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SONNE, GOTT UND KLANG

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EINER FÜR ALLE(S)

EINER FÜR ALLE(S)

Auf den ersten Blick mögen der keltische Gott Belenus, die christliche Trinität und die Mandoline wenig gemeinsam haben. Der britische Komponist David Bruce öffnet in seinem Werk Cymbeline, das er für Avi Avital geschrieben hat, einen weitreichenden Bedeutungshorizont, der nicht nur diese drei Elemente mit einschliesst.

«Cymbeline», so David Bruce, sei ein altes keltisches Wort für Sonnengott. Die Etymologie dahinter ist jedoch etwas komplizierter. Der Name Cunobeline bedeutet so viel wie «stark wie ein Hund» oder «der Hund des Belenus». Von einer keltischen Verehrung der Sonne gibt es zwar keine Zeugnisse, dennoch wird Belenus oft mit Feuer und Sonne in Verbindung gebracht. Und Letztere diente Bruce eben als Ausgangspunkt für seine Komposition, so sind die drei Sätze mit «sunrise», «noon» und «sunset» überschrieben. Dass er sich dieser Thematik zugewandt hat, kommt nicht von ungefähr:

Auch Maurice Ravels Streichquartett in F-Dur bietet rhythmisch so einiges. Das Scherzo überschreibt er mit «Assez vif. Très rhythmé» und setzt es, ähnlich wie Claude Debussy in seinem Streichquartett zehn Jahre zuvor, an die zweite Stelle. Mit südländischem Flair und langen Pizzicato-Passagen ist ein Vergleich zum Klang einer Mandoline nicht zu weit hergeholt. Ganz anders der erste Satz – die Klangfarben evozieren unweigerlich die Bilder des Impressionismus, auch wenn Ravels Sinn für klassische Harmonik durchaus zur Geltung kommt. Der dritte, langsame Satz ist nur scheinbar ruhig: Ständige Takt- und Tempowechsel und erschaudernde Ausbrüche im Cello durchziehen den zuweilen fast gespenstig anmutenden Duktus. Gewissermassen auf die Spitze treibt dies der letzte Satz – ungerade Rhythmen, Taktwechsel in schnellem Tempo und dynamische Gegensätze verlangen, dass sich die Musizierenden sowohl mit klassischer Klangkultur als auch mit moderner Musik auskennen.

Die drei Positionen des Gestirns verbindet Bruce mit der christlichen Dreifaltigkeit. Der Sonnenaufgang, der Vater des Tages, reflektiert das, was kommen mag. Der Mittag, der Sohn, beschreibt die Aktion an sich und ist voller Energie. Der Sonnenuntergang schliesslich ist der Geist der Reflektion über das, was geschehen ist. Cymbeline widerspiegelt diese Zustände: Zwei kontemplative, doch nie spannungsarme Sätze umschliessen einen schnellen, energetischen Mittelsatz mit mal leicht-tänzerischen, mal ungerade-stampfenden Rhythmen.

Das erste Stück des Abends, Jean-Marie Leclairs Sonate für zwei Violinen Nr. 4 in F-Dur, bildet den Startpunkt für diese Trias durch die Musikgeschichte. Leclair wurde zwar nicht gerade als Violingott, doch immerhin als Vater des französischen Geigenspiels bezeichnet. Dabei begann seine Karriere als Tänzer am Teatro Regio in Turin. Als er sich, zurück in Paris, der musikalischen Karriere widmete, konnte er auf die Erfahrungen in der virtuosen Violinwelt Italiens zurückgreifen. Seine zwölf Sonaten für zwei Violinen sind nicht nur technisch anspruchsvoll, sondern auch klanglich eine Meisterleistung. Zwei Stimmen reichten ihm, um ausgewogene, volle Harmonien zu schaffen, ohne französische Eleganz in der Melodie zu vernachlässigen.

CYMBELINE

SA, 3. JUNI 2023, 11.00 UHR

ZKO-HAUS

Avi Avital Mandoline

Willi Zimmermann Violine

Daria Zappa Matesic Violine

Ryszard Groblewski Viola

Nicola Mosca Violoncello

CHF 75

Jean-Marie Leclair Sonate für zwei Violinen Nr. 4 F-Dur, op. 3/4

Maurice Ravel Streichquartett F-Dur, M. 35 David Bruce Cymbeline

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