2 minute read

Hörerlebnisse

HÖRERLEBNISSE MIT SIR ROGER

Drei Werke, die aufeinander Bezug nehmen, eines davon eine Trouvaille aus England – solche Programme sind bei Sir Roger Norrington, Ehrendirigent des ZKO, ja keine Überraschung. Aber dass dieselben Werke im Konzert gleich zweimal erklingen, verblüfft dann doch!

TEXT FELIX MICHEL

Doch was heisst schon «dieselben Werke zweimal»: Bereits der griechische Philosoph Heraklit wusste vor 2500 Jahren, dass uns stets anderes Wasser entgegenströmt, wenn wir ein zweites Mal in denselben Fluss steigen. Nichts kehrt in der Zeit wieder – weder im Leben noch in der Kunst. In der Kunst kann das durchaus ein Vorteil sein, ja sogar eine Art Test für die Qualität von Kunstwerken: Was bei der wiederholten Begegnung noch immer neue Schönheiten offenbart, ist wirklich gut. Schon Mozarts erster Biograf, der heute vergessene Franz Xaver Niemetschek, schrieb 1798: «Die Meisterstücke der Römer und Griechen gefallen bey fortgesetzter Lektüre und je reifer der Geschmack wird, immer mehr und mehr – das nehmliche widerfährt dem Kenner und Nichtkenner bey der Anhörung Mozartischer Musik.»

«Was bei der wiederholten Begegnung noch immer neue Schönheiten offenbart, ist wirklich gut.»

Zwei der Komponisten in Sir Rogers Programm zählen unbestritten zu jener Kategorie Künstler, deren Werke sich nie erschöpfen: Johann Sebastian Bach und Arcangelo Corelli. Beide Komponisten wussten durchaus um ihren Rang. Corelli etwa liess seine Concerti grossi op. 6 erst nach seinem Tod veröffentlichen – vorher musste man schon nach Rom reisen und das Glück haben, ihn selbst diese Konzerte spielen zu hören. Bach wiederum war gerade mal um die 20, als er sich just ein Thema des weltberühmten (und damals noch quicklebendigen) Corelli vornahm, um es in einer eigenen Fuge noch raffinierter zu verarbeiten als Corelli selbst.

Auch der dritte Komponist im Konzertprogramm, Sir Michael Tippett (1905–1998), reiht sich in dieses selbstbewusste Beziehungsnetz ein. Seine 1953 entstandene Fantasia Concertante beruht auf einem Abschnitt aus dem Corelli-Concerto und zitiert später in einem Fugenteil auch Bachs Corelli-Bearbeitung. Nicht unbescheiden, was Tippett da tut – «und er tut es mit bewundernswertem Ideenreichtum!», hebt Sir Roger hervor. Für ihn gehören auch Tippetts Werke zu denjenigen, die beim Wiederhören immer neue Facetten offenbaren. Nach Lieblingswerken befragt, die er uns empfehlen könnte, sagt Sir Roger: «Ich liebe Tippetts Opern ‹Midsummer Marriage› und ‹King Priam›, auch das Concerto for Double String Orchestra – nebst vielen weiteren Werken. Doch diese Corelli-Fantasie ist ganz besonders. Sie nimmt ihren Anfang in Italien und Leipzig, singt am Ende aber unausweichlich von der englischen ‹countryside›.» Was bleibt einem da anderes übrig, als sich auf dieses Wiederhören mit Sir Roger zu freuen!

HÖRERLEBNISSE DO, 19. NOV. 2020, 19.30 UHR TONHALLE MAAG

Sir Roger Norrington Ehrendirigent Zürcher Kammerorchester Willi Zimmermann Violine Solo Daria Zappa Matesic Violine Solo Nicola Mosca Violoncello Solo Naoki Kitaya Cembalo und Orgel

Mit Konzerteinführung durch Felix Michel um 18.30 Uhr

Grosses Abo, Kleines Abo CHF 110 / 100 / 85 / 60 Arcangelo Corelli Concerto grosso F-Dur op. 6 Nr. 2 Johann Sebastian Bach Fuge h-Moll über ein Thema von A. Corelli BWV 579 Michael Tippett Fantasia Concertante über ein Thema von A. Corelli Arcangelo Corelli Concerto grosso F-Dur op. 6 Nr. 2 Johann Sebastian Bach Fuge h-Moll über ein Thema von A. Corelli BWV 579 Michael Tippett Fantasia Concertante über ein Thema von A. Corelli

This article is from: