensionskassenstatistik bestanden 1985 ca. Im Jahre 1972 wurde das 3-Säulen-Prinzip in unsere 17’900 betriebliche Vorsorgeeinrichtungen mit 1.688 Mio. Bundesverfassung aufgenommen. Prof. H. M. Riemer be- Versicherten (Statistik 1980). Wenn wir die Zahlen im Jahzeichnet dieses als «Schicksalsminderungssystem». Bis re 1987 beiziehen, stellen wir fest, dass sich die Anzahl zum Ersten Weltkrieg war die 2. Säule das Privileg der der Vorsorgeeinrichtungen auf 15’179 verminderte und Bundesbeamten, betriebliche Vorsorgeeinrichtungen wa- sich der Versichertenbestand auf 3.266 Mio. erhöhte. Die ren freiwillig und nur vereinzelt vorhanden. Im ZGB 1907 Veränderung beim Versichertenbestand war zu erwarten. und im OR 1911 sind noch keine gesetzlichen Vorschriften Die Reduktion der Anzahl von Vorsorgeeinrichtungen zu finden. Erste gesetzliche Hinweise findet man im wirft jedoch einige Fragen auf. Fabrikgesetz aus dem Jahre 1918. Die Revision des OR im Jahre 1936 trug zur Förderung der betrieblichen VorDie «Handbremse» gezogen sorge bei. Mit der während dem Zweiten Weltkrieg ge- Zahlreiche betriebliche Vorsorgeeinrichtungen, welche währten Steuerbegünstigung erlebte sie einen ersten Auf- über Jahre hinweg freiwillig Leistungen erbrachten, die schwung. wesentlich über die im BVG geforderten Leistungen Die Revision des ZGB und des hinausgingen, sahen sich mit VorOR im Jahre 1958 führte zu einer schriften konfrontiert, welche nicht Trennung der Personalvorsorge eitel Freude auslösten. Für sie war vom Arbeitgeber. Ferner wurde der zu überlegen: Stellen wir die bisheAnspruch auf Freizügigkeit behanrige Lösung still und beginnen neu delt. Mit der Überarbeitung des Armit dem BVG oder fahren wir mit beitsvertragsrechts wurde 1972 erstder bisherigen Lösung weiter und mals ein Teil der Arbeitgeberbeiträge betrachten das BVG als Schatten als Bestandteil der Freizügigkeits(Schattenrechnung)? Leider sind mir leistung gewährt. In diesem Zusamkeine Zahlen zu den Ergebnissen menhang ist die Ungleichbehanddieser Überlegungen bekannt. Ich lung von Arbeitnehmern und 1986 könnte mir jedoch vorstellen, dass Arbeitgebern mit oder ohne be- Januar, 28. Die US-Raumfähre einige Unternehmen aufgrund der Challenger explodiert. triebliche Vorsorge zu beachten. neuen Vorschriften aufgegeben und Diese Ungleichbehandlung führte sich einer externen Vorsorgelösung zu Wettbewerbsverzerrungen. Die Gewährung eines hö- angeschlossen haben. In diesem Zusammenhang stellt heren Lohnes wurde nicht selten einer Vorsorgelösung sich die Frage, wer vom Obligatorium profitiert hat? Wenn im Betrieb vorgezogen. man von jenen Versicherten absieht, welche lohnorienDieser Ungleichbehandlung wurde mit der Einführung tiert denken, war die Einführung des BVG für alle Arbeitdes BVG im Jahre 1985 ein Riegel geschoben. Das Obliga- nehmer, die noch nicht von einer betrieblichen Vorsorge- ➔

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lösung profitierten, ein Gewinn. Gleichzeitig muss man sich fragen: Trifft dies auch für die übrigen Arbeitnehmer zu? Nach meiner Erfahrung liegt es in der Natur des Menschen, lieber freiwillige als obligatorische Leistungen zu erbringen. Ich kann mir deshalb vorstellen, dass einige Arbeitgeber über ihre bisherige Grosszügigkeit überrascht waren und zum Nachteil ihrer Mitarbeiter die «Handbremse» gezogen haben. Wie wir später noch feststellen werden, wurden grosszügige betriebliche Vorsorgelösungen bei der Weiterentwicklung des BVG möglicherweise bestraft. Wenn wir die Erstausgabe des BVG vom 25.6.1982 lesen, stellen wir fest, dass in Kernbereichen noch eine Brise von Mindestvorschriften (Freiheit) zu erkennen war. Die Festlegung des Mindestzinssatzes und des Umwandlungssatzes lagen in der Kompetenz des Bundesrates. Die Definition der Freizügigkeitsleistung war vielleicht zu offen. Detaillierte Vorschriften über Anlagen, Rechnungslegung, Sanierungsmassnahmen und Telliquidation bestanden keine.

Alles andere als ein Rahmengesetz In den Folgejahren überstürzten sich die Gesetzesrevisionen. Man entfernte sich mehr und mehr von der Idee eines Rahmen- oder Minimalgesetzes. Mit der Realisierung des Freizügigkeitsgesetzes im Jahre 1995 wurde dem BVG ein Stempel aufgedrückt, dessen Auswirkungen erst später erkannt wurden. Entscheidend für die Weiterentwicklung des BVG war die 1. BVG-Revision in Etappen (Beginn 2004). Die Kompetenz für den Umwandlungssatz wurde dem Bundesrat weggenommen und der Umwandlungssatz im Gesetz festgelegt, mit der Konsequenz, dass heute das Volk darüber bestimmt. Ferner wurden Bestimmungen zur Rechnungslegung erlassen (FER 26), die meines Erachtens einen wesentlichen Beitrag zur Transparenz bringen. Einschneidende Bestimmungen mit der Definition der Sanierung und der Teilliquidation von Vorsorgeeinrichtungen folgten.

Schwund der Kassen Wenn wir heute die Bestimmungen zum Selbstständigkeitsbereich (Art. 49 BVG) vergleichen, stellen wir gegenüber der Ausgabe 1982 fest, dass Vorsorgeeinrichtungen, die 1985 entschieden haben, mit der vorobligatorischen Lösung fortzufahren, in einem Masse reguliert wurden,

wie sie kaum erwarteten. Das hatte Auswirkungen: Gemäss Pensionskassenstatistik bestehen 2007 noch 2’543 Vorsorgeeinrichtungen. Die Abnahme, verglichen mit 1987, hat nichts mit der Versichertenzahl zu tun, welche weiterhin zugenommen hat. Meines Erachtens ist die Flut von Gesetzesvorschriften zu einem grossen Teil dafür verantwortlich: n Die damit verbundene Führungsverantwortung ist so gross, dass sich keine «Freiwilligen» mehr finden lassen. n Die Verwaltungskosten sind zwangsläufig dermassen gestiegenen, dass sie für kleinere Unternehmen nicht mehr tragbar sind und gleichzeitig von den Gewerkschaften kritisiert werden. n Es bleibt nichts anderes übrig, als sich grösseren Institutionen (Sammelstiftungen) anzuschliessen. Diese Entwicklung ist nicht ungefährlich und könnte, wie die neuesten Entwicklungen zeigen, den Gedanken einer «kostengünstigeren» Volkspension wieder aufleben lassen. Die anstehende Strukturreform und die laufende Vernehmlassung zum Vorsorgeausgleich bei Scheidung lassen erahnen, dass der Stress für die Einrichtungen der beruflichen Vorsorge nicht abnehmen wird. Nach der Volksabstimmung vom 7. März 2010 werden denn auch die Wunden geleckt. Gespräche mit den Sozialpartnern werden angeregt. Eine neue Rentenformel sollte gemäss dem zuständigen Bundesrat geprüft werden.

Fundamentale Überarbeitung ist nötig Ich möchte an dieser Stelle daran erinnern, dass der ASIP 2007 in Zusammenarbeit mit namhaften Politikern aller Richtungen einen Vorschlag für ein neues BVG erarbeitet hat. Es ist zu bedauern, dass dieser nicht weiter verfolgt wurde. Die Millionen, welche in den Abstimmungskampf um den Umwandlungssatz von allen politischen Kreisen investiert wurden, hätten helfen können. Und abschliessend möchte ich wie bereits vor Jahren darauf hinweisen, dass unser Nachbarland Liechtenstein nach wie vor über ein Gesetz zur betrieblichen Vorsorge verfügt, das mit wenigen Vorschriften auskommt. Besonders zu erwähnen ist, dass die Festlegung des Mindestzinses und des Umwandlungssatzes im Ermessen der Vorsorgeeinrichtung liegt. Ich vertrete nach wie vor die Auffassung, dass das BVG einer fundamentalen Überarbeitung bedarf. «Back to the basics» ist gefragt. Nur so können Transparenz und vernünftige Verwaltungskosten erreicht werden! n

Hans Ender, Präsident des ASIP von 2004 bis 2007

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Umhüllende Pensionskassen Die Trennung von obligatorischer und weitergehender Vorsorge stellt das System der umhüllenden Pensionskassen in Frage. Neben ein paar grossen BVG-Minimalkassen würden betriebliche Vorsorgeeinrichtungen nur noch Leistungen im ausserobligatorischen Bereich versichern. Das wollte das BVG nicht. Von Hermann Walser Wer sich als Jurist in den vergangenen 40 Jahren den eidgenössischen Räten schliesslich, das BVG in der ständig mit den Pensionskassen und der beruflichen Vor- Form eines Rahmengesetzes mit Minimalvorschriften im sorge beschäftigt hat, wird sich bewusst, welch gewaltige Leistungsbereich zu verabschieden. Das war keine SelbstEntwicklung in dieser Zeitperiode stattgefunden hat. Da- verständlichkeit, nachdem der Nationalrat als Erstrat zubei muss immer wieder in Erinnerung gerufen werden, erst einen perfektionistischen Lastenausgleich schaffen dass das BVG die berufliche Vorsorge nicht geschaffen wollte. Und auch bezüglich der viel schlankeren Endfashat. Pensionskassen, welche die Risiken Alter, Tod und sung brauchte es viel Überzeugungsarbeit, damit kein ReInvalidität mehr oder weniger gut abdeckten, gibt es seit ferendum gegen das neue Gesetz ergriffen wurde. über hundert Jahren. Diese entwickelten sich in heute kaum mehr vorstellbarer rechtlicher Freiheit. Erst 1958 Ein ausgewogenes Vorsorgesystem traten die beiden ersten allgemeinen bundesrechtlichen 1985 ist das BVG in Kraft getreten. Damit wuchs die ReVorschriften zur beruflichen Vorsorge in Kraft, einerseits gelungsdichte des eigentlichen Vorsorgerechts mit einem der noch heute geltende Art. 89bis ZGB und anderseits Schlag von bisher 6 gesetzlichen Spezialvorschriften auf eine schon längst wieder aufgehobene Bestimmung im 98 Artikel des BVG selber und 75 Bestimmungen der Arbeitsvertragsrecht, die im Freizügigkeitsfall die Mitgabe BVV1 und BVV2 an, um hier nur die wichtigsten Verordder eigenen unverzinsten Beiträge vorschrieb, und dies nungen zu erwähnen. Das war der Preis, der in Kauf stets durch Barauszahlung. 1972 folgte dann mit Inkraft- genommen werden musste, um die weltweit wohl einzigtreten der damaligen Art. 331 und 331 a-c OR der erste artige Chance zu nutzen und zu festigen, dass ein auf Schritt zu einer, aus heutiger Sicht allerdings noch unge- dem Kapitaldeckungsverfahren und auf dem Äquivalenznügenden Freizügigkeit. prinzip beruhendes System offizieller Teil unserer AltersDann, nach der wegweisenden Invaliden und HinterlassenenvorVolksabstimmung des Jahres 1972, sorge geworden ist. Wie schon seit mit welcher das Dreisäulensystem Inkrafttreten des BVG verschiedentder Alters-, Invaliden- und Hinterlich, ist auch kürzlich wieder die damit in der Schweiz umgesetzte lassenenvorsorge in der BundesverKombination von Umlageverfahren fassung verankert und ein Obligatound Kapitaldeckungsverfahren in rium der beruflichen Vorsorge diesem Vorsorgebereich wieder als vorgeschrieben wurde, begannen weltbeste Lösung qualifiziert worfür den damaligen Geschäftsführer den. Bedauerlich ist, dass dies in eines Vorgängerverbands des heuder Schweiz öfters nicht so klar getigen ASIP in verschiedensten 1987 sehen und anerkannt wird, wähKommissionen die Vorbereitungsar- Dezember 6. Die Volksinitiative rend wir vom Ausland, das zuweibeiten zum BVG und dessen Aus- zum Schutz der Moore («Rothenthurm»len schwer unter einem fast führungsverordnungen. Es war eine Initiative) wird angenommen. ausschliesslich auf dem Umlagesysspannende Zeit, in der es immer wieder abzuwägen galt, was wirklich bei der Schaffung tem beruhenden Altersvorsorgesystem leidet, für unser eines Obligatoriums geregelt werden musste und wo den 3-Säulensystem beneidet werden. Dank dem BVG und Pensionskassen Freiräume für eigene Regelungen gelas- der damit obligatorisch gewordenen beruflichen Vorsorsen werden konnten. Dank einem denkwürdigen Effort ge verfügt unser Land über ein sehr ausgewogenes Vorder vorberatenden ständerätlichen Kommission gelang es sorgesystem, dessen verschiedene Träger sich nicht zu- ➔

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letzt dadurch auszeichnen, dass die Stärken des einen Systems die Schwächen des anderen austariern, was das Gesamtsystem sehr stabil macht.

Trend zur Regulierung Zwei Gefahren für die Weiterentwicklung der beruflichen Vorsorge sind aber nicht zu verkennen. Die eine besteht in der deutlich vorhandenen Tendenz des Gesetzgebers zur Überregulierung. Diese Tendenz besteht bei weitem nicht nur in der 2. Säule, sondern ist in der heutigen gesetzgeberischen Hektik sozusagen allgegenwärtig. Sobald in irgendeinem Bereich ein Problem auftaucht, wird sofort versucht, dieses mit einem neuen Gesetz oder einer Gesetzesänderung vermeintlich ein für allemal in den Griff zu bekommen und zu lösen. Dies ist meist eine Illusion, denn die Erfahrung zeigt immer wieder, dass hastig entworfene und umgesetzte Gesetzesrevisionen neue und andere Anwendungsprobleme schaffen, womit ein eigentlicher circulus vitiosus in Gang gesetzt wird. Für die berufliche Vorsorge bedenklich ist dabei vor allem, dass die Gestaltungsfreiheit der Pensionskassen und ihrer Organe so immer mehr eingeschränkt wird und ein wichtiger Kerngedanke der beruflichen Vorsorge, die sozialpartnerschaftliche Gestaltung des Vorsorgesystems durch die paritätischen Organe, langsam aber sicher erstickt wird. Denn wenn es nichts mehr zu gestalten gibt, verliert die berufliche Vorsorge eine ihrer wesentlichen Grundlagen. Die Regelungsdichte hat heute nach der 1. BVG-Revision ein alarmierendes Ausmass angenommen. Der Gesetzgeber ist dringend aufgerufen, grösste Zurückhaltung bei weiteren Regulierungsvorhaben zu üben.

Gefahr einer Einheitskasse Einer der Leitgedanken des BVG bestand darin, die vor 1985 schon zahlreich existierenden guten Vorsorgeeinrichtungen in das Obligatorium zu integrieren und zu umhüllenden Pensionskassen zu machen. Dies auf der Grundlage der Überlegung, dass diese Kassen ihre Vorsorgepläne weiter führen sollen, aber mittels einer Schattenrechnung nachweisen müssen, dass sie jederzeit mindestens die obligatorischen Pflichtleistungen erbringen. Dies führte zum sogenannten Anrechnungsprinzip bei der Gewährung von Teuerungszulagen und bei der Ver-

zinsung der Altersguthaben. Danach sind die Vorsorgeeinrichtungen nicht verpflichtet, ihre reglementarischen Leistungen bzw. die Verzinsung entsprechend anzupassen, solange die reglementarischen Leistungen bzw. das reglementarische Altersguthaben mindestens so hoch sind wie die vom BVG vorgeschriebenen Leistungen bzw. Altersguthaben. Die Praxis verschiedener Sammelstiftungen, die zur Zeit intensiv geführten Diskussionen um die Nullverzinsung und leider auch die neuste bundesgerichtliche Praxis beginnen diese Grundgedanken in Frage zu stellen. Praktisch wird bei umhüllenden Pensionskassen eine Trennung von obligatorischer und weitergehender Vorsorge gefordert oder schon praktiziert. Der obligatorische Teil des Altersguthabens wird mit dem BVG-Mindestzins verzinst, der weitergehende Teil mit dem vom paritätischen Organ bestimmten Zins, der vom BVG-Mindestzins abweichen kann. Und die Umwandlung des Altersguthabens in eine Altersrente erfolgt im Obligatoriumsbereich mit dem BVG-Umwandlungssatz, im weitergehenden Bereich mit einem regelmässig tieferen Umwandlungssatz. Wenn sich diese Praxis weiter durchsetzt, wird das System der umhüllenden Vorsorgeeinrichtungen in Frage gestellt. Man wird sich dann ernstlich überlegen müssen, ob die obligatorische Vorsorge nicht auf einen anderen, separaten Rechtsträger ausgegliedert werden soll, um im weitergehenden Vorsorgebereich grössere Gestaltungsfreiheit erhalten oder diese sogar vergrössern zu können. Macht dies Schule, müsste weiter ebenso ernstlich gefragt werden, wie viel Sinn es macht, wenn dann in unserem Land hunderte von ausgegliederten BVG-Minimalkassen entstehen, die alle das genau Gleiche machen, nämlich sich auf die Durchführung des BVG-Obligatoriums zu beschränken. Der Ruf nach einer Einheitskasse dürfte dann nicht mehr weit sein. Und zu Ende gedacht würde man so zu einem System mit ein paar grossen überbetrieblichen BVG-Minimalkassen gelangen, während sich die betrieblichen Vorsorgeeinrichtungen darauf beschränken würden, Leistungen im ausserobligatorischen Bereich zu versichern. Eine solche Ordnung wollte das BVG ganz bewusst nicht. Darum ist den umhüllenden Vorsorgeeinrichtungen besonders Sorge zu tragen. n

Dr. Hermann Walser, Präsident des ASIP von 1998 bis 2004

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25 Jahre BVG Nach einem Rückblick auf die Entwicklung der beruflichen Vorsorge seit dem Inkrafttreten des Obligatoriums 1985 wenden wir uns der Gegenwart zu, werfen einen Blick auf die aktuellen Baustellen und wagen einen Ausblick. Von Anton Streit 1. Rückblick in vier Etappen Das Obligatorium: Schliessen von Versicherungslücken Schon lange vor dem Eingreifen des Staates hatten fortschrittliche Arbeitgeber und innovative Arbeitnehmer gut funktionierende Vorsorgeeinrichtungen betrieben. Die Lücken waren aber nach wie vor gross: 20–25% der Personen, die 1985 dem Obligatorium unterstellt wurden, waren vorher gar nicht versichert. Weitere rund 20% gehörten zum Kreis der Versicherten mit ungenügendem Versicherungsschutz. Mit dem Inkrafttreten des BVG 1985 konnten diese Lücken geschlossen werden.

geber von ursprünglich 15% des Vermögens 1987 auf weniger als 2% heute. Punktuelle Eingriffe des Gesetzgebers Vorerst beschränkte sich die gesetzgeberische Tätigkeit auf punktuelle Problembewältigungen. So wurde 1995 mit der Einführung der vollständigen Freizügigkeit einem Problem eine Lösung zugeführt, die der beruflichen Vorsorge einen grossen Imageschaden zugeführt hatte. In der Folge ist das Schlagwort der «goldenen Fesseln» weitgehend aus dem Wortschatz der beruflichen Vorsorge verschwunden. Die Einschätzung, der Anteil der Wohneigentumsbesitzer sei in der Schweiz zu klein, führte zur Möglichkeit, Mittel der beruflichen Vorsorge für den Erwerb von selbstbewohntem Wohneigentum zu verwenden. Letztlich war es auch ein im Zusammenhang mit Liegenschaften stehender Verlustfall, der den 1996 in Kraft getretenen Ausbau des Insolvenzschutzes über das Obligatorium begünstigte.

Steter Wandel ohne laute Töne Viele Veränderungen erfolgten abseits der politischen Bühne und wurden lange Zeit auch wenig beachtet. Eindeutig war vorerst die Verschiebung vom Leistungsprimat zum Beitragsprimat. 1978 gehörte ungefähr die Hälfte der Aktivmitglieder einer Leistungsprimatkasse an, 1994 war es noch jeder Dritte, heute noch etwa jeder Sechste. Für diese Entwicklung massgebend war nicht nur der Wunsch, die Beiträge besser steuern und Umfassende 1. BVG-Revision budgetieren zu können, sondern Die 1. BVG-Revision, umgesetzt in auch die einfachere administrative drei Bauetappen, brachte eine umHandhabung im Beitragsprimat. fassende Renovation. Die erste Hinzu kam ein langsamer aber steEtappe, die am 1. April 2004 in Kraft tiger Konzentrationsprozess in trat, brachte eine Verbesserung der zweierlei Hinsicht. Die Zahl der reTransparenz und eine Stärkung der gistrierten, das Obligatorium durchparitätischen Führung der Kassen. führenden Kassen sank von 4›237 Im Zentrum der zweiten Etappe Einrichtungen 1987 auf 1›996 Ein(Inkrafttreten am 1. Januar 2005) richtungen 2008. Später eingesetzt 1988 stand die schrittweise Anpassung Februar, In Calgary gewinnt Vreni hat derselbe Trend auch bei der des Umwandlungssatzes von 7,2% olympisches Gold im Zahl der Aufsichtsbehörden: Ihre Schneider auf 6,8% als Reaktion auf die gestieRiesenslalom und Slalom, Pirmin Zahl ist in den letzten Jahren prak- Zurbriggen in der Abfahrt. gene Lebenserwartung. Mit einer tisch halbiert worden. Auf eine anHerabsetzung des Koordinationsabfänglich eher konservative Anlagepolitik folgte zwischen zuges wurde weitgehend eine Schmälerung der Jahres1994 und 2000 die Entdeckung der Aktien, deren Anteile rente verhindert und für kleinere und mittlere Einkomsich in diesem Zeitraum praktisch verdoppelt haben. men der Versicherungsschutz verbessert. Zudem wurde Stark reduziert wurde auch aufgrund rechtlicher Ein- durch die Herabsetzung der Eintrittsschwelle der Versischränkungen die Bedeutung der Anlagen beim Arbeit- chertenkreis nochmals erweitert. Als Schlussbouquet ➔

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wurden in einem dritten Paket (Inkraftsetzung am 1. Januar 2006) steuerliche Aspekte geregelt. Ergänzend wurde im Nachgang zur Krise 2001/2002 das Instrumentarium der Sanierungsmassnahmen erweitert. Einerseits wurde anerkannt, dass eine zeitlich begrenzte Unterdeckung zulässig ist, anderseits wurden die möglichen Massnahmen und die Spielregeln näher definiert. Ohne diese vorausschauende Anpassung hätte das Krisenjahr 2008 kaum so gut bewältigt werden können.

2. Die aktuellen Baustellen Die Strukturreform wurde vom Parlament in dieser Frühjahrssession verabschiedet. Mit dieser Reform soll eine unabhängige, mit namhaften Kompetenzen ausgerüstete Oberaufsichtskommission errichtet werden, die für die Qualitätssicherung verantwortlich ist, indem sie Standards erlässt und die eine einheitliche Aufsichtstätigkeit in der ganzen Schweiz sicherstellt. Auch die direkten, ebenfalls unabhängigen Aufsichtsbehörden erhalten zusätzliche Kompetenzen und die Teilung von direkter Aufsicht und Oberaufsicht wird konsequent vollzogen. Die Rollen der verschiedenen Akteure in der zweiten Säule werden auf Gesetzesebene geklärt und die Rolle des obersten Organs verbindlich und transparent umschrieben. Von grosser Bedeutung sind die Verbesserungen der Corporate Governance. Klare Regelungen auf Gesetzesebene zur allgemeinen Loyalität, zu den Geschäften mit Nahestehenden (Stichwort marktübliche Konditionen) und zur Vermeidung von Interessenkonflikten drängen sich auf, ebenso Verordnungsbestimmungen zu den Eigengeschäften, zur Ablieferung von Vermögensvorteilen und zur Offenlegung. Wenige, aber klare Regeln sollen dazu dienen, dass in Einzelfällen auftretende Verstösse rasch bewältigt und nötigenfalls sanktioniert werden und nicht dem Ruf der beruflichen Vorsorge nachhaltigen Schaden zufügen können. Mitten in der parlamentarischen Beratung steht auch die Vorlage zur Finanzierung öffentlich-rechtlicher Vorsorgeeinrichtungen. Die Vorstellung, dass die Versichertenbestände stabil bleiben (Perennität) hat aufgrund demografischer Entwicklungen und aufgrund von Privatisierungen öffentlich-rechlicher Aufgaben nicht mehr dieselbe Bedeutung wie in der Vergangenheit. Die Stabilität der Kassen wird sich deutlich erhöhen, wenn sie besser ausfinanziert sind (innerhalb von 40 Jahren müssen ge-

mäss Erst-Rat alle Kassen einen Deckungsgrad von mindestens 80% erreichen), wenn der unkontrollierte Rückwärtsgang nicht mehr bedient werden darf (bei Sinken des Deckungsgrades müssen Sanierungsmassnahmen ergriffen werden) und die Verselbständigung der Kassen verstärkt wird.

3. Ausblick Das Gesetz zur Anpassung des Mindestumwandlungssatzes BVG wurde am 7. März 2010 mit 72,7% Nein-Stimmen abgelehnt. Dieses Resultat ist eindeutig und flächendeckend und zeigt auf, dass wir auch im Bereich der zweiten Säule ein gewisses Vertrauensproblem haben. Massnahmen zur Stärkung des Vertrauens sind deshalb unumgänglich. Besonders ins Schussfeld geraten sind die Lebensversicherer. Hier gilt es spezifische Fragen (z. B. um die Festlegung der Legal Quote) zu klären. Die Subkommission BVG der Kommission für Soziale Sicherheit und Gesundheit des Nationalrats ist hier am Ball. Es ist aber auch daran zu erinnern, dass die Garantie eines Lebensversicherers für viele KMU-Betriebe, die nicht mit der Notwendigkeit von Sanierungsmassnahmen konfrontiert werden wollen, sehr wertvoll ist. Zentral ist ohnehin die Stärkung des Vertrauens in das gesamte System. Ein erster wichtiger Schritt ist die zügige Umsetzung der Strukturreform, denn vielen der im Vorfeld der Abstimmung erhobenen Anliegen (unabhängige Oberaufsicht, Verbesserung der Corporate Governance, Transparenz, bessere Kontrolle über die Verwaltungskosten) kann damit Rechnung getragen werden. Mittelfristig ist es sicher angebracht, einen umfassenden Bericht zur Zukunft der 2. Säule zu erarbeiten und die in der geltenden Ordnung bestehende Verpflichtung zur Unterbreitung eines Berichts im Jahre 2011 zum Anlass zu nehmen, eine Art Gesamtschau anzustellen und den allfälligen Handlungsbedarf für weitere Reformschritte zu analysieren. Wenn es gelingt, die Transparenz weiter zu verbessern und das Vertrauen zu stärken, wird man sich daran erinnern, dass die heute 25-jährige Geschichte des BVG eine Erfolgsgeschichte ist, und dass das 3-Säulenprinzip der Schweiz insgesamt in Europa und in der ganzen Welt zu Recht einen sehr guten Ruf hat und vielmals als Vorzeigebeispiel gilt. n

Anton Streit, Vizedirektor BSV Leiter des Geschäftsfeldes Alters- und Hinterlassenenvorsorge

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Modell mit starken Wurzeln Bei aller Kritik, der die berufliche Vorsorge zur Zeit ausgesetzt ist, muss festgestellt werden: Sie trägt wesentlich zur sozialen Sicherheit in unserem Land bei und hat zwei Börsencrashs ohne fundamentalen Schaden überstanden. Um die Erfolgsgeschichte fortzusetzen, braucht es aber eine Rückbesinnung auf ihre Wurzeln und eine stärkere Verankerung in der Bevölkerung. Von Thomas Daum Wer aus Anlass des 25-Jahre-BVG-Jubiläums Rück- tete der Gesamtarbeitsvertrag der Maschinen-, Elektroschau hält, sollte sich bewusst sein, dass die berufliche und Metallindustrie 1988 den schrittweisen Übergang zur Vorsorge viel älter ist. Als das Gesetz am 1. Januar 1985 vollen Freizügigkeit ein, mit Grundsätzen, die dann auch in Kraft trat, traf es auf eine blühende Landschaft von im Freizügigkeitsgesetz von 1995 übernommen wurden. bereits lange Zeit bestehenden Vorsorgeeinrichtungen, die meistens aus patronaler Initiative entstanden waren, Belastungen in den 90er-Jahren über die Jahre aber immer mehr sozialpartnerschaftlich Es mag an der guten Entwicklung auf den Finanzmärkten getragen wurden. In der Maschinen-, Elektro- und Metall- gelegen haben, dass seit Mitte der 90er-Jahre die regulaindustrie, für welche ich die Einführung des BVG vorbe- torischen Belastungen der beruflichen Vorsorge und ihre reiten half, rechneten wir beim Inkrafttreten des BVG mit Instrumentalisierung für andere Zwecke (Wohneigeneiner Vorsorgeabdeckung von über 90 % der Arbeitsver- tumsförderung) ständig zunahmen, ohne dass eine verhältnisse. Das Gesetz brachte also für viele Arbeitgeber tiefte Diskussion über die damit angestossenen struktuund Arbeitnehmende nichts wirklich Neues, aber einen rellen Veränderungen und Folgekosten stattgefunden erheblichen Anpassungsbedarf für die bereits bestehen- hätte. Man thematisierte – zumindest in der Öffentlichkeit den Pensionskassen. – auch kaum die Entwicklung der wesentlichen SystemAngesichts der seinerzeit noch herrschenden Auffas- parameter wie Lebenserwartung, Renditemöglichkeiten, sung, das BVG sei ein offenes Rahmengesetz, welches Mindestzins und Umwandlungssatz, obwohl es dazu einiden einzelnen Vorsorgeträgern erhebliche Gestaltungs- gen Anlass gegeben hätte. spielräume belasse, waren die AnUmso dramatischer waren dann passungen einigermassen gut zu die Reaktionen, als mit dem Börbewältigen. Allerdings gab es schon sencrash anfangs dieses Jahrzehnts damals verschiedene Pensionskasdie «heile Vorsorgewelt» ihr Ende sen-Chefs, die vor den künftigen fand und in der Folge der MindestRegulierungsrisiken warnten («wo zinssatz erstmals nach 17 Jahren es Fussballfeld isch, wird au gesenkt werden musste. Das Betschuttet») und diese zum Beispiel wusstsein, dass alle Akteure – Penmit dem «Splitting» zwischen den sionskassen und Lebensversicherer, Trägern der obligatorischen und Arbeitgeber und Arbeitnehmende, der überobligatorischen Vorsorge aktive Versicherte und Rentner – 1989 eingrenzen wollten. Heute wissen letztlich im gleichen Boot sassen November 2009. Der Fall der wir, dass die «Kassandra-Rufe» nicht Berliner Mauer lässt die Menschen und sich gemeinsam in einer unbegründet waren und selbst «ge- in ganz Europa feiern. falschen Sicherheit gewiegt hatten, splittete» Kassen sich im Überobliwurde von gegenseitigen Beschulgatorium dem Zugriff des Gesetzgebers nicht entziehen digungen und Vorwürfen verdrängt, die im Begriff des konnten. «Rentenklaus» ihren emotionsgeladenen Höhepunkt fanBis Mitte der 90er-Jahre hielt sich der gesetzgeberische den. Seither sind viele Diskussionen über die 2. Säule Aktivismus jedoch in Grenzen, sodass noch Raum für so- von Misstrauen und Vorteilsverdächtigungen geprägt, zialpartnerschaftliche Weiterentwicklungen blieb. So lei- was eine partnerschaftliche Diskussion über die Behe- ➔

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bung von Fehlern und die Bewältigung künftiger Herausforderungen erschwert.

Für eine konstruktive Vorsorgediskussion Die 1. BVG-Revision (2005–2006) brachte wesentliche Verstärkungen in den Bereichen der paritätischen Verwaltung, der standardisierten Rechnungslegung und der Versicherteninformation sowie eine Entflechtung von Vorsorgegeschäft und allgemeinem Versicherungsgeschäft bei den Lebensversicherern. Mit der zurzeit vom Parlament beratenen «Strukturreform» sollen zudem die Governance und die Aufsicht der Vorsorgeeinrichtungen verbessert werden. Damit wären die rechtlichen Voraussetzungen für eine transparente und faire Führung der beruflichen Vorsorge gegeben. Wie die zurückliegende Abstimmungskampagne zur Senkung des Umwandlungssatzes auf 6,4 % zeigt, reicht das zur Beruhigung und Versachlichung der Diskussion über die 2. Säule und zur Weiterentwicklung des BVG im demokratischen Prozess nicht aus. Diese Ziele können nur erreicht werden, wenn n die berufliche Vorsorge wieder als partnerschaftliche Aufgabe der Sozialpartner, der Vorsorgeeinrichtungen und der Versicherer wahrgenommen wird n die Versicherten bzw. die Stimmberechtigten das Vorsorgesystem in seinen wichtigsten Elementen und Ausprägungen verstehen und n die Vielgestaltigkeit der Vorsorge als eine ihrer Stärken akzeptiert wird.

Koexistenz der Träger – differenzierte Regulierung Nachdem das Nebeneinander von (autonomen) Pensionskassen und Lebensversicherern als Träger der beruflichen Vorsorge während Jahrzehnten gut funktioniert hatte, wollen linke Kreise die Lebensversicherer seit dem Einbruch von 2002 aus dem Feld der beruflichen Vorsorge verdrängen. Diese Kampagne lässt sich nicht mit gemachten Fehlern der Versicherer begründen, sondern ist ideologisch motiviert und stellt das System der beruflichen Vorsorge in Frage. Es gehört eben zu diesem System, dass (vor allem kleine) Unternehmungen ihre Vorsorgeverpflichtung ohne eigene Risiken und ohne eigenen Verwaltungsaufwand über eine Sammelstiftung oder mit einer Vollversicherung erfüllen können. Um dies zu gewährleisten, brauchen wir die Lebensversicherer als Vorsorgeträger. Umgekehrt wäre es falsch, die Vorsorgeeinrichtungen den gleichen versicherungsrechtlichen Durchführungs- und Aufsichtsregeln zu unterstellen wie die Lebensversicherer. BVG und Versicherungsrecht müssen mit anderen Worten von der Koexistenz der Vorsor-

geträger ausgehen und diese mit einer differenzierten Regulierung unterlegen, welche den unterschiedlichen Leistungsgarantien, Risikoträgerschaften und Geschäftszielen Rechnung trägt. Erst wenn dieser Grundsatz wieder von allen Akteuren in der beruflichen Vorsorge akzeptiert ist, können sie das System partnerschaftlich weiterentwickeln.

Aufklärungsbedarf Wer geglaubt hatte, 25 Jahre BVG, die hitzigen Auseinandersetzungen nach dem Börsencrash anfangs dieses Jahrzehnts, die politischen Debatten über die 1. BVG-Revision, die Einführung der Transparenzvorschriften und die verstärkte mediale Präsenz des Themas hätten das Verständnis für die Funktionsweise der beruflichen Vorsorge entscheidend verbessert, sah sich im Abstimmungskampf über den Mindestumwandlungssatz bitter enttäuscht. Die Leistungen der 2. Säule sind zwar zum festen Bestandteil der sozialen Sicherheitsansprüche geworden, aber das System, welches diese Ansprüche generieren muss, ist weitgehend unbekannt. Auf dieser Basis naiver Unkenntnis ist es einfach, unerfüllbare Erwartungen zu schüren, notwendige Korrekturen zu bekämpfen, übermässige Verwaltungskosten zu behaupten und die berufliche Vorsorge insgesamt als «Selbstbedienungsladen» für Experten, Portfoliomanager usw. zu diskreditieren. Hier stehen die Verantwortlichen der beruflichen Vorsorge in einer Aufklärungspflicht. Zu lange haben sie die Vorsorge im kleinen Zirkel der «Eingeweihten» geschrieben und zu oft hüllen sie sich auch heute noch in eine Aura des anglizistischen Fachjargons, der Aussenstehenden den Zugang zum Thema massiv erschwert. Nach dem Boom der Publikationen und Veranstaltungen für die Insider muss nun eine langfristig angelegte Informationskampagne für die Betroffenen gestartet werden. Erst wenn die berufliche Vorsorge in breiten Bevölkerungskreisen verstanden wird, ist sie gegen politische Manipulationsversuche gefeit. Und nur wenn die Versicherten ihre Rolle sowie ihre Chancen und Risiken im System kennen, kann dieses System mit ihnen seine volle Stärke ausspielen.

Wurzeln stärken Damit die Erfolgsgeschichte der beruflichen Vorsorge fortgeschrieben werden kann, müssen ihre Akteure also nicht nur das versicherungs- und anlagetechnische Instrumentarium beherrschen, sondern sich auch immer wieder auf die (sozial-)partnerschaftlichen Wurzeln der 2. Säule besinnen und diese mit einer aktiven und ehrlichen Kommunikation in der Bevölkerung verankern. n

Thomas Daum, Direktor Schweizerischer Arbeitgeberverband

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Als Jubiläumsbeilage eine CD! 25 Texte zur Entwicklung der beruflichen Vorsorge

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Die Systemlücken schliessen Die gesellschaftlichen Erwartungen und das ökonomische Umfeld ändern sich. Das hat Auswirkungen auf die berufliche Vorsorge: Auch die zweite Säule muss sich immer wieder hinterfragen und Systemlücken schliessen. Von Colette Nova Um es gleich vorwegzunehmen: Die ersten 11 Jahre seit der Einführung des BVG habe ich mich nicht stärker mit der beruflichen Vorsorge auseinandergesetzt als andere Arbeitnehmende. Meine ersten persönlichen Erfahrungen mit der beruflichen Vorsorge gehen aber noch in die Zeit vor dem BVG zurück: Als Kind wohnte ich nämlich lange in einem Haus, das einer Lehrerpensionskasse gehörte. Die ersten Fachkenntnisse über die berufliche Vorsorge habe ich während dem Studium erworben, das ich zufälligerweise im ersten Jahr des BVG abgeschlossen habe. Von 1986–1995 habe ich dann in der Bundesverwaltung meine ersten Erfahrungen als Versicherte gesammelt. Diese sprechen Bände: Während dieser ganzen Zeit habe ich nämlich nie einen Vorsorgeausweis, ein Reglement oder eine Jahresrechnung gesehen! Soviel ich weiss, ist es vielen anderen Versicherten damals nicht anders gegangen; diese Erfahrung scheint also durchaus repräsentativ zu sein für die damalige Zeit. Das Leistungsprimat hat mich verärgert, weil mir die Nachzahlungen im ersten Jahr die Lohnerhöhungen gleich wieder weggefressen haben. Den Sinn dieser Nachzahlungen hat mir damals niemand erklären können, ich habe sie erst später verstanden. Das erste und gleichzeitig letzte Papier, das ich von der damaligen EVK erhalten habe, war die Berechnung der Austrittsleistung. Das war im Jahr, als das Freizügigkeitsgesetz in Kraft getreten ist. Allerdings hätte ich auch vor Inkrafttreten des FZG nichts verloren, weil es ein Freizügigkeits- 1990 abkommen gab. Was ja bekanntlich Die S-Bahn Zürich ihren Betrieb auf. leider nicht für alle BV-Versicherten galt und zum FZG geführt hat.

Pensionskassenbashing ist nicht neu Weiter erinnere ich mich aus dieser Zeit an Medienberichte, die den Pensionskassen die Schuld für Immobilienspekulation zuschoben. Als junge Familienmutter mit

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einem kleinen Budget habe auch ich unter steigenden Mieten gelitten – Vermieterin war in der Tat eine Pensionskasse –, habe den Zeitungen deshalb geglaubt und war wütend. Heute schliesse ich daraus: Pensionskassenbashing in den Medien ist nichts Neues! Nach meinem Arbeitsbeginn beim SGB hat sich die berufliche Vorsorge rasch als dasjenige Aufgabengebiet entpuppt, das am meisten Herausforderungen an mich stellte: Es begann mit den ersten Änderungen der Anlagevorschriften (es ging um Derivate, als Reaktion auf Missstände), dann kam die Arbeit an der 1. BVG-Revision. Bald musste ich mich mit vielen Themen befassen, die noch heute aktuell sind: Mindestzinssatz, Mindestumwandlungssatz, Teilliquidationen, Anlagevorschriften, Versicherungstechnik, Vermögensverwaltung, Reglementsänderungen, Sanierungsmassnahmen, die Probleme im Zusammenhang mit den Versicherern usw. Dass es möglich und zulässig war, dass Versicherungsgesellschaften den Umwandlungssatz für Neurenten im Überobligatorium auf einen Schlag um bis 25 % senken konnten, war ein Schock. Auch die Frage, ob das heutige Drei-Säulen-System gut sei oder nicht doch vielleicht Systemänderungen nötig seien, begleitet mich beruflich seit langem. Und das leidige Thema «freie Pensionskassenwahl» hat sich als ein Dauerthema entpuppt. Der für mich lehrreichste und interessanteste Aspekt war und ist zweifellos die Mitarbeit und die Führung von Stiftungsräten. nimmt

Es wird in Zukunft nicht ruhiger Generell habe auch ich den Eindruck: Der Komplikationsgrad in der beruflichen Vorsorge steigt in schwindelerregendem Tempo. Neben den zahlreichen Vorgaben des Gesetzgebers, des Bundesrates und der Aufsicht überraschen auch die Gerichte immer wieder mit Ent- ➔

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scheiden, die die Vorsorgeeinrichtungen zu – manchmal problematischen – Anpassungen zwingen. Manchmal werden durch diesen Aktivismus zwar Probleme gelöst – aber oft werden gleich wieder einige neue geschaffen. Was schon für die Führungsorgane und die Geschäftsführung zuviel ist, überfordert die «normalen» Versicherten definitiv. Und dass dieses hektische Treiben nicht eine dämpfende Wirkung auf die Verwaltungskosten hat, versteht sich von selbst. Allerdings ist das ASIP-Konzept des «neuen BVG» für mich kein tauglicher Lösungsansatz.

Geänderte Erwartungen Die gesellschaftlichen Erwartungen ändern sich, das ökonomische Umfeld ebenfalls, das kann nicht ohne Auswirkungen auf die berufliche Vorsorge bleiben. Wie die übrigen Sozialversicherungen muss sich auch die zweite Säule immer wieder hinterfragen lassen. Ob das Kapitaldeckungsverfahren und die heutige zweite Säule der Weisheit letzter Schluss sind, wird individuell unterschiedlich beurteilt. Was der heutigen zweiten Säule aber ganz massiv schadet, ist die Tatsache, dass neben den autonomen Pensionskassen auch profitorientierte Firmen darin tätig sind. Die berufliche Vorsorge wäre viele ihrer Glaubwürdigkeitsprobleme los, wenn es nur noch «eine Welt gäbe», nämlich diejenige der kollektiven Vorsorge nach dem Gegenseitigkeitsprinzip. Der Verteilkonflikt zwischen den Versicherern und den Versicherten ist für die Versicherten nach wie vor schlecht gelöst. Den meisten Politikerinnen und Politikern sowie den Journalisten kann man offenbar weismachen, dass es die Versicherer brauche, obwohl dies so nicht stimmt. Viele Dauerstreitpunkte würden sich ohne Versicherer fast von selbst erledigen, wie etwa die Bestimmung der richtigen Höhe des Mindestzinssatzes. Ohne Versicherer wäre auch die Debatte zum Umwandlungssatz eine andere gewesen. Die Pensionskassen müssten sich auch nicht mit absurden Forderungen wie etwa jener nach der Einführung des SST auseinandersetzen. Dass der ASIP sich in Bezug auf die Assekuranz zu wenig eigenständig positioniert, halte ich für einen strategischen Fehler. Der ASIP würde massiv an Glaubwürdigkeit gewinnen, wenn er sich ganz eindeutig für die autonome und sozialpartnerschaftliche Vorsorge positionieren würde.Es gibt Systemlücken, die geschlossen werden müssen: Ein erheblicher und eher

steigender Teil der Arbeitnehmenden kommt heute in der beruflichen Vorsorge zu kurz, ist nicht oder nur schlecht versichert. Prekäre Arbeitsverhältnisse, kleine oder Kleinstpensen und -beschäftigungen, Wechsel oder Zusammenspiel von Unselbständigkeit und Selbständigkeit usw. schliessen viele Arbeitnehmende von zum Leben genügenden Vorsorgeleistungen aus. Diesen Menschen nützen auch gute Lösungen in umhüllenden Kassen nichts. Sie sind meist nicht in solchen Kassen und deshalb darauf angewiesen, dass ihren Vorsorgebedürfnissen auch im Obligatorium besser entsprochen wird. Hier liegt eine Herausforderung, aber auch eine Chance für die berufliche Vorsorge.

Besser als ihr Image Die Zukunft der beruflichen Vorsorge liegt auf jeden Fall nicht in der «freien Wahl der Pensionskasse». Ich bin überzeugt, dass es darin weder «Wahl», noch «freie» Wahl noch «Pensionskasse» mehr gäbe und dass die Folgen für die Vorsorge äusserst schlecht wären. Wie sich auch rund um die Abstimmung zum Umwandlungssatz gezeigt hat, ist die heutige kollektive Vorsorge für die Bevölkerung nicht leicht verständlich, weshalb solche Ideen immer wieder herumgeboten werden. Der Informations- und Aufklärungsbedarf ist viel grösser als in Bezug auf die AHV/IV. Das ist bisher unterschätzt worden. Die Zukunft der beruflichen Vorsorge liegt aber sicher auch nicht in der Umstellung auf Zinssätze beim oder unterhalb des risikolosen Zinses, wie eine trotz ihres Namens rückwärtsgewandte Organisation behauptet. Damit würde der Ast abgesägt, auf dem die berufliche Vorsorge (inklusive Versicherungsgesellschaften) sitzt! Denn Bundesobligationen kaufen können die einzelnen Versicherten selbst und sie könnten dies erst noch sehr günstig tun. Es gäbe für sie also keinen Grund mehr, in einer Pensionskasse zu sein und dieser Verwaltungskosten zu bezahlen. Die AHV wäre sofort viel attraktiver als die berufliche Vorsorge. Dieser «Scheideweg» wäre ein kolossaler Irrweg. Das BVG und die berufliche Vorsorge sind zwar für den grössten Teil der Bevölkerung ein Buch mit sieben Siegeln. Die berufliche Vorsorge ist aber besser als ihr Image. Ihr wohl grösstes «Kapital» sind viele engagierte und kompetente Menschen, die gute Ideen und den Willen haben, diese Ideen umzusetzen. n

Colette Nova, Geschäftsführende Sekretärin des Schweizerischen Gewerkschaftsbundes SGB

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Die Aufsicht im BVG 25 Jahre BVG aus dem Blickwinkel der Konferenz der kantonalen BVG- und Stiftungsaufsichtsbehörden – zwischen zahnloser und formaljuristischer Aufsicht. Von Christina Ruggli-Wüest 1. Entstehungsgeschichte

Revision des Stiftungsrechts im Jahr 2006 wurden wenige zusätzliche Aufgaben, welche sich in der Praxis herausgebildet haben, festgelegt12. Weitere Bestimmungen zur Stiftungsaufsicht finden sich in den kantonalen Einführungsgesetzen zum ZGB13 und in den kantonalen Verordnungen zur Stiftungsaufsicht14. Auch diese wenigen Bestimmungen basieren auf dem Gedankengut der «Stiftungsfreiheit» und halten daher ein Einschreiten der Aufsicht nur dann für gerechtfertigt, wenn offensichtliche Mängel zu Tage treten15. Neben kantonalen Aufsichtsbehörden bestehen in verschiedenen Kantonen noch Gemeindeaufsichten16. Diese beaufsichtigen Stiftungen mit einem in der Regel eng auf die betreffende Gemeinde begrenzten Tätigkeitsbereich. Diese Gemeindeaufsicht ist im BVG aber von Bundesrechts wegen ausgeschlossen17. Die bereits vorgestellte defensive Aufsichtstätigkeit wird im Stiftungsrecht eher noch verstärkt.

Bei Inkraftsetzung des BVG am 1. Januar 1985 gab es «die BVG-Aufsicht» noch nicht. Der Gesetzgeber stützte sich im Wesentlichen auf die funktionierende Stiftungsaufsicht ab1 und regelte die Besonderheiten der BVG-Aufsicht gerade mal in zwei Artikeln2; zusätzlich wurde in einem Artikel die Oberaufsicht geregelt3. Die zugehörige Ausführungsverordnung4 befasst sich hauptsächlich mit den Schnittstellen zu anderen Aufsichtsbehörden und dem BVG-Register 6. In materieller Hinsicht überwacht die Aufsichtsbehörde die Einhaltung (aller) gesetzlicher Vorschriften7 durch die Vorsorgeeinrichtungen und Einrichtungen, die nach ihrem Zweck der beruflichen Vorsorge dienen8. Insbesondere prüft sie die Übereinstimmung der Reglemente mit den gesetzlichen Vorschriften9, sie fordert jährlich die Berichterstattung, namentlich über ihre Geschäftstätigkeit, von allen beaufsichtigten Institutionen ein, sie nimmt Einsicht in die Kontrollstellenberichte und in die Berichte 3. Die Konferenz der kantonalen des Experten für berufliche Vorsorge; schliesslich trifft sie BVG- und Stiftungsaufsichtsbehörden. Massnahmen zur Behebung von Mängeln. Sie beurteilt Im Jahr 1970 haben sich die kantonalen Stiftungsaufauch Streitigkeiten betreffend das Recht der versicherten sichtsbehörden zu einer Konferenz zusammengeschlosPerson nach Art. 65a und 86b Abs. sen. In der Konferenz sind alle 2 BVG; zudem überwacht sie die kantonalen BVG- und StiftungsaufZweckwahrung bei Vorsorgestifsichtsbehörden vertreten. Die Kontungen und genehmigt dort auch ferenz ist ein Verein und ihren Urkundenänderungen nach Art. 85 Mitgliedern gegenüber nicht weiund 86 ZGB. sungsberechtigt. Sie verfolgt den Die Formulierung des GesetzgeZweck, alle Fragen auf dem Gebiet bers lässt erkennen, dass von einer der beruflichen Vorsorge und des «defensiven Denkhaltung» ausgeStiftungsrechts zu behandeln und gangen wurde; das zeigt sich unter eine gesamtschweizerisch einheitanderem daran, dass ein aktives liche Anwendung dieser Rechtsge1991 Einschreiten «nur» beim Vorliegen von Juni, Zur 700 Jahr-Feier der biete zu fördern. Die Konferenz enMängeln festgelegt worden ist10. gagiert sich seit ihrer Gründung für Eidgenossenschaft wird rings um den Urnersee der 35 km lange die Förderung der Beziehungen unWeg der Schweiz eröffnet. 2. Die Stiftungsaufsicht ter den kantonalen AufsichtsbehörAufgrund der Annahme des Gesetzgebers, dass die Stif- den und mit Fachpersonen bzw. -institutionen; sie nimmt tungsaufsicht als Basis der BVG-Aufsicht dienen soll, aktiv an Vernehmlassungen teil. Sowohl bei der Einfühstellt sich die Frage nach der Tätigkeit der Stiftungsauf- rung des BVG als auch bei der Stiftungsrechtsrevision sicht. Nach Artikel 84 ZGB überwacht diese die Wahrung und der 1. BVG-Revision setzte sich die Konferenz für die des Zwecks durch die beaufsichtigte Stiftung11. Mit der Belange der durchführenden Aufsichtsbehörden ein. ➔

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4. Zwischenfazit Sowohl aus den BVG-Bestimmungen als aus den Bestimmungen über die Stiftungsaufsicht ergibt sich, dass bei der Aufsichtsausübung Zurückhaltung erforderlich ist. Eingriffe sind nach den allgemeinen Regeln der verwaltungsrechtlichen Tätigkeit nach dem Verhältnismässigkeitsgrundsatz und nach dem Legalitätsprinzip zu beurteilen18. In dieser Hinsicht sind die Aufsichtsbestimmungen sehr marginal gehalten. Die formellen Prüfaspekte stehen im Vordergrund; für eine griffige Aufsicht fehlt es an den entsprechenden gesetzlichen Bestimmungen. Die inhomogene Vorsorgelandschaft19, die Revisionsstellen und Experten, welche stark von ihren Fachvereinigungen20 beeinflusst sind, und die faktisch fehlende Oberaufsicht, führen immer zum Vorwurf der zahnlosen, formalistischen Aufsichtsführung an die Adresse der Aufsichtsbehörden. Dies steht in einem gewissen Spannungsfeld zu den Anforderungen, welche insbesondere von der Öffentlichkeit an die BVG-Aufsichtsbehörde herangetragen werden21. Die Konferenz der kantonalen BVG- und Stiftungsaufsichtsbehörden nimmt die Anforderungen für eine vermehrte Einheitlichkeit in der Umsetzung der Gesetzesbestimmungen im Rahmen ihrer Möglichkeiten wahr. Sie kann jedoch – wie andere Konferenzen22 auch – nur Empfehlungen abgeben.

5.1 Was heisst das nun für die Zukunft? Auswirkungen der Strukturreform Ursprünglich23 war das Anliegen der Strukturreform eine Verstärkung der Aufsicht und der Oberaufsicht, basierend auf den Erfahrungen aus den Schadenfällen24 und der Praxis der ersten rund 15 Jahre BVG. Es wurde jedoch bald festgestellt, dass es im System mit eigenverantwortlich handelnden Akteuren25 nicht genügt, einzig die Aufsicht und die Oberaufsicht zu verstärken, sondern dass es erforderlich ist, die Kompetenzen und Verantwortungen aller am System beteiligten Gremien und Personen26 zu klären und zu verstärken, wenn eine erhöhte Sicherheit für den gesamten BVG-Bereich erzielt werden soll. Zur Diskussion standen auch immer wieder «gleichlange Spiesse» sowohl für eigenständige Vorsorgeeinrichtungen von Unternehmungen als auch für Sammel- und Gemeinschaftsstiftungen von Versicherungsgesellschaften und Banken27. Schliesslich wurde die Gewährleistung der Systemsicherheit28 als solche gefordert. Die auf dem Expertenbericht basierende Botschaft des Bundesrates vom 15. Juni 2007 zur Strukturreform29 nahm die wesentlichen Anliegen auf schlug vor, dass die Kompetenzen und die Verantwortung der einzelnen Akteure vertieft gesetzlich geregelt werden. Die bisherigen Erfahrungen in der Praxis standen bei den Bestimmungen zu den Aufgaben des obersten Organs30, der Revisionsstelle 31

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und des Experten für berufliche Vorsorge Pate32. Bei den Aufsichtsbestimmungen wurde dem Legalitätsprinzip vermehrt Rechnung getragen und sowohl die Aufsichtstätigkeit33 als solche wie auch die Aufsichtsmittel34 umschrieben. Die Organisation der Aufsichtsbehörden35 wurde insofern verändert, als zukünftig im BVG auch «Zusammenschlüsse» von Aufsichtsbehörden vorgesehen sind zur Verstärkung der eigenen Kompetenzen. Schliesslich wurde erkannt, dass nicht nur die fehlende Erfahrung36 in der Aufsichtsführung vermieden werden muss, sondern eine Aufsichtsbehörde auch durch externe Eingriffe37 geschwächt werden kann. Es wurde daher die administrative, finanzielle und rechtliche Selbständigkeit postuliert38. Als weitere, wesentliche Änderung wurde die Entflechtung von Direkt- und Oberaufsicht beschlossen. Inskünftig wird die Direktaufsicht ausschliesslich auf Kantons- bzw. Regionsebene stattfinden39, während die Bundesebene die Oberaufsicht40 bzw. die Systemaufsicht41 durchführen wird. Die Erkennung von Veränderungen der Systemparameter, welche die Sicherheit des Gesamtsystems beeinflussen, und das rechtzeitige Ergreifen entsprechender Massnahmen werden für die Zukunft der zweiten Säule zentral sein42.

5.2 Notwendige Veränderungen in der Wahrnehmung von Öffentlichkeit und Politik Mit den Veränderungen auf der gesetzlichen Ebene muss aber auch ein Wandel in der Wahrnehmung der 2. Säule in der Öffentlichkeit und in der Politik einher gehen. Zunächst muss realisiert werden, dass trotz des grossen Anteils der von den Sozialpartnern gemeinsam «uneigennützig» betriebenen Vorsorgeeinrichtungen auch Vorsorgeeinrichtungen eine Existenzberechtigung haben, welche als professionelles Geschäftsmodell eines Wirtschaftsunternehmens (in concreto einer Versicherungsgesellschaft oder einer Bank) betrieben werden. Wenn immer wieder gleichlange Spiesse gefordert werden, ist genau zu überlegen, wo diese denn gleich lang sein sollen und wo sie es heute schon nicht sind und diese Forderung auch gar keinen Sinn macht43. Will man die Vielfältigkeit der 2. Säule und den Anreiz erhalten, dass Unternehmungen solche Einrichtungen eigenständig verwalten, muss man mit «Lücken» leben können. Dies bedeutet, dass nicht jedes «vermeintliche» Fehlverhalten zu neuen gesetzlichen Bestimmungen führen kann, wie dies in den letzten 15 Jahren geschehen ist44. Vielmehr muss wahrgenommen werden, dass das gesamte System nur so gut ist, wie die beteiligten Akteure. Beim obersten Organ ist das Spannungsfeld zwischen vertretbarem Aufwand und Ausbildung eines Laiengremiums und der Verantwortlichkeit zu beachten45. Im Gegenzug ist die Latte bei ➔

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den professionellen Akteuren wie den Revisionsstellen und den Experten für berufliche Vorsorge und nicht zuletzt auch bei der Aufsicht und der Oberaufsicht hoch anzusetzen46. Das Zusammenspiel dieser Akteure in der Aufsichtspyramide47 muss gewährleistet bleiben; das System der repressiven Aufsicht mit gewissen präventiven Vorwirkungen hat sich nicht verändert, weshalb die Aufsichtsbehörde (erst) bei feststellbaren Mängeln einschreitet48, dann allerdings konsequent und ohne Verzögerungen49. In diesem Sinn wünscht sich die Autorin des vorliegenden Artikels für die Zukunft etwas mehr Realitätssinn in der zweiten Säule und etwas weniger Emotionen. n

Genehmigung untergeordneter Urkundenänderungen (sog. unwesentliche Änderung). 13

Für den Kanton Basel-Stadt: EGZGB §§ 17-19 (Abgrenzung der

innerkantonalen Zuständigkeiten der Aufsicht); SG BS 211.100. 14

z.B. Verordnung über die Stiftungsaufsicht vom 3. Februar 2004;

SG BS 212.900 15

Hans-Michael Riemer, BE-Kommentar zu Artikel 84 ZGB, Rz. 55 ff.

16

So besteht z.B. im Kanton Basel-Landschaft noch eine Gemeindeauf-

sicht; im Kanton Basel-Stadt ist dies ebenfalls noch möglich, wobei jedoch aufgrund der städtischen Struktur die Mehrheit der kantonalen Stiftungen unter Kantonsaufsicht stehen. 17

Artikel 61 BVG; danach bezeichnet jeder Kanton eine (einzige)

Behörde als Aufsichtsbehörde 18

U. Häfelin/G. Müller, Grundriss des Allgemeinen

1

Botschaft BVG, BBl 1976 I 149 ff.

Verwaltungsrechts, Rz. 514

2

Artikel 61 und 62 BVG; Bundesgesetz vom 25. Juni 1982 über

19

Hier soll keineswegs einer Vereinheitlichung das Wort geredet

die berufliche Alters-, Hinterlassenen- und Invalidenvorsorge (BVG),

werden; es ist jedoch ein Fakt, dass die Aufsichtsführung bei einer

SR 831.40.

Sammel- oder Gemeinschaftsstiftung anders erfolgt und erfolgen muss

3

Artikel 64 BVG

als dies bei einer kleineren Konzernvorsorgeeinrichtung der Fall ist.

4

Verordnung über die Beaufsichtigung und die Registrierung der

20

Vorsorgeeinrichtungen (BVV1) vom 29. Juni 1983; SR 831.435.1

Sowohl die Treuhandkammer als auch die Aktuarvereinigung wie

auch die Kammer der Pensionskassen-Experten verfolgen dabei nicht

5

Artikel 1 bis 4 der BVV1

ausschliesslich Interessen, welche auf die 2. Säule ausgerichtet sind,

6

Artikel 6 bis 11 der BVV1

sondern oft über internationale Standards in sach- und fachfremder Art

7

Unter «Rechtskonformität» wird dabei nicht nur die Einhaltung der

auf die Einrichtungen der 2. Säule zur Anwendung kommen;

BVG-Bestimmungen und der damit zusammenhängenden Gesetzge-

stellvertretend genannt seien die Entwicklungen der internationalen

bung (inkl. Verordnungen) verstanden, sondern auch die Einhaltung

Rechnungslegung (konzernrelevante Beurteilung von Beitragsprimat-

weiterer gesetzlicher Bestimmungen (in der Praxis stellen sich diese

plänen als «Leistungsverpflichtungen der Arbeitgeberfirma») bzw. der

Fragen insbesondere bei Vorsorgegenossenschaften hinsichtlich der

Risikosimulation (Swiss Solvency Test).

allg. Bestimmungen des Obligationenrechts und bei öffentlich-

21

rechtlichen Vorsorgeeinrichtungen z.B. betreffend die Einhaltung

ellen Schadenfällen, rasches und effizientes Einschreiten bei Gefähr-

von Artikel 8 BV).

dung unter Wahrung der Rechte der Betroffenen (Rechtliches Gehör,

8

Betroffen sind somit nicht nur eigentliche Vorsorgeeinrichtungen,

Gefordert werden dabei eine vollständige Vermeidung von potenti-

Suspensivwirkung einer Beschwerde etc.), einheitliche Rechtsanwen-

sondern auch sog. Hilfs- oder Annexeinrichtungen wie Freizügigkeits-

dung (trotz unterschiedlicher Einrichtungen) und «Augenmass»

und Anlagestiftungen sowie patronale Wohlfahrtseinrichtungen;

bei heiklen Situationen (z.B. bei Sanierungsmassnahmen im

vgl. dazu Botschaft zur Revision des Bundesgesetzes über die

Zusammenhang mit Unterdeckungsfällen im Rahmen der Finanzmarkt-

berufliche Alters-, Hinterlassenen- und Invalidenvorsorge vom 1. März

krise 2008 ff.).

2000; im Folgenden Botschaft zur 1. BVG-Revision, BBl 2000, S. 2637

22

9

Zu Beginn des BVG waren dies das Leistungsreglement und

Erwähnt seien hier stellvertretend die Regierungskonferenzen in

verschiedenen Bereichen z.B. die Konferenz der kantonalen Finanzdi-

manchmal noch ein Geschäfts- bzw. Organisationsreglement bei

rektoren oder der Gesundheitsdirektoren; daneben bestehen sog.

grösseren Vorsorgeeinrichtungen; zwischenzeitlich verfügen die

Fachkonferenzen z.B. diejenige der kantonalen Zivilstandsämter, der

Vorsorgeeinrichtungen neben den Leistungsreglementen über

vormundschaftlichen Aufsichtsbehörden etc.

zahlreiche weitere Reglemente (z.B. Anlage-, Reserve-, Rückstellungs-

23

sowie Geschäfts- und Organisations- und Wahlreglemente), welche

Übersicht und Ausgangslage

teilweise sogar genehmigungspflichtig sind (z.B. das Teilliquidations-

24

Insbesondere aus dem Fall Vera/Pevos.

reglement nach Artikel 53b ff BVG).

25

Das Konzept BVG geht bekanntlich davon aus, dass der Arbeitgeber

10

Das bedingt, dass ein Mangel aufgrund der eingereichten

Unterlagen (oder auf andere Art und Weise) feststellbar ist. 11

Die ZGB-Aufsicht war also ursprünglich nur in einem einzigen

Artikel geregelt. 12

Artikel 83d ZGB betreffend die Ergänzungsmöglichkeit bei ungenü-

Vgl. dazu Schlussbericht der Expertenkommission «Strukturreform»;

zusammen mit seiner Arbeitnehmerschaft über die berufliche Vorsorge in seinem Unternehmen bestimmt; Artikel 11 BVG; daneben muss eine Vorsorgeeinrichtung zwingend über eine BVG-anerkannte Revisionsstelle und einen Experten für berufliche Vorsorge verfügen, Artikel 53 BVG in Verbindung mit Artikel 33 ff BVV2. Im Gegensatz zu anderen Sozialversicherungszweigen (z.B. der Eidg.

gender Organisation, Artikel 84a ZGB betreffend die Massnahmen bei

26

Gefährdung der Stiftung/Sanierung, Artikel 86b ZGB betreffend die

Invalidenversicherung oder der Unfallversicherung) ist die berufliche

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Vorsorge in ihrer Ausgestaltung sehr vielfältig; die Durchführung kann

den» verkürzt hat. Vgl. Protokoll SR, Amtliches Bulletin vom 8.12.2009.

durch professionelle Lebensversicherungsgesellschaften (als Betreiber

39

von entsprechenden Sammelstiftungen wie auch als «Rückversicherer»)

keitseinrichtungen werden nach dem Sitzprinzip auf die kantonalen

wie auch durch firmeneigene Vorsorgeeinrichtungen mit einem

bzw. regionalen Aufsichtsbehörden verteilt werden.

«Laiengremium» als Führungsorgan erfolgen.

40

27

Die Autorin des vorliegenden Artikels war Mitglied in verschiedenen

Die bisher vom BSV direkt beaufsichtigten Vorsorge- und Freizügig-

Aufsicht über die kantonalen/regionalen Aufsichtsbehörden und

Direktaufsicht über die speziellen Einrichtungen wie Sicherheitsfonds

Expertenkommissionen und hat daher die Diskussionen «hautnah»

und Auffangeinrichtung sowie Anlagestiftungen.

miterlebt.

41

28

Unter dem Titel «prudentielle Aufsicht» wurde teilweise

Im Sinne der prudentiellen Aufsicht; dazu werden auch die

Anerkennung von Fachstandards z.B. für Revisionsstellen im BVG-

kontrovers diskutiert, in wieweit die die Direktaufsicht führenden

Bereich oder für Experten für berufliche Vorsorge gehören.

Aufsichtsbehörden auch für die präventive Sicherheit des

42

Gesamtsystems zuständig sein sollen.

vom 7. März 2010 über die Senkung des Umwandlungssatzes.

Als Beispiel diene die aktuelle Diskussion bzw. die Volksabstimmung Hier muss man sich eingestehen, dass viele Arbeitgeber und noch

29

Botschaft zur Strukturreform, BBl 2007 5669 ff.

43

30

Artikel 51a E-BVG

mehr Arbeitnehmer mit ihrer 2. Säule nichts zu tun haben wollen und

31

Artikel 52b und 52c E-BVG

erst im Leistungsfall überhaupt ein minimales Interesse und dann auch

32

Artikel 52d und 52e E-BVG

nur an der Leistung entsteht.

33

Artikel 62 Abs. 1 E-BVG

44

34

Artikel 62a E-BVG

kein halbes Jahr vergangen, ohne dass neue Gesetzes- oder Verord-

35

Derzeit gibt es auf staatsvertraglicher Basis bereits in der Inner-

nungsbestimmungen erlassen worden sind und sei es auch nur, um

Seit Einführung des Freizügigkeitsgesetzes per 1.1.1995 ist praktisch

schweiz (ZBSA) und in der Ostschweiz (Ostschweizer Aufsicht)

nicht genehme Urteile «abzuändern»; so letztmals geschehen mit den

derartige gemeinsame Aufsichtsbehörden. Zudem bestehen formelle

Teilliquidationsbestimmungen von Artikel 27g und h BVV2 per

(z.B. zwischen den Kantonen Schaffhausen und Zürich betreffend die

1.6.2009.

BVG-Aufsicht) und informelle Zusammenarbeiten (z.B. in der Region

45

Nordwestschweiz zwischen den Kantonen Basel-Landschaft,

keine Arbeitgeber oder Arbeitnehmer mehr, welche dieses Risiko

Basel-Stadt und Solothurn und in der Westschweiz zwischen den sechs

tragen wollen und sich daher für den Posten als Stiftungsrat zur

Westschweizer Kantonen und Bern).

Verfügung stellen.

36

Die Erfahrung beruht in diesem Fall nicht so sehr auf der zeitlichen

46

Wird die Verantwortlichkeit überzogen, dann finden sich mittelfristig

Dabei spielen die Fachausbildung und die entsprechenden Standards

Erfahrung als vielmehr auf der materiellen Breite der beaufsichtigten

wie auch die Standesregeln eine entsprechende Rolle. Bei der

Institutionen und den damit verbundenen Fragestellungen.

Aufsichtsbehörde ist die geforderte administrative, rechtliche und

37

Neben der direkten Dienstanweisung von einer hierarchisch

finanzielle Unabhängigkeit unabdingbar. Aufsichtspyramide bedeutet: Kontrolle des obersten Organs durch

vorgesetzten Stelle wie z.B. dem Gesamtregierungsrat oder eines/einer

47

einzelnen Departementsvorstehers/in ist z.B. an Budgetkürzungen und

die Revisionsstelle und den Experten für berufliche Vorsorge gemäss

Sparübungen zu denken, welche es einer Aufsichtsbehörde verunmög-

ihrem jeweiligen Fachbereich; aufsichtsrechtliche Prüfung der

lichen können, zeitnah zu agieren (muss z.B. für die Verhängung einer

Vorsorgeeinrichtung auf der Basis der entsprechenden Berichte mit den

amtlichen Verwaltung zuerst ein Budget bewilligt werden, ist die

diesbezüglichen Feststellungen.

Aufsichtsbehörde nicht mehr handlungsfähig). Ähnliches gilt, wenn bei

48

Personalabgängen eine Neubesetzung aus Spargründen unterbleiben

die berufliche Vorsorge ihre Meldepflichten konsequent wahrnehmen

muss oder wegen Personalmangels auf Departementsebene

und in ihren Berichten klare Stellungnahmen abgeben.

sachfremde Aufgaben an die Aufsichtsbehörde delegiert werden (z.B.

49

50 % Handelsregisterführung und 50% Aufsichtsbehördentätigkeit).

aufschiebenden Wirkung einer Beschwerde wesentlich. Taktische

38

Derzeit steht diese Unabhängigkeit in den Eidg. Räten wieder zur

Diskussion, da der Ständerat die Formulierung auf «weisungsungebun-

Dies bedingt, dass die Revisionsstellen wie auch die Experten für

Hier ist insbesondere das prozedurale Mittel des Entzugs der

Verzögerungen sind ausgeschlossen, sofern sich auch die Beschwerdeinstanz entsprechend verhält.

n

Dr. Christina Ruggli-Wüest, Präsidentin der Konferenz der kantonalen BVG- und Stiftungsaufsichtsbehörden; Leiterin der Aufsichtsbehörde BVG und Stiftungsaufsicht des Kantons Basel-Stadt

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Befürchtungen und Träume Ein zu komplexes Gesetz, überforderte Versicherte oder Schwierigkeiten bei der Geldanlage – viele bei der Einführung des BVG geäusserte Befürchtungen erfüllten sich nicht. Ein damals gehegter Traum ist aber leider nicht in Erfüllung gegangen: Dass das BVG ein Rahmengesetz bleiben würde. Von Jean Pfitzmann Nach der Annahme durch das Parlament am 25. Juni 1982 wurde das BVG trotz der Zangengeburt eingeführt, und zwar gestaffelt. Die erste Etappe (die Bestimmungen zum rechtlichen Rahmen, Sicherheitsfonds und zur Auffangeinrichtung sowie zur Aufsichts- und Vollzugsbehörde) konnte am 1. Juli 1983 in Kraft treten. Das Gesetz selbst folgte dann am 1. Januar 1985. Was andere Punkte betrifft, so gab es Übergangsfristen, etwa für die Umsetzung der paritätischen Verwaltung bis zum 31.12.1986 oder für die Änderungen der Statuten und Verordnungen sowie die Anpassung der Anlagen bis Ende 1989. Doch selbst diese gestaffelten Daten der Inkraftsetzung wurden stets von langen Debatten begleitet, denn man befürchtete eine «überstürzte Inkraftsetzung», die katastrophale Folgen haben könnte. Trotz der vom Parlament angebrachten Verbesserungen spürte man ein Misstrauen gegenüber dem neuen Gesetz und seinen Verordnungen. Zugegeben, die Anwendungsbestimmungen wurden erst kurz vor der Inkraftsetzung veröffentlicht, da nur wenige Monate für die Ausarbeitung geblieben waren. Doch die Abkehr vom Perfektionismus zahlte sich aus: Die Inkraftsetzung verlief ohne grössere Schwierigkeiten.

tung der Pensionskassen gewährleistet werden konnte. Auf diese Weise transformierte sich dieses reale Risiko rasch zu einem verstärkten Bewusstsein aufseiten der Leitungsorgane der Vorsorgeeinrichtungen. Eine weitere Befürchtung betraf die Folgen der paritätischen Verwaltung. Alle begrüssten die Einführung dieses Prinzips für die Privatkassen – für die öffentlichen Kassen erachtete man es als unvereinbar mit dem Rechtssystem –, doch gewisse Gruppierungen waren besorgt wegen der dominanten Stellung der Arbeitgebervertreter in Anbetracht von deren Ausbildung und Wissen. Es bot sich daher die Gelegenheit, für die Mitglieder der Stiftungsräte eine spezielle und gezielte Ausbildung durchzuführen; das war ein langer gemeinsamer Weg, der noch heute begangen wird. Die Mitglieder der Stiftungsräte müssen ihr Metier und ihre Verantwortungsbereiche kennen. Heute wissen sie, dass die mit dem Amt in einem solchen Organ verbundene Arbeit der Ehre vorgeht, die dieses Amt mit sich bringt. Weiter haben die schwerverständlichen Texte des Gesetzes und seiner Verordnungen die Gegner des BVG zu sagen veranlasst, die Versicherungsnehmer interessierten sich nicht für die PensiRisiken wurden onskassen. Es stimmt, dass es für Herausforderungen einen gewöhnlichen Versicherten Die grösste Sorge bei der Einfühnicht einfach ist, die berufliche Vorrung des BVG bestand darin, den sorge und seine jeweilige Pensionsbestehenden Pensionskassen würkasse zu verstehen. Die Komplexide die kreative Freiheit entzogen, tät der beruflichen Vorsorge hat die wenn man in den Verordnungen Verantwortlichen jedoch dazu ge1992 alle Einzelheiten regeln würde. Man zwungen, die Informationen für die Dezember, 6., Die Schweizer befürchtete auch eine Einmischung Stimmbürger lehnen den Beitritt Versicherten stetig zu vereinfachen der neuen Aufsichtsbehörden. Alle zum EWR knapp ab. und zu verbessern. Die heutigen waren sich dahingehend einig, dass Pensionskassen beschränken sich ein obligatorisches System von Massnahmen zur Siche- nicht darauf, den Versicherungsnehmern Reglemente und rung der Leistungen für die Versicherten sowie von einer Jahresberichte zu senden. Sie haben sich der Herausforeffizienten Aufsicht begleitet sein muss. Es stellte sich derung gestellt, und man kann heute mit Fug und Recht sehr bald heraus, dass diese Sicherheit vor allem durch behaupten, dass das Interesse der Versicherungsnehmer eine verstärkte Verantwortung der Organe und der Lei- an ihrem Versicherungsschutz gross und im Wachsen be- ➔

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griffen ist. Die paritätische Verwaltung und die Nähe der Pensionskassen zu den Unternehmen sind natürlich äusserst wichtige Faktoren, um dieses Interesse zu wecken.

Falschen Befürchtungen von Pessimisten Die Komplexität des vom Gesetzgeber eingeschlagenen Weges liess die Gegner auch behaupten, das BVG sei nicht durchführbar. Die Branche hat jedoch schnell gelernt, dass man mit dem BVG auch den Stil der Verwaltung der Pensionskassen ändern muss. Professionalität gewann in der Branche mehr und mehr an Boden, und wenn heute jemand Direktor oder Präsident einer Vorsorgeeinrichtung werden will, genügt es nicht mehr, eine Karriere in irgendeiner beliebigen Branche vorzuweisen. Gezielte Ausbildungswege wurden geschaffen, sie sind der Schlüssel zum Erfolg. Im Bereich der Zweiten Säule zu arbeiten, ist nicht mehr nur eine einfache Beschäftigung, sondern ist zu einem echten Metier geworden. Die Branche verwaltet heute, im Jahr 2010, die berufliche Vorsorge auf effiziente Weise; sie profitiert überdies von verschiedensten Formen der Informatik. Kaum wurde der Gedanke geäussert, dass die künftige berufliche Vorsorge auf dem Kapitaldeckungsverfahren basieren würde, hörten die Pessimisten nicht auf zu prophezeien, die Kassen würden Schwierigkeiten haben, ihr Geld anzulegen. Andere befürchteten angesichts des Anlagevolumens eine Verzerrung der Kapitalmärkte. Keine dieser Befürchtungen hat sich jedoch bewahrheitet. Die Vorsorgeeinrichtungen haben schnell begriffen, dass ihre Anlagemöglichkeiten nicht an den Landesgrenzen Halt machen und dass die Investitionen auf hochprofessionelle Weise getätigt werden müssen. Die Anlagen der Pensionskassen sind heute ein Stabilisierungsfaktor, und die Investitionen in Immobilien sind grundlegend für die Schaffung von Wohnraum für die Bevölkerung. Man befürchtete auch, die paritätische Verwaltung würde zu einem «Splitting» (Teilung) der grossen Kassen in

eine obligatorische Einheit und eine über-/ausserobligatorische Einrichtung führen. In der Praxis wurde dieser Weg nicht eingeschlagen, denn die Sozialpartner erkannten sehr bald die Vorteile einer Kasse, die sich nicht auf die im BVG festgelegten Mindestleistungen beschränkt. Von Seiten der Arbeitnehmer erfuhren die Staffelung der Altersgutschriften sowie die mit dem Alter steigenden Beiträge harsche Kritik. Die Arbeitnehmer waren der Ansicht, die älteren Personen fänden aufgrund dieser Bestimmungen keine Arbeit mehr. Heute kann man feststellen, dass zahlreiche Kassen einheitliche Beiträge beibehalten haben und dass in den anderen Fällen die Beiträge für die berufliche Vorsorge kein Hindernis für die Einstellung eines älteren Angestellten darstellen.

Hoffnungen, die Träume geblieben sind Angesichts der langwierigen, sehr spezialisierten Beratungen hatten viele gehofft, das BVG würde ein Rahmengesetz bleiben, wie es bei seiner Inkraftsetzung vorgesehen war. Heute müssen wir feststellen, dass das BVG aufgrund der vielen Verordnungen und Richtlinien kein Rahmengesetz mehr ist. Vielleicht sind der Perfektionismus, der eine Stärke unseres Landes ist, sowie der Wunsch, auf rechtlicher Ebene die grösstmögliche Sicherheit zu erlangen, dafür verantwortlich, dass wir Mühe haben, die «Gesetzgebungsmaschine» zu bremsen. Glücklicherweise hat dieses Handicap der Vielfalt der beruflichen Vorsorgelandschaft, die ein Pluspunkt unseres Modells ist, keinen Abbruch getan. Man hoffte auch, die Pensionskassen spielten bei der finanziellen Unterstützung für die Gründung neuer Unternehmen eine Rolle. Doch wir haben schnell erkannt, dass Rendite und Sicherheit der Anlagen wichtiger sind als der Wunsch, neue Unternehmen ins Leben zu rufen. Das Sozialkapital kann nicht zweimal sozial sein. Ethische Überlegungen zu den Pensionskassenanlagen gewinnen hingegen immer mehr Boden in den Stiftungsräten. n

Dr. iur. Jean Pfitzmann, Vizepräsident des ASIP, Mitglied des Stiftungsrates der Pensionskasse SWATCH GROUP

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Eine Entschlackung ist nötig Obwohl als Rahmengesetz konzipiert, dehnt das BVG seinen Geltungsbereich immer mehr auf die gesamtberufliche Vorsorge aus. Das macht das Alltagsgeschäft der Geschäftsführung komplexer und fremdbestimmter. Die 2. Säule muss dringend administrativ entschlackt werden.

Von Brigitte Schmid

Ein Vergleich des schweizerischen Systems mit anderen Systemen zeigt, dass das kapitalgedeckte Vorsorgesystem mit betrieblich ausgerichteten Pensionskassen einen sozialpolitischen Erfolgsfaktor darstellt. Jene Nachbarn – und andere Länder –, die bisher einzig über ein umlagefinanziertes System (im Sinne unserer AHV) verfügen und erst jetzt dabei sind, zusätzlich eine kapitalgedeckte Vorsorge einzurichten, beneiden uns um unsere Lösung. Dazu beigetragen hat die Tatsache, dass die berufliche Vorsorge auf einer über Jahrzehnte gewachsenen sozialpartnerschaftlichen Zusammenarbeit basiert. Der Gesetzgeber hat diese Entwicklung bei der Einführung des Obligatoriums berücksichtigt, indem er das massgebende Gesetz (BVG) als Rahmengesetz ausgestaltet hat, das im Leistungsbereich nur Mindestvorschriften enthielt und somit den Pensionskassen Raum liess, unter Beachtung dieser Mindestbestimmungen andere Vorsorgemodelle und weitergehende Leistungen vorzusehen. Die Führungsorgane der Kassen haben immer wieder bewiesen, dass sie willens und in der Lage sind, ihre Vorsorgepolitik, ihre Organisation und Führungsstrukturen den geänderten Gegebenheiten und Bedürfnissen der Sozialpartner und der Versicherten anzupassen.

Grund für die Zunahme der Verwaltungskosten zu sehen. Die Umsetzung aller vom Gesetzgeber verlangten Anforderungen ist nicht gratis zu haben. Als Beispiel für diese Ausdehnung sei auf Art. 49 BVG hingewiesen. In Abs. 2 werden Bestimmungen aufgelistet, die auch für den weitergehenden Vorsorgebereich gelten. In der Fassung von 1985 erklärte Art. 49 Abs. 2 BVG, 12 Bestimmungen für diesen Bereich als anwendbar (im Wesentlichen organisationsrechtlicher Natur und solche bezüglich der finanziellen Sicherheit). In der aktuellen Fassung sind es bereits 26 Bestimmungen. Weiter fallen formelle Bestimmungen ins Gewicht, die den Verwaltungsaufwand erheblich vergrössern (z. B. Umsetzung der Teilliquidation oder Vorgaben, Reglemente über Rückstellungen und Reserven zu erstellen).

Rolle der Geschäftsführung

Im Rahmen der Gestaltung, Überwachung und Steuerung der Vorsorgepolitik spielt in der Pensionskasse die Geschäftsführung eine zentrale Rolle. Sie stellt das Bindeglied zwischen oberstem Führungsorgan (in der Regel der Stiftungsrat) und den Leistungsbezügern dar. Die Geschäftsführung kümmert sich um die Vorbereitung der Stiftungsratssitzungen, die Umsetzung der Immer neue getroffenen Entscheide sowie die Anwendungsprobleme Koordination der operativen TätigDie aktuelle Entwicklung steht jekeiten. Die Geschäftsführung ist doch immer mehr in einem SpanAnlaufstelle für die Mitarbeitenden nungsfeld mit der in der damaligen sowie die Rentenbezüger; sie stellt 1993 Botschaft zum BVG erklärten Abden Kontakt zu Aufsichtsbehörden, August, 18., Die Kappelbrücke in sicht, dass es bei diesem Gesetz um Luzern wird bei einem Brand fast Revisionsstellen, Vermögensverwaleinen Rahmen geht. Das Rahmen- völlig zerstört. tern sowie Stifterfirma sicher. Aufgesetz dehnt seinen Geltungsbegrund dieses umfassenden Aufgareich mehr und mehr auf die gesamte berufliche Vorsorge benspektrums kommt der Geschäftsführung im System aus. Auftauchende Probleme werden sofort mit neuen der sozialpartnerschaftlich geführten beruflichen Vorsorgesetzlichen Vorschriften zu lösen versucht, dabei ge eine grosse Bedeutung zu. Die Geschäftsführung sollte werden aber meist sofort wieder neue Anwendungspro- Fähigkeiten eines Pensionskassenexperten, eines Juristen, bleme geschaffen. In dieser Entwicklung ist auch ein eines Anlagespezialisten und eines erfahrenen Managers ➔

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auf sich vereinen; zudem sollte sie ausgezeichnet kommunizieren können.

Grosse Regulierungsdichte Die eigenverantwortliche Wahrnehmung dieser Aufgaben wurde in den letzten Jahren als Folge der anhaltenden Regulierung durch die Politik und Aufsichtsbehörden zunehmend eingeschränkt. Die administrativen Auflagen nahmen zu. Aus dem Rahmengesetz von 1985 wurde ein Regelwerk mit beachtlicher Regulierungsdichte. Woran liegt das? Einzuräumen ist, dass es für den obligatorischen Bereich einen gesetzlichen Rahmen braucht, und zwar aus Gründen der Rechtssicherheit, Nachvollziehbarkeit, Transparenz und letztlich auch aus Sicherheitsüberlegungen (Schutzgedanke der Versicherten). Im Vordergrund steht die Rechtssicherheit. Die berufliche Vorsorge als unternehmerisch geführtes Sozialwerk braucht stabile Rahmenbedingungen bezüglich der Rechtsträger und deren Organisation, der Geschäftsführung, der Rechnungslegung und der Vermögensanlagen. Ob und wie gut diese Ziele erreicht werden, hängt jedoch nicht vom reinen Vorhandensein von Regelungen, deren Anzahl oder Durchsetzung ab. Entscheidend ist vielmehr n inwieweit die Regelungen für die Versicherten, die Stiftungsräte, Geschäftsführungen und die weiteren Akteure nachvollziehbar und überschaubar sind, n ob und wie gut Gesetze, Verordnungen und Vorschriften geeignet sind, die mit ihnen verfolgten Ziele zu erreichen, n welche unerwünschten Nebenwirkungen und insbesondere Kostenfolgen durch sie entstehen und in welchem Verhältnis die Kosten für die Setzung, Kontrolle und administrative Umsetzung einer Norm zu deren Nutzen stehen.

Schweizerischer Perfektionismus In den letzten Jahren wurde im Bereich der beruflichen Vorsorge obigen Punkten nicht konsequent nachgelebt. Die Tendenz des Gesetzgebers ging – im Einklang mit dem schweizerischen Perfektionismus und einem übertriebenen Sicherheitsdenken – eindeutig dahin, Sachverhalte immer eingehender und detaillierter regeln zu wollen. Das Resultat ist eine zunehmend kompliziertere Gesetzgebung, die nur allzu häufig noch zusätzliche Auslegungsprobleme aufwirft und den konkreten Gesetzesvollzug durch die Pensionskassenverantwortlichen erschwert und verteuert. Es ist nichts dagegen einzuwenden, wenn der Gesetzgeber erkannte Schwachstellen im rechtlich-organisatorischen Bereich sachgerecht behebt und

sich dabei auf das wirklich Nötige beschränkt. Viele Revisionsvorschläge schiessen jedoch über das Ziel hinaus, sind in der Praxis schwierig umzusetzen und erhöhen die administrativen Anforderungen; sie sind letztlich auch Ursache für die steigenden Verwaltungskosten. Es ist nicht erstaunlich, dass die immer häufiger verlangten Gutachten und Analysen zu einzelnen Fragestellungen seitens der Aufsichtsbehörden den Beizug von Experten verstärken. Für die Geschäftsführung fällt vor allem der Aufwand, der mit der permanenten Revision von Teilliquidations-, Anlage- und Reservenreglementen verbunden ist, ins Gewicht. Insbesondere die permanent revidierten Bestimmungen zur Teilliquidation sind kaum praxistauglich. Das Umsetzungsprozedere – Vorbereitung durch die Geschäftsführung, Beschlussfassung im Stiftungsrat, Genehmigungsverfahren durch Aufsichtsbehörden, generelle Informationspflicht der Versicherten verbunden mit Einsprachemöglichkeit, Meldepflicht gegenüber den Aufsichtsbehörden und konkrete Anwendung im Einzelfall – ist zu kompliziert. Kaum ist dieser Prozess abgeschlossen, muss eine neue Version eingereicht werden, weil der Gesetzgeber eine neue Bestimmung erfunden hat.

Administrative Entschlackung Administrative Herausforderungen für die Geschäftsführung stellen auch die von Gesetzes wegen verlangten Sanierungskonzepte bei Unterdeckungen verbunden mit den, den Aufsichtsbehörden einzureichenden Meldeformularen dar. Es gilt die Arbeiten der Pensionskassen-Experten, der Revisionsstellen und weiterer Experten zu koordinieren. Schliesslich wird das Alltagsgeschäft der Geschäftsführung zunehmend komplexer und fremdbestimmter. Die Betreuung der aktiv Versicherten und der Rentenbezüger von der Wiege bis zur Bahre wird mit gesetzlichen Vorgaben übersäht. Für verschiedene Sachverhalte – wie zum Beispiel Kapitalbezug, Bezug aus der Pensionskasse für Wohneigentum, Scheidungen – schreibt der Gesetzgeber das Verfahren vor. So fallen verschiedene durch die Geschäftsführung verbindlich vorzunehmende Aufgaben wie zu treffende Abklärungen, Meldepflichten, Einholen von Unterschriften usw. ins Gewicht. Um die Erfolgsgeschichte berufliche Vorsorge weiterzuführen, muss die 2. Säule administrativ entschlackt werden. Die Schlinge um die berufliche Vorsorge muss gelockert werden. Wir alle sind gefordert, der zunehmenden Verkomplizierung Einhalt zu gebieten, und damit das Vertrauen in die 2. Säule zu stärken. n

Brigitte Schmid, Geschäftsführerin Pensionskasse Swiss Re

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Versicherte und Verantwortliche Das Spannungsfeld zwischen den Interessen der Versicherten und derjenigen der Pensionskassen-Verantwortlichen ist besonders bei der Vermögensverwaltung gross. Die 2009 erlassene ASIP-Charta verpflichtet die Pensionskassen-Verantwortlichen verbindlich zur Wahrung der Loyalität. Von Martin Beyeler Gemäss dem BVG ist jeder Arbeitgeber verpflichtet, Vorsorgesituation, die finanzielle Lage ihrer Pensionskasseine Mitarbeitenden, die ein jährliches AHV-Einkommen se und Änderungen von Reglementen und deren Auswirüber der sogenannten «Eintrittsschwelle» (zurzeit CHF kung informiert zu werden. Neben schriftlichen Informa20’520) verdienen, in einer Vorsorgeeinrichtung der zwei- tionen, die soweit als möglich auf «Fach-Chinesisch» ten Säule zu versichern. Damit ist auch jeder Arbeitneh- verzichten oder die wenigstens die Fachwörter erklären, mer gesetzlich verpflichtet, einen Teil des Einkommens sind auch Informationsveranstaltungen und persönliche in seine Pensionskasse einzuzahlen. Diese muss das Ver- Gespräche ein zwar aufwändiges, aber wertvolles Mittel. mögen treuhänderisch und im Interesse ihrer Versicher- Durch diese persönlichen Kontakte spürt der Pensionsten verwalten. Aus dieser Konstellation ergibt sich ein kassen-Fachmann, wo der Schuh drückt und welche Sorgewisses Spannungsfeld: Der Versicherte ist abhängig gen und Anliegen die Destinatäre beschäftigen. Allgevon den Entscheiden und Handlungen seiner Pensions- mein stellt man heute fest, dass die Versicherten sehr viel kasse. Es besteht eine sogenannte Informationsassyme- besser informiert sind als zur Zeit der Anfänge des BVG. trie, das heisst, die Verantwortlichen der Pensionskasse Dazu haben sicher auch die Massenmedien ihren Beitrag verfügen über einen Wissensvorsprung gegenüber den geleistet, wenn auch nicht immer in objektiver Art und Versicherten, die eigentlich «Eigentümer» ihres Vermögens Weise. sind. Weiteres Konfliktpotenzial besteht auch im Auseinanderfallen von Eigentum und Interesse; es ist nicht in Internes Kontrollsystem (IKS) jedem Fall sichergestellt, dass die Verantwortlichen der In der von mir geleiteten Pensionskasse haben wir im Pensionskasse auch wirklich im Interesse der Versicher- Jahr 2009 ein internes Kontrollsystem aufgebaut und ab ten handeln. 1. Januar 2010 praktisch umgesetzt. Unter einem internen Das Spannungsfeld akzentuiert Kontrollsystem versteht man alle Sisich zusätzlich dadurch, dass der cherungsvorkehrungen, für die der Versicherte einer Pensionskasse nur Stiftungsrat und die Geschäftsfühwenige Wahlmöglichkeiten bezügrung verantwortlich sind, die dazu lich der Gestaltung seiner Vorsorge dienen, den ordnungsgemässen, hat und höchstens indirekt – über gesetzes- und reglementskonformen seine Vertreter im Stiftungsrat – EinAblauf des betrieblichen Geschefluss auf die Entscheide der Fühhens zu garantieren. rung nehmen kann. Wie geht man Beim Aufbau unseres IKS haben in der Praxis mit diesem Spanwir sämtliche Geschäftsprozesse nungsfeld um? Aufgrund meiner analysiert und grafisch dargestellt. 1994 längjährigen Erfahrung als GeFür jeden Prozess wurden die dazuDezember, Der Netscape Navigator schäftsführer einer gut organisierten macht das Surfen im Internet gehörigen Ziele definiert; anschliesPensionskasse mit rund 5’000 De- erstmals massentauglich. send haben wir die Risiken festgestinatären versuche ich, diese Frage halten, die das Erreichen der Ziele anhand von vier konkreten Bespielen zu beantworten. gefährden könnten und für jedes Risiko bereits bestehende Kontrollen festgehalten oder Neue eingerichtet. In der Transparente Information der Destinatäre praktischen Umsetzung werden die Kontrollen schriftlich Die Versicherten haben ein Anrecht, möglichst rechtzeitig dokumentiert. Periodisch erfolgt ein Risiko-Reporting an offen, transparent und verständlich über ihre persönliche den Stiftungsrat und im Rahmen eines jährlichen Work- ➔

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shops führen wir einen Review des internen Kontrollsystems durch. Für die Destinatäre entsteht durch das Vorhandensein und besonders durch das permanente Anwenden eines internen Kontrollsystems zusätzliche Sicherheit und dadurch ein grösseres Vertrauen. Etwa wird durch das Festhalten der Geschäftsprozesse die Gleichbehandlung aller Destinatäre sichergestellt. Unbeabsichtigte Fehler oder sogar betrügerische Handlungen werden rechtzeitig aufgedeckt bzw. vermieden.

Schulung und Weiterbildung des Stiftungsrates Gemäss Artikel 51 Absatz 6 BVG hat die Vorsorgeeinrichtung die Aus- und Weiterbildung der Mitglieder des obersten Organs (Stiftungsrat) so sicherzustellen, dass die Stiftungsräte ihre Führungsaufgabe und Verantwortung wahrnehmen können. Auch innerhalb eines Stiftungsrates kann eine Informationsassymetrie bestehen. Vielfach sind die Vertreter des Arbeitgebers früher und besser informiert als diejenigen der Arbeitnehmer. Die Schulung und Weiterbildung der Mitglieder des Stiftungsrates sollte dem Rechnung tragen. Nach meiner Erfahrung ist die Erstellung eines Ausbildungskonzeptes für die Mitglieder des Stiftungsrates empfehlenswert. Je nach Grösse einer Pensionskasse kann die Ausbildung durch interne und/oder externe Schulungsveranstaltungen bzw. Kurse durchgeführt werden. Bei uns hat sich besonders bei internen Schulungen das Arbeiten in Workshops bewährt; der Wissenstransfer in die Praxis ist grösser als bei Anlässen mit Frontalunterricht. Auch kann auf individuelle Bedürfnisse oder auf den unterschiedlichen Wissensstand der teilnehmenden Stiftungsräte besser eingegangen werden. Zusätzlich zu Ausbildungsveranstaltungen stellen wir unseren Stiftungsräten einschlägige Fachliteratur und spezifische Fachartikel zur Verfügung. Aus Sicht der Destinatäre ist die permanente und stufengerechte Aus- und Weiterbildung der Stiftungsräte ein zentrales Anliegen. Nur so haben sie die Gewissheit, dass insbesondere ihre Vertreter im Stiftungsrat die Anliegen der Versicherten wirksam vertreten und ihre verantwortungsvolle Aufgabe kompetent wahrnehmen können. Auch dieser Umstand trägt wesentlich zum Vertrauen der Versicherten in ihre Pensionskasse bei.

Loyalität bei der Vermögensverwaltung In keinem anderen Bereich tritt das einleitend angesprochene Spannungsfeld zwischen den Interessen der

Versicherten und derjenigen der Pensionskassenverantwortlichen so deutlich zu Tage wie bei der Vermögensverwaltung. Die rund 2’500 Pensionskassen in der Schweiz verwalten insgesamt ein Vermögen von rund CHF 550 Mrd., das durch jährliche Einzahlungen von ca. CHF 45 Mrd. noch weiter wächst. Es muss sichergestellt werden, dass dieses riesige Vermögen treuhänderisch und im Interesse der Versicherten sicher und ertragbringend angelegt wird. Neben finanziellen werden auch vermehrt soziale, ethische und ökologische Verantwortungen thematisiert. Unter Mitwirkung des ASIP wurde 1996 der Verhaltenskodex in der beruflichen Vorsorge geschaffen und in der heutigen Fassung 2000 verabschiedet. Die Bestimmungen des Verhaltenskodex wurden im Rahmen der 1. BVG-Revision ins Gesetz übernommen. Die Vorschriften des Kodex orientieren sich an den Grundprinzipien der «Prudent Investor Rule», wonach der mit der Anlage Beauftragte die zur Verfügung stehenden Mittel vorsichtig investieren soll, dem Zweck entsprechend einsetzen muss und Missbräuche vermeiden soll, mit dem Ziel, Interessenkonflikte im Anlagebereich zum Vorteil der Versicherten zu lösen. Leider war die Unterstellungsquote mit weniger als 15 % der schweizerischen Vorsorgeeinrichtungen sehr tief. Daher hat der ASIP 2009 eine für alle seine Mitglieder verbindliche Charta und Fachrichtlinien erlassen, die die Einhaltung der Loyalitäts- und Integritätsvorschriften des BVG sicherstellen sollen. Die Charta verpflichtet die Pensionskassen-Verantwortlichen zur Wahrung der Interessen der Destinatäre, zum Verzicht auf Entschädigungen über die ordentlichen hinaus und zur Offenlegung aller Interessenbindungen, welche die Unabhängigkeit beeinträchtigen könnten. Persönlich bin ich der Ansicht, dass im Bereich der Loyalität bei der Vermögensverwaltung genügend Regulierungen vorhanden sind. Statt laufend neue Vorschriften zu erlassen, sollte es besser darum gehen, die bestehenden Gesetze und Regulatorien konsequent anzuwenden. Für mich ist das Schweizerische Vorsorgesystem eine Erfolgsgeschichte, die sich auch in Krisenzeiten grundsätzlich bewährt hat. Für die Zukunft wünsche ich mir eine einfache, klare, realistische und transparente Rahmengesetzgebung, deren Parameter ohne politische Einflussnahme festgelegt werden, damit sich die Führungsorgane verstärkt auf die Pension Fund Governance fokussieren können. n

Martin Beyeler, Geschäftsführer Pensionskasse für die Mitarbeiter der Gruppe Mobiliar

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Die gläserne Pensionskasse Die Bestimmungen zur Offenlegung und zur Bewertung von Aktiven und Passiven in der Jahresrechnung der Pensionskassen wurden in den letzten Jahren mehrmals erweitert. Ein Rückblick auf diese Entwicklung soll die Vor- und Nachteile aus Sicht eines Geschäftsführers zeigen.

Von Urs Stadelmann

Nehmen wir die Jahresrechnung einer Pensions- Versicherten zu zeigen. Dies sind nur einige Beispiele, kasse aus dem Jahre 1985 aus dem Archiv, so stellen wir welche aufzeigen, wie massiv sich die Offenlegungsmit Verwunderung fest, dass diese genau zwei Seiten um- pflichten seit der Einführung des BVG-Obligatoriums fasste. Sie enthielt eine Bilanz und eine Ein- und Ausga- erweitert haben. Für den Geschäftsführer einer Pensionsbenrechnung. In den einzelnen Bilanzpositionen waren kasse haben diese Vorschriften Vor- und Nachteile gestille Reserven enthalten, welche man in guten Jahren bracht. Nachfolgend soll aufgezeigt werden, wo diese Vorerhöhte und in schlechten Jahren reduzierte. Die Bewer- und Nachteile liegen und was in Zukunft beachtet werden tung der Immobilien erfolgte zu Anschaffungswerten ab- sollte, wenn Offenlegungspflichten angepasst werden. züglich jährlicher Abschreibungen. Auf der Passivseite bildete die Pensionskasse meist einen Renovationsfonds, Vorteile gläserner Pensionskassen den man bei Bedarf verwendete. Von einem Deckungs- Die beschriebene Entwicklung der erhöhten Transparenz grad oder vom Ausweis derivater Finanzinstrumente war hat aus Sicht des Geschäftsführers und des Führungsorkeine Rede. Dieser Zustand war natürlich für den Adres- gans viele Vorteile mit sich gebracht: saten der Jahresrechnung unbefriedigend. Ohne zusätzn Der Versicherte kann heute viele Informationen aus liche Informationen über den Stand der stillen Reserven der Jahresrechnung gewinnen, welche er früher nur und über die Bewertungskriterien konnte man sich kein durch Anfragen bei seiner Pensionskasse erhielt. objektives Bild über den Zustand der Pensionskasse man Durch die vollständige Marktbewertung werden die chen. Im Jahr 1996 mussten die Pensionskassen erstmals Gewinne und Verluste in jenem Jahr verbucht, in weleinen Anhang zur Jahresrechnung erstellen. Die Pensichem sie auch anfallen. Dies kann für Versicherte vor onskassen legten nun offen wie sie ihre Aktiven bewerallem bei einem Austritt (Teilliquidation) entscheidend ten. Die Organisation der Kasse, die sein. Einhaltung der Anlagerichtlinien son Das Kostenbewusstsein wurde in wie versicherungstechnische Inforden Pensionskassen durch das Ofmationen wurden ab diesem Zeitfenlegen der Verwaltungskosten punkt transparent ausgewiesen. nochmals gesteigert. Auch der Deckungsgrad, welcher n Das Führungsorgan wird gezwunbis dahin eine Kennzahl für Expergen, transparent über die Perforten war, wurde veröffentlicht. Stille mance des einzelnen Berichtsjahres Reserven auf Obligationen (Nomizu informieren. Glättungen über nalwertprinzip) konnten zwar noch stille Reserven sind nicht mehr gebildet werden, jedoch musste der möglich. 1995 entsprechende Kurswert im Anhang Juni, Christo verhüllt den ausgewiesen werden. Mit der Ein- Berliner Reichstag Nachteile vollständiger führung von Swiss GAAP FER 26 im Transparenz Jahr 2005 nahmen die OffenleDas heute erreichte Ausmass an gungspflichten nochmals zu. So sind zum Beispiel Rück- Transparenz bringt für den Geschäftsführer oftmals auch stellungen für Immobilien (Renovationsfonds) nicht mehr nachteilige Effekte mit sich: erlaubt. Die Aufwendungen für die Vermögensverwaln Die vollständige Marktbewertung aller Vermögensantung und der Verwaltungsaufwand muss getrennt offen lagen sowie die starre Berechnung der Verpflichtungen gelegt werden. Ebenfalls ist der Verwaltungsaufwand pro und Rückstellungen führten zu einer erhöhten Volatili- ➔

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tät der Ergebnisse. Schwankungen an den Kapitalmärkten können faktisch nicht mehr aufgefangen werden, auch wenn entsprechende Wertschwankungsreserven vorhanden sind. n Die hohe Transparenz führt vermehrt zu einer kurzfristigen Optik. Interessierte sich früher nur ein Kreis von wenigen Experten für den Deckungsgrad einer Pensionskasse, so wird ein Geschäftsführer heute fast täglich mit der Frage nach dem aktuellen Deckungsgrad konfrontiert. Diese kurzfristige Optik steht im klaren Widerspruch zur Langfristigkeit des Pensionskassengeschäftes. n Durch die Einführung von Swiss GAAP FER 26 erweckte man den Eindruck, dass die Pensionskassen nun untereinander vergleichbar werden. So werden in der Presse Ranglisten erstellt über die Qualität von Pensionskassen. Dass diese Vergleichbarkeit nicht möglich ist, ist in der Fachwelt schon lange klar. Dennoch müssen sich Geschäftsführer immer wieder rechtfertigen, wieso ihre Pensionskasse in einer Rangliste eher im hinteren Teil erscheint oder weshalb ihre Pensionskasse in diesem Ranking nicht mitgemacht hat. n Die Offenlegung im heute vorhandenen Ausmass sowie die ganze Corporate Governance haben auch Auswirkungen auf die Verwaltungskosten einer Pensionskasse. Ein beträchtlicher Teil der Verwaltungskosten machen heute Revisionshonorare und Aufsichtsgebühren aus. Aus wirtschaftlicher Sicht muss sich ein Geschäftsführer rückblickend fragen, ob der Aufwand für die erhöhte Transparenz wirklich im Verhältnis des erhofften Nutzens für den Versicherten steht.

Transparenz mit Weitblick Es ist unbestritten, dass die Jahresrechnung in der heutigen Form dem Versicherten sehr viele Informationen bietet. Wir als Spezialisten müssen uns aber bewusst sein, dass diese Informationen von der Mehrheit der Versicherten dennoch nicht interpretiert werden können. Der Geschäftsführer hat oftmals zusätzliche Informationen in ganz einfacher Form abzugeben. Es bleibt somit fraglich, wie hoch der Nutzen für den einzelnen Versicherten wirklich ist. Vielfach ertappe ich mich als Geschäftsführer selbst, dass ich den Fokus aufgrund der vollständigen

Marktbewertung und der fast täglich vorhandenen Kennzahlen zu kurzfristig ausrichte. Der Geschäftsführer hat deshalb eine Gratwanderung zu bestreiten, indem er wohl die notwendigen Kennzahlen periodisch liefert, jedoch dabei nicht vergisst, diese in den richtigen langfristigen Kontext zu setzen. Unter dem Druck der Öffentlichkeit ist dies oftmals nicht einfach. Auch der Gesetzgeber sollte sich bei künftigen Vorstössen zur Transparenz kritische Fragen stellen. So ist es verfehlt, bei jedem Auftreten einer deliktischen Einzelverfehlung gleich wieder strengere Gesetze und mehr Kontrolle zu fordern. Die Forderungen kommen nämlich genau von denjenigen Politikern, welche die Verwaltungskosten der Pensionskassen als zu hoch verurteilen. Die heutigen Anforderungen an die Transparenz und Offenlegung haben ein Ausmass erreicht, welches es kleinen und mittleren Pensionskassen schwer macht, allen Details und Einzelheiten gerecht zu werden. Diese Entwicklung hat sicher auch dazu beigetragen, dass die Anzahl autonomer Pensionskassen laufend abnimmt. Es wäre aber nicht im Interesse der Versicherten, wenn autonome privat-rechtliche Pensionskassen ihre Tätigkeit einstellen und sich einer Sammeleinrichtung anschliessen. Denn eines ist klar: Die Bindung und das Verantwortungsbewusstsein des Arbeitgebers ist bei einer eigenen Pensionskasse grösser, als wenn es sich um einen Anschluss an eine Sammeleinrichtung handelt.

Eine Flut von Informationen Die erhöhte Transparenz bietet dem Versicherten eine Flut von Informationen. In der Interpretation dieser Informationen wird der Versicherte aber in den meisten Fällen überfordert sein. Es ist deshalb die Aufgabe des Geschäftsführers, den Versicherten in verständlicher Form eine Anleitung zur Interpretation zu geben. Gegenüber dem Führungsorgan sollte der Geschäftsführer bei der Präsentation der Informationen immer wieder den Einbezug der Langfristigkeit betonen. Ansonsten läuft das Führungsorgan Gefahr, in überstürzter Weise zu agieren. Der Gesetzgeber sollte bei künftigen Revisionen im Bereich der Transparenzvorschriften in Betracht ziehen, ob dies dem Versicherten letztendlich wirklich einen Mehrnutzen bringt (Kosten-Nutzen-Verhältnis). n

Urs Stadelmann, Geschäftsführer Pensionskasse der Dätwyler Holding AG

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Als Jubiläumsbeilage eine CD! 25 Texte zur Entwicklung der beruflichen Vorsorge

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Die Führung grosser Kassen Neue Gesetze, neue Technologien und neue Anlagemöglichkeiten: Die ständig voranschreitende Komplexität der beruflichen Vorsorge verlangte eine Professionalisierung der Geschäftsführung und hat auch zu einem neuen Führungsverantwortungsbewusstsein beigetragen. Von Urs Bracher

Mit der Einführung des BVG wurden die Bestimmungen des ZGB und des OR durch ein Rahmengesetz abgelöst, und die Gesetzesartikel wurden durch die Vollziehungsverordnungen BVV1 und BVV2 präzisiert. Seither traten diverse Weisungen, Verordnungen und Kreisschreiben in Kraft. Eine grosse und in der Verwaltung spürbare Änderung lösten die Einführung des Freizügigkeitsgesetzes und des Wohneigentumsförderungsgesetzes aus. Da es die gesetzlichen Auflagen sicherzustellen galt, nahm folglich die Ausbildung der Mitarbeitenden in der Administration einen hohen Stellenwert ein. Geschult wurden die Mitarbeitenden nicht nur in den beiden neuen Gesetzen, auch wurden Berechnungstools eingeführt und die Beratung der Versicherten wurde intensiver. Der direkte Kontakt mit den Versicherten und Rentnern stellte auch eine Chance dar, der persönlichen Beratung mehr Relevanz beizumessen. So wurde der Dialog mit den Versicherten vermehrt gepflegt und komplexe Sachverhalte wurden einfach und verständlich kommuniziert. Durch die zunehmende Sensibilisierung der Bevölkerung in Bezug auf die persönliche Vorsorgesituation und Absicherung ist die Pensionskassenführung auch weiterhin gefordert, verständlich, transparent und vertrauensbildend zu informieren.

für die Pensionskassenverwaltung im administrativen Bereich wie etwa die Löschung des Gesetzesartikels «Bereitstellung von Mitteln für Sondermassnahmen», gab es wenig. Die 1. BVG-Revision führte einerseits zu einer Verdichtung des Regelwerks, andererseits bekräftigte sie die Führungsverantwortung der Stiftungsräte. Trotz der hohen Regelungsdichte blieben viele Fragen unbeantwortet, was zwangläufig in einer nachfolgenden Flut von Weisungen und intensiven Diskussionen zur korrekten Auslegung und Ausführung der Gesetzesartikel mündete. Wie soll beispielsweise die steuerliche Abzugsfähigkeit bei Einzahlungen in die 2.  Säule bei nachfolgendem Kapitalbezug gehandhabt werden? Ist eine Nullverzinsung in der überobligatorischen beruflichen Vorsorge erlaubt? Darf ein WEF-Vorbezug zur Finanzierung eines Wintergartens oder Swimmingpools verwendet werden? Die Pensionskassenführung sieht sich laufend mit solchen und ähnlichen Fragen konfrontiert, für die es eine einheitliche Regelung zu definieren gibt.

Automatisierung der Prozesse

In den 25 Jahren BVG haben sich nicht nur die Gesetze verändert, auch die Technologie hat grosse Auswirkungen Fortschritte gemacht. Beachtlich gesetzlicher Änderungen entwickelt haben sich etwa InforMit hoher Frequenz wurden in den mations- und Kommunikationssy1996 vergangenen Jahren weitere Ändesteme aber auch Datenbanken. Juli, in Schottland wird mit rungen eingeführt, die zusätzliche dem Schaf Dolly das erste Heutzutage werden VersichertenAufgaben und Anforderungen an geklonte Säugetier geboren. dossiers elektronisch abgelegt und die Verwaltung einer grossen Kasse die Datenbankensysteme der neuestellten. Beispielsweise mussten die Änderungen betref- ren Generation bilden die heutige Komplexität der Vorfend Ehescheidung in ZGB/BVG und FZG sowie die sorgepläne und deren individuellen Besonderheiten proUmsetzung der Einkaufsbeschränkungen gemäss Art. 79a blemlos ab. Durch den Einsatz von neuen Technologien BVG und BVV2 in den Verwaltungsprozess integriert und wird die Verwaltung der Geschäftsfälle korrekt und effiziumgesetzt werden. Streichungen oder Erleichterungen ent abgewickelt. Bei einer grossen Kasse gibt es zudem ➔

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Effizienzgewinne (Economies of Scale), da sich aufgrund des grossen Versichertenbestandes die Kosten pro Versicherten reduzieren. Die Pensionskassenführung muss im IT-Bereich dennoch ein sorgfältiges Kostenmanagement sicherstellen, denn die Prozesse gilt es kontinuierlich zu überprüfen. Nicht zu unterschätzen sind dabei die regelmässigen Softwareanpassungen, die aufgrund von Gesetzesänderungen im BVG anfallen.

Umfassendes Anlagemanagement Der Anlagebereich gewann in den vergangenen 25 Jahren an Dynamik und stellte die Pensionskassenführung vor neue Aufgaben. Zu Beginn standen die Renditeerwirtschaftung und das Einhalten der Anlagerichtlinien gemäss BVV2 im Vordergrund. Später gewannen die Diversifikation, das Risikomanagement und die optimale Zusammensetzung des Portefeuilles an Bedeutung. Diese neuen Ansätze wurden in den Anlageprozess integriert. Der Einbezug der Passivseite in die Gesamtbetrachtung wurde früher selten angewandt. Heute ist diese im Rahmen einer periodisch wiederkehrenden Asset-LiabilityStudie aus dem Steuerungsprozess einer Pensionskasse nicht mehr wegzudenken. Im Laufe der Zeit wurden nebst den klassischen Anlagevehikeln vermehrt auch derivative Finanzinstrumente verwendet. Aus Diversifikationsgründen setzten grosse Kassen vermehrt auch alternative Anlageinstrumente wie Hedge Funds, Private Equity und Rohstoffe ein. Dies wiederum setzte voraus, dass die Pensionskassenführung die neuen Anlagemöglichkeiten und insbesondere die damit verbundenen Risiken kennt und beurteilen kann. In den Finanzkrisen der Jahre 2002/2003 und 2008 erreichten die Volatilitäten Höchststände an den Finanzmärkten. Dadurch rückte das Risikomanagement der Anlagen in den Vordergrund. Mittlerweile ist es eine Selbstverständlichkeit, dass sich die Pensionskassenführung intensiv mit dem Anlagemanagement auseinandersetzt, denn bei Anlageentscheiden gilt es jeweils das Anlagerisiko und die Auswirkungen auf die Risikofähigkeit der Pensionskasse abzuwägen. Die Professionalisierung und Dynamik in der Vermögensverwaltung erfordert seitens der Geschäftsführung eine hohe Fachkompetenz. Das Anlagemanagement und der verantwortungsvolle sowie pflichtbewusste Umgang mit den Guthaben der Versicherten nimmt bei der Geschäftsführung und dem Stiftungsrat höchste Priorität ein. Die Anlagenfragen werden auch weiterhin höchste Aufmerksamkeit erfordern. Insbesondere die Tendenz der Individualisierung beziehungsweise die Möglichkeiten der individuellen Vermögensanlage durch die Versicherten wird die Pensionskassenführung vor neue Aufgaben stellen.

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Swiss GAAP FER 26 schaffte Transparenz Eine grosse Veränderung in der Führung von Pensionskassen bewirkten die Rechnungslegungsvorschriften nach Swiss GAAP FER 26. Die Pensionskassen setzen diese seit dem 1. Januar 2004 um. Der Grundsatz von Swiss GAAP FER 26 ist die Darstellung der tatsächlichen Vermögens-, Finanz- und Ertragslage (true & fair view) einer Pensionskasse. Bei der Bewertung der Aktiven wird grundsätzlich der Marktwert per Bilanzstichtag verlangt. Dies führte zu einer Abkehr der lange gepflegten Bilanzierung zu Buchwerten. Glättungseffekte in der Bewertung von Obligationen, Immobilien und Beteiligungen sind nicht mehr erlaubt. Swiss GAAP FER 26 erhöhte die Transparenz und ermöglichte eine bessere Vergleichbarkeit der Pensionskassen untereinander. Diese Rechnungslegungsvorschriften können als wichtige und wertvolle Errungenschaft in der beruflichen Vorsorge bezeichnet werden. Es ist zu beobachten, dass sich Pensionskassen von grossen, international tätigen Unternehmen vermehrt im Spannungsfeld der Bewertungen und Rechnungslegungsgrundsätzen der Konzernrechnungen bewegen. Gemäss internationalen Rechnungslegungs-Standards haben die Pensionskassenverpflichtungen einen direkten Einfluss auf die Konzernbilanzen und können somit unter Umständen den Rechnungsabschluss der Unternehmung negativ beeinflussen. Aus diesem Grund orientiert sich die Pensionskassenführung vermehrt an den Vorgaben der Konzernleitung in Bezug auf die Gestaltung der «assets & liabilities».

Hohe Professionalisierung auch in Zukunft Eine wesentliche Grundidee des BVG ist die Gestaltungsfreiheit und -verantwortung im Rahmen der Selbstregulierung. Die zunehmende Regelungsdichte und die Verpolitisierung der beruflichen Vorsorge schränkte die Gestaltungsfreiheit allerdings stark ein. Gesetzesänderungen oder Anpassungen aufgrund gesellschaftlicher Veränderungen oder aufgrund der Entwicklungen an den Finanzmärkten sind unerlässlich. Doch wurden in den vergangenen 25 Jahren zu viele zusätzliche Gesetze, Verordnungen und Weisungen erlassen, welche die berufliche Vorsorge unbeweglich, widersprüchlich und teuer machen. Bereits heute sind die Verwaltungskosten von Pensionskassen von öffentlichem Interesse und weitere Auflagen und Weisungen werden diese Kosten zusätzlich belasten. Die hohen Anforderungen, welche durch die Gesetze an die Pensionskassenführung gestellt werden, haben die Miliztauglichkeit des Systems eingeschränkt. Die Komplexität in der beruflichen Vorsorge verlangt ein hohes ➔

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Mass an Fachwissen, Engagement und Verantwortungsbewusstsein seitens der Stiftungsräte, des Geschäftsführers und der Mitarbeitenden in der Vorsorgeeinrichtung. Diesen Anforderungen im Milizsystem gerecht zu werden, ist ohne hochprofessionelle Geschäftsführung nicht mehr möglich. Das Führungsverständnis der Pensionskassen hat sich seit Einführung des BVG grundlegend geändert. Die Füh-

rung, Versichertenverwaltung und das Anlagemanagement haben einen hohen Professionalisierungsgrad erreicht. Zudem nimmt der Stiftungsrat seine Führungsverantwortung wahr und beeinflusst massgeblich die Sicherstellung der beruflichen Vorsorge. Mit dieser Voraussetzung wird die Führung von grossen Pensionskassen die Herausforderungen der Zukunft im Interesse der Versicherten und Rentner meistern können n

Urs Bracher, Geschäftsführer Pensionskasse der Credit Suisse Group (Schweiz)

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Öffentlich-rechtliche Kassen Die öffentlich-rechtlichen Pensionskassen zählen zu den ältesten und grössten Pensionskassen der Schweiz. Bei ihnen stehen heute vor allem die gesetzliche Privilegierung bezüglich Kapitaldeckung und die paritätische Verwaltung auf dem Prüfstand. Von Dieter Stohler

Das Erfolgsmodell «2. Säule» wurde mit dem InkraftSpezialbehandlung im BVG treten des BVG im Jahre 1985 lediglich vervollständigt. Die Einführung des BVG war (auch) für die öffentlichDer Grossteil der Arbeitnehmerschaft war bereits in einer rechtlichen VE keine einfache Angelegenheit. Die KanVorsorgeeinrichtung versichert. Dazu gehörten insbeson- tone haben zwar grosse Erfahrung in der Umsetzung von dere auch die öffentlich-rechtlichen Pensionskassen. Die neuem Bundesrecht, jedoch war (wie auch bei einigen grossen Arbeitgeber hatten bereits im 19. und Anfang des privaten Kassen) das Verfahren zur definitiven BVG-Re20. Jahrhunderts eine – im Laufe der Zeit sich entwickeln- gistrierung oftmals nicht in der vom Bundesgesetzgeber de – Vorsorge für Ihre Mitarbeitenden eingerichtet. Im anberaumten Frist möglich. Dies liegt insbesondere an öffentlichen Bereich waren die (teilweise auf freiwilliger den demokratisch legitimierten Entscheidungswegen, die Basis errichteten) Lehrerkassen die Vorläuferinnen der länger und viel komplexer sind als bei privatrechtlichen heutigen modernen Vorsorgeeinrichtungen. Später waren Verhältnissen. beamtenrechtliche Aspekte mitprägend für die AusgestalImmerhin nahm das BVG Rücksicht auf die besondetung der Vorsorge: Das Risiko der Nichtfortsetzung einer ren Verhältnisse bei den öffentlich-rechtlichen VorsorgeBeamten- und Magistratenkarriere, sei es durch Nichtwie- einrichtungen: So wurde das Prinzip der Teilkapitalisiederwahl, sei es durch Krankheit bzw. Dienstunfähigkeit rung (nebst der Bilanzierung in offener Kasse) mit oder Tod wurde für die betroffenen Personen bzw. deren Zustimmung der Aufsichtsbehörde und bei Vorliegen eiHinterlassenen abgesichert. ner Staatsgarantie offiziell zugelassen. Damit zusammen Die Finanzierung öffentlich-rechtlicher Kassen basiert(e) hängt die Auflage, dass ein solcher Fehlbetrag bei Teillitraditionellerweise auf dem System quidation nicht weitergegeben werder Mischfinanzierung bzw. der den darf. Als weitere gesetzliche Teilkapitalisierung: Unter der Prä«Privilegierung» gilt der Vorbehalt misse, dass öffentliche Arbeitgeber bezüglich paritätischer Verwaltung. weder Konkurs gehen noch sämtAus der Überlegung, dass eine öfliche Arbeitnehmenden entlassen fentlich-rechtliche Einrichtung (bzw. privatisieren) können und sodurch das entsprechende Gemeinmit den Älteren bzw. Verstorbenen wesen (Bund, Kanton, Gemeinde) immer wieder jüngere Versicherte konstituiert und überwacht wird, nachfolgen (Prinzip der Perennität), gilt das Prinzip, dass das Gemeinkann ein Teil der Vorsorge im Auswesen auch die reglementarischen 1997 gaben-Umlageverfahren finanziert Juni, 20., In England erscheint Bestimmungen erlassen und damit werden. Der andere Teil wird im der erste Harry Potter-Roman über die Ausgestaltung der VorsorJoanne Rowling, «Harry Potter für die berufliche Vorsorge ty- von ge (Beiträge und Leistungen) entund der Stein der Weisen». pischen Kapitaldeckungsverfahren scheiden kann. Im Umfang, in welfinanziert. chem das Gemeinwesen diese Aufgaben nicht an die Gemäss Pensionskassenstatistik 2007 bestehen 98 re- Vorsorgeeinrichtung delegiert hat, ist die paritätische Mitgistrierte öffentlich-rechtliche Vorsorgeeinrichtungen mit bestimmung somit eingeschränkt; es besteht lediglich ein insgesamt 565’000 Aktivversicherten. Sie verwalten mit Anhörungsrecht des paritätischen Organs. Im Weiteren 178 Mia. Franken etwa 30% der Vorsorgevermögen. gilt eine Spezialbehandlung durch die Ausnahme von der ➔

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Verselbständigungspflicht (durch die Zulassung von Einrichtungen öffentlichen Rechts ohne eigene Rechtspersönlichkeit) und bezüglich ihrer Beaufsichtigung.

Stärkung der Sozialpartnerschaft Im Laufe der letzten 20 Jahre setzte auch bei den öffentlich-rechtlichen Vorsorgeeinrichtungen ein Konzentrations- und Professionalisierungsprozess ein. Durch die Zunahme der Regelungsdichte und der Komplexität der Kassenführung waren auch die Aufsichtsbehörden gefordert. Das System auf Bundesebene, wo die Aufsicht auf verschiedene Departemente und Bundesämter verteilt war, erlitt spätestens seit dem damaligen Debakel um die Eidg. Versicherungskasse (Anfang der Neunzigerjahre) Schiffbruch und wurde korrigiert. Nebst der Bündelung der Fachkompetenzen drangen und dringen nun verstärkt Aspekte der Corporate Governance durch. Die Trennung zwischen Aufsicht und Kassenführung sowie die Unabhängigkeit verschiedener Entscheidebenen wurden verstärkt: Man kann sich schliesslich nicht selbst beaufsichtigen. Die neuerdings vorgeschlagenen Verselbständigungspflichten sowohl von öffentlich-rechtlichen Kassen (wo noch nicht vorhanden) als auch von den Aufsichtsbehörden sind zweifellos zu begrüssen. Viel zu reden gab und gibt die Parlamentarische Initiative Beck betreffend der Finanzierung öffentlich-rechtlicher Vorsorgeeinrichtungen. Nachdem vor allem in der deutschen Schweiz einige Kassen inzwischen auf das System der vollen Kapitaldeckung umgestellt worden waren, verlangte Nationalrat Beck vor wenigen Jahren ein vollständiges Verbot der Mischfinanzierung. Zurzeit liegt ein Revisionspaket «Finanzierung der öffentlich-rechtlichen Vorsorgeeinrichtungen» bei den eidgenössischen Räten. Nachdem der Bundesrat ursprünglich – nach einer längeren Übergangsfrist – ein solches Verbot unterstützte, gehen die Beratungen im Parlament in Richtung Festlegung eines Mindestdeckungsgrades, welcher auch unter 100 % liegen kann. In der Tat ist nicht einzusehen, weshalb das System der Teilkapitalisierung von Bundesrechts wegen gänzlich eliminiert werden muss. Ebenso richtig ist, wenn dieses System neuen Leitplanken unterworfen wird. So ist insbesondere die These, dass im öffentlichen

Sektor das Prinzip der Perennität generell spielt, kritisch zu hinterfragen. Der Strukturwandel auch der öffentlichen Arbeitgeber schreitet mit zunehmendem Tempo voran (Ausgliederungen; Privatisierungen; Fusionen etc.). Die Vorsorgeeinrichtungen müssen diese Veränderungen auf gerechte und vernünftige Weise sowie zeitgerecht nachvollziehen können. Auch die paritätische Verwaltung von öffentlich-rechtlichen Kassen erlebt Veränderungen. Immer weniger passt das blosse Anhörungsrecht gemäss Art. 51 Abs. 5 BVG in die übrige BVG-Landschaft mit einer paritätischen Kassenführung und mit einem Mitspracherecht der Arbeitnehmerschaft gemäss Art. 11 Abs. 2 und 3bis BVG. Im Sinne einer echten Sozialpartnerschaft müsste die Arbeitnehmerschaft über die Ausgestaltung der Vorsorge mitbestimmen können; das erfordert, dass sich das Gemeinwesen auf die Rolle des Arbeitgebers beschränkt. In diese Richtung zielen denn auch die laufenden Revisionsprojekte der bundesrechtlichen Vorschriften (Finanzierung öffentlich-rechtlicher Vorsorgeinrichtungen/Strukturreform). Auch die zunehmend verlangte Trennung einzelner angeschlossener Vorsorgewerke innerhalb einer (Sammel-) Einrichtung erfordert ein paritätisches Mitspracherecht der beteiligten Gruppierungen.

