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Wilhelm Mundt im Skulpturenpark
Wilhelm Mundt
Unklumpen
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Ende der 1980er-Jahre hat Wilhelm Mundt angefangen, aus seinen Atelierrückständen abstrakte Formen zu kreieren. Anstatt das Material zu offenbaren, transferiert der Künstler es zu einer neuen ästhetischen Form.


Wilhelm Mundt, Trashstone 762, 2021 (c) VG Bild-Kunst Bonn 2022
Wilhelm Mundt, Trashstone 689, 2017 (c) VG Bild-Kunst Bonn 2022


Wilhelm Mundt, Trashstone 765, 2021 (c) VG Bild-Kunst Bonn 2022
Die Verbindung der Inhalte ist ein mühseliger und lang-
wieriger Prozess. Er umwickelt die Gegenstände und beschichtet sie mit unzähligen Schichten von Fiberglas. Diese Ebenen färbt der Künstler vielfältig ein. Nach dem additiven Verbinden öffnen sich neue Farbkulminationen. Das Kolorit im Material verändert sich mit der Kombination auf der Form. Final schleift der Bildhauer die Oberflächen, und es tauchen diverse Farbebenen auf, die die äußere Struktur verzerren. Wilhelm Mundt kreiert auf diese Weise amorphe Formen, die unter dem Titel Trashstones bekannt sind.
In der Ausstellung „Unklumpen“ im Skulpturenpark Waldfrieden werden die jüngsten Werke dieser Serie gezeigt. Der Titel der Werkschau bezieht sich ironisch auf die Ausstellung Klumpen in der Buchmann Galerie, Berlin 2015. Der Künstler spricht von seinen Werken selbst gern als „Klumpen“. Der Titel „Unklumpen“ verweist auf eine neuartige Form seiner Skulpturen innerhalb der Ausstellung. Während seine Trashstones üblicherweise liegend präsentiert werden, hängen diese neuen Arbeiten im Raum und bilden eine strenge vertikale Setzung. Formal und inhaltlich prägend für diese Hänge-Plastiken ist das Werk Weihnachten 95 von 1996 . Es besteht aus einem nach unten hängendem Tannenbaum, der mit einer Schicht aus Silikon, Latex und Mullbinden umwickelt ist. Die Form erinnert dabei an ein Stück Fleisch oder einen Dönerspieß. Zentral ist auch hier die Idee, persönliche Gegenstände zu verpacken und zu konservieren. Auf diese Weise werden gleichsam auch die
Erinnerungen und Emotionen, die für den Künstler mit den Objekten verbunden sind, mumifiziert.
Die im Ausstellungsraum hängenden Skulpturen unterscheiden sich auch insofern von Wilhelm Mundts früheren Arbeiten, als ihr Innenleben sichtbar ist. Den Betrachterinnen und Betrachtern offenbart er dadurch persönliche Objekte, die in eine kompakte Form gebracht sind und farblich miteinander korrespondieren. Die Materialien innerhalb der gepressten Formen erscheinen aus der Entfernung abstrakt und malerisch. Aus der Nähe betrachtet vermitteln die eingeformten Gegenstände Informationen über ihre eigene Geschichte und frühere Verwendung. Innerhalb der anorganischen Materialien tauchen ein Zelt, Autoreifen, eine rote Jacke und andere persönliche Objekte auf, die eine Bedeutung für den Künstler besitzen und auf seine Biografie verweisen.
In das Innere der beiden transparenten Plastiken sind auch Bildschirme integriert, auf denen kurze Videos mit
Sound wiedergegeben werden. In den Kurzvideos ist der Künstler selbst zu sehen, der beim Autofahren „Fichten, Tannen, Lärchen, Kaninchen, Fleisch“ in die Kamera brüllt. Es handelt sich hierbei um eine Beobachtungsstudie während der Fahrt, die einen Kontrast zur ruhigen natürlichen Idylle auf dem Land bildet. Auch hier im Skulpturenpark erscheint die Stimme des Künstlers inmitten der Werke aggressiv und brutal. Der Bildhauer schafft so einen bewussten Gegensatz zum Wald mit seiner Flora und Fauna um den Pavillon herum.
