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»… man war ja auch noch jung«
SEIT MEHR ALS DREISSIG JAHREN IST DAS »KASSABLANCA« nicht mehr aus Jenas Kulturlandschaft wegzudenken – und ist dabei als größtes soziokulturelles Zentrum Thüringens schon immer weit mehr als ein Musikclub. In einer umfassenden Rückschau spiegelt dies auch ein anlässlich des Jubiläums diesen Februar erscheinendes Buch wider.
Wie viele Geschichten passen zwischen zwei Clubtüren? 1990 wurde das Kassablanca in Jena aus einer Arbeitsgruppe des Neuen Forums heraus gegründet. Mehr als 30 Jahre Subkultur, Systemtransfer, Sozialarbeit in Ostdeutschland gehört »das Kassa« zu den größten kleinen Clubs des Landes.
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Basierend auf ausführlichen Interviews des Journalisten Christian Gesellmann besteht das Buch »… man war ja auch noch jung. Kassablanca. 30 Jahre Subkultur in Ostdeutschland« aus einer Vielzahl an Gesprächen mit Menschen, die das Kassablan- ca prägten bzw. selbst von diesem Club fürs Leben geprägt wurden. Wie etwa Carsten Müller, einst Türsteher im Kassa, heute Kulturamtsleiter in Jena. Oder Ingrid Sebastian. Die Kinderkrankenschwester wurde von der Stasi überwacht. Nach der Wende wurde sie Hausbesetzerin und Barkeeperin im Kassa. Dort schrieb sie Konzepte, die auch heute noch Einfluss auf die Jugendsozialarbeit der Stadt Jena haben. Oder auch der Musiker Oliver Jahn. Erst wurde sein Vater aus der DDR abgeschoben, dann seine Freundin, dann er selbst. In Berlin kämpfte er mit der deutschtürkischen Antifa auf der Straße gegen Nazis. Als Sozialarbeiter ging er später mit ihnen Berge besteigen. Heute organisiert er das Stadtfest in Jena.
Neben der geschichtlichen Aufarbeitung geht es in diesem Buch auch darum, ins Erzählen zu kommen, sich zu erinnern, sich zu verstehen — vor allem unter den einander folgenden Generationen. Denn wie Menschen in Ostdeutschland die Zeit seit dem Mauerfall erlebten, ist sehr stark auch eine Generationenfrage. »In der DDR gab es kei- ne Sozialarbeit und es hat sie auch niemand gebraucht« ist ein häufiger Kommentar. Nur wird die Realität von Jugendlichen heute dabei an einem Gestern gemessen, das oft unkritisch, unreflektiert ist. Gleichzeitig gibt es generationsübergreifend eine Sehnsucht nach einer Gesellschaft »mit weniger Ellenbogen« — welcher zumindest das Kassablanca als soziokulturelle Insel schon seit mehr als 30 Jahre gerecht zu werden scheint. (fgo)

Christian Gesellmann (Hrsg.): »… man war ja auch noch jung. Kassablanca. 30 Jahre Subkultur in Ostdeutschland« Voland & Quist, 320 Seiten (brosch.) Ab 15.02.2023 im Buchhandel erhältlich

Eine Performance über Angst. In Angst feststecken und versuchen, sich herauszudenken
FEST Uraufführung: 10. Februar 2023
Von und mit: Hanneke van der Paardt www.theaterhaus-jena.de