Revisionsprojekt mit richtiger Richtung Öffentlich-rechtliche Vorsorgeeinrichtungen können die steten Veränderungen auf Arbeitgeberseite sowie den Wandel in der beruflichen Vorsorge nur dann zeit- und sachgerecht nachvollziehen, wenn sie verselbständigt und effizient organisiert sind und wenn die Sozialpartnerschaft funktioniert. Hierfür benötigen sie ein starkes, paritätisch besetztes Führungsorgan, welches die Interessen der Kasse wirksam vertritt und verhindert, dass die Kasse allenfalls zwischen den Fronten politischer Interessen «zerrieben» wird. Das Gemeinwesen hat die Funktion des Arbeitgebers, seine Vertreterinnen und Vertreter sind Mitglieder des obersten Organs der Vorsorgeeinrichtung. Das aktuell in den eidgenössischen Räten in Diskussion stehende Revisionsprojekt für öffentlich-rechtliche Vorsorgeeinrichtungen zielt in diese Richtung und verdient die Unterstützung. n

Dieter Stohler, Direktor Pensionskasse Basel-Stadt

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«Gemeinsam sind wir stark» Gemeinschaftseinrichtungen sind Non-Profit-Institutionen und müssen keine Aktionärsinteressen befriedigen. Auch in schwierigeren Zeiten haben sie sich gut entwickelt und nach wie vor gehört jeder erwirtschaftete Franken den Versicherten. Aber heute droht auch ihnen die Gefahr der Überreglementierung. Von Beatrice Fluri

Bereits vor der Einführung des Gesetzes über die berufliche Vorsorge 2. Säule bestanden zahlreiche Gemeinschaftseinrichtungen. Solche Einrichtungen wurden oft im Rahmen von Berufsverbänden gegründet, damit nicht jeder, oft über wenig Mitarbeiter verfügende Arbeitgeber eine eigene Vorsorgelösung anbieten musste. Gemeinschaftseinrichtungen bestanden sogar schon vor der Einführung von AHV/IV. Diese Gemeinschaftslösungen sollten ganz im Sinne der heutigen AHV/IV und dem BVG in erster Linie dafür sorgen, dass während der Arbeit invalid gewordene Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen sowie ihre Familien im Falle des Eintretens von Invalidität ihres Versorgers ein angemessenes Leben weiterführen konnten. Die meisten Gemeinschaftseinrichtungen boten auch Altersrenten an. So haben also schon vor der Einführung des BVG in der Schweiz die meisten Arbeitgeber eine eigene Pensionskasse geführt oder sich einer Gemeinschaftseinrichtung angeschlossen. Auch ohne Gesetze nahmen sie ihre soziale Verantwortung gegenüber ihren Angestellten wahr.

malleistungen stehenden Vorsorgeleistungen profitieren konnte, wobei viele Arbeitgeber mehr als die Hälfte der Beiträge leisteten. Auch die Gemeinschaftseinrichtungen mussten vor der Einführung des BVG Anpassungen in ihren Reglementen und Statuten vornehmen. Zu spürbaren Mehrkosten zwang sie die Führung einer BVG-Schattenrechnung. Diese zusätzliche Buchhaltung ermöglicht dem Gesetzgeber und den Rechnungsprüfern zu ermitteln, ob eine Vorsorgelösung die gesetzlichen Auflagen erfüllt. Nicht alle Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen waren über die Einführung des BVG erfreut. So mussten zum Beispiel Ehefrauen, welche im Geschäft mithalfen und sich eigentlich auf die Vorsorge ihres Mannes verliessen, neu mindestens dem BVG beitreten. Mit der Einführung des FZG, des Freizügigkeitsgesetzes, nach 10 Jahren BVG, wurde eine weitere soziale Besserstellung der Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen umgesetzt. Sie nahmen bei einem Stellenwechsel nicht nur ihre Beiträge an die Vorsorgeeinrichtung mit, sondern auch die Einzahlungen des Arbeitgebers. Auch für die Gemeinschaftseinrichtungen Nach der Einführung bedeutete dies, dass Mutationsgedes BVG winne bei Arbeitgeberwechsel daMit der Inkraftsetzung des BVG hinfielen; Beträge, von welchen in wurde jene grosse Minderheit von der Regel die verbleibenden VersiArbeitgebern zur Einführung einer 1998 cherten profitierten. Diese Gewinne beruflichen Vorsorge verpflichtet, Oktober. Der erste Smart im Falle von Arbeitgeberwechsel rollt vom Fliessband. welche bisher noch keine Lösung mussten mit anderen Finanzquellen anbieten konnten und entspreausgeglichen werden, zum Beispiel chend jetzt zusammen mit ihren Arbeitnehmern einer be- mit Beitragserhöhungen. ruflichen Minimal-Vorsorgelösung beitreten mussten. Nach 20 Jahren wurde die erste BVG-Revision durchMan vergisst heute oft, dass der überwiegende Teil der geführt. Sie war der Auslöser, dass Schritt für Schritt auch Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen schon vor dem in den überobligatorischen Bereich der Vorsorgeeinrich1. Januar 1985 von oft deutlich über diesen BVG-Mini- tungen eingegriffen wurde. ➔

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Überlastung des Milizsystems

Wachstum nach Einführung des BVG Gemeinschaftseinrichtungen sind vorwiegend verbandlich organisierte Vorsorge- und autonome Sammeleinrichtungen. Sie sind dem Markt und der Konkurrenz ausgesetzt. Entsprechend werden sie verpflichtet oder gezwungen, kostengünstige und selbstverständlich gesetzeskonforme Dienstleitungen anzubieten. Gemeinschaftseinrichtungen decken Firmenbedürfnisse ab. Sie sind Non-Profit-Institutionen und müssen keine Aktionärsinteressen befriedigen. Jeder erwirtschaftete Franken gehört den Versicherten. Nach der Einführung des BVG wuchsen sie spürbar. Sie bieten weiterhin sowohl BVG-Minimal- wie auch überobligatorische Leistungen an. Wie jedes Unternehmen müssen sie bedacht sein, ihre kompetenten Dienstleistungen mit einer schlanken Organisation und Administration anzubieten. Somit sollten nicht alle Sonderwünsche ihrer Kunden angenommen werden. Denn Sonderwünsche gehen nicht selten zu Lasten anderer angeschlossener Versicherter und Unternehmen. Das Prinzip «Gemeinsam sind wir stark» führt dazu, dass auch im Anlagenbereich dank Volumen und Grösse günstige Konditionen gefordert und ausgehandelt werden können. Auch in schwierigen Zeiten wie heute konnten sich die Gemeinschaftseinrichtungen gut behaupten und qualitativ weiterentwickeln. Nach wie vor sind mehr Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen an autonome Kassen als an Versicherungsgesellschaften angeschlossen.

Unsere Gesellschaft neigt zurzeit dazu, für jeden Sonderfall einen Gesetzesartikel einzuführen. Das ist leider auch im Sozialbereich so. Dies führt bei Arbeitnehmern/Innen und bei Arbeitgebern zu immer mehr Unsicherheit und Intransparenz. Die Experten haben das Wort, obwohl auch sie nicht fehlerlos sind. Auch bei Gemeinschaftseinrichtungen und ihren Verwaltungs- und Stiftungsräten werden die Sitzungen länger und die jeweiligen Abklärungen dauern länger. Dem Milizsystem in unserem an und für sich weltweit hervorragenden Sozialbereich droht Überlastung. Die Kosten steigen stetig, Unmut und Kritik machen sich breit. Die Regelungsdichte nimmt laufend zu und dementsprechend der freie Handlungsspielraum ab. Das BVG ist als Rahmengesetz entstanden und wird nun zunehmend zu einem komplizierten und kostenintensiveren Regelwerk.

Sachlichkeit und Transparenz In den grossen Linien hat die Einführung des BVG die soziale Sicherheit in der Schweiz verstärkt und auch verbessert. Darauf dürfen wir stolz sein. Es geht aber darum, unserem 3-Säulen-Prinzip Sorge zu tragen. Sachlichkeit, Einfachheit und viel Transparenz müssen zukunftsweisend sein. Gefährlich sind vor allem politische Grabenkämpfe, die von jeglicher Sachlichkeit abweichen. Ein aktuelles Beispiel zeigte sich bei der Abstimmung über den Umwandlungssatz. n

Beatrice Fluri, Eidg. dipl. Pensionskassenleiterin

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Alles aus einer Hand Ein starker Arbeitgeberverband kann seinen Mitgliedern sehr viel bieten. Die Ausgleichskasse des Schweizerischen Baumeisterverbandes zum Beispiel ist eine zuverlässige Partnerin in allen Sozialversicherungsfragen und bietet erst noch alle Dienstleistungen aus einer Hand.

Von Martin Leuenberger

Baumeister stellen die Infrastruktur in der Schweiz sicher und ermöglichen uns allen, in soliden Gebäuden zu wohnen und zu arbeiten. Das Produkt ihrer täglichen Arbeit ist ersichtlich und für alle langfristig nutzbar. Als Baumeister darf man stolz darauf sein, mit handwerklichem Geschick und einem grossen Knowhow zur Zukunftsgestaltung unseres Landes beizutragen. Neben dieser täglichen Arbeit, die allen Beteiligten grosse Konzentration und volles Engagement abfordert, sehen sich die Unternehmungen mit einem erheblichen Administrationsaufwand konfrontiert (Offertwesen, Rechnungsstellung, Buchhaltung usw.). Nicht zuletzt gilt es, in diesem «unsichtbaren Teil» der unternehmerischen Tätigkeit, Verträge abzuschliessen, welche die Zusammenarbeit mit den Sozialversicherungen festlegen. Es lohnt sich, diesem Bereich ebenfalls Aufmerksamkeit zu schenken, denn hier können wesentliche Einsparungen erzielt werden.

ser patronale Verein wird durch zusätzliche Beiträge finanziert, die Leistungen gleichzeitig mit der Erwerbsausfallentschädigung bezahlt.

Übertragene Aufgaben

Als übertragene Aufgaben (zusätzliche Durchführung von Dienstleistungen für Mitglieder/Nichtmitglieder im Bauhauptgewerbe) wurden übernommen: n Familienzulagen: In der Schweiz bestehen neben dem Rahmengesetz über die Familienzulagen (FamZG) 26 kantonal unterschiedliche Familienzulagengesetze. Die Abrechnungen wie auch die Anmeldungen für Zulagen werden zentral über die Ausgleichskasse abgewickelt. n Parifonds Bau: Der Schweizerische Baumeisterverband hat mit den Sozialpartnern Gesamtarbeitsverträge (LMV Bauhauptgewerbe, GAV Gleisbau) ausgehandelt. Diese Verträge regeln die Arbeitsbedingungen und müssen, da sie vom Bundesrat als allgemeinverbindlich erklärt wurden, auch von Nichtmitgliedern zwingend Eigene Ausgleichskasse eingehalten werden. Basierend auf Der Schweizerische Baumeisterverdem Landesmantel-, respektive dem band (SBV) ist der ArbeitgeberverGleisbauvertrag wurde der Verein band im Bauhauptgewerbe. Mit der «Parifonds Bau» gegründet. Er ist zuSchaffung einer eigenen Ausgleichsständig für den Vollzug des Vertrags kasse hat der SBV für Verbandsmitsowie den Bildungsbereich. Der glieder eine bauspezifische Lösung Vollzug – also die korrekte Anwenrealisiert und damit die Grundlage dung der Vertragsbestimmungen – geschaffen, dass den Mitgliedern wird durch regionale paritätische der Ausgleichskasse Dienstlei- 1999 Kommissionen vor Ort geprüft, naAugust 11. Tausende Schweizer stungen aus einer Hand gewährlei- wollen in Süddeutschland tionale Kommissionen – Schweizeeine totale Sonnenfinsternis stet werden können. Über die Ausrische Kommission für den Gleisbeobachten. Sie müssen bis gleichskasse abgewickelt werden zur nächsten 2081 warten: Es bau (SPK Gleisbau), Schweizerische die Alters-, Hinterlassenen- und In- war bedeckt. Paritätische Vollzugskommission validenversicherung (AHV/IV), der Bauhauptgewerbe (SVK) – überwaErwerbsersatz für Dienstleistende und bei Mutterschaft chen die regionalen Kommissionen und stellen die (EO/MSE) wie auch der gesamte Beitragsbezug sowie die Kommunikation mit dem SECO sicher. Die Bildung Ausrichtung von Leistungen. Als Ergänzung zur gesetzwird mit der Abgeltung von Lohnausfall, Spesen und lichen Erwerbsausfallentschädigung werden zusätzliche Kurskosten für Ausbildungen im Bereich des BauhauptLeistungen über die Militärdienstkasse ausgerichtet. Diegewerbes unterstützt. ➔

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n Flexibler Altersrücktritt (FAR): Ein weiterer Gesamt-

arbeitsvertrag bildet die Grundlage für die Vorruhestandsregelung. Der im Bauhauptgewerbe geltende, grosszügige und flexible Altersrücktritt wird durch Beiträge von Arbeitnehmern und Arbeitgebern finanziert. Erfüllt ein Mitarbeiter die Voraussetzungen, um diesem Vertrag unterstellt zu werden, so ist er einerseits beitrags-, andererseits aber auch leistungsberechtigt. Die Leistungsvoraussetzungen sind im Gesamtarbeitsvertrag und dessen Reglement umschrieben. n Versicherungskasse des Schweizerischen Baumeisterverbandes (VSBV): Bereits vor dem Obligatorium von 1985 hat das Bauhauptgewerbe eine patronale Vorsorgeeinrichtung angeboten. Anfänglich als patronal finanzierte Versicherungskasse geführt, ist sie heute eine BVG-Versicherung, die keine Beitragseinnahmen mehr aufweist, sondern nur noch Sparkapitalien verwaltet und Leistungen im Leistungsfall ausrichtet oder auf obligatorische BVG-Konten überträgt.

Eigene Pensionskasse (PK SBV) 1985 hat der SBV die Stiftung Pensionskasse des Schweizerischen Baumeisterverbandes gegründet. Die Vorsorgeeinrichtung steht für Firmen zur Verfügung, die im Bauhauptgewerbe tätig sind. Die Pensionskasse trägt das Risiko selbst, verzichtet also auf eine Rückversicherung. Dieser Entscheid der zuständigen Organe erwies sich bis heute als richtig, konnte die Risikoprämie nach der Anlaufzeit um rund 50 % reduziert werden – und der Deckungsgrad der Pensionskasse wies zu einem Jahresende noch nie eine Unterdeckung auf! Als zusätzliche Vorteile haben sich die Unabhängigkeit von Rückversicherungen sowie die Prämienstabilität erwiesen – und, ganz wichtig: Alle Beiträge kommen ganz den Versicherten und den Betrieben zugute. Für Mitglieder ist es sehr bedeutungsvoll, dass im Verband ein Kompetenzzentrum besteht, das ihre administrativen Aufgaben mildert und unterstützt. Ansprechpartner stehen für kompetente Auskünfte zur Verfügung. Die Zusammenarbeit mit dem Verband und den Sozialpartnern ist wichtig, damit die anstehenden Aufgaben fristgerecht erledigt werden können. Ein weiterer entscheidender Vorteil: Die Arbeitgeberrevisoren der Ausgleichskasse führen die Revisionen für sämtliche übertragenen Aufgaben inklusive der obligatorischen Unfallversicherung (Suva) durch. Dies bedeutet, dass die Mitgliedfirmen periodisch nur einmal und dabei für sämtliche Institutionen kontrolliert werden. Sie können bei dieser Gelegenheit sämtliche Fragen bei einer einzigen Stelle anbringen und gleichzeitig mit den ver-

trauten Partnern Lösungen erarbeiten. Während der revisionsfreien Zeit bilden die Revisoren oft ein geschätztes Bindeglied zwischen der Ausgleichskasse und den Kunden, wenn grössere Probleme auftauchen.

Synergien muss man nutzen Die Ausgleichskasse pflegt eine enge Zusammenarbeit mit den Verbandsorganen, womit nicht zuletzt Synergien ausgeschöpft werden können. In der Kommunikation können etwa die Mittel des Verbandes unterstützend eingesetzt werden. Nur so ist es möglich, dass bei Fragen im Sozialversicherungsbereich die Meinung der Ausgleichskasse gebührend berücksichtigt wird und bereits in den wichtigen Vernehmlassungsprozess einfliesst. Dies trägt massgeblich dazu bei, politische Entscheide zu unterstützen, die in der Praxis umsetzbar sind. Den Mitgliedfirmen sind die Ausgleichskasse und die ihr übertragenen Aufgaben bestens bekannt. Das gegenseitige Vertrauen bildet eine gute Basis für die Zusammenarbeit – eine gute Voraussetzung für die Pensionskasse. So können die Mitglieder von einem Kompetenzzentrum profitieren, das in vielen Belangen der richtige Ansprechpartner ist.

Ein starker Verband kann helfen Das BVG und seine Verordnungen sind seit 25 Jahren in Kraft. Diverse Gesetzesrevisionen haben stattgefunden. Will man sich als Laie ein vertieftes Wissen über die verschiedenen Bereiche (Beitragspflicht, die Deklarationen, die Leistungen im Invaliditäts-, Todesfallbereich oder der Altersrente) aneignen, bedarf allein schon dies eines enormen persönlichen Einsatzes. Das BVG bildet jedoch nur einen kleinen Teil der gesamten Sozialversicherungsgesetzgebung. Begriffe wie technischer Zinssatz, Umwandlungssatz, versicherungstechnische Grundlagen usw. verkomplizieren die Materie zusätzlich. Sich als Baumeister auch noch mit den Geheimnissen der Sozialversicherungen vertraut zu machen, übersteigt oft die Grenze des Zumutbaren, zumal allein die Administration einen beträchtlichen zusätzlichen Aufwand erfordert. Es ist deshalb empfehlenswert vor allem für kleinere Bauunternehmungen, sich einem Kompetenzzentrum anzuschliessen, das viele Dienstleistungen aus einer Hand anbietet. Diese Möglichkeiten bieten nicht nur die Baumeister, auch nahestehende Verbände sind mit ihren Verbandseinrichtungen prädestiniert, ihren Mitgliedern den administrativen Aufwand in wesentlichen Teilen abzunehmen, so zum Beispiel die PROMEA, Spida, Gastrosocial etc. Ein starker Arbeitgeberverband kann seinen Mitgliedern also sehr viel bieten – ein guter Grund mehr für eine Mitgliedschaft! n

Martin Leuenberger, Direktor Sozialinstitutionen des Schweizerischen Baumeisterverbandes

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Als Jubiläumsbeilage eine CD! 25 Texte zur Entwicklung der beruflichen Vorsorge

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Die Zweite Säule – eine duale Welt Leistungsprimat kontra Beitragsprimat, öffentliche kontra private Kassen, Rente kontra Kapital – die Zweite Säule vereint wie das Yin und Yang in vieler Hinsicht komplementäre, vielleicht sogar gegensätzliche Systeme unter einem Dach. Von Birgit Moreillon Solidarität kontra Individualismus ausarbeiten und ihre Versicherten die Art der Anlage frei Zweifellos stellt die Zweite Säule ein Solidaritätssystem wählen lassen. dar. Das Wort «Solidarität» ist ein hehrer Begriff, der das Engagement beinhaltet, mit dem sich mehrere Menschen Vorsorgeeinrichtungen von Unternehmen füreinander verpflichten und sich jeder Einzelne für alle kontra jene von Versicherungen einsetzt. Darin enthalten ist das Wort «solide», was soviel Auch bei den Vorsorgeeinrichtungen ist eine Zweiteilung wie «robust», «dauerhaft» und «widerstandsfähig» bedeutet. zu verzeichnen. Einerseits gibt es die durch (ausreichend In der Kuppel des Bundeshauses kann man den Satz le- grosse) Unternehmen gegründeten Einrichtungen, andesen: «Unus pro omnibus, omnes pro uno» – also: «Einer rerseits bestehen Einrichtungen, die von den Versichefür Alle, alle für Einen». Dies ist der traditionelle Leitsatz rern ins Leben gerufen wurden. Für diese beiden Arten der Schweiz. von Pensionskassen gelten nicht exakt dieselben Regeln. Allerdings verschiebt sich nun seit einigen Jahren das Erstere verfolgen nur ein einziges Ziel: das Interesse ihrer Gleichgewicht in dem Masse, dass der Kapitalbestand Versicherten und Rentner. Jeder Franken, der von einer der Zweiten Säule zugunsten der Individualisierung solchen Kasse eingenommen wird, geht an ihre Versizunimmt. Anstatt die Vorsorgeeinrichtung der Zweiten cherten und Rentner. Die anderen Kassen haben als börSäule insgesamt als eine Sozialleistung des Arbeitgebers senkotierte Unternehmen vor allem das Interesse ihrer (mit den gleichen Leistungen für das Kollektiv aller Ver- Aktionäre im Auge und versuchen, einen Gewinn zu ersicherten) zu betrachten, konzentriert sich der Blick des wirtschaften. Dies hat zur Folge, dass die berufstätigen Versicherten auf den Betrag, den der Arbeitgeber auf Versicherten und Rentner dabei oftmals in den Hintersein Sparkonto einzahlt. Diesen sieht er als vollumfäng- grund treten. Jeder eingenommene Franken muss lichen Bestandteil seiner (selbstverzwischen den Versicherten und ständlich individualisierten) EntlöhRentnern der Kasse sowie den Aktinung an. onären der VersicherungsgesellEs ist daher nicht weiter verwunschaft aufgeteilt werden. Deshalb derlich, dass der Ruf nach einer hat der Gesetzgeber den vom Versifreien Wahl der Pensionskasse laucherer einzubehaltenden Anteil auf ter wird. Hierbei wird jedoch ver10 % begrenzt (legal quote). gessen, dass das System der Zweiten Säule sich auf die Idee der Kassen mit BVG-Minimum Sozialpartnerschaft stützt. Wäre der kontra umhüllende Kassen Arbeitgeber überhaupt einverstanHinzu kommt, dass die Vorsorgeden, den gleichen (hohen) Beitrag 2000 pläne des Versicherers oftmals den zu entrichten, wenn er wüsste, dass März 7. Die Band «Mash» Plänen mit gesetzlichen Mindestleisein Mitarbeiter sein Vorsorgeinsti- nimmt den Volksmusik-Klassiker stungen (BVG-Minimum) entspre«Ewigi Liäbi» auf. tut frei wählen könnte? Hier sind chen, die Vorsorgepläne der Unterdurchaus Zweifel angebracht. nehmen dagegen oftmals (sehr) grosszügig sind Im Zuge der ersten BVG-Revision hat der Gesetzgeber (umhüllende Kassen). Da die gesetzlichen Bestimmungen die Forderungen in Richtung auf eine Individualisierung zur beruflichen Vorsorge oftmals nur auf die Minimalleider Vorsorge durchaus berücksichtigt. Bis zu einem ge- stungen anwendbar sind (z. B. Auszahlung der Zinsen wissen Grad können die Kassen mehrere Beitragspläne auf Sparkonten, Umrechnungssatz), haben die umhül- ➔

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lenden Kassen mehr Freiheiten in Bezug auf die Definition ihrer Leistungen. Sie verfügen insbesondere bei der Durchführung von Sanierungsmassnahmen über einen grösseren Handlungsspielraum.

Öffentliche kontra private Kassen Überdies bestehen auch Unterschiede zwischen den öffentlichen und den privaten Kassen. Erstere sind infolge ihres langjährigen Bestehens in der Lage, eine Mischfinanzierung (eine Kombination aus Kapitalisierung und Umlageverfahren) vorzunehmen. Ihr Deckungsgrad kann daher unter 100 % liegen, was für die privaten Kassen nicht zulässig ist. Diese müssen jederzeit in der Lage sein, ihre Verpflichtungen einzuhalten. Ist das nicht der Fall (und fällt ihr Deckungsgrad unter 100 %), sind sie zur Einleitung von Sanierungsmassnahmen gezwungen. Eine parlamentarischer Vorstoss stellt dieses Prinzip in Frage und fordert eine vollständige Finanzierung der öffentlichen Kassen. Einige Vorsorgeinstitute, vor allem in der Deutschschweiz, haben bereits den Schritt hin zu einer vollständigen Finanzierung getan.

Leistungsprimat kontra Beitragsprimat Schliesslich bestehen zwei Arten von Plänen: Bei den einen stehen die Leistungen, bei den anderen die Beiträge im Vordergrund. In einem leistungsorientierten Plan ergibt sich die Rente aus einem Prozentsatz des letzten Salärs bzw. der letzten Saläre. Sie steigt also im Falle einer Lohnerhöhung proportional an. Der Versicherte verfügt somit über eine sehr gute Einschätzung seines Rentenniveaus im Verhältnis zu seinem Gehaltsniveau. In den vergangenen Jahren ist die Anzahl jener Vorsorgeeinrichtungen stark zurückgegangen, die einen leistungsbezogenen Plan anbieten. Das gesetzlich obligatorische System stützt sich auf beitragsorientierte Pläne. Hier werden die Leistungen vom Versicherungsbeginn an auf der Grundlage aller Beiträge festgelegt. Steigen die Gehälter stark an, wird zur Aufrechterhaltung des gleichen Leistungsniveaus eine Nachzahlung (Einkauf) erforderlich. Bleibt das Gehalt indes stabil, erhöht sich die Rente im Verhältnis zum Lohn, was auf die dem Sparkonto gutgeschriebenen Zinsen zurückzuführen ist. Aber auch auf Seiten der beteiligten Personen, also der Versicherten sowie den Verwaltungsverantwortlichen, bleibt die Dualität der Zweiten Säule weiterhin bestehen.

Berufstätige Versicherte kontra Rentenbezüger Eine Vorsorgeeinrichtung umfasst im Allgemeinen zwei Arten von Versicherten: die Berufstätigen und die Rentner. Erstere befinden sich in einer Phase der Kapitalan-

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häufung, die anderen in der Phase des Kapitalverbrauchs. Es versteht sich nahezu von selbst, dass sich die Interessen der einen nicht unbedingt mit jenen der anderen decken. Die Rente der Pensionsempfänger stellt ein erworbenes Recht dar. Dies bedeutet, dass ihnen die Vorsorgeeinrichtung – de facto – einen jährlichen Minimalertrag (der dem Mindestsatz entspricht) garantiert. Die Berechnung der Rente berücksichtigt nämlich einen zukünftigen Ertrag (BVG-Mindestsatz), damit die Höhe der Rente in Abhängigkeit von dem beim Rentenantritt verfügbaren Kapital festgelegt werden kann. Eine derartige Garantie wird den berufstätigen Versicherten nicht gewährt und kann ihnen auch nicht gewährt werden. Für sie besteht das erworbene Recht im bereits angehäuften Kapital (das nicht durch einen Negativzinssatz reduziert werden kann); es besteht jedoch keinerlei Garantie für einen zukünftigen Zinssatz, wie dies für einen Rentner der Fall ist.

Arbeitgebervertreter kontra Versichertenvertreter Die Schlichtung wird vom Stiftungsrat, dem obersten Organ der Vorsorgeeinrichtung, wahrgenommen. Dieser besteht paritätisch aus Arbeitgeber- und Versichertenvertretern. Auch hier können die Interessen auseinandergehen – insbesondere in Bezug auf das Gleichgewicht zwischen dem Leistungsangebot und seiner Finanzierung, die mindestens zur Hälfte vom Arbeitgeber zu tragen ist. Ein weiterer Stein des Anstosses ist die Frage, in welchem Ausmass der Arbeitgeber an allfälligen Sanierungsmassnahmen teilnehmen kann bzw. muss?

Aussergewöhnliche kontra unbefriedigende Leistungen Während der ersten 15 Jahre des Bestehens des BVG und insbesondere in den 90er-Jahren erfüllte der dritte Beitragszahler – der sich aus den Anlagen ergebende Ertrag – seine Rolle voll und ganz. Die Kassen hatten daher keinerlei Probleme, einen Mindestsatz von 4 bis 5 % zu finanzieren. Darüber hinaus bestand die Möglichkeit, die Renten der Pensionsempfänger zu erhöhen und den berufstätigen Versicherten zusätzliche Zinsen zukommen zu lassen oder sogar die Leistungen zu verbessern. Diese aussergewöhnlichen Leistungen mussten in den ersten Jahren des 21. Jahrhunderts, insbesondere jedoch im Jahr 2008, unzureichenden Leistungen weichen. Konnten die Kassen Ende der 90er-Jahre höhere Beträge an ihre beschäftigten Versicherten und Pensionsempfänger verteilen, mussten viele von ihnen unmittelbar danach – infolge des Börseneinbruchs 2001 und 2002 – Sanierungsmassnahmen einleiten. Kaum waren sie Ende 2007 aus ihrem technischen Defizit heraus, hatten sie 2008 bereits wieder Einbrüche zu verzeichnen. ➔

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Langfristig kontra kurzfristig So entwickelte sich die langfristige Perspektive, die auf einer Anlageperiode von etwa 60 Jahren beruht (40 Jahre Berufstätigkeit und 20 Jahre Rente), sehr schnell zu einer (sehr) kurzfristigen Vision. Die Befürchtungen hinsichtlich der zukünftigen Erträge zusammen mit einer erhöhten Lebenserwartung spiegeln sich in den Aufrufen zur Reduzierung des Umwandlungssatzes wieder. Eine erste Verringerung des Eingangssatzes – der seit 1985 7,2 % betrug – wurde während der ersten BVG-Revision im Jahre 2005 beschlossen. Der neue Satz von 6,8 %, bei dem es sich – was nicht vergessen werden darf – um einen Mindestsatz handelt, wird im Zusammenhang mit den zukünftig zu erwartenden Erträgen als immer noch zu hoch eingeschätzt. An dieser Stelle ist zu vermerken, dass eine mit einem zu hohen Umwandlungssatz berechnete Rente zwanzig Jahre reichen muss, ohne dass eine Veränderung möglich wäre. Hingegen könnte eine mit einem zu niedrigen Umwandlungssatz berechnete Rente später problemlos erhöht werden, sofern die Ergebnisse der Pensionskasse dies ermöglichen.

Rente kontra Kapital Je niedriger der Umwandlungssatz ist, desto eher neigen die Versicherten dazu, ihr Kapital ganz oder teilweise in

bar zu beziehen. Werden sie in der Lage sein, dieses Kapital selbst zu verwalten und besser als die Pensionskassen anzulegen? Das ist eindeutig zu bezweifeln. Es lohnt sich daher, daran zu erinnern, dass das allererste Ziel einer Vorsorgeeinrichtung darin besteht, die Renten auf einer solidarischen Grundlage zu gewährleisten. Die Renten der Versicherten mit überdurchschnittlicher Lebensdauer werden von denen mit geringerer Lebensdauer finanziert; die Renten der überlebenden Lebenspartner werden (teilweise) von den Ledigen finanziert. Die (kinderlosen) Rentner zahlen für die Rentner, die noch unterhaltspflichtige Kinder haben oder Kinderrenten beziehen.