In der Ausstellung sind unterschiedliche Trashstones aus den letzten Jahren zu sehen. Die Plastiken aus Aluminium reflektieren durch das Material die Umgebung. Sie verweigern den Blick auf das Innere durch die spiegelnde Oberfläche des Materials. Sie sind „unsichtbar“ und verdeutlichen eine spezielle Ästhetisierung des anorganischen Materials. Die Skulpturen erscheinen je nach Präsentation des Ortes und des jeweiligen Lichteinfalls divergent.
Einige Skulpturen fallen durch eine geometrische, flä-
chige Farbgestaltung auf. Diese sind als Gruppe oder Duo konzipiert und stehen auch farblich in Beziehung zueinander. Diese Werke sind voneinander abhängig und doch singulär getrennt in der eigenen Formkulmination. Ohne das „Gegenstück“ erscheint die Arbeit vereinsamt, singulär. Der Künstler zeigt in seiner Kunst und deren Präsentation ein soziales Gefüge. Es handelt sich hier nicht um lebendige Wesen, allerdings können die Zusammenstellungen Beziehungen aus unserem Alltag repräsentieren.
In den letzten Jahren hat sich Wilhelm Mundt verstärkt auf eine kontrastreiche malerische Oberflächengestaltung fokussiert. Der schwarze Trashstone 765 ist mit einer breiten weißen Linie überzogen, die der Wölbung der Oberfläche folgt. Diese Markierung bildet eine weitere spielerische Ebene auf dem Objekt. Die Linie lenkt den Blick über das Kunstwerk und kreiert einen Kontrast zu den plastischen Auswölbungen auf der Skulptur. Wilhelm Mundt nutzt den Trashstone, um malerische Potenziale im plastischen Raum zu präsentieren.
Ein Gestell mit neun kleinen Werken ist parallel zur
Ausstellungswand positioniert. Ein genauer Blick auf die Oberfläche offenbart bei diesen Steinen eine individuelle grafische Bearbeitung des Künstlers. Feine Linien, eine gezeichnete Spritze sind zu erkennen und bilden einen linearen Dialog zu den allgemeinen organischen Formen. Das Fiberglas konserviert hier den zeichnerischen Gestus des Künstlers. In der Präsentation als Ensemble korrespondieren die jeweiligen Linien miteinander und bilden eine Art grafische Akzentuierung des Raums.
Allgemein verweist der Künstler mit seinen Werken auf die überbordende Müllproduktion der Menschheit. Müll findet sich heute in allen Bereichen der Natur, im Ozean und sogar in der Luft. Der Künstler verbindet das künstliche, giftige Material und formt dieses kontinuierlich und konsequent zu Objekten, die durch den Titel und ihre Form auf Elemente der Natur hinweisen. Der Stein und der hängende Tannenbaum sind Teile der Natur, die neu interpretiert sind. Essenziell innerhalb der Präsentation ist die formale Kommunikation der Arbeiten untereinander. Hier ist das gleichbleibende Konzept in unterschiedlicher Ausführung sichtbar.
Die Serie der Trashstones bündelt eine konzeptuelle Transformation zu einem malerischen, skulpturalen Objekt mit narrativem Inhalt. Systematisch und konsequent führt Wilhelm Mundt die Werkserie fort und nummeriert alle seine Kunstwerke mit ihrer eigenen Zahl, die als Signatur gilt. Diese Ziffer ziert die Oberfläche der organischen Plastik und führt zu einem narrativen Kontrast, der auf Kontinuität und Individualität verweist.
Wilko Austermann Alle Fotos: Michael Richter

Wilhelm Mundt, Regal III, 2015 (c) VG Bild-Kunst Bonn 2022
Wilhelm Mundt, Regal III, 2015 (c) VG Bild-Kunst Bonn 2022

Ausstellung im Skulpturenpark Waldfrieden
Hirschstr. 12, 42285 Wuppertal