Finanzielle kontra soziale Überlegungen Schliesslich müssen die an der Berufsvorsorge Beteiligten darauf achten, ein ausgewogenes Verhältnis zwischen den wirtschaftlichen und finanziellen Erwägungen (in einem System, in dem sich mittlerweile ein Kapital in der Höhe von über 600 Milliarden CHF angesammelt hat) sowie den sozialen Überlegungen zu finden. Denn schliesslich handelt es sich bei der Zweiten Säule um eine Sozialversicherung – und wie beim Yin und Yang geht das eine nicht ohne das andere. Und umgekehrt. n

Birgit Moreillon, Geschäftsführerin Pensionskasse der Banque Cantonale Vaudoise

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Ein Sozialwerk in Gefahr? Um in 25 Jahren wieder eine positive Bilanz ziehen zu können, müssen die an der Vorsorge Beteiligten und die politischen Akteure ihre Handlungen und Überlegungen einfacher und weitsichtiger gestalten. Denn die Zweite Säule ist zu komplex geworden und zu weit von den Versicherten entfernt. Von Jacques Hoffmann Ich hatte das Glück, 26 Jahre lang einen aktiven Beitrag zur Gestaltung der Zweiten Säule leisten zu können. Das erste Mal kam ich 1984 damit in Berührung, als ich die Pensionskasse eines Industrieunternehmens mit 150 Mitarbeitern gründete. Diese Gründung erfolgte in (erfolgreicher!) Zusammenarbeit mit dem Vertreter der Arbeitergewerkschaft sowie einem Versicherungsmathematiker und Berater. Ein weiteres Mal, einige Jahre später, als ich die Geschäftsführung einer Gemeinschaftsstiftung mit Versicherten von 1200 Arbeitgebern aus der ganzen Schweiz (eine Verbandskasse) übernahm. Die Führungskräfte dieses Berufsverbandes hatten 1984 die Vorzüge einer autonomen und gemeinsamen Lösung (als Alternative zu den Sammelstiftungen der Versicherer) verstanden: Verwaltungskompetenz, Transparenz, Vereinfachung der Verwaltung und insbesondere geringerer Betriebsaufwand. In dieser Kasse habe ich während zwanzig Jahren die Entwicklung des BVG miterlebt. Zu der rechtlich zunächst einfachen Ausgangslage von 1985 (zwei grundlegende Texte: BVG und VVG 2) kamen im Verlauf der Jahre neue Gesetze (insbesondere das Freizügigkeitsgesetz und die Verordnung über die Wohneigentumsförderung), neue Normen (FER 26), neue Richtlinien sowie eine stets umfassendere Rechtsprechung hinzu. War dies alles notwendig? Ich bin nicht davon überzeugt. Aber es ist nun einmal so und man hat sich damit abfinden und in der Folge die Strukturen (sowie die Kosten!) ausbauen müssen. 2001

Führung einiger (insbesondere öffentlich-rechtlicher) Einrichtungen festzustellen, die sich nun in einer schwierigen Situation befinden. Alles in allem aber hat sich die Zweite Säule gut gehalten. Dennoch ist sie regelmässigen, direkten oder indirekten Angriffen ausgesetzt, steht sie doch nicht nur denen im Weg, die von einer grossen staatlichen Versicherung (einer erweiterten AHV) träumen, sondern auch denen, welche die Vorsorge gern privatisieren und individualisieren würden. Darüber hinaus leitet die unter Politikern und Gesetzgebern derzeit zu beobachtende Tendenz zu einer ständig zunehmenden Reglementierung leider ebenfalls Wasser auf die Mühlen der Kritiker der Zweiten Säule. Zudem ist eine zunehmende Komplexität nicht von der Hand zu weisen: Es gibt zu viele Gesetze und zu viel Bürokratie, der sprunghafte Anstieg der rechtlichen Richtlinien führt zu Unverständnis bei den Versicherten und erschwert die Verwaltung. Für einen Stiftungsrat, der sich auf der Grundlage des Milizsystems bildet, wird es von Tag zu Tag schwieriger, eine globale Vision für das Leben seiner Kasse zu entwickeln. Überdies ist zu befürchten, dass sich der bereits im Gange befindliche Konzentrationsprozess noch beschleunigt: Für ein kleines oder mittleres Unternehmen wird es unmöglich, eine autonome Kasse als wichtigen Bestandteil seiner Sozialpolitik aufrechtzuerhalten, da sie sich das Fachpersonal nicht mehr leisten kann. Sollte sich die Tendenz der Überreglementierung fortsetzen, Oktober, 2. Die nationale Fluglinie werden wir es mit immer grösseren Swissair groundet. Die Bilanz von heute Einrichtungen und damit mit einer n Die Zweite Säule hat sich zu zunehmenden Vereinheitlichung zu einem unumgänglichen Bestandteil unserer Sozialpolitun haben. Wenn es dann einmal soweit ist, dass alle tik entwickelt. Ihre Solidität hat sie bei der Bewältigung dasselbe tun, tritt die Versuchung einer Einheitskasse zweier grösserer Finanzkrisen seit dem Jahr 2000 unter oder einer Super-AHV wieder auf den Plan. Beweis gestellt. Gewiss gab es auch einige Verunn Die Führungsebenen der Pensionskassen sind (insbetreuungsfälle, auch war eine gewisse Laxheit in der sondere im Vermögensverwaltungsgeschäft) mehr und ➔

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mehr zwischen der Notwendigkeit einer langfristigen Planung und den kurzfristigen, von Gesetz und Aufsichtsbehörde auferlegten Anforderungen hin- und hergerissen. Ich bin insbesondere nicht davon überzeugt, dass die allseits hochgelobte Rechnungslegungsnorm FER 26 frei von grösseren Ungereimtheiten ist: Der Begriff «Mark to Market» schafft – manchmal willkürlich – auf der Aktivseite der Bilanz eine Volatilität, die zu Reaktionen führen kann, die kurzfristig nur schwer mit der langfristigen Vision zu vereinbaren ist, über die eine Geschäftsleitung verfügen muss. Die Tyrannei des Deckungsgrades (der wiederum von der Volatilität der Aktivseite der Bilanz betroffen ist) sowie das entsprechende jährliche Fallbeil am 31. Dezember, das die Einrichtung dazu zwingen kann, sofortige – jedoch nicht immer unbedingt erforderliche – Sanierungsmassnahmen einzuleiten, spiegeln ebenfalls diesen Hang zum kurzfristigen Denken wieder. n Die im Rahmen der Zweiten Säule bestehende Koexistenz zweier Lösungen (die autonomen Kassen und die Sammelstiftungen der Versicherer) bereitet wegen der Ungleichheiten zwischen diesen beiden Versichertengruppen Schwierigkeiten im Hinblick auf die Kosten, das Leistungsniveau, die Transparenz und die Entscheidungskompetenz. Die Lösung einer Komplettversicherung der Versicherer war im Jahr 1985 insbesondere für die KMUs gerechtfertigt, weil kurzfristig keine anderen Alternativen verfügbar waren. Ich bin heute davon überzeugt, dass alle KMUs problemlos in die bereits bestehenden oder noch zu gründenden gemeinsamen Institutionen aufgenommen werden könnten und dass man auf den durch die Versicherer vertretenen Lösungsansatz der Komplettversicherung verzichten könnte.

Utopien für morgen Der Überreglementierung ist Einhalt zu gebieten: Hierfür ist ein einfaches und klares Rahmengesetzes auf Bundesebene auszuarbeiten, das den geschäftsführenden Gremien (selbstverständlich unter einer effizienten Überwachung) mehr Freiräume gewährt. Dies war auch die Idee für «das neue BVG», das der ASIP vor einigen Jahren ausarbeitete. Insbesondere müsste die Festlegung technischer Bestandteile (Zinssatz, Umwandlungssatz usw.) aus dem Kompetenzbereich der Politik verschwinden, so dass jede Einrichtung ihre Regeln in Abstimmung mit ihrer jeweiligen Situation und mit Zustimmung ihrer Experten selbst festlegen kann. n

n Der

Sammellösungsansatz der Versicherer ist zu stoppen. Sicherlich braucht die Zweite Säule die Versicherer für Leistungen der Risikorückversicherung (Invalidität, Tod usw.), jedoch nicht für die Führung der Alterskonten und die Verwaltung der Einrichtungen. Zudem scheint es mir nicht vernünftig zu sein, dass die Sozialversicherung eine Gewinnquelle für eine Handelsgesellschaft und ihre Aktionäre darstellt. n Lockerung der Rechnungslegungsnormen in den Bewertungsregeln bestimmter Aktiva. n Für die Bewertung der Situation einer Pensionskasse sollte mehr Zeit zur Verfügung stehen, damit gewisse Parameter nivelliert werden können. n Im Zusammenhang mit der Teilliquidation sollte mehr Realitätssinn an den Tag gelegt werden; einige Entwicklungen in der jüngsten Rechtsprechung lassen die Befürchtung aufkommen, dass dieser Begriff in Wirklichkeit einfach einen Ersatz für das Freizügigkeitsgesetz darstellt! n Den öffentlichen Kassen sollte erlaubt werden, das Prinzip der Mischfinanzierung beizubehalten. Es erscheint mir wenig sinnvoll, nur für die Erfüllung eines Dogmas öffentliche Gelder in Höhe von mehreren Dutzend Milliarden Franken zu blockieren. Diese Liste ist bei weitem nicht vollständig und alle angeführten Punkte verdienten eine ausführliche Darstellung. Wir haben mit dem Drei-Säulen-Prinzip ein solides und kohärentes System geschaffen, um das uns viele Länder beneiden. Die Zweite Säule ist ganz offensichtlich ein wesentliches Glied, das jedoch zu komplex und zu weit von den Versicherten entfernt ist. Ich bin ausser mir, wenn ich (kurz vor der Abstimmung über den BVG-Umwandlungssatz vom 7. März 2010) im Fernsehen Mitbürger sehe, die keine Ahnung von der Rentenfrage haben und somit höchst anfällig für die allereinfachsten und reisserischsten Argumente und Parolen sind. Das ist eine Gefahr für unsere Demokratie und damit auch für unsere Zweite Säule! Ich wünsche allen an der Vorsorge Beteiligten und allen politischen Akteuren, ihre Handlungen und Überlegungen einfacher und weitsichtiger zu gestalten (der legislative Perfektionismus ist kein Selbstzweck!), damit im Jahr 2035 andere eine positive Bilanz zum 50-jährigen Bestehen des BVG ziehen können. n Die hier geäusserte Meinung ist persönlich, die Verantwortung dafür liegt nicht beim ASIP.

Jacques Hoffmann, Mitglied des Anlageausschusses der Pensionskasse SSPh

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Der Sicherheitsfonds Eine Erfolgsgeschichte mit neuen Herausforderungen: Mit der Einführung des Obligatoriums der beruflichen Vorsorge im Jahre 1985 erhielt die bis anhin nur spärlich geregelte Welt der Pensionskassen ein Rahmengesetz mit Mindestleistungsvorschriften. Von Thomas Hohl Dem damaligen Gesetzgeber war bewusst, dass das neue Obligatorium Vorsorgelücken schliessen würde, indem Arbeitgeber eine Vorsorgeeinrichtung gründen oder sich einer bestehenden anschliessen würden, die bisher, aus welchen Gründen auch immer für sich und die Arbeitnehmenden noch über keine berufliche Vorsorge verfügten. Bedenken bezüglich Finanzierbarkeit bei ungünstiger Alterstruktur, respektive bezüglich Zahlungsfähigkeit einzelner Vorsorgeeinrichtungen waren dem Gesetzgeber nicht fremd. Er hat deshalb nebst der Auffangeinrichtung eine zweite öffentlich-rechtliche Stiftung mit eigener Rechtspersönlichkeit, nämlich den «Sicherheitsfonds BVG» mit Sitz in Bern, ins Leben gerufen. Als öffentlich-rechtliche Stiftung fungiert der Sicherheitsfonds wie eine Behörde, die mit Verfügungskompetenz ausgestaltet ist.

25 Jahren Achtung und Durchsetzungskraft verschafft hat. Erwähnung findet diese Erfolgsgeschichte aber kaum in der Presse. Im Gegenteil, auffällig ist der zu beobachtende Unterschied zwischen hochgehender Empörung der veröffentlichten Meinung bei Insolvenz einer Vorsorgeeinrichtung einerseits und der Gelassenheit der effektiv Betroffenen andererseits. Diese Gelassenheit basiert letztlich auf der Gewissheit, dass der Sicherheitsfonds Verluste von gesetzlichen Leistungen ersetzen wird. Im Weiteren strengt der Sicherheitsfonds Verantwortlichkeitsklagen an, um die von ihm geleisteten Summen von den Schadensverursachern zurückzuerhalten. Der Sicherheitsfonds schützt so die Interessen der ganzen Solidargemeinschaft der Beitragszahler. Insolvenzfälle, bei denen kriminelle Energie zu Verlusten führte, sind Ausnahmen geblieben. Bei der Mehrheit der vom Sicherheitsfonds behandelten Insolvenzfälle Die ursprüngliche Idee besteht eine Verkettung mehrerer Ursachen; sei es eine Weitgehend unbeachtet von der breiten Öffentlichkeit zu riskante Anlagetätigkeit, ein zu spätes Eingreifen der hat sich der Sicherheitsfonds bei Vorsorgeverantwortlichen bei strukder Verfolgung seiner ursprünglich turellen Problemen der Kasse, eine vorgesehenen zwei Hauptziele bezu nachsichtige Vorgehensweise stens bewährt, nämlich der Gewähder Aufsichtsbehörden oder eine rung von Zuschüssen bei unungenaue Tätigkeit der Kontrollgünstiger Altersstruktur und der stellen. In der Dynamik des WirtSicherstellung von gesetzlichen schaftskreislaufes stehen die InteLeistungen bei zahlungsunfähig geressen einer Pensionskasse zudem wordenen Vorsorgeinrichtungen. nicht an erster Stelle. Neue Firmen Die Funktion dieser gesamtschweientstehen, alte gehen unter oder zerischen Institution wird sicherFirmenteile mit zugehöriger Beleggestellt durch eine sehr effizient 2002 schaft wechseln den Eigentümer, arbeitende Durchführungsstelle, Januar, 1. Der Euro wird als alles mit möglichen Folgen für die Währung eingeführt. unterstützt durch einen periodisch berufliche Vorsorge der Mitarbeitagenden Geschäftsleitenden Austenden. Am Schluss steht die Solischuss und einen umsichtig agierenden, aus Arbeitneh- darität der an den Sicherheitsfonds zahlenden Vorsorgemer- und Arbeitgeberseite paritätisch zusammengesetzten einrichtungen für die Deckung eines im Vorsorgebereich Stiftungsrat. Die berufliche Vorsorge als Ganzes hat inner- entstandenen Verlustes ein. halb der eigenen Bestimmungen ein selbständiges SiDie ursprünglich angedachte Idee funktioniert. Der cherheitsnetz gespannt, welches sich in den vergangenen Staat trat dabei lediglich als Gründungshelfer, heute in ➔

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Parlament in Bern genehmigt. Seit 2007 stellt also der Sicherheitsfonds der Schweiz die gesetzlichen und reglementarischen Leistungen von zahlungsunfähig gewordenen Vorsorgeeinrichtungen unseres Nachbarlandes sicher. 6. Seit dem 1. Juni 2007 ist der Sicherheitsfonds im Bereich der beruflichen Vorsorge die Verbindungsstelle zu den Mitgliedstaaten der Europäischen Gemeinschaft und der EFTA. Seit dem genannten Zeitpunkt ist die Abklärung der Sozialversicherungspflicht im Ausland als Voraussetzung zur Auszahlung von BVG-Guthaben aus beruflicher Vorsorge bei Ausreise in ein EU- oder EFTA-Land notwendig.

Aufsichtsfunktion und per Gesetz, künftig als möglicher Kreditgeber in Erscheinung.

Die Entwicklungsschritte seit der Gründung Dass der Sicherheitsfonds BVG eine Erfolgsgeschichte darstellt, zeigt sich auch darin, dass der Fonds im Laufe der vergangenen 25 Jahren immer wieder mit neuen, teils sehr gewichtigen Aufgaben betraut worden ist. Es können bisher sechs grössere Entwicklungsschritte festgehalten werden. 1. Ab dem 1. Januar 1997 werden Leistungen bis zum eineinhalbfachen oberen BVG-Grenzbetrag sichergestellt: eine Erhöhung um 50 % auf einen Schlag! Gleichzeitig wurden die gesetzlichen Grundlagen für die Sicherstellung der Leistungen auf Stufe eines Versichertenkollektives geschaffen. Ab dem erwähnten Datum muss der Sicherheitsfonds zudem auch die Deckung des allgemeinen Defizits der Auffangeinrichtung übernehmen. 2. Per 1. Mai 1999 fungiert der Sicherheitsfonds neu als Zentralstelle der 2. Säule. Ziel ist es hier, die vielen Tausend Anfragen bezüglich Verbleib einer Freizügigkeitsleistung mit den von den Vorsorgeeinrichtungen und Freizügigkeitseinrichtungen gemeldeten Konten zu verknüpfen. Mit anderen Worten soll dem Eigentümer zu seinem kontaktlosen und vergessenen Guthaben verholfen werden; eine Herkulesarbeit eingedenk der Tatsache, dass in der Schweiz Hunderttausende von Fremdarbeitern und Saisonniers beschäftigt waren. 3. Im Jahre 2000 wurde ein neues Beitragssystem eingeführt, wobei nicht mehr nur die BVG-registrierten Kassen, sondern neu alle dem FZG unterstellten Einrichtungen Beiträge zu entrichten haben. Es werden neu zwei getrennte Beiträge erhoben, wobei neben den koordinierten Löhnen neu auch die Austrittsleistungen und die bereits laufenden Rentenleistungen Bemessungsgrundlage sind. 4. Im Rahmen der ersten BVG Revision 2005 wird festgelegt, dass dem Sicherheitsfonds neu solche von FZLEinrichtungen verwalteten Guthaben zu übertragen sind, die mehr als zehn Jahre nach dem ordentlichen Rücktrittsalter der berechtigten Person nicht bezogen worden sind. Der Sicherheitsfonds hat diese Guthaben zur Finanzierung der Zentralstelle der 2. Säule zu verwenden. Weiter erhält der Sicherheitsfonds die Pflicht, den AHV-Ausgleichskassen deren Kosten für die BVGAnschlusskontrollen der Arbeitgeber zu entschädigen. 5. Der Bundesrat unterzeichnet im Dezember 2006 mit Liechtenstein eine Vereinbarung über den Anschluss ihrer Vorsorgeeinrichtungen beim Sicherheitsfonds der Schweiz. Diese Vereinbarung wird im Jahr 2007 vom

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Die neuen Herausforderungen Der Sicherheitsfonds BVG steht vor grossen Herausforderungen. Nicht nur hat die jüngste Finanzkrise den Strukturwandel im Wirtschaftsleben beschleunigt, sondern auch der schleichende demographische Wandel der Bevölkerung führt zu ganz neuen Fragestellungen. Wie muss beispielsweise eine reine Rentnerkasse ausfinanziert sein, damit sie nicht im Laufe der Zeit automatisch das Risiko einer erheblichen Unterdeckung und möglicherweise einer Zahlungsunfähigkeit läuft? Die Abtrennung von Altersleistungsbezügern in eine separate Rentnerkasse ist nicht verboten; diese aber ohne Wertschwankungsreserven und mit einem zu hohen technischen Zinssatz auszugestalten ist demgegenüber absolut ungenügend. Auch eine solche Kasse muss Anlagerisiken eingehen können, da sie nicht nur den technischen Zins erarbeiten, sondern auch Gebühren der Aufsicht, Kosten der Verwaltung und Beiträge an den Sicherheitsfonds tragen muss. Heute zahlen jährlich bereits über 300 reine Rentnerkassen Beiträge an den Sicherheitsfonds; Tendenz steigend. Neu wird auch in einem Vorentwurf im Bereich des Vorsorgeausgleichs bei Ehescheidung vorgeschlagen, dass alle Vorsorgeeinrichtungen verpflichtet werden sollen, ihren gesamten Versichertenbestand jährlich der Zentralstelle der 2. Säule zu melden. Damit solle es für Scheidungsrichter leichter sein, beim Vorsorgeausgleich alle einschlägigen Vermögenswerte (neu inkl. Deckungskapital laufender Renten) zu berücksichtigen. Der Sicherheitsfonds BVG ist eine Solidargemeinschaft. Jede Vorsorgeeinrichtung und jeder aktiv Versicherte (via Verwaltungskostenbeitrag) zahlt einen Solidaritätsbeitrag. Auch wenn grosse öffentlich-rechtliche Kassen mit Staatsgarantie ihre Beitragspflicht an den Sicherheitsfonds periodisch hinterfragen, braucht es die Solidarität der grossen Kassen, die ihrerseits kaum je in den Genuss von Zuschüssen wegen ungünstiger Alterstruktur oder Leistungen bei Insolvenz kommen werden. Die Herausforderung be- ➔

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steht in der periodisch zu leistenden Überzeugungsarbeit diesen gegenüber. Der Sicherheitsfonds, hier insbesondere die Mitarbeitenden der Durchführungsstelle, leisten mit der Schulung von Vorsorgeverantwortlichen, Vortragstätigkeit und der Pflege von guten Beziehungen zu involvierten Stellen und dem Bundesamt für Sozialversicherungen eine stete Sensibilisierungs- und Informationsarbeit. Kommerziell ausgerichtete Kreise preisen bei Neugründungen von Sammeleinrichtungen den Sicherheitsfonds

sogar als «Versicherung» an. Die berufliche Vorsorge als Ganzes hat sich aber als lernfähiges Gebilde erwiesen. Nach zweifelhaften Neugründungen von Sammeleinrichtungen wurde Remedur geschaffen, indem die Anforderungen bei Neugründungen verschärft worden sind, um künftig Missbräuche zu verhindern. Ähnliches müsste noch bei den Freizügigkeitseinrichtungen geschehen, denn dies ist eines der wenigen Gebiete der beruflichen Vorsorge ausserhalb der Schutzwirkung des Sicherheitsfonds BVG geblieben. n

Dr. iur. Thomas Hohl, Mitglied des Geschäftsleitenden Ausschusses des Sicherheitsfonds BVG

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Die Quadratur des Kreises Die Vermögensanlagen wurden in den letzten 25 Jahren viel komplexer, die Renditeanforderungen stiegen und die Anlageinstrumente wurden vielfältiger. Pensionskassen müssen deshalb ihren Vorteil als Risikogemeinschaft bewahren, professionell aufgestellt sein und ihre Führungsorgane brauchen gesunden Menschenverstand. Von Vera Kupper Staub Bei der Einführung des BVG 1985 war die Welt noch tung des paritätischen Führungsorgans wurde deutlicher in Ordnung. Die Bundesobligationen-Renditen lagen bei ins Zentrum gerückt. Dies ist gut so. gut 6 % p.a. und der alles beherrschende BVG-Satz war auf 4 % festgelegt worden. Eine Pensionskasse konnte Verlust der Miliztauglichkeit? 100 % ihres Vermögens in CHF-Bundesobligationen inve- Das paritätische Führungsorgan muss somit über das Ristieren und war fein raus. Eine wirklich miliztaugliche sikoniveau der Vorsorgeeinrichtung entscheiden. Dies Sache. bedeutet, es muss festlegen wie viel Risiko und welche 25 Jahre später präsentiert sich die Ausgangslage einer Arten von Risiken die Pensionskasse eingehen soll. RisiPensionskasse doch deutlich schwieriger. Die Bundesob- ko ist dabei die Wahrscheinlichkeit, die definierten ligationen-Renditen liegen bei rund 2 %. Der BVG-Satz hat Leistungsziele nicht erfüllen zu können. Die Arten der sich aufgespalten und ist variabel geworden. Je nach eingegangenen Risiken entscheiden darüber, unter welAnwendung liegt er nun zwischen 2 % (BVG-Minimal- chen Umständen die Leistungsziele nicht erfüllt werden verzinsung der Altersguthaben fürs Jahr 2010) und 3 – 4 % können. Ist die Pensionskasse bereit mehr Risiko zu tra(technischer Zinssatz zur Bewertung der Rentenverpflich- gen, so kann erwartet werden, dass ihre Leistungsvertungen). Die Option, 100 % des Vermögens in CHF-Bundes- sprechungen mit tieferen Beiträgen finanziert werden obligationen zu investieren, hat keine Pensionskasse mehr. können. Entscheidungen über risikobehaftete Situationen Pensionskassen müssen Finanzrisiken tragen, um ihren sind nie einfach. Im Nachhinein stellen sie sich fast imlangfristigen Leistungsversprechungen nachkommen zu mer als nicht die besten heraus. Solche Entscheidungen können. Die Sache ist nicht mehr «ganz einfach». treuhänderisch zu fällen, stellt hohe Ansprüche an das Die skizzierte Entwicklung widerspiegelte sich auch in Führungsorgan sowie auch an die Kommunikation. Die den Veränderungen der rechtlichen Entscheidungen müssen objektiv Vorgaben der BVV2. Zu Beginn entangemessen sein sowie der Risikohielten die Bestimmungen vor allem neigung von Arbeitnehmer und -geVorgaben, welche Anlagen zu welber entsprechen. Verliert hier das chen Prozentanteilen erlaubt sind. System die Miliztauglichkeit? Als erstes wurden die Bandbreiten erweitert. Dann wurde die MöglichAlles in Butter? keit geschaffen, von den Vorgaben Ist die Lehre aus 25 Jahren BVGabzuweichen, wenn man dies inVermögensanlage, dass die Vermöhaltlich wirklich begründen konnte. gensanlage mit Derivaten, Hedge Jetzt ist das Spektrum möglicher Funds und Private Equities, mit 2003 Anlagen breiter. Die Anlagestrategie Bubbles und Crashs sowie mit hoJuli, 6., Roger Federer gewinnt muss jedoch nicht nur die Vorgaben in Wimbledon den ersten seiner hen Zielrenditen nicht mehr milizeinhalten, sondern gesamthaft be- bisher 16 Grand Slam-Titel. tauglich ist? Sollen die Anlagestrategründet werden. Sie muss den Vorgien der Pensionskassen nur noch sorgeleistungen und den Umständen der Pensionskasse von Experten verabschiedet werden? Ich bin klar der angemessen sein. Je schwieriger die Aufgabe der Vermö- Meinung, dass dies nicht zu besseren Resultaten führen gensanlage wurde, desto mehr reifte somit die Einsicht, würde. dass gesetzliche Vorgaben wohl keine einheitliche Lön Führungsorgane aus Nicht-Experten können und solsung für alle präsentieren können. Die Eigenverantworlen für die Erarbeitung der Entscheidungsgrundlagen ➔

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Experten beiziehen. Dann aber unterziehen sie deren Analysen mittels des gesunden Menschenverstands einem «reality check». Dies führt zu besseren Resultaten, wenn die Nicht-Experten genügend selbstbewusst sind, um Expertenresultate kritisch zu hinterfragen. n Nur ein paritätisch zusammengesetztes Führungsorgan kann die Risikoneigung von Arbeitnehmer und -geber annäherungsweise wiedergeben. Dieser notwendige Entscheidungsinput kann nicht von Experten bezogen werden. Dies sind die zwei Punkte, auf welchen die Stärke eines paritätischen aus Nicht-Experten zusammengesetzten Führungsorgans basiert. Somit alles in Butter?

Freie Pensionskassenwahl? Die Aufgabe der Vermögensanlage einer Pensionskasse ist über die letzten 25 Jahre schwieriger geworden. Sicherheit existiert in der Vermögensanlage nicht. Die Pensionskasse kann sich nur zwischen mehr Risiko und Ertrag oder weniger Risiko und Ertrag entscheiden. Die Risiken werden in einer Pensionskasse gemeinsam getragen, durch alle Versicherten und alle angeschlossenen Arbeitgeber zusammen. Die Veränderungen der gesetzlichen Bestimmungen bezüglich Sanierungen und Teilliquidationen zeigen, dass mit der Zunahme des Anlagerisikos klare Regeln für die Verlustzuteilung notwendig wurden und in Zukunft noch weiterentwickelt werden müssen. Wäre dies alles nicht viel einfacher mit einer freien Pensionskassenwahl?

Weiter wie bisher? Auf der Versicherungsseite der Pensionskassen ist der Trend hin zur Individualisierung der Leistungen sehr stark (z. B. Einführung von Todesfall-Kapitalien). Oft geht aber vergessen, dass durch die Auflösung einer

Versicherungssolidarität der Versicherungs-Mehrwert verloren geht. Die Versicherung wird gesamthaft teurer. Führen wir die freie Pensionskassewahl ein, so trägt jeder Versicherte das gesamte Anlagerisiko ganz individuell, wie auf seinem Bankdepot. Ein Versicherter, welcher das Pech gehabt hätte, sich per Ende 2008 pensionieren zu lassen, hätte die Verluste auf den Aktienmärkten voll tragen müssen. Sein um 10 bis 20 % reduziertes Guthaben wäre in eine entsprechend kleinere Rente umgewandelt worden. In der Risikogemeinschaft «Pensionskasse» passiert dies nicht, da das Anlagerisiko gemeinsam getragen wird. Dieses gemeinsame Tragen des Anlagerisikos hat für jeden einzelnen Versicherten zwei Vorteile: n Die Variabilität der persönlichen Rente ist kleiner. n Der erwartete Vermögensertrag ist höher, da gemeinsam höhere Risiken eingegangen werden können. Die individuelle Pensionskassenwahl würde uns zurück zu einer teureren Art der Altersvorsorge, namentlich der Lebensversicherung, führen. Dann also weiter wie bisher? Die Entscheidungen innerhalb der Vermögensanlage einer Pensionskasse haben innerhalb der letzten 25 Jahre deutlich an Komplexität hinzugewonnen. Die Renditeanforderungen sind relativ zu den Marktmöglichkeiten gestiegen. Das Spektrum der Anlageinstrumente ist vielfältiger geworden. Pensionskassen sind gezwungen, Anlagerisiken zu tragen. Pensionskassen haben dabei keine schlechteren Karten als Banken oder Versicherungen. Sie müssen jedoch ihren kompetitiven Vorteil als Risikogemeinschaft bewahren, professionell aufgestellt sein und sicherstellen, dass die Führungsorgane gut informiert den gesunden Menschenverstand kritisch walten lassen. Los! n

Dr. Vera Kupper Staub, Stv. Vorsitzende der Geschäftsleitung der Pensionskasse der Stadt Zürich

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Die Ausbildung der Stiftungsräte Die Anforderungen an die Stiftungsräte sind hoch. Aus- und Weiterbildung ist deshalb eine unabdingbare Voraussetzung, um die komplexen Aufgaben lösen zu können. Denn nur wer seinen Bildungsstand der Entwicklung anpasst, kann eigenverantwortlich handeln. Von Daniel Dürr Seit dem Inkrafttreten des Obligatoriums für die be- Erst- und Weiterbildung der Stiftungsratsmitglieder gerufliche Vorsorge gelten die Bestimmungen über die währleisten muss. Art 51 Abs. 6 BVG: «Die Vorsorgeeinparitätische Verwaltung. Es gilt der Grundsatz: Die Pensi- richtung hat die Erst- und Weiterbildung der Arbeitnehonskassenverwaltung hat paritätisch zu erfolgen – Arbeit- mer- und Arbeitgebervertreter im obersten paritätischen geber und Arbeitnehmer haben das Recht, in das oberste Organ auf eine Weise zu gewährleisten, dass diese ihre Organ der Vorsorgeeinrichtung die gleiche Zahl von Ver- Führungsaufgaben wahrnehmen können.» tretern zu entsenden (Art. 51 Abs. 1 BVG). Im Rahmen Die Vorsorgeeinrichtung ist damit verpflichtet, ein Ausder paritätischen Verwaltung sind namentlich zu regeln und Weiterbildungsangebot anzubieten respektive den (Art. 51 Abs. 2 BVG): Zugang zu solchen Angeboten zu ermöglichen. Anfaln Die Wahl der Vertreter der Versicherten lende Kurskosten sind durch die Vorsorgeeinrichtung zu n Eine angemessene Vertretung der verschiedenen übernehmen. Eine Freistellung für die Kursteilnahme ist Arbeitnehmerkategorien grundsätzlich zu bejahen. Im Vordergrund steht die Befän Die paritätische Vermögensverwaltung higung, die anspruchsvolle Aufgabe pflichtbewusst wahrn Das Verfahren bei Stimmengleichheit nehmen zu können. Bei einer betrieblichen Pensionskasse eines Arbeitgebers ist das oberste Organ der Stiftungsrat. Hat sich der ArbeitQualitätssicherung geber zur Durchführung der betrieblichen Vorsorge einer Dass die Ausbildung der Stiftungsratsmitglieder eine Sammel- oder Gemeinschaftseinrichtung angeschlossen, wichtige Massnahme zur Sicherung der Qualität der beso werden auf Betriebsebene die Belange der beruflichen ruflichen Vorsorge darstellt, wird nun auch in der StrukVorsorge durch eine so genannte «Personalvorsorgekom- turreform der beruflichen Vorsorge aufgenommen. Die mission» geregelt. Auch bei dieser Organisationsform ist Verantwortung für die Ausbildung wird neu geregelt. Das der Stiftungsrat auf Ebene der Stiftung paritätisch zu be- geltende Gesetz enthält keine explizite Aufzählung der setzen. Aufgaben des obersten Organs. Die Seit dem Inkrafttreten des ObligaPflichten richten sich immer an die toriums wurden die Aufgaben einer Vorsorgeeinrichtung. Der EntscheiVorsorgeeinrichtung laufend erweidungsspielraum und damit auch die tert. Ihre Führung ist komplex und Verantwortlichkeiten werden neu anspruchsvoll. In der Praxis haben klar geregelt. Der Stiftungsrat ist für oft Vertreter der Arbeitgeberseite die Bestimmung der strategischen eine aktivere Rolle eingenommen. Ziele und die Grundsätze der VorWeiter ist zu beachten, dass alle an sorgeeinrichtung verantwortlich. der Verwaltung Beteiligten für ihr Dazu gehören das FinanzierungssyTun oder Nichttun eine Haftung stem, die Leistungsziele und die 2004 übernehmen. Es ist deshalb wichLeistungspläne sowie die Ziele und In Irland tritt das weltweit tig, dass alle involvierten Personen erste vom Staat erlassene Grundsätze der Vermögensanlage. über eine fundierte und breite Aus- Rauchverbot in Kraft. Das oberste Organ entscheidet über bildung verfügen. In Eigenverantdie Anlagetätigkeit aufgrund der Riwortung haben viele Vorsorgeeinrichtungen deshalb sikofähigkeit der Vorsorgeeinrichtung. Folgende zentrale bereits seit jeher Stiftungsratsmitglieder aus- und weiter- Führungsaufgaben dürfen nicht delegiert, sondern müsgebildet. Mit der 1. BVG Revision ist auf Antrag der nati- sen vom obersten Organ selbst wahrgenommen werden: onalrätlichen Kommission der Grundsatz ins Gesetz aufn Festlegung des Finanzierungssystems genommen worden, dass die Vorsorgeeinrichtung die n Festlegung von Leistungszielen und Vorsorgeplänen ➔

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sowie der Grundsätze für die Verwendung der freien Mittel n Erlass und Änderung von Reglementen n Genehmigung der Jahresrechnung n Festlegung der Höhe des technischen Zinssatzes und der übrigen technischen Grundlagen n Festlegung der Organisation der Vorsorgeeinrichtung n Ausgestaltung des Rechnungswesens n Sicherstellung der Information der Versicherten n Sicherstellung der Erstausbildung und Weiterbildung der Arbeitnehmer- und Arbeitgebervertreter n Ernennung und Abberufung der mit der Geschäftsführung betrauten Personen n Wahl und Abberufung des Experten für die berufliche Vorsorge und der Revisionsstelle n Entscheide über die ganze oder teilweise Rückdeckung der Vorsorgeeinrichtung und über den allfälligen Rückversicherer n Festlegung der Ziele und der Grundsätze der Vermögensverwaltung sowie der Durchführung und Überwachung des Anlageprozesses n Periodische Überprüfung der mittel- und langfristigen Übereinstimmung zwischen der Anlage des Vermögens und den Verpflichtungen der Vorsorgeeinrichtung Das oberste Organ muss nicht alle Aufgaben in voller Zusammensetzung selbständig ausführen. Die Vorbereitung oder die Ausführung von Beschlüssen kann an einzelne Mitglieder oder an Ausschüsse delegiert werden. Verantwortlich für die Beschlussfassung und die damit zusammenhängenden haftungsrechtlichen Folgen bleibt in erster Linie das oberste Organ. Bei delegierten Aufgaben ist das gesamte Gremium über den Stand zu informieren. Insbesondere bei der Übertragung von Geschäften an Dritte sind die allgemein geltenden Sorgfaltspflichten zu beachten. Bei der Auswahl der beauftragten Personen oder Institutionen muss das oberste Organ sowohl die Ausbildung und Erfahrung und die Gewähr für eine einwandfreie Geschäftstätigkeit überprüfen. Die Beauftragten sind zu instruieren und die Überwachung ist sicherzustellen.

Braucht es ein Universalgenie? Es stellt sich die Frage, ob jeder Arbeitnehmer- und Arbeitgebervertreter im Stiftungsrat ein ausgebildeter Betriebswirt, Ökonom, Börsen- und Finanzspezialist, Jurist, Versicherungsexperte, Manager, Kommunikationsspezialist und Personalchef sein muss. Dies dürfte wohl kaum die Idee sein. Dieses Universalgenie gibt es in der Praxis

wohl kaum und braucht es auch nicht. Zur Ausübung des Amtes eines Stiftungsrates genügen in der Regel ein gesunder Menschenverstand, der Mut, Fragen zu stellen und unverständliche Angaben (fachspezifische Ausdrücke) zu hinterfragen. Grundsätzlich gilt: Es sollte nur den Entscheiden zugestimmt werden, die auch verstanden werden. Die Anforderungen an die Vertreter im obersten Organ bleiben trotzdem hoch. Es stellt sich die Frage, wer die Fachausbildung übernimmt. Eine generelle Übersicht über Aus- und Weiterbildungsangebote im Bereich der beruflichen Vorsorge besteht nicht. Dementsprechend besteht auch keine Qualifikation bestehender Angebote. Eine Grundausbildung wird durch die Fachschule für Personalvorsorge (Verwaltungsfachmann/-frau mit eidg. Fachausweis und eidg. dipl. Pensionskassenleiter/in) angeboten. Die Fachschule, die Schweizer Personalvorsorge sowie Arbeitgeber- und Arbeitnehmerorganisationen bieten heute Grundkurse für Stiftungsräte an. Viele, vor allem grössere Vorsorgeeinrichtungen, schulen die Stiftungsratsmitglieder in internen Kursen. Eintägige Informationsveranstaltungen werden vom ASIP, von den Aufsichtsbehörden und der Fachzeitschrift AWP angeboten. Hinzu kommen zahlreiche Seminare von Banken und weiteren Anbietern von Dienstleistungen im Bereich der beruflichen Vorsorge. Hier besteht teilweise die Gefahr, dass Produkte oder Verkaufsgespräche im Vordergrund stehen. Eine Umfrage unter Führungsorganen von Vorsorgeeinrichtungen im Jahr 2008 hat ergeben, dass das Ausbildungsangebot grundsätzlich als genügend eingeschätzt wird. Vermisst wird eine gewisse Systematik in der Struktur der Ausbildung. Beim Pensionskassenverband ASIP ist die Aus- und Weiterbildung ein wichtiger Bestandteil des Dienstleistungsangebots. Der ASIP führt mehrmals jährlich Weiterbildungsveranstaltungen für Führungsorgane und Mitarbeitende von Vorsorgeeinrichtungen an. Zu wichtigen Themen der beruflichen Vorsorge erscheinen regelmässig Fachmitteilungen. Bei Spezialfragen kann auch direkt die Geschäftsstelle angefragt werden. Die Aus- und Weiterbildung im Bereich der beruflichen Vorsorge ist eine unabdingbare Voraussetzung um die komplexen Fragen beantworten und die gestellten Aufgaben lösen zu können. Nur wer seinen Kenntnisund Bildungsstand der stetigen Entwicklung der beruflichen Vorsorge anpasst, kann eigenverantwortlich handeln. Verantwortungsbewusste Führungsorgane garantieren eine funktionierende berufliche Vorsorge. n

Daniel Dürr, Geschäftsführer Pensionskasse der technischen Verbände

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Baustelle Rechtsentwicklung Angesichts der selbst in Fachkreisen kritisierten «Verkomplizierung» der Rechtsmaterie scheint der Zeitpunkt gekommen, über eine grundlegende Vereinfachung des Systems ebenso vertieft wie laut nachzudenken. Erste Ansätze dazu wie das im Frühjahr 2007 lancierte Projekt «Neues BVG» des ASIP sind erkennbar. Von Markus Moser Das Bild ist nicht neu, aber immer noch passend: Wäre reiche besonders rasch zu vollziehen. Je ausgeprägter die Zweite Säule ein Bauwerk im architektonischen aber die positiv-rechtliche Durchdringung, desto höher Sinne, wäre dies für das Auge des Betrachters eine ziem- der (punktuelle) Anpassungs- respektive Revisionsbedarf lich verwirrende Angelegenheit, mit Einfügungen, An- und umso rascher der Wandel – ein Teufelskreis. Hinzu und Nebenbauten, Verstrebungen – und mit einem per- kommt, dass Rechtsentwicklung selten als kontinuiermanenten Baugerüst. licher Prozess verläuft; sie erscheint vielmehr, zumindest Dennoch hat sich diese Zweite Säule als ausgespro- aus dem Blickwinkel der Rechtsanwender bzw. -unterchen tragfähig erwiesen; die «Statik» des Bauwerks ist worfenen, mitunter als erratisch. Manche der Verändedemnach einwandfrei. Für das Gesamtsystem der sozi- rungen und Verwerfungen, durch die die Vorsorgelandalen Sicherheit in der Schweiz ist die berufliche Vorsorge schaft seit Inkrafttreten des BVG geprägt wurde, dürfen als zentraler Stützpfeiler unverzichtbar geworden. Ande- durchaus als erdbebenhaft bezeichnet werden. rerseits führt die Intransparenz, die sich aus dem immer Denken wir nur an das Freizügigkeitsgesetz, welches dichter werdenden gesetzlichen und verordnungsrecht- vor fünfzehn Jahren tief in die Finanzierungsgrundlagen lichen Regelwerk, der Heterogenität der massgebenden der Kassen eingriff und damit indirekt den Trend zum rechtlichen Grundlagen und einer nicht immer optimalen Beitragsprimat wesentlich verstärkte, oder an die zeitInformationspolitik der Vorsorge-Akteure ergibt, zu Ver- gleich in Kraft getretene schweizerische Singularität der unsicherung und einem gewissen Misstrauen. Nicht von Wohneigentumsförderung mit Mitteln der beruflichen ungefähr machte die Mär vom «Rentenklau» unlängst wie- Vorsorge. Oder erinnern wir uns an die Einführung der der die Runde. systemwidrigen – inzwischen revidierten – EinkaufsDieser Verunsicherung entgegenzuwirken, den vorsor- beschränkungen im Zuge des so genannten «Stabilisiegeversicherten Menschen eine zurungsprogramms 1998», mit denen frieden stellende Dienstleistung zu die Erlangung des vollen reerbringen und dabei allgemein das glementarischen Vorsorgeschutzes Wissen um die berufliche Vorsorge in gewissen Fällen schlechterdings zu erweitern, dazu sind primär die vereitelt und das Diktum «Hard Pensionskassen und der ASIP als cases make bad law» einmal mehr Fachverband aufgerufen. Aber auch bestätigt wurde. an die Adresse der Politik richtet Ebenfalls nicht zu vergessen sich das Postulat, der vielbeklagten ist die sachlich verfehlte Einführung Komplexität der Materie nicht durch einer Umsatzabgabe auf Wertpermanentes Drehen an der Geschriftentransaktionen und die da2005 setzgebungsschraube weiter Vormit einhergehende fiskalpolitische April, 2. Papst Johannes schub zu leisten. «Beförderung» inländischer VorsorPaul II. stirbt geträger in den Status von EffektenRechtsentwicklung händlern. als Risikofaktor? Durch die Scheidungsrechtsrevision wurde vor zehn In der beruflichen Vorsorge scheint sich nämlich der Jahren ein eigentlicher «Versorgungsausgleich» eingeführt. Wandel der rechtlichen Gegebenheiten seit der Einfüh- Anders als nach früherem Recht, wo die Übertragung von rung des Obligatoriums und der seitdem stetig zuneh- Vorsorgemitteln stets nur auf der Grundlage bestehender menden Regulierung auch der exzedenten Vorsorgebe- Unterhaltsansprüche erfolgen konnte und insofern ledig- ➔

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lich eine neue Finanzierungsmodalität eröffnet worden war, stellt das neurechtliche Institut einen eigenständigen, verschuldensunabhängigen Rechtsanspruch zwischen Güterrecht und nachehelichem Unterhalt dar, wonach die während der Ehedauer erworbenen Austrittsleistungen von Gesetzes wegen hälftig zu teilen sind. Das neue Scheidungsrecht brachte zugleich eine deutlich verstärkte Mitwirkung der Vorsorge- bzw. Freizügigkeitseinrichtungen bereits im Vorfeld der Scheidung mit sich: Während die Höhe der rechnerischen Austrittsleistung im Zeitpunkt des Eheschlusses bereits nach früherem Recht festzuhalten und bei Stellenwechsel der neu zuständigen Einrichtung mitzuteilen war (Art.2 FZV; in Art.24 Abs.2 FZG neu auf Gesetzesstufe geregelt), sahen sich die Vorsorgeträger nun auch bei der Ermittlung des während der Ehe gebildeten Vorsorgeguthabens im Vorfeld der Scheidung formell einbezogen. Kommt eine genehmigungsfähige Einigung über die Teilung nicht zustande (Art.141 ZGB), erlangt die Vorsorgeeinrichtung sodann – neben den geschiedenen Ehegatten – Parteistellung in dem sich an das Scheidungsverfahren anschliessenden sozialversicherungsrechtlichen Prozess (Art.142 ZGB; 25a FZG). Verglichen mit den Teilrevisionen früherer Jahre, war die Bewältigung der in drei Regulierungswellen über die Vorsorgewelt hereingebrochenen sog. 1. BVG-Revision für die mit der Umsetzung befassten Einrichtungen beinahe schon «business as usual».

Judikatur als Katalysator Bisweilen lag das Epizentrum erdbebenhafter Veränderungen nicht in Bern, sondern in der schönen Leuchtenstadt Luzern. Erinnert sei in diesem Zusammenhang an die bekannten EVG-Entscheide 116 V 189 (zur Koordination mit Leistungen eines Trägers der obligatorischen Unfallversicherung beziehungsweise der Militärversicherung) und 118 V 35 (zur haftungsverlängernden Wirkung der Versicherungsklausel des Art.23 BVG) und die dadurch bewirkten tief greifenden Änderungen und neuen Anwendungsfragen, welche in einer umfangreichen Folgerechtsprechung zu klären waren. Insbesondere um Art.23 BVG ist über die Jahre ein kasuistisch-dogmatischer Knoten sprichwörtlich gordischen Ausmasses geknüpft worden, den der Gesetzgeber sich anschickte, im Rahmen der 1. BVG-Revision zu durchtrennen, dann aber «kapitulierte» und es bei punktuellen Eingriffen bewenden liess. Immerhin wurde die Benachteiligung frühinvalider Menschen, die mit einer seit Jugendzeit vorbestehenden Beeinträchtigung der Ar-

beits- bzw. Erwerbsfähigkeit ins Erwerbsleben einsteigen, wenn nicht beseitigt, so doch gemildert. Denkwürdig, wenngleich nur noch von anekdotischem Interesse, ist die vorübergehende Konfusion um die temporäre Ausgestaltung umhüllender Invalidenrenten, die mit einem veritablen Canossa-Gang des EVG endete (BGE 127 V 259; 130 V 369 ff.).

Praktikabilitätsansätze vorhanden … Wie wir uns erinnern, war man mitunter sogar «pragmatischer», als der Gesetzgeber erlauben wollte. So war in den Anfangszeiten des BVG die Koordination gesetzlicher Vorsorgeleistungen mit jenen eines Trägers der obligatorischen Unfallversicherung bzw. der Militärversicherung zunächst verordnungsrechtlich – und ausgesprochen «pragmatisch» – im Sinne des Prinzips der strikten Subsidiarität geregelt worden. Danach waren die Vorsorgeeinrichtungen legitimiert, ihre Leistungspflicht schlechterdings «wegzubedingen», sofern ein Leistungsanspruch nach UVG respektive MVG bestand. Erst mit dem vorerwähnten, wegleitenden Urteil BGE 116 V 189 ff. wurde diese Praxis als im Obligatoriumsbereich gesetzwidrig disqualifiziert. Im Sinne einer abgeschwächten Subsidiarität hatten die Vorsorgeeinrichtungen fortan die obligatorischen Invaliditätsleistungen in den Schranken von Art.24 BVV2 bis zur Höhe von 90 % des «mutmasslich entgangenen Verdienstes» auszurichten. Seit Anfang 2005 können sie, entsprechende Reglementierung vorausgesetzt, nicht nur das tatsächlich erzielte, sondern auch das «zumutbarerweise noch erzielbare Erwerbseinkommen» in die Kürzungsberechnung einbeziehen (vgl. BGE 134 V 64 ff.).

… aber kaum konsequent verfolgt Summa summarum kann man nicht umhin festzustellen, dass die zunehmende Regulierungsdichte im Recht der beruflichen Vorsorge dessen korrekte Umsetzung und ordnungsgemässe Anwendung nicht gerade vereinfacht hat. Zwar sind Ansätze zu «praktikablen» Vorgaben und Lösungen (auch) in der Rechtsetzung durchaus vorhanden. Angesichts der selbst in Fachkreisen kritisierten «Verkomplizierung» der Materie scheint jedoch der Zeitpunkt gekommen, über eine grundlegende Vereinfachung des Systems ebenso vertieft wie laut nachzudenken. Erste Ansätze dazu sind erkennbar – das im Frühjahr 2007 lancierte Projekt «Neues BVG» des Pensionskassenverbandes ASIP ist ein gutes Beispiel dafür; doch sind solche Bestrebungen derzeit noch weit davon entfernt, als politisches Postulat auf-, geschweige denn als programmatisches Prinzip ernst genommen zu werden. n

Dr. iur. Markus Moser, Geschäftsführer Pensionskasse Novartis

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Zweite Säule und Arbeitgeber Die Beziehung des Arbeitgebers zur Zweiten Säule ist eng. Dies hat mit der vom Gesetzgeber für ihn vorgesehenen Rolle zu tun – mit der Mitgliedschaft seiner Arbeitnehmer, mit seiner Pflicht zur Finanzierung und mit seinem wichtigen Platz in der Struktur der Vorsorgeeinrichtung. Von Blaise Matthey Die enge Verbindung zwischen Arbeitgeber und Zweiter Säule kann zunächst historischen Tatsachen zugeschrieben werden: Zu Beginn der Zweiten Säule standen die Arbeitgeber, die aus freien Stücken Solidaritätseinrichtungen ins Leben riefen und auf diese Weise das zentrale Gerüst des aktuellen Systems schufen. Von Anfang an prägten sie in starkem Masse den pragmatischen Ansatz, der fernab von einem staatlich organisierten System oder von Sozial- und Privatversicherungen sui generis gewählt wurde. Gewiss war man unter den Arbeitgebern manchmal geteilter Meinung darüber, was die Zweite Säule im Hinblick auf die Gesetzgebung und die Vorsorgeeinrichtungen hätte sein sollen, und auch heute ist man sich darüber nicht immer einig. Trotzdem haben die Arbeitgeber der Zweiten Säule gewissermassen ihre Form verliehen und in Momenten, in denen Dinge in Frage gestellt werden, wirft man das, zu dessen Erschaffung man beigetragen hat, nicht einfach über Bord.

Arbeit und Sozialverantwortung

gesellschaftliche Verantwortung der Unternehmer erkennen. Zwar ist die Zweite Säule in der Schweiz obligatorisch, intelligenterweise wurde jedoch ein Mindestrahmen eingeführt, der den Arbeitgebern einen beträchtlichen Handlungsspielraum lässt – sowohl in Bezug auf die Übernahme der Beiträge als auch in Bezug auf die Versicherungsleistungen. Dieser Handlungsspielraum wird von zahlreichen Arbeitgebern ausgeschöpft. Die Zweite Säule ist somit nicht nur ein hilfreiches Instrument zur Anwerbung von Mitarbeitern, sondern auch ein Werkzeug zur Vermittlung der Philosophie und der Werte des Unternehmens. Bedauerlicherweise wird dieser Punkt von den Arbeitgebern nicht immer in den Vordergrund gestellt und von den Arbeitnehmern zu wenig in Betracht gezogen, obwohl es sich hierbei um einen Aspekt handelt, der bei der Entstehung einer Vertragsbeziehung unbedingt in Betracht gezogen werden sollte. Eine gute berufliche Vorsorge ist nicht nur eine Garantie für den Arbeitnehmer, sie ist auch ein Wettbewerbsfaktor für das Unternehmen auf einem Arbeitsmarkt, der durch einen immer härteren Kampf um qualifizierte Arbeitnehmer gekennzeichnet ist.

Es ist zu betonen, dass die Arbeitgeber das Verhältnis zu den Arbeitnehmern immer schon in einem weiteren Rahmen als lediglich im Ein institutionalisierter Zusammenhang mit dem Lohn beDialog trachtet haben. Ein leistungsfähiges Die Zweite Säule ist auch ein BeiUnternehmen kann sich nicht damit spiel für einen institutionalisierten zufrieden geben, für die Schaffung Dialog zwischen Arbeitgebern und eines kompetitiven Arbeitsrahmens 2006 Arbeitnehmern im Hinblick auf eine einzig das Lohnargument geltend Februar, 14., Die UBS weist für 2005 gemeinsame Thematik: die finanzimit 14 Mia. Franken den Rekordzu machen, so sehr dies in schwie- gewinn ihrer Geschichte aus. ellen Ressourcen beider Seiten. Die rigen Zeiten auch richtig scheinen paritätische Funktionsweise der mag. Vorsorgestiftung ist von grundlegender Bedeutung für die In diesem Zusammenhang liess die Zweite Säule – ge- Sicherung der Einkommen der heutigen und zukünftigen nau wie die Gestaltung der Arbeitsplatzes, die umwelt- Rentner. schonenden Transporte oder die mit dem Familienleben Die gemeinsame Betrachtung der Aktiv- und Passivpozu vereinbarenden Arbeitszeiten – bereits zu Beginn eine sten in der Bilanz ist einer der besten Wege für die Mit- ➔

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glieder eines Stiftungsrates, sich der Realität des Marktes und des demografischen Wandels zu stellen und darüber zu diskutieren. Das gemeinsame Wissen ist hierbei ein Vorteil, da sich bei Schwierigkeiten niemand hinter seiner Unkenntnis der Sachverhalte verschanzen kann. Dieses Wissen ist auch Ausdruck hoher Transparenzanforderungen und einer soliden Verwaltung der Vermögensanlagen und erweist sich als ausgezeichneter Schutz vor den Bestrebungen derjenigen, welche die Zweite Säule schwächen oder gar abschaffen wollen. Ganz allgemein konfrontiert die paritätische Verwaltung, die manche als Schreckgespenst darstellen, die Beteiligten mit der Realität des Unternehmens und der Märkte. Sie fördert das Verständnis der Gesamtzusammenhänge in der Wirtschaft und bringt dem Bürger das Wirtschaftssystem näher.

Ungewissheit über die Form Es ist selten, dass sich Arbeitgeber für die vollständige Aufhebung der Zweiten Säule zugunsten einer Erweiterung der Ersten Säule oder der privaten Vorsorge aussprechen. Tatsächlich fällt es schwer, den Sinn einer solchen Aufhebung zu erkennen, wo doch der mit der Zweiten Säule verbundene soziale Dialog regelmässig als einer der Schlüsselfaktoren der wirtschaftlichen Wettbewerbsfähigkeit des Landes beschrieben wird. Die angemessenste Form, welche die berufliche Vorsorge annehmen sollte, sowie die zur Sicherung ihres Fortbestehens zu ergreifenden Schutzmassnahmen jedoch stehen regelmässig im Zentrum lebhafter Debatten. So haben beispielsweise die Probleme der Unterdeckung sowie der Umsetzung der internationalen Rechnungslegungsnormen Fragen zur Zweckmässigkeit der engen Verbindung der Zweiten Säule mit dem Unternehmen ausgelöst. Einige Arbeitgeber haben sich für eine klarere Trennung zwischen dem Unternehmen und der Pensionskasse des Unternehmens ausgesprochen, da in ihren Augen Flexibilität und Leistung für die Versicherungsnehmer allein auf diese Weise sichergestellt werden können. Vor dem Hintergrund individueller Bestrebungen sowie der Börsenbewertung wurde das aktuelle Modell, bei dem das Unternehmen im Zentrum steht, in Frage gestellt, ohne dass jedoch die anderen in Betracht gezogenen Formen gegenüber dem bestehenden Modell eine reelle Chance gehabt hätten. Die Entwicklung hin zu individuelleren Lösungen würde die Rolle des Arbeitgebers im Hinblick auf die Vorsorge verändern. Dies entspricht nicht den Wünschen einer Mehrheit der Arbeitgeber. Eine Abstufung bei den Verbindungen zwischen Arbeitgeber und Pensionskasse besteht

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jedoch aufgrund der vielfältigen Bedürfnisse, die erfüllt werden müssen.

Unterschiedliche Lösungen Von den drei im Augenblick zur Verfügung stehenden Modellen (firmeneigene Stiftung, Gemeinschaftsstiftung und Sammelstiftung) steht die firmeneigene Stiftung dem Unternehmen am nächsten. Sie ist Ausdruck einer engen Verbindung zwischen Arbeitsbeziehung und sozialer Absicherung. Die Zusammenlegung von Ressourcen ermöglicht sowohl innerhalb des Unternehmens als auch innerhalb der Pensionskasse eine bessere Nutzung von Kompetenzen sowie eine Senkung der Verwaltungskosten. Die firmeneigene Stiftung schafft eine Nähe zwischen dem Arbeitgeber und den Arbeitnehmern, da sie ausschliesslich Personen aufnimmt, die im Unternehmen tätig sind. Dieses Modell entspricht der ursprünglichen Ausrichtung der betrieblichen Vorsorgeeinrichtung, die auf dem Unternehmen und den indirekten Vorteilen beruht, die das Unternehmen seinen Mitarbeitern bietet. Es ist daher kaum verwunderlich, dass viele Grossunternehmen dieses Modell wählen und dass diese Vorsorgeeinrichtungen oft Leistungen bieten, die über die gesetzlichen Mindestleistungen hinausgehen. Nimmt man die Grösse als Kriterium, so ist dieses Modell für KMUs offensichtlich weniger geeignet. Diese nutzen für ihre Vorsorgebedürfnisse Gemeinschafts- und Sammelstiftungen. Doch auch hier ist Flexibilität kein Ding der Unmöglichkeit. Die KMU können zwischen einer ganzen Reihe unterschiedlicher Pläne wählen und gegebenenfalls über die vom Gesetz oder vom Gesamtarbeitsvertrag (GAV) vorgeschriebenen Mindestbeträge hinausgehen. Auf diese Weise haben auch sie die Möglichkeit, die Leistungen aus der beruflichen Vorsorge als Wettbewerbsvorteil einzusetzen. Die Sozialpartner können in einzelnen Sektoren selbst Verbesserungen ausarbeiten, wie dies im Bauwesen mit der Einführung der vorgezogenen Rente geschah. Das Wichtigste ist im Grunde genommen, dass die Gesetzgebung verschiedene Arten der Altersvorsorge zulässt, die den verschiedenen Arten von Unternehmen in der Schweiz entsprechen und die kollektiven und individuellen Bestrebungen der Arbeitgeber berücksichtigen. Notwendig ist auch, dass die gewählte Form übermässige Kosten für Arbeitgeber und Versicherte vermeidet, was dann der Fall ist, wenn Aufgaben gemeinsam angegangen werden – sei dies durch das Unternehmen und die Stiftung oder sei dies durch die Gesamtheit aller bei einer Pensionskasse versicherten Arbeitgeber. Manchmal schüren Arbeitgeber Unsicherheiten im Zusammenhang mit der Komplexität des BVG. In ge- ➔

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wisser Hinsicht liegt diese Komplexität im BVG selbst, zumal es zahlreiche Experten (Aktuare, Finanzanalytiker, Kassiere usw.) vorsieht. Damit die Zweite Säule für die Arbeitgeber weiterhin attraktiv bleibt, müssen die Zahlen und Fakten in aller Offenheit erklärt und zugänglich gemacht werden – zu diesem Zweck sind entsprechende Fähigkeiten zu nutzen. Die technolo-

gische Entwicklung macht dies möglich, obwohl hinter der geschaffenen Einfachheit immer mehr Komplexität und Investitionen stecken. In den 25 Jahren seines Bestehens hat sich das BVG verändert, doch es hat uns erlaubt, den Bedürfnissen der Arbeitgeber im Bereich der Vorsorge gerecht zu werden, was eine der grundlegendsten Aufgaben war. n

Blaise Matthey, Generaldirektor FER Genf

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Als Jubiläumsbeilage eine CD! 25 Texte zur Entwicklung der beruflichen Vorsorge

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Unter internationalem Einfluss Unser Vorsorgesystem kann sich nicht von den Entwicklungen im Ausland abkapseln, ohne dass das Anlagevermögen der Zweiten Säule und die Vorreiterrolle, die das Schweizer System im Vorsorgebereich einnimmt, beeinträchtigt werden. Von Christian Cuénoud Man hört in der Schweiz oft, das Schweizer Vorsor- findet in der Zukunft statt und ist manchmal bedeutenden gesystem funktioniere gut und es sei im weltweiten Ver- unvorhersehbaren Konjunkturentwicklungen ausgesetzt. gleich eines der besten. Eine vor Kurzem durchgeführte Hierzu ist beispielsweise das amerikanische System 401K Studie der Consultingfirma Mercer hat laut der Schweizer zu erwähnen, in dem die Ereignisse aus dem Jahre 2008 Tageszeitung «Le Temps» vom 25. Februar1 das internatio- effektiv zu einer beträchtlichen Verringerung des verfügnale Ansehen des Schweizer Vorsorgesystems tatsächlich baren Kapitals eines Rentnerjahrgangs führten. bestätigt. In dieser Studie belegt die Schweiz vor Ländern wie den Niederlanden, Australien, Schweden, Kanada Anlagepolitik im Ausland und dem Vereinigten Königreich den ersten Rang bei den Es ist interessant, sich die Frage zu stellen, warum die Vorsorgesystemen. In Bezug auf die Vorsorgeleistungen Schweiz im Bereich der sozialen Sicherheit so gut abwird die Schweiz nur von den Niederlanden übertroffen, schneidet? Fest steht, dass sich das Land in diesem Bebei der Finanzierung des Systems befindet sich die reich als offen, erfinderisch und pragmatisch erwiesen Schweiz dagegen vor den Niederlanden. Die Mischform hat. Die Schaffung der AHV am Ende des Zweiten Weltzwischen Umlageverfahren und Kapitaldeckungsverfah- krieges im Jahre 1948 war ein Schlüsselelement, auf das ren trägt bedeutend zum Erfolg des Schweizer Modells sich 35 Jahre später unser System der beruflichen Vorsorbei. ge abstützte, dessen 25. Jubiläum wir heute feiern. Im Es wäre jedoch etwas überstürzt, daraus zu schliessen, Jahre 1985 begann eine neue Ära, in deren Verlauf sich dass kaum ein anderes Land so erfolgreich ist wie wir die berufliche Vorsorge sowie das Drei-Säulen-Konzept und dass wir über ein perfektes System verfügen. Anzu- entwickelt haben. nehmen, die Schweiz könne sich nun auf ihren LorbeeGemäss dem Bild von der Schweiz sollte die Zweite ren ausruhen, wäre falsch: Zum eiSäule offen sein. Seit ihrer Einsetnen hat die erwähnte Studie nämlich zung kann ein Teil des Vermögens auch ergeben, dass die Schweiz bei im Ausland angelegt werden. Es den Rahmenbedingungen, zu destimmt, dass der Schweizer Markt nen Mercer Aspekte wie Lenkungsim Bereich der Kapitalanlagen zu strukturen, Transparenz und Regleeng ist. Eine Öffnung gegenüber mentierung zählt, lediglich den dem Ausland ist daher natürlich sechsten Platz einnimmt. Zum anund für eine ausgewogene Anlagederen ist die aktuelle Situation nur politik unerlässlich. Ungefähr ein eine Momentaufnahme. Des WeiViertel des BVG-Vermögens wird teren gibt es in der Schweiz seit 2007 im Ausland angelegt − Anleihen März Dem wärmsten Winter jeher vereinzelte ältere Bevölkeausländischer Emittenten in der Zeiten folgt in der Schweiz rungsgruppen, die finanziell nicht aller Schweiz sowie durch die Vorsorgeeiner der wärmsten Frühlinge genügend abgesichert sind. einrichtungen getätigte Investitialler Zeiten. Wie in anderen Sektoren − oder onen in Schweizer Weltkonzerne, gar noch mehr als in anderen Sektoren − sind Errungen- deren Aktivität im Ausland manchmal bis zu 90 % ausmaschaften im Sozialversicherungsbereich nie definitiv. Was chen, sind dabei nicht einberechnet. Man hört in der heute als gegeben gilt, kann morgen wieder in Frage ge- Schweiz häufig, dass jeder zweite Franken im Ausland stellt werden. Die Bildung eines Sparvermögens erfolgt verdient werde. Bei der Bildung des Vorsorgevermögens unter bekannten Umständen − seine Verteilung hingegen verhält es sich nicht anders. ➔

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Wenn man ausserdem auf internationaler Ebene das Wachstum von Vorsorgefonds vergleicht, stellt man auch hier fest, dass die Schweiz den ersten Platz belegt. Das Vorsorgevermögen machte im Jahre 1990 56 % des BSP aus, während es im Jahre 2006 123 %2 des BSP betrug. Es handelt sich hierbei nicht nur um den relativ stärksten Anstieg bei den Vorsorgevermögen sämtlicher OECDLänder im Laufe der letzten 16 Jahre, sondern auch um das höchste Niveau von Ersparnissen, die mit der Vorsorge verbunden sind; vergleichbar ist es lediglich mit jenem der Niederlande. Es handelt sich hier um wichtige strukturelle Veränderungen, denn ein sehr grosser Teil der Rentenfinanzierungsmittel für die Einwohner der Schweiz ist nicht allein von den in der Schweiz gebildeten Vermögen abhängig, sondern auch von den Ersparnissen von in der Schweiz wohnhaften Personen, die im Ausland gebildet und anlegt wurden. Wie man sehen kann, ist das Schweizer System der Vorsorgeeinrichtungen stark vom Ausland abhängig. Diese Abhängigkeit ist dem System inhärent und entspricht der Tendenz zur Globalisierung der Märkte und des Finanzsektors. Die Schweiz wird daher mehr und mehr allen internationalen Strömungen ausgesetzt sein; ihre Widerstandskraft und ihr Handlungsspielraum gegenüber der Aussenwelt werden immer begrenzter. Die Frage des Bankgeheimnisses, die Migrationsströme, die Kapitalfreizügigkeit sowie die EU-Richtlinien, etwa im Zusammenhang mit den Einrichtungen der betrieblichen Altersversorgung3 (EbAV), erhalten eine grundlegende Bedeutung. Hierbei ist interessant, dass dieser internationale Einfluss im Bereich der Zweiten Säule in der Schweiz noch nie umfassend untersucht, geschweige denn auf politischer Ebene koordiniert angegangen wurde.

Ausnahmefall Schweiz Angesichts dieser Situation haben sich mehr und mehr auf das Schweizer Modell abgestimmte Lösungen aufgedrängt. Dies gilt beispielsweise für die Normen der Rechnungslegung, wobei die Swiss GAAP FER 26 die anzuwendende Norm ist. Unter Berücksichtigung etwa der Zersplitterung des schweizerischen Systems ist es beachtenswert, dass die Fachempfehlung selbst (im Gegensatz zu den internationalen Rechnungslegungsstandards) keine bindenden aktuariellen Bestimmungen enthält. Des Weiteren lässt die Swiss GAAP sowohl die statische als auch die dynamische Methode für die Berechnung der Vorsorgekapitalien und der technischen Rückstellungen zu. Die Schweiz hat daher keine gemeinsamen realistischen und nicht politisch gesteuerten aktuariellen Grundlagen. Der Ausnahmefall Schweiz kommt auch bei der Transparenz der Buchhaltung von Vorsorgeeinrichtungen zum

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Ausdruck. Es ist offensichtlich, dass der Ausweis der Kosten für die Verwaltung beweglicher und unbeweglicher Güter sowie der Administrativkosten nicht den rigorosen, durch die internationalen Rechnungslegungsnormen (IAS19) festgelegten Kriterien entsprechen. Auf europäischer Ebene greift das Fehlen einer freien Übertragung von Austrittsleistungen zwischen den schweizerischen und den europäischen Vorsorgeeinrichtungen die Freizügigkeit für Arbeitnehmer in ihren Grundfesten an. Die neulich erfolgte Einschränkung der Möglichkeit einer Barauszahlung der Austrittsleistung aufgrund des Abkommens über die Personenfreizügigkeit stellt ein weiteres Beispiel dar für das Abhängigkeitsverhältnis zwischen unserem System und dem Ausland (in diesem Falle der Europäischen Union). Schliesslich kommt der Sonderfall Schweiz auch beim Projekt eines einheitlichen europäischen Marktes für Finanzdienstleistungen zum Ausdruck. Die Möglichkeit zur Schaffung von Einrichtungen der betrieblichen Altersversorgung (EbAV) kommt in der Schweiz nicht zur Anwendung. Die Schweiz hätte ohne jeden Zweifel einen Trumpf in der Hand, wenn sie die Gelegenheit, bei diesem Projekt mitzutun, ergreifen würde. Denn unser Land verfügt über weitreichende Erfahrungen im Vorsorgebereich (verschiedene Rentenpläne, Mehrsprachigkeit, Erfahrung im Anlagebereich, Offenheit, etc.). Das Schweizer Vorsorgesystem ist eines der besten der Welt, und die Schweiz sollte daher die sich ihr bietende Chance nutzen, um ihre Leistungen im Bereich der EbAV und der damit verbundenen Dienstleistungen anzubieten. Der direkte Zugang zum europaweiten Markt ist jedoch noch nicht erreicht, und die aktuelle Position der Schweiz, etwa im Zusammenhang mit dem Bankgeheimnis, ist dieser Art Initiative nicht förderlich. Es besteht kein Zweifel, dass die EbAV den Bürgern der EU bedeutende Vorteile bringen (Zusammenlegung des Vermögens, geteilte Verwaltungskosten und Risiken). Falls es sich bestätigen sollte, dass die Schweiz sich nicht an diesem Projekt beteiligt, bedeutet dies eine verpasste Chance, was sich für die Schweiz nachteilig auswirken kann.

Die Spitzenposition halten Zusammengefasst kann gesagt werden, dass die Umwandlung des gebildeten Vorsorgekapitals in einen monatlichen Rentenfluss effizient zu erfolgen hat: zu möglichst geringen Kosten und so sicher wie möglich. In dieser Hinsicht kann die Schweiz als gutes Beispiel vorangehen, denn es ist ihr gelungen, im Bereich der beruflichen Vorsorge eine Spitzenposition einzunehmen und dabei den Kollektivcharakter der Anlagen sowie Solidaritätsbeziehungen aufrechtzuerhalten, die für die Zukunft der Vorsorge von grundlegender Bedeutung sind. Ein ➔

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paar Mängel bleiben jedoch bestehen; internationale Vergleiche ermöglichen die Identifizierung von Bereichen, in denen Verbesserungen möglich sind. Im Hinblick auf technische Zinssätze, aktuarielle Grundlagen und Solvabilitätstests sind die bestehenden Abweichungen unter den schweizerischen Vorsorgeeinrichtungen noch zu gross. Was die Kosten und die Transparenz betrifft, kann das System zweifellos verbessert werden. Wenn man sich an internationalen Standards messen will, sollte im Bereich der Lenkungsstrukturen das für die heutigen Vorsorgeeinrichtungen charakteristische Milizsystem im Hinblick auf eine stärkere Professionalisierung überprüft werden. Zumindest wäre es wichtig, dass sich die Lenkungsorgane der Vorsorgeeinrichtungen vermehrt Fragen zu Risiken, Anlageansätzen, neuen Finanztechniken so-

wie zu Instrumenten zur Kontrolle der Anlagepolitik stellen. Fest steht, dass sich das Schweizer Vorsorgesystem nicht von der Aussenwelt abkapseln kann, ohne dass das Anlagevermögen der Zweiten Säule und die Vorreiterrolle, die das Schweizer System im Vorsorgebereich einnimmt, beeinträchtigt werden. n

1

Melbourne Mercer Global Pension Index, in den die Schweiz auf

Antrag der Neuen Zürcher Zeitung neben elf als bedeutend eingestuften Ländern Europas, Asiens sowie Süd- und Nordamerikas aufgenommen wurde. 2

Quelle: Group of Ten (2005) and OECD (Global Pension Statistics).

Die Zahlen für das Jahr 2006 sind Schätzungen. 3

Englisch: IORP (Institution for Occupational Retirement Provision)

Christian Cuénoud, Direktor Pensionskasse CERN

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Wie kann es weitergehen? Am 25. Geburtstag des BVG müssen wir auch darüber nachdenken, welche Form der Vorsorge unsere Nachfahren einst benötigen werden − in einer Gesellschaft, die sich in den letzten 25 Jahren vielleicht stärker verändert hat als im ganzen Jahrhundert davor? Von Daniel Thomann

Die Geburt

Die Jugend

Das Bundesgesetz über die berufliche Alters-, Hinterlas- Ein Kind mit einer vielversprechenden Zukunft: Es gesenen- und Invalidenvorsorge feiert seinen 25. Geburts- nügte, ihm etwas Spielraum zu geben, damit es sich enttag! Vor 25 Jahren kam es zur Welt, empfangen wurde es falten konnte. Doch wie viele gute Feen kümmerten sich jedoch bereits im Jahre 1972 bei der Abstimmung über im Laufe der Jahre um das heranwachsende Kind! Sie das Drei-Säulen-Prinzip, das heute eindeutig in der Bun- waren bestrebt, seine Ausbildung sicherzustellen, es auf desverfassung verankert ist. Perfektion zu drillen und ihre eigenen Träume in ihm zu Zehn Jahre der Vorbereitung zwischen der initialen verwirklichen. Wie zu befürchten war, hatte dies sowohl Abstimmung und der Geburt eines Gesetzes waren nö- positive als auch negative Auswirkungen! tig. Erinnern wir uns aber daran, dass es während der In den Bereich der positiven Auswirkungen gehört siSchwangerschaft beinahe zu einem Abbruch gekommen cherlich das Freizügigkeitsgesetz (FZG) − eine natürliche wäre, als der Ständerat eine erste, vom Nationalrat erar- Verlängerung des BVG, das die Polemik über die volle beitete Gesetzesvorlage über das Leistungsprimat bach- Freizügigkeit auf wundersame Weise und endgültig verab schickte. In der Folge erarbeitete die Bundesver- stummen liess. Es erlebte aber auch mit, wie das BVG sammlung jedoch das, was im Jahre 1982 das BVG seinen Einfluss strukturell hin zu einer überobligatowerden sollte: Ein deutlich anderes Konzept, bei dem rischen Vorsorge ausweitete. In den Bereich der negasich damals alle einig waren, es handle sich um das tiven Auswirkungen gehört vermutlich die WohneigenBeitragsprimat. Nach rund drei weiteren Jahren der Be- tumsförderung, die nicht nur eine äusserst komplexe ratungen über die Umsetzungsverordung wurde das administrative Struktur aufweist, sondern auch eine VerBVG schliesslich aus der Taufe gemischung der Funktionen nach sich hoben. zieht und einen Teil der beruflichen Das Kind kam gesund zur Welt Vorsorge Tag für Tag seinen urund erfüllte im Grossen und sprünglichen Zwecken entfremdet. Ganzen die in es gesetzten ErwarEs folgte eine Zeit des Durchtungen: Ein Rahmengesetz, das einanders, die geprägt war von die bestehenden Altersvorsorgezahlreichen Änderungen in den einrichtungen, von denen einige Verordnungen, Richtlinien der Aufdamals bereits über 50 Jahre alt sichtsbehörden, Gerichtsurteilen, waren, respektierte; ein System, schweizerischen und internationadas auf einer Milizverwaltung auflen Normen der Rechnungslegung, gebaut war, die ihrerseits die Desachkundigen Empfehlungen, Ver2008 zentralisierung des Systems ga- September, 15., Die Lehmanhaltenskodices usw. rantierte; ein Gesetz zwar, aber Brothers sind insolvent. So hat das BVG mit viel Flickarein Gesetz, dessen Hüter die Sozibeit, Ausbesserungen und gutem alpartner selbst waren; ein wirtschaftlich tragbares Willen allmählich doch das Erwachsenenalter erreicht. Unterfangen, das die Wettbewerbsfähigkeit der Dabei folgte es dem Naturgesetz der Entropie, das beSchweizer Wirtschaft nicht in zu starkem Masse ein- sagt, dass sich jedes organisierte System unaufhaltsam auf schränkte und somit einen unleugbaren sozialen Fort- einen Zustand des Chaos zubewegt: Es wurde in ein Korschritt darstellte. sett gezwängt, erhielt nur wenig Bewegungsfreiheit und ➔

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schliesslich des institutionellen Kapitals und der sich daraus ergebenden Arbeitsplätze, anderswo geschaffen wurden?

war nicht mehr in der Lage, sich neu zu erfinden und den Tanz der Dynamik und der Kreativität mit offenen Armen zu empfangen.

Ein Blick in die Zukunft

Das Erwachsenenalter Im Jahre 2010 erreichte das BVG das Erwachsenenalter − ein Alter, in dem man wichtige, richtungsgebende Entscheidungen trifft, in dem man den elterlichen Hafen verlässt und sich auf die Meere des Lebens hinauswagt. Vielleicht ist es für die Eltern und die gutmeinenden Patinnen und Paten nun an der Zeit, Bilanz zu ziehen und einiges infrage zu stellen. Die Debatte über den Umwandlungssatz, der auf nationaler Ebene dem unfehlbaren Urteil des Stimmvolkes unterworfen wird, kommt vielleicht gerade zur rechten Zeit − wie ein Katalysator, der es ermöglicht, eine Reihe von möglicherweise angebrachten Fragen aufzuwerfen und zu überdenken. Die versicherungstechnischen Methoden und das Recht mögen zwar manchmal hilfreiche Antworten liefern, doch wäre es wichtig, sich zuerst einmal darauf zu einigen, was denn überhaupt die tatsächlich wichtigen Fragen sind! Im Folgenden werden die aktuellen Fragen zum verfassungsmässig verankerten DreiSäulen-Prinzip aufgelistet, vermutlich wären es noch einige mehr: n Soll das BVG als uneheliches Kind der Politik und der wirtschaftlichen Macht mehr zu dem von ersterer geerbten Charakter als Sozialversicherung tendieren oder sollen – umgekehrt − eher die von letzterer geerbten Gene zum Ausdruck kommen, so dass sich das BVG strikt an die Marktregeln hält, selbst wenn diese wild und ungezügelt sind oder gar von der Wirtschaft selbst mit Füssen getreten wurden? n Will man das ursprüngliche Beitragsprimat so beibehalten, wie es nach dem Tauziehen zwischen den beiden Parlamenten im Jahre 1982 geschaffen wurde, oder will man der Versuchung von Garantien nachgeben, die mehr dem Leistungsprimat entsprechen, beispielsweise der Garantie des Umwandlungssatzes, den das Volk im Anschluss an eine mehr ideologisch, denn faktisch geprägte Debatte gewählt hat? n Ist man gewillt, das System weniger komplex zu gestalten und – falls es nicht schon zu spät ist – endlich von diesem ungezügelten Kurs hin zu mehr Perfektion abzukommen, zumal dabei ja doch nur wieder neue Widersprüche geschaffen werden und der Sinn der ursprünglichen Vorlage verloren geht? n Und will man sich der Dynamik der europäischen Pensionskassen anschliessen, Hanspeter Konrad anstatt zuzusehen, wie der Zug ohne uns ASIP abfährt, so dass wir eines Tages Direktor feststellen müssen, dass die Kompetenzzentren, ein-

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Am 25. Geburtstag des BVG sollte es erlaubt sein, etwas von der Zukunft zu träumen. Angenommen, wir könnten uns alle für einen kurzen Augenblick von unseren geistigen Beschränkungen befreien, müssten wir dann nicht darüber nachdenken, welche Form der Vorsorge unsere Nachfahren benötigen werden − in einer Gesellschaft, die sich in den letzten 25 Jahren vielleicht stärker verändert hat als im ganzen Jahrhundert davor? n Auflösung der Grenzen: Wir leben in einer immer stärker dezentralisierten Gesellschaft, die vernetzt ist und in der die Grenzen von Zeit und Ort verschwimmen, weil jeder virtuell stets zur gleichen Zeit überall ist, am Arbeitsplatz und bei sich zu Hause, selbstständig und angestellt, angestellt und in Rente, angestellt bei zahlreichen Arbeitgebern, gleichzeitig mit unterschiedlichen Aufgaben beschäftigt! Für wie lange kann in einem derartigen Umfeld eine klare Unterscheidung zwischen Angestellten, Selbstständigen, Rentnern und Kombinationen dieser Gruppen aufrecht erhalten werden? n Unaufhaltbare Beschleunigung: Wir leben in einer Gesellschaft, die sich an der Geschwindigkeit berauscht, in der ein Ereignis das nächste jagt und die für diesen Geschwindigkeitswahn Übersichtlichkeit, Qualität und gründliche Überlegungen über Bord wirft. Man denke nur an die Informationsberge, die sich jeden Tag auf unseren Tischen stapeln; ein kurzer Blick darauf genügt, und schon sind sie wieder vergessen, unkontrolliert und unkontrollierbar! Wie kann man in einem solchen Umfeld eine Zweite Säule glaubwürdig machen, die auf die Realitäten des letzten Jahrzehnts, ja sogar des letzten Vierteljahrhunderts ausgerichtet ist, wo doch die Generationen schon heute daran zweifeln, dass sie eines Tages von den Sozialleistungen, an die sie einen finanziellen Beitrag leisten, profitieren können? n Humanwissenschaften: Die Demographie beweist uns, dass wir altern; die Soziologie spricht von der Explosion der Kernfamilie; Studien zu den Geburtenzahlen belegen, dass wir eine Gesellschaft von Einzelkindern schaffen; die Psychologie sagt uns, dass all das nicht besser und nicht schlechter ist als die alten Modelle, sie bereitet uns auf eine Gesellschaft vor, die sich ohne Zweifel deutlich von derjenigen unterscheidet, die uns vertraut war! Dies sind Fakten, und es ist unwahrscheinlich, dass sich dieser Trend in Zukunft wendet. Wie kann da vermieden werden, dass die ➔

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Zweite Säule, die auf dem Konzept der Kernfamilie beruht, immer weniger dem Gesellschaftsmodell entspricht, auf das wir zusteuern? n Marktwirtschaft: Die Marktwirtschaft ist vermutlich die Grundlage schlechthin für unseren Wohlstand, die Beschäftigung und die Löhne. Infolgedessen generiert sie die Beträge, die zur Finanzierung des BVG aufgewendet werden. Sie ist auch die Triebfeder der Kapitalbildung, wie sie im Rahmen der Zweiten Säule praktiziert wird. Zugleich aber muss man auch anerkennen, dass sie in der jüngsten Krise, die die Märkte durchgeschüttelt hat, von ihrer Pracht verloren hat. Es ist, als ob sie nach dem Fall der Mauer einen Widerstand verloren hätte, der sie zur Vernunft brachte. Befreit von diesem Geländer kam es mit der Zeit zu den schlimmsten Auswüchsen. Mittlerweile scheinen sich die Wellen natürlich wieder geglättet zu haben. Aber wie kann man das Vertrauen der Versicherten und der Bürger wieder herstellen? Wie kann man sie davon überzeugen, dass das Kapital und die Renditen trotz

allem weiterhin eine solide Grundlage für die materielle Sicherheit ihres Lebensabends bleiben?

Für die Dauer eines Augenblicks Nur Fragen für heute! Und wie viele Fragen erst für morgen! Natürlich haben wir uns vom BVG entfernt, indem wir über all die Dinge nachgedacht haben, die uns bewegen. Wo sollen wir beginnen? Und wie sollen wir die Dinge angehen? Keine Reglemente mehr erlassen, sondern – im Gegenteil − den Rahmen sprengen? Es bräuchte Mut, es bräuchte sogar Kühnheit und damit Beherztheit, wie Edmond Rostand gesagt hätte, der Beherztheit in seinem «Cyrano de Bergerac» folgendermassen definiert: «Beherztheit, das ist nicht Grösse, sondern etwas, das über Grösse hinausgeht. Beherztheit, das ist der Geist der Tapferkeit. Spassen im Angesicht der Gefahr, das ist der Gipfel der Höflichkeit, eine sanfte Weigerung, das Tragische an sich zu sehen. Beherztheit ist die Keuschheit des Heldenmuts, wie ein Lächeln, mit dem man sich dafür entschuldigt, bewundernswert zu sein.» n

Daniel Thomann, Pensionskassen-Experte Hewitt Associates SA

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Kommunikation schafft Vertrauen In einem rasant wechselnden und komplexen Umfeld mit zum Teil gegensätzlichen Interessen braucht es das Vertrauen in jene, die an den Schalthebeln der Pensionskassen sitzen – dabei spielt auch die transparente Kommunikation eine entscheidende Rolle. Von Hanspeter Konrad In den letzten 25 Jahren wurde das Umfeld der Pen- braucht das Vertrauen in jene, die an den Schalthebeln sionskassen in rasantem Ausmass dynamischer, komple- der Pensionskassen sitzen. Ein Missbehagen gegenüber xer und unberechenbarer. Wir bewegen uns in einem der Art und Weise, wie das Pensionskassenvermögen der Umfeld, das von zahlreichen Akteuren und zum Teil Versicherten verwaltet wird, schadet der beruflichen Vorauch gegensätzlichen Interessen geprägt ist. In diesem sorge. Die verantwortlichen Akteure der Pensionskassen Spannungsfeld von Gesetzgeber, wirtschaftlicher Ent- sind deshalb gefordert, alles zu vermeiden, was zu einem wicklung und Medien spielt die Kommunikation eine Missbehagen führen könnte. Die hohen Vermögenswerte, zentrale Rolle. Es geht um das Image der 2. Säule, einer welche die Pensionskassen verwalten, rufen zwingend freiheitlichen und dezentralen 2. Säule. Zunehmend ge- nach effizienten Führungsstrukturen, Transparenz und fordert sind die einzelnen Pensionskassen als Dienst- insbesondere Kommunikation mit den Versicherten soleistungsunternehmen gegenüber ihren Versicherten, wie wirksamen Kontrollen. Hierfür muss der Stiftungsrat aber auch der ASIP. Es geht um das Image der einzelnen einer Pensionskasse geeignete organisatorische MassnahKasse sowie der 2. Säule als Ganzes. Professionalität in men treffen. Die grundsätzliche Verantwortung für die der Kommunikation, Lösungskompetenz in Sachfragen Einhaltung der gesetzlichen und reglementarischen Beund Qualität bei den Dienstleistungen sichern langfristig stimmungen liegt beim obersten Organ, dem Stiftungsrat Erfolg und Einfluss und leisten einen Beitrag zur Vertrau- der Pensionskasse. Er wird dabei von der Revisionsstelle ensbildung. und nicht selten von externen Experten unterstützt. Im Eine zunehmende Verpolitisierung und Medialisierung Übrigen sind die Stiftungsräte verpflichtet, sich aus- und prägen heute die berufliche Vorsorge. Zudem ist eine weiterzubilden. enorme Beschleunigung festzustellen: Vieles soll innert Der Gesetzgeber sollte sich vermehrt von diesen Überkurzer Frist maximiert werden. legungen leiten lassen und sich auf Dieses Kurzzeitdenken ruft Verunsidie Schaffung von günstigen Rahcherung hervor. Das «Diktat der menbedingungen und Mindestkurzen Frist» ist ein Vertrauenskiller. normen für die berufliche Vorsorge Vertrauen braucht Zeit und Geduld, konzentrieren. Bezüglich KommuVertrauen verliert man schnell und nikation finden sich im BVG zu baut es nur langsam wieder auf. Recht nur die Grundlagen. Es ist Diese Entwicklung widerspricht Aufgabe der Stiftungsräte als oberder Grundidee der beruflichen Vorste Führungsorgane, für ihre Pensisorge. Die Vorsorgebranche strebt onskasse ein Kommunikationskonlangfristige Sicherung an, unterstreizept zu beschliessen. cht die Bedeutung nachhaltiger Lö- 2009 Im Rahmen der 1. BVG-Revision sungen für eine sichere Zukunft. Januar, 21., Barack Obama wird als wurde erstmals ein grundsätzlicher Besonders wichtig ist das Verhältnis 44. Präsident der USA vereidigt. Informationsanspruch der Versizwischen den Versicherten und den cherten im Gesetz verankert (Art. Führungsorganen, welche eine treuhänderische Aufgabe 86b BVG; in Kraft seit 1.4.2004 bzw. 1.1.2005). In der im im Interesse der Versicherten wahrzunehmen haben. Die Frühjahr 2010 vom Parlament verabschiedeten Vorlage Erfüllung dieser Aufgabe wird durch die Einhaltung «Strukturreform in der beruflichen Vorsorge» werden die der Sorgfalts-, Treue- und Informationspflicht geprägt Kernaufgaben des obersten Organs festgehalten. In einem (vgl. diesbezüglich ASIP-Charta unter www.asip.ch). Es neuen Artikel 51a BVG wird in Abs. 2 als Aufgabe des ➔

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Führungsorgans u. a. die Sicherstellung der Information der Versicherten verankert.

Kommunikation als Hebel zur Vertrauensbildung Im Sinne dieser Erwägungen dient die Kommunikation als Hebel zur Vertrauensbildung, zur Schaffung von Sicherheit. Kommunikation muss immer ein zielgerichteter und wechselseitiger Austausch von Informationen zwischen verschiedenen Akteuren sein. Kommunikation ist also immer interaktiv und inhaltlich relevant: Wort und Tat sind entscheidend! Vor diesem Hintergrund ist auch das Credo der Kommunikationsbranche des 20. Jahrhunderts «Kommunikation ist alles» zu relativieren. Dieses Credo führt häufig dazu, dass bei der Lösung von Problemen nicht immer der wirkungsvollste Ansatz gewählt wird. Für den, der «Kommunikation ist alles» denkt, scheint jedes Problem durch Kommunikationsinstrumente lösbar zu sein. Dies führt dann dazu, dass man meint, Wort und Tat könnten auseinanderklaffen: Alles ist Kommunikation – aber Kommunikation ist nicht alles!

nommen werden. Der ASIP hat mit seiner Informationskampagne www.mit-uns-fuer-uns.ch einen ersten Schritt getan. Die gestarteten Aufklärungsinitiativen sind weiterzuführen.

Ein Dauerauftrag für die Verantwortlichen

Was bedeutet das für die berufliche Vorsorge, zunächst dargestellt aus Verbandsoptik und anschliessend aus Sicht der einzelnen Pensionskassen. Vor dem Hintergrund des sich stetig ändernden Umfeldes ist der ASIP gezwungen, mittels einer professionellen und effizienten Organisation innovative Strategien zu verfolgen und wirksame Instrumente einzusetzen. Aufgrund der Erfahrungen und des Knowhows ist der ASIP geeigneter Ansprechpartner der Politik für praxistaugliche Lösungen komplexer Probleme. Es gilt daher: n Verlässlichkeit und Sicherheit der beruflichen Vorsorge aufzuzeigen, n die finanzökonomische und sozialpolitische Verantwortung wahrzunehmen, n klarzustellen, dass Pensionskassen Non Profit Organisationen sind, anders als gewinnorientierte Versicherungen und Banken n das bestehende 3-Säulensystem mit seiner Selbstbestimmung gegenüber staatlicher Regulierung und Fremdbestimmung zu stärken.

Wie erwähnt, erfolgt die Kommunikation auf mehreren Ebenen und in verschiedenen Phasen. Die Pensionskassen selbst müssen ins Boot geholt werden: Kommunikation darf kein Luxusgut sein! Es geht letztlich darum, Entscheidungsträgern in Pensionskassen aufzuzeigen, wie gesetzgeberische, politische oder gesellschaftliche Entwicklungen in einen Zusammenhang mit der Pensionskassen-Kommunikation zu bringen sind und weshalb das notwendig ist. Wer die vielfältigen Interessen im Umfeld der beruflichen Vorsorge und die Hintergründe von gesellschaftlichen oder politischen Abläufen nicht kennt, nimmt die Dinge möglicherweise falsch wahr und läuft Gefahr, auf bestimmte Entwicklungen falsch zu reagieren. Die Pensionskassen-Verantwortlichen sind zu aktiver Kommunikation mit ihren Versicherten aufzufordern. Die Kommunikationsverantwortung des Führungsorgans ergibt sich aus der Verpflichtung zur Gewährleistung der Vorsorgesicherheit. Mit den Transparenzvorschriften der ersten BVG-Revision wurden gesetzlichen Mindeststandards vorgegeben (vgl. Art. 65a Abs. 3 und Art. 86b BVG). Jede Vorsorgeeinrichtung sollte aber ein auf die eigene Situation abgestimmtes Kommunikationskonzept (Zweck, Grundlagen und Inhalt) entwickeln, welches den spezifischen Bedürfnissen unter Beachtung einer Kosten-Nutzenanalyse Rechnung trägt. Wegleitend müssen dabei sein: n Engagement für Fairness, Transparenz und langfristiges Denken, n Verteidigung der Interessen der Versicherten, n Weiterentwicklung der sozialpartnerschaftlich geführten, zweiten Säule, n Politisches Engagement, n Aus- und Weiterbildung, n Einfache Darstellung komplexer Zusammenhänge sowie n Engagement für Corporate Governance als Selbstverständnis.

Gerade der aktuelle Abstimmungskampf um den Mindestumwandlungssatz hat gezeigt, dass diesbezüglich viele Missverständnisse weit verbreitet sind und viele Menschen die komplexen Zusammenhänge nicht nachvollziehen können. Diese Wahrnehmung muss ernst ge-

Wegleitend für die Tätigkeit soll das Motto von Johann Heinrich Pestalozzi (1746–1827, Schweizer Pädagoge und Sozialreformer) sein: «Vertrauen schenken ist eine unerschöpfliche Kapitalanlage.» Richtig verstandene Kommunikation leistet dazu einen wesentlichen Beitrag. n

Aufgabe für Verband und Kassen

Hanspeter Konrad, Direktor ASIP

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Annexe au rapport annuel 2009


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